41

Click here to load reader

Der Geleitzug ins Ungewisse

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Der Geleitzug ins Ungewisse

1

Page 2: Der Geleitzug ins Ungewisse

Nr. 238Der Geleitzug ins UngewisseSie sind von Feinden umgeben, und das ewige Eis ist ihre letzte Zuflucht - Einweiteres Abenteuer im Andro-Beta-Nebel!von K. H. Scheer

Das Jahr 2402 steht im Zeichen terranischen Vordringens in Richtung Andromeda. Obwohl noch keinRaumantrieb entwickelt wurde, mit dessen Hilfe die Terraner den gewaltigen Abgrund zwischen den Galaxienüberbrücken können, befinden sich Perry Rhodan und seine Leute bereits im Andro-Beta-Nebel, im Vorfeld vonAndromeda. Transmitterstationen der mysteriösen ‚Meister der Insel‘, der Herren Andromedas, haben ihrkühnes Vordringen ermöglicht.Fast scheint es, als wäre das „Unternehmen Brückenkopf“ zu riskant. Schließlich geriet die CREST II, PerryRhodans Flaggschiff, bei einem Erkundungsflug in die Gewalt der Twonoser, und nach einem erbittertenKampf mußten Perry Rhodan und 2000 Terraner den bitteren Weg in die Gefangenschaft antreten.Der Krieg der Kasten wurde entfesselt, und es dauerte nicht lange, bis die Gefangenen sich einen Weg zurückin die Freiheit bahnten. Während dies sich im Innern eines abgestorbenen Mobys vollzog, traf an den Grenzendes Andro-Beta-Nebels das Nachschubgeschwader ein: sechs riesige Transporter und ein Schwerer Kreuzer!Die terranischen Raumfahrer müssen äußerste Vorsicht üben, denn der Gegner entwickelt eine hektischeAktivität im Andro-Beta-Nebel.Ein einziges falsches Manöver der Terraner kann zur Katastrophe führen - und der Flug der Schiffe ist nichtsanderes als ein GELEITZUG INS UNGEWISSE ...

Die Hautpersonen des Romans:Atlan - Der Lordadmiral ergreift die Initiative, während der Großadministrator an sein Krankenlager gefesselt ist.Perry Rhodan - Großadministrator des Solaren Imperiums.Gus Fehker - Ein Sanitätssergeant mit einem dicken Fell.Captain Don Redhorse - Chef des Landungskommandos der CREST.Gucky - Der Mausbiber ist böse, weil man ihn als Karottenfresser bezeichnet.Melbar Kasom - Der USO-Spezialist entwickelt - wie immer - einen gesegneten Appetit.Heske Alurin - Kommandant des USO-Flaggschiffes.Unis Heyt und Tralun Milas - Offiziere der IMPERATOR.

1.

Drei Dinge ereigneten sich zur gleichen Zeit. Siewaren relativ bedeutungslos; aber doch bezeichnendfür den Geist, der an Bord des terranischenFlottenflaggschiffes CREST II herrschte.

Drei Dinge und drei Männer - sie gehörtenzusammen.

Einer der Männer stand im Hintergrund derKabine. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt,die linke Schulter gegen die Ecke einesEinbauschrankes gelehnt und die Füßeübereinandergeschlagen Diese Haltung war höchstunmilitärisch, immerhin aber bequem.

Der Mann war Lordadmiral Atlan,Oberbefehlshaber der USO und ehemaliger Imperatordes Sternenreichs der Arkoniden.

Der zweite Mann lag in einem blütenweißbezogenen Pneumobett. Sein Kopf wurde von einemtransparenten Bioplastverband verdeckt. Sein Namewar Perry Rhodan, Großadministrator des SolarenImperiums und Chef der Solaren Flotte.

Die dritte Person, die mit den drei Ereignissen in

Zusammenhang stand, war dienstrangmäßigunbedeutend, innerhalb der Krankenstation Jedocheine wichtige Persönlichkeit - vorausgesetzt, eswaren Kranke oder Verletzte anwesend, die sich denAnordnungen der Ärzte zu unterwerfen hatten.

Der Name dieses Mannes war SanitätssergeantGus Fehker. Er hatte vom Chefarzt der CREST II dieAnweisung erhalten, Perry Rhodan ausschließlich alsPatienten anzusehen und Bitten oder Befehle zuignorieren. Für Dr. Ralph Artur war ein Krankernichts anderes als ein Kranker, gleichgültig, ob essich um den Großadministrator oder um einenHilfstechniker handelte.

Man sagte Sergeant Gus Fehker nach, ein dickesFell zu haben. Obwohl klein und mager, hatte er sichvorgenommen, seinem höchsten Vorgesetzten inmedizinischer Hinsicht die Stirn zu bieten.

Auf Grund dieser Situation kam es zu den dreiEreignissen. Atlan lächelte maliziös; auf RhodansStirn war die Zornesader angeschwollen, undSergeant Fehker kämpfte einen erbitterten Kampf mitsich selbst. Er war zwischen zwei Mühlsteinegeraten. Einmal gingen ihm die strikten

2

Page 3: Der Geleitzug ins Ungewisse

Anweisungen des Chefarztes durch den Kopf, undandererseits hatte er dem Zornesausbruch desGroßadministrators standzuhalten.

Gus Fehkers Gesichtsmuskulatur zuckte wie unterinneren Krämpfen. Seine Hand glitt nach vorn, undunter Rhodans Nase tauchte erneut der Plastiktellerauf.

„Schleimsüppchen, Sir, echtes, terranischesSchleimsüppchen“, sagte Fehker mit, echterVerzweiflung in der Stimme. „Sir, Sie machen michunglücklich.“

„Der Teufel soll Sie holen!“Fehker entschloß sich, die Entgegnung zu

überhören.„Sir, stellen Sie sich Terras grüne Felder und Auen

vor, auf denen zarte Winde - ich meine linde Brisen -die Ähren wiegen. Da muß die Suppe dochschmecken. Sir, Sie haben seit gestern nichts mehrgegessen. Der Chefarzt steinigt mich wenn ich ihmerneut berichten muß, daß Sie die Nahrungverweigert ha ...!“

Rhodan brach in ein schrilles Gelächter aus,Fehker zuckte zusammen.

„Wie bitte? Sagten Sie Nahrung?“Atlan stieß sich mit der Schulter von der

Schrankecke ab und durchquerte die geräumigeKabine. Vor dem Bett blieb er stehen und schaute aufRhodan hinunter.

„Die Terraner sind für ihre Dickschädel berüchtigt.Deiner muß eine ganz besondere Ausführung sein.Obwohl er erwiesenermaßen gespalten ist, scheint eran chronischer Widerstandskraft nichts verloren zuhaben. Du hast einen kompliziertenSchädelbasisbruch und warst lange Zeitbesinnungslos. Iß deine Suppe. Sergeant, gießen Siedas Zeug in eine Schnabeltasse. Dann sehen wirweiter.“

Gus Fehker atmete erleichtert auf. Er war fürAtlans Hilfestellung dankbar, fühlte dieSchleimsuppe um und kam zungenschnalzend näher.Sein Lächeln war so unecht wie Rhodans Ruhe.

Der Großadministrator warf dem kleinen Manneinen drohenden Blick zu und erkundigte sich miteinem noch unechteren Lächeln:

„Wissen Sie aus dem Geschichtsunterricht, wie einterranisches Pferd aus dem zwanzigsten Jahrhundertaussah?“

„Sicher, Sir, sicher“, entgegnete Gus Fehkerfreudig erregt. Er hielt Rhodans Widerstand fürgebrochen.

„Dann sollten Sie auch ahnen, wie es ist, wennman von einem solchen Pferd getreten wird. WennSie in einer Sekunde nicht verschwunden sind, dann...“

Rhodan unterbrach sich, richtete sich auf undstreckte ein Bein unter der Decke hervor.

Gus Fehker brauchte genau elf Sekunden, um denKrankenraum zu verlassen. Rhodan sank ächzend indie Kissen zurück. Atlan musterte ihn ironisch.

„Jetzt bist du wohl sehr stolz auf deine Leistung,was? Ich werde dafür sorgen, daß man dir eineTiefschlaftherapie mit künstlicher Ernährungverordnet.“

„Ich fühle mich wohl. Ich werde aufstehen.“„Nichts wirst du tun. Auch die neuen Heilmittel

können keine Wunder bewirken. Ein Mann, der sichdie Schädeldecke bis hinab zur grauen Rindeaufgespalten hat, gehört nicht in denKommandostand eines Superschlachtschiffes. Ichwerde die Frachter wohlbehalten nach Trojabringen.“

Die Blicke der Männer kreuzten sich. Keinersenkte die Lider; jeder fixierte den anderen, bis derBildschirm der Interkomanlage aufleuchtete. OberstCart Rudo, der Kommandant der CREST, war amApparat.

„Ich bitte um Verzeihung“, dröhnte seine Stimmeaus dem Lautsprecher. „Sind Sie abkömmlich, Sir?“

„Ich bin in fünf Minuten in der Zentrale, Rudo“,rief Rhodan und richtete sich erneut auf.

Atlan drückte ihn zurück. Seine Augen schienen ininnerem Feuer zu leuchten.

„Der Kommandant meinte mich. Du hast dochnichts dagegen, oder?“

Rhodan beherrschte sich mühsam. Atlan schrittzum Bildschirm hinüber.

„Schwierigkeiten?“„Natürlich, Sir. Die ANBE 5 meldet

Maschinenschaden. Der Hauptsteuerleiter zumKalupsystem der zweiten Zusatzstufe istunterbrochen. Man sucht den Fehler.“

Atlan nickte ungerührt. Sein weißblondes Haarreflektierte das Licht der Deckenröhren.

„Machen Sie sich damit vertraut, daß wir vorjedem Linearmanöver mit ähnlichen Vorkommnissenbelastet werden. Diese Zusatztriebwerke haben ihreMucken. Rundruf an alle Schiffe: Wir warten mitdem Durchgang, bis die ANBE 5 wieder klar ist.“

„Sir, wir stehen bereits in der äußerenBallungszone des Andro-Beta-Nebels. DieOrtungsstation empfängt Energieechos überEnergieechos. Das System wimmelt von Schiffenaller Größenordnungen. Ich würde vorschlagen, dieANBE 5 aufzugeben, wenn der Schaden nicht ineiner halben Stunde behoben ist.“

Rhodan richtete sich erneut auf. Sein Gesicht warangespannt. Er wartete auf Atlans Antwort DerLordadmiral runzelte die Stirn.

„Wie - Sie wollen einen fünfzehnhundert Meterdurchmessenden Großraumfrachter mit etwa einerhalben Million Tonnen Nachschubmaterial sprengen?Meinten Sie das?“

3

Page 4: Der Geleitzug ins Ungewisse

„Nein“, entgegnete Cart Rudo. „Ich wollte ihneigentlich mit den Desintegratoren der CRESTvernichten.“

Atlan holte tief Luft.„Sie entwickeln einen typisch terranischen Humor.

Beachtlich, die ANBE 5 wird nicht zerstört. LassenSie Klarschiff anschlagen.“

„Wir sind längst gefechtsklar, Sir“ erwiderte derquadratisch gebaute Umweltangepaßte von Epsal.„Die Männer schlafen schon auf den Stationen ein.“

„Wenn es zum Gefecht kommt werden sie wach“,knurrte der Arkonide erbost. „Lassen Sie denRundruf an alle Frachterkommandanten durchgebenund richten Sie bei der Gelegenheit aus, daß ich mireinen exakteren Geleitflug ausbitte. Die ANBE 1schert laufend aus dem Zielkurs.“

„Der Haupt-Autopilot ist ausgefallen, Sir“, grinsteCart Rudo mit einer Spur von Schadenfreude. „Beidreißig Prozent der einfachen Lichtgeschwindigkeitist es für die Kosmonauten ein Kunststück, unserenKorrekturmanövern einwandfrei zu folgen“

„Führen Sie meine Befehle aus“ sagte Atlan kühlund schaltete ab. Das Fernbild erlosch.

Der hochgewachsene Arkonide fuhr sich mit derHandfläche über die Stirn. Er sah plötzlich müde aus.

Rhodan musterte ihn schläfrig. Er hatte jedeOpposition gegen die erzwungene Ruhepauseaufgegeben.

„Mir scheint, alter Freund, es macht meinenMännern Spaß, dir hier und da einen kleinenSeitenhieb zu verpassen“ Atlan schüttelte den Kopf.

„Mehr als das. Sie fühlen sich unter meinemKommando nicht wohl. Du fehlst ihnen überall. Sievermissen sozusagen den psychologischen Eckpfeileram Gebäude ihrer Vorstellungswelt. Bilde dir abertrotzdem nicht ein, ich ließe dich eine Minute früherals vorgesehen aus dieser Einzelkabine.“

„Darüber reden wir noch.“Atlan tippte dem Kranken mit dem Zeigefinger

gegen die Schulter.„Allerdings, aber erst dann, wenn dich die Ärzte

für gesund erklären. Deine barbarischen Vorfahren,die ich noch gut kannte, hielten es für richtig, mitabgebrochenen Steinkeilspitzen im Kopf bis zumUntergang zu kämpfen. Du unterscheidest dich vondiesen Höhlenwilden lediglich durch dein Wissen.Dein Starrsinn ist der gleiche. Du wirst bis zur vollenGesundung im Bett bleiben Ich werde die sechsNachschubfrachter und die CREST durch denBeta-Nebel nach Troja bringen Das wird einige Tagedauern. Nach der Ankunft kannst du wieder denOberbefehl übernehmen. Über dieses Themabrauchen wir nicht mehr zu sprechen. Ich weiß, wieich einen Schiffsverband durch feindliche Linien zuschleusen habe.“

In Rhodans Gesicht bewegte sich kein Muskel Er

wirkte geschwächt Kopfschmerzen peinigten ihn,aber er lehnte schmerzstillende Mittel ab.

„Ich werde vernünftig sein“, versprach er.„Schicke mir diesen Sergeanten mit demHaferschleim. Welches Datum schreiben wir?“

„Den 22. August 2402. Vor zwei Tagen habe ichden Schweren Kreuzer BAGALO entlassen undOberstleutnant Kim Dosenthal beauftragt,unverzüglich den Schrotschußtransmitteranzufliegen. Weitere Nachschubtransporte haben zuunterbleiben, bis die Lage im Beta-Nebel geklärt ist.Dosenthal wird in ein bis zwei Tagen dievierhunderttausend Lichtjahre überwunden haben,vorausgesetzt, er hat nicht ebenfalls mitMaschinenschäden zu kämpfen. DieZusatztriebwerke haben noch einigeKinderkrankheiten.“

„Ohne sie könnten wir den Abgrund zwischenAndro-Beta und dem Schrotschußtransmitter niemalsüberwinden.“

„Sicher. Du solltest nun schlafen. Uns ist nur miteinem gesunden Perry Rhodan gedient.“

Atlan winkte dem Freund zu und schritt zumDruckschott hinüber.

„Atlan ...!“Der Lordadmiral blieb stehen und drehte den Kopf.

Er hatte den Anruf erwartet. Rhodan war nurweitläufig über die Geschehnisse der letzten Tageinformiert worden. Beim Start der BAGALO war ernoch besinnungslos gewesen. Auf Anraten der Ärztehatten es die führenden Offiziere der CRESTunterlassen, ihren Chef mit den zahlreichenSchwierigkeiten vertraut zu machen, die sich nachdem Treffen mit den sechs wartendenNachschubfrachtern ergeben hatten.

„Ja?“Rhodan versuchte ein Lächeln. Seine eisgrauen

Augen blickten plötzlich hellwach. Er sprach aus,womit der Arkonide gerechnet hatte.

„Deine Therapie, alles Lästige und Unangenehmevon mir fernzuhalten, ist medizinisch richtig,militärisch jedoch falsch. Für die Männer auf Trojasind wir seit etwa 4 Wochen Standardzeit überfällig.Niemand weiß, ob der Geheimsatellit noch existiert.Die Wachflotten der Twonoser überschwemmen denBeta-Nebel. Was gedenkst du zu unternehmen, wennwir Troja nicht mehr finden?“

„Dann ist das Unternehmen Brückenkopf nochlange nicht gescheitert. Wir können versuchen, mitden höchstwahrscheinlich entkommenenSuperschlachtschiffen Funkverbindungaufzunehmen. Wenn das gelingt, müssen sie sofortaus der Frontlinie gezogen und weit draußen imintergalaktischen Leerraum postiert werden. DieFrachter werden zum Schrotschußsystem entlassen.Sie haben mit Zusatztriebwerken für die

4

Page 5: Der Geleitzug ins Ungewisse

Superschlachtschiffe zurückzukehren, damit wir mitallen fünf Einheiten fernflugtauglich sind.Anschließend beginnen wir mit der Suche nacheinem geeigneten Stützpunktplaneten. Ist ergefunden, wird der Nachschub fließen, und zwarohne den Großtransmitter des Beta-Systems. Unservordringlichstes Problem heißt nach wie vor strengsteGeheimhaltung. Niemand darf ahnen, wer in dasvorgelagerte Zwergsystem des großenAndromedanebels eingedrungen ist. Wahrscheinlichwerden wir Troja aber unversehrt vorfinden. Diezurückgebliebenen Kommandanten sind keineDummköpfe. Sie werden sich ausrechnen können,daß wir in Schwierigkeiten geraten sind.“

Atlan ging. Perry Rhodan schaute konzentriertgegen die zartgrün lackierte Tür, bis Gus FehkersGesicht erkennbar wurde.

Er schlängelte sich durch den Spalt, schnalzteerneut lockend mit der Zunge und jonglierte seinenSuppenteller auf den Fingerspitzen.

„Fangen Sie nur nicht wieder mit Terras grünenFeldern und Auen an“, murrte Perry. „Mir ist übelgenug. Und hängen Sie ein Handtuch über IhrGesicht. Es erinnert mich an die Kraterlandschaft desirdischen Mondes. Kranke soll man nicht mitHeimweh plagen. Ist die Suppe noch heiß?“

„Warm, Sir“, berichtigte Fehker gekrankt. „Bittesehr, Sir. Welches Handtuch soll ich nehmen?“

Rhodan schmunzelte unterdrückt.„Das rote. Vielleicht wirken Sie dann wie ein

Torero. Versuchen Sie es einmal. Mann - und das sollwarm sein? Ich vereise mir ja die Zunge!“

Sergeant Gus Fehker war davon überzeugt, nochnie einen so schwierigen Patienten betreut zu habenwie den Großadministrator des Solaren Imperiums.Fehker kam anschließend zu der Schlußfolgerung,dieser als gerecht bekannte Vorgesetzte könne sichnicht ganz wohl fohlen Damit hatte er den Nagel aufden Kopf getroffen.

Als er ging, rief ihm Perry nach: „Verzeihen Siemir, Gus Ich war widerlich. Sie sind ein erstklassigerMedosergeant.“

Die beiden Posten vor der Kabinentür wundertensich über Fehkers strahlendes Gesicht. Einer tipptesich gegen die Stirn und fragte:

„Ist dir nicht gut, Kleiner?“Gus Fehker reckte die spitze Nase noch etwas

höher in die Luft.Wortlos schritt er an den Wachen vorbei. Der

Teller wippte auf seiner Handfläche.„Jetzt ist er wahnsinnig geworden“, flüsterte der

Posten. „Der Chef hat ihm den letzten Nerv gezogen.Armer Teufel.“

*

Atlan betrat die Zentrale der CREST II durch dasgroße Hauptschott. Er lauschte einen Augenblick aufdas Zischen der zuschwingenden Schotthälften,reichte seinen hüftlangen Umhang einem Roboterund schritt die wenigen Stufen zur Schaltbrückeempor.

Oberst Cart Rudo fühlte den Kommandantensesselvoll aus. Seine mächtigen Schultern ragten über dieWulstränder der Rückenlehne und vermittelten denEindruck, als hätten dort zwei Männer gesessenAtlans erster Blick galt den Bildschirmen derPanoramagalerie Sie erfaßten einen Winkel vonhundert achtzig Grad in der Flugrichtung. DieHeckbeobachtung war nicht weniger umfangreich.

Cart Rudo grüßte mit einem Kopfnicken.Oberstleutnant Brent Huise der Erste Offizier, warfdem Arkoniden einen forschenden Blick zu undbrüllte gleichzeitig einen Programmierer an. Huisewar ein stimmgewaltiger Mann, dem man eigentlichniemals etwas recht machen konnte.

Einen Augenblick lang beobachtete Atlan dieOffiziere und Mannschaften der Zentralebesatzung.Sie machten einen guten, disziplinierten Endruck.Hier und da fiel ein Scherzwort oder eine ironischeBemerkung, wie sie für Terraner typisch war.

Niemand schien es zu stören, daß man sich demZentrum eines Sternnebels näherte, den man schonals kleine Galaxis bezeichnen konnte Andro-Betadurchmaß siebentausend Lichtjahre und war demAndromedanebel nur noch hunderttausend Lichtjahrevorgelagert. Von her aus war es nicht mehr weit biszu den rätselhaften und noch völlig unbekanntenSonnen und Welten einer Galaxis, die von derMilchstraße fast eineinhalb Millionen Lichtjahreentfernt stand.

Solche Distanzen konnten von keinem Raumschiffüberbrückt werden. Die Triebwerksleistungen wärenfür solche Fernflüge nur dann ausreichend gewesen,wenn der Materialverschleiß keine Grenzen gezogenhätte.

Unbekannte Mächte, die man ‚Meister der Insel‘nannte, hatten bereits vor vielen Jahrtausenden einenWeg zur Überbrückung des Abgrundes zwischen denGalaxien gefunden. Ihre unvorstellbare Technik hatteGigant-Transmitter geschaffen, die ihre Energie ausnatürlich entstandenen, jedoch künstlich plaziertenSonnen bezogen.

Einer dieser Transmitter - man nannte ihn wegenseines kosmischen TrümmerringesSchrotschußtransmitter - war von Terra nach hartenund verlustreichen Kämpfen erobert worden.

Der Ferntransmitter, der vom Beta-Nebelvierhunderttausend Lichtjahre und von derMilchstraße neunhundertfünftausend Lichtjahreentfernt stand, hatte als Sprungbrett für dasUnternehmen Brückenkopf gedient.

5

Page 6: Der Geleitzug ins Ungewisse

Es war gelungen, einen ausgehöhltenHimmelskörper des Trümmersystems wie zufälligdurch den Beta-Transmitter in das Zwergsystemeinzuschleusen. Man hatte den Satelliten Trojagenannt. Er war groß genug, um fünf terranischenSuperschlachtschiffen der Imperiumsklasse undungeheuren Materialvorräten Platz zu bieten; aber erwar nicht groß genug, um als vollwertiger Stützpunktder Menschheit eingestuft zu werden.

Die Strategie des terranischen Oberkommandoshatte Zwischenfälle aller Art einkalkuliert - nur nichteinen! Niemand hatte mit dem Auftauchen vongigantischen, planetengroßen Lebewesen gerechnet,die äußerlich einer dicken Scheibe mit einem Kranzvon Millionen fadenähnlichen Auswüchsen glichen.

Man hatte diese anorganischen, nur von Energielebenden Sternwanderer, die bis auf Ausnahmenschon seit Jahrtausenden abgestorben waren, Mobysgenannt.

Die im Beta-Nebel heimischen Intelligenzwesen,wegen der beiden Rüsselnasen Twonoser genannt,hatten sich zum überwiegenden Teil die großenHohlräume der abgestorbenen Mobys zu Nutzegemacht und darin beachtliche Kulturen aufgebaut.Es waren die seltsamsten Planeten, die Terranerjemals gesehen hatten.

Später, nach dem planmäßigen, unbemerktenEinsickern in den Beta-Nebel war es zu einemZwischenfall gekommen, der Trojas Existenz inFrage stellte und dem Perry Rhodan einenSchädelbruch zu verdanken hatte.

Die Planung sah vor, nach dem Einschleusen desGeheimsatelliten Troja ein Vierstufenschiff derANDROTEST-Klasse zum Schrotschußtransmitterzurückzuschicken, den Erfolg des Unternehmensbekanntzugeben und nach einer Frist von vierWochen die ersten Nachschubeinheiten in Marsch zusetzen.

Die ANDROTEST III unter dem Kommando vonOberst Pawel Kotranow besaß infolge ihrer vierStufen eine Reichweite von einer Million Lichtjahre.Kotranow hatte den Schrotschußtransmitter erreicht,der in bestimmten Intervallen mit demSonnensechseck der Milchstraße einenTransportkontakt aufnahm.

Das Programm lief bereits auf vollen Touren, alsdie CREST II von der Besatzung eines abgestorbenenMobys zur Landung gezwungen wurde. DerAusbruch gelang nur durch das Anfachen allerStreitigkeiten unter den Rüsselwesen diesesKunstplaneten. Sie waren in drei Kasten aufgeteiltund hatten infolge dieser schwierigenGesellschaftsordnung genug Gelegenheit geboten, siegegeneinander aufzuwiegeln.

Die CREST II war nach schweren Kämpfenentkommen, jedoch war sie direkt nach dem

gewaltsamen Ausbruch von einer Wachflotte derBlaurüssel empfangen worden.

Die Blaurüssel, Angehörige der B-Kaste, stelltendie autorisierten Wachtruppen des Beta-Nebels. Siehatten den Moby sofort angegriffen und den Kriegder Kasten ungewollt so forciert, daß die Bewohnerdes Mobys zu Atomwaffen gegriffen hatten.

Zum gleichen Zeitpunkt waren sechs terranischeNachschubtransporter unter dem Geleitschutz desSchweren Kreuzers BAGALO vor dem Beta-Systemeingetroffen.

Oberstleutnant Kim Dosenthal hatte dieEnergieausbrüche geortet. Bei seinemErkundungsflug war er mit der CREST IIzusammengetroffen, die im Ortungsschutz einernahen Sonne die Vorgänge beobachtet hatte.

Atlan, der zehntausendjährige Arkonide underfahrene Flottenchef hatte gewußt, daß der Erfolgdes Unternehmens auf des Messers Schneide stand.Wenn die Besatzungen der Beta-Wachflotte entdeckthätten, daß Terraner in den Vorhof derAndromeda-Galaxis eingedrungen waren, hätte mangetrost wieder nach Hause fliegen können. DieseGefahr hätte dann bestanden wenn einigeMobybewohner in Gefangenschaft geraten wären undausgesagt hätten.

Die gewaltige CREST war unverkennbar, und die‚Meister der Insel‘ wußten durch die Geschehnisseim Horror- und Twin-System bereits sehr genau, wieterranische Schiffskonstruktionen dieserGrößenordnung aussahen.

Dazu waren die Terraner von sehr vielenTwonosern gesehen worden. Eine genaueBeschreibung der entflohenen Gefangenen hätte den‚Meistern der Insel‘ die letzte Gewißheit gebenmüssen, daß es Terranern gelungen war, unbemerktin den Beta-Nebel vorzudringen.

Atlan hatte darauf gedrängt, den planetengroßenMoby mit Superwaffen zu vernichten, ehe dieBesatzungen der Wachflotte Gelegenheit fänden,überlebende Mobybewohner zu befragen.

Rhodan hatte abgelehnt. Er war mit der hartenForderung arkonidischer Prägung nicht einverstandengewesen.

Nur wenige Stunden später hatte es festgestanden,daß im Innern des Mobys ein Atomkrieg unter denKasten ausgebrochen war. Atomare Feuerzungenhatten die Rückenschale des um seine Sonnetreibenden Ungeheuers aufgespalten. MitÜberlebenden war kaum noch zu rechnen gewesen,zumal der Kommandant der im Raum stehendenWachflotte das Wirkungsfeuer auf die Abwehrfortsdes Mobys eröffnet hatte.

Der Kreuzer BAGALO hatte infolge seinerZusatztriebwerke durchaus nicht wie ein Schiff derMenschheit ausgesehen. Atlan hatte diese Chance

6

Page 7: Der Geleitzug ins Ungewisse

wahrgenommen und mit der BAGALO einen Angriffgeflogen, bei dem der Moby durch zweiTransformbomben endgültig vernichtet wurde.Dieser Angriff wäre wahrscheinlich unterblieben,wenn sich Perry Rhodan beim Umsteigen auf dieBAGALO durch einen Sturz nicht so schwer verletzthätte, daß er als Oberbefehlshaber ausgefallen war.

