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Der gnadenlose Gegner

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Nr. 180Der gnadenlose GegnerEin Arkonide hat es vorausgesagt: Der größte Gegner des Menschen ist der Menschselbst!von William Voltz

Am 10. Mai des Jahres 2328 irdischer Zeitrechnung schließt Perry Rhodan, der Großadministrator desVereinten Imperiums der Menschheit und seiner galaktischen Verbündeten, mit den völlig geschlagenen Bluesvom Planeten Gatas einen Friedensvertrag.Das Ende der galaxisweiten Auseinandersetzung mit den Gatasern bedeutet einen wichtigen Wendepunkt in derGeschichte aller Völker der Milchstraße, denn nun, da die gefährliche Bedrohung für den Bestand von PerryRhodans Galaktischer Allianz nicht mehr existiert, muß es sich erst erweisen, ob die G. A. auch inFriedenszeiten einen inneren Zusammenhalt besitzt.Perry Rhodan hat sich von dieser Allianz offensichtlich zuviel erhofft, denn kaum ist der galaktische Kriegbeendet, da beginnen die Verbündeten ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Wirren entstehen, und selbstNachkommen von Terranern, die auf fremden Welten eine neue Heimat gefunden haben, beginnen sich aus demVerband des Vereinten Imperiums zu lösen.Wie gefährlich die neue Lage ist, hat Atlan, der unsterbliche Arkonide, längst erkannt, als er behauptete, dergrößte Gegner des Menschen sei der Mensch selbst!Die Wahrheit dieser Behauptung erleben Perry Rhodan und seine Leute am eigenen Leibe, als sie auf denGNADENLOSEN GEGNER treffen ...

Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Großadministrator des Vereinten Imperiums.Atlan - Lordadmiral und Chef der USO.Reginald Bull - Perry Rhodans Freund und engster Mitarbeiter.Andre Noir - Mitglied des Mutantenkorps.Matthieu, Hathaway und Berrings - Drei mysteriöse Gefangene.Al Jiggers - Geheimagent im Dienste des Obmanns von Plophos.Con Perton - Kommandant der PHOENIX.Toermlin - Ein Teper, der von den »Göttern« enttäuscht ist.

1.

Man sollte junge Männer nicht wie Gefangenebehandeln. Sie werden ungeduldig und böse. Siedenken darüber nach, wie sie am schnellstenentkommen können. Sie werden leicht jähzornig,beschimpfen ihre Wächter und verweigern jedeAussage. Sie essen unlustig oder wenig.

Auf die drei Männer, die vor Sergeant Turpin überden Gang schritten, traf das alles nicht zu. Bis aufeinen Punkt.

Die drei Männer verweigerten jede Aussage.Aber sie waren nicht ungeduldig und nicht böse.

Sie pflegten sich vorbildlich, waren höflich undnahmen die Mahlzeiten regelmäßig zu sich. Aber sieschwiegen. Keine Versprechungen, keine Lockungenund keine Drohungen vermochten ihnen die Zungezu lösen. Die Metallbeschläge an den Stiefeln derdrei Gefangenen donnerten gegen den harten Boden.Gleichmäßig, wie nach einem einstudiertenRhythmus. Die fremden Uniformen schillerten in derDeckenbeleuchtung. Die Gesichter der Männerdrückten Entschlossenheit aus. Gleichzeitig sah man

in ihnen den Glauben an eine Macht, die stärker warals der Griff des Vereinten Imperiums. Dasbeunruhigte Turpin. Aber nicht nur ihn. Esbeunruhigte Perry Rhodan, es beunruhigte Atlan undes beunruhigte alle Offiziere. »Halt!« kommandierteTurpin.

Die Gefangenen blieben stehen. Turpin ging anihnen vorbei, und betrachtete sie mißtrauisch. Ruhigstanden sie da, breitbeinig, mit unbewegtenGesichtern. Ihre Augen waren weit geöffnet.

Ihre Uniformjacken waren blau, ein rotes Vleuchtete auf jeder Jacke unterhalb des Herzens.

Turpin hatte keine Ahnung, was das V zu bedeutenhatte. Es war ihm auch gleichgültig. Seit man ihm dieAufgabe zugeteilt hatte, sich um die Gefangenen zukümmern, fühlte er sich unruhig. Die drei Männerhatte jenes Gefühl in Turbin geweckt, von dem erglaubte, es längst besiegt zuhaben: Angst.

Dabei waren es nur drei gegenüber einerzweitausend Mann starken Besatzung der CREST.

Es waren auch nicht die Gefangenen selbst, die inTurpin Furcht erweckten, es war die Art ihresAuftretens. Die drei Männer verloren nie die

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Selbstbeherrschung, selbst in dieser ausweglosenSituation schienen sie zu glauben, daß sich alles zuihren Gunsten ändern würde.

Sie sagten nicht, daß sie auf Befreiung hofften,aber sie benahmen sich so, als stünde diese kurzbevor.

Turpin fluchte leise vor sich hin. Dann schaltete erdie seitlich in die Wand eingelassene Sprechanlageein, die ihn mit der Zentrale verband.

»Sergeant Turpin mit den drei Gefangenen, Sir«,sagte Turpin.

»Gut, Sergeant!« klang eine Stimme auf. »BringenSie sie herein.«

Mit mürrischem Gesicht wandte sich Turpin zuden drei Männern um.

»Nun gut, ihr Burschen«, sagte er mit gepreßterStimme. »Macht euch auf allerhand gefaßt. PerryRhodan läßt sich nicht lange von solchen Kerlen wieihr es seid, an der Nase herumführen. Jetzt geht eseuch an den Kragen.«

Turpin atmete auf. Er fühlte sich nach diesenWorten befreit.

Wenn er jedoch erwartet hatte, betroffeneGesichter zu sehen, so irrte er sich. Die Männerblickten ihn ernst an, aber sie reagierten überhauptnicht. Lediglich der Große, über dessen Nase einetiefe Narbe lief, lächelte. Turpin spürte dieVerachtung, die ihm entgegenschlug. Hastig wandteer sich ab. Mit wenigen Schritten erreichte er eine derTüren zur Zentrale und stieß sie auf. »Los!« befahler. »Hier herein!« Die roten V's unter den Herzen derMänner zuckten wie Schlangenkörper, als sie ihreArme bewegten. Turpin baute sich neben der Tür auf.Die Gefangenen schritten an ihm vorüber, dasKlack-Klack ihrer Stiefel echote in Turpins Ohren. Esschien, als gingen sie zu einer Machtübernahme,nicht aber zu einem Verhör.

2.

Bully schaute auf die glitzernde Münze in seinerHandfläche.

»Kopf oder Zahl?«»Zahl!« rief Noir.Das Geldstück wirbelte durch die Luft und landete

auf der Tischplatte. Noir beugte sich darüber undgrinste. »Zahl«, bemerkte er befriedigt. »Lassen Siesich nicht aufhalten, Bully. Bevor wir an unseremZiel angelangt sind, habe ich Ihnen ein kleinesVermögen abgewonnen.«

»Wann wollen Sie es ausgeben?« erkundigte sichReginald Bull sarkastisch.

»Sobald wieder ruhige Zeiten in der Galaxiseinkehren«, erklärte Andre Noir, der Mutant. »WennSie nicht zufällig Träger eines Zellaktivators wären,würde ich bezweifeln, daß Sie jemals in die Lage

kommen, diese ruhigen Zeiten zu erleben«, meinteBully.

Der Hypno lehnte sich in den Pneumosesselzurück. Seine dickliche Gestalt schien darin zuversinken. Bully betrachtete ihn nachdenklich.»Wenn ich mir vorstelle, daß Sie der einzige Mutantsind, den Rhodan von der angeforderten Gruppe zusehen bekommt, läuft es mir kalt über den Rücken«,sagte er. »Die Galaxis ist in Aufruhr.«

»Es gibt hundert Brände, aber nur eineFeuerwehr«, stimmte Noir zu. »Doch bei Rhodangeht es nur um das Verhör dreier Gefangener. Ichglaube, daß meine bescheidenen Kräfte dazuausreichen.«

Bully und der Mutant hielten sich an Bord desLaborschiffes AMALDO auf. Ihr Ziel war dasSystem von Beaulys-Stern. Dort wurden sie vonRhodan und Atlan erwartet, die nach denerschreckenden Vorkommnissen auf Stup mit demFlaggschiff wieder in eine Umlaufbahn um dieseWelt eingetreten waren. Auf Stups Mond hatte maneine Station entdeckt, in der Unbekannte einenVerdummungsstrahler montiert hatten, mit dessenHilfe man die Eingeborenen von Stup in finstereBarbarei zurückgeworfen hatte. Nachdem die Stationdurch einen Angriff der CREST vernichtet wordenwar, hatte Rhodan drei Gefangene gemacht.Seltsamerweise handelte es sich dabei im Terranerund nicht, wie man angenommen hatte, umAngehörige einer fremden Rasse.

Alles schien darauf hinzudeuten, daß irgendwo imdunkeln eine starke Gruppe von Rebellen saß, die aufein bestimmtes Ziel hinarbeiteten. Der fürchterlichegalaktische Krieg, der unter den vielenVölkerschaften der Blues entbrannt war, zogzwangsläufig auch humanoide Lebewesen in dieAuseinandersetzungen mit hinein. Die Geschichte derMenschheit bewies, daß ein großer Krieg immer aufVölker übergreift, die nichts damit zu tun haben.

Zuerst hatten die schlauen Springer die neue Lageerfaßt. Sie wußten, daß die Niederlage der Bluesgegen die Terraner nicht auf RhodansFlottenüberlegenheit, sondern ausschließlich auf dieschwache Offensiv und Defensivbewaffnung derBlues-Raumschiffe zurückzuführen war.

Nach dem Verschwinden der Molkex-Panzerwitterten die Galaktischen Händler ein unerhörtesGeschäft. Sie begannen mit dem Verkauf dermodernsten Abwehr- und Angriffswaffen an dieBlues, die sich plötzlich als guteVerhandlungspartner erwiesen.

Tragischerweise hatte sich Rhodan mit seinemGroßeinsatz humanoider Völker gegen das zweiteImperium selbst das Wasser abgegraben. Er hatte -ohne es zu beabsichtigen - die unbegrenzte Macht derGataser gebrochen und damit die unterdrückten

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Kolonialvölker der Blues befreit. Nun stießengigantische Flotten dieser Kolonisten in den Raumvor. Überall tobten Schlachten, die sich bis insZentrum der Milchstraße verlagerten und zum Teildie Interessengebiete des Vereinten Imperiumsberührten.

Aber nicht nur die Springer nutzten die verwirrteLage. Auch die Akonen und Arkoiden standen bereitsmit den Blues in Handelsbeziehungen. Ihre Vertreterverkauften an jeden, der die horrenden Preise zuzahlen gewillt war. Die Blues zahlten.

Reginald Bull dachte an Atlans Warnung zurück,die der Arkonide einmal ausgesprochen hatte.Damals hatte Atlan gesagt, daß kein Volk derGalaxis, auch die Menschheit nicht, sich für alleZeiten unter die Oberherrschaft eines legendärgewordenen Mannes beugen würde. Das VereinteImperium war so groß geworden, daß kaum noch alleautarken Kolonien und Sternen-reiche zukontrollieren waren. Rhodan blieb nichts anderesübrig, als sich darauf zu verlassen, daß sich dieAnführer der souveränen Planeten seinen eigenenIdeen und Prinzipien anschließen würden - und dasfür alle Zeiten. Doch der Mensch war ein zu großerIndividualist. Er ließ sich auch in der Zeit der allesbeherrschenden Raumfahrt von niemanden gern aufdie Dauer Vorschriften machen. Je größer dasVereinte Imperium wurde, desto mehr Kolonienbesaß es. Inzwischen gab es jedoch unzählige Reiche,die vollkommen autark geworden waren.Wirtschaftlich und militärisch waren sie von Terrapraktisch unabhängig, nur gemeinsame Interessenverbanden die Kolonien noch mit demUrsprungsplaneten der menschlichen Rasse.

Doch immer mehr gingen verschiedene Weltenihre eigenen Wege, unternahmen Dinge, die vonRhodan zwar mißbilligt, aber stillschweigendgeduldet wurden. Die Verhaftung dreier Terraner aufdem Mond des Planeten Stup schien nun daraufhinzudeuten, daß sich ohne Rhodans Wissen Dingeabspielten, die in keinem Einvernehmen mit denGrundsätzen des Vereinten Imperiums standen. Allesdeutete darauf hin, daß dem Menschen innerhalb derGalaxis ein mächtiger Gegner erstand: der Mensch!

In diesem Zusammenhang gewann AtlansWarnung, die schon lange zurücklag,schwerwiegende Bedeutung. Es war bezeichnend,daß Bull in aller Eile nur einen Mutanten hatteauftreiben können. Rhodans Wunsch, mehrereMutanten, darunter möglichst Telepathen, nachBeaulys-Stern zu bringen, hatte sich als unerfüllbarerwiesen. Die wichtigsten Mutanten waren pausenlosim Einsatz, so daß Bully froh darüber war, daß erschließlich Noir mitbringen konnte. Die AMALDO,mit der sie flogen, war ein achthundert Meterdurchmessender Kugelriese des

Experimentalkommandos und unterstand derGalaktischen Abwehr. Das Schiff war mitSpezialgeräten aller Art ausgerüstet.

Reginald Bull hob die Münze von der Tischplattehoch. Noir beobachtete ihn neugierig. »Worüberdachten Sie nach?« fragte er.

Bully kratzte sein rotes Stoppelhaar. Worüberkonnte ein Terraner in diesen Tagen schonnachdenken. Er hielt Noir die Münze vor das Gesicht.»Alles oder nichts?« fragte er. Noir nickte.»Einverstanden, wenn Sie unbedingt ein armer Mannwerden wollen.«

»Kopf«, sagte Bully, und die Münze flog hoch.Noir lehnte sich noch nicht einmal nach vorn, als sieauf dem Tisch landete. Bully war enttäuscht.»Nichts!« sagte er niedergeschlagen.

3.

»Name?«»Matthieu.«»Alter?«»Vierundzwanzig.«»Geburtsplanet?«Schweigen. Genau wie bei allen vorangegangenen

Verhören. Den Namen verrieten sie. Den Namen unddas Alter. Das war unwichtig. Ein Name sagte nichts,überhaupt nichts. Jung waren sie alle drei, das sahman. Sie sagten nichts über ihre Herkunft. Sie hättenauf Terra geboren sein können. Oder auf einem derunzähligen anderen Planeten mit erdähnlichenBedingungen.

Sie sprachen einwandfreies Inter-kosmo. Sie warenintelligent, überdurchschnittlich intelligent sogar.

»Geburtsplanet?« wiederholte Rhodan seine Frage.Nichts.Drei Augenpaare, die seinen eigenen Blick fest

erwiderten, Lippen, die sich hart zusammenpreßten.Rhodan schaute zu Atlan. Der Arkonide schüttelteunmerklich den Kopf. Nein, auf diese Weise war ausdiesen Burschen nichts herauszubringen.

»Matthieu, Sie sind der älteste der Gefangenen«,wandte sich Rhodan an den großen Mann mit derNarbe ander Nase. »Sie wissen, wen Sie vor sichhaben. Wahrscheinlich wissen Sie auch, daß wirMittel und Wege haben, die Wahrheit zu erzwingen.Warum beantworten Sie also unsere Fragen nichtfreiwillig, bevor es unangenehm wird?«

Matthieu hob leicht die Augenbrauen, als wollte erseine Verwunderung darüber ausdrücken, daßRhodan die Möglichkeit eines härteren Verhörserwähnte. »Sie führen das. Verhör«, sagte er dann zuRhodan. »Also gut, Matthieu. Wie Sie wollen.« Erveränderte seine Stellung auf der Tischkante einwenig, so daß er Hathaway, den zweiten Gefangenen,direkt anblicken konnte.

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»Wir haben Sie auf dem Mond dieses Planetenerwischt«, begann Rhodan. »Was war Ihre Aufgabe,Hathaway?«

»Ich schoß Wildenten«, erklärte Hathawayernsthaft.

Matthieu und Berrings, der dritte Mann, lächelten.Ihre Gesichter zeigten Verständnis für den Humorihres Genossen. Aus dem Hintergrund der Zentraleerklang die Stimme Kors Danturs wie einBerggewitter. »Überlassen Sie ihn mir einenAugenblick, Sir, dann wird ihm das schon vergehen.«Atlan warf ein: »Auf die anständige Weise bringenwir sie nicht zum Reden, Perry.«

»Ich will Ihnen sagen, was Sie getan haben«, sagteRhodan ruhig zu Hathaway. »Sie hielten eine Stationbesetzt, von der aus Sie ein Strahlgerät bedienten, dasdie Eingeborenen von Stup vollkommen verdummenließ. Sicher denken Sie anders darüber, aber ich haltediese Sache für ein niederträchtiges Verbrechen, fürdas man Sie vor Gericht stellen und hart bestrafenwird. Es liegt an Ihnen, wie das Urteil ausfallen wird.Wie steht es mit Ihnen, Berrings? Sie sind zwanzigJahre alt, nicht wahr?-«

»Ja.«»Wollen Sie Ihre Jugend auf einem Strafplaneten

des Imperiums verbringen?«»Ich weiß genau, wo ich meine Jugend weiterhin

verbringen werde«, versicherte Berrings.»Sir!« rief Dantur von seinem Platz aus. »Die

AMALDO nähert sich dem System vonBeaulys-Stern. Vizeadministrator Bull möchte mitIhnen sprechen.«

Rhodan schwang sich von der Tischkante herunter.Mit einem Wink bedeutete er Atlan, daß dieser dasVerhör fortsetzen sollte. Er fühlte keine Verärgerungüber die Gefangenen. Unbewußt spürte er, daß diedrei Männer keine Verbrecher waren. Sie schienen andie Richtigkeit dessen zu glauben, was sie getanhatten. Warum hatten sie es getan? Für wen? Geradeals er neben Dantur ankam, wurde Bullys rundesGesicht auf dem Bildschirm der Funkanlage sichtbar.

»Hallo, Alter«, grüßte Bully. »Da wären wir.«»Gut«, sagte Rhodan. »Wir sitzen hier in der

Klemme. Die drei Männer, die wir auf dem Monddes Planeten Stup gefangen haben, wollen nichtreden. Wer ist von den Telepathen dabei?«

»Keiner«, erwiderte Bully säuerlich. »AlleMutanten sind bei wichtigen Einsätzen. Aber ichbringe Noir mit.«

»Noir«, wiederholte Rhodan. »Nun gut, wirwerden uns schon zu helfen wissen. Es ist am besten,wenn Noir und du an Bord der CREST kommen. Fürdie AMALDO habe ich eine andere Aufgabe.«

Wie immer verlor Rhodans Stellvertreter keineZeit.

»Ich gebe dir Major Telbaro, den Kommandanten.

Mit ihm kannst du dich weiter unterhalten. Noir undich werden uns zum Aussteigen fertig machen.« DasBild des untersetzten Mannes verblaßte. Gleichdarauf trat ein dunkelhaariger Mann in das Blickfeldder Bildübertragung. »Major Telbaro, Sir«, sagte derMann.

»Hallo, Major«, begrüßte ihn Rhodan lächelnd.»Auf Ihre Männer und Sie wartet hier eineSpezialaufgabe. Einzelheiten können Sie von denOffizieren der CREST erfahren. Sie werden mit derAMALDO auf Stup landen und die Eingeborenenuntersuchen.«

Er lächelte etwas.»Seien Sie jedoch vorsichtig. Auch ein

Holzknüppel kann unter Umständen eine sehrwirkungsvolle Waffe sein.«

»Ja, Sir«, nickte Telbaro verwirrt, »Holzknüppel!Ich werde darauf achten.«

»Testen Sie die Reaktion der Eingeborenen auf dasAussetzen des Emotio-Strahlers. Sicher haben Sievon Mr. Bull bereits Einzelheiten erfahren.« Erwartete, bis Telbaro bestätigte und fuhr dann fort:»Finden Sie heraus, ob die armen Kerle dort unten zuihrer alten Zivilisation zurückfinden, oder ob sie füralle Zeiten als Wilde dahinvegetieren müssen.«

»Wir werden uns bemühen, Sir.«»Natürlich interessieren wir uns auch dafür, wie

der Emotio-Strahler überhaupt arbeitet. Sie haben anBord der AMALDO wissenschaftlich geschulteSpezialisten. Sie sollen verschiedene Eingeboreneuntersuchen.«

Der Major erklärte, daß er alles verstanden habe,und Rhodan unterbrach die Verbindung. Er kehrte zuden Gefangenen zurück. An der Tür stand der kleineSergeant Turpin und ließ seine Blicke wie einewachsame Maus umherschweifen.

»Ich glaube, wir unterbrechen das Verhör einenAugenblick«, sagte Rhodan zu dem Arkoniden. »DieALMADO wird in wenigen Augenblicken hiereintreffen. Ich habe Major Telbaro den Befehlgegeben, auf Stup zu landen. Bully und Noir werdenzur CREST übersetzen.«

»Noir«, wiederholte Atlan nachdenklich. »NurNoir?«

»Nur Noir«, sagte Rhodan knapp.»Turpin!« rief er dann.Der Sergeant eilte herbei; mit seinen kurzen,

krummen Beinen ähnelte er einem Jockey. »BringenSie die drei Männer wieder in ihre Kabine. Halten Siesich jedoch bereit, wir werden das Verhör baldfortsetzen.«

»In Ordnung, Sir!«Turpin ging zu den Gefangenen und machte eine

einladende Geste, zur tür. Langsam setzten sich dieMänner in Bewegung. Matthieu ging voraus. Das tater immer.

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»Seltsame Uniformen«, bemerkte Atlan. »Werimmer sie entworfen hat, muß sich dabei etwasgedacht haben.«

»Ein großes V auf blauem Grund. Was könnte esbedeuten?« sinnierte Rhodan.

»Vielleicht ist es irgendein Symbol«, sagte derschlanke Arkonide.

Rhodan stieß einen leisen Pfiff aus. »Ich erinneremich an meine Jugend«, sagte er. »VerschiedeneNationen der Erde hatten damals die Gewohnheit, mitausgestrecktem Mittel- und Zeigefinger ein V zuzeigen.«

»Und was bedeutete dieses V?« erkundigte sichAtlan.

»Victory«, erwiderte Rhodan. »Sieg.«

4.

Weil Noir ein ziemlich kleiner und dicker Mannwar, sah er nicht gefährlich aus. Auch wenn ersprach, machte er nicht den Eindruck einesKämpfers. Er wirkte wie ein gemütlicherHandlungsreisender, der gerade ein gutes Geschäftabgeschlossen hatte.

Dabei war Noir eine lebende Waffe. Noir warHypno, er konnte jedem Lebewesen seinen eigenenWillen auf zwingen, ohne daß der Betroffene esmerkte.

Noir sah gemütlich aus, aber er besaß nicht diegeringsten Skrupel, seine besonderen Fähigkeiteneinzusetzen. Man brauchte ihn oft, denn innerhalbder Galaxis gab es so viele Wesen, die etwas anderestaten, als man von ihnen erwartete, daß es einerArmee von Noirs bedurft hätte, um sie zur Räson zubringen.

Wie jeder andere Mutant war Noir überarbeitet. Daer jedoch einen Zellaktivator trug, der ihn vorKrankheit, Altern und Müdigkeit schützte, war er inder. Lage, ein gewaltiges Arbeitspensum zuerledigen.

Fünfundzwanzig Zellaktivatoren hatte dasGeistwesen von Wanderer innerhalb der Galaxisausgestreut. Neunzehn davon hatte man gefunden,aber einer war zerstört worden. Niemand wußte, wodie anderen sechs waren. Rhodan war sich noch nichteinmal darüber im klaren, ob die Aktivatoren nochirgendwo in ihren Verstecken ruhten oder bereits vonUnbekannten getragen wurden.

Einen der achtzehn wertvollen Apparate trugAndre Noir, der Hypno.

Noir ging neben Rhodan über den Gang, der siezur Kabine führte, wo man die drei Gefangenenuntergebracht hatte. Atlan folgte einen Meter hinterihnen. Bully war in der Zentrale bei Danturgeblieben.

»Wie wollen Sie sie packen?« fragte Rhodan den

Mutanten.Noir lächelte harmlos. Man hätte meinen können,

er sei auf dem Weg zu einer unwichtigenVereinsveranstaltung.

»Ich bin dafür, wir machen es vorsichtig«, schlugder Hypno vor. »So, daß sie auch dann nichts spüren,wenn wir mit ihnen fertig sind.«

»Wie lange wird das dauern?« fragte Rhodan.Noir fuhr verlegen über seine dunklen Haare.»Vier Tage, vielleicht auch fünf, wer weiß?«

erwiderte er. »Ich werde einen hypnotischenTiefblock in ihnen erzeugen, der das Willenszentrumder Burschen ausschaltet, ohne daß sie etwas davonbemerken.« Sie bogen um eine Ecke und sahenTurpin, der vor der Kabine der Gefangenen Wachehielt. Als der Sergeant Rhodan und seine Begleitersah, straffte er sich unwillkürlich.

Noir blieb vor der Tür stehen. »Wann wollen Sieanfangen?« fragte Atlan hinter ihnen. Noir fixiertedie Tür, als könnte er sie mit den Augendurchdringen. Er lächelte. »Jetzt«, sagte er.

Es war der 30. September 2328.

*

Vier Tage terranischer Zeitrechnung sind fürkosmische Geschichte wenig. Sie sind fastbedeutungslos. Auch vierhundert Jahre sind für dieEntwicklung der Galaxis bedeutungslos. An Bordeines Raumschiffes jedoch sind vier Tage eine langeZeit. Gerade dann, wenn man auf irgend etwaswartet, wenn viel auf dem Spiel steht. Rhodan wußte,daß es sinnlos war, den Mutanten anzutreiben odermit gutgemeinten Ratschlägen zu unterstützen. Noirwußte genau, was er zu tun hatte. Er arbeitete soschnell es ging. Er war sehr oft in der Kabine derGefangenen. Allein. Er unterhielt sich mit ihnen überbelanglose Dinge, spielte mit Matthieu Schach undließ sich durch nichts anmerken, daß er eine Aufgabehatte. Doch die drei jungen Männer waren nichtdumm. Sie ahnten, daß der Unbekannte, der sieständig besuchte, irgend etwas von ihnen wollte. DasMißtrauen der Gefangenen wuchs. Am zweiten Tagzeigten sie zum erstenmal Anzeichen von Nervosität.Noir tat, als bemerke er es nicht. Er hockte sich zuihnen, währenddessen Turpin lauschend vor der Türstand und hoffte, etwas von den geheimnisvollenGesprächen zu hören, die in der Kabine geführtwurden. Am Abend des zweiten Tages hielt MatthieuNoir am Arm fest, als dieser den Raum verlassenwollte.

