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Jugendstil und mehr ... Architektur um 1910 in hAgen „konzert der künste“

Der Hohenhof, Jugendstilvilla in Hagen

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Der Hohenhof Die Jugendstil-Villa des Osthaus Museums hagen

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Jugendstil und mehr ...Architektur

um 1910 in hAgen

„konzert der künste“

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Der HoHenHof Die JugenDstil-Villa Des ostHaus MuseuMs Hagen

Der Hohenhof zählt zu den architekturgeschichtlich bedeu-tendsten Gebäuden Europas aus der Zeit der Frühmoderne. Das Landhaus wurde von dem belgischen Künstler-Archi-tekten Henry van de Velde zwischen 1906 und 1908 für den Hagener Kunstsammler und Kulturreformer Karl Ernst Osthaus gebaut. Hier taucht der Besucher in eine faszinie-rende Welt ein: der Hohenhof ist eines der wenigen erhal-tenen Beispiele für ein Jugendstil-Gesamtkunstwerk.

Grundriss und Ansichten des Hohenhofes (Bauaufnahmen und Rekonstruktion: Peter Stressig)

Das gesamtkunstwerk Hohenhof wurde „aus einem Guß“ erschaffen. Von der Architektur bis hin zu den Möbeln, Wanddekorationen und Bodenbelägen, Lampen, Stoffen und Geschirr: jedes Element wurde für den betreffenden Raum individuell entwickelt. Wie bei der Komposition eines Gemäldes wurden alle Details aufeinander abgestimmt und klingen zusammen in einem „Konzert der Künste“, wie es Hermann Muthesius 1901 in „Stilarchitektur und Baukunst“ gefordert hatte. Im Hohenhof wurden die einzelnen Kunstwerke als Grundlage der Gesamtgestaltung in den jeweiligen Raum eingebunden oder, wie beispiels-weise das Fliesen-Triptychon von Henri Matisse, sogar eigens angefertigt.

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Hodler-Gemälde im Verweilraum, zeitgenössische Aufnahme vor 1920, © Bildarchiv Foto Marburg

Das Herz des Hohenhofes bildet die festlich-elegante emp-fangshalle: hier kreuzen sich alle Verkehrswege des Hau-ses. Entsprechend der Zahl ihrer Zugänge erhielt die Halle einen sechseckigen Grundriss. Die Wohnräume in beiden Flügeln des Haupthauses sind auf die diagonale Haupt-achse bezogen, die sich von der Treppe zur Terrassentür des Wintergartens erstreckt.

Die Einrichtung des Verweilraumes zur Linken nimmt Be-zug auf das Gemälde „Der Auserwählte” (1890) von Ferdi-nand Hodler, einem der bekanntesten Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts. Das wandfüllende Gemälde bestimmt die Raumgestalt und demonstriert den Anspruch von Architekt und Hausherr: hier wie überall im Hohenhof sollten die Räume selbst die Geschlossenheit eines Kunstwerkes er-reichen. Von einzelnen Kunstwerken ausgehend wird die Gestaltung des Raumes entwickelt zu einer harmonischen Einheit – so verkörpert sich die Idee des gesamtkunstwerkes.

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Alles im ”neuen stil”

Als Repräsentationsraum des Hohenhofes war der damen-salon aufwändig gestaltet. In Farbe und Aufbau bezieht sich die Einrichtung auf ein Gemälde von Edouard Vuillard: „Herbst vor Paris“ (1897-99, ausgestellt ist eine Reproduk-tion). Zwei schmale, spiegelbekrönte Mahagonischränke rahmen die Darstellung. Entsprechend der Originalbefunde wurde die grün-rosa melierte Baumwollbespannung der Wände nachgewebt. Den Raum strukturieren Sitzgruppe, Hocker und Damenschreibtisch; der Flügel zeigt an, dass der Damensalon zugleich als musikzimmer diente.

Gertrud Osthaus im Damensalon, Karl Ernst Osthaus Archiv

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Das Arbeitszimmer von Karl Ernst Osthaus, Höhepunkt der Raumabfolge im Erdgeschoss, wird durch einen achsen-symmetrischen Grundriss geprägt. Die Breite der Schreib-tischnische definiert die Raumachse, betont durch vier auf Holzpostamenten aufliegende, üppige Ziervoluten. Die eingebauten Möbel aus grau polierter Esche hatten einen grünlichen Grundton. Gegen den Protest des Architekten van de Velde, der für die Raumdecke ein gebrochenes Weiß vorsah, ließ Osthaus 1911 eine in orange, graugrün und blau gehaltene Schablonenmalerei von Johan Thorn Prikker auftragen.