Beide Schiffe, die CREST und die BAGALO,hatten sich nach der Zerstörung des Mobysunauffällig aus der Kampfzone zurückgezogen unddie hundert Lichtjahre vor den Grenzen desBeta-Nebels wartenden Transporter angeflogen.

Da Rhodan zu diesem Zeitpunkt noch immerbesinnungslos gewesen war, hatte Atlan dieBAGALO zum Schrotschußtransmitterzurückgeschickt mit der Anweisung, weitereNachschubtransporter einzustellen, bis dieVerhältnisse im Beta-Nebel geklärt waren.

Einen Tag später hatte der Geleitzug Fahrtaufgenommen. Er bestand aus den fünfzehnhundertMeter durchmessenden Großraumfrachtern ANBE 1bis ANBE 6 und dem Flottenflaggschiff CREST II.

Die vier anderen Superschlachtschiffe, diezusammen mit dem Geheimsatelliten Troja imZentrum von Andro-Beta eingetroffen waren, standennoch immer in den riesigen Hangars des ungefährwürfelförmigen Himmelskörpers. Es war wenigstensanzunehmen, daß sie sich noch dort befanden.

Nunmehr, zwei Tage nach dem Abflug desSchweren Kreuzers, stand der kleine Verband nachdrei vorsichtig durchgeführten Linearflugmanövernan den Grenzen der inneren Ballungszone,zweieinhalbtausend Lichtjahre vom Zentrumskerndes Beta-Nebels entfernt.

Die strahlende Sternkulisse derAndromeda-Galaxis, die man weit draußen imLeerraum noch hatte sehen können, war längstverschwunden. Die Sonnenmasse des vorgelagertenBeta-Nebels fühlte die Bildschirme vollkommen aus.Die Navigation wurde mit jedem Linearmanöverschwieriger.

Troja befand sich genau im Zentrum desZwergnebels auf einer errechneten und festgelegtenFlugbahn. Die Fahrt des Satelliten betrug nur fünfProzent der einfachen Lichtgeschwindigkeit. DerKurs stellte eine fiktive Linie zu einercharakteristischen Zentrumssonne dar, die Troja inetwa vierzig Jahren Standardzeit erreichen mußte.

Das Problem der Kosmonavigation lag imAnflugrhythmus zwischen den Überlichtmanövern.Es fehlte überall an Bezugspunkten. Die wenigen,positronisch registrierten Zielsterne waren für denkosmischen Geleitzug eher zu einem Hindernis als zueiner Hilfsquelle geworden.

Durch die überall auftauchenden Schiffe derTwonoser waren schnelle und weitreichende

Kursänderungen unerläßlich. Man verlor diebekannten Bezugssterne aus den Augen und mußtemit einer Behelfspeilung weiter vorstoßen, bis derrechnerisch ermittelte Standort des nächstenPeilsterns erreicht war.

Für die CREST alleine wäre es weniger schwieriggewesen, Troja zu erreichen. So aber hatte sie sechskaum bewaffnete Riesentransporter zu begleiten undsie eventuell zu beschützen.

Über allen Problemen hing jedoch dasDamoklesschwert der Entdeckung. Die Frachterboten durch ihre Zusatztriebwerke einen skurrilenAnblick. Sie glichen keinesfalls terranischenSchiffen.

Die CREST war dagegen ohne Sonderaggregateabgeflogen. Wenn sie optisch erfaßt wurde, war essicher, daß die ‚Meister der Insel‘ über kurz oder langauf den richtigen Gedanken kamen.

Durch die Zerstörung des Mobys war dasUnternehmen noch einmal gerettet worden. Jetzt kames darauf an, Troja ungesehen zu erreichen, dieCREST in Sicherheit zu bringen und die Frachterschnellstens zu entladen. Dazu war jedoch ein Planetnötig, der sich als Stützpunkt eignete.

Atlans Sorgen wuchsen mit jeder Minute. DieTriebwerksversager in den Zusatzstufen der Frachterund die Fehler in der Steuerpositronik vergrößertendie Gefahr einer Entdeckung.

Der Lordadmiral begann zu überlegen. Er warnicht bereit, die sechs Frachter aufzugeben. Aufihnen befanden sich alle nur denkbarenSpezialmaschinen zum Ausbau eines kosmischenGeheimstützpunktes. Zwölfhundert Bauingenieure,Kosmostatiker, Geologen, Kraftwerksspezialistenund Maschinenprogrammierer warteten darauf, ihreGeräte einsetzen zu können.

Die sechs Frachter sollten den Anfang einer langenKette von Nachschubtransportern bilden. Es wargelungen, den kosmischen Abgrund zwischen demSchrotschußtransmitter und dem Andro-Beta-Nebelzu überbrücken, ohne den großen Sonnentransmitterdes Zwergnebels in Anspruch nehmen zu müssen.

Dieser Erfolg war einzigartig in der Geschichte dersolaren Raumfahrt. Er durfte nicht gefährdet werden.

Atlan stand noch immer hinter Rudos Sessel undsah zu der Bildschirmgalerie hinauf. Seine Lippenbewegten sich.

„Ich brauche einen Planeten; keinen schönen undgroßen, sondern möglichst eine Extremwelt, auf derman uns nicht vermutet.“

Der Kommandant wandte den Kopf. Brent Huisebrüllte schon wieder. Diesmal galt der Zorn einemKosmonauten am Rechengehirn IV.

„Wie lange brauchen Sie eigentlich, um die letzteAbweichung zu ermitteln? Haben Sie Ihrem Kastenschon einmal gut zugesprochen?“

7

Page 8: Der Geleitzug ins Ungewisse

„Schon dreimal, Sir“, entgegnete der Leutnantungerührt. Er kannte den Ersten.

Brent Huise brummte einige Verwünschungen vorsich hin und sah ebenfalls zu Atlan hinüber.

Die technische Besatzung der ANBE 5 kämpftenoch immer mit der Tücke des Objekts. DerHauptsteuerleiter zum Kalupschen Konverter derzweiten Zusatzstufe war nach wie vor unterbrochen.

Als Oberst Rudo über Normalfunk die Nachrichterhielt, die Reparatur nähme wenigstens noch eineStunde in Anspruch, winkte er wortlos ab. Zu Atlanmeinte er: „Ich hatte angenommen, Reginald Bullhätte für erstklassige Besatzungen gesorgt. Soll ichein paar Leute mit einer Space Jet hinüberschicken?Wer weiß, wo die nach dem Fehler suchen. Warumgibt man die Manöverdaten nicht per Funk in denHauptautomaten der zweiten Stufe?“

Atlan lüftete die Schirmmütze und fuhr mit demHandrücken über das Schweißband.

„Warten Sie noch eine halbe Stunde. Diekabelgebundene Impulsübermittlung istzuverlässiger. Ich möchte nicht einen Frachter imLinearraum verlieren.“

„Ich wäre glücklich, wenn ich die Dicken niemalsgesehen hätte, Sir“ behauptete Huise mißmutig.„Sehen Sie sich die technischen Mißgeburten nureinmal an. Mir graut schon vor dem Augenblick, indem wir gezwungen werden, ebenfalls dreiZusatztriebwerke an den Rumpf zu flanschen. Danndürfte unsere Manövrierfähigkeit, die einen großenTeil unserer Schlagkraft bedeutet um wenigstens 50Prozent gemindert werden. Wenn wir dann einemstarken Gegner vor die Kanone fliegen ...!“

Huise unterbrach sich und wiegte den Kopf.Atlan trat vor die Vergrößerungsschaltung. Einer

der sechs Transporter wurde klarer erkennbar. Diefünf anderen Schiffe zeichneten sich nur als grüneReflexpunkte auf den Tasterschirmen derEnergieortung ab. Die Infrarottaster erfaßten dengesamten Flugraum.

Atlan beugte sich vor. Er hatte die ANBE 3 aufdem Vergrößerungsschirm. Großtransporter dieserArt waren auf der Zelle eines Superschlachtschiffesaufgebaut - worden. Die Triebwerks- undKraftanlagen waren ebenfalls die gleichen. Fastsämtliche Waffen und anderweitige militärischeAusrüstungen waren jedoch weggefallen, um so vielTransportraum wie möglich zu schaffen.

Alles in allem sah ein Frachter der ANBE-Klasseäußerlich nicht anders aus, als einSuperschlachtraumer der Imperiumsklasse. DieZusatztriebwerke, die zur Überbrückung extremerEntfernungen entwickelt worden waren, ändertendiesen Eindruck entscheidend.

Jede Stufe war vierhundert Meter lang unddurchmaß ebenfalls vierhundert Meter. Sie war eine

autarke technische Einheit, die mit ihrem großenKalup-Konverter eine Reichweite vonzweihundertfünfzigtausend Lichtjahren besaß.

Drei miteinander verbundene Zusatzstufen warendemzufolge zwölfhundert Meter lang unddurchmaßen vierhundert Meter. Atlan wußte genau,welche statischen Probleme sich bei der Konstruktionergeben hatten. Es war durchaus nicht einfach, denfünfzehnhundert Meter durchmessenden Kugelkörpereines Schiffes mit einem schweifähnlichenAnhängsel von über einem Kilometer Länge zuversehen; auch dann nicht, wenn dieFestigkeitsbelastung durch zusätzlich eingebauteAndruckneutralisatoren um fast hundert Prozentreduziert wurde.

Schnelle Flugmanöver, darunter besonders dieoftmals erforderlichen Ausweichkurven, konntennicht mehr exakt geflogen werden. Materialbrüchewaren bei der Erprobung der Zusatzstufen an derTagesordnung gewesen. Bei Schwenkungen, die mithohen Triebwerksleistungen durchgeführt wurden,tauchten Eigenschwingungsphänomene auf, mitdenen vorher niemand gerechnet hatte.

Für reine Linearflüge über große Distanzen warendie Zusatzstufen ausgezeichnet zu gebrauchen.Solange man sie nicht harten Belastungen aussetzte,waren sie zuverlässig.

Schließlich, so sagte sich Atlan, waren sie auchnicht dafür konstruiert worden, ein großes Schiff insGefecht zu begleiten. Sie waren eine Notlösung;behelfsmäßige Linearschubeinheiten fürRaumschiffe, deren Normaltriebwerke nach derÜberwindung von etwa vierhunderttausendLichtjahren so ausgeleiert waren, daß man sie mitBordmitteln nicht mehr reparieren konnte.

Die ANBE 3 bot einen abenteuerlichen Anblick.Sie befand sich - so wie alle anderen Fahrzeuge desKonvois - im freien Fall und bereits im unterenEinflußbereich der relativistischen Zeitverschiebung.

Sie sah aus wie ein mit einem äquatorialenRingwulst verzierter Ball, dem man ein langes Rohrauf die untere Kugelrundung gesetzt hatte.

Die jeweils hintere Stufe der Großfrachter warnach der Überwindung der erstenzweihundertfünfzigtausend Lichtjahre im kosmischenLeerraum abgeworfen worden. Es lohnte sich nicht,die Aggregate zu bergen, um sie nach einemkostspieligen Transport zur nächsten Werft erneutstartklar zu machen. Im Leerraum wäre eine derartigeBergung ohnehin illusorisch und außerdemmilitärisch riskant gewesen.

Das Solare Imperium opferte Milliardenwerte, nurum den Brückenkopf im Beta-Nebel halten undausbauen zu können.

Atlan blickte nochmals auf das Fernbild. DieANBE 3 flog jetzt mit der restlichen Leistung ihrer

8

Page 9: Der Geleitzug ins Ungewisse

zweiten Stufe. Sie konnte damit weiterehunderttausend Lichtjahre überbrücken.

Diese Restkapazität und die Reichweite der erstenStufe würden unter Einbeziehung der nochunbenutzten Normaltriebwerke ausreichen, um denRückflug zum vierhunderttausend Lichtjahreentfernten Schrotschußtransmitter zu ermöglichen.Der Gedanke mit den Zusatzstufen war unter keinenUmständen schlecht gewesen. Mit den technischenFehlerquellen der statisch labilen Konstruktionenhatte man sich wohl oder übel abzufinden.

Atlan schaltete den Vergrößerungsschirm ab.Als er sich umdrehte, stand Icho Tolot hinter ihm.

Der halutische Gigant verdeckte mit seinerKörpermasse den Blick auf die Sessel desKommandanten und der kosmonautischen Offiziere.

Atlan schaute an dem dreieinhalb Meter großenund zweieinhalb Meter breiten Giganten hinauf.Tolots monströses Gesicht wurde von seinen dreirotleuchtenden Augen beherrscht. Seine langenGreifarme waren etwas angewinkelt, die kürzerenSprungarme hingen schlaff am Körper herunter.

Tolots rachenartiger Mund bewegte sich. Atlanwich einen halben Schritt zurück, um das Grollenbesser ertragen zu können. Ein Wesen wie Icho Tolotkonnte nicht flüstern.

„Sorgen, Arkonide?“Atlan griff wieder zur Dienstmütze. Als er Tolots

Auflachen vernahm verzichtete er auf das Abwischendes Schweißbandes und setzte die Mütze wieder auf.

„Oh - haben Sie meine kleine Verlegenheitsgestebereits durchschaut?“ erkundigte er sich ernüchtert.

„Vielleicht.“„Dann sagen Sie es nicht weiter. Ich werde künftig

darauf achten. Oder haben es die Terraner auch schonbemerkt?“

Icho Tolot bewegte die riesigen Hände. Siebesaßen sechs Finger.

„Natürlich. Unterschätzen Sie nicht meineFreunde.“

Atlan lachte humorlos. Nein, er unterschätzte dieTerraner durchaus nicht. Schließlich kannte er sie seitzehntausend Jahren.

Tolot sah sich in der Zentrale um. Wahrscheinlichwar er wieder im Banne seines ausgeprägtenMutterinstinkts, der ihn dazu trieb, die Terraner alsseine Schutzbefohlenen anzusehen. Haluter warenZwitterwesen, und Tolot hatte sich die Menschheitund ihre Geschichte als „Hobby“ ausgesucht.

„Ich habe das große Rechengehirn benutzt, ummeine eigene Auswertung zu überprüfen. Es steht mitneunundachtzigprozentiger Sicherheit fest, daß Trojanicht entdeckt worden ist. Genügt Ihnen das?“

„Mir bleibt wohl keine Wahl. Wie beurteilen Sieunsere Durchbruchschancen?“

Tolot wiegte den Oberkörper. Atlan war, als

bewege sich ein tiefschwarzer, lederüberzogenerFels. Der halbkugelige Kopf beschrieb einenHalbkreis. Dann kam er zur Ruhe.

Der Arkonide ahnte, daß Tolot mit seinemPlanhirn rechnete. Es war ungeheuer leistungsfähigund hatte auf die motorischen Bewegungen desKörpers keinen Einfluß. Dafür war das Ordinärgehirnzuständig.

„Ausreichend gut“, meinte der Haluter vorsichtig.„Sie sollten meinem Rat folgen und die Transportersofort zum Schrotschußtransmitter zurückschicken.“

„Mit allem Material?“„Ja, mit allem Material. Es dürfte zu lange dauern,

bis wir einen geeigneten Stützpunktplanetengefunden haben. Suchen Sie ihn erst und rufen Siedann das Ausbaugeschwader herbei.“

„Womit? Soll ich noch ein Superschlachtschiff aufdie Reise schicken? Mein Gefühl sagt mir, daß wirjede kampfkräftige Einheit brauchen. Man wird unsüber kurz oder lang entdecken. Die ‚Meister derInsel‘ - der Teufel mag wissen, wer sich dahinterverbirgt! - sind jetzt schon hellhörig geworden. DerAngriff der BAGALO auf den Moby, seineVernichtung und das spurlose Verschwinden desKreuzers werden zu allerlei Vermutungen Anlaßgeben.“

„Niemand wird auf die Idee kommen, daß Terranerin den Beta-Nebel eingedrungen sind. Man wird esfür unmöglich halten, zumal die Eroberung desSchrotschußtransmitters geheim geblieben ist. Gewißist die BAGALO gesehen worden; sehr deutlichsogar - aber dies läßt keine logisch fundiertenRückschlüsse auf einen kosmischen Feldzug derMenschheit zu. Ich rate nach wie vor die Transporternach Hause zu schicken.“

Atlan schüttelte den Kopf. Oberst Cart Rudoatmete erleichtert auf. Es gefiel ihm nicht, die Flintevorzeitig ins Korn zu werfen.

Atlan entschied die Frage.„Wir fliegen weiter. Wenn Troja zerstört worden

ist, brauchen wir die Nachschubgüter dringender alsjemals zuvor. Niemand kann sagen, ob die vierschweren Einheiten noch aus dem Satellitenentkommen sind.“

„Dafür übernehme ich jede Garantie“, grollteTolot.

Atlan schaute ihn ironisch an.„Sie haben zwei Seelen in der Brust, Haluter!

Einmal können Sie nicht genug Gefahren auf sichnehmen und dann raten Sie wieder zu Dingen, diemir nicht gefallen. Weshalb sind Sie so sicher, daßdie vier Superschlachtschiffe bei einemÜberraschungsangriff auf Troja entkommen sind?“

„Die Besatzungen bestehen aus terranischenElitesoldaten.“

„Schön, zugegeben. Sie hatten eine gute Chance.

9

Page 10: Der Geleitzug ins Ungewisse

Ich bezweifle jedoch, daß man noch dieZusatztriebwerke anflanschen konnte. Wenn daszutrifft, sind die Großkampfschiffe vomSchrotschußtransmitter abgeschnitten. Wir habenauch keine Fernflugaggregate dabei. Wenn ich jetztdie Transporter zurückschicke - wer soll uns späterjemals finden? Sehen Sie ein, daß ich die Frachternicht entlassen darf?“

Icho Tolot breitete die Handlungsarme aus undließ sie gegen den Körper zurückfallen. Es knallte solaut, daß einige Männer zusammenzuckten.

„Wie Sie meinen. Wenn Ihre Annahme, die vierSchiffe hätten nicht mehr mit den Hilfsmaschinenausgerüstet werden können, richtig ist, haben Sienatürlich recht. Meine Auswertung berücksichtigtdiesen Fall nicht! für mich steht es fest, daß Trojanoch existiert. Arkoniden und Terraner sindartverwandt. Niemand wird meinem Volk nachsagenkönnen, wir würden nichts riskieren. Ich halte estrotzdem für falsch, die Frachter in das Zentrumdieses Zwergnebels zu bringen.“

„Ich auch“, murrte Atlan. „Mir bleibt aber keineWahl. Ich muß einkalkulieren, daß der Satellitzerstört worden ist. Dann brauche ich dieTransporter. Sehen Sie die Frage als erledigt an.“

Tolot lachte. Es klang wie Donnergrollen.„Ich hatte keine andere Entscheidung erwartet. Ich

werde helfen, wo ich kann.“

*

Zehn Minuten später empfing der Kommandantdes Flottentransporters ANBE 5 einen Funkspruchauf Ultrakurzwelle. Hyperschnelle Verbindungenwaren wegen ihrer großen Reichweite und derAbhörgefahr nicht möglich.

Der Major blickte auf den Klartext, seufzte undreichte ihn seinem Ersten Offizier.

„Darauf habe ich nur noch gewartet. Was machtder Steuerleiter?“

„An fünf Stellen gleichzeitig gebrochen, Sir.“„Schöne Bescherung! Haben Sie den Spruch

gelesen?“Der I. O. blickte auf den Streifen nieder. Der

Befehl lautete:„Flaggschiff an ANBE 5 - Kommandant:

Klarmachen zum Linearmanöver. Peilung starkerVerband in Rot H84 Grad, V112 Grad. U-Kurskommt über Automatsender. Positronik zurAufnahme vorbereiten. Für Manöver Schiffskalupverwenden gez: Atlan, Verbandschef a. Z.“

Der Erste Offizier legte die Nachricht auf einRechenpult. Der Kommandant stand vor demVergrößerungsschirm der I-Ortung und betrachtetedie gewaltige Kugel der CREST II.

„Worauf warten Sie noch?“ sprach er den Ersten

an. „Rufen Sie die Reparaturkommandos zurück.Alle Mann auf Manöverstation. Ich hoffe nur, daßwir die beiden Zusatzstufen nicht verlieren.“

Der Chefingenieur fragte an, wer diesenunmöglichen Befehl gegeben hätte. Der I. O. grinstebissig.

„Lordadmiral Atlan, warum?“Der technische Chef der ANBE 5 sagte einige

unverständliche Worte und schaltete dieInterkomverbindung ab.

Fünf Minuten später liefen über Richtstrahlfunkdie Manöverwerte ein. Sie wurden auf dieHauptschaltung der Linearautomatik übertragen. DieDaten konnten von der Besatzung nicht mehrkorrigiert werden.

Drei Minuten vor Beginn des Manövers orteten dieEnergietaster des Frachters ebenfalls starkeHyperechos die von den Triebwerken fremderSchiffe erzeugt wurden.

Der Andro-Beta-Nebel schien zum Tummelplatzeiner riesigen Flotte geworden zu sein.

Als die Echos stärker wurden und die erstengrünen Punkte auf den Tasterschirmen auftauchten,begannen die Kalupschen Konverter zu dröhnen. Sieschirmten die einzelnen Schiffe durch ihre instabilenFeldsysteme von den Einflüssen des übergeordnetenHyperraumes und des Einstein-Universums ab underzeugten somit innerhalb der Feldhohlräume eineartfremde Zwischenzone von neutralemEnergiegehalt.

Die sieben Schiffe tauchten in den Linearraum einund nahmen Kurs auf eine vorher angepeilte Sonne.Sie stand zweihundertundelf Lichtjahre von derAusgangsposition entfernt und zeichnete sich durcheine eigentümlich blaßgrüne Strahlung aus.

Man war den Wachgeschwadern der Twonoserwieder einmal im letzten Augenblick entkommen.Als das Überlichtflugmanöver beendet wurde und dieBildschirme der optischen Normalerfassung wiederdie gleißende Sternfülle der äußeren Ballungszonezeigten, konnten die verschiedenartigenOrtungsgeräte keine fremdartigenHyperschwingungen feststellen.

Die schwierige und kaum zu lösende Aufgabe derPositionsbestimmung begann erneut. Die CREST IIbesaß die leistungsfähigsten Automatgehirne und dieam besten geschulten Mannschaften. Sie übernahmendie Aufgabe, festzustellen, wo man sich eigentlichbefand.

Perry Rhodan fragte aus dem Bordlazarett an, obdie ANBE 5 das Manöver gut überstanden hätte.

Der Frachterkommandant bejahte. Die beidenZusatzstufen hatten sich nicht gelöst.

Atlan zog sich für eine Stunde in seine Kabinezurück. Er fühlte sich erschöpft. Er legte sichangezogen auf sein Lager und dachte wieder an den

10

Page 11: Der Geleitzug ins Ungewisse

Geheimsatelliten Troja sowie an die vier in ihmzurückgebliebenen Superschlachtschiffe. Es warfraglich, ob sich die Kommandanten an RhodansBefehl gehalten hatten, den ausgehöhltenHimmelskörper nicht zu verlassen. Die CREST warseit vier Wochen Standardzeit überfällig. Außerdemwar den Kommandanten bekannt, daß zu diesemZeitpunkt die ersten Nachschubeinheiten mitBaumaterialien erwartet wurden.

Atlan stieß eine arkonidische Verwünschung ausund drehte sich auf die andere Seite.

Als er gerade eingeschlafen war, gellte der Alarmdurch die CREST. Atlan fuhr benommen auf undtappte zum Bildschirm der Bordverständigunghinüber.

Brent Huise wurde erkennbar.„Wir stehen nur ein halbes Lichtjahr von einem

Moby entfernt. Sir. Er umkreist die blaßgrüne Sonne.Fremde Schiffseinheiten sind jedoch nichtauszumachen. Besondere Anweisungen?“

„Können Sie das nicht einmal alleineentscheiden?“ ächzte der Arkonide. „Bleiben Sie aufKurs und richten Sie dem Kommandanten der ANBE5 aus, ich würde langsam ungeduldig werden. DerFehler muß doch zu finden sein. Legen Sie eineBezugssonne für ein Fluchtmanöver fest. Entfernungnicht weiter als fünf Lichtjahre. Programmierungeinleiten. Wir müssen notfalls blitzartigverschwinden. Wenn man unseren Geleitzugentdeckt, haben wir die ganze Meute hinter uns.Lassen Sie mich schlafen, bis die Lage kritisch wird.Ende.“

2.

Die Bordkalender zeigten den 26. August 2402 an.Der Verband stand tief im Zentrum des Beta-Nebels.Hier waren die Fernpeilungen schwächer geworden.Die unmittelbare Nähe des aus drei blauenRiesensonnen bestehenden Beta-Transmitters schiendie Patrouillenkommandanten der Twonoser davonabzuhalten, diese Zone ebenfalls intensivabzusuchen.

Seit der Entlassung der BAGALO waren sechsTage vergangen; sechs Tage, die man notgedrungendazu verwendet hatte, kreuz und quer durch dieZwerggalaxis zu fliegen.

Vor einer Viertelstunde war ein treibenderHimmelskörper entdeckt worden. Da er sich genauauf dem festgelegten Kurs bewegte, stand es fest, daßes sich um Troja handelte.

Die Ortungsstationen der CREST II konnten keineenergetische Eigenstrahlung ausmachen. Entwederhatte man auf Troja sicherheitshalber auch das letzteStromaggregat abgeschaltet, oder es lebte dortniemand mehr.

Perry Rhodan war zwei Stunden vor der Ortung inder Zentrale erschienen. Die letzten medizinischenUntersuchungen hatten ergeben daß seineSchädeldecke gut verheilt war. Er machte einenermatteten Eindruck, seine Augen lagen tief in denHöhlen. Nur seine Stimme klang so ruhig undbestimmt, wie man es von ihm gewohnt war.

Atlan hatte den Oberbefehl niedergelegt, nachdemer Perry eingehend über die Vorkommnisseinformiert hatte.

Nun stand der Geleitzug in enggestaffelterKeilformation zwanzig Milliarden Kilometer hinterdem Himmelskörper, an dessen Fahrt man sichangepaßt hatte. Fünf Prozent der einfachenLichtgeschwindigkeit bedeuteten einengefechtstaktischen Nachteil erster Ordnung. Manstellte für lichtschnelle oder fast lichtschnelleStrahlschüsse ein praktisch unbewegliches Ziel dar,das kaum zu verfehlen war. Ausweichmanöverbenötigten eine gewisse Anlaufzeit, die ein gutgeschulter Gegner innerhalb weniger Augenblickeerrechnen und ausgleichen konnte.

Rhodan hatte erklärt, er fühle sich nicht wohl inseiner Haut. Seine Männer pflichteten ihm bei. Diesechs Transporter waren ein Hemmschuh im Falleeiner Feindberührung.

Rhodan stand vor dem Bildschirm derInterkomanlage. Die interne Bildbeobachtung zeigteeinen Beiboothangar mit einer startklaren Space Jet.Der kleine Diskuskörper wurde vom Chef desLandungskommandos, Captain Don Redhorse,geflogen. Seine Besatzung bestand aus einemKosmonavigator und einem Ortungsfunker. MehrLeute hatte der Terraner aus dem Volk derCheyenne-Indianer nicht mitgenommen. DonRedhorse, das Rote Pferd, war entschlossen, dieAufgabe des Bordschützen notfalls selbst zuübernehmen und die in Flugrichtung eingebauteImpulskanone auf einen eventuell auftauchendenGegner zu richten.

Redhorse hatte den Druckhelm seinesRaumanzuges geschlossen. Er verständigte sich überSprechfunk.

Die Sergeanten Timo Honaph und Alph Rekutkontrollierten ihre Rechen- und Funkgeräte. Es waralles klar.

„Fertig, Sir“, drang Dons Stimme aus demInterkom.

„Starterlaubnis“, entgegnete Rhodan. „Sehen Siesich über Troja um und passen Sie auf, daß Sie inkeine Falle fliegen. Es könnte möglich sein daß unsFremde erwarten. Funken Sie erst dann, wenn Siesicher sind daß Ihre einfach lichtschnellenUltrakurzwellen auch ankommen, ohne dazu Monatezu benötigen.“

„Wird gemacht, Sir. Ich bekomme Grün.“

11

Page 12: Der Geleitzug ins Ungewisse

„Viel Glück. Wir behalten Sie in der Ortung. Ichwerde Ihnen notfalls mit der CREST Feuerschutzgeben.“

Captain Redhorse dachte an die gewaltigenEnergiekanonen des Riesenschiffes und an seine nurfünfunddreißig Meter durchmessende Space Jet,deren Schutzschirme schon bei einem Streifschußzusammenbrechen mußten.

„Verwechseln Sie uns aber nicht mit einemtreibenden Felsbrocken, Sir. Raumflugzeuge dieserArt sind auf den Tasterschirmen der Feuerleitzentralemeistens nur als Echopunkte zu sehen.“

„Ich werde mit Major Cero Wiffert sprechen“,versicherte Rhodan lächelnd.

„Der ist auch nicht umzubringen“, meinte derUSO-Spezialist Oberst Melbar Kasom.

Er stand neben dem Haluter und fühlte sich wiedereinmal klein und nichtig, obwohl er dem Vernehmennach der größte und stärkste Mensch der Geschichtewar. Kasom war zweieinhalb Meter groß und in denSchultern nicht viel weniger breit.

Der Ertruser legte den Kopf in den Nacken und sahzum Gesicht des Haluters hinauf.

„Haben Sie eben gelacht?“„Natürlich“, antwortete Tolot amüsiert. „Ihre

Bemerkung war typisch für einen Terraner.“„Ich bin ein umweltangepaßter Ertruser. Wie oft

muß ich Ihnen das noch wiederholen?“„Beruhigen Sie sich, Sie Meister aller Klassen. Ich

werde künftig daran denken.“Don Redhorse vernahm nichts von dem

Wortwechsel. Sein schmales, hakennasiges Gesichtwar angespannt. Er lehnte sich weit in denKontursessel zurück und lauschte auf das Summendes Triebwerks, das gleichzeitig denAndruckneutralisator mit Energie zu versorgen hatte.

Space Jets waren hochspezialisierte Flugkörper,die eigentlich nur aus einer dünnen Außenschale,einer gewaltigen Kraftanlage und einer positronischüberwachten Elektronik bestanden. Man sagte diesenMaschinen in Pilotenkreisen nach, sie würden keinenFehler verzeihen. Dafür waren sie beiordnungsgemäßer Bedienung schnell, äußerst wendigund überaus schwer bewaffnet. Die eingebautenImpulskanonen - hätten sich an Bord eines SchwerenKreuzers nicht schlecht ausgenommen.

Sergeant Honaph, der Kosmonavigator, tippte aufden letzten noch leuchtenden Knopf derKontrollautomatik. Es war alles in Ordnung.

Zwei Sekunden später glitten die Schalentore desluftleer gepumpten Hangars zurück. Don Redhorsesah in den sternflimmernden Raum desBeta-Zentrums hinaus. Er schloß für eine Sekundedie Augen und dachte an seine Aufgabe. Troja warkein selbstleuchtender Himmelskörper. Es warunmöglich, ihn mit der Außenbordoptik oder mit dem

bloßen Auge zu erkennen. Das konnten nur diehochwertigen Ortungsgeräte.

Der Katapultoffizier zählte den Startvorgang aus.Bei Null griff das magnetische Abstoßfeld nach derstählernen Hülle der Space Jet und riß sie mitatemberaubender Beschleunigung über die beidenFührungsschienen.

Der Flugkörper zuckte wie ein Geschoß aus demKugelleib der CREST II hinaus, leuchtete einmalkurz auf und verschwand.

Don Redhorse ertrug rein gewohnheitsmäßig diedurchschlagenden Beharrungskräfte. Der Absorberwar wie üblich um den Bruchteil einer Millisekundezu spät hochgefahren worden. Der Fehler lag in derSynchronschaltung, die man auf kleinstem Raumzusammengedrängt hatte. Die zahlreichenMikrobestandteile der Anlage waren empfindlich undreagierten bereits auf geringeTemperaturschwankungen mit unterschiedlichenVerzögerungs- oder Vorlaufzeiten.

Das aber waren Dinge, die einen erfahrenenEinsatzoffizier wie Don Redhorse nicht aufregenkonnten.

Er glich die Belastung durch eine völligeEntspannung seines Körpers aus und lockerte dieSicherheitsgurte erst, als das Arbeitsgeräusch desTriebwerks zu einem gleichmäßigen Donnern wurde.

Die Beschleunigung der Space-Jet betrug 300km/sec2. Die CREST war innerhalb einerZehntelsekunde außer Sicht. Die Schwärze desRaumes hatte sie aufgesogen, nachdem sie ihrBeiboot entlassen hatte.

„Peilung steht“, meldete der Ortungsfunker Rekut.„Wir versprühen ein Feuerwerk von hyperkurzenSchwingungen, Sir. Wenn man uns auf Troja nichtwohlgesinnt wäre, legte man jetzt schon dieSicherungsklappen über den Waffenknöpfen zurück.“

Redhorse schloß das Beatmungsventil seinerSauerstoffanlage, drückte auf dieDruckausgleichsautomatik und wartete, bis dasZischen verstummt war. Es schmerzte in den Ohren.Er klappte den Helm zurück und drehte sich um.

Der Automatpilot hatte die Führung der Maschineübernommen. Er würde sie durch den Zwischenraumbringen, fünfzig Millionen Kilometer hinter Troja inden Einstein-Raum zurückkehren und an Hand derbekannten Fluggeschwindigkeit des Himmelskörpersdie Bremsverzögerung einleiten. Die Fahrtanpassungwürde eine Million Kilometer von Troja entferntbeendet sein. So wollten es die Programmierer derCREST.

„Sicherungsklappen?“ fragte der Cheyenneverwundert. „Sind Sie überzeugt, daß es überhauptwelche gibt?“

Alph Rekut schaute verblüfft in das bronzefarbene

12

Page 13: Der Geleitzug ins Ungewisse

Gesicht. Als er das Zucken von Redhorses Lippenbemerkte, seufzte er:

„Ihre Nerven möchte ich haben, Captain.“„Die hat sein Ur-Ur-Großvater im letzten

terranischen Indianerkrieg schon verloren. Seitdemist in der Familie der roten Rösser nie mehr ein Fallvon Nervenvererbung vorgekommen“, behaupteteSergeant Honaph, ein dicklicher, weißblonder Mann.

Redhorse grinste. Er dachte nicht daran, seinenNavigator auf die disziplinwidrige Bemerkunghinzuweisen. Dons Erfolge lagen zum großen Teil indem hervorragenden Verhältnis zu seinen Männernbegründet.

Fünf Minuten später ging die Space Jet nach einemkurzen Aufheulen des Kalups in den Librationsraumzwischen der vierten und fünften Dimension. DieSonnen des Beta-Nebels verschwanden. ImGegensatz zu den früher üblichen Transitionen, beidenen eine Entstofflichung jedes Körpers unerläßlichwar, erfolgte dieser Überlichtflug nach den Gesetzender neutralen Zone.

Die Zeit blieb konstant und die Körperzustandsstabil. Man bewegte sich auf einer nurrechnerisch erfaßbaren Grenzlinie zwischen denbeiden Räumen. Das Kalupsche Abstoßfeldreflektierte die in diesem physikalischen Bereichohnehin schwankenden Energieeinflüsse derUniversen. Es schuf eine eigene, parastabile Zone,bis das Feld abgeschaltet wurde. Die Rückkehr in denEinsteinschen Normalraum war eine zwangsläufigeFolgeerscheinung. Die Eintauchfahrt entsprachimmer der Geschwindigkeit, mit der man in denLinearraum eingedrungen war.

Auf dem Zielschirm leuchtete ein einzelner Stern.Er war nicht als glühende Masse zu sehen, sondernnur als Reflektor und Strahlungsbasis vonhyperkurzen instabilen Wellen die ein verzerrtes Bildzeichneten.

Der Flug dauerte nur drei Minuten. Als der Kalupverstummte, fiel die Jet in den Normalraum zurück.Sie hatte annähernd zwanzig Milliarden Kilometer inkürzester Frist überwunden.

Redhorse beugte sich vor. Er dachte keine Sekundedaran, daß diese wunderbare Überlichtflugtechnik imPrinzip von einem fremden Volk übernommenworden war. Die Entdeckung war von den Terranernlediglich ausgebaut und vervollkommnet worden.Man hatte die dazu erforderlichen Maschinenanlagenin erster Linie verkleinert, sie in Kompaktbauweisehergestellt und für eine beachtliche Leistungsreservegesorgt. Am eigentlichen Prinzip war nichts geändertworden, da es daran nichts mehr zu ändern gab. Vonden Druuf, die diese Raumflugtechnik entwickelthatten, hatte man seit vier Jahrhunderten nichts mehrgehört. Sie waren in ihrer zweiten Zeitebeneverschollen. Wahrscheinlich würde es Milliarden

Jahre dauern, bis es wieder einmal zu einerÜberschneidung der Grenzlinie und zur Bildung derberüchtigten Entspannungstrichter kommen konnte.

Troja war auf dem Frontschirm der hyperschnellenOrtungstaster klar zu sehen. Redhorse schaute auf dieUhr und anschließend auf den optischen Anzeigerdes Phasenschreibers.

Als das Triebwerk zu donnern begann und dieSpace Jet erneut beschleunigte, nickte er zufrieden.Die fünfzig Millionen Kilometer Abstand sollten mitHöchstfahrt überwunden werden. Nach dem erstenVorbeiflug mußten die Aufzeichnungen derverschiedenartigen Ortungsgeräte ausgewertetwerden. Erst danach sollte die Fahrtanpassungbeginnen.

Die drei Männer schwiegen. Sie kannten sich langegenug, um auf fruchtlose Diskussionen inAugenblicken der Gefahr verzichten zu können.Jeder wußte oder ahnte, was der andere dachte undfühlte.

Wenn Troja von einer fremden Machtübernommen worden war drohte das Verderben. Dieauf der Oberfläche eingebauten Abwehrforts besaßenstarke Kaliber und hervorragende Rechengehirne, mitdenen man selbst die fast lichtschnelle Fahrt einesvorbeihuschenden Flugkörpers ausgleichen konnte.

Die Hyperpeilung würde jetzt schon laufen. Eindicht unterhalb der Lichtmauer fliegender Körperkonnte nur mit überlichtschnellen Impulsenrechtzeitig ausgemacht werden.

Don Redhorse sah durch die Panzerplastscheibender kleinen Rundkanzel. Sie lag im Mittelpunkt deroberen Schalenwölbung und war als halbkugeligeErhöhung erkennbar.

Die Sterne bildeten bereits Linien, die in allenFarben des Spektrums aufstrahlten. DieBallungskonstellationen des Beta-Zentrums wurdenzu kometenhaft schillernden Erscheinungen mitlangen Schweifen. Die Space Jet raste dicht unterhalbder Lichtmauer durch Zeit und Raum.

Die relativistischen Effekte derHochgeschwindigkeitsphase machten sich in einerbezugsgebundenen Zeitverschiebung bemerkbar. Diedrei Männer waren der Meinung, sie brauchten nurwenige Sekunden, um die fünfzig MillionenKilometer bis Troja zu überwinden.

Der Geheimsatellit wurde schnell größer. Dannzuckte er an der Jet vorbei, als wäre er aus einemüberdimensionalen Geschütz abgefeuert worden.

Redhorse lauschte auf das Dröhnen desTriebwerks. Die Automatik arbeitete mitStützmasseneinspritzung. Sie leitete die ersteRückflugkurve ein und bremste dabei mit denhöchstzulässigen Werten von sechshundert Kilometerpro Sekundenquadrat.

Der Halbmesser der Kurve betrug viereinhalb

13

Page 14: Der Geleitzug ins Ungewisse

Millionen Kilometer. Mit sinkender Geschwindigkeitverschwanden die Dilatationseffekte. Die Sterneverloren ihre langen Schweife und funkelten wiederals vielfarbige Glutpunkte auf den Bildschirmen.

Troja stand nun rechts seitlich der Maschine, dievon ihrem Triebwerk immer noch in die Anflugkurvegedruckt wurde. Die entstehenden Fliehkräfte wurdenzusätzlich zu den ohnehin vorhandenenBeharrungskräften von dem Andruckabsorberaufgenommen.

Alph Rekut beschäftigte sich mit der Auswertungder Aufzeichnungen, die beim Passieren desHimmelskörpers ermittelt worden waren.

Trojas Masse stimmte mit den bekannten Datenüberein. Daraus ging hervor, daß innerhalb oder aufdem Himmelskörper keine schwerwiegendenZerstörungen mit Masseverlusten stattgefundenhatten.

Der Energiehaushalt war nicht anmeßbar gewesen.Die Elementanalyse zeigte dagegen einen hohenProzentsatz verschiedenartiger Legierungen. Siewaren so reichlich vorhanden, daß Sergeant Rekutmit einem erleichterten Aufatmen meldete:

„Unsere Superschlachtschiffe stehen noch in denHangars, Sir. Sehen Sie sich einmal die Meßkurvean.“

„Das überlasse ich Ihnen“, lehnte der Captain ab.„Sind sie alle vier da?“

Rekut wiegte zweifelnd den Kopf.„Schwer zu sagen, Sir. So genau arbeiten die

kleinen Geräte der Jet nicht. Auf alle Fälle sindeinige da.“

Timo Honaph überprüfte die Anzeigen desAutopiloten. Die Fahrt sank mehr und mehr. Trojawanderte bereits wieder in den Frontbildschirm ein.

Der zweite Anflug erfolgte nur noch mitfünfeinhalb Prozent der einfachenLichtgeschwindigkeit. Redhorse hatte die Bugkanoneentsichert. Sein Daumen ruhte auf dem Feuerknopf.

Troja schimmerte als konturhaft erkennbarer Fleckauf dem Tasterschirm. Es erfolgte keine Abwehr.

Rekut reichte Redhorse das Mikrophon hinüber.Der Captain wartete bis der Ortungsfunker dieSprechgenehmigung gab. Troja stand nurdreißigtausend Kilometer querab auf der Rotseite deskleinen Schiffes.

„Fertig, sprechen. Vorhaltpeilung zeigt Grün,Richtstrahler steht.“

Don Redhorse hatte sich überlegt, welchenWortlaut er durchgeben sollte. Wenn Troja vonFremden besetzt war, durfte der Text nicht zu leichtzu beantworten sein.

Don benutzte das altterranische Englisch. Dasmußte für Fremde bereits ein ernsthaftes Hindernisbedeuten. Der Wortlaut war noch schwieriger fürNichtmenschliche jedoch rätselhaft.

„Hallo, ihr da drüben! Was macht derKarottenfresser? Hat er wieder alle Sinnebeisammen? Bitte melden. Normalfunk benutzen.“

Die Space Jet konnte bei auftauchender Gefahr mitatemberaubenden Beschleunigungswertenverschwinden.

Die Antwort erfolgte prompt und ebenfalls inaltenglischer Sprache.

„Troja an Jet, der Karottenfresser ist kaum zubewegen, nicht in Ihre Maschine zu springen.Wholey spricht. Bitte mit Rang und Namen melden,Ende.“

Redhorse sah immer noch argwöhnisch auf dieBildschirme. Mit bloßem Auge war Troja trotz dergeringen Entfernung nicht auszumachen.

„Captain Don Redhorse, ChefLandungskommando CREST II. Können Sieungezwungen sprechen, Fracer?“

Jemand lachte.„In Ordnung, ich glaube ihnen, daß Sie Don

Redhorse sind. So mißtrauisch kann nur ein Terranersein. Landen Sie, Don. Hier ist niemand, der mich zueiner Aussage zwingen könnte. Soll ich Ihnen Guckyschicken? Er kann leicht in Ihre Jet springen.“

„Nein, ich verzichte. Erklärung später. Ich landehinter der Peilbrücke.“

Die Maschine schwenkte erneut herum. DerAnflug wurde von Redhorse in Manuellsteuerungvorgenommen nachdem die Automatik denFahrtüberschuß aufgehoben hatte.

Eine schwarze, eckige Masse schob sich heran.Troja war ungefähr würfelförmig und besaß eineKantenlänge von achtunddreißig Kilometer.

Der Düsenkranz der Space Jet flammte. Sie senktesich langsam auf das weite Gelände vor dersogenannten Peilbrücke nieder. Diese uralteKonstruktion war bei der Explosion jenes Planetenerhalten geblieben, von dem Troja ein Trümmerstückwar.

Ehe Don die Landebeine ausfuhr und seinen Helmschloß, erhielten die Sergeanten Honaph und Rekutbestimmte Befehle.

Die Maschine setzte auf. Redhorse stand bereits inder engen Mannschleuse und wartete auf denDruckausgleich. Das Außentor glitt auf. Redhorsestieß sich leicht ab und schwebte zum Bodenhinunter. Trojas Oberfläche war schwerelos. Seinegeringe Masse fiel nicht ins Gewicht.

Redhorse berührte mit den Füßen den Boden,federte vorsichtig ab und sprang dann mit riesigenSätzen unter dem Diskusrumpf hervor.

Als er aus dem Strahlungsbereich der Kranzdüsenwar, hieb Sergeant Honaph auf den Stufenschalterdes Triebwerks.

Die Space Jet raste so schnell davon, daß sie vondem Auge nur noch als verglühender Funke

14

Page 15: Der Geleitzug ins Ungewisse

wahrgenommen werden konnte.Redhorse lag in dem Bodentrichter, den man beim

Eindringen durch den Beta-Transmitter alsTäuschungsobjekt benutzt hatte. Hinter Don standeneinige zerstörte Arbeitsroboter. Einige waren nochbedingt funktionstüchtig. Sie gingen ihrerprogrammierten Aufgabe nach und versuchten, dieüberall umherliegenden Felsbrocken aus dem Lochzu schleudern.

Captain Redhorse war hinter einem solchen Fels inDeckung gegangen. Seine Beine hingen in demTrichter. Er hatte die Waffe gezogen und sie auf jeneHügelgruppe gerichtet, hinter der er dasObservatorium verborgen wußte.

Sein Helmsender lief. Kühl, ohne jede Erregung inder Stimme, sagte er in sein Mikrophon:

„Ich bin gelandet. Redhorse spricht. Jetzt möchteich Gucky sehen. Dazu noch den Telepathen JohnMarshall. Wenn sich sonst jemand blicken läßt, seheich mich leider gezwungen, von meiner DienstwaffeGebrauch zu machen.“

„Übergeschnappt, eh?“ hörte er die Stimme einesUnbekannten.

„Vielleicht“, entgegnete er. „Ein unter Umständenparapsychisch beeinflußter Gucky wäre mir in meinerJet zu gefährlich gewesen. Die Maschine befindetsich außer Reichweite Ihrer Geschütze. Also - jetztmöchte ich den Mausbiber und John Marshall sehen.Dann reden wir weiter.“

Ehe er ausgesprochen hatte, entstand vor ihm eineLeuchterscheinung, aus der sich der metergroßeKörper des Mausbibers herausschälte. Gucky war ausder Stammzentrale des Satelliten direkt zurOberfläche gesprungen.

Er trug seinen Spezialanzug, mit dem nach vornerweiterten Transparenthelm, der Guckys spitzemMausegesicht und den runden Ohren Platz bot.

Er stand vor dem Cheyenne, stützte die Ärmchenin die Hüfte und musterte ihn mit einemvernichtenden Blick.

„Gucky ist nicht parapsychisch zu beeinflussen,verstanden?“ vernahm Don die helle Stimme deserbosten Kleinen. „Frechheit, möchte ich sagen. Wiekommst du auf die Idee, ich hätte dir vielleicht eineBombe in die Jet legen können, eh?“

Redhorse musterte ihn nachdenklich. Guckymachte einen völlig normalen Eindruck.

Dons Mißtrauen verschwand aber erst, als derTelepath John Marshall aus einer getarntenLuftschleuse hervorkam und mit Hilfe seinesFlugaggregates auf die Peilbrücke zusegelte.

John landete. Er lachte den Captain an undverankerte seine Füße unter einer zerborstenen Strebeder Brückenkonstruktion.

„Kriegt man hier überhaupt keine Antwort mehr?“schrie Gucky aufgebracht. Er trippelte auf Redhorse

zu und schlug ihm mit der kleinen Faust gegen denDruckhelm.

„He, bist du taub geworden? Und außerdem - werist hier ein Karottenfresser?“

Redhorse stand grinsend auf und steckte die Waffein die Gürteltasche zurück.

„Ich bitte um Entschuldigung, HerrSonderoffizier“, meinte er ernsthaft. „Mir fiel keinebessere Tarnbezeichnung für das verdientesteMitglied der Beta-Kampfgruppe ein.“

Guckys wütend entblößter Nagezahn verschwand.Argwöhnisch schielte er zu dem hochgewachsenenTerraner hinauf.

„Verdientes Mitglied? Wenn mir deinGedankeninhalt nicht verriete, daß du mich nichtwirklich beleidigen wolltest, dann würde ich dichjetzt - oh, was ist mit Perry?“

Don Redhorse hatte an Rhodan gedacht: an seineKopfverletzung, seinen nach wie vor schlechtenGesundheitszustand und an die verfahrene Situation,die durch die Transporter entstanden war.

Marshall wurde blaß. Er hatte DonsGedankeninhalt ebenfalls aufgenommen. Er deutetewortlos auf den Eingang zum Observatorium.Redhorse berichtete auf dem Weg in kurzen Worten,was sich in den vergangenen vier Wochen ereignethatte.

Als sie die Luftschleuse verließen und die Helmezurückklappten, wurden sie von Major FracerWholey, dem Chef der Troja-Stammbesatzung, undvon den Kommandanten der zurückgebliebenenSuperschlachtschiffe empfangen. Ein Funkspruch,der die von Redhorse festgelegte Symbolgruppeenthielt, rief die im Raum wartende Jet herbei.

Nachdem sie gelandet war, machte Don Redhorseeine Entdeckung, die er für wichtig hielt.

Troja hatte ursprünglich sechs Schiffe durch denBeta-Transmitter befördert. Der VierstufenraumerANDROTEST III war zum Heimflug entlassenworden. Die CREST stand zwanzig MilliardenKilometer hinter dem Satelliten. Somit mußten sichdie restlichen vier Superschlachtschiffe derImperiumsklasse in den Hangars von Troja befinden.

Don konnte jedoch nur drei Kommandanten, alleim Range eines Obersten, in der Vorhalle desObservatoriums entdecken.

Er hatte seinen Bericht beendet. Anschließendfragte er ahnungsschwer:

„Ich bitte um Entschuldigung aber wo ist OberstHeske Alurin, der Kommandant desUSO-Superschlachtschiffes IMPERATOR?“

Fracer Wholey räusperte sich. Oberst Brodo Sauer,Kommandant der THORA II, sah so interessiert ineine Ecke, als gäbe es dort Schätze zu entdecken.Don wurde noch unruhiger.

„Sir ...!“ sprach er einen der Offiziere an.

15

Page 16: Der Geleitzug ins Ungewisse

Oberst Baptiste Rigard, Kommandant derNAPOLEON, gab die Antwort.

„Es tut mir leid, aber Heske Alurin hat denStützpunkt vor vierzehn Tagen Standardzeitverlassen. Er berief sich auf seine Zugehörigkeit zurUnited Stars Organisation und erklärte, dem Befehldes Großadministrators nur bedingt unterstellt zusein. Als die CREST II vierzehn Tage überfällig war,ist Heske Alurin mit der IMPERATOR gestartet, umauf eigene Faust nach einem geeignetenStützpunktplaneten zu suchen. Wir waren rechtlichleider nicht in der Lage, ihm den Start zu verbieten.Er lehnte unseren Einspruch ab. Ich würde Ihnenvorschlagen, schnellstens zu starten, die CRESTanzufliegen und den Chef zu informieren. Mehrkönnen wir vorerst nicht tun.“

Der Cheyenne hatte die Luft angehalten. Er atmetelangsam aus. Sein Gesicht war maskenstarr.

„Sir, können Sie sich vorstellen, was imBeta-Nebel los ist? Wir haben sechs Tage gebraucht,um die geringe Distanz von dreitausendsiebenhundertLichtjahren zu überwinden. Wir haben insgesamtvierundvierzig Ausweichmanöver im Linearraumgeflogen, um von den Twonosern nicht erkannt zuwerden.“

Baptiste Rigard, ein schmaler Terraner mitdunklem Haar und scharfgezeichneten Zügen, sahsich hilfesuchend um.

„Wir sind ziemlich gut informiert, Don. Trojawurde zweimal von großen Raumschiffen angeflogenund fernanalysiert. Es ist ein Wunder daß man unsnicht durchschaute. Die Leute in den eiförmigenSchiffen scheinen schlechte Massen- undGrundstofftaster zu besitzen, sonst hätten siebemerken müssen, daß wir eine mit Material aller Artvollgestopfte Schale aus Felsgestein sind. Wirwurden nicht angegriffen. Es erfolgte auch keineweitere Landung. Man hielt uns nach wie vor für einTrümmerstück des explodierten Schrotschußplaneten,das von dem Transmitter zufällig erfaßt und in denBeta-Nebel abgestrahlt wurde. Nach der zweifachenÜberprüfung haben wir jedoch die Energieechos undSchockkurven zahlreicher Geschwader ausgemacht.Die von Ihnen geschilderten Rüsselwesen haben wirnicht gesehen. Sie haben ihre Schiffe nichtverlassen.“ Don Redhorse zögerte nicht mehr länger.Er verabschiedete sich und schritt rasch auf dieSchleuse zu. Ehe er sie betrat wandte er sich nocheinmal um.

„Sir, wir haben sechs Großraumtransporter vonden Ausmaßen eines Imperiumsschiffes dabei.Bereiten Sie bitte die Einschleusung der CRESTvor.“

Wir hätten noch Platz für einen Frachter. „Daswird der Chef entscheiden. Ich halte es aber nicht fürratsam, den Hangar mit einem Transporter zu fühlen.

Die IMPERATOR kann jeden Augenblickzurückkommen. “Als er gegangen war und eineleichte Bodenerschütterung vom Start der Space Jetzeugte, sagte Oberst Teren Masis, Kommandant derALARICH:

„Sein Wort in Gottes Ohr! Heske Alurin ist einverwegener Mann, dazu noch ein Epsaler. EineElitebesatzung besitzt er ebenfalls. Trotzdem kann erin sein Unglück geflogen sein. Bereiten wir uns aufdie Ankunft der CREST vor, meine Herren. Ichwollte, ich hätte das Donnerwetter schon hinter mir.Wholey, Sie hätten sich weigern sollen, dieStahlklappe über dem Schacht der IMPERATOR zuöffnen. Dann wäre sie jetzt noch hier.“

Fracer Wholey lief rot an. Er unterdrückte seineErregung nur mühevoll.

„Sir, haben Sie schon einmal vor einem wütendenEpsaler gestanden? Dazu noch vor dem Epsaler, demSie eigentlich überhaupt nichts befehlen können, weiler nicht der Solaren Flotte unterstellt ist?“

Teren Masis seufzte. Er konnte sich vorstellen, wieder Gigant von Epsal in die Hauptsteuerzentrale desSatelliten gestürzt war, um die Öffnung desSchachtdeckels zu fordern.

Die Offiziere gingen. Sie benutzten die schmalenLaufstreifen, um für die Magnetsohlen ihrer Stiefeleinen Halt zu gewinnen. In Trojas Hohlräumen liefein turbinengetriebenes 380 Volt Drehstromaggregatmit einer Leistung von hundert Kilowatt. Das reichtegerade aus, um die Leuchtkörper, eineLuftreinigungsanlage und zwei mechanische Aufzügemit Energie zu versorgen.

Die schweren Fusionsmeiler standen still. IhrStrahlungsfeld wäre ein unübersehbaresOrtungsobjekt gewesen. An die Erzeugung einerkünstlichen Schwerkraft war mit hundert Kilowattüberhaupt nicht zu denken.

Die drei eingelagerten Superschlachtschiffe warenSelbstversorger. Sie schalteten ihre chemischbetriebenen Notkraftwerke nur dann ein, wenn dieverbrauchte Atemluft regeneriert werden mußte.

Troja sollte unter allen Umständen als lebloserHimmelskörper angesehen werden.

Fracer Wholey, der für den inneren Dienstbetrieb,die Abwehr und die Hangars verantwortlich war,dachte schaudernd an die sechs Riesentransporter, dieer mit keinem Trick in seinem fliegendenNachschubdepot unterbringen konnte.

Somit blieb keine andere Möglichkeit, als dieSchiffe außerhalb des Himmelskörpers zu lassen undihre Fahrt so haargenau anzugleichen, daß sie nichtalle Augenblicke abtrieben.

Über dieses navigatorische Problem machte sichWholey weniger Gedanken. Das war eine Sache derBesatzung. Ihm lag in erster Linie die Sicherheitseines Stützpunktes am Herzen. Troja war gefährdet,

16

Page 17: Der Geleitzug ins Ungewisse

sobald er zum Parkplatz von sechs riesigenFlotteneinheiten wurde, die im Zentrum desAndro-Beta-Nebels nichts zu suchen hatten.

3.

Trojas Kraftwerke waren für eine Viertelstundeangesprungen, damit die CREST mit Traktorstrahlernund Führungskraftfeldern eingeschleust werdenkonnte.

Nachdem über dem fünfzehnhundert Meterdurchmessenden Kugelleib des Superschlachtschiffesdie Schachtklappen geschlossen worden waren undsich die ortungssichere Nevroplasttarnung zusätzlichdarüber geschoben hatte, waren die Maschinenwieder abgeschaltet worden.

Die Einschleusung war nicht schwierig gewesen.Man hatte es vor dem Start zum UnternehmenBrückenkopf fast hundertmal geübt.

Der Vorgang wurde Jedoch kritisch, wenn ein sogroßer Raumflugkörper zusammen mit dreiZusatztriebwerken geborgen werden mußte. Auchdas war möglich und vielfach geübt worden; aberBruchschäden an den zwölfhundert Meter langenDreifachstufen waren mehr als einmal vorgekommen.

Die sechs Transporter waren vorübergehendmagnetisch verankert worden, um ihren Besatzungendie Fahrt- und Kursanpassung zu erleichtern. Jetzt,eine halbe Stunde nach der Ankunft des kosmischenGeleitzuges, rasten die Frachter rechts und linksneben Trojas Seitenwandungen im freien Fall durchden Raum. Alle Schiffe hielten einen Abstand vonfünfhundert Metern ein, um den Ortungsschutz unddie Wärmestrahlungsdeckung so gut wie möglichausnützen zu können.

Die Frachter waren groß; aber Troja warwesentlich umfangreicher. Von außen betrachtetwaren die Nachschubschiffe eigentlich nur alsstrichfeine Körper mit stark verdickten Bugendenauszumachen. Die achtunddreißig Kilometer langenund hohen Seitenflächen des Geheimsatellitenwirkten auf die Männer der Nachschubraumerunübersehbar groß.

Man hatte alles getan, um die sechs Einheiten sogut wie möglich unterzubringen. Es war abertrotzdem nur ein Notbehelf.

*

Sie hatten ihn nie in einer solchen Stimmungerlebt. Erst hatte er getobt, mit der Faust auf denTisch geschlagen und die führenden Offiziere desStützpunktes für unfähig erklärt.

Jetzt, zehn Minuten später, wirkte er nochbedrückender, noch vorwurfsvoller und noch härter;denn jetzt beherrschte er sich mit erstaunlicher

Selbstdisziplin Er - das war Perry Rhodan,Großadministrator des Solaren Imperiums! SeinGesicht war von wächserner Blässe. Die kaumverheilte Kopfwunde leuchtete dunkelrot.

Seine tiefe innere Erregung wurde nur noch dannerkennbar, wenn er den Mund zu scharfen Fragenöffnete. Dann bebte seine Stimme, deren Lautstärkeer gewaltsam so stark reduzierte, daß man ihn kaumnoch verstehen konnte.

Sie standen alle vor ihm; die KommandantenRigard, Sauer und Masis mit ihren Ersten undZweiten kosmonautischen Offizieren, den LeitendenIngenieuren und den Offizieren derTroja-Stammbesatzung unter Wholeys Führung.

Sie hatten ihre Dienstanzüge angelegt, dieDruckhelme unter die angewinkelten linken Armegeklemmt und Haltung angenommen. Es war eine anBord von Frontschiffen nicht übliche Zeremonie, diebesonders von Perry Rhodan abgelehnt wurde.

Er hatte es mit einem Blick erfaßt und einesarkastische Bemerkung darüber gemacht.

Die Mutanten des Einsatzkommandos Andro-Betawaren ebenfalls erschienen. Nur Gucky, derdoppelköpfige Riese Iwan Goratschin und dieUSO-Majore Tronar und Rakal Woolver hatten sichnicht bereitgefunden, die normalen Gewohnheitenaufzugeben.

Sie standen oder saßen im kleinenBesprechungsraum der CREST und lauschten auf diebitteren Worte, die über Rhodans Lippen kamen.

Man hatte ihm alles erklärt. Er hatte zugehört,Fragen gestellt und anschließend behauptet, es hättemöglich sein müssen, Oberst Heske Alurinzurückzuhalten.

Lordadmiral Atlan hielt sich im Hintergrund desRaumes auf und hörte zu. Bisher hatte er noch keinWort gesprochen, obwohl er die vielen aufforderndenBlicke bemerkt hatte.

Der Arkonide dachte mit aller Nüchternheit überden Fall nach. Icho Tolot stand an seiner Seite undwar mit der Auswertung der einzelnen Datenbeschäftigt.

Als sich Rhodan nicht beruhigen wollte und erneutauf die Verantwortungslosigkeit einesErkundungsfluges auf eigene Faust hinwies, fühltesich Atlan von dem Haluter angestoßen.

Er sah zu den rotleuchtenden Augen hinauf.„Es wird Zeit“, erklärte Tolot. „Sprechen Sie.“Rhodan hatte Tolots „Flüstern“ vernommen. Er

unterbrach sich mitten im Satz und drehte sich um.„Was soll das heißen? Was wissen Sie über die

Geschehnisse, Tolot?“Atlan meldete sich. Er schritt zu dem runden Tisch

hinüber und wischte mit einer Handbewegung diebeiden Mikrofilme zur Seite, die den Start derIMPERATOR zeigten. Rhodan hatte sie sich nicht

17

Page 18: Der Geleitzug ins Ungewisse

angesehen.„Tolot hat überhaupt nichts zu sagen“, erklärte

Atlan. „Das dürfte meine Sache sein. Mir scheint,deine Kopfwunde macht dir zu schaffen.“

Rhodan wurde noch blasser. Er stemmte dieHandflächen gegen die Tischkante und beugte sichnach vorn.

„Was ist hier ohne mein Wissen beschlossenworden?“ fragte er fast flüsternd. Melbar Kasom hieltden Atem an. Er ahnte, was jetzt kommen mußte.

„Nichts, was - wie du ständig behauptest - dieExistenz der Menschheit oder den Beta-Brückenkopfgefährden könnte. Ich möchte in erster Linie von direrfahren, ob du den wahrscheinlich fähigstenEinsatzkommandanten der USO für wenigererfahren, umsichtig und gewissenhaft hältst als etwadie Obersten Rigard, Sauer, Masis oder denKommandanten der CREST, den Epsaler Cart Rudo.“

„Das steht nicht zur Debatte“, begehrte Rhodanauf.

„Es ist ein entscheidender Punkt in dieserDebatte“, entgegnete Atlan kühl. „Wenn HeskeAlurin ein verantwortungsloser Narr wäre, der sichnichts wünschte, als eine möglichst harteFeindberührung mit einem glänzenden Sieg, würdeich über den Fall kein Wort verlieren. So aber mußfestgestellt werden, daß der umweltangepaßteMensch von Epsal die gleichen körperlichen undgeistigen Fähigkeiten des Mannes besitzt, den duwegen seiner überragenden Leistungen zumKommandanten deines Flottenflaggschiffes gemachthast. Ich meine Cart Rudo.“

Atlan schaute zu dem einssechzig großen undebenso breiten Epsaler hinüber, der wie einunbehauener Felsklotz neben dem Rechengehirn desBesprechungsraumes stand.

„Was halten Sie von Heske Alurin?“ erkundigtesich Atlan. „Sprechen Sie bitte. Mir kommt es daraufan, diese Frage zu klären.“

Cart Rudo schwieg. Er blickte an Atlan vorbei.Der Arkonide lächelte spöttisch.„Du solltest deinem Flaggschiffkommandeur

Sprecherlaubnis geben, Freund.“Rhodan konnte sich kaum noch beherrschen. Er

ahnte, worauf Atlan hinauswollte.„Das ist nicht notwendig. Ich bin über Alurins

Qualitäten informiert. Er ist ein hervorragenderStratege und Offizier. Komme mir aber nur nicht mitdem Einwand, auf Grund dieser Tatsache könne seinunerlaubter Start entschuldigt oder gar nachträglichgebilligt werden. Mein Befehl lautete, daß bis zurRückkehr der CREST jedermann in Troja absolutstillzuhalten habe. Selbst wenn Alurin ein Halbgottwäre, was er aber nicht ist, würde ich diese Tatsachenicht berücksichtigen. Wo kommen wir hin, wennjeder Kommandant nach eigenem Ermessen zu

handeln beginnt? Oder war das in der ehemalsunschlagbaren: Riesenflotte des altenArkonidenimperiums so üblich?“

Atlan blieb ruhig. Rhodans Gemütszustand waraugenblicklich labil. Die kaum überwundeneVerletzung, seine rasenden Kopfschmerzen und dieseelischen Belastungen der letzten Wochen wirktensich aus. Dazu kam noch die für einen terranischenOffizier völlig unverständliche Tatsache einerBefehlsumgehung, die hier, unter Frontbedingungen,zu einer Kriegsgerichtsverhandlung führen mußte.

Atlan kannte die Mentalität der Terraner. In derSolaren Flotte herrschte eiserne Disziplin.

„Ich habe eine Frage gestellt, Herr Lordadmiral!“rief Rhodan erregt. Anschließend hustete erkrampfhaft. Sein Gesicht zuckte vor Schmerz. Diedünne Haut über der Kopfwunde pulsierte.

„Ich habe sie gehört. Nein, das war in derarkonidischen Flotte der Eroberungszeit nicht üblich.Wenn ein Kommandant der mir unterstelltenVerbände in dieser Art gehandelt hätte, wären ihmnur zwei Möglichkeiten geblieben! Entweder hätte ersich der Verantwortung durch Fahnenfluchtentziehen oder seinen letzten Gang zurHinrichtungskammer antreten müssen. MeineVorfahren waren in diesen Dingen nicht zimperlich,Terraner.“

„Aha!“„Du übersiehst eine Tatsache, weil du sie noch

nicht kennst. Ich habe deinen Wartebefehl für falschgehalten, weil er deinen Schiffskommandanten keineAusweichmöglichkeiten für Notfälle bot. DieGeschehnisse haben gezeigt, daß die CREST um einHaar nicht mehr zurückgekehrt wäre. Ein Fehler imMoby und wir wären für alle Zeiten verschollengeblieben. Ich hatte mit ähnlichen Vorkommnissengerechnet. Nur aus diesem Grunde hat Oberst HeskeAlurin Sonderbefehle erhalten.“

„Bitte ...?“ ächzte Rhodan. Seine Händeumklammerten die Tischkante. „Sonderbefehle? Vondir? Ohne mein Wissen?“

„Ja. Oberst Heske Alurin hat in seiner Eigenschaftals USO-Kommandant den Befehl erhalten, Troja zuverlassen und nach einer geeigneten StützpunktweltAusschau zu halten, falls die CREST wenigstensvierzehn Tage Standardzeit überfällig sein sollte.Alurin hat sich genau daran gehalten. Es ist taktischunwesentlich, ob wir mit der CREST oder einemanderen Schiff des solaren Verbandes zur Sucheaufgebrochen wären. Wenn Alurin etwas zustößt,wäre es dir ebenfalls zugestoßen. Wir sind in einerNotlage, die durch die Ankunft der Frachter nochverschärft worden ist. Du solltest dankbar sein, daßein gutes Schiff mit einer erstklassigen Besatzungbereits seit drei Wochen unterwegs ist, um diedringend erforderliche Stützpunktwelt zu suchen.

18

Page 19: Der Geleitzug ins Ungewisse

Alurin hat spätestens drei Tage nach dem Angriff derBAGALO erkannt, was sich im Beta-Nebel abspielt.Er hat Augen und Ohren, einen scharfen Verstandund überdies hervorragende Ortungsgeräte. Es istnicht sein erster Einsatz dieser Art. Ich habe die besteSchiffsbesatzung mitgenommen, die ich in derUSO-Flotte finden konnte. Mehr gibt es dazu nichtzu sagen. Deine Offiziere waren machtlos. DeineVorwürfe sind ungerecht. Meine Befehlserteilungwar dagegen richtig. Die Situation beweist es. Dugestattest, daß ich mich zurückziehe, bis das logischeDenken in diesen Raum zurückkehrt. Oberst Kasom,die Majore Tronar und Rakal Woolver - ich darfbitten.“

Atlan legte nach arkonidischer Grußform dieRechte gegen die linke Schulter, nickte den wieversteinert stehenden Terranern zu und ging zumDruckschott hinüber.

Rhodan schaute ihm nach. Ehe Atlan den Raumverließ, sagte der Terraner erschöpft:

„Ich kann dich nicht vor ein terranischesBordgericht stellen. Ich könnte dir jedoch dasWaffenbündnis kündigen! Ich verlange von meinenPartnern aufrichtige Aussprachen. Über den Fallwäre unter Umständen zu reden gewesen.“

„Unter Umständen! Ich habe mit dem Gedankengespielt. Deine seelische Verfassung war jedoch so,daß du abgelehnt hättest. Das erfolgreicheEinschleusungsmanöver durch den Beta-Transmitterhatte dich etwas übermütig gemacht. Denke einmaldarüber nach und sei ehrlich vor dir selbst. AuchTerraner sind nicht unschlagbar. Ich ziehe es vor, injedem Falle Sicherungen einzubauen. Das hat sichseit zehntausend Jahren bestens bewährt. Wollen Sieetwas sagen, Mr. Marshall?“

Der Chef des Mutantenkorps trat vor. Rhodanschaute ihn argwöhnisch an.

„Eine Tatsache ist bisher unerwähnt gebliebenSir“, erklärte Marshall ruhig. „Alurin hat sein Schiffmit drei Zusatztriebwerken ausgerüstet. Es siehtäußerlich ebensowenig nach einer terranischenKonstruktion aus wie der Schwere KreuzerBAGALO, mit dem der Angriff auf den Mobygeflogen wurde.“

„Das geschah ebenfalls ohne meine Billigung“,warf Rhodan ein. Marshall überhörte den Einwand.

„Oberst Alurin hat die derart verwandelteIMPERATOR in vierzehntägiger, fast fieberhafterArbeit zusätzlich so tarnen lassen, daß sie einemtechnischen Monstrum gleicht. Auswüchse aller Artsind aus Panzerplast gegossen, gepreßt undaufgeschweißt worden. Die Kugelhülle derIMPERATOR gleicht einem Fragmentraumer derPosbis. Die obere Polrundung erhielt einenkegelförmigen Aufsatz; die zweite Zusatzstufetechnisch wirkungslose, tarnungsmäßig jedoch

hervorragend aussehende Steuerflossen. Wer indiesem Flugkörper ein Superschlachtschiffterranischer Bauart erkennen will, muß ein Hellsehersein. Das wollte ich nur erwähnen.“

In Rhodans Augen erlosch das Feuer. Er senkteden Blick.

„Soll ich hier eigentlich als Narr hingestelltwerden, John?“

„Alles, nur das nicht, Freund“, warf Atlan ein. Erdrückte auf den Verschlußknopf des Schotts undkehrte in den Besprechungsraum zurück. Die Lageentspannte sich merklich.

„Du wirst Heske Alurin auf keinen Fall vorwerfenkönnen, leichtfertig gehandelt zu haben. Die Idee mitder Zusatztarnung stammt von ihm. In dieserHinsicht hatte ich nichts angeordnet. Das sollteerneut beweisen daß dieser Offizier Phantasie besitzt.Alurin übersieht nie etwas. Wenn es im Beta-Systemeinen geeigneten Stützpunktplaneten gibt, dann wirder ihn finden - ohne vom Gegner gesehen oder garangegriffen zu werden! Das möchte ich betonen.Wollen wir uns jetzt vernünftig über die Lageunterhalten?“

Rhodan bat um einen Stahl. Gucky schob ihm mittelekinetischen Kräften einen Gliedersessel zu. FracerWholey rief den Chefarzt der CREST herein, derdraußen gewartet hatte. Rhodan ließ sichwiderstandslos eine kreislaufstärkende Injektionverabreichen.

„Sie brauchen Ruhe, Sir“, forderte der Mediziner.„Wenn Sie so weitermachen, muß ich Sie wieder insLazarett einweisen. Schauen Sie sich einmal dieRöntgenbilder von Ihrem Schädel an. Wenn Ihnendas hundert Jahre früher passiert wäre, hätten wirmachtlos zugesehen, wie Sie gestorben wären. Einmenschliches Gehirn reagiert auf eingedrungeneKnochensplitter äußerst unangenehm. Sie habenLeben und geistige Gesundheit nur derOperationstechnik der Aras zu verdanken. Es wirdZeit, daß dies einmal ganz deutlich gesagt wird, Sir.“

„Sie sind ein unfreundlicher Mensch, Dr. Artur.Kommen Sie nur nicht auf die Idee, mich tatsächlichin diese Krankenzelle einzusperren. Also, meineHerren - wie kriegen wir die Transporter los, ohne sieheimschicken zu müssen?“

Atlan atmete auf. Rhodan hatte sich gefangen. Ernahm sich ; vor, nach dem Abklingen der erstenErregung den Fall nochmals zur Sprache zu bringen.

Icho Tolot meldete sich.„Die Schiffe werden ohne Zweifel entdeckt, falls

es den Wachbesatzungen der Twonoser einfallensollte, Troja nochmals zu analysieren Ich empfehle indiesem kritischen Stadium äußerste Zurückhaltung.Die IMPERATOR steht irgendwo im Beta-Raum.Das genügt vollauf. Die Ortungsgefahr würde sicherheblich vergrößern. Jede weitere Unruhequelle im

19

Page 20: Der Geleitzug ins Ungewisse

bisherigen Überwachungsschema der ‚Meister derInsel‘ würde zu einer hektischen Aktivität derWachflotte führen. Verhindern Sie das! Wie sagteman früher auf Terra ...?“

„Kleine Brötchen backen“, rief Gucky undkicherte. Er hatte Tolots Gedankenschirmdurchbrochen und seinen Bewußtseinsinhaltbelauscht.

Der Haluter stieß ein grollendes Lachen aus.„Das wollte ich sagen. Backen Sie kleine

Brötchen, bis Sie einen ausbaufähigen Planetenhaben. Warten Sie auf die IMPERATOR. MachenSie den Gegner nicht nervöser, als er es durch dieVernichtung des Mobys und das Auftauchen derBAGALO sowieso schon ist. Spielen Sie den totenMann.“

Rhodan nickte kaum merklich. Tolots Vorschlagwar überzeugend. Er besaß nur einen schwachenPunkt: Je weniger Schiffe nach einer Stützpunktweltsuchten, um so geringer wurde dieWahrscheinlichkeit, daß man eine fand; vor allemrechtzeitig fand!

4.

Es lag in der politischen, wirtschaftlichen undmilitärischen Zielsetzung der von Atlan gegründetenund unter gewaltigen Kosten aufgebauten USObegründet, ihr Personal aus allen Völkern derMenschheit auszuwählen.

Zur Gründungszeit im Jahre 2115 hatte noch derGrundsatz bestanden, die Schiffs- und Stützpunkt-und wissenschaftlichen Besatzungen aus allenintelligenten Völkern der Milchstraßezusammenzustellen.

Dies hatte sich schon kurz darauf als hinderlichund etwa fünfzig Jahre nach der Gründung alsgefährlich erwiesen. Die artfremden Intelligenzwesenhatten sich von den verschiedenartigsten Einflüssenleiten lassen, die teils aus ihrer Mentalität,überwiegend jedoch aus ihrem Zugehörigkeitsgefühlzu Nichtmenschlichen hervorgegangen waren.

Nach der Auflösung der Galaktischen Allianz hatteAtlan die Fremden nach und nach entlassen. Eswaren nur wenige Nichtmenschliche in den Reihender USO verblieben. Sie hatten sich alsvertrauenswürdig erwiesen.

Einen Grundsatz hatte Atlan jedoch nichtaufgegeben: Er verzichtete nach wie vor darauf, dieRaumschiffe und Stützpunkte der USO überwiegendmit Terranern zu besetzen.

Dies hatte zweierlei Gründe.Einmal waren die Mutterwelt Terra und die solaren

Siedlungsplaneten durch den Ausbau derImperiumsflotte personell so ausgelaugt worden, daßes sich nicht als ratsam erwiesen hatte, Erd- oder

Solargeborene in größerer Zahl in die Verbände derUSO zu übernehmen.

Atlans zweiter Grund war noch stichhaltiger. Erder zehntausendjährige Admiral hatte längst erkannt,daß auf den ehemaligen Kolonialwelten der Erdeneue Völker herangereift waren, die infolge einergewissen Umweltanpassung den Erdgeborenenoftmals überlegen waren. Zu ihnen zähltenvordringlich die Überschweren von Epsal und Ertrus.

Die Nachkommen der irdischen Frühkolonistenwaren bereits in der Überzahl. Sie waren jedochMenschen geblieben, und diese Tatsache hatte Atlanals enorm wichtig eingestuft. Ganz abgesehen vonden hohen Qualitäten der Kolonialterraner, war espolitisch und weltraumrechtlich klug, dasSelbstbewußtsein der ehemaligen Kolonisten durchihre Übernahmen in eine hohe Verantwortungssphärezu unterstützen.

So geschah es, daß sich in den Reihen der USOnur wenige Terraner befanden, die überdies meistensals Verbindungsoffiziere zum terranischenFlottenkommando dienten.

Die berühmten und gefürchteten Spezialisten derUSO setzten sich fast nur ausKolonistennachkommen zusammen.

Das galt auch für die zweitausendköpfigeBesatzung des USO-SuperschlachtschiffesIMPERATOR, dessen Kommandant ein Epsaler war.Atlan kannte die freundschaftliche Rivalität zwischenreinen Terrabesatzungen und den Männern derUSO-Flotte. Er beobachtete die gegenseitigenHänseleien mit größter Aufmerksamkeit, um notfallssofort eingreifen zu können. Atlans Psychologie liefdarauf hinaus, Terraner und Kolonialgeborene zueiner Einheit zu verschmelzen und in jedermann denGlauben an sein Menschentum aufrecht zu erhalten.Dieses Prinzip hatte sich über drei Jahrhunderte gutbewährt.

*

Ein Ungeheuer raste durch die sternflimmerndeWeite des Andro-Beta-Nebels. Aus demzwölfhundert Meter langen und vierhundert Meterdurchmessenden Schweif peitschten diePlasmazungen energetisch eingeengter und mit hoherStrahldichte ausgestoßenen Impulswellen hervor.

Auf diesem Schweif saß ein fünfzehnhundertMeter durchmessender Kugelkopf mit einemäquatorial angeordneten Ringwulst. ZahlreicheAuswüchse - Türme, asymmetrischen Pyramiden undplangeschliffenen Facettenbuckeln gleichend - warenüberall auf dem tiefschwarzen Rumpf zu sehen. Denoberen Abschluß bildete ein fünfzig Meter langerKegel, aus dem Antennenkonstruktionenhervorragten.

20

Page 21: Der Geleitzug ins Ungewisse

Es war ein abenteuerliches Gebilde, das keinekonkrete Typenbestimmung erlaubte. Vier gewaltigeHeckflossen in der Mitte des Triebwerksschweifesvervollständigten den Eindruck von einem übermäßigausgerüsteten Raumfahrzeug, in dem sich wohl nureine jahrelang geschulte Besatzung zurechtfindenkonnte.

Es war die IMPERATOR, ein Flottenneubau derUSO, die soeben ihr Eintauchmanöver beendete undmit halb lichtschneller Fahrt auf ein bestimmtes Zielzuraste.

Das Ziel hieß Troja. Die Männer derIMPERATOR hatten den Geheimsatelliten etwa vierWochen lang nicht mehr gesehen. DieFunkverbindung war aus verständlichen Gründenabgerissen. Niemand wußte, ob Troja von denFremdschiffen, die sie oftmals geortet hatten, erkanntund angegriffen worden war.

Oberst Heske Alurin, ein umweltangepaßterMensch vom überschweren Planeten Epsal, saß imKommandosessel der IMPERATOR. Neben ihm, imSitz des Chefkosmonauten, hatte sich OberstleutnantTrimar Noser angeschnallt. Noser war auf Plophosgeboren worden.

Das Gesicht des Leitenden Ingenieurs war aufeinem Bildschirm der Bordverbindung zu sehen. Erwar der zweite Epsaler an Bord der IMPERATOR,Oberstleutnant Trahun Milas. Die Geschwindigkeit,mit der er selbst schwierigste Schaltvorgängevornahm, war berühmt. Milas war in der Lage, dieArbeit von drei hochqualifizierten Fachingenieurenauf einmal auszuführen. Seine Bewegungen warendabei kaum mit dem Auge zu verfolgen. Sein„technischer Instinkt“ war sagenhaft. Er hatte sichden modernen Hochleistungstriebwerken mit Leibund Seele verschrieben, nachdem es sich beizahlreichen Tests herausgestellt hatte, daß er anderenEpsalern in kosmonautischer Hinsicht unterlegenwar. Milas besaß einen sechsten Sinn fürUltratechnik des fünfundzwanzigsten Jahrhunderts.

Seine kupferfarbenen Haare leuchteten auf demBildschirm wie ein goldener Helm.

„Manöver beendet, Kalup erste Stufe läuft aus.Überlastungsthermostat der Kühlmedium-Bank IVhat bei Durchgang abgeschaltet. Dabei brachen zweiHochdruck-Dichtringe amSchnellbeschleunigungskolben der Schalthydraulik.Folgen: Hydraulikflüssigkeit tritt aus, Preßdruck istauf drei Prozent Normalwert gefallen. Reparaturläuft. Eine Benutzung des Erststufen-Kalups ist vorzwei Stunden wegen Überhitzungsgefahr nichtratsam. Ich leite vorsorglich eine Notschaltung zurzweiten Stufe ein. Wenn es unbedingt sein muß,gehen wir mit ihr in die Librationszone. Ende.“

Das war kurz und bündig. Trahun Milas hatte mitwenigen Worten Dinge gesagt, die auf die

Manövrierfähigkeit des Stufenschiffes einen großenEinfluß besaßen. Heske Alurin konnte sichvorstellen, wie es jetzt in dem Schaltraum aussah.Wahrscheinlich hatte die austretendeHydraulikflüssigkeit mit ihrer geschoßartigenAuftreffenergie weitere Geräte beschädigt. SolcheKleinigkeiten zu erwähnen, hielt ein Mann wie Milasfür unnötig. Er nahm als selbstverständlich an, daßsich der Kommandant eines Superschlachtschiffesvorstellen konnte, welche Sekundärerscheinungeneingetreten waren.

Die Männer in der Ortungsstation desSchiffsgiganten hatten die Durchsage aus demMaschinenhauptleitstand ebenfalls vernommen. ZehnSekunden später bekam Major Fend Echelor, einpfahldünner Weganer mit blaßblauer Haut, das ersteHyperecho herein. Nochmals zehn Sekunden späterwußte er daß Troja noch existierte. Er rief dieZentrale an.

„Der Felsbrocken ist noch da, Sir. KlarerEchoimpuls, keine Energieortung auf Hyperbasis.Man hat wieder alles abgeschaltet.“

Alurins breites Gesicht verzog sich zu einemSchmunzeln.

„Was ergibt die Masseortung?“„Viel, Sir. Die Materieanalyse ist aber noch

aufschlußreicher. Nach den bekannten Werten zuurteilen, muß die CREST angekommen sein undaußerdem noch einige große Schiffe, die mit Güternaller Art vollgestopft sind.“

„Irren Sie sich auch nicht?“„Auf keinen Fall, Sir. Wir stehen nur noch fünf

Lichtstunden von Troja entfernt. Die Auswertung isteinwandfrei.“

Heske Alurin lehnte sich in seinem Sessel zurück,daß die Lehne knirschte. Trimar Noser runzelte dieStirn und warf einen skeptischen Blick auf dieBodenverankerung. Alurin gehörte zu den schwerstenEpsalern, die er je gesehen hatte.

Rhodan war beim Anflug schon vorsichtiggewesen. Heske Alurin war noch vorsichtiger.

Er ließ zwei Kaulquappen ausschleusen, dieebenso wie das Mutterschiff eine Außentarnungerhalten hatten. Die Kommandanten erhielten denBefehl, die Lage zu sondieren, die mutmaßlichangekommenen Raumschiffe aus der Nähe zuuntersuchen und dann Funkverbindung aufzunehmen.

Die beiden Sechzigmeterboote rasten davon undverschwanden unter grellen Leuchterscheinungen imLinearraum. Augenblicke später tauchten sie auf denEchoschirmen der Ortung auf. Sie standen dicht vorTroja.

Alurin traute der Sache noch immer nicht. Erblickte zu seinem Ersten Offizier hinüber.

„Lassen Sie Klarschiff anschlagen Noser. VolleGefechtsbesatzung, Robotreserven bereithalten.

21

Page 22: Der Geleitzug ins Ungewisse

Schutzschirme aufbauen.“Noser gab die Befehle weiter. Die Alarmpfeifen

begannen zu gellen. Zweitausend müde Männer, diein den vergangenen Wochen etwa dreihundertLinearmanöver durchgeführt hatten und wenigstensfünfhundertmal auf die Gefechtsstationen geranntwaren, eilten erneut durch die Gänge.

Tausende von Sicherheitsschotten knallten zu. DieIMPERATOR verwandelte sich in einenzehntausendfältig unterteilten Wabenkörper, der auchbei schweren Treffern so gut wie keine Druckverlusteerleiden konnte.

Unterhalb des Äquatordecks dröhnten dieFusionsmeiler der Kraftwerke. Alurin war sichdarüber klar, daß er nun zu einem Ortungsobjektgeworden war. Das konnte so nahe von Trojagefährlich werden. Er entschloß sich daher, dieManöverbereitschaft anzuordnen.

„L. I. - klar zum Manöver. Ortung: Bei dergeringsten Fremdpeilung gehen wir sofort in denLinearraum. Ich übertrage Ihnen für diesen Fall dasBefehlsrecht. Rufen Sie bei einer Peilung nicht erstdie Zentrale an, sondern geben Sie den Alarmimpulsan den Maschinenleitstand. Das spart wertvolleSekunden. Es muß notfalls so aussehen, als hättenwir Troja gar nicht bemerkt. Der Stützpunkt darfnicht gefährdet werden.“

„Sie sollten vielleicht die Schirme abschaltenlassen, Sir“, bemerkte Nose in nörgelndem Ton.„Dann werden wir auch nicht ferngeortet.“

„Stimmt“, bestätigte der USO-Oberst. „Es kannaber auch sein, daß Troja von gegnerischen Kräftenbesetzt wurde. Wenn das so ist, sind da drüben schoneinige Schiffe gestartet und in den Linearraumgegangen. Sie könnten plötzlich vor uns auftauchenund blitzartig zu feuern beginnen. Nein - ich nehmedas Risiko einer Ortung auf mich, bis eineKaulquappe zurückkehrt.“

Die IMPERATOR wurde weder von Unbekanntenausgemacht noch von Feindschiffen angegriffen. Daseinzige Fahrzeug, das plötzlich wieder in ihrer Näheauftauchte, war die KI-39.

Die Normalfunkverbindung war ungefährlich.„Auf Troja ist alles in Ordnung, Sir“, meldete der

Kommandant. „Die erwarteten Transporter sindangekommen und neben den Seitenwandungenverankert worden. Der Lordadmiral ist ebenfallsanwesend. Es gab Unstimmigkeiten wegen unseresStarts, Sir. Wir sollen sofort einen Durchgangmachen, unsere Fahrt anpassen und dieEinschleusung vorbereiten. Unser Hangar istfreigehalten worden.“

Heske Alurin machte „Hmm!“, beugte sich vorund drückte auf den Sammelschalter derRundrufverbindung.

„Kommandant an alle: Es geht nach Hause. Die

CREST ist mit den Frachtern eingetroffen. Wirwerden bald erfahren, wie das möglich war. L. I. ,können Sie mit der defekten Kühlbank einenDurchgang über nur fünf Lichtstunden riskieren? Ichmöchte es vermeiden, noch im letzten Moment diezweite Stufe anzugreifen.“

Trahun Milas rechnete.„Es geht, ich wage es. Wir bleiben zwei Minuten

im Linearraum. Eine Katastrophe ist nicht zubefürchten, aber die beschädigten Aggregate solltenanschließend ausgetauscht werden. Wir müssen aufTroja in die Werft.“

„Genehmigt. Impuls kommt in fünf Minuten,Ende.“

Der Zielanflug war einfach. Die IMPERATORging mit dem schnell heißlaufenden Kalup-Konverterder ersten Stufe in die Librationszone und kehrtevierzigtausend Kilometer von Troja entfernt in denEinstein-Raum zurück.

Die Fahrtanpassung dauerte eine halbe Stunde. Alsdas mißgestaltete Schiff über Trojas Oberfläche densogenannten Einschleusungsschwenk durchgeführtund das runde Heck seiner ersten Stufe immergenauer auf den geöffneten Hangarschacht wies,sagte Perry Rhodan impulsiv:

„Ich muß deinem Kommandanten einige Dingeabbitten. Die Tarnung ist phantastisch. Wenn ich einFremder wäre, müßte ich schon einen begründetenVerdacht hegen, wenn ich in dem Gebilde einSuperschlachtschiff terranischer Bauart erkennenwollte.“

Atlan lachte. Er blickte fasziniert auf dieBildschirme, auf denen das schwierige Manöver gutverfolgt werden konnte.

Die IMPERATOR hing nun mit demTriebwerksschweif nach unten über dem Satelliten.Geringfügige Differenzen in der Fahrtanpassungführten zu ständigen Driftbewegungen derZusatzstufen, die jedoch wegen der nachfolgendenSchiffsmasse genau im Mittelpunkt desHangarschachts eingebracht werden mußten.

Die Traktorstrahler des Satelliten sprangen an. IhreEnergiefinger griffen nach der abtreibendenKonstruktion und zwangen sie in die richtige Lagezurück.

Die entstehenden Hebelkräfte wirkten sich sofortauf den Kugelkörper der IMPERATOR aus. DasSchiff kippte ab.

Atlan hielt die Luft an. Wenn die Traktorstrahlernicht sofort heruntergeschaltet wurden, um die an denZusatzstufen angreifenden Fesselkräfte zu mildern,verlor das USO-Schiff ohne Zweifel seine kostbarenSondertriebwerke. Die statisch labile Konstruktionmußte brechen. Sie war nicht stark genug, um dieMasse des angeflanschten Schiffskörpers bewältigenzu können.

22

Page 23: Der Geleitzug ins Ungewisse

Atlan hörte Fracer Wholey brüllen. Das Dröhnender Traktorstrahler mäßigte sich. Die IMPERATORkam frei, trieb zur Rotseite hin ab und verlor ihre somühevoll errungene Einschleusungsposition.

Das Manöver mußte wiederholt werden. DieTechniker des Satelliten begannen zu schwitzen. Daswar das erste Stufenschiff, das unterFrontbedingungen eingeholt werden mußte. Bei denvielen Übungen im Schrotschußsystem war eseinfacher gewesen; denn dort hatte kein Gegner aufdas geringste Hyperecho gelauert.

Beim dritten Anflug glich Heske Alurin die Abtriftdes Schiffskörpers mit chemisch betriebenenHilfsdüsen aus. Er arbeitete mit derManuellschaltung. Welche Leistung damit verbundenwar; welches Feingefühl und welcherkosmonautische Instinkt, konnte niemand besserbeurteilen als Perry Rhodan, der zu Beginn seinerLaufbahn ähnliche Situationen gemeistert hatte.

Die Zusatztriebwerke der IMPERATORverschwanden im Hangar. Der kritische Augenblickkam, als die untere Rundung desSuperschlachtschiffes ebenfalls eingetaucht war unddie weite Ausbuchtung des äquatorialen Ringwulstesdie Schachtränder zu passieren hatte.

Hier halfen die Druckstrahler nach. Derschwingende Riesenkörper wurde eingefangen,stabilisiert und vom unteren Antigravfeld sanftabgesetzt. Zuletzt versank die Tarnspitze in dergähnenden Rundung.

Die Magnetverankerung griff an. DieHydraulik-Halterungen schoben sich aus denSchachtwandungen hervor und stützten das Schiffzusätzlich ab. Seine Landebeine berührten denzweihundert Meter breiten Metallwulst in Höhe derunteren Polkuppel.

Als die IMPERATOR endlich auf ihrenLandebeinen stand, war das Manöver beendet. Diedrei Zusatzstufen hingen in dem wesentlich engerwerdenden Schacht und wurden mechanischabgestützt.

Rhodan hatte minutenlang kein Wort gesprochen.Dies war ein Abenteuer der Technik gewesen. Es warkein Schuß gefallen, und es war niemand inlebensbedrohende Situationen gekommen. Trotzdemhatten sich die Körper der Männer verkrampft. Siehatten Zeit und Umgebung vergessen, um atemlos dieVorgänge zu verfolgen.

„Eine Klassebesatzung“, erklärte Rhodan lächelnd.Er musterte den Arkoniden so eindringlich, als

wäre er ihm erstmals begegnet.„Ich schätze, Freund, wir vergessen unsere kleine

Auseinandersetzung Ich hätte mir rechtzeitig dieFilme ansehen sollen. Trotzdem bitte ich mir aus,demnächst über Sonderunternehmen informiert zuwerden. Ich werde Oberst Alurin keine Vorhaltungen

machen. Er hat auf Befehl gehandelt. Damit ist derFall für ihn erledigt.“

Gucky kam in den Beobachtungsraum dicht unterder Oberfläche. Er war so aufgeregt, daß erausnahmsweise einmal seine Füße benutzte. Erschien seine Teleportergabe vergessen zu haben.

„Alurin hat einen Planeten gefunden“, kreischteder Kleine begeistert. „Ich habe geschnüffelt. Er hateine kleine, dunkelrote Sonne auf der Westside desBeta-Nebels entdecktdreitausendzweihundertundachtzig Lichtjahre vonhier entfernt. Das ist ein ideal gelegenes Randsystemund überdies genau dem Schrotschußtransmitterzugewandt. Die Sonne hat nur zwei Planeten. Einerdavon, der innere, ist eine Atomwüste ohne Leben.Nummer zwei ist eine unbewohnte Eiswelt,Sauerstoff vorhanden und etwa erdgroß. Weit undbreit ist niemand geortet worden. Der Epsaler hat dasSystem Alurin-System genannt, den inneren PlanetenDestroy und den äußeren Arctis. Arctis ist für unsereZwecke ideal. Na, was sagt ihr jetzt?“

„Ich habe dir verboten, deine telepathischen Gabenunerlaubt anzuwenden“, herrschte ihn Rhodan an.

Gucky blieb stehen, entblößte den Nagezahn undmeinte grinsend:

„Ich weiß, aber diesmal war ich einfach zuneugierig. Alurin ist so stolz wie ein alter Russe ...“

„... Spanier!“ unterbrach Atlan.Der Mausbiber warf ihm einen giftigen Blick zu.„Also gut, dann ist er eben so stolz wie ein alter

Spanier. Deine Belehrungen kannst du für dichbehalten, Imperator Gonozal. Alurin hatSchwierigkeiten mit einer Kühlbank der ersten Stufe.Er muß in die Werft. Ich springe einmal hinüber. Bisgleich.“

Die Luft flimmerte. Der Mausbiber verschwandmit einem dumpfen „Blopp“, das durch die in dasVakuum eindringenden Luftmassen entstand.

Atlan und Rhodan sahen sich verblüfft an.„Ein Giftspucker ist das“, rief Melbar Kasom

erregt. „Ich werde ihm sämtliche Karottenversalzen.“

„Lassen Sie sich nur nicht mit dem Kleinen ein“,warnte Atlan. „Er ist auch Telekinet. Denken Siedaran. Er hat schwerere Körper als den Ihren zumFliegen gebracht.“

Kasom betastete mit den Fingerspitzen seinenMagen. Sein Gesichtsausdruck wurde sofortnachdenklich.

„Appetit, lieber Freund?“ erkundigte sich IchoTolot anzüglich. Kasoms ungeheuresNahrungsmittelbedürfnis war bekannt. Das war auchder Grund dafür, daß Atlan keine Schiffsbesatzungaus Ertrusern aufgestellt hatte, obwohl sie nochwesentlich fähiger waren, als die Epsaler. Ein mitdiesen zweieinhalb Meter großen Menschen

23

Page 24: Der Geleitzug ins Ungewisse

bemanntes Schiff hätte einen Nachschubfrachter mitVerpflegung mitführen müssen.

Kasom schritt davon, um in der Bordküchenachzusehen, ob sich irgendwo einOchsenviertelchen fand. Ein halbes Schwein hätte esauch getan - nur nicht tiefgefroren.

Melbar Kasom war ein kluger Mann und dazunoch ein Spezialist der USO. Er konnte sichausrechnen, was die Ankunft der IMPERATOR zubedeuten hatte. Es würde in aller Kürze zu einemRisikoeinsatz kommen. Kasom war daher derAuffassung, rechtzeitig etwas für seineKörperreserven tun zu müssen. Bei gefährlichenUnternehmen kam er erwiesenermaßen immer zukurz.

Als er die vollautomatische Bordküche der CRESTbetrat, wurde der Koch-Programmierer blaß. Er saßvor seinem halbrunden Steuerpult, hatte diestandesgemäße Mütze auf und achtete auf dieLeuchtanzeigen der Automatherde.

„Hunger!“ sagte Kasom nur. Und dann noch:„Dalli, dalli!“

Der Küchenchef drückte wortlos auf einen Knopf.Ein scheunentorgroßes Ofenluk glitt auf. Dahinterdrehte sich ein echt terranischer Mastochse auf demSpieß.

„Der war als Begrüßung für die Besatzung derIMPERATOR gedacht“, sagte der Küchenchefresignierend. „Machen Sie es gnädig.“

Kasom gönnte ihm einen verständnisvollen Blick,fuhr den Ochsen auf den Gleitschienen aus dem Grill,zag die Dienstwaffe und schnitt mit einem haarfeinenDesintegratorstrahl die hintere, linke Hälfte ab. Vonder rechten hing auch noch etwas dran. Eigentlichfast alles!

Er steckte die Waffe ein, umfaßte das heißeOchsenviertel mit einer aufgerafften Thermoschürzedes Küchenpersonals und verschwand ingemächlichem Tempo.

„Barbar, widerlicher, gemeingefährlicher Barbar“,flüsterte der Küchenchef außer sich. Die Fäustegegen den Leib gepreßt, stand er vor demverstümmelten Begrüßungsbraten und suchte nachSchimpfworten.

„Oh, der Ertruser war wohl da was?“ erkundigtesich ein Gehilfe grinsend, als er bei seinem Eintrittdie Erregung des Küchenchefs bemerkte.

„Nehmen Sie Haltung an, wenn Sie mit mirreden!“ brüllte der Chefkoch. „Was heißt hier, ‚warder Ertruser da‘? Sie - Sie - ach was, verschwindenSie endlich. Ich kann Ihr Gesicht nicht mehr sehen.“

Der Gehilfe enteilte in einen Nebenraum. FünfMinuten später kam Gucky und verlangte von seinemspeziellen Freund „erstklassig aufgetaute und nichtweich gewordene Erdbeeren“.

Der Küchenchef hatte einen schlechten Tag. Er

nahm sich erneut vor, um seine Versetzung zu bitten.

5.

Das Ausschleusungsmanöver der fünfSuperschlachtschiffe war beendet. Sie hingen wieriesige Pfahlmasten mit aufgesetzten Kugelleuchtenüber der zerklüfteten Oberfläche des Satelliten undwarteten auf die fahrtauslösenden Impulse derChefingenieure.

Die sechs Frachter hatten ihre Wartepostenverlassen. Sie standen einige Kilometer entfernt undzu einem Keilpulk geordnet im Raum. Auf Trojaverstummte das Dröhnen der Maschinen, die man fürdie Ausschleusung hatte einschalten müssen.

Rhodan und Atlan befanden sich noch in derStammzentrale. Troja wirkte plötzlich verlassen. DieMenschenmassen waren mit den Schiffenverschwunden. Nur Major Fracer Wholey und seinezwanzig Spezialisten sollten auf dem Stützpunktzurückbleiben, um die Maschinerie zu überwachen.

In einem kleinen Hangar stand einSechzigmeterboot vom Typ Kaulquappe. Es handeltesich um Terras modernste Konstruktion, die wegender besonderen Einsatzbedingungen noch eineSpezialausrüstung erhalten hatte.

Die Kaulquappe gehörte zu den wenigenRaumschiffen ihrer Art, die über eineTransformkanone verfügten.

Rhodan gab die letzten Anweisungen.„Auf diesen Programmierungsstreifen finden Sie

die Position von Alurins System und allekosmonautischen Daten. Wenn Troja erneutfernanalysiert werden sollte, warten Sie ab, wasdaraufhin geschieht. Kommt es zu einem Angriffoder zu einer Truppenlandung, ziehen Sie sich sofortin die Kaulquappe zurück. Starten Sie und lösen Sieanschließend die atomare Sprengladung aus. WennSie Troja schon aufgeben müssen, dann darf nichtsdavon übrigbleiben. Ist das klar?“

„Vollkommen klar, Sir“, bestätigte Major Wholey.„Gut. Ich verbiete Ihnen, sich auf eine

Verteidigung einzulassen. Das würde zu nichtsführen. Sie können zehn bis fünfzehn Schiffeabwehren, niemals aber hundert. Setzen Sie sichgegebenenfalls rechtzeitig ab und sehen Sie zu, daßSie beim Start keine Treffer erhalten. Das gilt für denNotfall. Wenn Sie nicht entdeckt werden, bleiben Siemit Ihrer Stammbesatzung an Bord und warten inaller Ruhe ab, bis Sie von Schiffen der Flotteangeflogen werden. Es kann sein, daß Sie unverhofftBesuch von nicht angemeldeten Frachtern odersonstigen Einheiten erhalten. Es ist auch möglich,daß wir uns mit dem Einsatzverband wieder auf Trojazurückziehen. Handeln Sie also nicht voreilig, wennIhre Fernortung ansprechen sollte.“

24

Page 25: Der Geleitzug ins Ungewisse

„Verstanden, Sir.“„Schön. Ich danke Ihnen vielmals für Ihre

Bereitschaft, in dieser Höhle aus Felsgestein, Stahlund Plastik ausharren zu wollen. Sie werden sehreinsam sein. Beobachten Sie Ihre Männer. Fälle vonWeltraumkoller müssen sofort mit den bekanntenMitteln behandelt werden. Ich lasse Sie auf keinenFall im Stich. Wenn die Lage im Beta-Nebel sokritisch werden sollte, daß wir verschwinden müssen,werden Sie und Ihre Männer unter allen Umständenvon einem Stufenraumer abgeholt. Halten Sie sichvor Augen, daß Sie mit Ihrer Kaulquappe niemals dievierhunderttausend Lichtjahre bis zumSchrotschußtransmitter überwinden können. DasSchiff ist als Rettungsboot gedacht. Machen Sie essich so gemütlich, wie es den Umständenentsprechend möglich ist schränken Sie denDienstbetrieb weitgehend ein und organisieren Siesportliche Veranstaltungen, Vorführungen aller Artund Ausflüge an die Oberfläche. Sorgen Sie fürAbwechslung. Sie wissen ja, wie das gemacht wird.Ihre Männer werden Ihre Gründe durchschauen, abersie werden Ihnen trotzdem dankbar sein. Lassen Sienur keine Lethargie aufkommen. Ich weiß, wieschwer es die einsamen Besatzungen vorgeschobenerStützpunkte haben. Nochmals alles Gute, Fracer.Passen Sie gut auf Troja auf, und zögern Sie nichtmit der Sprengung, wenn Sie keinen anderen Wegmehr sehen. “

Rhodan und Atlan verabschiedeten sich. Siebestiegen den Zentralachsenlift, betraten dieOberfläche und zwängten sich in die beidenwartenden Space Jets. Der Lordadmiral hatte sichentschlossen, auf der IMPERATOR einzusteigen.Rhodan fragte über Sprechfunk an:

„Du hast doch wieder etwas vor, Arkonide! Seitwann fliegst du auf deinen eigenen Schiffen?“

„Du wirst diesmal rechtzeitig informiert“,entgegnete Atlan trocken. „Verlaß dich darauf. Ichbilde mit der IMPERATOR die Nachhut.“

„Das war so abgesprochen.“„Ich wollte es nochmals erwähnen.“„War das alles?“ Rhodan spähte argwöhnisch zu

der anderen Jet hinüber.Atlan lachte.„Das war alles, Terraner. Nein, doch nicht! Wenn

uns jemand so schnell über den Kurs laufen sollte,daß wir nicht mehr rechtzeitig in den Zwischenraumgehen können, greife ich mit der IMPERATORsofort an. Deine Raumer besitzen zwar nun ebenfallsZusatztriebwerke, aber sie haben nicht die schönenRumpfverzierungen. Einverstanden?“

Rhodan zögerte. Er kannte den Wagemut, dienichtmenschliche Härte und die unbestechliche Logikdes ehemaligen Arkonidenadmirals. Atlan würde,ohne zu zögern, selbst einen weit überlegenen

Verband angreifen und taktische Nachteile durchseine zehntausendjährige Erfahrung ausgleichen.

„Schön einverstanden. Du würdest ja doch nichtauf mich hören.“

Die beiden Jets starteten. Augenblicke späterverschwanden sie in den Hangarschleusen derCREST II und des USO-SuperschlachtschiffesIMPERATOR.

Major Fracer Wholey und seine zwanzigSpezialisten beobachteten die Vorgänge. Siebefanden sich in der Stammzentrale, die ungefähr imZentrum des ausgehöhlten Himmelskörpers installiertworden war. Von hier aus konnte jeder Punkt derOberfläche und der umliegende Raum fernseh- undortungstechnisch überwacht werden.

Die Taster für hochenergetischeFremdschwingungen drohten jetzt durchzuschlagen.Die fünf Superschlachtschiffe flogen mit ihrenNormaltriebwerken davon. Die Zusatzstufenenthielten nur Aggregate für den Überlichtflug.

Die Korpuskularwellen peitschten aus denenergetischen Düsenmäulern der Ringwülste. DerSprechfunkverkehr zwischen den einzelnen Schiffenwar noch einige Zeit zu hören. Er wurde leiser undunverständlicher, je weiter sich die Einheitenentfernten.

Die CREST schloß zu den wartenden Transporternauf und bildete das Spitzenschiff. Zwei andereterranische Einheiten flankierten den Konvoi. DieALARICH ordnete sich mit einer Überhöhung vonfünfzigtausend Kilometern über dem Geleit ein. DieIMPERATOR bildete das Schlußschiff mit einem sogroßen Sicherheitsabstand, daß auch riskanteManöver möglich waren, ohne die Keilstaffel derFrachter zu gefährden.

Kurz darauf nahm der Geleitzug Fahrt auf. Wholeygewahrte nur noch das Aufflammen der vielenTriebwerke. Die elf Riesenraumer verschwanden vonden Bildschirmen seiner optischen und infrarotenNormalortung.

Schon fünf Minuten später drohten die Hypertasterzu bersten. Ein Orkan von übergeordnetenSchwingungseinheiten breitete sich im Raumzwischen den Sternen aus. Es dauerte nur wenigeSekunden. Dann war auch diese verräterischeSchockwelle abgeklungen.

Wholey trocknete sich die schweißnasse Stirn ab.Die zwanzig Männer der Stammbesatzung schwiegennoch eine Weile. Sie wußten, daß sie zu deneinsamsten Mitgliedern der Menschheit gewordenwaren.

Das Solare Imperium verfügte über Tausende vonAußenstationen Geheimdepots undNachrichtensatelliten. Sie befanden sich aber alle inder Milchstraße, und man konnte notfalls Hilfeherbeirufen.

25

Page 26: Der Geleitzug ins Ungewisse

Hier war das ausgeschlossen! Der nächsteStützpunkt der Menschheit war vierhunderttausendLichtjahre entfernt, und trotzdem lag er noch weitjenseits der Menschheitsgalaxis.

Wholey ließ die atomaren Stromaggregateabschalten. Die turbinengetriebenen Hilfskraftwerkekonnten kaum mit einer Energieortung erfaßt werden.

„Feierabend für heute“, sagte Wholey betontforsch. „Wir haben genug getan. Der Chef wirdAlurins System natürlich unangefochten erreichen.Da die Position genau bekannt ist, genügen zweiLineardurchgänge, um den roten Stern anzufliegen.Der Geleitzug wird mit dem ersten Manöver vertikalaus dem Zwergnebel hervorstoßen, da durch diedichten Sternballungen des Zentrums und deräußeren Konzentrationsgebiete überfliegen und von‚oben‘ aus Kurs auf die Randsonne nehmen. EineOrtung ist unter diesen Umständen kaum zubefürchten.“

Der medizinische Betreuer der Troja-Besatzungmeinte dazu: „Es fragt sich nur, wie der Gegner aufdas Hyperfeuerwerk reagiert das in unserer Näheabgebrannt worden ist.“

„Schließlich mußte der Verband in dieLibrationszone gehen“, wandte Wholey mitdurchsichtiger Fröhlichkeit ein. Einige Männerbegannen zu grinsen. Andere zwinkerten sich zu.

„Alltagspsychologie“, meinte ein Techniker.„Also, dann wollen wir einmal versuchen, uns ohnedie Besatzungen von fünf Imperiumsschiffenwohlzufühlen. Ich für meinen Teil werde jetztwenigstens zehn Stunden schlafen. Dieser HeskeAlurin hat den Teufel im Leib. Ich habe noch nie miteinem solchen Tempo eine immerhin achtzig Tonnenschwere Kühlbank ausgewechselt und dazugewissermaßen im Vorbeigehen einen verwüstetenSchaltraum neu eingerichtet.“

Die Nervenanspannung lockerte sich. Bis auf diedrei diensthabenden Ortungsfunker, deren Aufgabees war, auftreffende Fremdimpulse zu registrierenund mit Hilfe der Rechengehirne die Auswertungeinzuleiten, verließen alle Männer dieStammzentrale.

Wenn Troja diesmal ungeschoren blieb, bestandgroße Aussicht auf eine relativ gefahrlose Reise zumZielstern, den man mit dieser geringen Fahrt erst invierzig Jahren erreichen konnte. Bis dahin, so hofftendie Einsamen von Troja, würde wahrscheinlich dieAblösung eintreffen.

6.

Wholey sollte sich getäuscht haben! Rhodan hattedrei Linearmanöver angeordnet. Der Zielanflug wardadurch genauer geworden. Die beim vertikalenDurchstoßen des Beta-Nebels entstandenen

Abweichungen hatten nach der erreichtenÜberhöhung zweifach korrigiert werden können.

Der Verband war exakt und genau nach Plan einenLichtmonat vor dem Alurin-System in denEinstein-Raum zurückgekehrt, und zwar jenseits desBeta-Nebels. Das bedeutete, daß man sich der SonneAlurin vom Leerraum her nähern konnte. Dertaktische Vorteil lag auf der Hand.

Die sechs Frachterkommandanten hatten erneuteinen Wartebefehl erhalten.

Heske Alurins Positionsberechnungen warengenau. Ein Kosmonaut von seiner Qualität begingkeine Fehler. Er hatte sogar die umliegenden Systemeund etwa fünfzig charakteristische Doppelsterne undkleinere Konstellationen im Radius von fünfzigLichtjahren katalogisieren lassen.

Perry Rhodan war beeindruckt. Das wollte für denkritischen Großadministrator etwas heißen.

Eine Stunde nach dem Sammel- undOrientierungsmanöver waren die vierSuperschlachtschiffe CREST II, THORA II,NAPOLEON und IMPERATOR zumErkundungsflug gestartet.

Die ALARICH unter Oberst Teren Masis, einemkorpulenten, blonden Terraner, war als Geleitschutzzurückgeblieben. Der Verband bewegte sich mit fünfProzent der einfachen Lichtgeschwindigkeit auf dasAlurin-System zu.

Die vier Großkampfschiffe waren nachkurzfristiger Fahrterhöhung in den Linearraumgegangen. Die Zusatztriebwerke hatten sich gutbewährt, nur konnten sich die terranischenBesatzungen noch nicht daran gewöhnen, solcheAnhängsel mitschleppen zu müssen. Versuche, dievon Alurin mit Ratschlägen unterstützt wordenwaren, hatten ergeben, daß die Manövrierfähigkeitder Superriesen wegen der Bruchgefahr und derFlattererscheinungen um etwa fünfzig Prozentabgesunken war.

Der Schlachtschiffsverband war nahe der rotenSonne aus dem Linearraum gekommen. Rhodan legteWert darauf, das System von ihnen her zu erkunden.Der erste Planet Destroy genannt, interessierte ihnbesonders.

Die vier Schiffe rasten dicht unterhalb derLichtmauer auf die große Welt zu. Die äußereGashülle der Sonne wurde in so geringer Entfernungpassiert, daß sich in den Schutzschirmen einenergetischer Sturm entlud. Naturgewalten dieser Artkonnte man beherrschen, vorausgesetzt, man wagtesich nicht zu nahe an einen Stern heran. Dieauftretenden Gravitationskräfte wurden durch dieHochgeschwindigkeit ohnehin neutralisiert. Manbrauchte kaum darauf zu achten. Gefährlich warenunverhoffte Energieausbrüche und die hartenStrahlungen.

26

Page 27: Der Geleitzug ins Ungewisse

Die Schiffe kamen unbehelligt an der Sonnevorbei. Als sie aus dem Erfassungsbereich derfrontalen Bildschirmgalerien auswanderte, wurdewieder die strahlende Kulisse des Beta-Nebelserkennbar. Von hier aus betrachtet, wirkte seinZentrum wie ein einziger Leuchtfleck von hoherStrahlungskraft. Die näheren Randsystemezeichneten sich durch fluoreszierende Farbmusteraus.

Zehn Minuten nach dem Passieren der Alurinsonnein nur acht Millionen Kilometern Abstand erschiender innere Planet auf den Ortungsschirmen. Dierelativistische Zeitverkürzung derHochgeschwindigkeitsphase bewirkte einenbezugsgebundenen Handlungsablauf. Es hatte denAnschein, als wären seit dem Eintauchmanöver nurSekunden vergangen.

Das Bremsmanöver wurde von den Automatikeneingeleitet. Als die Fahrt auf ein Drittel der einfachenLichtgeschwindigkeit gemindert worden war, wurdendie Dilatationserscheinungen so erträglich, daß mananhand zahlreicher Erfahrungswerte ungefährbestimmen konnte, wie die Summe der effektivenZeitverschiebungen war.

Der Planet war schon sehr nahe. Rhodan ließ dieFahrt auf drei Prozent LG drosseln, um Fernanalysenvornehmen zu können.

Die IMPERATOR schloß auf und stellte denBildsprechkontakt zur CREST II her. Die beidenanderen Schiffe standen an den Flanken derFlaggschiffe und suchten den Raum mit ihren Tasternab. Diesmal hatte sich Rhodan nicht gescheut,Eigenimpulse auszusenden.

In der IMPERATOR leuchtete der Bildschirm derultrakurzen Visiphonverbindung auf. Sie war nureinfach lichtschnell und konnte unter keinenUmständen abgehört werden. Selbst wenn dieSenderleistungen Millionen Megawatt betragenhätten, wären Jahrhunderte vergangen, bis die erstenFunkwellen im äußeren Ballungszentrum desZwergnebels angekommen wären.

Rhodans Oberkörper erschien auf dem Bildschirm.Man konnte sehen, daß er im Admiralsessel derCREST saß.

Atlan erhob grüßend die Hand. Heske Alurin standhinter seinem Sitz, um von der Optik noch erfaßtwerden zu können.

„Ist die Bildverbindung ausreichend?“ erkundigtesich Perry.

„Sogar sehr gut. Kannst du Oberst Alurinerkennen?“

„Ja, bis zur Stirnhöhe. Können Sie sich etwasbücken oder nach vorn neigen?“

Der Epsaler krümmte die Knie. Dieseanstrengende Stellung hielt er stundenlang durch,wenn er die Leistung seines Mikrogravitators etwas

reduzierte. Das Gerät vermittelte demUmweltangepaßten die heimische Schwerkraft von2,1 Gravos.

„Gut so, Alurin. Vor uns liegt Destroy. DieFernanalyse läuft in fünf Minuten an. Ich möchtenochmals Ihren Rat hören. Welche Messungen habenSie nach der Entdeckung dieses Systemsvorgenommen?“

„Alle nur denkbaren, Sir. Die geographischen undgeophysikalischen Daten sind Ihnen bekannt. Destroydurchmißt etwa 16200 Kilometer, Schwerkraft 1,25Gravos. Rotation 32,8 Stunden. Die Meere sindverdampft, die Gebirge wurden von atomarenGewalten abgetragen. Diese Welt leuchtet Tag undNacht in blaugrünem Schimmer. Die Radioaktivitätist teilweise noch sehr hoch, an anderen Orten schonerträglich. Die Fernanalyse ergab unterBerücksichtigung der Halbwertzeiten von entdecktenStrahlungsträgern, daß dieser Planet vor etwa 280 bis300 Jahren zerstört worden ist. Die Mental- undIndividualortung, auf die ich wegen eventuellauftretender Gehirnimpulse besonderen Wert gelegthabe, verlief negativ. Da unten lebt nichts mehr, Sir.“

„In dieser Hinsicht bin ich skeptisch. Ich bezweiflenicht die Exaktheit Ihrer Arbeit, Oberst Alurin. Esgibt jedoch genügend Lebewesen, die keinemeßbaren Individualschwingungen ausstrahlen.Immerhin sieht es danach aus, als wären die aufDestroy heimischen Lebensformen bei derKatastrophe getötet worden. Es sind überallgigantische Trichter mit glasierten Wänden zu sehen.Dort müssen enorme Temperaturen geherrscht haben.Schön, vielen Dank. Atlan, was schlägst du vor?Landen oder nicht landen?“

„Darauf verzichten“, antwortete der Arkonidesofort. „Wenn auf Destroy noch Leben existierensollte, so ist es für Raumschiffe und modernbewaffnete Terratruppen ungefährlich. Wir kennenParallelfälle. Höhlenwilde soll man in Ruhe lassen.Fliege den zweiten Planeten an, und sorge dafür, daßunsere Schiffe schleunigst im Eismantelverschwinden. Wir brauchen eine Sicht- undOrtungsdeckung erster Güte. Ich habe das Gefühl, alskönnten wir es uns auch in diesem abseits gelegenenSystem nicht erlauben, wochenlangspazierenzufliegen.“

Rhodan akzeptierte den Vorschlag. Er hatte mitdem gleichen Gedanken gespielt.

Die vier Superschlachtschiffe nahmen wiederFahrt auf. Rhodan verzichtete auf einenLineardurchgang und flog den zweiten Planeten mitden Normaltriebwerken an. Durch das erneutauftretende Zeitparadox schien der Flug nur Minutenzu dauern.

Genau betrachtet, vergingen für die Männer derGroßkampfschiffe auch nur wenige Minuten. Der

27

Page 28: Der Geleitzug ins Ungewisse

Begriff „Zeit“ war und blieb nur ein Begriff, der sichvon Bezugspunkt zu Bezugspunkt ändern mußte. Dergültige Grundlagenwert war jedoch die Zeitkonstantebei Tempo Null.

Die CREST II und die IMPERATOR glitten aufdas Ziel zu. NAPOLEON und THORA II sichertennach wie vor die Flaggschiffe ab.

Alle Einheiten waren voll gefechtsklar. Die ErstenFeuerleitoffiziere hatten einige Ziele vorjustiert unddie wichtigsten Raumsektoren in Batteriebezirkeunterteilt.

Die schweren Transformkanonen reckten ihreSchlünde aus den Waffenkuppeln. Desintegratoren,Impulskanonen, Arkonwerfer und andere, aufphysiologischer Basis wirkende Waffen, warenebenfalls feuerklar.

Man wollte nicht gesehen werden! Wenn man aberentdeckt und angegriffen wurde, so würde es sichzeigen, daß vier terranische Flottenneubauten derImperiumsklasse mit einer kleineren Flotteeiförmiger Twonoser-Schiffe fertig werden konnten.

Vor der Vernichtung des Mobys hatten dieSpezialisten der CREST genügend Zeit undGelegenheit gefunden, die Waffen des Gegners zustudieren. In diesen Dingen waren terranischeWaffeningenieure Meister. Ihnen genügte schon derAufprall eines Energiestrahls auf ein Ziel, umungefähr ermitteln zu können, wie groß seineKapazität war, auf welcher Basis er wirkte undwelche mechanischen Belastungen er auf derPanzerhülle eines großen Raumers hervorrufenkonnte.

Die Eischiffe, wie man diese Flugkörper derBeta-Wachflotte allgemein nannte, waren selbst inihren größten Ausführungen kein starker Gegner.Immerhin galt auch hier der Grundsatz, daß vieleHunde des Hasen Tod sind. Die Schlagkraft derterranischen Superschlachtschiffe war ungeheuer. Eswar Rhodan trotzdem angenehmer, wenn erunentdeckt blieb.

Nach vier Minuten Eigenzeit stand man so dichtvor dem zweiten Planeten Arctis, daß die Automatikmit Vollschub die Bremsbeschleunigung einleitete.Für die Besatzung der im Leerraum stehendenFrachter waren mittlerweile ungefähr fünf StundenStandardzeit vergangen.

Perry Rhodan beugte sich angespannt nach vorn.Arctis war eine erdgroße Sauerstoffwelt, diegeographisch und astrophysikalisch keineGeheimnisse bot.

Ihre auffälligste Eigenschaft war ihreweitgezogene Ellipsenbahn um die Sonne. Das hatteausgefallene Temperaturbedingungen zur Folge.

Arctis benötigte für einen Umlauf vierzehn JahreStandardzeit. Elf Jahre herrschtenDurchschnittstemperaturen von minus 50 Grad

Celsius. Die restlichen drei Jahre herrschte auf Arctismilder Winter mit Plus 10 Grad Celsius im Mittel.

Trotz dieser vorübergehenden Erwärmung lagArctis unter einer ständigen Eisdecke mit einerdurchschnittlichen Stärke von acht bis zehnKilometern. Der Planet war unbewohnt. Wenn erjemals Gebirge besessen hatte, so waren sie alle unterdem Eispanzer verschwunden. Hier und da warenBodenwellen und einige Steilgipfel auszumachen.Sonst waren nur sturmgepeitschte Eismassen vonungeheurer Ausdehnung zu entdecken.

Die gegen tiefe Temperaturen empfindlichenRüsselwesen des Beta-Nebels hatten anscheinendgerne darauf verzichtet, die Eiswelt zu besiedeln.

Sie hatten sich in die abgestorbenen Mobyszurückgezogen, um diese seltsamen Hohlwelten alsLebensraum zu verwenden.

Rhodan war überzeugt, daß Arctis noch vonkeinem Twonoser besucht worden war.

Atlan meldete sich über Visiphon.„Du verschenkst kostbare Zeit. Alurin hat den

Planeten tagelang untersucht. Genauer geht es nichtmehr. Seine Landungskommandos und Meßsondenhaben alles aufgezeichnet, was es überhaupt zuentdecken gibt Arctis ist für unsere Zwecke bessergeeignet als ein schöner Planet. Der Eispanzer erlaubtden mühelosen Aushub von Großhangars und Lagernaller Art. Deine Bauingenieure wissen, wie man mitden Thermogeschützen Hohlräume ausschmilzt unddie Dampfmassen absaugt. Worauf wartest du noch?“

Rhodan schwieg. Er sah aus schmalen Augen aufdie großen Schirme, auf denen der weiße Panzer desPlaneten glänzte.

„Sauerstoff ist genug vorhanden“ fuhr Atlanungeduldig fort. „Wir brauchen ihn nicht künstlich zuerzeugen. Also ...?“

„Der innere Planet gefällt mir nicht“, entgegnetePerry zögernd. „Wer hat ihn in eine Atomhölleverwandelt? Waren es seine Bewohner in einemselbstmörderischen Bruderkrieg - oder fremdeMächte? Ist er aus dem Raum beschossen worden,oder hat man die Bomben allein auf die Reisegeschickt? Weißt du eine Antwort?“

Die Schiffe schwenkten in eine enge Bahnkurveein. Arctis näherte sich dem sonnenfernsten Punktseiner Umlaufbahn. Auf ihm herrschte tiefster Wintermit unangenehmen, aber noch erträglichenTemperaturen.

„Wenn dich diese Frage so quält, mußt du Destroyvorher durch Landungskommandos untersuchenlassen. Das dauert Tage. Eine gründliche Auswertungist nur dann zu erhalten, wenn die Männer in jedeRuine hineinkriechen. Hast du soviel Zeit?“

„Nein.“Atlan seufzte.„Ich kenne euch Terraner seit zehntausend Jahren,

28

Page 29: Der Geleitzug ins Ungewisse

aber manchmal scheint mir, als wäret ihr mit jedemJahrhundert rätselhafter geworden. Das UnternehmenBrückenkopf ist strategisch betrachtet! - einWahnsinnsunternehmen. Wir dringen in den Vorhofzum Andromedanebel ein, ohne entfernt zu ahnenwie es dort aussieht. Historiker, die nach unskommen, werden kopfschüttelnd die Berichte lesenund einige tausend Abhandlungen über die Epocheder terranischen Expansionszeit schreiben. ImGrunde genommen fliegt kein vernünftiger Mann ineine fremde Galaxis hinein, um mit fünfSchlachtschiffen zu versuchen, den drohendenAngriff einer unbekannten Großmacht aufzuhaltenund überdies noch zum Sturm anzutreten. Das isteine Invasion von Mücken Perry! Sie bedingtnaturgemäß zahlreiche Unbekannte. Eine davon istDestroy. Beim alten Imperium - wir haben keine Zeit,uns eingehend um den Trümmerhaufen zu kümmern.Lasse erst unsere Schiffe unter dem Eisverschwinden, dann sehen wir weiter.“

„Richtig“, sagte Icho Tolot, der hinter PerryRhodan stand.

Der Großadministrator überwand seine Bedenken.Drei Minuten später hagelte es Befehle.

Oberst Heske Alurin, der zusammen mit Atlanabhörte, schaute sich schmunzelnd um.

„Jetzt wird er aber munter, Sir.“„Er ist ein einmaliges Genie“, sagte der

Lordadmiral und lächelte entspannt. „Die Menschheithat ihm alles zu verdanken. Er benötigt nur hier undda einen Rippenstoß.“

„Dazu sind Sie ja berufen, Sir.“„Ich hoffe es, Heske. Ich will mich immer

bemühen, ein aufrichtiger Freund zu sein. Was machter jetzt?“

Die Bordwand der CREST II leuchtete imDüsenfeuer eines Beibootes auf. Eine Space Jet rastedavon.

„Kurier für die Transporter, Sir“ meldete derOrtungschef der IMPERATOR, Major Fend Echelor.

Atlan nickte zufrieden. Perry Rhodan warumsichtig genug, auf einen Hyperfunkspruch zuverzichten.

Die CREST tauchte in die Atmosphäre desEisplaneten ein. Auf den Bildschirmen waren dieaufglühenden Luftmassen entlang der Flugbahndeutlich zu sehen.

Die geographische Vermessung war bereits vonHeske Alurin vorgenommen worden. Er hattevorgeschlagen, den Stützpunkt auf dem LängengradNull und genau auf der Äquatorlinie einzurichten.

Dort war das Eis immer noch acht Kilometer stark,die atmosphärische Turbulenz aber schwächer alsweiter nördlich oder südlich.

Die CREST flog diesen Punkt an und blieb fünfKilometer über dem Eis im Schutz ihrer

Antigravitationsfelder in der Luft stehen.Roboterkommandos regneten aus den Luken ab.

Es waren Spezialmaschinen mit vielfältigerGeräteausrüstung.

Nur eine halbe Stunde später begannen dieunterhalb des Ringwulstes eingebautenSchiffsgeschütze zu donnern. Energiefluten, hell undheiß wie eine Sonnenatmosphäre peitschten in dasEis. Es begann sofort zu verdampfen. RiesigeSchwaden stiegen auf. Sie wurden vonDruckstrahlern erfaßt und nach Süden abgeschoben.Dort schwebte der Dampf in der Form von Schnee-und Eiskristallen nieder. Es war die unauffälligsteAushub-Ablagerung die man sich denken konnte.Auf Arctis schneite es oft.

„Jetzt verliert er aber wirklich keine Zeit mehr“,lachte Atlan. „Was gibt es, Echelor?“

Der Funkchef erschien erneut auf den Schirmender Bordverbindung.

„THORA II und NAPOLEON haben den Befehlerhalten, ebenfalls mit dem Ausschmelzen einesSchachthangars zu beginnen.“

„Für uns keine Nachrichten?“„Nein, Sir.“„Stellen Sie eine Verbindung zum Flaggschiff

her.“Rhodan meldete sich. Er trug jetzt einen

Raumanzug.„Ich möchte dich bitten, Atlan, die Absicherung zu

übernehmen. Wir schmelzen für dich einen Hangaraus. Wir können ohnehin nur die Grobarbeit leisten.Anschließend müssen die Schächte von Spezialistenausgebaut werden, damit wir eine Stützauflage fürdie Landebeine bekommen. Die Zusatztriebwerkesollen möglichst an den Rümpfen bleiben. Daserfordert einen weiteren Schmelzvortrieb umzwölfhundert Meter mit einer lichten Weite vonfünfhundert Meter. Die Transporter kommen bald an.Ich halte die IMPERATOR wegen ihrer Tarnung fürdas richtige Sicherungsschiff. Einverstanden?“

Atlan brauchte nicht zu überlegen. Er hatteähnliche Gedanken erwogen.

„Natürlich. Ich gehe mit Vertikalüberhöhung aufWachposition. Schicke mir die Woolver-Zwillinge.“

Rhodan winkte. Der Funkkontakt blieb bestehen,um den beiden Wellenspringern einEinfädelungs-Medium zur Verfügung zu stellen.

Sie materialisierten kurz hintereinander aus demEmpfänger. Die Luft flimmerte. Aus den Felderntraten die beiden Mutanten von Imart heraus undsalutierten. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen.Ihre lindgrüne Haut und die mächtigen Brustkörperwiesen darauf hin, daß sie ebenfallsUmweltangepaßte waren. In ihrem Falle hatten dieNachkommen der Frühkolonisten mächtige Lungenentwickelt, um in der dünnen Luft vom Imart leben

29

Page 30: Der Geleitzug ins Ungewisse

zu können.Rakal und Tronar Woolver besaßen eine einmalige

Parafähigkeit. Sie konnten Energieflüsse jeder Art alsTransportmedium benutzen und in entstofflichtemZustand enorme Entfernungen überwinden. Sienannten sich selbst „parapsychische Nullpoler“.Beide waren sie USO-Spezialisten aus dem geheimenEinsatzkorps des Lordadmirals.

Atlan begrüßte die hochgewachsenen Majore,denen man nicht ansah daß sie soeben erstfünfzigtausend Kilometer mit Lichtgeschwindigkeitüberwunden hatten. Der Funkstrahl zwischen denbeiden Schiffen hatte ihnen als Transportmediumgenügt. Notfalls begnügten sie sich mit demnormalen Stromfluß in einem Kabel. HyperschnelleWellen aller Art waren das Fortbewegungsmittel, dassie bevorzugten.

„Ich halte es für ratsam, Sie von nun an auf derIMPERATOR zu stationieren. Ihre Quartiere kennenSie. Haben Sie besondere Wünsche?“

„Unsere Spezialausrüstung müßte überprüftwerden, Sir“, erwiderte Tronar Woolver.

„In Ordnung. Veranlassen Sie es. Brauchen Sienoch etwas aus den Beständen der CREST?“

„Nein, wir haben hier alles vorrätig.“Atlan entließ die Mutanten und wartete auf das

Erscheinen der Transporter. Sie kamen zehn Minutenspäter aus dem Linearraum und tauchten nur zehnMillionen Kilometer von Arctis entfernt in dasNormaluniversum ein. Die Kurierjet war auch dabei.

Die Schiffe rasten auf den Eisplaneten zu. AlsAtlan die Peilechos und die mitlaufenden Meßwalzender Annäherungsermittlung ablas, wurde er unruhig.

„Allerhand Fahrt drauf, Sir!“ meinteOberstleutnant Trimar Noser. „Ist das notwendig? Siemüssen mit einem Gewaltmanöver bremsen, oder sieschießen an Arctis vorbei.“

„Ja!“ entgegnete Atlan einsilbig. Er wartete aufeinen Funkspruch. Es kam keiner. Die Schiffe warenfast lichtschnell. Die Ultrakurzwellen hätten nurwenige Augenblicke früher eintreffen können.

Der Arkonide ging zur Ortung hinüber und sahsich die Feinmessungen an. Die sechs Frachterbeschleunigten immer noch, um die hohe Fahrt dichtunterhalb der Lichtmauer halten zu können.

„Stützmasseneinspritzung, Sir“ meldete ein Orter.Es wurde plötzlich still in der großen Funk- undOrtungszentrale der IMPERATOR. Atlan fühlte dieBlicke der Männer wie Nadelstiche. Heske Alurinkam ebenfalls in den Saal.

Atlan verriet nicht, was er von der eigentümlichenBeschleunigungsphase dachte. Als die Frachterzweieinhalb Sekunden später mit gleichenHöchstwerten zu bremsen begannen und dieALARICH weit hinter ihnen ebenfalls aus derLinearzone auftauchte, nickte er. Das Geleitschiff -

beschleunigte bis zu dem rechnerisch ermitteltenPunkt, wo man mit dem Gegenschub beginnenmußte, um mit Nullfahrt über Arctis anzukommen.

„Oberst Alurin ...!“Der Epsaler wartete.„Klarschiff zum Gefecht.

Lecksicherungskommandos auf Stationen. Wennunser Nachschubverband nicht mehrere fremdeEinheiten geortet hat, will ich künftig alsBordküchenmeister arbeiten. Klar zumLinearmanöver. Major Echelor, stellen Sie eineVisiphonverbindung zum terranischen Flaggschiffher. Unsere Transporter befinden sich auf der Flucht.Es wird ernst.“

Auf der IMPERATOR gellten wieder einmal dieAlarmpfeifen. Sie waren nach arkonidischem Musterkonstruiert worden und erzeugten einen Lärm, denselbst ein Halbtauber nicht überhören konnte.

Zweitausend Männer, jeder ein Könner in seinemFach und mit einer Fronterfahrung von wenigstensdrei Jahren, rannten auf ihre Stationen.

Die riesige IMPERATOR ruckte an. Sie nahmKurs auf die Frachter um die Funkdistanz zuverkürzen.

Über Arctis wurden die Bauarbeiten soforteingestellt. Rhodan meldete sich. Er war die Ruheselbst.

„Wie ich bemerke, hast du die Situation erkannt.Meine Einheiten sind klar zum Alarmstart. Was hastdu vor?“

„Hören, was die Frachterkommandanten zuberichten haben. Falls Twonoserverbände erkanntworden sind, lasse ich mich sehen. Ich werdewahrscheinlich etwas schauspielern, etwas schießenund nach den ersten Treffern in meinenSchutzschirmen die Flucht ergreifen. Mein Rat:Bleibe mit allen Schiffen ihn Ortungsschutz desPlaneten und warte ab wie die Blaurüssel auf dasErscheinen der IMPERATOR reagieren. Wenn siedie Verfolgung aufnehmen und somit verschwinden,solltest du weiterarbeiten. Ich durchquere notfalls denBeta-Nebel und lasse mich auf der Eastside sehen. Esmuß versucht werden, die ‚Meister der Insel‘ davonzu überzeugen, daß hier einige Schiffe der Maahksaufgetaucht sind. Die IMPERATOR könnte in ihrerjetzigen Form recht gut für eine weiterentwickelteKonstruktion der Maahks gehalten werden. DieZusatztriebwerke täuschen die langen Rümpfe derschwarzen Raumer vor. Die Visiphonverbindungwird schlecht. Ich nehme Kontakt mit denflüchtenden Frachtern auf, Ende.“

Rhodan sagte noch etwas, was Atlan nicht mehrverstand. Major Fromer Hatski, Kommandant derANBE 3, meldete sich. Die IMPERATOR raste aufentgegengesetztem Kurs auf die Keilstaffel derNachschubfrachter zu.

30

Page 31: Der Geleitzug ins Ungewisse

„Atlan spricht. Reden Sie schnell. Wir sind gleichaus Ihrem UK-Bereich. Warum fliehen Sie?“

Hatski war ein großer, korpulenter Mann miteiserner Ruhe. Er wunderte sich nicht über diepräzise Frage.

„Ortung Eischiffverband im Leerraum, Westside.Die Distanz zu unserer Warteposition betrug nur elfLichtjahre. Wir sind beim Linearmanöver todsicherausgemacht worden. Verband besteht aus etwadreißig bis vierzig Schiffen. Typenangabeunmöglich. Fragen Sie Kommandant ALARICH. Erhat unser Manöver abgewartet und weiterhinbeobachtet.“

„Danke, verstanden. Perry Rhodan ist informiert.Weitere Befehle erhalten Sie von ihm.“

Die Bildsprechverbindung wurde wieder schlecht.Weit hinten schoß die ALARICH heran. OberstTeren Masis wartete auf den Augenblick desKontaktes. Er hatte erfaßt, was die USO-Besatzungim Sinn hatte.

Er begann unaufgefordert zu sprechen, als er sicherwar, daß man ihn hören konnte.

„ALARICH an IMPERATOR. Twonoserverbandsteht jetzt auf unserer ehemaligen Warteposition. DieFrachter sind beim Durchgang eingepeilt worden.Wir haben festgestellt, daß die Fremden sofort in dieLibrationszone gingen, nachdem ihr Verbandschefwußte, wo die Hyperechos hergekommen waren. Ichbin gestartet, als die drei ersten Schiffe auftauchten.Man kann mich nicht mehr optisch, sondern nur nochortungstechnisch erfaßt haben. Vorsicht,IMPERATOR! Sie haben es mit wenigstens vierziggroßen Eischiffen zu tun.“

Atlan fand gerade noch Gelegenheit zu einerkurzen Antwort. Dann rasten die beidenRiesenschiffe aneinander vorbei. Sekunden später rißdie Funkverbindung ab. Die IMPERATOR nähertesich bereits der Lichtmauer.

Atlan ging in die Hauptzentrale zurück und ließsich von Melbar Kasom in den Raumanzug helfen.

„Alle Stationen haben ihre Klarmeldungabgegeben, Sir“, meldete der Ertruser. „Darf ichfragen, ob Sie diesmal ernsthafte Absichten haben?“

„Falls Sie darunter einen Risikoeinsatz verstehen,haben sie recht. Wir müssen die Blaurüssel unterallen Umständen vom Alurin-System ablenken,Kommandant - lassen Sie eine der beiden getarntenKaulquappen zum Ausschleusen klarmachen. KeineBesatzung! Das Schiff wird automatgesteuert.“

Alurin begriff immer sehr schnell, aber diesmalwußte er mit dem Befehl nichts anzufangen. Erblickte verblüfft auf. Nebenan liefen dieRechenmaschinen Die ehemalige Warteposition derFrachter wurde ermittelt und in dieLinearflugpositronik gegeben.

„Eine - eine getarnte Kaulquappe, Sir?“

Atlan schloß die letzten Magnethalterungen seinesRaumanzuges und drückte auf den Knopf derCheckautomatik. Das Gerät zeigte Grünlicht. DieMikroanlagen des Rückentornisters waren inOrdnung.

„Sie haben richtig verstanden. Sie haben doch zweiSechzigmeterboote mit einer Zusatztarnung ausrüstenlassen, oder?“

„Sicher, Sir. Wir brauchten sie fürErkundungsflüge.“

„Sie werden eine Kaulquappe verlieren. Lassen Siedas zentrale Bordgehirn auf Robotsteuerungumschalten. Die Programmierung werde ich selbstvornehmen. Wie weit ist das Rechenzentrum?“

Die Daten waren ermittelt worden. Nach derProgrammierung der Kaulquappe verschwand dieIMPERATOR in einer grellen Leuchterscheinung.Einen Lichtmonat entfernt kehrte sie nach kurzemLinearflug in das Einsteinuniversum zurück.

Die Twonoser waren da! Die plumpen, eiförmigenRümpfe ihrer Schiffe erschienen als Elektronenbilderauf den Tasterschirmen.

7.

Die Männer der IMPERATOR waren Meister ihresFaches. Sie leiteten ein geschicktesTäuschungsmanöver ein. Es gab in den erforschtenGebieten der Milchstraße kein anderes Volk, dasgeistig in der Lage gewesen wäre, Dinge dieser Artso unwahrscheinlich exakt auszuführen wie Terraneroder von Terranern abstammende Menschen.

Für jeden Beobachter mußte es so aussehen, alsverfolge die IMPERATOR ein wesentlich kleineresSchiff, das dicht vor ihr aus dem Linearraumgekommen war. Die Präzisionsarbeit derUSO-Besatzung war nicht mehr zu überbieten. Diemit Tarnaufsätzen phantastischer Art ausgerüsteteKaulquappe war eine Zehntelsekunde nach demEintauchmanöver ausgeschleust worden. Siebeschleunigte sofort mit Höchstwerten. Dieunauffällig abbremsende IMPERATOR blieb zurück.Innerhalb von Sekunden hatte sich der Abstand aufdreihunderttausend Kilometer vergrößert. KeinFremder konnte wissen, daß die K110 einRobotschiff war, das man außerdem nochfernsteuertechnisch beeinflußte.

Als die gewünschte Distanz erreicht war, beganndas Superschlachtschiff ebenfalls zu beschleunigen.Wenig später rasten die beiden Schiffe mit gleicherFahrt durch den Raum.

Die Positionsdaten, die eineWahrscheinlichkeitsrechnung über dieFlugbewegungen des Twonoserverbandes währendder letzten Stunde enthielten, hatte sich alsausreichend genau erwiesen.

31

Page 32: Der Geleitzug ins Ungewisse

Das fremde Geschwader stand nur acht MillionenKilometer entfernt. Für eine Gefechtsübung war dieDistanz zu groß; aber für die überlichtschnellenOrtungsgeräte bedeutete sie kein Problem.

Atlan wußte, daß die IMPERATOR und dieKaulquappe auf den Echo- und Tasterschirmen derTwonoser einwandfrei auszumachen waren. DieElektronenbilder mußten ebenfalls aufschlußreichsein.

Da drüben liefen jetzt die Rechenmaschinen.Atlan saß im Admiralsessel des USO-Raumers.

Heske Alurin beobachtete die vielen Fremdschiffemit Argusaugen. Das Vorhaben konnte nur danngelingen, wenn der feindliche Verbandschefschwerfällig genug war, nicht innerhalb von dreißigSekunden in den Linearflug zu gehen, um mitÜberlichtgeschwindigkeit zur IMPERATORaufzuschließen.

Die Impulstriebwerke des Schiffes dröhnten. Weitvorn schossen Flammenzungen aus der aufreißendenHülle der Kaulquappe hervor. Es handelte sich umwohldosierte Sprengladungen, die man anunwichtigen Punkten des Rumpfes eingebaut hatte.Die Druckwellen der einseitig abgeschirmtenSprengsätze schlugen nur nach außen. Das konntenFremde aber nicht erkennen! Es sah aus, als fänden indem kleinen Schiff verheerende Detonationen statt,die eine Folgeerscheinung früherer Treffer seinkonnten.

Damit war eine wichtige Forderung derLogikberechnung erfüllt worden! Der Kommandantdes kleinen Raumschiffes hätte bei einerVerfolgungsjagd längst wieder in den Linearraumgehen müssen, um sich dem Feuerorkan derschweren Geschütze zu entziehen.

Die Detonationen erweckten den Anschein, alswäre das Boot nicht mehr überlichtflugtauglich.

Kleinigkeiten dieser Art wurden vonUSO-Spezialisten niemals übersehen. DieWahrscheinlichkeits-Erfolgsquote vonTäuschungsmanövern mußte bei hundert Prozentliegen, oder man leitete sie gar nicht ein.

Auf Grund dieser wichtigen Voraussetzungenmußte ein intelligenter Beobachter zu dem Schlußkommen, daß der verfolgte Raumflugkörper nichtmehr voll manövrierfähig und somit den Salven desSchiffsgiganten fast schutzlos ausgesetzt war.

Die Abwehrschirme der K110 funktioniertenebenfalls nicht mehr. Man hatte sie nicht aufbauenkönnen, um eine vielleicht notwendig werdendeFernsteuerung nicht unmöglich zu machen. Auchdieser Versager konnte auf die vorgetäuschteTrefferwirkung zurückgeführt werden.

Atlan wartete eine Minute. Diese Zeit mußteausreichen, um den fremden Verbandschef feststellenzu lassen, was er feststellen sollte.

Der Feuerleitoffizier der IMPERATOR hatte eineSammelschaltung vorbereitet. Es sollten nur dieImpulsgeschütze eingesetzt werden. Die stärkstenWaffen, die Transformkanonen, durften noch nichtvorgeführt werden. Der Erste Feuerleitoffizier warein grauhaariger Mann, der noch aus der hartgedrillten Garde des plophosischen Obmanns IratioHondro hervorgegangen war. Sein Name war UnisHeyt, Major der USO-Raumstreitkräfte.

„Frage Feuererlaubnis“, klang seine Stimme ausden Lautsprechern der Bordverständigung.

Atlan sah auf die Uhr. Die Minute war vorüber.Die Blaurüssel, denn um solche konnte es sich nurhandeln, standen immer noch auf ihrer alten Position.

„Ziemlich schwerfällig die Herrschaften, wie?“warf Heske Alurin spöttisch lächelnd ein. „Ich wärelängst angekommen.“

„Sie sind ja auch ein USO-Kommandant.Feuerleitzentrale - keine Feuererlaubnis. Warten Sienoch eine weitere Minute.“

Die Zeit verstrich. Die Sekunden schienen sich insEndlose auszudehnen. Als die Minute abgelaufenwar, stellte die Fernortung Manöverbewegungenunter den vielen Einheiten des Gegners fest.

„Jetzt werden sie munter“, bemerkte Alurin. „Eswird Zeit Sir.“

„Major Heyt - Feuererlaubnis“, gab Atlan durch.Heyt drückte erleichtert auf die Knöpfe seiner

Feuerorgel. Die Impulsgeschütze brüllten auf undsandten dem fliehenden Kleinraumer ungeheureEnergieströme nach. Kurz zuvor war dieBeschleunigungsperiode der Kaulquappe beendetworden. Sie verlor erheblich an Fahrt, da ein„offensichtlicher Versager“ in der Strahlumlenkungzu einem unerwünschten Bremsmanöver geführthatte.

Auch das war nötig gewesen, um den nurlichtschnellen Energiebahnen der Impulsgeschützeeine Möglichkeit zu bieten, das Schiff einzuholen.

Augenblicke später wurde die Kaulquappe voneinem Streifschuß getroffen.

Unis Heyt, ein ehrgeiziger Mann, biß die Zähnezusammen und bemühte sich, die grinsendenGesichter seiner Untergebenen zu übersehen. Heythatte den Befehl erhalten, wenigstens dreimal dasZiel zu verfehlen, um die tatsächlicheLeistungsfähigkeit der Zielpositronik zu verschleiern.Das ging gegen seine Ehre.

Er drückte erneut auf die Knöpfe. Wieder wurdedas Riesenschiff von den Abschüssen der vollenBreitseite erschüttert.

Ein zweiter Streifschuß bewies Heyts Männern,daß der Grauhaarige so genau schoß wie niemalszuvor. Er legte all seinen Ehrgeiz hinein, dieKaulquappe dreimal anzutippen.

Die dritte Salve lag deckend. Wieder kam es zu

32

Page 33: Der Geleitzug ins Ungewisse

einem Streifschuß, der die K-110 in einweißglühendes Wrack verwandelte. Das heftigeAbwehrfeuer aus den Geschützen des Bootes wurdevon der IMPERATOR ignoriert. Die einschlagendenWaffenstrahlen wurden von den Schutzschirmen fastmühelos absorbiert oder reflektiert.

Atlans Stimme wurde hörbar.„Sehr gut, Heyt. Zeigen Sie jetzt, wie man im

Relativitätsbereich schießt. Es würde auffallen, wennwir nochmals das Ziel verfehlen würden. Nach dreiSalven muß sich auch ein mittelmäßigerGunneroffizier eingeschossen haben. Los, lassen Siedie Kaulquappe verschwinden.“

„Dreihundert Millionen Solar beim Teufel“, grollteHeyt. „Vielleicht hat das Spezialboot auch dasDoppelte gekostet. Wir vergeuden das Geld, alskönnten wir ohne Begrenzung welches drucken.“

Heyt drückte diesmal besonders heftig auf seineWaffenknöpfe. Die IMPERATOR schüttelte sich.

Unis Heyt stemmte die Ellenbogen auf dieInstallationsplatte seiner Tastatur und sah auf dieBildschirme der Zielerfassung.

Die Strahlschüsse waren im materiearmenWeltraum nur schwach zu sehen. Als sie aber in denRumpf der Kaulquappe einschlugen und dort einatomares Inferno entfachten, wußte jedermann, wiegut der Plophoser schießen konnte.

Die K110 wurde zu einer leuchtenden Gaskugel.Es war höchste Zeit gewesen. Die Hyperorterdröhnten. Schiff auf Schiff tauchte aus demLinearraum auf.

Die Twonoser hatten lange gebraucht, um ihrManöver einzuleiten; aber ihr Zielanflug war exakt.Sie erschienen vor hinter und über demUSO-Superschlachtschiff. Nur im unterenVertikalsektor schien es zu einem Mißverständnisgekommen zu sein. Dort wurden nur zwei Eischiffeerkennbar.

„Nicht übel“, meinte Heske Alurin. „Sie könnenetwas, nur schalten sie zu langsam. Möchten Siesehen, Sir, wie gut ihre Waffen sind?“

„Das ist der zweite Grund, weshalb ich hier bin“,entgegnete Atlan. „Unser Plan hat einen Haken.Wenn die Rüsselwesen bemerkt und errechnet haben,daß wir im Alurin-System gestartet sind könnte esdort zu einer peinlichen Überprüfung kommen.“

„Das von uns verfolgte Schiff war eben in derNähe der roten Sonne. Wir haben es gejagt und sinddeshalb nahe dem Kleinsystem in den Linearraumgegangen.“

„Verniedlichen Sie nicht die Geschehnisse, Heske.Ich weiß nicht wie logisch diese Leute denkenkönnen und wie argwöhnisch sie sind. DieVerfolgungsjagd ist lediglich eine Begründung fürunser plötzliches Auftauchen in diesem Sektor. Mankönnte sich fragen, was wir einen Lichtmonat

entfernt gesucht haben.“„Wir haben das kleine Schiff gehetzt. Es vollführte

einen Zickzackkurs durch den Raum ohnebesonderen Plan. Wenn man den Tod im Nacken hat,rechnet man nicht lange.“

„Ich hoffe, daß man da drüben zu dieserAuffassung gelangt. Oh - die Twonoser schließenschnell auf. Ihre Berechnungen sind genau. Sie sindvor uns aus dem Linearraum gekommen und haltennun Überschneidungskurse ein. Ob wir wohl in denPulk hineinfliegen?“

Alurins Gesicht spiegelte keine Regung wider.„Normalerweise haben wir keine Zusatztriebwerke

am Rumpf hängen, Sir. Wir werden hineinfliegen!“Atlan warf dem Kommandanten einen ironischen

Blick zu und schloß seinen Raumhelm. Es wurdeernst.

„Das wollte ich damit andeuten, Heske.Ausweichmanöver nach vertikal Rot. Ausführung.“

Die IMPERATOR leitete die Kursänderung mithalber Schubleistung ein. Die Zusatztriebwerkekippten hoch. Die Entfernung zu den Eischiffenverringerte sich zusehends. Es dauerte dreizehnSekunden, bis sie auf das Manöver zu reagierenbegannen.

„Langsam, sehr langsam“, stellte der Epsaler miteinem grimmigen Auflachen fest. „Schlafen die, oderkönnen die nicht anders? Liegt es an ihrerDatenerfassung, oder brauchen sie gewisseAnlaufzeiten für die Maschinen? Taugen ihreAndruckabsorber nichts? Nein - die sind in Ordnung.Sie machen mit unverminderter Fahrt unserAusweichmanöver mit. Ich schätze, ihrepositronische Schaltkette ist zu umständlichaufgebaut. Man wird nicht in jedem Fall eineSofortschaltung von Automat zu Automat haben,sondern nach dem überholtenProgrammierungsverfahren arbeiten. Das kostet Zeit.Positronisch sind wir ihnen weit überlegen, das stehtjetzt schon fest.“

„Ich will noch mehr herausfinden, Heske.Achtung, Feuerleitzentrale: Feuerbereitschaft für alleTransformkanonen. Setzen Sie ein, was Sie haben.Befehl abwarten. Ortung: Feststellen, wie dieSchutzschirme der Twonoser auf die verschiedenenWaffen reagieren. “

Die IMPERATOR blieb bei ihrer Kursänderung.Die Zusatztriebwerke wurden von speziellinstallierten Andruckabsorbern abgesichert. Siewaren trotzdem gefährdet.

Alurin dachte daran, daß er sich normalerweisedurch nichts hätte bewegen lassen, mit einem derartschwerfällig gewordenen Schiff ins Gefecht zugehen. Seine Bedenken wurden jedoch geringer undverschwanden schließlich ganz, als er sah, daß dieEischiffe noch schlechter manövrierten, obwohl sie

33

Page 34: Der Geleitzug ins Ungewisse

keine Anhängsel besaßen.„Ihr habt jetzt schon verloren!“ sagte der Epsaler

leise vor sich hin. Trotzdem hörte jedermann seineWorte. Die Gefechtsordnung sah bei einerbevorstehenden Feindberührung die Verständigungmit Hilfe der Helmgeräte vor.

Das Superschlachtschiff der USO raste auf denPulk zu. Bei Hochgeschwindigkeiten über dreißigProzent der einfachen LG war an engeAusweichkurven nicht mehr zu denken. Es dauertelange, bis die Schiffe auf einem anderen Kurs lagen.

In solchen Fällen war eine Feuereröffnung nurdann sinnvoll, wenn man über eine hervorragendePositronik verfügte, mit der man voraussichtlicheKursänderungen des Gegners vorausbestimmenkonnte.

Die IMPERATOR hatte eine solche Ausrüstung.Sie war das Plus von jedem terranischenKampfschiff. Mit einfachem Vorhalten war nichtmehr gedient. Dies war ein dreidimensionalesSchießen mit Waffenstrahlen die bei relativistischenGeschwindigkeiten kaum noch schneller waren alsdie Schiffe.

Die Zielautomatik der Imperator arbeiteteprinzipiell mit hyperfrequenten Echotastern. Dieangeschlossenen Rechengehirne werteten dieeinfallenden Echos in einerHunderttausendstelsekunde aus und erteiltenselbständig den Feuerimpuls an die Geschütze.

Es war nicht mehr möglich, die Schußunterlagenvorher bekanntzugeben, um einen Menschen auf dieKnöpfe drücken zu lassen. Wenn der Impuls nur umeine Hunderttausendstelsekunde zu spät gegebenwurde, kam es zu Fehlschüssen mit Fehlwerten bis zuachtzigtausend Kilometer.

Major Unis Heyt wurde von der Vollautomatikübertrumpft. Bei Verfolgungsgefechten konnte ernoch selbst handeln. Bei laufenden GefechtenBreitseite an Breitseite oder gar bei lichtschnellenPassiergefechten war kein Intelligenzwesen derGalaxis in der Lage, schnell genug zu reagieren.

Die IMPERATOR nahm den Kampf an.Lordadmiral Atlan wollte unbedingt wissen, wie gutdie Waffen des Gegners waren und wie genau erschoß. Das USO-Schiff war noch halb lichtschnell.Es legte pro Sekunde hundertfünfzigtausendKilometer zurück.

Diese Fahrtstute hätte von jeder terranischenZeitpositronik mühelos berechnet und in dieSchußunterlagen einbezogen werden können.Wirkungstreffer hätten unter keinen Umständenausbleiben können.

Nun warf sich die Frage auf, ob die Twonoserebenfalls über so hochwertige Zielgeräte verfügten.Sie waren der wichtigste Bestandteil einerOffensivbewaffnung. Die besten und stärksten

Kanonen nützten nichts, wenn man den Gegnerständig verfehlte.

Der Erfolg des Unternehmens Brückenkopf hingdavon ab, wie genau die Wachflotte von Andro-Betaschoß.

Atlan war entschlossen, bei dieser erstenGefechtsberührung alle wichtigen Daten zu ermitteln.Man mußte wissen, was die andere Seite zu bietenhatte.

*

Sie hatte nicht viel zu bieten - wenigstens nichtnach terranischen Maßstäben. Maahks wären vielgefährlicher gewesen. Die Twonoser schienen jedochnicht mit der Technik der Wasserstoffatmer vertrautzu sein.

Die IMPERATOR hatte kurz vor Erreichen deräußeren Gefechtsdistanz - sie lag bei drei MillionenKilometer - ihre Fahrt auf fünfundvierzig Prozent derLichtgeschwindigkeit reduziert.

Atlan riskierte viel; aber er riskierte nicht alles.Der feindliche Verband bestand aus vierundvierzig

Schiffen. Die Hälfte davon setzte sich aus dengrößten Einheiten zusammen, die man bisher gesehenhatte.

Die eiförmigen Zellen waren fünfhundert Meterlang, am halbkugeligen Bug hundertfünfzig Meterund am stark verjüngten Heck vierzig Meterdurchmessend.

Man benutzte zum Vortrieb eine gewaltigeHeckdüse von fast gleichem Felddurchmesser undkranzförmig angeordnete Steuerdüsen von wesentlichkleineren Dimensionen.

Dieses Prinzip war auf Terra- und USO-Schiffenlängst überholt. Alle Manöver wurden grundsätzlichmit den großen Haupttriebwerken ausgeführt. DieStrahlumlenkung konnte einwandfrei beherrschtwerden.

Die Twonoser verwendeten das alte Verfahren desunveränderlichen Vortriebschubs mit zusätzlichangeordneten Steuerelementen. Dadurch erklärte sichdie minderwertige Manövrierfähigkeit von selbst.

Die Zielautomatiken schienen bei der Fahrt derIMPERATOR an der äußersten Grenze ihrerLeistungsfähigkeit angekommen zu sein. DerUSO-Raumer stand im Kreuzfeuer vonvierundvierzig schweren bis schwersten Einheiten.Heske Alurin hatte sich nach der ersten günstiglautenden Auswertung dazu entschlossen, seineAusweichmanöver noch langsamer vorzunehmen, alses die Zusatztriebwerke ohnehin erzwangen.

Trotzdem gingen neunzig Prozent derangemessenen Schüsse mit Abständen von zwanzigbis dreihundert Kilometer vorbei.

Acht Prozent der Waffenstrahlen verfehlten die

34

Page 35: Der Geleitzug ins Ungewisse

IMPERATOR um fünf bis zwanzig Kilometer.Eins Komma acht Prozent besaßen Fehlweiten von

einem bis zu fünf Kilometer und nur die restlichenNull Komma zwei Prozent kamen in bedrohlicheNähe oder schlugen in die Schutzschirme ein.

Das bedeutete in taktischer und strategischerAuslegung genau so viel, als hätten nichtvierundvierzig Schiffe angegriffen, sondern nur einRaumer, der mit einer Kanone hier und da einenVolltreffer anbrachte.

Die hohe Anzahl der gegnerischen Einheitenwurde durch den Gefechtsverlauf praktischaufgehoben. Es spielte keine Rolle, ob vierzig Schiffevorbeischossen oder zehntausend. Entscheidendwaren die Wirkungstreffer, und die waren dürftig.

Die gigantischen Fusionskraftwerke derIMPERATOR versorgten die Schutzschirme miteiner Gefechtsleistung von zehn Millionen Megawatt.Damit hätte der Strombedarf eineshochindustrialisierten Großplaneten gedeckt werdenkönnen.

Die Leistung konnte durch die Zuschaltung derReservekraftwerke kurzfristig um zwanzig Prozenterhöht werden.

*

Für die gewaltig aussehenden, energetisch aberschwachen Thermostrahlen der Twonoser erwiesensich die Schutzschirme des Superschlachtschiffes alskaum zu überwindendes Hindernis. Es hätte nur dannbeseitigt werden können, wenn es den Rüsselwesenmöglich gewesen wäre, die Geschütze von etwa zehnSchiffen zu einem Punktfeuer zu koordinieren. Daswar nicht möglich; wenigstens nicht in derHochgeschwindigkeitsphase.

Obwohl nur hier und da ein Waffenstrahleinschlug, dröhnte die IMPERATOR wie ein vonRiesen angeschlagener Gong. Es war auchterranischen Schiffskonstrukteuren nicht gelungen,die nach Hunderttausenden zählenden Verbände,Streben und Deckseinbauten gegen die Panzerzelle soabzuschirmen, daß Auftreff- und Eigenschwingungenabsorbiert wurden.

Man hatte sich daran gewöhnt. FronterfahreneBesatzungen dachten sich nichts mehr dabei.Neulinge drohten wahnsinnig zu werden, bis sie denPsychoschock überwunden hatten.

Die Gefechtsordnung schrieb das Tragen vonRaumanzügen mit schallisolierten Helmen unddicken Ohrmuscheln nicht grundlos vor. EineVerständigung war nur noch über Helmradiomöglich. Die stärksten Erschütterungen wurden vonden eigenen Geschützen hervorgerufen. Sie warenmit der Außenzelle direkt verbunden. Eine volleBreitseite war wie ein Weltuntergang, wie ein Ritt

auf einem ausbrechenden Vulkan.Die IMPERATOR hatte vor einer Sekunde das

Feuer eröffnet, nachdem sie vorher drei Minuten langden Salventakt des Gegners geduldet hatte.

Unis Heyt beherrschte seine Positronikmeisterhaft. Auch wenn er nicht im Direktverfahrenschießen konnte, so gab er doch dieZielanweisungen. Obwohl er schon etwa tausendGefechte überstanden hatte, zuckte er immer wiederzusammen, wenn die Robotgehirne einenFeuerimpuls gaben.

Heyt fühlte sich dann von der Maschinerieübergangen. Es war ihm zuwider, lediglichKoordinator und nicht Vollstrecker zu sein.

Das hatte zur Folge, daß Unis Heyt beiFeindberührungen mißlaunig wurde. Das hatteebenfalls zur Folge daß sein Ehrgeiz noch mehr alsüblich aufgepeitscht wurde. Das bekam wiederumder Gegner zu spüren.

Die IMPERATOR begann mit Einzelschüssen. Siestand nur noch eine Million Kilometer vor demTwonoserverband. Er schloß im Winkel von neunzigGrad auf Kollisionskurs auf. Ein Ausweichmanöverwar wegen der hohen Fahrt nicht mehr möglich. DasUSO-Schiff wäre unter allen Umständen in denKernbeschuß gekommen.

Oberstleutnant Trahun Milas, der LeitendeIngenieur, stellte die Titanenkräfte seiner Maschinenohne jede Rückfrage zur Verfügung. Der Epsalerwußte, worauf es ankam.

Der Gegner war nicht so stark, wie man bisherangenommen hatte aber er hatte immerhinvierundvierzig Schiffe aufgeboten, um einenUSO-Raumer zu vernichten.

Die Impulskanonen dröhnten. DreieinhalbSekunden später sprach die überlichtschnelleEnergieortung an. Auf den Reliefschirmen erschienengezackte Flammenzungen. Nochmals dreieinhalbSekunden später kamen die Lichtstrahlen bei derIMPERATOR an.

Es wurde klar, daß zwei Twonoserschiffe schonbeim ersten Feuerstoß vernichtet worden waren. Weitvor dem Superschlachtschiff standen grellweißleuchtende Atomsonnen im Raum.

„Das - das gibt es doch gar nicht!“ rief HeskeAlurin überwältigt.

Der Erste Offizier staunte, und Unis Heyt waretwas fassungslos.

„Wie bitte?“ rief er aus. Seine Augen weitetensich. „Und vor denen haben wir uns wochenlangversteckt?“

Atlans Stimme unterbrach die plötzlichentstehende Diskussion. Der Arkonide wußte, wasseine Männer nun dachten und fühlten.

„Ruhe an Bord. Werden Sie nicht übermütig.Wenn wir einige schwere Treffer erhalten, sind wir

35

Page 36: Der Geleitzug ins Ungewisse

erledigt. Es ist eine Kleinigkeit, das größteRaumschiff zu vernichten, wenn man es versteht,seine Schutzschirme zu durchschlagen. DieBetaschiffe sind gute Fahrzeuge. Ich darf bemerken,daß vor vierhundertfünfzig Jahren ein einzigerRaumer dieser Art ausgereicht hätte, die Erde und diesolaren Planeten zu vernichten. Damals lagen dieVerhältnisse umgekehrt. Ich kann mich auch lebhaftdaran erinnern, daß die Menschheit vor Angstzitterte, als die Flotten der Topsider nahe demSonnensystem auftauchten. Und meine Herren, dieTopsidraumer waren noch wesentlich schlechter alsdiese Eischiffe. Haltet euch ja nicht für Halbgötter,ihr zufällig emporgekommenen Barbaren. Habe ichmich klar genug ausgedrückt, um Ihren Übermutetwas dämpfen zu können? Ja ...? Na schön, mehrwäre nicht zu sagen. Ich wünsche eine Besatzung mitkühlen Köpfen. Die Anerkennung des Gegnersbedeutet den halben Sieg. Das war ein Grundsatz inder alten Arkonidenflotte. Darf ich fragen, HerrOberst, warum Sie mich so vergnügt anlachen?“

Heske Alurin hüstelte.„Nur so, Sir, nur so“, entgegnete er. Dann lachte er

erneut.Er wurde ernst, als eine Meldung der Ortung

hereinkam.„Echelor spricht“, tönte es aus den Ohrhörern.

„Gegner zwingt uns zum laufenden Gefecht. Er drehtab. Fluganpassung erfolgt. Liegt jetzt aufParallelkurs. Flankensicherung leichte Höhe,Einsatzreserve stark überhöht. Wir erreichen denPulk in zweiunddreißig Sekunden.“

Heske Alurin beugte sich vor. Die Schirme derInfrarottaster zeigten jetzt klare Bilder. DasUmwandlungsverfahren war vollkommen.

Die Grundaufnahme, die auf der Wärmestrahlungbasierte, verriet noch etwas was man sonst nichtsehen konnte. Man erblickte die lohenden Schlündeder Kanonen und die sonnenheißen Bahnen derWaffenstrahlen.

Die IMPERATOR flog in den Verband hinein. Siewar immer noch etwas schneller; aber die Twonoserhatten auch diesmal hervorragend manövriert. Alsder USO-Riese auf gleicher Höhe war, war dieFahrtanpassung der Eischiffe beendet. Es kam zueinem laufenden Gefecht Breitseite an Breitseite.

Heske Alurin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.„Sir, wir haben zwei Möglichkeiten! Entweder wir

wehren uns jetzt ernsthaft unserer Haut, oder wirgehen mit Vollschub aus der Feuerzone undanschließend in den Linearraum. Sie werden uns mitihrer langsamen Auswertung niemals folgen können,Sir ...!“

Atlan fühlte die riesige Hand des Epsalers aufseinem Unterarm. Die IMPERATOR wurdeinnerhalb von drei Sekunden achtmal getroffen. In

den Schutzschirmen flammten höllische Gluten auf.Es entstand ein Netzwerk ultraheller Energielinien,die schließlich kaskadenartig davonsprühten.

„Belastung achtundzwanzig Prozent“, gab derLeitende Ingenieur durch. „Es wird aber mehr. Siedecken uns ein.“

„Einmal muß sich ja auch der schlechteste Schützeeinschießen“ knurrte Major Heyt. „Anfrage Zentrale:Wann bekomme ich Feuererlaubnis für die schwerenWaffen? Dringend!“

Atlan zögerte immer noch. Er war blaß. HeskeAlurin ahnte, daß der Arkonide mit einem schwerenEntschluß kämpfte. Dieser innere Kampf warwährend eines Gefechtes, das sich bereits zurSchlacht entwickelte, bemerkenswert. Der Epsalerahnte etwas - weil er ein Mensch war! Er kannte dieHärte des ehemaligen Arkonidenimperators, der inbestimmten Fällen nur noch der Logik gehorchte.

„Herr Lordadmiral ...!“ sagte Heske Alurinverstört. „Sir, Sie wollen doch nicht ...? Sir,eigentlich sind wir ja die Eindringlinge, Denken Siebitte daran ...“

„Das ist unwesentlich“, unterbrach Atlan. SeineStimme klang tonlos. „Achtung, an alle: DieTwonoser sind ebenso wie die ihn benachbartenAlpha-System ansässigen Maahks Hilfstruppen der‚Meister der Insel‘. Sie handeln auf Befehl. Sie sindrechtlich als kriegsführende Macht anzusehen. DerKriegszustand zwischen uns und den ‚Meistern derInsel‘ besteht effektiv seit dem Auftauchen derInvasionsflotte über Kahalo in offener Form. Ich sehemich gezwungen, den Twonoserverband als Einheitder ‚Meister der Insel‘ einzustufen. Wenn unserUnternehmen durch die Entdeckung des StützpunktesArctis abgebrochen werden muß, droht derMilchstraße die Großinvasion. Zudem ist eserforderlich, zu verhindern, daß der Chef diesesVerbandes nach unserem Verschwinden auf die Ideekommt, das Alurin-System zu untersuchen. SeinWissen um unsere Abflugposition muß gelöschtwerden. Ein Schiff bleibt verschont. Ich wünschepanikartige Funkmeldungen der überlebendenBesatzung an die ‚Meister der Insel‘. Major Heyt -Feuererlaubnis für alle Waffen. Salventakt. FangenSie an.“

Heske Alurin wurde blaß. Er wußte, was sichhinter dem Begriff „Salventakt“ verbarg.

„Sir, ich weiß nicht, ob Perry Rhodan mit IhrerMaßnahme einverstanden ist“, meldete er seineBedenken an.

Atlan antwortete nicht. Er konnte auch nicht mehrantworten. Die IMPERATOR verwandelte sich indiesem Augenblick zu einem feuerspeiendenUngeheuer der Technik.

Der USO-Riese verfügte allein über zwanzigTransformkanonen schwersten Kalibers. Die

36

Page 37: Der Geleitzug ins Ungewisse

Verschlüsse dieser Geschütze waren prinzipiellnichts anderes als kleine Materietransmitter, vondenen die eingeschobenen Fusionsbomben alsHyperimpuls abgestrahlt wurden. DieEmpfangsstation war immer das angepeilte Ziel.Wenn dieses Ziel Schutzschirme hyperenergetischenCharakters aufgebaut hatte, so war es noch mehrgefährdet. Die abgestrahlten Bomben reagierten mitäußerster Genauigkeit auf artverwandte Felder.

Unis Heyt saß hinter seiner Tastatur. DieSchutzschirme der IMPERATOR waren nun zusechsundfünfzig Prozent ausgelastet. Es wurdegefährlicher, als man vorher geglaubt hatte.

Dann begannen die zwanzig Transformkanonen,die geheimste Waffe des Imperiums, gleichzeitig zufeuern. Sie strahlten pro Geschütz einen atomarenSprengkörper mit einer Energieentfaltung voneintausend Gigatonnen TNT ab. Das entsprach einemWert von tausend Milliarden Tonnen TNT!

Die Twonoser standen auf Kernschußweite. Sie lagbei dreihunderttausend Kilometer.

Nur eine Sekunde später schlugen dieSicherungsautomaten der Energietaster durch. Gleichdarauf kam das Licht in der Außenbordoptik anZwanzig ultrablau leuchtende Sonnen, die sich weiterund weiter aufblähten, deren Strahlungskraft keinEnde nehmen wollte und die den Anscheinerweckten, als wollten sie das Universum sprengen,entstanden in den Zielgebieten.

Die ungeheuren Ladungen, hochkatalysiert,kernphysikalisch „kaltgezündet“ und einemkomplizierten Prozeß unterliegend, berührten sichmit ihren Rändern und verschmolzen miteinander zuzwei Riesensonnen rechts und links derIMPERATOR. Etwa dreißig Eischiffe flogen mithalber Lichtgeschwindigkeit hinein und explodierten.

Mit Gigabomben dieses Kalibers schoß man nichtauf den Gegner, sondern vor den Gegner. Beirichtiger Vorhalteinschätzung gab es selbst beigeringen Fluggeschwindigkeiten kein Ausweichenmehr. Die anvisierten Schiffe wurden von demInferno verschlungen.

Die IMPERATOR wurde von den Gas- undStrahldruckwellen aus dem Kurs gerissen. Sie hattezu nahe am Detonationsherd gestanden. DieKraftwerke dröhnten mit Notwerten. Die beidenKunstsonnen dehnten sich noch weiter aus.Schließlich wurde daraus ein einziger Gasball in dennoch einige Twonoser hineinflogen.

Heske Alurin beschleunigte ohne besonderenBefehl mit 600 km/sec2. Er riß sein Schiff aus derTodeszone heraus.

Atlan sagte kein Wort. Er schaute auch nicht aufdie automatisch abgeblendeten Bildschirme derAußenbordpositronik. Er hatte - wie schon so oft inseinem zehntausendjährigen Leben - eine Hölle

entfesselt.Die IMPERATOR kam frei. Der Energiesturm in

den Schutzschirmen ließ nach. Die in den Raumschießenden Protuberanzen der Kunstsonne konntendas USO-Schiff nicht mehr erreichen.

Die Ortung meldete sich erneut. Von denvierundvierzig Eischiffen waren nur noch neun zuentdecken.

Atlan öffnete endlich den Mund ...„Major Heyt, haben Sie meinen Befehl vergessen?

Ich sagte, ein Schiff müsse übrigbleiben! GewöhnenSie sich daran, daß wir uns im Kriegszustandbefinden. Ein offener Verteidigungskrieg,wohlbemerkt! Feuer frei.“

Unis Heyt hätte keine Sekunde gezögert, wenn erMaahks, Akonen, Springer oder andereIntelligenzwesen vor sich gehabt hätte, derenWaffentechnik der terranischen ebenbürtig war.

Jetzt schluckte der grauhaarige Offizier den Kloßin seiner Kehle hinunter, fluchte auf die Umständeund drückte wieder auf seineProgrammierungsschalter. Die Automatik arbeitetemit tödlicher Sicherheit. Die IMPERATOR hattesechzig Prozent der einfachen Lichtgeschwindigkeiterreicht.

Heyt feuerte nur noch mit den schweren Thermo-und Desintegratorkanonen. Acht Feindschiffevergingen in lohenden Gasbällen. Das gegnerischeFeuer verstummte.

„Bremsmanöver, ein Drittel LG“, ordnete Atlanan.

Alurin gab den Befehl weiter. Die Triebwerkebegannen wieder zu dröhnen. Die Ortung verfolgteden letzten Twonoser. Es war ein großesFünfhundertmeter-Schiff, dessen Besatzung soebenpanikartig die Flucht ergriff.

Zugleich begann der Twonoser unverschlüsselt zufunken. Seine Hyperwellen durcheilten Zeit undRaum. Sie wurden überall im Andro-Beta-Systemempfangen, und verstanden.

Die IMPERATOR raste hinter dem Gegner her,der eigentlich keiner mehr war. Atlan erhielt denWortlaut der Funksprüche. Man hatte genug Zeitgehabt, die Sprache der Twonoser zu übersetzen, Eswaren keine normalen Meldungen mehr, sondern nurnoch Hilferufe. Die IMPERATOR wurdebeschrieben. Der fremde Kommandant vergaß keineEinzelheiten. Er erwähnte sogar den Bugkegel, den erfür die fürchterliche Waffe hielt, mit der der Verbandauf einen Schlag vernichtet worden war.

Atlan legte den Streifen zur Seite. In seinen Augenglomm ein düsteres Feuer. Er sprach Heske Alurinan.

„Ich glaube nicht, daß diese Twonoser noch darandenken, das Alurin-System zu untersuchen. Das Zielder Schlacht ist erreicht worden. Kurzimpuls an den

37

Page 38: Der Geleitzug ins Ungewisse

Großadministrator, Raffergruppe, zwei Symbole.Oberst Alurin, bereiten Sie ein Linearmanöver querdurch den Beta-Nebel vor. Ich möchte auf derEastside erscheinen, solange die Erinnerung an dieEreignisse noch frisch ist.“

Die IMPERATOR gab nur zwei Zeichen. Siebedeuteten, daß alles in Ordnung, das Schiffunversehrt und die Besatzung gesund sei.

Der fliehende Twonoserraumer ging in denLinearraum. Das USO-Schiff folgte acht Minutenspäter.

*

Rhodan hielt den Kurzfunkspruch in der Hand. DieCREST II stand mit den anderen Schiffen desVerbandes im Ortungsschutz des Planeten Arctis.Der ungeheure Energieausbruch in einer Entfernungvon nur einem Lichtmonat war geortet worden.Rhodan wußte, was geschehen war.

Er sah sich um. Die Offiziere der CREST schautenihn schweigend an.

Rhodan knüllte den Klartextstreifen zusammenund begann gedankenlos damit zu spielen.

„Unser arkonidischer Freund hat wieder einmalnach alter Arkonidenart zugeschlagen“. sagte er leise.„Ich bin froh, daß ich nicht weiß was er in zwei, oderin zehn Stunden unternehmen wird. Oberst Rudo,lassen Sie eine Space Jet unter Don Redhorseausschleusen. Er soll sich auch nach Überlebendenumsehen. Nein, warten Sie - dafür brauchen wir eingrößeres Schiff. Schicken Sie also besser eineKaulquappe auf die Reise. Redhorse bleibtKommandant. Beeilen Sie sich.“

Der Epsaler verschwand. Zehn Minuten spätererhielten die Kommandanten der Frachter detaillierteBefehle. Mit dem Ausbau der Eishangars sollteunverzüglich begonnen werden.

„Na endlich!“ sagte einer der zwölfhundertBauspezialisten. „Ich dachte schon, wir sollten hiereinrosten. Ich muß sofort meine Maschineneinschleusen.“

Er rannte davon. Er war Kosmostatiker,Spezialgebiet energetische Einschalung fürSchnellgußprojekte aus Stahl, Porotrinbeton,Legierungen aller Art und für Kunststoffe. Natürlichwurde ein Mann von seinem Range auch mit Eis undWasserdampf fertig. Dr. Ing. Aiki Hukasir war einZwerg von ASTU V und ein Mensch. Daran änderteauch seine grobporige Lederhaut nichts.

Die sechs Transporter schwenkten ein. Sie warfenim freien Raum ihre Zusatztriebwerke ab undlandeten an den längst vermessenen Stellen, wo dieHangars angelegt werden sollten.

Tausende von Robotern begannen zu arbeiten. DieSpezialgehirne der Frachter begannen mit dem

Löschen der Ladung. Mammutmaschinen schwebtenauf Antigravfeldern aus den Luken.

Flugfähige Thermostrahlprojektoren mitAushubsaugern auf Antigravbasis glittenferngesteuert auf die Objekte zu.

Die Ingenieure saßen in scheibenförmigenParagleitern hinter ihren Steuerpulten. Sie warennicht nur auf die fernsehtechnische Beobachtungangewiesen, sondern konnten jederzeit am Arbeitsorteintreffen.

Terra leitete ein gigantisches Unternehmen unterhohen Schwierigkeitsgraden ein. Der Planet einesfremden Sternennebels, der einer anderen Galaxis nurnoch hunderttausend Lichtjahre vorgelagert warsollte zum Versorgungs- und Flottenstützpunkt derMenschheit werden. Erstaunlich war dabei dieTatsache, daß es diese Männer gewagt hatten, mit nurfünf Kampfschiffen in den Lebensbereich derunbekannten Mächtigen vorzudringen.

8.

Sie hatten ihr Ziel erreicht!Sie waren mit starker Überhöhung in den

Linearraum gegangen, hatten den Andro-Beta-Nebelüberflogen und waren nach einer Reise von nursiebentausendzweihundert Lichtjahren in denEinstein-Raum zurückgekehrt.

Dort waren neue Messungen vorgenommenworden. Das zweite Linearnanöver hatte dieIMPERATOR in den inneren Randsektor dersogenannten Eastside gebracht. Der Punkt lag demAlurin-System genau entgegengesetzt. Wenn dasSchiff nochmals zweiundsechzigtausend Lichtjahrein fast gerader Linie weitergeflogen wäre, hätte esden zweiten Zwergnebel der Andromeda-Galaxiserreicht Andro-Alpha war deutlich als Sternballungvor der Kulisse der zweiten Galaxis auszumachen.Dort lebten die Maahks; jene wasserstoffatmendenGeschöpfe, die bereits vor zehntausend Jahren dasalte Arkonidenimperium an den Rand des Abgrundesgebracht hatten.

Dort hätte es auch ein Schiff mit dem Gefechtswertder IMPERATOR niemals wagen können, so offenzu operieren wie im Beta-System.

Die Maahks waren überaus gefährliche Gegner,die über die Konverterkanone und die grünenSchutzschirme verfügten. Ein Schiff ihrer Flotte hattebei dem Angriff auf die Milchstraße mehrere hundertschwere Terra-Einheiten gebunden.

Atlan fragte sich immer wieder, wieso oderweshalb die Twonoser von Andro-Beta raumflug-und waffentechnisch so rückständig waren. DieLogikauswertung gab die Antwort. Danach zuurteilen, hatten die ‚Meister der Insel‘ ihrezahlreichen Hilfstruppen völlig unterschiedlich

38

Page 39: Der Geleitzug ins Ungewisse

ausgerüstet. Meistens hatten sie nur auf die Gerätezurückgegriffen, die von den betreffenden Völkernselbst entwickelt worden waren.

Die Maahks hatten bei ihrer Flucht vor denSchlachtraumern Arkons bereits eine hervorragendeTechnik besessen. Die wenigen Flüchtlinge warendurch das Transmittersystem nach Andro-Alphagekommen und dort von den ‚Meistern der Insel‘wegen ihrer enormen Kampfkraft undVermehrungsrate angesiedelt worden.

Grek 1, der jetzt auf der CREST weilte, war einerder führenden Geheimdienstoffiziere der Maahksgewesen, bis er von terranischen Mutanten besiegtworden war.

Atlan war noch anderen Überlegungennachgegangen. Unter Umständen waren dieRüsselwesen des Beta-Systems nicht so zuverlässigwie die Maahks. Vielleicht gab es auch noch eineandere stärkere Waffe, die erst dann eingesetztwerden sollte, wenn die Twonoser beim erstenAnlauf geschlagen wurden.

Atlans Taktik lief darauf hinaus, Unruhe zu stiftenund Mißtrauen zwischen den Maahks und den‚Meistern der Insel‘ zu säen. Es war militärischwichtig, daß die unbekannten Drahtzieher vonAndromeda keine Maahkverbände in dasBeta-System schickten. Dann hätte die Sache andersausgesehen.

Atlan wollte alles tun, um den Verdacht auf dieMaahks zu lenken. Sein Schiff sollte von nun angesehen werden. Man mußte auch seine Feuerkraftkennenlernen. Wenn revolutionär eingestellteMaahk-Völker in den Beta-Nebel vorgedrungenwären, dann hätten sie auch ihre Superwaffenmitgebracht.

Die IMPERATOR stand innerhalb wenigerStunden zum zweiten Male im Kreuzfeuer einesTwonoserverbandes. Er bestand aus sechsunddreißiggroßen Schiffen. Die kleine Flotte war kurz nach demzweiten Manöver geortet und angeflogen worden.

Als die IMPERATOR erschienen war, hatte mansie sofort erkannt. Die Hilferufe des entkommenenKommandanten waren auch hier gehört undausgewertet worden.

Atlan hütete sich diesmal, erneut auf ein laufendesGefecht einzugehen. Mit dem Eintreffen einer großenFlotte mußte gerechnet werden.

Heske Alurin hatte die Führung des Schiffesübernommen. Atlan erteilte nur strategisch wichtigeBefehle. Interne Angelegenheiten, wie Feuer- undManöverkommandos, waren Sache desKommandanten.

Heske Alurin bewies, daß er schon in über tausendGefechten seinen Mann gestanden hatte. Er saß wieimmer in seinem Sessel, hatte die Füße gegen dieBodenstützen gestemmt und die Hände um die

Armlehnen gelegt.Dort befanden sich die Schalter für die

Notsteueranlage. Alurin war in der Lage, dasRiesenschiff manuell zu fliegen. Bisher bestand abernoch kein Grund, auf die ausgefeilte Automatik zuverzichten.

Die Schutzschirme des USO-Raumers flammtenunter einschlagenden Treffern. Der Twonoserverbandbildete eine dreifache Kette mit seitlicher Absetzungund zusätzlicher Überhöhung.

Diesmal kam nur die Steuerbordbreitseite derIMPERATOR zum Einsatz. Den Rotsektor hatte sichAlurin festgehalten.

Die IMPERATOR scherte nach Feuerlee aus demKurs. Die volle Breitseite entwickelte ungeheureRückschlagkräfte. Als das Dröhnen verhallte und derschwingende Schiffskörper mit Schubimpulsenstabilisiert war, teilte Atlan über Helmfunk mit:

„Ich wäre glücklich, wenn man uns nicht für dasSchiff halten würde das auf der Westside des Nebelsim Gefecht gestanden hat. Wir sollten versuchen, dieAnwesenheit eines kreuzenden Verbandesvorzutäuschen. Ortung - bekommen Sie Echosherein?“

„Jawohl, Sir. Starker Verband ist ihn Anflug. Etwavierhundert Hyperechos beim Eindringen in denLinearraum. Sie sind in zehn Minuten hier.“

Atlan wandte sich um. Die Twonoser schossen,was ihre Kanonen hergeben wollten. Wieder gingenfast alle Strahlbahnen vorbei. Die IMPERATORraste mit halber Lichtgeschwindigkeit durch denRaum. Es wurde klar, daß die Zielpositroniken derTwonoser wirklich nichts taugten.

„Machen Sie es kurz, Heske. Ich möchte michabsetzen.“

Alurin rief die Feuerleitzentrale an. ZwölfTransformkanonen, darunter die beiden mächtigenPolgeschütze, begannen zu donnern.

Die so schön aussehende, taktisch aber unklugeDreiketten-Formation der Twonoser verschwandhinter aufbrechenden Glutbällen. Die Gigabombenwaren nur zehntausend Kilometer vor dem schnellenVerband explodiert.

Atlan wartete den Erfolg nicht mehr ab. Er wußte,daß er nichts mehr finden würde.

Die IMPERATOR verschwand aus diesem Sektor,noch ehe die Verstärkung angekommen war.

Das Schiff ging in den Einstein-Raum zurück undentdeckte einen abgestorbenen Moby. Er diente zurZeit als Flottenstützpunkt des Wachkommandos. Aufseiner Oberfläche standen etwa fünfhundert startklareSchiffe.

*

Atlan griff mit fast lichtschneller Fahrt an. Ehe

39

Page 40: Der Geleitzug ins Ungewisse

man die IMPERATOR richtig geortet hatte,peitschten die Impuls- und Desintegratorsalven in dieRückenschale des Moby hinein. Sie glich einerterranischen Hochgebirgslandschaft und durchmaßsechzehntausend Kilometer.

Energievulkane brachen aus. Schiffe explodierten.Die IMPERATOR entkam, ohne das geringsteAbwehrfeuer erhalten zu haben.

Das nächste Linearmanöver endete im Zentrum.Man konnte die drei blauen Riesensonnen desGroßtransmitters sehen.

Alurin wurde unruhig.„Sir, Sie wollen doch hoffentlich nicht den

Justierungsplaneten angreifen?“„Warum eigentlich nicht?“ überlegte der

Lordadmiral. „Wenn er nicht mehr existiert wäre derSonnentransmitter nutzlos. Ich befürchte immernoch, daß man eine Maahk-Flotte herbeiruft. Siehätte mit enormen Anflugschwierigkeiten zukämpfen, wenn der Haupttransmitter von Andro-Betanicht mehr funktionierte.“

„Ortung aus dem Betadreieck“, unterbrach MajorEchelor die Diskussion. „Etwa dreitausend Eischiffekommen zwischen den Sonnen hervor.Weitgeschwungene Formation, halbkreisförmig,Sicherungsverbände tauchen überall auf. Wir sindausgemacht worden.“

Atlan verzog das Gesicht, als hätte er in eineZitrone gebissen.

„Dreitausend? Das ist eine Zumutung, Echelor.Die bringen es noch fertig, unser schönes Schiff zudemolieren.“

„Maschinenhauptleitstand an Zentrale“, dröhntedie Stimme des Epsalers Trahun Milas aus denHelmempfängern. „Die erste Stufe macht mir schonwieder Kummer. Die erneuerte Kühlbank läuft heiß.Ich denke darüber nach, was an dem Kalup nicht inOrdnung sein kann.“

„Das ist aber nett von Ihnen, Milas. Ehe Sie damitanfangen, sollten Sie mir verraten, was Sie bereitsfeststellen konnten.“

Der Leitende Ingenieur holte tief Luft. Es klangwie das Rauschen eines Wasserfalles.

„Können Sie nicht etwas gemäßigter atmen?“ sagteAtlan vorwurfsvoll

„Schlecht möglich, Sir“, grollte derUmweltangepaßte. „Hier die Auskunft: Wenn wirnoch zwei Manöver mit harten Beschleunigungenund Ausweichkurven fliegen, bricht uns der Schwanzab.“

„Der Schweif.“„Der Schweif, jawohl, Sir“, brüllte Milas, Atlan

drosselte die Lautstärke noch mehr. „Ob Schwanzoder Schweif, Herr Lordadmiral - die IMPERATORwird ihre Tarnung verlieren. Sie wird sie auchaufgeben müssen, wenn die Röhre hält. Dann fliegt

uns nämlich die Kühlbank der ersten Stufe um dieOhren. Ende.“

Melbar Kasom lachte dröhnend. Er hatte an Bordkeinen Dienstbereich. Er saß zusammen mit denWoolver-Zwillingen in einer Ecke und beschäftigtesich mit einem gebratenen Truthahn. DerUSO-Spezialist verstieß gegen die Gefechtsordnung,indem er den Druckhelm alle Augenblicke blitzartigöffnete, zubiß und ihn wieder schloß.

Die Woolvers sahen interessiert zu, bis Rakalvorschlug:

„Sie sollten den Vogel nach dem nächsten Biß inden Helm schieben und versuchen, ihn aufzuessen.Sie können ihn ja mit der Zunge angeln.“

Kasom überlegte.„Und die Knochen? Sie haben Nerven. Halten Sie

mich für einen Müllverwerter?“Rakal Woolver verzichtete auf eine Antwort. Die

IMPERATOR eröffnete schon wieder das Feuer.Heske Alurin nahm außerdem Fahrt auf, um von

der Masse der entgegenkommenden Schiffe nichtmehr erreicht werden zu können.

„Kosmische Guerillataktik“, stellte Alurin fest.„Das gefällt mir nicht besonders, Sir.“

„Mir auch nicht. Suchen Sie sich einen Zielsternim großen Andromedanebel aus und gehen Sie in denLinearraum. Es reicht für heute.“

Heske fragte nicht mehr nach dem Warum undbefolgte den Befehl. Die IMPERATOR verschwand.

Jenseits der Betagrenzen wurde sie nochmalsgesehen und angegriffen. Alurin setzte zum nächstenManöver an, das ihn auf dem Wege nach Andromedaum fünfhundert Lichtjahre weiterbrachte.

Dort tauchte er ein, ließ sich orten und sah dann zuAtlan hinüber.

„Und jetzt, Sir? Haben Sie besondere Absichten?“Der Arkonide räusperte sich.„Allerdings. Um die Sache abzurunden, werden

wir nun den Anschein erwecken, als hätten wir dieEchowellen nicht erfaßt. Nehmen Sie Kurs auf denAlpha-Nebel. Es soll so aussehen, als hätten wir mitdem Anflug auf die große Galaxis einTäuschungsmanöver beabsichtigt. Nun fliegen wiroffiziell nach Hause - in den Nebel derMaahk-Völker.“

„Ich verstehe, Sir. Denen schieben Sie aberallerhand Untaten in die Schuhe.“

Der Flug dauerte lange. Die IMPERATOR kehrtein einem Sicherheitsabstand von dreißigtausendLichtjahren in den Einstein-Raum zurück. Der Kalupder ersten Stufe fiel wegen Überhitzung endgültigaus.

Trahun Milas tobte, aber das half ihm nichts. Ermußte seine zweite Stufe angreifen, obwohl dieReichweite der ersten noch nicht voll ausgenutzt war.

Nach einer dreistündigen Ruhepause nahm das

40

Page 41: Der Geleitzug ins Ungewisse

USO-Schiff unbemerkt Kurs auf die Westseite desZwergnebels.Zehn Stunden später erschien es im Alurin-System,wo es vom nervös gewordenen Kommandanten derNAPOLEON beinahe vernichtet worden wäre. Ernahm im letzten Augenblick den Feuerbefehl zurück..„Wenn Sie das nächste Mal solche aggressivenAbsichten haben, sagen Sie mir bitte Bescheid“, riefihm ein erzürnter Epsaler namens Heske Alurin überFunk zu. „Dann baue ich nämlich vorher meineSchutzschirme auf. Gestatten Sie, daß ich auf eineKreisbahn einschwenke?“

*

Atlan stand zum erstenmal auf der Oberfläche desPlaneten Arctis. Er hatte seinen Helm zurückgeklapptund bemühte sich, ebenso wie die Terraner, dienatürliche Luft einzuatmen.Weiter rechts tosten die Stromreaktoren einesenergetischen Schlaghammers. Man war beiachttausend Meter Tiefe auf hartes Felsgesteingestoßen.Atlan hatte vor einer halben Stunde seinenErfahrungsbericht beendet. Perry Rhodan wußte nun,was er von der Kampfkraft der Beta-Wachflotte zuhalten hatte.„Bei euch ist es kühl im Schatten“ beschwerte sichder Arkonide, der hohe Temperaturen besser ertragenkonnte als die arktische Kälte.„Du stehst auf blankem Eis“, antwortete Rhodan.„Heinrich - rufen Sie einmal den Chefingenieur deshiesigen Bausektors an, und erkundigen Sie sich, ober dem Herrn Lordadmiral schnell ein paarHeizschlangen unter den Füßen einbauen kann.“„Sofort, Sir“, entgegnete der Techniker und griff zumSprechfunkgerät.„Ihr seid wohl alle übergeschnappt“, schrie Atlan.

Ich kann eure grinsenden Gesichter nicht mehr sehen.Bei allen Göttern Arkons es ist kalt! Fünfzig Gradunter Null und dazu der Wind sind ...!“„... eine Wohltat nach dem ewigen Schiffsgeruch“,unterbrach Perry. „Beruhige dich, Freund. Ich fühlemich auch nicht so wohl in meiner Haut, wie duvielleicht annimmst. Der erste Planet geht mir nichtaus dem Kopf. Ich werde mich dort einmalpersönlich umsehen.“„Falsch wäre es nicht“, stimmte Atlan zu. „Wie langegedenkst du übrigens diesen arktischen Stützpunkt zubehalten?“„Oberst Rigard hat ihn ‚Louvre-Station‘ genannt. Einschöner Name und voll von Hinweisen auf dieVergangenheit. Wir werden hier den größtenNachschubhafen jenseits des Schrotschußtransmittersbauen.“Atlan nickte und schritt fröstelnd davon. Als er seineSpace Jet betrat und die Hände vor dasHeißluftgebläse hielt, dachte er über Rhodans Wortenach. Der Terraner war wieder einmal sehroptimistisch.Atlan hatte einen anderen Verdacht. Er hielt esjedoch für besser, vorerst darüber zu schweigen, umnicht erneut als ewiger Schwarzseher angeprangert zuwerden.Er setzte sich in den Pilotensessel und startete. DieIMPERATOR umkreiste den Planeten auf einerZweistunden-Bahn. Die Reparaturen waren in vollemGang. Oberstleutnant Trahun Milas wollte seine ersteZusatzstufe in Ordnung haben.Weit unter dem Schiff glänzte die Eisdecke eineslebensfeindlichen Planeten. Es würde sich mit derZeit herausstellen, wie lebensfeindlich er war.

E N D E

Das ewige Eis des Planeten bietet ihnen sichere Zukunft, so scheint es. Um ihre nähere Umgebung zuerkunden, unternehmen sie einen Vorstoß nach Destroy, der WELT UNTER HEISSER STRAHLUNG. PerryRhodan ist mit von der Partie - und natürlich Gucky! Der Mausbiber trifft auf alte Gegner - und enträtselt dasGeheimnis der Laurins ...

WELT UNTER HEISSER STRAHLUNG

41