Noir blickte ihn überrascht an.»Was wollen Sie eigentlich von uns?« fragte

Matthieu barsch.Noir sagte: »Ich unterhalte Sie ein wenig, damit

die Zeit schneller für Sie vergeht.«

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Matthieu ließ ihn los.»Sie sollen uns aushorchen. Sind Sie ein

Telepath?«»Wäre ich das, müßte ich mich dann ständig zu

Ihnen setzen?« fragte Noir dagegen.»Laß ihn in Ruhe«, rief Berrings vom Bett aus.

»Du siehst doch, daß er harmlos ist. Früher oderspäter werden wir schon herausfinden, was er füreine Aufgabe hat.«

Noir lächelte verlegen, strich seine Jacke glatt undging.

»Bald«, sagte er zu Rhodan, als er die Zentralebetrat. »Bald, Chef.«

Major Telbaro schickte den ersten Bericht. DieSpezialisten der AMALDO hatten die wichtigstenUntersuchungen abgeschlossen. Es hatte einenSchwerverletzten gegeben, als sich Dr. Dedrangeüber einen scheinbar bewußtlosen Eingeborenengebeugt und einen Hieb von einem Holzschwertbekommen hatte. Sonst war es zu keinenZwischenfällen gekommen. Die Wissenschaftlerhatten festgestellt, daß die Verlangsamung deselektrischen Potentialaustausches zwischen denGehirnzellen der Eingeborenen zwar aufgehört hatte,aber trotzdem keine merkbare Steigerung derIntelligenz festzustellen war. Es schien, als hielte dieWirkung des Emotio-Strahlers vor allem bei solchenEingeborenen an, die schon lange Zeit unter seinemEinfluß standen. Für die Stupos hatte derVerdummungsprozeß zu lange angehalten. Selbstjene Eingeborenen, die zwanzig Jahre zuvorerwachsen und intelligent gewesen waren, konntensich kaum an ihre verlassenen Städte undMaschinenanlagen erinnern. Es war aussichtslos,darauf zu hoffen, daß die Stupos nach derVernichtung des Strahlers ihr altes Wissenzurückgewinnen würden. Daraus folgerten Atlan undRhodan, daß der Emotio-Strahler zweierlei Funktionausüben konnte. Bei nur kurzfristiger Tätigkeitbewirkte er eine Lahmlegung des intelligentenGehirns. Bei längerer Einwirkung auf die Hirnzellentrat eine so schwere Schädigung ein, daß an dieZurückgewinnung der ehemaligen Intelligenz,vordringlich aber an eine Zurückgewinnung des altenWissensgutes nicht mehr gedacht werden konnte.Dadurch wurde der Emotio-Strahler zu einer Waffe,die indirekt tödlich war. Das ließ das Vorgehen dergeheimnisvollen Macht gegen die Stupos nochunmenschlicher erscheinen.

»Ich kann nicht glauben, daß Menschen dieUrheber dieser Teufelei sind«, sagte Rhodan zuAtlan, nachdem sie den Bericht gehört hatten.

»Unsere Gefangenen sind aber Menschen«,erinnerte Atlan.

»Sobald Noir mit ihnen fertig ist, werden wir alleserfahren«, sagte Bully. »Dann werden wir wissen,

wer die Hintermänner dieser Aktion sind.«

*

Klick, machte der automatische Regler derFrischluftzufuhr. Mit kaum hörbarem Zischenströmte Sauerstoff in den Raum. Irgendwo regulierteein weiteres Gerät die Luftfeuchtigkeit. Die Männeran Bord der CREST atmeten die-gesündeste Luft, dieman sich vorstellen konnte. Trotzdem hätten sie einLeben in der Atmosphäre eines unberührtenSauerstoffplaneten für einige Zeit vorgezogen.Niemand in der Zentrale hörte noch die typischenGeräusche, die das riesige Schiff ununterbrochenproduzierte. Man war daran gewöhnt. Nur noch dasUnterbewußtsein nahm sie wahr. Auch das Knackender Interkomanlage war für die Besatzung etwasSelbstverständliches. Erst als Noirs Stimme erklang,horchten sie auf.

»Ich bin fertig, Sir«, meldete sich der Mutant.»Turpin ist mit den drei Männern auf dem Weg zurZentrale.«

»Sehr gut«, sagte Rhodan. »Es wird am bestensein, wenn Sie ebenfalls hierherkommen. Bringen SieBully mit.«

Vier Tage waren vergangen, seitdem der Mutantbegonnen hatte, die Widerstandskraft der Gefangenensystematisch durch einen hypnotischen Block zuzerbrechen. Vier Tage, genau wie Noir vorhergesagthatte. Nach kurzer Zeit kam der krummbeinigeWachsergeant herein. Hinter ihm wurden dieFremden sichtbar. Matthieu, Hathaway und Berrings.Der Ausdruck ihrer Gesichter hatte sich nichtgeändert. Sie kamen herein wie immer und bliebenbreitbeinig vor Rhodan und Atlan stehen. Auf deranderen Seite betrat Noir gemeinsam mit Bully dieZentrale.

»Guten Tag, Matthieu«, sagte Rhodan gelassen.»Wir haben uns vier Tage nicht gesehen.«

»Wir haben durch Ihre Abwesenheit sehr gelitten«,bemerkte Berrings sarkastisch.

Rhodan schaute kurz zu dem Hypno hinüber. Noirblinzelte mit den Augen, als wäre er von der Sonnegeblendet. Er nickte kaum spürbar. Bully durchquertedie Zentrale und postierte sich hinter Rhodan.

»Matthieu, ich kenne Ihren Namen und Ihr Alter«,begann Rhodan. »Jetzt sagen Sie mir noch, vonwelchem Planeten Sie kommen.«

»Von Plophos«, erwiderte Matthieu prompt.Im Hintergrund des Raumes begann Noir zu

lächeln. Rhodan unterdrückte das aufsteigendeTriumphgefühl.

»Wie heißt die Sonne, um die diese Welt kreist?«erkundigte sich Rhodan. »Erzählen Sie uns etwasüber dieses System.«

»Die Sonne heißt Eugaul«, berichtete Matthieu.

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»Es handelt sich um einen gelben Stern vom Typ derirdischen Sonne. Er ist 8221 Lichtjahre von der Erdeentfernt und wird von acht Planeten umkreist. Diedritte Welt, Plophos, ist eine vollkommenerdähnliche Welt.«

Matthieu schien es für vollkommenselbstverständlich zu finden, daß er diese Tatsachenausplauderte.

»Wir sind Nachkommen ehemaliger Kolonisten,die vor dreihundert Jahren von Terra auswanderten,um Plophos zu besiedeln.«

Kolonisten!Rhodan wußte, daß es keine Möglichkeit gab, sich

vor dem eben Gehörten zu verschließen. DreihundertJahre waren für intelligente Rassen eine lange Zeit.In der Zwischenzeit hatten viele Kolonien eineeigene Raumflotte geschaffen. Doch derGroßadministrator wollte nicht daran glauben, daßman technische Überlegenheit zu Unternehmungenbenutzte, wie sie auf Stup im Gange waren. Nochimmer hoffte er, daß es sich herausstellen würde, daßeine unbekannte Rasse diese Männer für ihre Zweckeausnutzte.

»Kolonisten, mein Freund«, sagte Atlan kaumhörbar. »Ich erinnere mich genau, wie der Zerfall desarkonidischen Imperiums begann. Auch wir hattenSchwierigkeiten mit anderen Rassen, aber es wurdeernst, als die ersten Kolonien von uns abfielen undihren Heimatplaneten bekämpften.«

»Noch sind wir nicht sicher«, entgegnete Rhodan.Danach wandte er sich wieder an die Gefangenen.»Für wen arbeitet ihr?« fragte er. »Welche Rasse

hat euch in der Gewalt?«»Niemand kann einen Plophoser mit Gewalt zu

etwas zwingen«, rief Matthieu erregt.»Wir arbeiten allein.«Obwohl Rhodan nicht daran zweifeln konnte, daß

der Mann nach Noirs Behandlung die Wahrheitsprach, kam ihm irgend etwas merkwürdig vor. Erhätte nicht zu sagen vermocht, was es war, aber seinsicheres Gefühl, das ihn schon oft undurchsichtigeHintergründe hatte erkennen lassen, warnte ihndavor, die Anwort Matthieus als endgültiganzuerkennen.

»Gut, Matthieu«, sagte er. »Nun zu Ihnen,Hathaway. Ich möchte, daß Sie mir bestätigen, wasMr. Matthieu uns soeben erzählt hat.«

»Er sprach die Wahrheit«, erklärte Hathaway.»Machen wir also weiter, Hathaway.«

Rhodan blickte den Plophoser ernst an.»Es würde mich interessieren, wie Sie und Ihre

Begleiter in die Station kamen, die auf dem Mond derWelt errichtet wurde, die wir mit unserem Schiffumkreisen.«

»Das ist eine lange Geschichte«, begannHathaway. »Eigentlich fing alles mit ...«

Seine weiteren Worte gingen im Schrillen derAlarmanlagen unter. Rhodan, der sich ganz auf dasVerhör konzentriert hatte, fuhr zusammen. Bevor siedie erste Bewegung machen konnten, dröhnteDanturs Stimme durch die Zentrale.

»Raumortung, Sir!«Da waren nur erfahrene Männer in der Zentrale.

Sie wußten, worauf es in einem solchen Augenblickankam. Niemand mußte zum Beispiel SergeantTurpin sagen, daß die Gefangenen und er jetztüberflüssig waren. Noch während Rhodan auf dieKontrollen der Raumortung zurannte, trat derSergeant hinter die drei Plophoser, um sie zurück indie Kabine zu bringen.

»Kugelschiffe«, stelle Dantur trocken fest.»Zwanzig, Sir. Davon drei Superriesen wie dieCREST.«

Rhodan stand bereits neben dem Epsalgeborenen.Wie kam es, daß ein Flottenaufgebot unverhofft hierauftauchte?

»Wo kommen die denn her?« erkundigte sichBully verblüfft.

Da brach das Unheil über das Flottenflaggschiffdes Vereinten Imperiums herein. Die zwanzig Schiffeeröffneten ein rücksichtsloses Feuer auf die CREST.Danach lösten sich drei aus dem Verband, rasten indie Atmosphäre des Planeten hinein und vernichtetendie AMALDO. Bevor man an Bord der CREST anGegenwehr denken konnte, wurde das Riesenschiffan dreizehn Stellen schwer getroffen. Turpin, dergerade auf die drei Plophoser zuging, schrie auf, alser einen Stoß erhielt, der ihn mitten unter dieGefangenen schleuderte, die ihrerseits den Haltverloren und zusammen mit dem Sergeanten gegenden Kartentisch taumelten.

Rhodan konnte sich am Pilotensessel festhalten,unmittelbar unter sich hörte er Dantur aufstöhnen, alssei der Epsalgeborene selbst getroffen worden. DieAlarmtafel begann zu leuchten. Ein rascher Blickzeigte Rhodan, daß in mehreren Sektoren schwereTreffer zu verzeichnen waren. Das Lineartriebwerkund die Funkzentrale gehörten mit zu den betroffenenStellen. Überall im Schiff waren jetzt dieautomatischen Feuerlöscher in Tätigkeit, ganzeTruppen von Robotern versuchten die Lecks zuschließen, die man dem Flaggschiff beigebrachthatte. Wahrscheinlich wäre die CREST auf der Stellevernichtet worden, wenn sie nicht einen soerfahrenen Kommandanten wie Kors Danturbesessen hätte.

Erstaunlich schnell erholte sich der Epsalgeborenevon dem Schock - Die Abwehrschirme wurdeneingeschaltet, und ein weiterer Feuerüberfall konntedadurch zunächst abgefangen werden. Gleich daraufbegann die CREST mit Hilfe der noch intaktenNormaltriebwerke mit wahnsinnigen Werten zu

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beschleunigen. Ohne die Andruckabsorber wäre jederMann an Bord innerhalb des Bruchteils einerSekunde getötet worden.

Die CREST schoß aus dem System vonBeaulys-Stern hinaus. Mit den Normaltriebwerkenkonnte das Schiff nicht in den Linearraumeindringen, aber Dantur konnte seineGeschwindigkeit bis unterhalb der Lichtmauersteigern. »Sie haben uns ohne Warnungangegriffen!« schrie Bully über den allgemeinenLärm hinweg. »Diese verdammten Halunken. Um einHaar wäre es ihnen gelungen, aus der CREST einenHaufen ausgeglühten Schrotts zu machen.« Auch inden Momenten höchster Gefahr blieb Bully bei seinerfarbigen Ausdrucksweise. Hathaway, der unter demKartentisch hervorgekrochen kam, versuchte Turpineinen Schlag zu versetzen. Turpin schwang sich aufden Tisch hinauf und schrie um Hilfe. Er erhielt sieunerwartet in Gestalt des Ertrusers Melbar Kasom,der durch den Haupteingang die Zentrale betrat. DerSpezialist der USO schien der einzige zu sein, der imMoment des Angriffs einen festen Stand behaltenhatte. Daß der Umweltangepaßte ausgerechnet denHaupteingang benutzte, war kein Zufall, bei seinerungeheuerlichen Schulterbreite von 2,13 Meter hätteer an allen anderen Türen Schwierigkeitenbekommen. Kasorn übersah die Lage mit einemBlick. Hathaway hatte Turpin an den Beinen gepackt,während Matthieu und Berrings auf den Sergeanteneinschlugen. Kasom knurrte. Seine rechte Handpackte Hathaway an der Hüfte und riß ihn hoch.Gleichzeitig wirbelte sein linker Arm durch die Luftund traf Matthieu und Berrings. Matthieu undBerrings schrien, als sie, scheinbar schwerelosgeworden, durch die Zentrale flogen und erst von derWand hinter den Komputern aufgehalten wurden.

Hathaway, der mit aufgerissenen Augen dasGeschehen aus einem Meter Höhe verfolgen mußte,begann vor Entsetzen zu wimmern. Kasom holte ihnmit einem Ruck dich vor sein Gesicht heran. »Nun,mein Junge?« grollte er. »Wie wäre es, wenn ihranstelle des kleinen Sergeanten einmal mich zuverprügeln versucht?« Hathaways Gesichtsausdruckließ erkennen, daß sein Bedarf an Prügeleien vorerstgedeckt war. Kasom gab ein verächtliches Brummenvon ßich und ließ Hathaway einfach fallen. Turpinrichtete sich ächzend auf der Tischplatte auf.

»Danke, Sir«, brachte er hervor und keuchteschmerzgepeinigt.

Der Ertruser winkte nachlässig ab. Inzwischenhatte Rhodan feststellen müssen, daß ein großer Teilder Besatzung gefallen war oder keine Möglichkeitmehr besaß, mit der Zentrale in Verbindung zu treten.Verschiedene Abteilungen waren von der Zentraleabgeschnitten. Die Meldungen, die zumKommandoraum durchdrangen, waren alles andere

als beruhigend. Allmählich gewann Rhodan einklares Bild vom Ausmaß der Zerstörung.

Die CREST war schwer angeschlagen. So, wie esim Augenblick aussah, würde die Flotte desVereinten Imperiums ein neues Flaggschiffbenötigen.

»Nicht gerade sehr menschenfreundlicheRaumfahrer«, bemerkte Atlan, als er sich nebenDantur in einen freien Sessel fallen ließ. »Nach derPräzision, mit der der Überraschungsangriffdurchgeführt wurde, könnte man darauf schwören,daß in den Feuerleitzentralen dieser Schiffe Terranersitzen.«

Zum erstenmal seit unzähligen Jahren, in denen siegemeinsam die Geschicke des Imperiums lenkten,fühlte sich Rhodan durch die Ironie des Freundesgetroffen.

»Noch wissen wir nicht, wie die Besatzungendieser Schiffe aussehen«, erwiderte er heftiger alsbeabsichtigt.

»Bei allen Planeten«, donnerte Danturs Stimmedazwischen. »Was ist das?«

Unmittelbar vor der dahinrasenden CREST warenzwei Kugelschiffe aufgetaucht. Sie mußtenbuchstäblich vor ihnen aus dem Linearraum gefallensein.

Sofort eröffneten sie das Feuer auf das schwerangeschlagene Schiff. Natürllich schossen sie nichtauf die Stelle, an der sich die CREST befand. Daswäre bei diesen unvorstellbaren Geschwindigkeitenkaum möglich gewesen. Die Raumfahrer in denKugelschiffen feuerten auf jene Stellen, durch die diefast lichtschnelle CREST zwangsläufig rasen mußte.Kein Kommandant, auch Dantur nicht, war in derLage, durch ein blitzschnelles Manöver den Schüssenzu entkommen.

Während das Schiff zu vibrieren begann, tobteDantur los:

»Wer kann das sein? Sie haben unsereGeschwindigkeit und unsere Bahn errechnet, dannschlugen sie los.«

»Es sind die gleichen Schiffe, die uns bereits imSystem von Beaulys-Stern angegriffen haben«, sagteAtlan. Dantur schnaubte verächtlich. »Sagen Sie mireine raumfahrende Rasse, die so etwas fertigbringt -außer uns?«

Rhodan und Atlan sahen sich an. »Ja«, sagte Atlanleise. »Wer sonst - außer euch?«

5.

Al Jiggers war klein, blond und beweglich. Aberdas war nicht das, was an ihm auffiel. Wer ihn sah,wurde unwillkürlich von seinem Gesicht angezogen.Obwohl Jiggers über vierzig Jahre alt war, wirktesein Gesicht wie das eines Kindes. Jiggers trug ein

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künstliches Gesicht. Sein echtes Gesicht war beieiner Nitro-explosion in einem Labor auf Plophoszerstört worden. Seitdem trug, Jiggers eineBioplastmaske. Nur die Augen, die waren echt. Sieleuchteten wie zwei Kristalle in seinemKindergesicht.

Weil Jiggers klein war und ein kindliches Gesichtbesaß, glaubten manche Plophoser, daß dieser Mannweich sei. Sie täuschten sich. Spätestens nach einerhalben Stunde erfuhr das jeder, der mit ihm zu tunhatte. Jiggers besaß ein Hobby. Er war Spion. Spionaus Leidenschaft, als zöge ihn die Gefahr diesesabenteuerlichen Lebens magisch an. Bisher hatteJiggers überlebt. Das bewies, daß er etwas vonseinem Fach verstand.

Jiggers war der Mann, der herausgefunden hatte,daß Perry Rhodan an Bord des FlottenflaggschiffesCREST weilte. Hätte Jiggers geahnt, daß sich auchAtlan und Reginald Bull dort befanden, sein Triumphwäre vollkommen gewesen.

Eigentlich hieß Jiggers mit Vornamen Alfred, aberso hatte ihn seit Jahren niemand mehr genannt. Sieriefen ihn Al. Sogar der Obmann rief ihn so, Al. Chefdes Geheimdienstes von Plophos war Derrigade.Derrigade lebte in ständiger Furcht, daß Jiggers ihneines Tages ablösen könnte. Jiggers hatte nieInteresse an Derrigades Arbeit bekundet, aber wenner seinem Chef gegenübertrat, lag ein eigenartigesGlänzen in seinen Augen.

Derrigade wußte, daß Jiggers vom Obmanngefördert wurde. Er wußte jedoch nicht, daß derObmann seine eigene, Derigades, Furcht ebenfallsförderte, um ihn ständig wachsam zu halten.

Es war reiner Zufall, daß Al Jiggers ausgerechnetzu dem Zeitpunkt in der Zentrale weilte, da dieNachricht von den Schiffen eintraf, daß man dasFlaggschiff des Vereinten Imperiums angegriffenhabe und nun verfolge.

»Ob Rhodan weiß, daß er von Männern verfolgtwird, die er für seine Bundesgenossen hält?« fragteDerrigade. Er fragte Jiggers ständig etwas, weil er aufdiese Weise hoffte, mehr von Jiggers Meinung überverschiedene Dinge zu erfahren. Doch Al warwortkarg.

»Keine Ahnung«, sagte er. Derrigades dickesGesicht war vor Erregung gerötet.

»Wir haben es geschafft«, sagte er mit Pathos inder Stimme. »Wir hetzen Rhodan durch die Galaxis,die er bereits als sein Eigentum betrachtete.«

»Schon möglich«, sagte Al.»Ich werde dem Obmann Bericht erstatten«,

ereiferte sich Derrigade.»Wozu?« fragte Jiggers. »Er weiß es bereits.«»Natürlich«, sagte Derrigade. »Der Obmann hält

ständigen Kontakt mit dem Flottenstützpunkt.«Jiggers stand auf. Er war etwas über 1,50 Meter

groß. Gegen Derrigade wirkte er wie ein Zwerg.»Gehen Sie nach Greendor«, sagte Derrigade.»Sobald man Rhodan gefangen hat, wird man ihndort hinbringen. Sie werden mit dem Obmann dasVerhör unseres verehrten Großadministratorsführen.«

»Ja«, sagte Al, »ich weiß.«Er ging hinaus. Derrigade atmete hörbar auf. Eines

Tages mußte er diesen Mann irgendwie ausschalten.Jiggers als Mitarbeiter zu haben, war eine zu großeNervenbelastung.

*

Da jagten sie den Stolz der Flotte vor sich her, dahetzten sie das todwunde Schiff in dieSternenzusammenballung des galaktischen Zentrumshinein. Immer wieder brachen sie aus demLinearraum hervor, so daß die CREST keineMöglichkeit besaß, sich vor den Schüssen inSicherheit zu bringen.

Eines der Riesenschiffe, das die CREST verfolgte,trug den Namen PHOENIX. Die PHOENIX führteden Verband der zwanzig Schiffe an. Con Perton, derKommandant, war gleichzeitig Oberbefehlshaber desVerbandes.

Perton war ein großer, breitschultriger Mann, mitHänden, die gepflegter als die einer Frau waren.Perton war eitel. Sein Haar trug er glatt gescheitelt.Ein Duft fremdländischen Parfüms ging von ihm aus.Der Kommandant hatte einen Grund für seineEitelkeit: Seine Fähigkeit, im entscheidendenMoment strategisch richtige Befehle zu erteilen.Perton war weich, aber seine Stellung half ihm überdiese Schwäche hinweg. Das machte ihn zu einemunangenehmen Vorgesetzten. Er wußte, daß er keinharter Mann war, aber er gab sich alle Mühe, als einsolcher zu erscheinen.

Jetzt lauerte er gespannt aus seinem Sessel heraus,ständig die eingehenden Meldungen verfolgend. DieKomputer aller zwanzig Schiffe arbeiteten pausenlos.Nicht immer, wenn ein Teil der Schiffe aus demLinearraum kam, wurde die CREST getroffen.Trotzdem war Perton zufrieden. Trotz des Könnensdes gegnerischen Kommandanten war es nur nocheine Frage der Zeit, bis das Flaggschiff kapitulierenmußte. Perton fuhr mit dem Zeigefinger über dasdünne Bärtchen auf seiner Oberlippe.

Wieder kamen sie aus der Halbraumzone, feuertenin den Raum hinein, wo Bruchteile von Sekundenspäter die CREST erschien, genau in die entfesseltenEnergien hineinrasend. Perton lächelte zufrieden.Kurz blickte er zu den Offizieren hinüber. ObRhodan wußte, daß er von Menschen durch denRaum gehetzt wurde? Von den Nachkommenterranischer Kolonisten, die auf Plophos eine neue

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Heimat gefunden hatten? Der Obmann hatte nichtdamit gerechnet, daß man ihm jetzt schon auf dieSpur kommen könnte, aber auch für diesenEventualfall war er gerüstet. Der Obmann!

Für einen Moment verlor Pertons Gesicht die zurSchau gestellte Härte. In spätestens drei Wochenmußte er, Perton, wieder das Gegengift bekommen,sonst war er zum Tode verurteilt. Perton war stolzdarauf, daß er sich dieser Prozedur von Anfang anfreiwillig unterzogen hatte - er glaubte jedenfalls, daßer es freiwillig getan hatte, denn in seinemUnterbewußtsein nagte die ewige Furcht, einmalkönnte er das Gegengift überhaupt nicht erhalten.

Perton blickte auf die Uhr. Sie glich einerterranischen fast vollkommen, aber sie ginglangsamer. Langsamer deshalb, weil Tage undNächte auf Plophos etwas länger dauerten als auf derErde.

Perton straffte sich. Nun war die PHOENIXwieder mit einem Angriff an der Reihe. Durch einenkurzen Linearflug hatte sie sich weit vor dasterranische Schiff gesetzt.

»Feuerleitzentrale!« rief Perton ins Mikrophon.»Feuerleitzentrale klar!« kam die Antwort.Perton berauschte sich an der Macht, die er besaß.

Ein Wort von ihm, ein einziges Wort, genügte, umaus den Geschütztürmen der PHOENIX Tod undVerderben speien zu lassen. Dazu mußte er nochnicht einmal selbst die Zielautomatik bedienen.

Ashton, der Pilot, gab ebenfalls seine Befehle.Gleich darauf brach die PHOENIX ins normaleUniversum ein. Hier, im Zentrum der Milchstraße,wimmelte es von Sternen. Nun kam es darauf an, obdie Komputer die richtigen Werte geliefert hatten.Davon hing es ab, ob das angeschlagene SchiffRhodans eine neue Treffserie über sich ergehenlassen mußte. Inzwischen hatten sie noch keinenFunkspruch des Flüchtlings auffangen können. Dasbedeutete, daß die Funkzentrale der CREST bereitswährend des Überfalls vernichtet worden war. Esbestand keine Gefahr, daß das Flaggschiff von einemanderen Verband Hilfe bekam. Doch Perton wußte,daß seine Aufgabe nicht mit der Vernichtung derCREST beendet war. Rhodan war unter allenUmständen gefangenzunehmen. Eine Gelegenheitwie jetzt würde sich so schnell nicht wieder bieten.Der Großadministrator durfte nicht entkommen. DerObmann war entschlossen, den Machtfaktor, den diePerson Rhodans darstellte, unter allen Umständen zuvernichten. Perton hoffte, daß alles nach Wunschverlief. Das würde seine Stellung festigen.

*

Vier große Brände wüteten innerhalb der CREST.Das Schiff würde früher oder später vollkommen

austrennen. Es glich einem funkensprühendenVulkan, der an den Grenzen derLichtgeschwindigkeit durch das Universum raste.

Trotz der hohen Fahrtstufe gelang es denVerfolgern immer wieder, durch kurze Linearsprüngein der genau berechneten Flugbahn der CREST zumaterialisieren und neue Treffer anzubringen.

Funksprüche waren unmöglich. Immer wiederschlugen schwerste Treffer die ohnehingeschwächten Schutzschirme zusammen. DieEnergieentladungen innerhalb des Schiffes bewirktenneue fürchterliche Zerstörungen.

Doch noch immer schoß das mächtige Schiffvoran, noch immer wehrten sich die Überlebendengegen die unvermeidlich erscheinende Niederlage.

Dann wurde die Zentrale von einem Volltrefferverwüstet.

*

Perry Rhodans Gesicht glich einer, Maske. KeinZucken verriet, was im Innern des Großadministratorvorging. Längst hatten sie die Notbeleuchtungeinschalten müssen. Aus allen Teilen des Schiffeskamen weitere Verlustmeldungen.

Die Hangars waren so zerstört, daß an einAussteigen mit den Beibooten nicht zu denken war.Als hätte man ihn einbetoniert, hockte Dantur im Sitzdes Kommandanten und versuchte, das Wrack vorweiteren Angriffen in Sicherheit zu bringen. WederAkonen noch Arkoniden, weder Springer noch Blueshätten es vermocht, der CREST auf ihrer Höllenfahrtzu folgen. Aber der Verband der zwanzigKugelschiffe schien mit dem Teufel im Bunde zusein.

»Ich glaube nicht, daß wir durchkommen«, sprachAtlan als erster aus, was sie alle dachten.

Rhodan war aufgestanden und zu den dreiGefangenen gegangen, die stöhnend am Boden lagen.Turpin hockte, mit dem Rücken an einen Komputergelehnt, ihnen gegenüber. Er hielt seine Waffeschußbereit und wartete offenbar nur auf eineGelegenheit zum Abdrücken.

»Matthieu!« schrie Rhodan. »Sind das IhreFreunde, Matthieu?«

Haß und Stolz leuchteten in den Augen desMannes auf. »Ja«, knurrte er mit schmerzverzerrtemGesicht. »Sie holen uns hier heraus.«

»Glauben Sie?« fragte Rhodan spöttisch. »Sielaufen ebenso wie wir Gefahr, durch einen Volltreffergetötet zu werden. Warum denken Ihre Freunde nichtdaran?«

»Vermutlich«, erwiderte Matthieu störrisch,»wissen sie überhaupt nicht, daß wir hier an Bordsind.«

Rhodan kam nicht dazu, dem Gefangenenen eine

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Antwort zu geben. Ein Lichtblitz, dem eine heftigeDetonation folgte, ließ ihn geblendet die Augenschließen. Im gleichen Augenblick wurde er von denBeinen gerissen und gegen die Wand geschleudert.Hilflos blieb er liegen, ein rasender Schmerzdurchfuhr seine rechte Hüfte. Jemand begann zuschreien, und intensiver Brandgeruch breitete sichaus. Dann wurde es stockdunkel.

»Perry!« schrie jemand. »Perry! Bist du verletzt?Die Halunken haben die Zentrale getroffen.«

Das war Bullys Stimme. Rhodan wollte antworten,doch im gleichen Augenblick stolperte jemand überseine Beine und fiel über ihn. Rhodan stemmte sichgegen den schweren Körper und kam wieder frei.Eine Stichflamme schoß von der großen Kontrolltafelherab. Augenblicklich begann es zu brennen.Flackerndes Licht erhellte die Zentrale. RhodansAugen erblickten ein Chaos. Überall krochen Männerdurcheinander. Stöhnen und Fluchen drang anRhodans Gehör. Irgendwo aus dem Innern derCREST kam ein gespenstisches Knacken. Rhodanhatte solche Situationen zu oft erlebt, um zukapitulieren.

»Perry!« schrie Bully abermals. »Wo steckst du?Wenn dir etwas passiert ist, drehe ich jedemeinzelnen dieser Verbrecher den Hals um.«

»Ich bin hier«, meldete sich Rhodan.Durch den sich rasch ausbreitenden

Flammenvorhang kam ein Mann. Es war ReginaldBull. Hinter ihm schob sich die massige GestaltMelbar Kasoms heran. Rhodan stand mühselig auf.Er begann zu husten, als er einen tiefen Atemzugmachte. Die automatischen Feuerlöscher traten nichtin Aktion. Es schien nichts mehr an Bord zufunktionieren.

»Jetzt haben sie uns erledigt«, sagte einer derMänner.

»Dantur ist tot!« rief Bully, als er sich Rhodannäherte. »Der Epsalgeborene liegt unter derSteuerautomatik begraben.«

»Nein«, sagte Rhodan erschüttert.Er konnte nicht glauben, daß der Kommandant des

Flaggschiffes, dessen Fähigkeiten und menschlicheEigenschaften sie alle hoch schätzten, nicht mehrunter den Lebenden weilte.

Rhodan schüttelte den Kopf. Er sah ein, daß er sichdie ganze Zeit vor einer bitteren Tatsacheverschlossen hatte: die Erde befand sich wieder imKriegszustand. Es herrschte Krieg. Dieauseinan-dersetzung hatte im gleichen Augenblickbegonnen, da die zwanzig Ku-gelraumer im Systemvon Beaulys-Stern aufgetaucht waren. »Ichübernehme das Kommando über die CREST«, gabRhodan bekannt. »Wir werden einen letzten Versuchunternehmen, den Angreifern durch eine Notlandungzu entkommen.« Die Zentrale war verloren. Die

Männer mußten vor dem Feuer flüchten. Ihr Ziel wardie Behelfszentrale. Rhodan hoffte, daß er von dortaus das Flaggschiff noch einmal unter Kontrollebringen konnte. Sie mußten es schaffen, inmitten desSterngewimmels einen Planeten zu finden, auf demsie notlanden konnten. Kasom verließ als erster denKommandoraum. Auch Turpin und zwei derGefangenen waren tot. Lediglich Matthieu lebte nochund hinkte hinter den Überlebenden her.

Rhodan war überzeugt davon, daß es überall imSchiff noch Gruppen gab, die sich an sichere Stellendurchschlagen würden. Der Hauptgang, den siebetraten, zeigte noch keine Spuren der Zerstörung. Inverschiedenen Seitengängen brannte es, aber hierwaren die Feuerlöscher noch intakt. ZweiAntigravlifte waren nicht mehr zu benutzen, aber derdritte, an dem sie vorüberkamen, funktionierte noch.Wie erwartet, fanden sie die Behelfszentraleunzerstört. Etwa dreißig Männer drängten sich bereitsin dem verhältnismäßig kleinen Raum, als Rhodanmit seinen Begleitern ankam. Sie zeigten beiRhodans Erscheinen keine Begeisterung, aber inihren Blicken wurde neue Hoffnung wach. Rhodanerteilte sofort Befehle, um die Männer aus ihrerResignation zu reißen.

Wieder wurde die CREST schwer erschüttert, füreinen Augenblick erlosch die Beleuchtung. Als eswieder hell wurde, versuchte Rhodan, mit deneinzelnen Abteilungen des Schiffes über InterkomVerbindung aufzunehmen. Die Hangars, dieFeuerleitzentrale und das Bordobservatoriummeldeten sich nicht. Auch der Hauptraum desLineartriebwerks blieb stumm.

Von der Verladeschleuse aus meldete sich einFähnrich Caneiro.

»Ein Glück, daß noch jemand lebt, Sir«, stöhnteder Mann. »Ich bin vom Feuer eingeschlossen. AlleLöschgeräte sind außer Betrieb. Wenn mich nichtbald jemand herausholt, bin ich verloren.«

Die Verladeschleuse war fünfhundert Meter vonder Behelfszentrale entfernt. Es war unmöglich,diesen Mann rechtzeitig zu befreien.

»Wir werden eine Notlandung riskieren,Fähnrich«, verkündete Rhodan. »Sie müssen bis zudiesem Zeitpunkt ausharren.«

In der Stimme des jungen Offiziers klang Panikauf, als er antwortete:

»So lange kann ich hier nicht warten. Das Feuerkommt immer näher. Die Hitze wird allmählichunerträglich. Haben Sie keinen Mutanten in derZentrale, der mich hier herausholen könnte?«

»Nur einen Hypno«, sagte Rhodan leise.»Teleporter befinden sich nicht an Bord.«

Eine Weile war es still, sie glaubten das Knisternund Prasseln der Flammen durch den Lautsprecher zuhören.

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»Ich bin dreiundzwanzig Jahre alt, Sir«, sagteCaneiro schließlich. »Ich will noch nicht sterben. Ichsehe keinen Sinn darin, Sir. Wofür oder für wen sollich sterben?«

»Haben Sie einen Schutzanzug dort in derSchleuse?« fragte Rhodan.

»Sicher«, antwortete Caneiro. »Aber ich binringsum vom Feuer eingeschlossen und weiß nicht,wie ich ihn erreichen kann.«

»Ich werde ihn herausholen«, sagte eine tiefeStimme hinter Rhodan.

Rhodan unterbrach die Verbindung zurVerladeschleuse und wandte sich nach MelbarKasom um. Die sichelförmige Haarlocke desErtrusers klebte schweißnaß in der Stirn.

»Er ist verloren, Kasom«, sagte Rhodan. »Es istsinnlos, daß Sie Ihr Leben riskieren.«

Der USO-Spezialist war schon an der Tür. »Atlanist der Chef der USO, Sir«, sagte er. »Er hat keineEinwände erhoben.« Schon war er draußen. Atlanversuchte zu lächeln.

»Laß ihn gehen, Perry«, meinte er. »Er kann esvielleicht schaffen.«

Rhodan schaltete die Verbindung zurVerladeschleuse wieder ein.

»Caneiro!« rief er.»Ja«, kam die Antwort. »Was wollen Sie noch?«»Es ist jemand unterwegs, um Ihnen zu helfen.«»Danke, Sir«, sagte der Fähnrich matt. Sieben

Minuten später machten sie ein Sonnensystem mitfünf Planeten aus. Die zweite Welt schien am ehestenihren Anforderungen gerecht zu werden.

Nur noch zögernd folgte die zerschossene CRESTden Impulsen aus der Notzentrale. Die Verfolgerhatten anscheinend erkannt, was Rhodan vorhatteund stellten den Beschuß ein. Rhodan ließ sichdadurch jedoch nicht täuschen. So leicht würde sichder Gegner nicht abschütteln lassen. Nach derNotlandung würde es um Sekunden gehen. Wenn sienicht schnell genug die CREST verlassen und einsicheres Versteck finden konnten, waren sie denUnbekannten ausgeliefert. Das Flaggschiff, daspraktisch nur noch ein Wrack war, schoß in dasunbekannte System hinein. Rhodan war sich darüberim klaren, daß er keine herkömmliche Landungdurchführen konnte. Die Triebwerke sprachen kaumnoch an. Auch die Antigravfelder waren ausgefallen.Die CREST würde gleich einem Kometen auf derOberfläche eines Planeten aufschlagen. Ihre einzigeHoffnung waren die Andruckabsorber. Solange dieNeutralisatoren noch arbeiteten, hatten sie eineChance, den Aufprall zu überstehen. KeinRaumschiffkommandant hätte Rhodan um seineAufgabe beneidet. Doch der Großadministrator warentschlossen, die Überlebenden der Besatzung zuretten. Da außer ihm noch Atlan, Bully und weitere

wichtige Personen an Bord waren, mußte ihreventueller Tod zu einem Chaos innerhalb desVereinten Imperiums führen. Das wollte Rhodanunter allen Umständen vermeiden. Wenn es demGegner gelang, sie zu töten oder in Gefangenschaftzu bringen, hatte dieser mit einem Schlag allesvernichtet, was Rhodan und seine Freunde seitGenerationen mühsam aufgebaut hatten. Der große,hagere Mann in der Behelfszentrale der CREST warungehalten. Daran wollte er jetzt noch nicht denken.Solange das 1500 Meter durchmessende Wrack nochflugfähig war, solange noch ein einziger Mann in derLage war, es zu kommandieren, würde er nicht darandenken, vor den Verfolgern zu kapitulieren. Niemandmußte Rhodan sagen, welche psychologischeWirkung die Vernichtung der CREST haben würde.Der Triumph würde den Gegner zu großen Tatenanspornen, während die Pessimisten im Lager desVereinten Imperiums sofort den Untergang desSternenreiches prophezeien würden. Schwerfälligschlug das Wrack eine andere Richtung ein. Niemandstörte Rhodan bei seiner schweren Aufgabe. Atlanund Bully hatten - den Befehl über den Rest derMannschaft übernommen. Immer mehr Männerversammelten sich in der Notzentrale, die mit ihrenAbsicherungen der einzige Platz war, der imAugenblick nicht gefährdet zu sein schien.

Dreiunddreißig Minuten nach Entdeckung desPlanetensystems sagte Rhodan gelassen wie immer:»Fertigmachen zur Notlandung! Alle flugfähigenKampfanzüge, die auf zu treiben sind, müssenverteilt und angezogen werden. Sofort nach demAufprall verläßt jeder Überlebende die CREST durchdie Polschleuse.« Da kam Melbar Kasom herein.Über seiner mächtigen Schulter hing ein Bündel.Vorsichtig legte der Ertruser die Last in einem Sesselab. Langsam richtete er sich auf. Seine Stimme klangwie ein Fanfarenstoß. »Er lebt«, sagte Kasom.

*

Perton betrachtete sein Gesicht, das sich in derpolierten Oberfläche des Kartentisches spiegelte. Erstudierte es genau, bis er eine Mimik herausgefundenhatte, die er für eindrucksvoll hielt. Dann wandte sichPerton an die Offiziere.

»Wir haben sie da, wo wir sie haben wollen«,sagte er nachlässig. »Sie setzen zur Notlandung aufeinem dieser fünf Planeten an.«

»Hoffentlich explodiert das Schiff nicht dabei«,meinte Ashton.

»Das wäre sehr bedauerlich«, gab Perton zu.»Aber ich hoffe, daß unser Freund Rhodan diesenSchrotthaufen einigermaßen sicher auf dieOberfläche bringen wird.«

»Sofern er überhaupt noch am Leben ist«, warf

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Brunticker ein. Perton streichelte sein Bärtchen. Erblickte Brunticker durchdringend an. Er liebte esnicht, wenn seine Offiziere Einwände erhoben, aberer hatte es bisher noch nicht erreicht, daß sie esunterließen. Auch jetzt schien Brunticker durchPertons Blick keineswegs eingeschüchtert zu sein.»Wie werden wir vorgehen, wenn die CRESTgelandet ist?« fragte Ashton.

»Wir verfolgen sie«, sagte Perton. »Sobald wirwissen, welchen Planeten sie sich ausgesucht haben,umkreisen wir die betreffende Welt und warten ab,wie die Notlandung ausgeht. Sollte es Anzeichendafür geben, daß ein Teil der Besatzung der CRESTden Aufprall, der zu erwarten ist, überlebt, gehen wirsofort nieder und suchen das betreffende Gebietsorgfältig ab. Auch das Wrack wird untersucht. DieWahrscheinlichkeit, daß uns jemand entkommt, istdabei mehr als gering.«

»Werden wir Beiboote aussetzen?« erkundigte sichVarringer.

»Ja, Leutnant«, gab Perton zur Antwort. »Sobaldes sich als nötig erweist, werde ich den Befehl geben,einige Suchtrupps zusammenzustellen. Wo immersich die Schiffbrüchigen verkriechen sollten, wirwerden sie alle finden.«

Brunticker räusperte sich. »Was geschieht mitihnen, wenn sie in unseren Händen sind?«

Perton lächelte zynisch. »Wir können keineunwichtigen Männer brauchen«, sagte er. »DerObmann wünscht Gefangene, aber er ist nicht daraninteressiert, jeden Kadett vorgeführt zu bekommen.Denken Sie bitte daran, meine Herren. Nur wichtigePersönlichkeiten sind festzunehmen.«

»Und die anderen?« fragte Brunticker, der esanscheinend genau wissen wollte. Perton schwieg.Dann kehrte er zum Kommandosessel zurück. DasSchweigen war deutlicher als alle Worte. Con Perton,der Kommandant des zwanzig Schiffe starkenVerbandes, hatte soeben einige hundert Terraner zumTode verurteilt. Er hatte es im Auftrag des Obmannsgetan.

Aber das machte keinen Unterschied.

*

Ein Phantom aus glühendem Stahl schoß aus derDunkelheit des Raumes in die Atmosphäre desPlaneten hinein. Die Luft war dünn, aber bei derungeheuren Geschwindigkeit der CREST besaß sietrotzdem eine Bremswirkung. Innerhalb vonSekunden zog die CREST einen feurigen Schweifhinter sich her. Ein Hangar wurde aufgesprengt, dieausgeglühten Beiboote fielen heraus, wieSamenkörner aus einer überreifen Frucht. KeinMensch, der das gewaltige Schauspiel von derOberfläche aus verfolgt hätte, würde geglaubt haben,

daß es in diesem abstürzenden Giganten noch Lebengab. Und doch war es so. Die Männer, die dieSchlacht im Weltraum überlebt hatten, klammertenich irgendwo fest und erwarteten den Aufschlag. Dergrößte Teil von ihnen trug flugfähige Schutzanzüge.Ununterbrochen gab es in der CREST Explosionen.Das Schiff kapitulierte ständig ganze Wagenladungenvon Einzeiteilen in die Luft. Relais, Zahnräder,Nieten, Laschen, Verstrebungen, Platten, Metall undGlasbrocken wirbelten wie Konfetti durcheinander.Es schien, als wollte sich das Schiff noch in seineBestandteile auflösen, bevor es überhaupt den Bodenerreichte. Je tiefer die CREST kam, destodurchdringender wurde das Pfeifen, das sie auf ihremHöllenflug erzeugte. Die komprimierte Luft schienzu dröhnen.

In der Behelfszentrale hörten die Männer nichtsdavon. Kurz bevor sie in die Atmosphärevorgestoßen waren, hatte Rhodan über Interkom nocheinmal alle Stationen angerufen, um sich eventuellÜberlebenden verständlich zu machen.

Sein Befehl lautete, daß jeder, der sich nochbewegen konnte, sofort nach der Notlandung dasSchiff verlassen mußte. Keine Gruppe durfte mehrals zehn Mann umfassen. Diese Gruppen hatten sichin verschiedenen Richtungen vom Wrack abzusetzen.

Damit wollte Rhodan erreichen, daß der Gegner,sofern er an eine Verfolgung dachte, seine Kräfte beider Suche zersplittern mußte. Wenn sie den Aufprallüberhaupt überlebten, stand wahrscheinlich einheftiger Krieg auf der unbekannten Welt bevor.Rhodan wußte, daß kleine Gruppen, die gutbewaffnet waren, schwer anzugreifen waren. Mehrkonnte er im Augenblick für die Sicherheit derÜberlebenden nicht tun. Die Gefahr, daß die CRESTwährend oder kurz nach der Landung explodierenwurde, war größer als die einer Verfolgung durch denFeind.

Das Schiff war kaum noch zu kontrollieren. Nachwie vor liefen die Andruckneutralisatoren mitVollast, aber das Normaltriebwerk war inzwischenebenfalls ausgefallen. Die Antigravfelder waren trotzwiederholter Bemühungen nicht angelaufen.

Rhodan kam sich wie ein Mann vor, der auf einerSteinlawine ins Tal rast und den sinnlosen Versuchunternehmen will, die wilden Gewalten zu bremsen.Er war nicht in der Lage, das Schiff an einerbestimmten Stelle zu landen.

*

Die CREST schlug in einem spitzen Winkel aufder Oberfläche des Planeten auf. Das Wrack desmächtigen Schiffes bohrte sich in die Kruste derfremden Welt und schuf einen gigantischen Krater.Die Wirkung einer Bombe hätte nicht fürchterlicher

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sein können. Der Boden begann zu vibrieren, und dieAufschlagstelle war sofort in Rauch und Flammengehüllt.

Das Flaggschiff war in einer ausgedehnten Ebeneniedergegangen, die zwischen einer unübersehbarenWüste und einem flachen Gebirgs-zug lag. Es warTag. Eine hellgelbe Sonne brannte auf das Landherab und trocknete den Boden aus. Am Rande derWüste zeigten sich nur schwache Spuren einerkärglichen Vegetation. Zum Gebirge hin nahm derPflanzenwuchs zu, riesige Kakteen bildeten eineundurchdringliche Mauer zwischen den Bergen undder Ebene, die allmählich in die Wüste überging. DasSchiff war fast bis zur oberen Polkuppel im Bodenversunken. Tonnen aufgewühlter Erde waren in dieLuft geschleudert worden und senkten sich nun wieein dichter Vorhang auf die Aufschlagstelle herab.An verschiedenen Stellen war der Sand glasiert. DerKrater, den die CREST gebohrt hatte, wirkte wie eineriesige, schwarze Narbe. Stichflammen undExplosionen ließen den aufgewühlten Boden nichtzur Ruhe kommen.

Hoch über der Unglücksstelle hatte sich eineRauchwolke gebildet, die vom schwachen Wind, dervon den Bergen kam, über die Wüste getriebenwurde. Zischen und Brodeln erklang, als einer derriesigen Flüssigkeitstanks der CREST zerbarst undWasser über glühende Metallteile lief. Heißer Dampfstieg auf, vermischte sich mit Rauch und Staub,wurde eins mit der Dunstglocke über dem Schiff.

Eine Gruppe von Kampfrobotern quoll aus einemLeck neben der Polkuppel. Die Maschinen warendurch die Hitze schwer beschädigt, ihrepositronischen Gehirne gaben nur noch schwacheImpulse ab. Drei Roboter stürzten in den Kraterhinab, einer blieb direkt am Leck hängen, seineWaffenarme zuckten hilflos. Vier schafften es, aufdie Polkuppel hinaufzuklettern. Von Rauch undFlammen eingehüllt, standen sie dort, dunkleGestalten, die trotz ihrem bevorstehenden Endemenschenähnlicher wirkten als jemals zuvor. Einerder Roboter begann sich plötzlich im Kreis zudrehen, zunächst langsam, dann immer schneller.Sein grotesker Tanz endete, als er abrutschte undnach unten fiel, es gab einen dumpfen Laut, als er mitganzer Wucht auschlug, in zwei Hälften zersprangund in der Tiefe verschwand.

Das schien das Signal für die drei anderen zu sein,ihre Unbeweglichkeit aufzugeben. Wie auf eingeheimes Kommando hin begannen sie aufeinanderzu schießen. Zwei explodierten, der dritte überschlugsich und blieb an einer Verstrebung hängen.

Dann erschien eine andere Gestalt auf derPolkuppel. Sie war groß und breit. Sie schien sich indem Chaos gut zurechtzufinden. Nachdem sie sichnach allen Seiten umgeblickt hatte, kehrte sie zur

Einstiegluke zurück und beugte sich hinab.»Kommt heraus, bevor das Wrack explodiert«,

sagte Melbar Kasom.

*

Trotz der Abdruckneutralisatoren war der Aufprallfür die Männer in der Behelfszentrale fürchterlichgewesen. Rhodan und Atlan war es gelungen, dieausbrechende Panik sofort einzudämmen. So schnelles ging, bahnten sie sich einen Weg zur Polkuppel.Oft mußten sie sich einen Durchgang freischießen,um überhaupt weiter voran zu kommen. Kasom, derertrusische Riese, ging an der Spitze. Zu RhodansÜberraschung stießen sie immer wieder aufÜberlebende, die sich ihnen anschlossen. Rhodanschätzte, daß etwa dreihundert Mann die Notlandungüberlebt hatten. An die Verletzten wollte er jetztnicht denken. Vielleicht gab es später eineMöglichkeit, ihnen zu helfen. Der Gegner warerbarmungslos, er hatte deutlich gezeigt, daß er keineGande üben würde.

*

Das Schiff war vollkommen zerstört. Jetzt, da erdas Ausmaß der Vernichtung sehen konnte, erschienes Rhodan wie ein Wunder, daß sie noch am Lebenwaren. Schließlich erreichten sie die Einstiegsluke ander Polkuppel, die für Notfälle angebracht war.Kasom ging zuerst hinaus. Die anderen wartetenungeduldig, bis er zurückkam. Draußen erwartete sieeine unbekannte Welt mit vielleicht ungeahntenGefahren. Hinzu kam noch die Wahrscheinlichkeit,daß sie verfolgt wurden. Rhodan hoffte, daß derGegner glaubte, daß die letzten Überlebenden beidem Aufprall ums Leben gekommen waren. Kasomsmächtige Gestalt erschien in der Luke. »Kommtheraus, bevor das Wrack explodiert«, sagte er.

»Sie sind aufgeschlagen«, sagte Ashton. »Ichglaube, daß wir uns jede Suche ersparen können.Dort unten lebt niemand mehr.«

»Sind Sie wirklich so sicher?« fragte Con Perton.»Wir werden uns persönlich davon überzeugen.« Diezwanzig Schiffe des Obmanns hatten eine Kreisbahnum den Planeten geschlagen, auf der die CRESTnotgelandet war. Die Ortungs undBeobachtungsgeräte hatten den PlophosernAufschluß über den Aufprall des terranischenSchiffes gegeben. Perton wußte, daß dieWahrscheinlichkeit, daß er Rhodan noch lebendvorfinden würde, mehr als gering war. Wenn jedochdie Andruckneutralisatoren der CREST nochgearbeitet hatten, bestand die Möglichkeit, daß esÜberlebende gab. Der Planet, den sie umkreisten,besaß eine dünne, aber atembare Atmosphäre. Große

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Wüsten bildeten den Hauptteil seiner Oberfläche. Inden Polgegenden gab es auch kleine Meere.Gebirgszüge unterbrachen die fast allesbeherrschenden Wüsten. Dort gab es Vegetation, aberkeine Spuren tierischen Lebens. Die Täler, diezwischen den Bergen eingebettet lagen, schienenfruchtbar zu sein. Wenn es auf der CRESTÜberlebende gab, würde eines dieser Täler ihr Zielsein.

Perton wußte, daß sich die Besatzung der CRESTschnell in Sicherheit bringen würde. Die Fluganzügebefähigten diese Männer, ohne Verzögerung einenanderen Ort aufzusuchen. Perton zweifelte jedochkeine Sekunde daran, daß es ihnen gelingen würde,jeden Überlebenden zu finden. Da keine Gefahrbestand, daß ein Flottenverband des VereintenImperiums hier auftauchen würde, hatten siegenügend Zeit, um eine großangelegte Suche zubeginnen. Ein Teil der Offiziere hielt eineUntersuchung der Aufschlagstelle für sinnlos, aberPerton war entschlossen, ihre geringe Chance,Rhodan in Gefangenschaft zu bringen, auszunutzen.Con Perton gab fünf Schiffen den Befehl, weiter umdiese Welt zu kreisen. Damit wollte er sich gegenjede Überraschung absichern. Der größte Teil desVerbandes wurde jedoch zur Landung aufgefordert.Auch Pertons Schiff sank der Oberfläche entgegen.Angespannt beobachtete der Plophoser dieBildschirme. Bald konnte er die Aufschlagstelledeutlich sehen. Es war ein dunkler Fleck in dergelb-farbenen Oberfläche. Ein Schatten hing darüber,der sich bis in die Wüste erstreckte. Pertonvermutete, daß dies eine riesige Rauchwolke war. Jetiefer sie kamen, desto unwahrscheinlicher erschienes ihm, daß dort unten noch jemand am Leben war.Perton sah, daß sich die CREST förmlich in denBoden gebohrt hatte. Was von dem Schiff noch zusehen war, stand in Flammen.

Ashton, der die Landung der PHOENIX ausführte,schaute Perton spöttisch an. »Sehen Sie selbst, Sir«,sagte er. »Das Schiff steckt fast bis zur Polkuppel imBoden. Es ist vollkommen ausgebrannt. Ich wunderemich, daß es noch nicht explodiert ist.«

»Werden wir trotzdem landen, Sir?« fragteLeutnant Brunticker.

»Natürlich«, erwiderte Perton arrogant. »GebenSie einen entsprechenden Befehl an die anderenSchiffe, Varringer.«

Ashton lächelte unmerklich. Die fünfzehn Schiffelandeten in einem weiten Kreis um das Wrack derCREST. Perton ließ sofort Analysen der Atmosphärevornehmen. Die ersten Beboachtungen schienenjenen Offizieren recht zu geben, die glaubten, daßkein Mensch das Unglück überstanden hatte. Diehochwertigen Geräte der Schiffe suchten die gesamteUmgebung ab, aber es zeigten sich keine Anzeichen,

daß es hier Überlebende gab.Perton schickte einen Robot-Löschtrupp zum

Wrack der CREST. Er gab den Befehl, daß dieRoboter ins Schiff eindringen und nach Verletztensuchen sollten. Während die Roboter abrückten,erhielt Perton das Ergebnis der atmosphärischenUntersuchungen. Die Wissenschaftler an Bord hattenfestgestellt, daß die Luft atembar war. »Daserschwert unsere Aufgabe«, sagte Perton. »Notfallskönnen die Männer des Imperiums auch ohneSchutzanzug hier leben.« Perton gab den Befehl, daßvon jedem Schiff aus ein Beiboot starten sollte. Erselbst begab sich zum Hangar, um an der Sucheteilzunehmen. Ashton und Brunticker begleiteten ihn.Als Perton von der Hangarschleuse aus zum Wrackder etwa tausend Meter entfernten CRESThinübersah, kam ihm zum erstenmal voll zumBewußtsein, was ihm gelungen war. Er hatte PerryRhodan in offener Schlacht geschlagen.

Es hatte sich herausgestellt, daß die plophosischenSchiffe nicht schlechter als die terranischen waren.Und die Besatzungen?

Perton lächelte amüsiert, als er in das Beibooteinstieg. Jeder Plophoser konnte es mit einemTerraner aufnehmen. Die straff organisierteMilitärmacht des Obmanns konnte das VereinteImperium zerschlagen. Sie konnte die Vorherrschaftder Terraner zerbrechen. Der Obmann hatte erkannt,daß die eigentliche Schwäche Rhodans die ungeheureAusdehnung des Imperiums war. Hinzu kamen dieständigen Schwierigkeiten mit den verbündetenRassen. Nur die Posbis hielten treu zu den Terranern.Der Obmann mußte nicht mit solchenSchwierigkeiten kämpfen. Sein Konzept war klar.Perton ließ sich auf seinen Platz niedersinken. DerObmann hatte eine todsichere Methode, sich derTreue seiner wichtigsten Mitarbeiter zu versichern.Perton kannte diese Methode aus eigener Erfahrung.

Als er die Pforte öffnete, übersprühte ihn derKaktus mit Säure, doch Toermlin hatte damitgerechnet, seine Behausung im Reizzustandanzutreffen und schon vor seinem Eintreten denSchutzschirm aufgefaltet. Geduldig wartete er, bis dieSäuredusche abklang. Er zog den Pfropfen aus demAbfluß, so daß die stinkende Flüssigkeit ablaufenkonnte. Schließlich war der Kaktus erschöpft.Toermlin legte den Schutzschirm ab und warf ihnachtlos in eine Ecke. Wie Toermlin erwartet hatte,war der Zugang zum Hauptschacht durch dieunheimliche Erschütterung eingestürzt. Jetzt mußte ersich entweder einen neuen Zugang graben oder dieNacht abwarten. Während der Nacht konnte er denWeg zum Haupteingang ungefährdet an derOberfläche zurücklegen. Vorsichtig umgingToermlin eine Säurelache am Boden. DieErschütterung hatte den Kaktus ungewöhnlich erregt,

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Toermlin konnte sich nicht erinnern, daß seineBehausung ihn jemals mit einer derartigenSäuremenge übersprüht hatte.

Toermlin zog das Kaktusfleisch aus dem Gucklochund spähte in die heiße Ebene hinaus. Noch immerzogen Rauchwolken über den Horizont. Irgend etwasSchreckliches war passiert. Noch wußte er nicnt, wiesehr die anderen Behausungen durch dieErschütterung zu Schaden gekommen waren. DerHaupteingang hatte bestimmt standgehalten. DieAlten waren in den Höhlen der Berge.Wahrscheinlich hatten sie überhaupt nichts von denrätselhaften Ereignissen bemerkt. Toermlin fragtesich, warum die Jaikas noch nie auf den Gedankengekommen waren, einfach tiefe Löcher in den Bodenzu graben. Auf diese Weise wäre es ihnen vielleichtgelungen, den einen oder anderen Teper zu fangen.Toermlin grunzte verächtlich. Die Jaikas warenstumpfsinnige Tiere, die irgendwann einmalaussterben würden. Stundenlang hockten sie vor denKakteen und warteten, daß ein Teper herauskam. DerTeper aber beboachtete sie durch die Gucklöcher, dieer in seine Behausung gebohrt hatte und dachte nichtdaran, sich leichtsinnig in die Nähe der Raubtiere zubegeben. Von den Bergen führte ein ganzes Systemunterirdischer Gänge zu den Kakteenfeldern. DieTeper brauchten die Kakteen, denn aus ihnen stelltensie alles her, was sie zum Leben benötigten. Zwarhatten sie schon versucht, Kakteen in den Tälernanzupflanzen, aber in dem fruchtbaren Bodengediehen die Wüstengewächse eigenartigerweisenicht. Toermlin fragte sich, wieviel Generationen esher sein mochte, da der erste Teper festgestellt hatte,daß die Kakteen in einem bestimmten Alter einenHohlraum besaßen, den man leicht erreichen konnte,wenn man von der schwachen Wurzel aus einenGang in den betreffenden Kaktus trieb.Wahrscheinlich waren die ersten Teper, die denHohlraum erweitern wollten, um darin Sicherheit vorden Jaikas zu finden, schwer erkrankt, denn siebesaßen noch keine Schutzschirme, um sich vor derSäure abzusichern, die gereizte Kakteen in denHohlraum fließen ließen. Gedankenverloren schauteToermlin in die Wüste hinaus. Da sah er sechsGestalten aus dem Rauch auf sich zufliegen. Er kniffdas Auge zu, weil er glaubte, einer Sinnestäuschungzum Opfer gefallen zu sein.

Doch als er wieder aus dem Guckloch blickte,waren die sechs Gestalten noch immer in der Luft, sieschwebten über das Kakteenfeld dahin. Toermlinverlor vor Schreck fast das Bewußtsein. Selbst imVergleich zu den Jaikas waren diese Wesen dick undgroß. Es war Toermlin ein Rätsel, wie sie sich in derLuft halten konnten. Es mußten Götter sein, mächtigeGötter, oder Dämonen, die einem rauchenden Lochim Wüstenboden entstiegen waren. Toermlin grunzte

erbittert. Schöne Götter waren das, die bei ihremAuftauchen ganze Schächte zum Einsturz brachten.Die Sage berichtete, daß Götter auf einem Lichtstrahlzu erscheinen pflegten, helle, lichtdurchfluteteWesen, die die Teper mit Wohltaten überschütteten,Toermlin watschelte zitternd durch die Behausung.Er verstopfte den Abfluß und verließ den Kaktusdurch die Pforte. Behende ließ er sich zur Wurzelhinabgleiten. Von dort betrat er den Zugang zumHauptschacht. Er kam ein gutes Stück ungehindertvoran, dann erreichte er die Einsturzstelle.Wahrscheinlich war er nicht als einziger von denHauptschächten abgeschnitten. Er hätte damitbeginnen können, den Zugang freizulegen, aber ohneUnterstützung war das eine schwere Arbeit.Außerdem bestand die Gefahr, daß ein Großteil derLuftlöcher nicht mehr existierte. Nein, er mußte dieNacht abwarten. Nachts war er vor den Jaikas sicher,die sich dann frierend in ihre Schlupfwinkelverkrochen. Einen Augenblick blieb Toermlin in derDunkelheit des Ganges hocken. Er fragte sich, ob dieAlten eine Erklärung für diese seltsamen Götterhaben würden. Wütend dachte er daran, wie sie dortoben in ihren Höhlen hockten, dick und faul, nur vorsich hindösend und darauf wartend, daß man siefütterte. Toermlins einziger Trost war, daß auch erirgendwann einmal zu den Alten gehören würde. Erkehrte in den Kaktus zurück, wich den wenigenTropfen Säure, die die Pflanze noch zu produzierenimstande war, geschickt aus und kauerte sich vordem Guckloch nieder. Die sechs Götter flogen jetztunmittelbar über seine Behausung hinweg, ihr Zielwaren offensichtlich die Berge. Wahrscheinlichwollten sie zu den Alten in die Höhlen. Als dieGötter außer Sicht gekommen waren, wandte sichToermlin von seinem Beobachtungsplatz ab. MitHilfe seiner scharfen Vorderkrallen riß er ein StückFleisch aus dem Kaktus und begann es zu verspeisen.Ging Toermlin aufrecht, was nur in den seltenstenFällen geschah, erreichte er eine Größe von einemMeter. Sein schlanker Kopf, der rüsselförmig auslief,wurde von einem großen Auge beherrscht. ToermlinsKörper war mit einem borstenartigen, dunklen Pelzgeschützt.

Wahrscheinlich hätte die Rasse der Teper niemalsIntelligenz entwickelt, wenn sie die Jaikas nicht dazugezwungen hätten. Die Jaikas waren große,eidechsenähnliche Raubtiere, die mit ihren scharfenZähnen und ihrem harten Panzer ein unbesiegbarerGegner waren. Notgedrungen fingen die Jaikas auchandere Tiere, aber sie bevorzugten noch immer dieTeper und warteten oft stumpfsinnig ganze Tagevergebens vor einer Höhle oder einem Kaktus.Trotzdem kam es immer wieder vor, daß ein Teperden Raubtieren zum Opfer fiel. Schmatzend beendeteToermlin seine Mahlzeit. Zwar wünschte er die

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Nacht herbei, aber gleichzeitig befiel ihn eineUngewisse Furcht bei dem Gedanken, daß dortdraußen Götter oder Dämonen ihr Unwesen trieben.Kurze Zeit darauf wurde Toermlin von seltsamenGeräuschen aufgeschreckt, die ihn seinenBorstenpelz sträuben ließen. Hastig ging er zumGuckloch. Was er sah, ließ ihn mit einem Satzzurückweichen. Dort draußen flogen Kugeln durchdie Luft, Kugeln, die so groß waren, daß sie dieSonne verdunkelten. Toermlin preßte sich dichtgegen den Boden und begann vor Furcht undEntsetzen zu wimmern.

7.

Rhodan vermied es, zur Aufschlagstellezurückzublicken. Zusammen mit Atlan, Bully,Kasom, Noir und Fähnrich Caneiro flog er über dasausgedehnte Kakteenfeld dahin. Die Überlebendenhatten sich in mehrere Gruppen geteilt, die in allenHimmelsrichtungen davonflogen. Die meisten derKakteen unter ihnen waren über drei Meter hoch undhatten an der dicksten Stelle einen Durchmesser vonzwei Metern. Dazwischen wuchsen kleinerePflanzen. Allmählich kamen sie näher an die Bergeheran. Rhodan ließ die Gruppe absichtlich dicht überdem Boden fliegen. Da sie damit rechnen mußten,daß feindliche Schiffe hier auftauchten, war essicherer, wenn sie sich sofort in Deckung begebenkonnten. Die Stimmung der Schiffbrüchigen warschlecht. Lediglich Atlan schien die Ereignisse miteiner gewissen Gelassenheit zu ertragen. Bully flogmit finsterer Miene am Schluß der Gruppe. Kasomsah aus, als wollte er Selbstmord begehen, undCaneiro wirkte blaß und übermüdet. Sogar Noir hatteseinen gemütlichen Gesichtausdruck verloren.Rhodan wußte, daß die kleinen Sendeanlagen, die siemit sich führten, nicht ausreichten, um die weitentfernten terranischen Stützpunkte um Hilfe zurufen. Wenn nicht zufällig ein Wachschiff in dieserGegend der Galaxis aufkreuzte, waren sie dazuverurteilt, ihr Leben auf dieser Welt zu verbringenoder darauf zu warten, daß die Plophoser landeten,um sie zu töten oder gefangenzunehmen. »Ichglaube, daß es hier auch Tiere gibt«, sagte Atlan.»Verschiedentlich konnte ich Bewegungen unter unswahrnehmen. Wenn unsere Nahrungskonzentrateaufgebraucht sind, brauchen wir also nicht zuverhungern.«

»Das klingt, als würdest du damit rechnen, daß wirfür längere Zeit auf dieser Welt bleiben müßten«,sagte Rhodan.

»Das ist durchaus möglich, aber ich denke, daßunsere Verfolger in absehbarer Zeit hier auftauchenwerden.«

»Der Arkonide scheint genau zu wissen, was die

Plophoser vorhaben«, mischte sich Bully ein.»Es sind schließlich Nachkommen der von mir so

hochgeschätzten Terraner«, erwiderte Atlan ironisch.»Wären es Blues oder Akonen - ich würde uns eineChance einräumen. Nun haben wir es mit einemGegner zu tun, der uns ebenbürtig ist. Dabei habendie Plophoser noch den Vorteil, daß sie ihremilitärische Macht nicht über die gesamte Galaxis zuverteilen brauchen. Sie können ihre Flotte an einemPunkt konzentrieren, ohne befürchten zu müssen, daßsie von irgendeiner Seite angegriffen werden.«

»Flotte, Sir?« fragte Caneiro. »Wenn sie eineFlotte haben, untersteht diese automatisch demOberbefehl des Großadministrators.«

Atlan lachte schallend. »Mir scheint, Sieverkennen noch immer die Situation, Fähnrich.Sobald bekannt wird, daß wir mit der CRESTabgeschossen wurden, wird die Galaxis aus denAngeln gehoben. Unsere lieben Verbündeten, dieSpringer, Arkoniden und Arkonen warten nur darauf,daß sie ihre eigenen Pläne in die Tat umsetzenkönnen. Außerdem gibt es viele souveräne Kolonien,die sich von Terra lossagen werden.« Atlan sprachaus Erfahrung. Dieser Mann hatte bereits denUntergang des Großen Imperiums der Arkonidenmiterlebt. Rhodan wußte, wie schwach das VereinteImperium eigentlich war. Zwar hatten die darinvereinigten Rassen zusammengestanden, um dieBlues-Gefahr abzuwenden, aber sofort nach derNiederlage der Gataser hatte sich gezeigt, daß einechter Zusammenhalt fehlte.

Vor allem die Akonen träumten den gefährlichenTraum neuer Macht, einer Macht, die sie längstverloren hatten. Den Urarkoniden aus dem BlauenSystem war jedes Mittel recht, um Rhodan und damitTerra einen Schlag zu versetzen.

Rhodan beobachtete die Landschaft unter ihnen.Von einzelnen Kakteen aus schienen dunkle Linienzu den Bergen hinzulaufen, als zögen sichWasseradern unter der Oberfläche dahin. Rhodanmachte Atlan auf die verschiedenartige Färbung desBodens aufmerksam.

»Das sieht aus wie unterirdische Kanäle«, meinteAtlan. »Vielleicht handelt es sich um Flüsse.«

»Dafür verlaufen sie ziemlich geradelinig«,entgegnete Rhodan.

»Sehen wir doch nach«, schlug Kasom vor.»Nein«, lehnte Rhodan ab. »Wir wollen uns

beeilen, die Berge zu erreichen. Erst dort können wirsicher sein, nicht sofort entdeckt zu werden.«

Schweigend flogen sie weiter.Als sie die Ausläufer des Gebirgszuges erreichten,

tauchten fünfzehn Kugelschiffe am Himmel auf.Caneiro sah sie zuerst. Er stieß einen gellendenWarnruf aus.

»Da sind sie«, sagte Rhodan. »Wir müssen sofort

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landen, damit sie uns nicht entdecken. Zu Fußkönnen wir zwischen die Felsen kommen.«

Schnell sanken die sechs Männer dem Bodenentgegen.

»Sie landen in der Nähe der CREST«, dröhnteKasom. »Hoffentlich halten sie sich lange genug mitder Untersuchung des Wracks auf.«

»Sie werden Beiboote aussetzen«, machte Atlangeltend. »Wenn sie in allen Richtungen zu suchenbeginnen, werden sie jene Gruppen entdecken, die indie Wüste geflüchtet sind.« Die Schwerkraft desPlaneten war geringer als die Terras. Sie kamenschnell voran. Kasom mußte seinen Mikro-Graviatoreinschalten. Trotzdem benötigte er nur einen Schritt,um die gleiche Entfernung zurückzulegen wie dieübrigen Männer mit drei oder vier Schritten.

Inzwischen waren die feindlichen Schiffe gelandet.Kasom, der wie eine Gemse zwischen den Felsenumhersprang, übernahm die Beobachtung desVerbandes. Immer weiter drangen die Flüchtlinge indie Berge ein. Atlan deutete nach oben.

»Dort gibt es Höhlen«, sagte er. »Ich schätze, daßwir uns für die kommende Nacht kein besseresVersteck wünschen können.«

Kasom kehrte von einem steil aufragendenFelsplateau zurück und berichtete, daß die Verfolgereine Robotmannschaft ausgesetzt hätten, die sich derCREST näherte. »Hoffentlich fliegen sie mit demWrack in die Luft«, wünschte Bully grimmig.

Sie gelangten in eine Senke, die sie leicht mit denFluganzügen durchqueren konnten. Rhodan triebCaneiro, der immer weiter zurückfiel, zu größererEile an. Sie konnten es sich nicht erlauben, einenMann zurückzulassen, der die Plophoser auf dierichtige Spur gebracht hätte.

»Mir ist übel«, sagte der Fähnrich entschuldigend.»Sie haben Angst«, knurrte Rhodan. »Reißen Sie

sich zusammen. Wenn Sie nicht die Nerven behalten,gefährden Sie uns alle.«

Caneiro biß die Zähne zusammen und beeilte sich,den Vorsprung der anderen aufzuholen. Da klangKasoms Stimme in ihren Helmlautsprechern auf.

»Sie setzen Beiboote aus, Sir«, meldete derErtruser. »Vier vorerst, nein, da sind noch drei.Sieben, acht, zwölf sind es jetzt. Sie fliegen in alleRichtungen davon. Drei steuern die Berge an.«

Rhodan holte tief Luft.»Los!« befahl er. »Wir müssen die Höhlen dort

oben erreichen, bevor sie über uns sind.«

*

Leutnant Kane Walsh wußte nicht, daß er nur nocheine halbe Stunde zu leben hatte. Er konnte es nichtwissen, denn die Wüste lag verlassen unter ihnen.Nichts deutete darauf hin, daß sich hier in wenigen

Minuten ein tragisches Geschehen abspielen würde.Leutnant Kane Walsh, flog an der Spitze von zwölfMännern tiefer in die Wüste hinein. Sie hatten denVerband der feindlichen Schiffe landen sehen, aberWalsh glaubte nicht, daß man ausgerechnet in derWüste nach ihnen suchen würde.

An Bord der CREST hatte Walsh zum technischenPersonal gehört. Daß er die Notlandung überlebthatte, verdankte er der Tatsache, daß er neben einemmächtigen Maschinenblock gestanden hatte, als dasLineartriebwerk von einem Volltreffer vernichtetworden war. Als Walsh sich zum wiederholten Maleumblickte, sah er neben der Rauchwolke, die über derCREST hing, einige dunkle Punkte am Horizont. DerLeutnant war ein erfahrener Mann.

»Beiboote«, sagte er laut. »Es ist besser, wenn wirdort zwischen den Dünen landen. Ich glaube zwarnicht, daß sie hierherkommen, aber wenn wir in derLuft sind, können wir leichter gefunden werden.«

Die kleine Gruppe Überlebender ging an derangegebenen Stelle nieder. Walsh sah sich vonsorgenvollen Gesichtern umgeben. Aber er sah nichtnur Sorge - er sah auch Angst. Er verstand das. Mitruhiger Stimme befahl er einem Mann, alsBeobachter auf den Kamm der Düne zu gehen.

»Sie werden sich hauptsächlich den Bergenzuwenden«, sagte er. »Hier sind wir vor ihnensicher.«

Der Mann, den er auf die Düne geschickt hatte,warf beide Arme in die Luft, als sei er von einemunsichtbaren Schützen getroffen worden.

»Sie kommen!« schrie er. »Sie kommen in dieWüste.«

Walsh fuhr herum, als habe ihn ein elektrischerSchlag getroffen. Sein Gesicht wurde kreidebleich.Zu genau wußte er, was es bedeutete, hier ohneDeckungsmöglichkeit von einem bewaffnetenBeiboot angegriffen zu werden. Mit Riesenschrittenstürmte er die Düne hinauf.

Wie eine unheilschwangere Drohung zog dieWolke von der CREST aus über das Land. Darüberjedoch - jetzt bereits deutlich zu erkennen - schossendrei Flug-gleiter über die Wüste dahin.

Der Mann neben Walsh verlor die Nerven undstartete den Antrieb seines Kampfanzuges.Reaktionsschnell packte ihn Walsh um die Beine. Erverlor den Halt, als der starke Antrieb sie beidehochzog, dann gelang es ihm, den Mann wiederzurückzuziehen.

»Sind Sie wahnsinnig?« fauchte er. »Sie könntenebenso ein großes Feuer anzünden, damit sie unsfinden.«

Ein heftiger Fluch war die einzige Antwort, dannrannte der Mann an Walsh vorbei die Senke hinab.

Der Leutnant ließ sich auf dem Kamm nieder undbeobachtete die näherkommenden Flugmaschinen. Er

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sah, daß sie keine Möglichkeit hatten, denBeobachtungsgeräten an Bord dieser Kleinstschiffezu entgehen. Die Beiboote flogen nicht sehr schnellund suchten systematisch das Land ab.

Walsh stand auf. Sand rieselte an ihm herunter.Langsam ging er zu den Männern hinab. Sein Gesichtblieb ausdruckslos, als er sagte: »Es wird zu einemKampf kommen. Macht euch bereit.«

Walsh hockte sich an den Hang der Düne undmachte den Strahlenkarabiner schußfertig, der seineeinzige Waffe bildete. Einige Männer schaltetenihren Mikro-Deflektor ein, doch Walsh befahl ihnen,sich sichtbar zu machen.

»Orten werden sie uns auf jeden Fall«, sagte er.»Wenn sie uns nicht sehen können, werden sieBomben abwerfen.«

Noch boten die Dünen einen gewissen Schutzgegen eine vorzeitige Ortung. Auch Walsh mußte denWunsch unterdrücken, mit Hilfe desMikro-Deflektors zu entkommen. Für diehochempfindlichen Ortungsgeräte war esgleichgültig, ob man sichtbar oder unsichtbar überder Wüste dahinflog.

Als Walsh bereits zu hoffen begann, daß man dieSuche in ihrer Richtung abgebrochen hatte, tauchteder Schatten eines Beibootes über der Dune auf.Walsh war realistisch genug, um sofort zu wissen,daß man sie entdeckt hatte. »Noch nicht schießen!«kommandierte er. Das Kleinstschiff begann in immerenger werdenden Bahnen über den Schiffbrüchigenzu kreisen.

Dann wurde Walshs gruppe über einenLautsprecher angerufen.

»Hält sich ein höherer Offizier unter euch auf, mitdem wir verhandeln können?« Walsh war überrascht.Gab es tatsachlich eine Chance für sie? Er spürte, daßseine Begleiter erwartungsvoll auf ihn schauten underhob sich. Er winkte. Hoffnung überkam ihn.Verhandlungen waren gut. Sie waren besser als einaussichtsloser Kampf mit einem überlegenen Gegner.»Wer sind Sie?«

Die Stimme im Lautsprecher dröhnte. Sie schienzwischen den Dünen ein Echo zu finden. Wenn,Walsh die Augen zukniff, konnte er die kreisrundenÖffnungen der Bordstrahler erkennen. Sie zeigtengenau auf ihn. Walsh schluckte. »Leutnant Walsh!«sagte er. »Wiederholen Sie das, damit wir unserFunkgerät auf die Frequenz Ihres Helmfunkseinstellen können.« Da wurde Walsh mißtrauisch.Für die Burschen dort oben durfte es doch keineSchwierigkeit bedeuten, sich in den Helmfunkeinzuschalten.

Trotzdem sagte er: »Leutnant Kane Walsh von derCREST.«

»Wir wollen mit Perry Rhodan verhandeln. Wo ister?«

Walsh witterte eine Falle. Er spürte die Gefahr, dievon diesem Beiboot ausging. »Keine Ahnung«,erwiderte er fest. »Am besten, ihr sucht ihn.« ÜberWalsh erschien ein heller Blitz. Er wollte sich zuBoden werfen und davonkriechen, aber es war schonzu spät. Der Treffer des schweren Bordstrahlersdurchschlug mühelos den Abwehrschirm von WalshsSchutzanzug und tötete den Leutnant. Walsh starb soschnell, daß er noch nicht einmal Zeit hatte, denniederträchtigen Verrat zu begreifen, den man an ihmbegangen hatte. Seine Männer schrien vor Wut undEmpörung.

Aber sie schrien nicht lange. Ihre Stimmenverklangen im Zischen der Waffen. Über der Senkeflimmerte die Hitze ungebändigter Energie. Einenkurzen Augenblick kreiste das Beiboot noch überdem Platz, dann flog es langsam weiter in die Wüstehinein. In der Senke blieb es still. Der Wind triebdünne Sandschleier von den Kämmen der Dünenhinab. So breitete die Natur allmählich ein dichtesTuch über den Schauplatz des ungleichen Kampfes.

*

»Was sagen Sie?« schrie Perton. »Eineplophosische Uniform trägt der Kerl?«

»Es wird am besten sein, wenn Sie umkehren,Sir«, erwiderte die Stimme, die aus dem Funkgerätkam. »Er behauptet, daß er Matthieu heißt und vonden Terranern gefangen wurde, als diese die Stationvernichteten.«

Perton schaltete ärgerlich an.»Wir brechen die Suche vorläufig ab«, entschied

er. »Die anderen Beiboote sollen damitweitermachen. Die Roboter haben an Bord desWracks einen Überlebenden gefunden, der behauptet,ein Plophoser zu sein.«

Das kleine Schiff änderte seinen Kurs und steuertezur PHOENIX zurück. Sobald sie im Hangargelandet waren, sprang Perton heraus und begab sichauf dem schnellsten Weg zur Zentrale.

»Da ist er, Sir«, sagte Varringer, als Perton eintratund zeigte auf einen großen, jungen Mann. Der Manntrug eine Uniform, die trotz der vielen Brandspurenals plophosische zu erkennen war.

»Es freut mich, Sie zu - sehen«, sagte der Mann.»Ich heiße Matthieu. Sie haben meinerGefangenschaft an Bord der CREST ein Endebereitet.«

Perton schloß die Augen zu schmalen Schlitzen,was, wie er glaubte, besonders eindrucksvoll wirkte.

»Matthieu? Wie kommt es, daß Sie an Bord desFlaggschiffes des Vereinten Imperiums waren?«

»Man hat mich gefangen, Sir. Außer mir hieltensich noch Hathaway und Berrings auf der CRESTauf. Beide sind tot.«

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»Hat man Sie an Bord der CREST verhört?«»Ja, mit Hilfe eines Mutanten.«»Was haben Sie verraten?«»Nicht viel, Sir.« Matthieu lächelte. »Als die

wichtigen Fragen kamen, griffen Sie mit IhrenSchiffen an.« Con Perton strich geschmeichelt überseinen Schriurrbart.

»Es hielt sich also ein Mutant innerhalb derCREST auf?« fragte der Kommandant. »Lebt ernoch?«

»Er heißt Noir und ist zusammen mit Rhodan,Atlan, Bull, Kasom und vielen anderen aus demWrack entkommen.«

»Donnerwetter!« entfuhr es Perton. »Das heißtalso, daß beinahe alle wichtigen Männer desVereinten Imperiums auf diesem Planeten weilen unduns praktisch hilflos ausgeliefert sind. Wir müssensie nur finden.«

»Das stimmt, Sir«, nickte Matthieu. Pertonverschränkte die Arme über der Brust und gab sichkeine Mühe, seinen Triumph zu verbergen. InGedanken versuchte er sich vorzustellen, wie derObmann auf diesen unerwarteten Erfolg reagierenwürde. Rhodan, Atlan und Bull in ihren Händen, dasbedeutete bereits das sichere Ende des VereintenImperiums. Es bedeutete gleichzeitig eine Zunahmedes Einflusses von Con Perton. Der Zufall hatteihnen alle Trümpfe in die Hände gegeben, die nötigwaren, um die Vorherrschaft der Terraner in derGalaxis zu brechen. Wenige Augenblicke spätererreichte Perton die Meldung eines Beibootes, das dieerste Gruppe von Überlebenden aufgespürt undvernichtet hatte.

»Sie haben sich in mehrere Gruppen aufgelöst«,sagte er. »Ich nehme an, daß die meisten in denBergen stecken. Wir werden sie jedoch finden, auchwenn wir jeden Stein auf dieser verlassenen Weltumdrehen müßten.«

Er wandte sich wieder an Matthieu.»Der Schiffsarzt wird Sie wieder auf die Beine

bringen, junger Mann«, sagte er jovial. »Lassen Siesich von Leutnant Varringer eine Kabine geben.«

Der ungeahnte Erfolg, den er errungen hatte, gabPerton ein noch nie gekanntes Gefühl der Sicherheit.

»Kommen Sie, Ashton«, sagte er zu dem Piloten.»Wir kehren zum Beiboot zurück. Unser Ziel sind dieBerge.

8.

Toermlin verließ den Kaktus bei Anbruch derDunkelheit.«

Er hatte lange gebraucht, um seine Furcht soweitzu unterdrücken, daß er es wagte, die Behausung zuverlassen. Wenn die Jaikas nicht bereits vor Angst inihre Schlupfwinkel geflohen waren, dann mußten sie

sich spätestens jetzt dorthin zurückziehen. AmAnfang der Wüste sah Toermlin die gigantischenSchatten der fliegenden Kugeln. Er wandte seineAufmerksamkeit der näheren Umgebung zu. Es wardas zweitemal, daß er den Kaktus nicht durch dieWurzel, sondern durch die Seitenpforte verließ. Beimerstenmal war die Situation jedoch bei weitem nichtso gefährlich gewesen, denn er war lediglich nachdraußen gegangen, um die notwendigenSchlußarbeiten an der Seitenpforte und demGuckloch vorzunehmen. Heute mußte er jedoch eingroßes Stück an der Oberfläche zurücklegen. Erhoffte, daß er früher oder später durch eine andereBehausung in den Hauptschacht eindringen konnte.Über den Bergen flackterte ab und zu ein grellesLicht auf. Toermlin war überzeugt, daß es mit derAnwesenheit der Götter zu tun hatte, deshalbkümmerte er sich darum. Er war glücklich, als er voneinem anderen Teper in einen Kaktus eingelassenwurde. Der Teper war ebenso verwirrt wie er, so daßToermlin auf Erklärungen verzichten konnte. Ererfuhr, daß von dieser Behausung aus einHauptschacht zu erreichen war und setzte seineWanderung fort. Inzwischen war es vollkommendunkel geworden, aber für Toermlin war dasVorwärtskommen unter der Oberfläche eineSelbstverständlichkeit. Er begegnete mehrerenvollkommen verwirrten Tepern. An verschiedenenStellen war auch der Hauptschacht eingestürzt. Manhatte bereits damit begonnen, die Einbrüche wiederzu beseitigen. Noch nie in seinem Leben warToermlin so schnell gelaufen. Seine kräftigenHinterbeine schmerzten, denn sie mußten fast dasganze Gewicht des Körpers tragen. Mitten in derNacht kam Toermlin am gut getarntenSchachtausgang an. Er pfiff das Erkennungssignal,und einer der Wächter antwortete ihm. Ein dichterKranz aus Kaktusstacheln versperrte allzublutdürstigen Jaikas den Zugang - falls sie ihnüberhaupt entdecken sollten. Die kühle Nachtluftschlug Toerm-lin entgegen, als er seinen Wegzwischen den Felsen fortsetzte. Noch immerwanderten die Lichter über den Bergen dahin, ruhelosauf und nieder schwebend. Seltsame Geräuschedrangen an Toermlins scharfes Gehör. Der Teper glittschaudernd an den Felsen vorbei. Sein untrüglicherInstinkt führte ihn zu den Höhlen. Sobald eines derLichter näher kam, drückte Toermlin sich eng an denBoden, sein Körper wurde eins mit den Steinen.Schweratmend wartete er, bis es wieder vollkommendunkel wurde. Toermlin sagte sich, daß er vorGöttern keine Furcht zu zeigen brauchte, aber seineGefühle waren stärker als diese Überlegungen. ObGötter oder nicht, solchen Erscheinungen begegneteman besser mit Mißtrauen. Als die Höhlen dicht vorihm lagen, blieb er stehen und witterte. Irgend etwas

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hatte sich verändert. Es war ihm unmöglich, genaufestzustellen, was passiert war, aber er fühlte, daßsich während seiner Abwesenheit etwas zugetragenhatte. Überlegend hockte er auf einem glatten Felsen.Plötzlich wußte er, was ihn störte.

Da war noch jemand in der Dunkelheit. Ein kaumspürbarer, fremdartiger Duft stieg in Toermlins Nase.Er knurrte leise und witterte in die Nacht. Derunbekannte Geruch kam von den Höhlen undvermischte sich mit dem der Alten. Toermlinschüttelte sich und kroch flach über den Boden dahin,bereit, bei dem geringsten Anzeichen einer Gefahrdie Flucht zu ergreifen. Als er sich den Höhlen weitergenähert hatte, stieß er den Erkennungspfiff aus. Ererhielt sofort eine Antwort. Erleichtert beschleunigteer sein Tempo. Die Alten wußten bestimmt, wie mansich gegenüber Göttern verhielt. Am Eingang derHöhlen stieß er auf einige Wächter, die ihn mitübertriebener Vorsicht beschnüffelten. Geduldigwartete Toermlin, daß sie den Weg freigaben.Endlich durfte er weiter. Die Anwesenheit derWächter hatte ihn endgültig beruhigt. Als er in dieHöhlen eindrang, wurde der eigenartige Geruch nochintensiver. Er spürte, daß die Alten vor ihm in derDunkelheit lagen, auf ihre weichen Lager gebettet. Erglaubte, ihre müden Augen in der Finsternis glühenzu sehen.

»Ich habe Götter gesehen«, sagte er. »Sie warenauf dem Weg hierher.«

Die Alten knurrten unwillig, doch daran warToermlin gewöhnt. Beharrlich blieb er stehen undwartete auf eine Antwort. Schließlich sagte einer derGraupelze:

»Das wissen wir. Sie sind hier.«Toermlin war verblüfft. Daher kam also der

fremdartige Geruch. Toermlin rümpfte seinen Rüssel.Er hatte noch nie gehört, daß ein Gott derart intensivroch. Nun ja, vielleicht liebten die Götter diesenGeruch.

»Wo sind sie?« fragte er. »Ich möchte sie sehen.«»In den hinteren Hohlen«, kam die mürrische

Antwort.Behuthsam schlich Toermlin an den Lagern der

Alten vorüber. Er hörte ihr Schnauben und Krächzen,sie wälzten sich unruhig hin und her. Toermlinunterdrückte ein belustigtes Grunzen und schlüpftedurch den Spalt, der zu den hinteren Höhlen führte.Licht schimmerte ihm entgegen. Das war völligungewohnt. Er ging dem Lichtschein nach, bis er aufden Eingang einer Haupthöhle stieß. Dort blieb erstehen und blickte in die erleuchtete Hohle hinein.Das Licht kam von zwei viereckigen Körpern, die dieGötter auf den Boden gestellt hatten. Die Götterselbst, es waren sechs, standen inmitten der Höhleund redeten miteinander. Sicher war es gefährlich,die Götter während ihrer Unterhaltung zu stören.

Doch Toermlin überwand seine Furcht. Vielleichtbesaßen sie ein Mittel, mit dessen Hilfe man dieJaikas verjagen konnte, die oft stundenlang vor denKakteen lauerten. Er gab sich einen Ruck undwatschelte in den Innenraum der Höhle. Einer derGötter blickte kurz zu ihm herunter, kümmerte sichaber nicht um ihn, Enttäuscht hielt Toermlin an. Erfühlte sich übergangen. Bevor er jedoch etwas sagenkonnte, tauchte einer der Alten neben ihm auf undversetzte ihm einen leichten Stoß.

»Komm zurück!« bellte der Graupelz. »Wirmüssen sie alleinlassen.«

So war das also. Die Götter wollten in Ruhegelassen werden. Toermlin schnaubte verächtlich.Wozu waren diese zweibeinigen Riesen überhaupthierhergekommen?

Unwillig folgte er dem Alten in die Vorhöhle.»Wir müssen uns von Ihnen fernhalten«, sagte der

Alte wohlwollend.»Warum?« erkundigte sich Toermlin gereizt.»Sie glauben, wir seien Tiere«, wurde ihm erklärt.Toermlin zeigte seine scharfen Zähne. Die Götter

setzten sie auf eine Stufe mit den Jaikas. Das durftenicht wahr sein. Toermlin war entschlossen, dieMeinung der Götter auf dem schnellsten Wege zuändern. Sobald die Alten schliefen, würde er in diehinteren Höhlen zurückkehren.

»Es ist besser, wenn wir sie in Ruhe lassen«, sagteder Alte. »Sie haben Schwierigkeiten.«

Schwierigkeiten!Toermlin glaubte nicht richtig gehört zu haben.

Das mußte ja die letzte Garnitur aller Götter sein, diemit den eigenen Problemen nicht fertig wurde.Toermlin zog sich in eine Ecke zurück. Er wußte ausErfahrung, daß die Alten bei Anbruch des Morgensbesonders schläfrig waren. Dann, wenn es amkältesten war, rollten sie sich zusammen. Zu diesemZeitpunkt wollte Toermlin in die hinteren Höhleneindringen und den Göttern den Unterschiedzwischen einem Tier und einem intelligenten Teperklarmachen.

9.

Die Außenflächen der PHOENIX waren mitRauhreif beschlagen. Die Nacht war kalt und klar.Perton hatte die Suche bis zum Morgengrauenabbrechen lassen, als er feststellen mußte, daßwährend der Nacht wenig Aussicht bestand, dieversprengten Gruppen der Flüchtlinge zu entdecken.In der Wüste hatte man noch über zweihundertMänner des Vereinten Imperiums gestellt und nachkurzem Kampf besiegt. Führende Persönlichkeitenwaren nicht unter den Toten gewesen. Vergeblichhatte Con Perton versucht, in seiner Kabine einigeStunden Schlaf zu finden. Immer wieder war er

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aufgeschreckt. Schließlich hatte er sich angekleidetund war zur Schleuse gegangen. Die Wache machteihm schweigend Platz. Perton schaute in die Wüstehinaus und atmete die dünne, kalte Luft in tiefenZügen ein. In solchen Augenblicken fiel seine ganzegeschauspielerte Härte von ihm ab. Er fühlte sichunbeobachtet, sein Gesicht verlor die verbissenenZüge. Das Gewissen begann sich in ihm zu regen. Erdachte daran, daß er für den Tod einiger hundertMänner verantwortlich war. Doch wie hätte er andershandeln können? Er war in der Hand des Obmanns.Wenn dieser nicht dafür Sorge trug, daß demKommandanten das Gegengift verabreicht wurde,hatte Perton nicht mehr lange zu leben. Perton wußtevon vielen anderen Männern, die versucht hatten,gegen die Pläne des Obmanns anzukämpfen. Sielebten alle nicht mehr.

Perton war nicht grundsätzlich gegen die Ideen desObmanns, ja, er redete sich ein, begeisterterAnhänger der. Politik der Machtergreifung zu sein.Als Plophoser träumte Perton davon, daß die Koloniedas alte Imperium zerschlagen und selbst an dieMacht kommen könnte. Als Mensch war ihm derGedanke an das zu erwartende Blutvergießenunangenehm, aber er unterdrückte solche Gefühle,bevor sie die Oberhand gewinnen konnten.

Seine femininen Finger umklammerten den Randder Schleuse. Auf dem Ladesteg näherte sich eineschattenhafte Gestalt.

»Sir ...«, sagte jemand bedächtig. Das war Akers,der Kommandant der MEMPHIS. Er war ein kleiner,breitschultriger Mann. In Pertons Augen verkörpertedieser Mann alles, was er, Perton, zu repräsentierenwünschte. Akers war ruhig, zäh und hart. Vor allemjedoch war er geduldig. Perton wußte, daß er undnicht Akers den Verband führte. Doch Akers machteganz den Eindruck, als könnte er eines Tages Pertonablösen. »Nun, Major Akers? Können Sie nichtschlafen?«

»Doch, Sir«, erwiderte Akers und schwang sichneben Perton. »Ich wollte mich mit Ihnen über dieFlüchtlinge unterhalten.« Perton biß sich auf dieUnterlippe. Woher wußte der Major, daß er nicht inseiner Kabine war und schlief?

»Sprechen Sie«, forderte er ärgerlich. Akers sagtegelassen: »Ich schlage vor, daß wir bei Tagesanbrucheinige Beiboote in den Bergen landen, damit wir dieHöhlen untersuchen können.«

»Dadurch setzen wir die Sicherheit unsererMänner aufs Spiel«, erwiderte Perton. »Nichtunbedingt, Sir. Unsere Überlegenheit ist offenkundig.Wir können über jeder Gruppe, die die Höhlenuntersucht, ein Beiboot kreisen lassen, das soforteingreift, wenn es sich als notwendig erweisensollte.«

»Sie haben recht«, stimmte Perton zu. »Ich bin

überzeugt davon, daß wir Rhodan und seine Freundein den Bergen erwischen werden. Trotzdem dürfenwir die Terraner nicht unterschätzen. Außerdemhaben sie einen Mutanten dabei.«

»Dieser eine wird ihnen nicht viel helfen«, meinteAkers. »Matthieu kennt ihn. Ich schlage deshalb vor,daß wir ihn in einem Beiboot mitnehmen, damit erdiesen Mutanten sofort identifizieren kann. Auf dieseWeise unterbinden wir eine gefährliche Situation.«

Perton lächelte Spöttisch.»Sie denken wohl an alles, was?« Die Antwort

Akers klang vollkommen harmlos, aber Perton lasaus ihr die Gefährlichkeit des Majors. »Ich dachtenur daran, wie wir den Auftrag des Obmanns amschnellsten durchführen können, Sir.«

»Natürlich, Major«, nickte Perton.Ob auch Akers Gift bekam und auf das

Gegenmittel angewiesen war? Perton war davonüberzeugt. »Das Wrack der CREST ist vollkommenausgebrannt«, sagte Akers beiläufig. »Die Gefahreiner Explosion ist jetzt vorüber.«

»Wir werden Aufnahmen von der CRESTmachen«, kündigte Perton an. »Ich schätze, daß mansich in der Galaxis sehr dafür interessieren wird.«

Erleichtert fühlte er seine Sicherheit zurückkehren.Er hörte, daß Akers sich neben ihm bewegte. EinenAugenblick standen sie schweigend nebeneinander inder Dunkelheit. Perton hatte das Gefühl, daß Akersjeden seiner Gedanken erraten konnte, während ernichts über die Ideen des Majors wußte. Er seufzte.

»Es wird allmählich hell«, hörte er Akers sagen.»Ich glaube, ich kehre jetzt um.«

»Gute Nacht, Major«, sagte Perton.»Viel Glück bei der Suche, Sir«, erwiderte Akers

und ging lautstark den Landesteg hinab.Ein Frösteln überkam Perton. Er kam sich einsam

und verlassen vor. Hier stand er, ohne innereBegeisterung, aber mit dem festen Willen, diesenAuftrag im Sinne des Obmanns zu erledigen. Pertonverließ die Schleuse und ging an den Wachen vorbeiins Schiffsinnere. Eine Wolke von Parfümduft bliebhinter ihm zurück. Einer der Wächter nieste. Dieanderen kicherten, denn sie verstanden - dieBedeutung des Geräuschs. Sie lachten nicht laut,denn Perton war ein unberechenbarer Mann. Es wargefährlich, seine Eitelkeit zu verletzen. Ein andererWächter blickte auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr.

»Wir werden bald abgelöst«, sagte er.Das Tappen ihrer Schritte hallte durch die

Schleusenkammer.»Morgen jagen wir Rhodan«, sagte ein anderer.

»Und Atlan und den kleinen Dicken.«Jagd auf Rhodan. Das war mehr als nur die Jagd

auf einen Mann. Das war die Verfolgung einesSymbols, einer Legende. Rhodan als Gefangenenabzuführen bedeutete schon fast, das Vereinte

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Imperium zerschlagen zu haben. Darauf waren siestolz. Sie fühlten die Macht, die sie repräsentierten.Sie hatten das Flaggschiff des Imperiums vernichtet.Sie hatten die wichtigsten Männer zur Notlandungund zur Flucht gezwungen. Doch das war noch nichtalles. Das war erst der Anfang. Sie waren Plophoser.Sie waren Menschen. Niemand konnte sie aufhalten.

10.

Sie hatten ihn vor dem Feuer gerettet. Kasom hattesein Leben riskiert, um den Jungen aus den Flammenzu holen. Wozu? Rhodan schaute schweigend in dasGesicht des schlafenden Fähnrichs. Caneiro hatteselbst gesagt, daß er noch zu jung sei, um zu sterben.Nun war sein Leben wieder in Gefahr. Aber nicht nurdas seine. Sie alle hatten wenig Aussicht, denplophosischen Schiffen zu entkommen. Während derNacht hatten die Gegner plötzlich die Sucheeingestellt. Die Beiboote waren zu denMutterschiffen zurückgekehrt. Doch am nächstenMorgen würden sie wiederkommen. Rhodan beugtesich zu Caneiro hinab und schüttelte ihn sanft.

»Wachen Sie auf!« sagte er.Der Fähnrich war sofort hellwach. Als er die

Augen aufschlug, erkannte Rhodan, wie Angst undMißtrauen in ihnen leuchteten.

»Es ist alles in Ordnung«, sagte er beruhigend. »Eswird bald hell. Wir müssen bereit sein.«

Caneiro nickte und erhob sich. Atlan kam aus derVorhöhle und nickte Rhodan zu.

»Die Sonne geht bald auf«, sagte er. »Unsereseltsamen Freunde haben sich nicht um michgekümmert. Sie zeigen keinerlei Scheu.« Sie hattendie Tiere bereits entdeckt, als sie am vergangenenAbend in das Höhlenlabyrinth eingedrungen waren.Die Wesen hatten eine gewisse Ähnlichkeit mitirdischen Dachsen, wenn sie auch größer waren, eineausgeprägtere Kopfform und nur ein Auge besaßen.

»Warum auch?« meinte Noir. »Sie wissen nichtsmit uns anzufangen. Da wir sie nicht angreifen,akzeptieren sie unsere Gegenwart.«

Kasom verteilte einige Nahrungskonzentrate an dieMänner. Der Ertruser trug das wenige Gepäck, dassie mit sich führten. Rhodan überlegte, wie es ihnengelingen konnte, den Gegner in den nächsten Stundenirrezuführen. Es erschien ihm sinnlos, einen festenPlan zu machen, da sie nicht wußten, wie diePlophoser weiterhin vorgehen würden. Da esvollkommen aussichtslos war, durch einenHandstreich in die Gewalt eines Beibootes oder gareines Raumschiffes zu gelangen, mußten sie vorallem auf ihre Sicherheit achten. Eine Entdeckungwar gleichbedeutend mit dem sicheren Ende. Zwarkonnten sie hoffen, sich von einer Höhle aus einigeZeit zu verteidigen, aber ihre kleine Gruppe stellte

für den Feind keinen ernstzunehmenden Widerstanddar.

Vielleicht war es am besten, wenn sie in diesenHöhlen blieben. Die Plophoser nahmen wohl mitSicherheit an, daß die Flüchtlinge bereits tiefer in denBergen verschwunden waren.

Rhodans Überlegungen wurden durch dasErscheinen eines der »Dachse« unterbrochen. DasTier benahm sich seltsam. Es kam im Watschelgangbis zur Mitte der Höhle, dann richtete es sich auf denHinterbeinen auf. Sein Auge betrachtete die Männerinteressiert.

»Es schaut Sie an, Kasom«, bemerkte Noirtrocken. »Sicher hat es noch nicht gefrühstückt.«

»Man könnte ebenso glauben, daß es Sie ansieht«,entgegnete Kasom und zerbröckelte einen großenSteinbrocken zwischen den Händen, als handelte essich um einen Keks. Das Tier begann rauhe Bellauteauszustoßen.

»Es sagt, es hätte noch nicht gefrühstückt«,übersetzte Kasom grinsend.

»Ich kann keinen telepathischen Kontakt zu ihmaufnehmen«, sagte Rhodan. »Aber nach denImpulsen zu schließen, die von ihm ausgehen, könnteman es fast für intelligent halten.«

»Kannst du den Gedankenimpulsen irgend etwasentnehmen?« fragte Atlan. »Ja, ich glaube, dieserkleine Bursche ist enttäuscht. Ich spüre, daß erenttäuscht ist - und zwar über uns.«

»Dieses Gefühl«, erklärte Bully seufzend, »teileich mit ihm.«

*

Der neue Tag erhob sich hinter den Bergen, aber erbrachte keine Hoffnung. Sergeant Theimers ließ dieschlafenden Männer wecken und befahl denAufbruch. Je weiter sie sich von den feindlichenKugelschiffen entfernten, desto sicherer waren sie.Sergeant Theimers' Gruppe lagerte in einem kleinenTal zwischen den Bergen. Sie waren insgesamtdreiundzwanzig Männer. Bei Anbruch der Nachtwaren sie noch vierundzwanzig gewesen, aberLeutnant Fentaro, der sie zuerst geführt hatte, war vorwenigen Stunden an der Verletzung gestorben, die ersich an Bord der CREST zugezogen hatte. Jetzt lag esan Sergeant Theimers, die Schiffbrüchigen zu führen.Der Sergeant war ein ruhiger Mann, fast kahlköpfigund mit einem ausgeprägten Kinn. Er litt unterKurzsichtigkeit, und da er sich bisher hartnäckiggeweigert hatte, sich helfen zu lassen, mußte er beimSprechen die Augen zusammenkneifen, um seinenGesprächspartner genau zu erkennen. Theimersfühlte sich nicht gerade dazu berufen,zweiundzwanzig Besatzungsmitglieder vor denSuchtrupps des Gegners zu retten. Er war

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entschlossen, alles zu tun, was in seinen Kräftenstand, aber er bezweifelte, daß dies genügte. Er hielteine kurze Ansprache und wies auf den Ernst ihrerLage hin. Die Männer wurden angewiesen, mit denNahrungskonzentraten sparsam umzugehen und beiAuftauchen eines gegnerischen Beibootes nicht inPanik zu geraten. Dabei war sich der Sergeantdarüber im klaren, daß es unmöglich war, jemand denBefehl zu geben, mutig zu sein. Sie brachen auf.Theimers, der die Spitze übernahm, achtete darauf,daß sie ständig im Bereich schützenderFelsformationen blieben, die ihnen notfalls Schutzbieten konnten.

Als sie das Tal durchquert hatten, ging die Sonneauf. Theimers wußte nicht, was auf der anderen Seiteder Gebirge lag. Wahrscheinlich schloß sich dahinterwieder eine ausgedehnte Wüste an. Doch so weit,schätzte Theimers, würden sie vermutlich nichtkommen. Entweder würden sie Leutnant Fentaro inden Tod folgen oder in Gefangenschaft geraten.Sieben Männer von Theimers' Gruppe trugen keinenflugfähigen Kampfanzug. An unebenen Stellenkonnten sie immer von zwei anderenBesatzungsmitgliedern mitgezogen werden. Dochdiese Methode hielt ihr Vorwärtskommen auf.Theimers wollte es nicht riskieren, über den Bergendahinzufliegen, denn das hätte auf jeden Fall zu einerraschen Entdeckung geführt. Der Sergeant wußtenicht, daß im gleichen Augenblick, als er mit seinerGruppe einen Hang hochkletterte, die letzten Männerder CREST, die in die Wüste geflüchtet waren, einenverzweifelten Kampf gegen das Beiboot führten, dassie aufgespürt hatte. Nun gab es nur noch dreiMannschaften, die vom Gegner noch nicht entdecktworden waren. Rhodans kleine Gruppe, sechzehnMänner unter der Führung von Major Runyon undSergeant Theimers mit seinen Leuten. Doch von denanderen Flüchtlingen wußte Theimers nichts. Als sieden Hang erklettert hatten und auf eine Senkezumarschierten, erschien das Suchschiff neben demGipfel des Berges in ihrer unmittelbaren Nähe.Iverson, ein kleiner Mechaniker, sah es zuerst. SeinWarnruf ließ die Männer anhalten.

»Sucht Deckung zwischen den Felsen!« befahlTheimers.

Mit drei Sprüngen war er hinter einemFels-Jsrocken verschwunden. Gleich darauf hechteteein weiterer Mann über den Stein und ließ sichkeuchend neben Theimers nieder.

»Ob sie uns gesehen haben, Sarge?« fragte erunruhig. »Das werden wir gleich erfahren«, sagteTheimers.

Vollkommen geräuschlos umkreiste das kleineSchiff den Berg. Theimers spähte über den Felsen.Von den Männern war nichts mehr zu sehen. Siehatten sich entweder gut versteckt oder ihre

Mikro-De-flektoren eingeschaltet.Der Mann neben Theimers warf sich herum und

legte sich auf den Rücken. Den Kopf stützte er aufdie Steine. Um seine blauen Augen erschienenwinzige Lachfältchen.

»Worüber lachen Sie?« erkundigte sich Theimers.»Nur so«, sagte der Mann.

Theimers knurrte und beobachtete das Suchschiff,das langsam näher kam.

»Ich wette, sie haben uns geortet«, knirschte derSergeant und zog den Strahlenkarabiner hervor.

Der Gleiter senkte sich zwischen die Felsen herab.Eine Weile bewunderte Theimers dieGeschicklichkeit des Piloten.

»Was ist?« fragte der Mann an Theimers' Seite.»Kommen sie näher?«

»Zum Teufel mit Ihnen«, brummte der Sergeant.»Nehmen Sie gefälligst Ihre Waffe, damit wir denBurschen einen richtigen Empfang bereiten können.«

Das plophosische Suchschiff verhielt etwazweihundert Meter vor ihnen. »Wir haben euchgeortet!« erklang eine Stimme im Helmlautsprecherdes Sergeanten. »Kommt hervor und ergebt euch.«

»Wir sind so zahlreich wie die Läuse im Pelz einesStraßenhundes«, erwiderte Theimers grimmig. »Undebenso schwer zu fangen.«

Theimers Nachbar blickte ihn bewundernd an. DerSergeant machte seine Waffe schußfertig.

»Wir möchten unnötiges Blutvergießenvermeiden«, sagte der unsichtbare Plophoser. »Werist der ranghöchste Offizier dieser Gruppe? Wirmöchten mit ihm verhandeln. Er soll aus seinemVersteck hervorkommen.«

»Hier spricht Sergant Theimers«, erwiderteTheimers. »Diesen Gefallen werde ich euch nichttun. Wenn ihr mit mir sprechen wollt, dann müßt ihrlanden und einen Mann zu uns herüberschicken.«Spöttisches Gelächter klang auf. Das Beiboot nahmFahrt auf, und dreißig Meter von Theimers entferntsprühten die Felsen unter den ersten Strahlschussender Bordwaffen auseinander. Theimers fühlte, wiesich seine Kehle zuschnürte. Das nannten diesePiraten Verhandlungsbereitschaft.

Er begann mit dem Strahlenkarabiner zu schießen.Drei Männer verloren die Nerven und sprangenhinter ihren Deckungen hervor. Sie kamen nicht weit.Überall dort, wo sich Männer verkrochen hatten,blitzte jetzt das Mündungsfeuer der Strahlenkarabinerauf. Doch der Abwehrschirm des Kleinstschiffes hieltder Belastung mühelos stand. Dann warfen diePlophoser eine Bombe ab. Theimers glaubte, dergesamte Berg würde explodieren und auf sieherunterfallen. Im Helmlautsprecher schrie eineverzweifelte Stimme auf. Theimers wurde vomLuftdruck umgeworfen und zwei Meter aus derDeckung geschleudert. Mehrere Zentner Erde und

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Felsen waren in die Luft gewirbelt worden undregneten nun auf den Sergeanten herab. Instinktivkroch er hinter den Felsen zurück. Der Mann, der beiihm gewesen war, lag immer noch dort. Aber erbewegte sich nicht mehr. Theimers, der seine eigeneWaffe verloren hatte, zog die des Toten an sichheran.

Es war plötzlich sehr still. Wie ein dunklerSchatten senkte sich das kleine Schiff herab.Theimers beobachtete schweigend, wie sich die Lukeöffnete und sieben Männer hervorsprangen. Siewaren schwer bewaffnet und trugen Schutzanzüge.Zwischen den Felsen war alles ruhig. Theimersbegriff, daß er der einzige Überlebende vondreiundzwanzig Männern war. Die Gnadenlosigkeit,mit der die Plophoser vorgingen, entsetzte ihn.Gleichzeitig erfüllte ihn unbändiger Zorn. Erumklammerte den Karabiner und schritt hinter demFelsen hervor. So, wie er aus einer Wolke von Qualmund aufgewirbelter Erde kam, mußte er denPlophosern wie ein Gespenst erscheinen. Die siebenMänner blieben stehen, als sie Theimers sahen.Theimers ging breitbeinig auf sie zu und begann zuschießen. Blaue Flämmchen blitzten auf, als seineSchüsse von den Abwehrschirmen der Plophoseraufgefangen wurden. Dann hatten die Nachkommenterranischer Kolonisten ihre Überraschungüberwunden und erwiderten das Feuer. Theimerstaumelte in die Rauchwolke zurück, aus der ergekommen war. Mit Gewalt drückte er den Lauf derStrahlwaffe nach unten und schoß. Er stolperte übereinen Stein und fiel zu Boden. Grenzenlose Bitterkeitüberkam ihn. Das waren Menschen, die auf ihnfeuerten, Menschen, deren Urväter auf der Erdegelebt hatten. Warum taten sie das? Waren sie und erkeine Freunde?

Theimers erkannte, daß in den Plänen Rhodans einFehler steckte, ein Fehler, der so groß war, daß erwahrscheinlich verhindern würde, daß dieMenschheit jemals die Ziele erreichen würde, dieRhodan ihr gesteckt hatte. Aber vielleicht hatten auchdiese Menschen Ziele. Vielleicht konnten sie sie nurerreichen, wenn sie die Macht des VereintenImperiums zerschmetterten.

Theimers' Finger verkrampften sich um den Abzugder Waffe. Um ihn herum wogte der Qualm. Erglaubte, einzelne Gestalten darin zu erkennen. Dochsein Blick verschleierte sich, bevor er sichvergewissern konnte. Dann versank er in dunklerBodenlosigkeit. Eine Stunde später starben MajorRunyon und seine Männer. Sie starben nur dreißigKilometer von Theimers entfernt. Jetzt gab es nochsechs Männer des Vereinten Imperiums auf dieserverlassenen Welt. Unablässig kreisten dieSuchschiffe über den Bergen, ihre Ortungsgerätesuchten pausenlos die Oberfläche ab. Als die Sonne

ihren höchsten Stand erreicht hatte, begannen dieersten zu landen. Con Perton hatte eingesehen, daßPerry Rhodan nicht vom Kommandoraum einesGleiters aus zu fangen war. Sie mußten Rhodan in dieEnge treiben, damit er aus dem Versteckhervorbrach, in dem er sich verkrochen hatte.

11.

Rhodan verschloß sich vor den Gedankenimpulsendes eigenartigen Wesens, das zu ihnen in die Höhlegekommen war und wandte sich an Caneiro. »GehenSie vor die Höhle und halten Sie Wache«, befahl erdem Fähnrich. »Seien Sie jedoch vorsichtig. Beimgeringsten Anzeichen einer Gefahr kehren Siezurück.«

»Gewiß, Sir«, sagte Caneiro. Rhodan wandte seineAufmerksamkeit wieder dem dachsähnlichen Wesenzu.

Er ließ sich auf die Absätze nieder, so daß seineigener Kopf mit dem des Wesens in einer Höhe war.Das große Auge des Eingeborenen schien Wärmeund Klugheit auszustrahlen. Rhodan deutete auf sichund seine Begleiter, dann zeigte er auf denEingeborenen. Dieser schien ihn entweder nicht zuverstehen, oder er war nicht in der Lage, ebenfalls einverständliches Zeichen zu machen. Dannverstummten die Laute, die das Wesen von sich gab.Es sank auf die Vorderpfoten herab. Rhodan sah, daßdas rätselhafte Tier über sehr starke Vorderkrallenverfügte. Sicher war es in der Lage, sich in die Erdeeinzuwühlen. Mit einem enttäuschten Grunzen warfsich das Wesen herum und trottete aus der Höhle.Rhodan erhob sich. »Es scheint intelligent zu sein«,bemerkte Atlan. »Aber es besteht wohl kaum dieAussicht, daß wir uns mit ihnen verständigenkönnen.«

»Ich hatte den Eindruck, als erwartete der kleineBursche etwas von uns«, meldete sich Noir zu Wort.»Er schien mit irgend etwas zu rechnen. Deshalbauch das Gefühl der Enttäuschung, das sich aufparanormalem Weg auf den Chef übertrug.«

»Was hätte ein primitiver Wilder imAnfangsstadium der menschlichen Zivilisation wohlvon der Besatzung eines gelandeten Raumschiffeserwartet?« fragte Rhodan.

»Ein Wunder«, entfuhr es Kasom. »Für ihnmüssen wir wie Gottheiten erscheinen.«

»Bully hat schon lange Zeit nicht mehr denFeuergott gespielt«, meinte Atlan. »Ich schlagedeshalb vor, daß er es übernimmt, dieseEingeborenen von unseren Fähigkeiten zuüberzeugen.«

Der untersetzte Stellvertreter Rhodans schaute denArkoniden unwillig an. »Dazu haben wir jetzt keineZeit«, sagte er. »Wir haben andere Probleme als diese

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harmlosen Wesen. Wir sollten uns Gedanken darübermachen, wie wir unseren plophosischen Freundenentgehen können.«

»Bully hat recht«, stimmte Rhodan zu. »Jeder vonuns wird abwechselnd draußen vor den HöhlenWache stehen. Kasom, Sie lösen Caneiro in einerStunde ab.«

»Das kann ich gleich tun, Sir«, schlug der Ertruservor. »Der Junge scheint nervös zu sein. Es istvielleicht besser, wenn wir ihn nicht alleinlassen.«

»Einverstanden, Kasom«, stimmte Rhodan zu.»Schicken Sie ihn wieder zu uns herein.«

Der USO-Spezialist verließ den Höhlenraum.Doch bereits nach wenigen Minuten kehrte er zurück.Rhodan ahnte sofort, daß etwas passiert war.

»Er ist weg«, sagte Kasom.»Weg?« rief Bully überrascht. »Wie ist das

möglich?«»Caneiro ist ungefähr seit einer halben Stunde

draußen«, sagte Atlan. »Hoffentlich hat er nicht denFehler begangen, allein zu fliehen.«

»Soll ich ihn suchen?« erkundigte sich Noir ruhig.Rhodan schüttelte den Kopf. Er wußte, daß dies

wenig Sinn haben würde. Wenn der Fähnrich denFluganzug benutzt hatte, war er bereits weit vonihnen entfernt - mit großer Wahrscheinlichkeit nichtmehr am Leben. Ein in der Luft fliegender Menschwar der beste Anhaltspunkt, den sich die Suchschiffewünschen konnten. Außerdem bestand die Gefahr,daß Caneiro in Gefangenschaft geriet und dasVersteck der kleinen Gruppe verriet.

»Nein, wir suchen ihn nicht«, sagte Rhodan.»Gehen Sie wieder nach draußen, Kasom, undübernehmen Sie die Wache. Sobald Caneiroauftaucht, lassen Sie ihn keine Sekunde aus denAugen. Vielleicht besinnt er sich rechtzeitig undkommt zurück.«

*

Caneiro breitete den flugähnlichen Kampfanzugam Boden aus und begann Steine darauf zuschichten. In seinen Augen - stand ein irrerAusdruck. Der Steinhaufen wuchs, denn Caneiroarbeitete schnell. Als er sich überzeugt hatte, daß derAnzug an keiner Stelle mehr zu sehen war, warf erseine übliche Ausrüstung und den Strahlenkarabinerebenfalls auf die Erde und häufte Felsbrocken darauf.Nachdem er fertig war, hockte er sich, befriedigtkichernd, auf einen Stein Nun hatte er alle Spurenverwischt. Nichts an ihm war noch auffällig. Da erallein war - und auch die Absicht hegte, allein zubleiben - hatte er als einziges Besatzungsmitglied derCREST die Aussicht, den Suchschiffen zuentkommen. Ein einzelner Mann konnte sich immerverstecken.

Caneiro trug jetzt nur noch eine einfacheKombination. Sein Gewissen regte sich nicht. Er hieltsich für klug. Wie alle Geisteskranken wußte er nicht,daß er nicht mehr voll zurechnungsfähig war. SeinGehirn hatte der ständigen Belastung nichtstandgehalten. Erst war der Angriff auf die CRESTgekommen, dann war er nur durch ein Wunder vorden Flammen gerettet worden. Die Notlandung unddie anschließende Flucht hatten die Reste vonCaneiros Beherrschung zerstört.

Der Fähnrich stand auf und wanderte langsambergab. Als ein feindliches Schiff auftauchte,versteckte er sich zwischen den Felsen. Es überflogihn, ohne ihn zu entdecken.

Caneiro lächelte zufrieden, wartete, bis das Schiffverschwunden war und ging dann langsam weiter.

Da sah er vor sich auf einem Stein ein etwaarmlanges Tier hocken. Es erinnerte Caneiro an eineSchlange, aber es besaß Beine und hob den Kopf beiCaneiros Annäherung furchtlos in die Höhe. Caneirohob einen kleinen Stein vom Boden auf und warfnach dem Tier. Er hatte erwartet, daß daseidechsenähnliche Wesen die Flucht ergreifen würde,doch dieses wich lediglich zur Seite und betrachteteCaneiro aus gierigen Augen. Etwas im Benehmen desTieres machte Caneiro unsicher. Er blieb stehen undbeobachtete. »Verschwinde!« zischte er. »Los! Mach,daß du fortkommst!« Mit einer Geschwindigkeit, dieCaneiro erstaunte, sprang das Tier vom Stein herabund huschte auf den Fähnrich zu. Caneiro war viel zuverblüfft, um im ersten Augenblick zu reagieren. Dahing das kleine Ungeheuer bereits an seiner Wade.Caneiro stieß einen Schrei aus, als er den stechendenSchmerz fühlte. Er bückte sich und packte das Reptilmit beiden Händen. Der Angreifer hatte sich so festverbissen, daß Caneiro ihn nur mit einem Rucklosreißen konnte. Blut rann aus der offenen Wunde.Der Geruch machte das Tier wahnsinnig. Es wandsich in Caneiros Händen und entwickelteunglaubliche Kräfte. Angewidert schleuderte es derFähnrich von sich. Es prallte auf den Boden, bliebSekunden wie betäubt liegen und stürzte dann vonneuem auf den Terraner. Caneiro vergaß denSchmerz in der rechten Wade, als er das Tiervollkommen furchtlos auf sich zukommen sah. Erholte mit dem unverletzten Fuß aus und trat nachdem Wesen. Es fauchte, als es getroffen wurde, dannlandete es mit zerschmettertem Rückenpanzerzwischen den Steinen.

Der Fähnrich atmete erleichtert auf. Er wischtesich den Schweiß von der Stirn und blickte sich um.Im ersten Augenblick glaubte er zu träumen odereiner Wahnvorstellung zu unterliegen. Hinter ihm,zwischen den Felsen, hockten mehrere Dutzenddieser Eidechsen und blickten ihn erwartungsvoll an.Sobald sich Caneiro bewegte, rückten sie wie eine

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geschlossene Mauer gegen ihn vor. Der Blutgeruchund der Lärm mußten sie angezogen haben. Caneiroerkannte, daß er einen Fehler begangen hatte, als erauch den Strahlenkarabiner vergraben hatte. Dochnun war es zu spät, über diesen Fehler nachzudenken.Caneiro wußte, daß der einzige Weg, der ihmfreiblieb, hinauf zu den Höhlen führte. Er wußte aberauch, daß er viel zu langsam war, um weiter alszwanzig Meter zu kommen. Schweigend huschtendie Tiere näher auf ihn zu. Sie begannen ihn zuumzingeln. Ihre Augen glänzten. Ihre gepanzertenKörper verursachten auf den Steinen ein schleifendesGeräusch. Der Fähnrich bückte sich und hob zweiSteine auf. Sein Mund war vor Entsetzen geöffnet. Erwarf die Steine zwischen die Tiere, ohne auch nureines von ihnen zu verletzen. Caneiro machte einenSchritt rückwärts. Sein verletztes Bein blieb an einemFelsbrocken hängen. Mit einem Aufschrei fiel er zuBoden. Benommen Wälzte er sich herum. Etwasberührte seine Schuhe, zerrte bösartig und wild daranherum. Caneiro kam auf die Beine und suchte einenFelsen, den er erklettern konnte. Er taumelte mehr,als er ging. Da sah er wenige Meter vor sich einenkegelförmigen Steinriesen, auf den ihm die Raubtierenicht folgen konnten. Mit einem Aufschrei rannte erdarauf zu. Doch er erreichte ihn nie.

12.

Es gab keine Männer, die Andre Noir gut kannten -nur solche, die behaupteten, ihn gut zu kennen. Diesesagten von ihm, daß er ein Mann sei, der in keinerSituation Ruhe und Übersicht verlor. DieseEigenschaften wurden vielen Männern nachgesagt,aber nur auf wenige trafen sie so zu wie auf denHypno. Die beiden ersten Suchschiffe der Plophosertrafen ein, als der Mutant gerade die Wache vor denHöhlen übernommen hatte. Er hatte Bully abgelöst,der nach Kasom gekommen war. Noir sah die beidenGleiter bereits, als sie noch über den Kakteendahinflogen. Er stand auf, kniff die Augen zusammenund beobachtete sie einen Augenblick. Als er sicherwar, daß sie sich den Höhlen näherten, wandte er sichum und verließ seinen Posten. Ohne besondere Eileging er ins Höhleninnere.

»Sie kommen«, sagte er, als er bei den anderenangekommen war.

Rhodan sprang auf.»Wieviel sind es?« fragte er.»Zwei«, erwiderte Noir. »Aber ich denke, daß es

noch mehr werden.«»Was mögen sie jetzt vorhaben?« fragte Bully. »Es

ist erstaunlich, daß sie noch immer nicht aufgegebenhaben.«

Atlan lächelte. »Vergiß nicht, Dicker: das sind dieNachkommen terranischer Kolonisten. Terraner

geben - wie du selbst schon immer sagtest - niemalsauf.«

»Was für eine Wohltat, daß wir einen Arkonidenunter uns haben«, knurrte Bully aufgebracht. »Hoffenwir, daß auch bei den Plophosern einer dieserüberragenden Männer weilt und sie im entscheidenenMoment in ihrem Drang, andere Menschenumzubringen, aufhält.« Atlan wurde wieder ernst. Erwußte, daß seine terranischen Freunde noch immernicht begriffen hatten, welche Gefahr auf dasVereinte Imperium zukam. Für Rhodan und Bullmochten fremde Rassen Feinde sein, aber es fielihnen schwer, zu glauben, daß der mächtigste Feindaus den eigenen Reihen kommen sollte. Nach AtlansMeinung waren die Tage des Vereinten Imperiumsgezählt, doch er hütete sich, seine Überzeugungauszusprechen. Er hatte noch in guter Erinnerung,wie Rhodan auf frühere Warnungen reagiert hatte.

»Sicher werden sie jetzt landen«, sagte MelbarKasom. »Sie haben das ganze Gebiet abgeflogen undvermuten, daß wir uns irgendwo verstecken. Siewerden damit beginnen, alle Höhlen und Tälerabzusuchen.« Rhodan zog den Strahlenkarabiner vonder Schulter. Innerhalb weniger Stunden würde sichentscheiden, was mit ihnen geschah. Entwederverließen sie diese Welt als Gefangene oder als freieMenschen. Es gab noch eine dritte Möglichkeit: ihrenTod! Doch daran wollte Rhodan nicht denken.

»Kommt!« sagte er. »Wir wollen uns die Sacheansehen.«

Die Eingeborenen in den vorderen Höhlen warenverschwunden, als hätten sie geahnt, daß sich eineGefahr näherte. Die fünf Männer erreichten denAusgang und blieben im Schatten der vorgewölbtenFelsen stehen. Noir hob die flache Hand an die Stirn,um seine Augen vor der Helligkeit abzuschirmen.

»Dort sind sie«, sagte er. »Inzwischen sind esbereits fünf.«

Die gegnerischen Kleinstschiffe mochten noch dreiMeilen entfernt sein.

»Sie fliegen tief«, stellte Atlan fest. »Ich glaube,daß Kasom mit seiner Vermutung recht hat. Siebeabsichtigen zu landen.«

Kurz darauf entdeckten sie einen weiteren Verbandvon Gleitern, der aus sechs Maschinen bestand. Diesechs Fahrzeuge waren den Höhlen bereits näher,flogen aber schräg über die Berge dahin. Dasbedeutete, daß sie nicht unmittelbar auf die Höhlenzusteuerten. Dagegen kamen die fünf anderenKleinstschiffe direkt auf die Männer zu. Jetzt bestandkeine Möglichkeit mehr für eine Flucht. Sobald siesich in die Luft erhoben hätten, wäre es für diePlophoser einfach gewesen, sie auszumachen undeinzuholen. Rhodan sah die Beiboote herankommen.Sie glichen in der Bauart den Modellen, die in derFlotte des Imperiums benutzt wurden. Auch die

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Mutterschiffe der Plophoser schienen denKugelschiffen arkonidischen Musters nachgebaut zusein. Es war jedoch anzunehmen, daß es an Bord derfeindlichen Schiffe viele Verbesserungen gab.

»Diese fünf haben es auf die Höhlen abgesehen,Sir«, meldete sich Kasom. »Ich nehme an, daß siedort drüben auf dem Plateau landen werden. Dasheißt, daß die Besatzungen nur zu Fußhierhergelangen können.«

»Kein übertriebener Optimismus«, warnte Rhodan.»Sie können dort drüben Soldaten absetzen, dannwieder aufsteigen und den Höhleneingang mitBordgeschützen unter Feuer nehmen.«

»Dazu müssen sie erst einmal wissen, in welcherHöhle sie nach uns suchen sollen«, wandte Bully ein.

Sie zogen sich etwas tiefer ins Innere der Höhlezurück. Rhodan beobachtete, wie die fünf Beibootein schnellem Flug über den Felsen dahinglitten. WieKasom vorhergesagt hatte, landeten vier von ihnenauf dem Plateau. Das fünfte jedoch kreiste weiter inder Luft.

»Was hat das zu bedeuten?« flüsterte Bully.Die vier gelandeten Kleinstschiffe blieben ruhig

auf den kurzen Landestützen stehen. Niemandentstieg den Luftschleusen.

»Perry Rhodan!« rief da eine Stimme in ihrenHelmlautsprechern. »Hören Sie mich, Rhodan?«

»Matthieu!« entfuhr es Andre Noir.»Das ist Matthieu, Chef.«»Matthieu spricht«, kam die Stimme wieder. »Wir

wissen, daß Sie irgendwo dort in einer der Höhlensind, Perry Rhodan. Sie müssen dieAussichtslosigkeit Ihrer Lage bereits erkannt haben.«

»Sie wissen, daß wir uns hier aufhalten, aber unsergenauer Standort ist ihnen unbekannt«, sagte Rhodan.

»Perry Rhodan!« rief Matthieu wieder. »KommenSie mit Ihren Begleitern heraus. Ergeben Sie sich.Zwingen Sie uns nicht zu Maßnahmen, die eineGefahr für Ihr Leben und das Ihrer Freunde sind.«

»Wieviel Menschen haben Sie bereits durch dieseWorte ins Verderben gelockt, Matthieu?« erkundigtesich Rhodan.

»Sie sind ein wichtiger Mann, Rhodan«, sagte eineandere Stimme. »Hier spricht Con Perton, derKommandant des Schiffsverbandes, der die CRESTzerstört hat. Wir versprechen Ihnen und IhrenBegleitern, daß wir Sie als Gefangene ebenso fairbehandeln, wie Sie Matthieu, Hathaway und Berringsbehandelt haben.«

Rhodan überlegte fieberhaft. Wie sollte er sichentscheiden? Er durfte nicht nur von seinemStandpunkt ausgehen, sondern mußte auch an dieSicherheit seiner Begleiter denken.

»Sie denken doch hoffentlich nicht daran, sichdiesen Piraten zu ergeben, Sir?« erkundigte sichKasom grollend. »Bevor wir vor ihnen kapitulieren,

müssen sie uns schon aus den Höhlenherausschleppen.«

»Hören Sie nicht auf ihn«, warnte Matthieu.Rhodan sah Atlan an. »Ich kenne die Mentalität

der Terraner«, sagte der Arkonide. »Deshalb weißich, daß wir nie freiwillig hinausgehen werden.«

»Haben Sie das gehört, Matthieu?« erkundigte sichRhodan. »Das gilt für uns alle. Wenn ihr uns habenwollt, müßt ihr uns holen.«

»Wir holen Sie«, versicherte Con Perton. »Wirholen Sie, auch wenn wir den ganzen Berg in dieLuft sprengen müssen.«

*

Wie schon so oft, hatten die Alten auch in diesemFalle recht behalten. Mit gesenktem Kopf trotteteToermlin durch den Hauptschacht. Die Götter hattensich nicht mit ihm verständigen können. Es war ihnenentgangen, daß er kein Tier war. Zum erstenmal seitlanger Zeit hatten die Alten die Höhlen geräumt. Siehatten keine Erklärung für ihr Verhalten abgegeben,aber vermutlich wußten sie genau, weshalb sie dastaten.

Die Alten waren zu ihren früheren Behausungenunterwegs. Dort würden sie einige Zeit bleiben, umirgend etwas abzuwarten, über das nur sie Bescheidwußten. Toermlin erreichte den Gang zu seinereigenen Behausung. Er war entschlossen, jetztintensiv mit den Aufräumungsarbeiten zu beginnen.Von den Göttern war keine Hilfe zu erwarten.Toermlin begann daran zu zweifeln, daß diesezweibeinigen Riesen Götter waren. Seine Gedankenwidmeten sich anderen Problemen. Das Vorratslagerfür den Winter mußte noch ergänzt werden. Einige,den Jaikas zugängliche Höhleneingänge mußten mitStacheln abgesichert werden. Das bedeutete vielArbeit vor Einbruch der kalten Jahreszeit. Toermlinkam an der Einbruchsstelle an. Einige seinerNachbarn würden im Laufe des Tages kommen, umihm bei der Arbeit zu helfen. Bald würde der Zugangzu seiner Behausung wieder frei sein. Toermlinbeschloß, die Götter zu vergessen. Er war überzeugt,daß sie sich bald zurückziehen würden. Götter undDämonen blieben nie lange an einem Ort. Toermlinstreckte seine Vorderkrallen. Dann bohrte er sie indas zusammengefallene Erdreich. Bald war er so inseiner Arbeit versunken, daß er alles, was geschehenwar, vollkommen vergessen hatte.

13.

Aus den Bordstrahlern des noch in der Luftschwebenden Beibootes strichen feurige Zungen überdie Höhleneingänge. Die Schützen belegtensystematisch jeden Platz mit Feuer.

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»Zurück!« befahl Rhodan. »Wir können in derVorhöhle nicht länger bleiben.«

Sie rannten tiefer in die Höhle hinein. Hinter ihnenpolterten Gesteinsmassen in die Tiefe, und ein dichterRauchvorhand bildete sich vor dem Eingang. Rhodankonnte sich genau vorstellen, was jetzt dort draußenpassierte. Die Besatzungen der vier gelandetenSuchschiffe würden aussteigen und die Höhlenbewachen. Dann würden sie mit der Durchsuchungdes gesamten Labyrinths beginnen. Da die Plophosernun wußten, wo Rhodans Gruppe zu finden war,würden bald weitere Beiboote hier eintreffen. Diezahlenmäßige Überlegenheit des Gegners würdenoch zunehmen.

»Jetzt sitzen wir in der Klemme«, sagte Bullydeprimiert.

»Wir nehmen hinter diesem Vorsprung Deckung«,sagte Rhodan und ging auf einen Felsauswuchs zu,der in die Höhle hineinragte. »Sobald sie auftauchen,beginnen wir zu feuern. Da sie praktisch nur durchden schmalen Spalt in diese Höhle gelangen können,ist es möglich, sie einige Zeit aufzuhalten.«

Die vier Männer versammelten sich um Rhodan.Sie alle waren kampferprobt und verloren auch inAugenblicken größter Gefahr nicht die Übersicht.Rhodan wußte, daß er sich auf jeden verlassenkonnte. Er bezweifelte jedoch, daß sie sich langehalten konnten. Der Kommandant der Plophoserwürde nach kurzem Zögern den Befehl geben, denschmalen Zugang zu den hinteren Höhlen durch eineSprengung zu erweitern. Kasom ließ sich zwischenden Steinen nieder. Seine übermächtigen Kräftenützten ihm in einem Kampf, der mit Strahlenwaffenausgetragen wurde, nur wenig. Rhodan bedauerte,daß Lemy Danger, Kasoms treuer Begleiter, nicht beiihnen war. Der winzige Siganese hätte es vielleichtgeschafft, unbemerkt aus den Höhlen auszubrechenund an Bord eines der plophosischen Schiffe zugelangen.

»Die Höhlen sind umstellt, Perry Rhodan!« klangMatthieus Stimme wieder im Helmfunk auf.»Kommen Sie mit den anderen heraus, bevor es zuspät ist!«

Rhodan gab keine Antwort. Für Matthieu war esein Triumph, sich für die erlittene Gefangenschafträchen zu können. Durch ihn hatten die Plophoserzweifellos von der Anwesenheit Atlans, Bullys undder beiden anderen wichtigen Männer an Bord derCREST erfahren. Matthieu wußte auch, daß Kasomund Noir ebenso zu den Überlebenden gehörten wieRhodan, Atlan und Bully. Rhodan konnte sich gutvorstellen, wie diese Nachricht die Tatkraft desplophosischen Kommandanten beflügelt hatte. Miteinem Schlag diese fünf Männer außer Gefecht zusetzen, war bisher noch keinem Gegner desImperiums gelungen. Hinter Qualm und

aufgewirbeltem Staub sah Matthieu den Eingang derHöhle auftauchen. Mit weitausholenden Schrittenging er darauf zu. Hinter ihm folgten zwanzig weitereMänner. Die Höhle selbst war kaum mit Rauchgefüllt. Die plophosischen Soldaten verteilten sichschnell an den Wänden. Scheinwerfer blitzten aufund suchten systematisch jedes Loch, jedenVorsprung und jeden Spalt ab. Doch außer grauemGestein war nichts zu sehen.

»Warte!« sagte Matthieu plötzlich. »Dort hinten!Los, die Scheinwerfer in diese Richtung halten.« Dasgrelle Licht wanderte weiter, bis es an einemschmalen Durchgang verhielt.

»Eine Verbindung zu einer anderen Höhle«, sagteMatthieu. »Wenn sie auf der anderen Seite sind,können sie bequem auf jeden von uns schießen, derden Durchgang benutzt.«

Er nahm Verbindung mit Perton auf, der sich indem Beiboot aufhielt, das nach wie vor über denHöhlen kreiste. »Wir brauchen einen Roboter, Sir«,sagte Matthieu. »Hier gibt es einen engenDurchgang, den Rhodans Männer leicht verteidigenkönnen.«

»Dazu müssen wir erst einen Roboter vom Schiffkommen lassen«, sagte Perton ungeduldig.»Inzwischen haben die Flüchtlinge sich noch besserversteckt.« Matthieu blickte verwirrt auf dasFunkgerät. Verlangte Perton tatsächlich von ihnen,daß sie ihr Leben riskierten, obwohl ein Roboter dieAufgabe wesentlich leichter erledigen konnte?

»Sir«, begann Matthieu erneut, »ich kann keinemSoldaten zumuten, durch diesen Spalt zu kriechen,vielleicht genau vor die Mündungen der feindlichenWaffen.«

»Sprengen Sie den Eingang«, befahl Perton.»Vergrößern Sie ihn.«

Matthieu dachte einen Augenblick nach.»Wir wissen nichts über die Ausdehnung der

Höhle hinter dem Spalt, Sir«, sagte er schließlich.»Es ist möglich, daß sie nur sehr klein ist. Bei einerSprengung können Rhodan und seine Begleiterumkommen.«

»Wie lange wollen Sie noch mit mirargumentieren?« schrie Perton unbeherrscht. »Siehaben sich gewünscht, das Kommando zu führen.Nun tun Sie etwas, bevor ich einen fähigen Offizierzu Ihrer Gruppe schicke. Sie sind dafürverantwortlich, daß weder Rhodan noch den anderenetwas passiert.«

»Natürlich, Sir«, preßte Matthieu hervor.Er unterbrach die Verbindung und wandte sich an

seine Männer.»Ich werde versuchen, in den hinteren Teil dieser

Höhle vorzudringen. Wenn alles in Ordnung ist, folgtihr mir.«

Er überprüfte den Paralysator. Perton hatte

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verlangt, daß ein direkter Beschuß der Flüchtlingenur durch Lähmungsstrahler erfolgen dürfte. Einesolche Waffe konnte den Abwehrschirm einesSchutzanzuges zwar durchdringen, gab aber demGegner Gelegenheit, seinerseits schwere Waffeneinzusetzen. Matthieu gab sich einen Ruck. Pertonhatte recht. Er selbst hatte darauf gedrängt, einen derSuchtrupps anzuführen. Nun durfte er keinenRückzieher machen. Langsam ging er auf den Spaltzu. Die Scheinwerfer begleiteten seinen Weg mitBahnen grellen Lichts. Als Matthieu den Durchgangerreicht hatte, befahl er den Soldaten, dieScheinwerfer auszuschalten. Er legte keinen Wertdarauf, von den Gegnern gesehen zu werden,Matthieu wartete einen Augenblick, bis sich seineAugen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dann schober sich entschlossen zwischen die Felsen. In deranderen Höhle war es vollkommen dunkel.Angespannt verließ Matthieu den Durchgang undversuchte etwas zu erkennen. Ein Flammenbündelzerriß die Finsternis. Bevor er sich zu Boden werfenkonnte, hüllte es ihn ein und durchbrach denAbwehrschirm seines Schutzanzuges. Auf allenvieren wollte er in die Vorhöhle zurückkriechen,doch er war nicht in der Lage, sich zu bewegen.

»Sie sind hier«, krächzte er. »Sie haben denDurchgang unter Kontrolle.«

Es kam keine Antwort. Er hatte die Verbindung zuPerton nicht eingeschaltet. Jetzt hatte er keine Kraftmehr dazu. Matthieu lag immer noch an der gleichenStelle, als die Soldaten in der Vorhöhle denDurchgang sprengten. Die Explosion riß Felsenauseinander und ließ das gesamte Labyrinth erbeben.Eine Steinlawine begrub Matthieu.

*

»Jetzt wissen sie genau, wo wir uns aufhalten«,sagte Kasom. »Der Bursche, den sie vorgeschickthaben, tut mir leid, aber er kam schließlich mit derAbsicht, auf uns zu schießen.«

»Mehr als eine Atempause haben wir nichtgewonnen«, sagte Rhodan. »Sie werden jetztvorsichtiger sein.«

Fünf Augenpaare schauten angestrengt in dieDunkelheit der Höhle. Nur durch einen Spalt fiel einschwacher Lichtschimmer. Von dort würde derGegner den nächsten Versuch unternehmen, sie zuüberwältigen.

»Wir sollten einen Ausbruchversuch wagen«,schlug Kasom vor. »Es gefällt mir nicht, daß wir unswie Tiere hier verkriechen.«

»Wollen Sie das gleiche Schicksal erleiden wiedieser Plophoser, auf den wir geschossen haben?«fragte Atlan. »Vergessen Sie nicht, daß derDurchgang von beiden Seiten aus gut zu bewachen

ist.«Kasom brummte unwillig. Für ihn bedeutete diese

Untätigkeit, das angespannte Warten auf einen neuenAngriff, die Aufgabe seiner Kampfmethoden. DerErtruser war ein Riese, der fest daran glaubte, daß injeder Auseinandersetzung Angriff die besteVerteidigung war. Obwohl die Männer mit einerSprengung gerechnet hatten, traf sie die Explosionvöllig unvorbereitet. Ein Lichtblitz fuhr durch dieHöhle. Die Detonation machte die fünfSchiffbrüchigen für Sekunden vollkommen taub.Rhodan preßte sich fest an den Felsen. Der ganzeBerg schien zu beben. Er spürte, daß kleine Steineauf ihn herabfielen. Vorsichtig hob er den Kopf undspähte über die Deckung. Dort, wo bisher der Spaltden einzigen Durchgang zur hinteren Höhle gebildethatte, zeigte sich nun ein von Scheinwerfernangestrahlter, rauchverhangener Einbruch vonmindestens zehn Metern Breite. Und durch dieneugeschaffene Öffnung kamen die Plophoser,nebelhafte Gestalten im Qualm der Explosion.Rhodan versuchte nicht, die Gegner zu zählen. Nebenihm begann Kasom zu feuern. Rhodan schob seineWaffe vor. Die Plophoser eröffneten den Beschuß.Rhodan vermißte das charakteristische Aufblitzenvon Energiewaffen. Das konnte nur bedeuten, daßman Lähmungsstrahler benutzte. Der Feind war alsointeressiert, sie lebend in die Hände zu bekommen.Die Plophoser begannen sich in der Höhle zuverteilen, ohne daß Rhodans kleine Gruppe sie daranhindern konnte. Da sie ebenfalls Schutzanzüge mitAbwehrschirmen trugen, waren sie nur aufzuhalten,wenn sie von mindestens zwei Strahlenwaffengleichzeitig unter Beschuß genommen wurden. Aufdiese Weise war es möglich, ihr Vordringen mitErfolg zu verhindern. Noir wurde zuerst getroffen. Ergab einen krächzenden Laut von sich und rutschtevom Felsen herunter. Vollkommen bewegungslosblieb er liegen.

»Er ist paralysiert«, meldete Bully.Rhodan hatte den Schützen ausgemacht, der Noir

getroffen hatte. Der plophoser war bereits bis aufwenige Meter herangekommen. Rhodan schoß aufihn. Hastig kroch der Mann in Deckung. DieAngreifer verstärkten jetzt ihre Bemühungen, ohnegroße Verluste in den eigenen Reihen zum Erfolg zukommen. Durch den aufgesprengten Eingangströmten weitere Plophoser als Verstärkung herein.Die Eingeschlossenen gerieten in Bedrängnis.

»Geben Sie endlich auf, Perry Rhodan!« wurdensie wieder angerufen. Gleichsam als Unterstreichungdieser Aufforderung erhielt Bully einen Treffer. Erblieb einfach liegen. Der Strahler glitt aus seinenHänden.

Danach ging alles sehr schnell. Die Plophoserbrachen aus ihren Deckungen hervor. Von allen

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Seiten stürmten sie an den Felsvorsprung zu, hinterdem ihrjen nur noch aus drei Waffen Abwehrfeuerentgegenschlug. Rhodan schoß einfach in dieheranstürmende Menge hinein, genau wissend, daß erkeinen entscheidenden Treffer erzielen konnte. DiePlophoser erkletterten den Felsvorsprung. Direkt überRhodan erschien eine hochaufragende Gestalt. Miteinem Satz war Rhodan auf den Beinen. Er schwangden Strahlenkarabiner wie eine Keule. Scheinwerferblitzten auf. Geblendet schloß Rhodan die Augen.

Er fühlte, wie er den plophosischen Raumfahrerniederschlug, dann wurde er von einem Paralysatorgetroffen. Die augenblickliche Lähmung ließ ihn insich zusammensinken. Sein Denkvermögen, seineSeh-und Hörfähigkeit setzten nicht aus.

Er hörte ein dröhnendes Brüllen, dann glaubte ereine gewaltige Gestalt an sich vorbeitaumeln zusehen. Das war Kasom. Der ertrusische Riese warnicht so leicht außer Gefecht zu setzen.

Auch Atlan war inzwischen durch einen Trefferzur Hilflosigkeit verdammt worden. Es wurde ruhig.Man hatte sie besiegt. Nun wartete dieGefangenschaft auf sie. Das Verhängnisvolle war,daß niemand wußte, wohin man sie bringen würde.Atlan D. Mercant, der Chef der GalaktischenAbwehr, würde wenig Chancen haben, sie zu finden.Die Plophoser brauchten jetzt nur auf das mit großerWahrscheinlichkeit ausbrechende Chaos zu warten.Dann, wenn die Galaxis in Schutt und Asche lag,konnten sie das Erbe Rhodans antreten. In vollerKonsequenz sah Rhodan den Traum von einermächtigen galaktischen Allianz zerbröckeln.Imperien wurden gebildet und - zerschlagen, darankonnten einzelne Männer nichts ändern. Eine Gestaltbeugte sich über Rhodan.

»Tragt sie hinaus«, sagte eine befehlsgewohnteStimme.

Mit grimmigem Humor dachte Rhodan daran, daßsicher zwanzig Plophoser nötig waren, um Kasomaus der Höhle zu transportieren. Die Burschenwürden sich wundern, wenn sie den Ertruser vomBoden aufheben wollten. Rhodan wurde umringt,aufgehoben und durch die Höhle getragen. Er konntedie Gesichter seiner Gegner nicht erkennen, aber erkonnte sich vorstellen, daß Triumph in ihnenleuchtete. Für die Männer war der psychologischeErfolg größer als der militärische. Fünf Namen, diebereits zur Legende geworden waren, fünf Männer,die zu den Hauptstützen eines Imperiums gehörten,das die Macht der Blues gebrochen hatte - das würdedie Plophoser davon überzeugen, daß sie zu nochgrößeren Taten fähig waren.

Als ihn seine Bezwinger vor den Höhlen auf denBoden legten, waren Noir und Atlan bereits da. Siewaren ebenso bewegungsunfähig wie Rhodan. Kurzdarauf wurden Bully und Melbar Kasom

herausgebracht. Die Plophoser umringten sie undbetrachteten sie neugierig. Ein großer,breitschultriger Mann mit dunklen Haaren und einemBärtchen bahnte sich einen Weg durch die Soldaten.Rhodan erkannte ausgeprägte Eitelkeit in den Zügendes anderen, sah, daß dieser Mann schwach, aberdoch ungemein gefährlich war. Ohne daß man ihm essagte, wußte er, daß er den Kommandanten derPlophoser vor sich hatte. Er sah es am Verhalten derübrigen Plophoser. Das also war Con Perton.

Perton schritt die Reihe der Gefangenen ab. VorRhodan machte der plophosische Kommandant halt.»Perry Rhodan«, sagte er. »Es bereitet mir großesVergnügen, Sie einmal persönlich kennenzulernen,Großadministrator des Vereinten Imperiums.«

Rhodan hörte den Spott heraus. Er war froh, daß ernicht in der Lage war, dem Plophoser zu antworten.Einen kurzen Augenblick betrachtete ihn Perton.Dann wandte er sich ab. Rhodan hörte ihn nochsagen: »Jetzt können wir den Obmannbenachrichtigen.«

14.

Con Perton stand auf und reckte sich. Der jungePlophoser nahm Haltung an. Pertin nicktewohlwollend.

»Bringen Sie ihn herein«, ordnete er an.Der junge Mann verließ die geschmackvoll

eingerichtete Kabine des Kommandanten und kehrtegleich darauf mit einem großen, schlanken Terranerzurück.

»Sie können jetzt gehen«, sagte Perton zu seinemAdjutanten.

Er wartete, bis sich die Tür hinter dem Raumfahrergeschlossen hatte, dann entzündete er sich bedächtigeine Zigarette.

»Ich weiß, daß Sie nicht rauchen, Mr. Rhodan«,sagte er.

Rhodan schwieg.Die wenigen Stunden, die er jetzt an Bord des

plophosischen Schiffes weilte, hatte er zum Großteilin gelähmtem Zustand zugebracht. Als er sich wiederbewegen konnte, hatte man ihn zu Perton gebracht.Dafür gab es mehrere Erklärungen. Entweder wolltePerton etwas von ihm erfahren, oder er wollte seinenTriumph weiter auskosten. Natürlich bestand auchdie Möglichkeit, daß Perton einen Vorschlag zuunterbreiten hatte.

»Sie werden sich wundern, daß ich es riskiere, mitIhnen allein in diesem Raum zu stehen«, sagtePerton.

»Allerdings«, bestätigte Rhodan. »Bisher war iches gewöhnt, daß Sie nur mit großer Übermacht aufdem Schauplatz erschienen.«

Perton errötete vor Zorn. Rhodan hielt gelassen

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dem Blick des Plophosers stand. Er durchschautediesen Mann, und Perton schien das zu fühlen. Pertonzog einen kleinen Paralysator aus der Tasche.

»Damit Sie nicht glauben, Sie bekämenGelegenheit, hier den Helden zu spielen«, sagte er. Erzeigte auf einen Stuhl. »Setzen Sie sich.«

Rhodan nahm Platz und wartete. Er war sicher, daßPerton etwas vorhatte. Der Plophoser beschäftigtesich eine Minute ausschließlich mit der Zigarette.

»Wissen Sie, daß Sie und Ihre Freunde bereits totsind?« erkundigte er sich.

»War das eine Urteilsverkündüng?« fragte Rhodanruhig.

Perton schüttelte den Kopf.»Keineswegs«, sagte er. »Ich kann nicht über Ihr

weiteres Schicksal entscheiden. Das bleibt demObmann vorbehalten, der bereits über IhreAnwesenheit an Bord der PHOENIX unterrichtetwurde. Doch der Obmann ist sehr ungeduldig. Es istmöglich, daß er sich Ihrer Person entledigt, wenn erSie nicht mehr benötigt.«

Rhodan wartete, daß Perton weitersprechen würde.Der Kommandant streifte die Asche seiner Zigaretteab und sagte:

»Wichtig ist im Augenblick nur, daß die Galaxisglaubt, Sie seien tot.«

»Und ich soll Ihnen vermutlich helfen, diesenGlauben zu verbreiten?« erkundigte sich Rhodansarkastisch. »Nein, nein. Das erledigen wir selbst«,versicherte Perton. Er zog den Paralysator aus derTasche.

»Los!« kommandierte er. »Folgen Sie mir.«Er riß die Kabinentür auf und stieß Rhodan auf den

Gang hinaus.»Gehen Sie voran!« befahl er.Rhodan sah keine andere Möglichkeit, als dem

Verlangen des Mannes nachzukommen. Er setztesich in Bewegung. Zwei Plophoser kamen ihnenentgegen. Respektvoll machten sie Perton undseinem unfreiwilligen Begleiter Platz. Rhodanerreichte ein Schott.

»Öffnen Sie!« befahl Perton. »Es führt zumKommandoraum.«

Rhodan wandte sich um und lehnte sich gegen dasgeschlossene Schott.

»Ich bin Ihr Gefangener«, sagte er. »Aber ich lassemich nicht so behandeln.«

Er machte einen Schritt zur Seite.»Wenn Sie in den Kommandoraum wollen, dann

öffnen Sie selbst.«Perton wurde blaß. Er richtete den Paralysator mit

zitternder Hand auf Rhodan. In Rhodans Gesichtzeigte sich keine Spur eines Gefühls. Er blickte denPlophoser unverwandt an.

»Schätzen Sie sich glücklich, daß der Obmann Sienoch benotigt«, erklärte Perton schließlich haßerfüllt.

Er ging an Rhodan vorbei in den Kommandoraum.Rhodan folgte ihm. Angesichts der anwesendenOffiziere zwang sich Perton zur Ruhe.

»Gehen Sie zum großen Bildschirm«, sagte er zuRhodan.

In der Kommandozentrale war es still geworden.Rhodan war sich bewußt, daß jede Bewegung vonihm von vielen Augenpaaren verfolgt wurde. OhneHast ging er zum Bildschirm und ließ sich in einemSessel nieder. Perton nahm neben ihm Platz.

»Einschalten!« befahl der plophosischeKommandant barsch.

Die Mattscheibe flackerte. Rhodan sah eineBildübertragung der Außenwelt. Die CREST tauchteauf dem Bildschirm auf. Das vernichtete Schiffwurde von verschiedenen Seiten gezeigt.

»Das Schiff ist vollkommen ausgebrannt. VieleAußenzellen sind vernichtet«, berichtete Perton.»Trotzdem muß es noch präpariert werden, umunseren Vorstellungen zu entsprechen.«

Rhodan begann zu überlegen, was diese Worte zubedeuten hatten. Das Bild der CREST verblaßte. VierRaumschiffe der Plophoser erschienen an ihrer Stelleauf dem Bildschirm.

»Verstehen Sie jetzt?« wollte Perton wissen.Wieder wechselte das Bild. Jetzt sah Rhodan, was

sich in der Wüste dieses Planeten abspielte. Die vierplophosischen Schlachtschiffe flogen einen Angriffgegen das Wrack der CREST. Rhodan versuchteeinen Sinn in dieser Handlung zu erkennen. Was lagden Plophosern daran, ein abgestürztes Schiff völligzu vernichten? Unter dem Beschuß thermischerSchiffsgeschütze begannen die Überreste der CRESTzu glühen und zu einem Schlackenballzusammenzuschmelzen.

Perton verfolgte die Vorgänge mit befriedigtemLächeln. »Niemand wird jetzt noch glauben, daß dieCREST durch eine Notlandung auf diese Weltgeriet«, sagte er.

In Rhodan keimte allmählich ein Verdacht auf. Erahnte, daß die Plophoser zu einem Trick greifenwürden, um dem Imperium ohne Waffengewaltgroßen Schaden zuzufügen. Pertons nächste Wortebestätigten Rhodans Verdacht.

»Es hat nun den Anschein, als sei die CREST überdieser Welt angeschossen worden und abgestürzt«,sagte der Plophoser. »Natürlich brauchen wir nocheinen Verantwortlichen für das Schicksal deswertvollen Flaggschiffes. Wer anders könnte dafürgeeignet sein als die Blues?«

»Die Blues?« rief Rhodan überrascht. »Was habendie Blues mit dieser Sache zu tun?«

Er dachte bestürzt an die Möglichkeit einesBündnisses der Blues mit den Plophosern.

»Nichts«, erwiderte Perton. »Wir beabsichtigenjedoch, die Nachricht von Ihrem Tod in der Galaxis

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zu verbreiten. Vor allem Ihren Freunden auf der Erdemuß er bekannt werden. Wir rufen sie also hierher.«

Allmählich begann Rhodan zu verstehen. Wennder Kommandant eines terranischen Schiffes dieÜberreste der zusammengeschossenen CRESTerblickte, mußte er zwangsläufig annehmen, daßRhodan und alle anderen Besatzungsmitglieder totseien.

»Es entspricht nicht der Art der Blues, dasImperium zu verständigen, wenn es ihnen gelungenist, eines unserer Schiffe zu zerstören«, sagte Rhodanzu Perton.

»Wir wissen über die Mentalität der Blues gutBescheid«, sagte Perton. »Deshalb werden wir keinenHyperfunkspruch der Blues, sondern einen Notrufder CREST vortäuschen. In diesem Notruf werdenwir erwähnen, daß die CREST von mehrerenMolkexschiffen angegriffen wird und sich nichthalten kann.«

Rhodan gestand sich ein, daß der Plan derPlophoser perfekt war. Irgendwo im Raum würde einWachschiff des Imperiums den vorgetäuschtenNotruf aufnehmen und nach Terrania weitergeben.Allan D. Mercant würde mit großerWahrscheinlichkeit hier auftauchen, umUntersuchungen einzuleiten. Als erstes würde er dasWrack der CREST finden. Dadurch mußte erannehmen, daß die Blues das Flaggschiff vernichtethatten und sämtliche Besatzungsmitglieder tot waren.Das würde Mercant auf die falsche Spur führen.Indessen konnten sich die Plophoser zurückziehenund in aller Ruhe ihren Plänen nachgehen.

»Ich sehe, daß Sie sich Sorgen machen«, meintePerton spöttisch. »Aber das ist auch alles, was Sie tunkönnen. Sie sind am Ende angelangt, Mr. Rhodan.Sie und Ihr aufgeblasenes Imperium.«

Es war schwer, in diesem Augenblick die Nervenzu behalten. Der Gegner hielt alle Trümpfe in derHand. Es war nicht auszudenken, was sich in dennächsten Tagen innerhalb der Galaxis abspielenwürde.

»Wir werden Aufnahmen von der CRESTmachen«, fuhr Perton fort. »Es ist keine schwereAufgabe, diese Bilder überall zu verteilen. IhreFreunde und Feinde werden wegen dieser Bildergleichermaßen in Unruhe geraten - wenn auch ausverschiedenen Gründen. Die Aufnahmen inVerbindung mit Ihrer Unfähigkeit, die Nachrichtenüber Ihren Tod zu dementieren, werden völligausreichen, um die Milchstraße aus allen Fugengeraten zu lassen.«

Auch ein weniger fanatisierter Mann als Pertinwäre zur gleichen Ansicht gelangt. Rhodan ahnte,daß es zu Umstürzen, Revolten und Kriegen kommenwürde. Doch er selbst würde das wahrscheinlich allesnicht mehr erleben.

»Kennen Sie Al Jiggers?« fragte Perton inRhodans Gedankengänge hinein.

»Nein«, sagte Rhodan.Perton lächelte boshaft. »Sie werden ihn

kennenlernen«, prophezeite er. »Und zwar aufGreendoor. Es steht nicht fest, wer eine größereGefahr für Sie ist: Jiggers oder der PlanetGreendoor.«

»Ist Jiggers der Obmann, von dem Sie sprachen?«erkundigte sich Rhodan. »Al? Nein, aber Sie werdenihn in wesentlich unfreundlicherer Erinnerungbehalten als den Obmann, wenn Sie erst mit beidenzusammengetroffen sind.«

Perton rief einen der Offiziere zu sich und befahlihm, Rhodan zu den anderen Gefangenenzurückzubringen.

»Wir verlassen diesen Planeten, Mr. Rhodan«,sagte Perton abschließend. »In absehbarer Zeitwerden wir den Obmann an Bord begrüßen können.Bereiten Sie sich gut auf diesen Augenblick vor,denn er ist der Mann, der Sie ablösen wird.«

Abrupt wandte sich der plophosische Kommandantab. Beinahe sanft berührte der Offizier RhodansSchulter.

»Kommen Sie, Rhodan«, sagte er ruhig. »Siemüssen gehen.«

Rhodan nickte stumm. Er war ein Gefangener.Die wichtigsten Männer des Imperiums teilten sein

Schicksal.Ein Imperium, das er nach einem 350 Jahre

währenden Kampf aufgebaut hatte, war innerhalbvon Tagen vernichtet worden. Rhodan biß die Zähnezusammen. Solange er noch am Leben war, durfte erdie Hoffnung nicht aufgeben. Auch die Plophoserwaren Angehörige der menschlichen Rasse. Nochbestimmte also der Mensch das Geschehen in derGalaxis. Was aber, wenn er sich selbst zerfleischte?Dann, ahnte Rhodan, würden Akonen, Springer,Arkoniden, Blues und viele andere Rassen zu neuerMacht gelangen. Die Brandfackel des Krieges würdedie Milchstraße in Flammen setzen. Das würde dasEnde des Imperiums der Menschen bedeuten, ja, dasEnde der Menschheit überhaupt. Vorbei war es dannmit den Plänen, die Menschen zur nächsten Galaxiszu führen.

»Bleiben Sie stehen«, sagte der plophosischeOffizier. »Gehen Sie zurück zu Ihren Freunden.«

Der Ton des Mannes war nicht ärgerlich, er verrietsogar einen gewissen Respekt. Der Plophoser schloßRhodan die Tür auf. Er trat zur Seite und ließ Rhodanein. Atlan, Noir und Bully hockten um einen kleinenTisch herum. Als Rhodan hereinkam, blickten sieerwartungsvoll auf. Kasom lag in einer Ecke undschlief. Die Betten waren zu klein für ihn. Rhodankonnte den fragenden Blicken der Freunde nichtentgehen.

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»Wir sind auf der Verliererstraße«, sagte Rhodan.»Sie geht steil bergab.«

Dreißig Minuten später startete der Verband derplophosischen Schiffe. Der Hyperfunkspruch, den diePHOENIX abgesetzt hatte, war von einemterranischen Schiff beantwortet worden. Für diePlophoser lief alles nach Wunsch. Das VereinteImperium war stärker bedroht als jemals zuvor seitseiner Gründung. Niemand in der Galaxis ahnteetwas davon, niemand - außer fünf Männern, dienicht in der Lage waren, irgend etwas zu tun, umrechtzeitig einzugreifen.

15.

In gewissem Sinne war in Allan D. MercantsGehirn mehr Erfahrung aufgespeichert als in derpositronischen Riesenanlage auf dem terranischenMond. Allerdings war Mercants Erfahrungspezialisiert. Mercant war der größte Experte fürSpionage, der jemals auf der Erde zur Weltgekommen war. Er übertraf an Können alle seinelegendären Vorgänger, von denen die menschlicheGeschichte tollkühne Abenteuer zu berichten weiß.

Dabei besaß Mercant vor Nathan, der Positronikauf Luna, noch den Vorteil, daß erBewegungsfreiheit hatte. Er konnte an jeden Ort derGalaxis reisen, wenn es darauf ankam. Das konnteNathan nicht. Doch beide, Nathan und Mercant,waren auf Informationen angewiesen. Die Nachricht,die Allan D. Mercant zum überstürzten Aufbruch vonder Erde veranlaßte, traf am 5. Oktober 2328 amspäten Nachmittag im Hauptquartier derGalaktischen Abwehr ein.

Da die Nachricht dringlich war, wurde Mercantsofort eingeschaltet. Ein Funkspruch des LeichtenKreuzers ROTTERDAM war eingelaufen. DieROTTERDAM befand sich wie Tausende vonanderen Schiffen auf Patrouillenflug. Mercant, dergerade eine Konferenz mit mehreren Spezialagentenaus dem Blauen System abhielt, unterbrach dieSitzung sofort und ließ sich informieren. Als einzigernäherer Freund Rhodans wußte er vomZusammentreffen des Großadministrators mit Atlan.Er wußte auch, daß Rhodan Mutanten angeforderthatte, und daß Bully mit der AMALDO zusammenmit Andre Noir in den Raum gestartet war. Mercantwar ein schmächtiger Mann, er wirkte eher wie einruhiger Beamter als ein Chef eines Spionage - undAbwehrringes. Ein schütterer Haarkranz war alles,was ihm von seiner jugendlichen Haarfülle gebliebenwar. Mercant war einer der wenigen Träger einesZellaktivators. Als Mercant in der Zentrale derAbwehr eintraf, fühlte er sofort die Spannung, dieüber dem Raum lag. Die anwesenden Männerblickten ihn erwartungsvoll an.

Mercant erhielt den Funkspruch derROTTERDAM im Originaltext. Die ROTTERDAMhatte gleichzeitig die Koordinaten übermittelt, die ihrKommandant von der Funkzentrale der CRESTerhalten hatte.

»Was halten Sie davon, Sir?« fragte MajorThatcher, der Funkoffizier der Zentrale.

»Mysteriös«, meinte Mercant nachdenklich, »sehrmysteriös. Hier lese ich, daß die ROTTERDAM aufweitere Funkanfragen keine Antwort erhielt. Daswürde bedeuten, daß der CREST etwas zugestoßenist.«

»Diese verdammten Blues«, sagte Thatcheraufgebracht. »Obwohl wir sie entscheidendgeschlagen haben, machen sie jetzt immer nochSchwierigkeiten.«

»Wir haben die Gataser, das mächtigste Volk derBlues, geschlagen und damit den unterdrücktenKolonialwelten der Blues Gelegenheit zurSelbständigkeit gegeben«, erinnerte Mercant.Während er noch einmal den Funkspruch studierte,ließ er sich bereits mit dem Raumhafen Terraniasverbinden. Mercant war ein kühler Rechner. Für ihnstand es fest, daß er sich jetzt auf die Schiffe derVerbündeten nicht verlassen konnte. Wenn er derCREST zu Hilfe kam, dann mußte das mit einemterranischen Verband geschehen, über dessenLoyalität nicht die geringsten Zweifel bestanden.

Mercant ordnete an, daß ein im Raum kreisenderVerband startfertig gemacht wurde. Er selbst forderteein Schiff des Experimentalkommandos an. ZehnMinuten, nachdem ihn die Nachricht von derROTTERDAM erreicht hatte, war Mercant bereitszum Raumhafen unterwegs. Trotzdem hatte er nichtvergessen, alle erforderlichen Schritte für denEventualfall zu unternehmen. Die Flotte hatteAlarmbefehl erhalten, Mercant hatte einenStellvertreter einberufen der seine Arbeitweiterführen sollte, und Julian Tifflor, Marschall derFlotte, hatte eine Nachricht erhalten. Mit einerPassagierrakete der Abwehr traf Mercant auf demRaumhafen ein. Innerhalb der Absperrung wartetebereits ein Zubringerwagen auf ihn. Der Fahrer schobdie rote Dienstmütze in den Nacken. Er wußte, daß esirgendwo brannte, wenn Mercant persönlich hierauftauchte.

»Eilig, Sir?« fragte er nur.»Ja, Dave«, erwiderte Mercant.Bevor Mercant noch richtig saß, schoß das kleine

Fahrzeug bereits über den glatten Boden dahin.Mercant war es gewohnt, daß Dave schnell fuhr, soschnell, als hinge von der Geschwindigkeit seinesWagens der Fortbestand des Imperiums ab. Siemußten zwanzig Kilometer zurücklegen, um dasSchiff des Ex-perimentalkommandos zu erreichen.

»Danke, Dave«, sagte Mercant und stieg aus.

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Die Sonne war gerade untergegangen, und vor demrötlichen Himmel wirkten die Silhouetten derRaumschiffe gespenstisch. Die Triebwerke desSchiffes waren bereits angelaufen. Ein Lift brachteMercant zur Schleuse. Wenige Augenblicke späterwar er im Schiff verschwunden und strebte derZentrale entgegen. Eine kleine Ledermappewechselte ihren Besitzer. Mercant warf sie auf denNavigationstisch.

»Hier, meine Herren«, sagte er. »Dies ist unserZiel.«

16.

Die MORAVIA, das Schiff desExperimentalkommandos, an dessen Bord sich AllanD. Mercant aufhielt, bildete die Vorhut eines starkenVerbandes der terranischen Flotte. Am 8. Oktoberdes Jahres 2328 traf die MORAVIA im gleichenSystem ein, wo die CREST ihre Notlandungdurchgeführt hatte. Sorgfältig ausgeführte Ortungenergaben rasch die ersten Ergebnisse. Der zweitePlanet verbarg etwas auf seiner Oberfläche, das dieMassedetektoren der MORAVIA zum Ausschlagenbrachte. Nach einer kurzen Unterredung mit MajorHumphrey, dem Kommandanten der MORAVIA,befahl Mercant die Landung des Schiffes. Bald standfest, daß unter ihnen die Stelle lag, die den Ausschlagder Ortungsgeräte hervorrief. Auf der Seite desPlaneten, auf der die MORAVIA landete, herrschtegerade Tag. Mercant, Humphrey und weitereOffiziere hatten sich um die Bildschirme gruppiert.Inzwischen stand fest, daß die dünne Atmosphäreatembar war. Dann entdeckten sie den Krater.Mercant und Humphrey sahen sich schweigend an.Beide dachten das gleiche. Wenn dieser Krater dieÜberreste der CREST darstellte, gab es wenigHoffnung für die Besatzung. Die MORAVIA landetein unmittelbarer Entfernung der Aufschlagstelle,Robotergruppen und Spezial-kommandos wurdenausgeschleust. Mercant begab sich an Bord einesFluggleiters zur Unglücksstelle. Die Angehörigen desExperimen-talkommandos wußten genau, was zu tunwar. Neben dem Wrack wurde ein Lageraufgeschlagen, wo man die wichtigstenUntersuchungsgeräte unterbrachte. Ganze Kolonnenvon Männern tauchten in dem noch immer nichtvollständig abgekühlten Schiff unter. Mercantetablierte sich im Lager und wartete ungeduldig dieersten Nachrichten. Nach drei Stunden erschien derdreckverschmierte Major Humphrey mit zehnweiteren Spezialisten im Zelt Mercants. Der kleineAbwehrchef schüttete den Rest kaltgewordenenKaffees aus einem Becher und schenkte neuen ein. Erwies zum Warmwasserbehälter. »Bedienen Sie sich«,forderte er den Offizier auf. Humphrey nickte

dankbar. Während er einen Becher füllte, sagte er mitNachdruck. »Es ist die CREST, Sir. Sie ist mitEnergiewaffen vernichtet worden.«

Mercant mußte sich abwenden, um seineErschütterung zu verbergen. Nur er wußte, daß außerRhodan noch Atlan, Bully, Noir und Kasom an Bordgewesen waren. Mercant benötigte nur Sekunden, umsich zu sammeln.

»Haben Sie Leichen entdeckt?« erkundigte er sich.Humphrey klappte den Helm seines Schutzanzugesauf und wischte sich über die Stirn. Er sah blaß aus.

»Ja, aber nur wenige waren zu identifizieren.«Mercant nickte. Das hatte er erwartet. »War ... warRhodan unter ihnen?« fragte er.

»Nein, Sir«, antwortete Humphrey. »Aber das hatwenig zu sagen. Viele Männer haben einfach alsKörper zu existieren aufgehört.«

»Wir müssen herausfinden, ob Rhodan, Atlan oderBull unter den Toten sind«, sagte Mercant. »Ichweiß, daß ich beinahe Unmögliches von Ihnenverlange, Major, aber Ihre Männer müssen dasSpezialverfahren der Aras anwenden, das unsermöglicht, aus den VerbrennungsrückständenSchlüsse zu ziehen.«

Humphrey kippte den noch zur Hälfte mit Kaffeegefüllten Becher aus.

»Sie wissen, daß ich für diese Arbeit nurFreiwillige verpflichten kann, Sir«, sagte er.

Mercant trat vor das Zelt und winkte den Majorheraus.

»Fragen Sie Ihre Männer«, forderte er denKommandanten der MORAVIA auf. »Fragen Sie sie,ob sie diese Arbeit übernehmen wollen.«

Humphrey rief die Spezialisten zusammen.Mercant hielt eine kurze Rede und erklärte, worauf esankam.

»Sie haben gehört, worum es geht«, sagteHumphrey anschließend. »Wer meldet sich für dieseAufgabe freiwillig?«

Sie meldeten sich alle, ohne Ausnahme.Humphrey wandte sich zu Mercant um. Man

konnte ihm ansehen, daß er auf seine Männer stolzwar. Mercant lächelte. Er hatte es nicht anderserwartet.

*

Jede Zelle eines Lebewesens strahlt gewisseImpulse ab, die individuell verschieden sind. Die voneinem Körper abgegebenen Impulse sind nichtsanderes als elektrische Wellenmuster. Jeder Körperbesitzt ein eigenes Muster sogenannterIndividualimpulse.

Um eine hundertprozentige Identifizierung inZweifelsfällen gewährleisten zu können, hatte dieGalaktische Abwehr die Methode der Aras

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übernommen, die mit einem hochwertigen Gerätjedes Impulsmuster aufzeichnen und mit denvorhandenen Werten vergleichen konnten.

In der Galaktischen Abwehr verfügte man über dieImpulswerte der meisten wichtigen Persönlichkeitendes Imperiums.

Der große Vorteil dieser Methode war, daßwinzige Körperteile noch einige Zeit nach dem Toddes Betreffenden diese Impulse abstrahlten, wennauch nur in schwachen Werten.

*

Es war Nacht. Doch für Mercant bedeutete dasnicht, daß er nun schlief. Da er als Aktivatorträgerleicht auf Schlaf verzichten konnte, hatte erHumphrey empfohlen, sich etwas auszuruhen. DerMajor lag auf dem einfachen Lager in Mercants Zeltund schlief. Mercant ging vor dem Zelt auf und ab.Die Spezialisten des Kommandos arbeiteten in zweiGruppen. Während die erste Abteilung die CRESTgründlich untersuchte, nahmen die anderen Männerdie Auswertungen vor. Als voll funktionierendesSchiff war die CREST ein Riese von 1500 MeternDurchmesser gewesen. Auch als Wrack, totalzusammengeschmolzen, war sie nicht gerade klein.Vielfach mußten die Männer sich einen Wegfreischweißen, um überhaupt weiterzukommen.Mercant wußte, daß es sinnlos war, diesehochqualifizierten Fachkräfte anzutreiben. DieMänner arbeiteten ohnehin schnell und exakt.Humphrey erwachte und kam zu Mercant heraus.Verschlafen rieb er sich übers Gesicht.

»Darf ich eine Frage stellen, Sir?« erkundigte ersich.

»Nur zu«, ermunterte ihn Mercant.»Warum lassen Sie diese Untersuchungen

überhaupt durchführen? Es ist doch ziemlichunwahrscheinlich, daß jemand, der sich an Bordbefand, diesen Absturz überlebt hat.«

»Sie sagten es ganz richtig, Major: jemand, der anBord war«, erwiderte Mercant. »Woher wollen wirwissen, ob Rhodan, Atlan und Bull überhaupt anBord der CREST waren?«

»Ihrem Bericht zufolge müßte es aber so sein«,meinte Humphrey. »Entschuldigen Sie, Sir, aberklammern Sie sich nicht an eine vergeblicheHoffnung?«

Mercant sah mit brennenden Augen in dieDunkelheit, dorthin, wo sich der Krater ausdehnte,den das Flaggschiff in den Boden des fremdenPlaneten gebohrt hatte. Hatte Humphrey mit seinerAndeutung nicht recht? Wollte er sich den TodRhodans, Atlans und Bulls nicht eingestehen, weilnicht sein konnte, was nicht sein durfte?

»Vielleicht ist Ihre Ansicht richtig, Major«, sagte

Mercant. »Aber meine Ahnung sagt mir, daß hieretwas nicht stimmt. Der Unglücksfall verlief zu glatt,fast wie ein eingeplantes Schauspiel. Außerdemmöchte ich bezweifeln, daß es den Blues gelingenkönnte, ein Schiff wie die CREST mit Kors Danturals Kommandant zu gefährden.«

Vier Stunden später kehrte derUntersuchungstrupp mit weiteren Ergebnissenzurück, die an die Auswertung übergeben wurden.Schweigend nahmen die Männer eine kurze Mahlzeitzu sich. In ihren Gesichtern spiegelte sich das, wassie an Bord des Wracks zu sehen bekommen hatten.Diese Spezialisten hatten eine harte Schuledurchgemacht, aber die Arbeit, die sie jetzt zuerledigen hatten, war auch für sie belastend.

»Kommen Sie, Major«, sagte Mercant. »Gehen wirzur Auswertung.«

Sie überquerten den freien Platz. Die erstenUntersuchungen der eingebrachten Werte hattebereits begonnen. Der Offizier, der das Gerät mit denImpulswerten bediente, schüttelte nach jedem Wertnur stumm den Kopf. Das bedeutete, daß derangegebene Wert nicht einem der drei gesuchtenMänner entsprach. Nach einer knappen Stunde warenalle gefundenen Ergebnisse überprüft.

»Nichts«, sagte Humphrey. »Das Ergebnis gibtIhnen recht, Sir.«

»Ja«, bestätigte Mercant. »Aber das bedeutet nochlange nicht, daß Rhodan, Atlan und Bull noch amLeben sind. Immerhin erhärtet die Untersuchungmeinen Verdacht.«

»Was, glauben Sie, ist in Wirklichkeit passiert?«erkundigte sich der Major.

»Wer will das sagen?«Mercant schüttelte gedankenvoll seinen Kopf.

»Immerhin besteht eine schwache Hoffnung, daß diedrei Männer noch am Leben sind. Das könntebedeuten, daß jemand versuchte, uns glauben zulassen, sie seien tot. Jener Unbekannte muß auch fürden Absturz der CREST verantwortlich sein.«

Die Spezialisten hatten bereits damit begonnen, dieLager wieder abzubauen. Ihr Auftrag war beendet.Was sie auf dieser Welt überhaupt erfahren konnten,hatten sie herausbekommen.

»Wie werden Sie jetzt vorgehen?« erkundigte sichHumphrey. »Das läßt sich im Moment schwer sagen.Wir werden allen unseren Agenten Anweisungen zurbesonderen Wachsamkeit geben. Außerdem glaubeich, daß, wenn es einen Unbekannten gibt, dieserfrüher oder später sowieso auftauchen und seineMaske fallenlassen wird. Denn wozu hätte er sonstdiese Aktion planen sollen?«

Humphrey wollte noch etwas sagen, aber Mercantwar in der Dunkelheit verschwunden. Der Majorfühlte sich unbehaglich. Das konnte nicht alleindurch die Nähe der CREST oder die Kälte der Nacht

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kommen. Es war die Vorahnung einer unerklärlichenDrohung, einer Gefahr, die auf sie alle zukam. Wassollte nun geschehen?Die drei führenden Männer des Imperiums warenverschollen, vielleicht sogar tot. Und irgendwo dortdraußen in der Dunkelheit stand ein kleiner,schmächtiger Mann, auf dem nun die ganze Last derVerantwortung für ein Imperium ruhte. Humphreyfröstelte.Ein Gefühl völliger Einsamkeit überkam ihn, dasauch nicht nachließ, als er langsam zu seinenMännern hinüberging, die ihre Spezial-gerätezusammenpackten. Allmählich begannen die großenScheinwerfer zu erlöschen. Die Männertransportierten sie in die Fluggleiter, um sie zurMORAVIA zu bringen. Als Humphrey beim Gleiterankam, war auch Mercant wieder da. Das letzte Lichtging aus, die Männer versammelten sich um diekleinen Flugm aschinen. Schweigend kletterte

Mercant vor Humphrey durch die Einstiegluke.Humphrey folgte ihm. Wenige Minuten späterstarteten die Gleiter und flogen auf die MORAVIAzu. Im Wrack der CREST knisterte es. Ab und zuglühten helle Flecke auf, wie Augen vonUngeheuern. Rascheln und Knacken kam aus demKrater. Ein feines, kaum hörbares Prasseln wurdelaut. Das war der Wind, der Sand vor sich her in denKrater trieb und auf die ausgeglühten Metallflächenniederregnen ließ. Dieses Geräusch würde noch langeZeit anhalten. Erst dann, wenn die Überreste derCREST vollständig bedeckt waren, würde esverstummen.Das Flaggschiff der Flotte des Vereinten Imperiumshatte ein mächtiges Grab gefunden.

E N D E

DER GNADENLOSE GEGNER hat zugeschlagen und das stolze Flaggschiff des Solaren Imperiums vernichtet.Die überlebenden des Kampfes wurden gejagt, und Perry Rhodan, Atlan, Reginald Bull, Melbar Kasom undAndre Noir gerieten in Gefangenschaft. Die wichtigsten Männer des Imperiums sind somit in der Hand derPlophoser - GEFANGEN IN ZENTRAL-CITY! William Voltz, der Autor des vorliegendenPerry-Rhodan-Bandes, hat auch den Roman der nächsten Woche verfaßt, in dem die weiteren Abenteuer derGefangenen geschildert werden.

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