Der Wintergarten verbindet die Eingangshalle mit dem süd-lich gelegenen Arbeitszimmer und dem Speisezimmer sowie dem Theater- und Kinderspielzimmer im Westen. Marmor-boden und -sockel der Halle setzen sich hier fort. Einfache Fliesen im mittleren Bodenbereich wurden durch einen Tep-pich bedeckt. Die oberen Wandflächen sind mit gegossenen Stuckornamenten verblendet.

Wintergarten mit ursprünglicher Möblierung, zeitgenössische Aufnahme vor 1920, © Bildarchiv Foto Marburg

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Gerahmt von diesen Stuckplatten, ziert eines der unge-wöhnlichsten Kunstwerke des Hauses die Wand: das Triptychon aus glasierten Fliesen von Henri Matisse mit der Darstellung von Satyr und Nymphen (1907/08). Vor den Heizkörpern hängt ornamentales Korbflechtwerk, das mit der ursprünglichen Möblierung durch Korbsessel und -tischchen harmonierte. Die Heizkörpernischen neben dem Durchgang zur Halle zieren Vorhänge aus Kupfer.

Durch den Wintergarten fällt bei geöffneter Schiebetür warmes, südliches Licht in das speisezimmer. Nur hier wurden, passend zu Silbergeschirr und -besteck, die Lam-pen sowie Türbeschläge und Fenstergriffe aus diesem Metall gestaltet. In ihrem Streben nach der perfekten Harmonie der Raumkompositionen ließen Bauherr und Architekt sämtlichen Details hohe Bedeutung zukom-men: so ist der Türgriff der Schiebetür zum Wintergarten aus Silber, auf der anderen Seite aber entsprechend der dortigen Lampe aus Messing. Die Buffetschränke und der runde Esstisch mit neun Stühlen aus Makassar-Ebenholz sind original erhalten. Die rötlichbraune Wandbespannung sowie die Heizkörperverkleidungen und die ursprünglich silberne Hängelampe mit archimedischem Zug wurden rekonstruiert.

Speisezimmer, Aufnahme aus dem Jahr 1919, © Bildarchiv Foto Marburg

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Kaminzimmer im Obergeschoss, Aufnahme aus dem Jahr 1919, © Bildarchiv Foto Marburg

PriVAte räume

In elegantem Schwung führt die treppe zu den Privaträu-men in der oberen Etage. Eine bleiverglaste, fünfteilige Glasmalerei von Johan Thorn Prikker (um 1911), die das symbolische Motiv der Verdrängung der Finsternis durch Licht und Farbe zeigt, schmückt das Treppenhaus. Der kleine, anschließende Flur verbindet im Obergeschoss die nach Südosten orientierten Räume der Eltern mit den im Westen gelegenen Kinder- und Gästezimmern, die wie die Wohnräume der Dienstboten unter dem Dach auch über die Nebentreppe erreichbar waren.

Der private Rückzugsraum der Familie im Obergeschoss, das kaminzimmer, ist vom Flur durch eine Fensterwand abgetrennt. Diese Glaswand, die bei Bedarf mit einem Vorhang von innen geschlossen werden konnte, ist im unteren Bereich durch eng beieinanderstehende Metall-verstrebungen ornamental gegliedert. Im oberen Bereich hingegen rahmt sie den Blick auf die Glasmalerei Thorn Prikkers. Die rötlichbraun gemusterte Wandbespannung aus bedrucktem Baumwollstoff mit traditionellen java-nischen Batikmotiven verleiht dem Zimmer eine behagliche Atmosphäre. Der gekachelte Kamin mit aufgesetztem holz-umrahmtem Spiegel und kupfernem Einsatz stammt aus der ersten Wohnung der Familie im Museum Folkwang.

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der hohenhof Von Aussen

Das Gebäude besteht aus dem blaugrauen Kalkstein eines benachbarten Steinbruches, gestaltet als massives Bruch-steinmauerwerk. Die harmonische Verbindung des Bauma-terials mit glatter, schwarzer Niedermendiger Basaltlava und dem bläulichen Moselschiefer des Daches sowie den Farben weiß und moosgrün für Türen und Fenster steht in der bergisch-märkischen Tradition und entspricht so dem Heimatschutzgedanken der Bauzeit.

Zwei gleichrangige, doch unterschiedliche hauptansichten prägen das Gebäude. Die auf Fernsicht hin angelegte, repräsentative Ostfassade oberhalb des Hanges zeigt einen symmetrischen Aufbau. Die Nordfassade zur Stirn-band-Straße wurde, bedingt durch die Raumaufteilung im Inneren des Gebäudes, asymmetrisch ausgebildet. Diese beiden Gebäudeflügel stehen im rechten Winkel zueinander. Der westliche Wirtschaftsflügel erweitert den Grundriss zu einer Art Doppelhaken. Auf der Eingangsseite entsteht hierdurch ein Hof, der zur Straße hin von einem Eisengitterzaun mit zwei Toren sowie ein pagodenartiges Taubenhaus begrenzt wird. Einige Fenstergitter der Nord-fassade formen das Monogramm von Karl Ernst Osthaus; links davon wird das Portal von zwei figürlichen Reliefs von Hermann Haller flankiert, dargestellt sind Adam und Eva.

Im Außenbereich findet sich das von dem jungen Bildhauer Johannes Ilmari Auerbach geschaffene grabmal für Karl Ernst Osthaus. Es wurde 1971, anlässlich des 50. Todes-tages von Osthaus, von Meran nach Hagen überführt. Die Arkaden unter der Pergola schmückt ein fragmentarisch erhaltenes Wandbild mit „kegelmännchen“, das vermutlich von van de Velde selbst geschaffen wurde und an die histo-rische Nutzung der Arkadengänge als Kegelbahn erinnert.

Ein jadefarben gekacheltes Badezimmer fungiert als Durch-gangsraum zum schlafzimmer. In der von Morgensonne erhellten Fensternische dieses Raumes steht der ergono-misch konstruierte Frisiertisch mit passendem Sessel. Das Ehebett wird alkovenartig an den beiden Seiten des Kopfendes von Wandvorlagen eingefasst, die vor Zugluft schützen sollten. Sämtliche Möbel sind Originale, lediglich die blaue Wandbespannung ist rekonstruiert.

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ein leBen im kunstWerk

Der Hohenhof sollte das Herzstück einer Villenkolonie bilden. Wie bei der Mathildenhöhe in Darmstadt (1901) oder der Gartenstadt Hellerau bei Dresden (1908) sollte auch in Hagen ein Ensemble von Bauwerken Kunst und Natur zu einem Leben in Schönheit zusammenführen.

1906 legte Osthaus den Grundstein zur sogenannten Gar-tenvorstadt Hohenhagen. In der Zeit bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges und des frühen Todes von Karl Ernst Osthaus im Jahr 1921 konnten außer dem Hohenhof drei Villenbauten von Peter Behrens sowie eine Häuserzeile mit neun Gebäuden des holländischen Architekten Johannes Ludovicus Mathieu Lauweriks verwirklicht werden. Hier lebten neben Lauweriks unter anderem auch der Künstler Thorn Prikker, die Bildhauer Will Lammert und Hans Dorn, sowie die Bildhauerin Milly Steger.

Modell des Entwurfes zur „Hagener Stadtkrone“ von Bruno Taut, Osthaus Museum Hagen, Fotografie: Tobias Roch, Hagen

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Für sie alle und auch für die Gäste der Familie Osthaus war der Hohenhof ein Ort der Reflexion und Diskussion, er diente dem Austausch über Kunst und Leben. Das Ge-bäude war ein Beispiel angewandter Ästhetik – Osthaus selbst und seine Frau trugen durch ihr Verhalten maßgeb-lich zu dem homogenen Eindruck des Gesamtkunstwerkes bei, wie einige ihrer Gäste beschrieben. Gertrud Osthaus trat in van de Velde-Kleidern und angetan mit Schmuck des Künstlers auf, wie Fotografien belegen. Das Paar und seine Gäste saßen auf van de Velde-Sesseln, tafelten am van de Velde-Tisch von van de Velde-Porzellan mit van de Velde-Besteck.

In dieser Umgebung ersann Osthaus seine kulturpolitischen Projekte, im Dialog mit ausgewählten Diskussionspartnern auf nationaler wie internationaler Ebene – Künstlern, Wissen-schaftlern, Kulturpolitikern und Museumskollegen. Kunst stand für ihn wie für viele seiner gleichgesinnten Gäste aus der Kulturszene im Zentrum des Daseins als professio-nelle Angelegenheit und zugleich als Lebensaufgabe.

Links Karl Ernst Osthaus, Porträtfotografie von Albert Renger-Patzsch. Rechts Henry van de Velde, Karl Ernst Osthaus Archiv

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Herausgeber: Osthaus Museum Hagen Museumsplatz 3, 58095 Hagen T. +49 2331 207 3129, F. +49 2331 207 402 www.osthausmuseum.de [email protected]

Fotografien: Bildrechte an den Werken von Aristide Maillol und Henry van de Velde: © VG Bild-Kunst, Bonn 2009; Bildrechte an den Werken von Henri Matisse: © Succession H. Matisse/VG Bild-Kunst, Bonn 2009; Bildrechte an den Werken von Albert Renger-Patzsch: © Albert Renger-Patzsch Archiv - Ann und Jürgen Wilde, Zülpich/VG Bild-Kunst, Bonn 2009

Druck: Hausdruckerei der Stadt Hagen

➞der hohenhof - die Jugendstil-VillA des osthAus museums hAgen

Stirnband 10, 58093 Hagen, T. +49 2331 207 3129Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr