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KINDERNOTHILFE Der Kinderrechtsansatz in der In- und Auslandsarbeit der Kindernothilfe

Der Kinderrechtsansatz in der In- und Auslandsarbeit der ...... · Das Konzept ist ein Produkt eines intensiven Konsultationsprozesses, an dem alle Referate und Gremien der Kindernothilfe

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Hier kommt der Marginaltext hin.

1Konzept Kinderrechtsansatz

KindernothilfeDer Kinderrechtsansatz in der In- und Auslandsarbeit der Kindernothilfe

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InhaltsverzeichnisVorwort

1 Konzept und Kontext

1.1 Ziel des Konzeptes

1.2 Einführung

1.3 Kernelemente des Konzeptes

1.4 Kinderrechte in biblischer Perspektive

1.5 Grundprinzipien des Menschenrechtsansatzes in der Entwicklungszusammenarbeit

1.6 Der Kinderrechtsansatz

2 Aspekte der Kinderrechtsarbeit

2.1 Integration des Kinderrechtsansatzes in den Projektzyklus

2.1.1 Projektplanung

2.1.2 Projektziele und Aktivitäten

2.1.3 Monitoring und Evaluation

2.1.4 Prüfung von Projektvorschlägen

2.2 Advocacy-Arbeit

3 Arbeitsperspektiven des Kinderrechtsansatzes in der Kindernothilfe

3.1 Patenschaft und Kinderrechte

3.2 Inlandsarbeit

3.3 Programmarbeit im Ausland

Literaturverzeichnis

Linksammlung

Beispiele für eine auf dem Kinderrechtsansatz basierende Arbeit

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3Konzept Kinderrechtsansatz

Vorwort

„Ein Drittel der Menschheit sind Kinder und Jugendliche, ein Drittel des Lebens ist die Kindheit. Kinder werden nicht erst Menschen – sie sind bereits welche.“ Als Janusz Korczak diesen Satz 1921 schrieb, war die Weltgemeinschaft noch weit davon entfernt, Kinderrechte zur verbindlichen Verpflichtung der Politik zu machen. Anders als damals machen heute Kinder und Jugendliche über ein Drittel der Weltbevölkerung aus.

Im Jahr 2009 wird es 20 Jahre her sein, dass die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet und im Laufe der Jahre von fast allen Staaten ratifiziert wurde. Sie steht in der Tradition der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Doch gehen ihr auch eigene Erfahrungen, Begründungen und Erklärungen voraus wie die „Charta der Menschenrechte der Kinder“, die Magna Charta Libertatis, die Janusz Korczak im Jahr 1919 formulierte. So kommen die Kinderrechte aus einer langen Geschichte, aber die Herausforderung der Zukunft liegt darin, sie im alltäglichen Leben umzusetzen.

Auch wenn die Völkergemeinschaft sie zur Richtschnur des politischen Handelns erklärt hat, sieht die Wirklichkeit für Millionen von Mädchen und Jungen immer noch so aus, als gäbe es sie nicht. Millionen Kinder haben keine Möglichkeit, zur Schule zu gehen. Aus Armut sind viele zu schwerer körperlicher Arbeit gezwungen, um sich und ihre Familien zu ernähren. Ausbeutung macht auch vor den Körpern und Seelen der Kinder keinen Halt, wie es die vielen Schicksale sexuell missbrauchter Kinder zeigen. Gesunde Ernährung und medizinische Hilfe bleiben für viele unerreichbar. Und doch stecken in den Kindern große Potenziale, wie es ihr Überlebenskampf als Straßenkinder oder als Aidswaisen zeigt, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Welche Rechte sie haben, die sie schützen, fördern und stark machen, wissen die Kinder oftmals selber nicht. Umso wichtiger ist es, dass die Kinder und Jugendlichen ihre Rechte kennen und lernen, sie einzusetzen im tägli-chen Leben und im Blick auf ihre Zukunft. Dies geht nicht von allein. Sie brauchen Menschen und Organisationen, die sich mit ihnen für die Kinderrechte einsetzen. Kinder zu beteiligen, auf sie zu hören, ihnen zuzutrauen, für sich und ihr Leben eigene Ideen entwickeln zu können, ist mit den Schutz- und Förderrechten die dritte Säule, die die Kinderrechte trägt. Im Englischen spricht man von den „Three P’s“ protection, provision und participation, die auf-einander bezogen das Besondere der UN-Kinderrechtskonvention ausmachen. Kinder haben ein Recht auf Entwicklung in ganzheitlicher Weise. Das ist mehr, als das Überleben zu sichern. Wer Armut bekämpfen will, muss Kindern zu ihrem Recht verhelfen.

Diesem Auftrag fühlt sich die Kindernothilfe heute verpflichtet. Wir stehen damit in der Kontinuität unserer eige-nen Geschichte und sind seit 1959 ein verlässlicher Partner für Kinder und Jugendliche, die unter Ungerechtigkeit, Armut und Gewalt leiden. So verbindet sich das 50-jährige Bestehen der Kindernothilfe mit den beiden anderen „runden“ Daten: 90 Jahre „Charta der Menschenrechte der Kinder“ und 20 Jahre UN-Kinderrechtskonvention. Das vorliegende Konzept gibt Auskunft über die Kinderrechte und ihre soziale, politische und theologische Bedeutung sowie ihren Stellenwert im Kampf gegen Armut, Ausbeutung und Ungerechtigkeit.

In einigen Ländern haben wir schon gute Erfahrungen gemacht, wie die Kenntnisse der Kinderrechte und ihr Einsatz das Leben von Kindern positiv verändert haben. In anderen Ländern stehen wir noch am Anfang. Gemeinsam ler-nen wir, Unrecht und Armut nicht schicksalsergeben hinzunehmen, sondern mit Zivilcourage und Ausdauer zu verändern. Dabei entdecken wir immer wieder, welche Kraft in Kindern steckt, wenn sie frei ihre Meinung sagen, erzählen, malen und auf verschiedene Weise ausdrücken, wie es um sie steht und was in ihren Augen die Ursachen von Ungerechtigkeit und Armut sind. Da beginnen die Kinderrechte zu leben. Sie sind Worte der Hoffnung für viele und unsere Verpflichtung zugleich.

Eine aus allen Referaten der Kindernothilfe zusammengesetzte Arbeitsgruppe hat das Konzept erarbeitet, das von den Gremien der Kindernothilfe angenommen und so zu einem wichtigen Grundlagenpapier wurde. Mit Dank an die Arbeitsgruppe wünsche ich der Broschüre eine weite Verbreitung und den Kinderrechten eine immer größere Aufmerksamkeit zum Wohl der Kinder.

Am Weltkindertag 2008

Dr. Jürgen ThiesbonenkampVorsitzender des Vorstands

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Konzept Kinderrechtsansatz4

1 Definition von Kind gemäß KRK: „Im Sinne des Übereinkommens ist ein Kind jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt.“ (Art.1)

Der Kinder-rechtsansatz

als Prozess

Orientierung an internationalen

Überein- kommen

Weiter- entwicklung

der Arbeit

1.1 Ziel des KonzeptesDie Kindernothilfe versteht sich als eine Organisation der Entwicklungszusammenarbeit, die sich insbesondere für Kinder und deren Rechte einsetzt. Hierbei orientiert sie ihr Handeln an den Grundlagen des biblischen Zeugnisses sowie an internationalen Menschenrechtsverträgen, vor allem an dem UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes. In ihrer strategischen Planung hat sich die Kindernothilfe das Ziel gesetzt, einen Kinderrechtsansatz in der Inlands- und Auslandsprogrammatik einzuführen und umzusetzen. Diese Zielvereinbarung wird als Prozess verstanden, der sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckt.

Das vorliegende Konzept „Einführung des Kinderrechtsansatzes in die In- und Auslandsarbeit der Kindernothilfe“ soll:• alsOrientierungsrahmendienenfürdieEinführungeinesKinderrechtsansatzesindieProgramm-undProjektarbeit

im In- und Ausland. Es versteht sich nicht als Implementierungsleitfaden; • zueinemgemeinsamenVerständnisinderKindernothilfeunddenPartnerstrukturenübereinenkinderrechtlichen

Ansatz in der Arbeit führen;• denKinderrechtsansatzzueinerQuerschnittsaufgabedergesamtenKindernothilfe-Arbeitmachen.

Das Konzept ist ein Produkt eines intensiven Konsultationsprozesses, an dem alle Referate und Gremien der Kindernothilfe sowie ihre Partner im Ausland mitgewirkt haben.

1.2 EinführungDie Kindernothilfe wurde mit dem Ziel gegründet, sich für Not leidende und benachteiligte Kinder einzuset-zen. Dieser Auftrag wird abgeleitet aus der Liebe Gottes und den Grundlagen des biblischen Zeugnisses. Die Kindernothilfe orientiert ihr Handeln zudem an internationalen Übereinkommen wie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und insbesondere dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes1 (im Folgenden Kinderrechtskonvention (KRK)). Der Begründungszusammenhang gilt unverändert, der Weg zur bestmöglichen Förderung von Kindern ist dagegen im Laufe der Zeit vielschichtiger geworden.

Kinder vor dem Hungertod zu retten, ihnen durch Ernährung, medizinische Hilfe und Bildung den Weg ins Leben zu ermöglichen, standen am Anfang der Arbeit. Das Überleben und die Entwicklung von Kindern zu sichern, ist bis heute aktuelles Ziel geblieben, wie es in Artikel 6 der KRK formuliert wird.

In den Anfängen der Kindernothilfe-Arbeit standen die Versorgung von Kindern und die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse im Mittelpunkt. Schul- und Berufsausbildung sollten zur Integration in die Gesellschaft beitra-gen und ihnen langfristig ein geregeltes Leben und Auskommen gewährleisten. Die Annahme war, dass schutzbe-dürftige Kinder, denen eine pädagogisch bessere Schul- und Berufsausbildung zukommt, selbstsicher und Erfolg versprechend in der Lage sind, sich dem wirklichen Leben zu stellen. Das Lebensumfeld der Kinder war hierbei nicht im Hauptblickfeld der Betrachtung. In der fast 50-jährigen Geschichte der Kindernothilfe hat sich die Arbeit weiterentwickelt. Nach dem geltenden stra-tegischen Rahmen der Kindernothilfe sind Gemeinwesenentwicklung sowie Advocacy- und Lobby-Arbeit program-matische Schwerpunkte, welche den gesamten Lebensbereich von Kindern in ihren jeweiligen Gesellschaften beein-flussen sollen. Folglich werden Familien und Gemeinwesen in einer Weise unterstützt, dass sie die Verantwortung für ihre Kinder selbst übernehmen können. Mit Advocacy- und Lobby-Arbeit sollen Rahmenbedingungen für eine solche Arbeit auf allen Ebenen verbessert werden – also von Familie und Dorfgemeinschaft sowie städtischem Umfeld bis hin zur nationalstaatlichen und internationalen Ebene, auf der Rechte definiert und deren Einhaltung eingefordert werden können.

Neuerliche programmatische Entwicklungen gehen auch auf eine veränderte Wahrnehmung und Definition der Ursachen für Armut und Unterentwicklung zurück. Armut wird als sozialer, ökonomischer und politischer Ausschluss der Betroffenen aus ihrer Gesellschaft gesehen, der einhergeht mit Recht- und Machtlosigkeit. Wenn Armut überwunden werden soll, erfordert dies entsprechend weitergehende Strategien für eine gesellschaftliche Entwicklung.

1 Konzept und Kontext

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5Konzept Kinderrechtsansatz

sondern als Folge von ungerechten Strukturen interpretiert. Kinder sind in diesem Zusammenhang eigenständige Persön-lichkeiten mit Rechten, die sie einfordern können. Die Kinder-nothilfe setzt sich für die Einhaltung und Verwirklichung dieser Rechte ein. Ziel ihrer Arbeit ist es, Bedingungen zu schaffen, damit junge Menschen befähigt werden, ihre Rechte wahrzu-nehmen und ihre eigene Zukunft aktiv mitzugestalten.

Mehrwert des Kinderrechtsansatzes

Mit der KRK liegt ein international gültiges Menschen-rechtsübereinkommen vor, das von 193 Staaten (Stand August 2008) als gemeinsame Wertebasis und Handlungsgrundlage akzeptiert wird. Dieser Konsens ist sowohl für die Arbeit der Kindernothilfe als auch für die ihrer Partner bedeutend. Nicht nur wir, sondern auch unsere Partner können sich in ihren Forderungen an die Regierungen darauf beziehen, und poli-tisches Handeln muss sich an der KRK messen lassen.

Der Kinderrechtsansatz • verstehtKinderalseigenständigePersönlichkeitenundstärkt

sie darin, sich für ihre Rechte einzusetzen und sie einzufor-dern;

• trägtdazubei,dassKinder,diespezifischenRisikenausgesetztsind und deren Rechte alltäglich und systematisch verletzt werden, stärker in den Blick genommen werden (children at risk);

• trägt dazu bei, lokaleOrganisationen, Gemeinschaften undGruppen zu stärken, weil das Rechtsbewusstsein zunimmt;

• isteinessentiellerSchritt,umvonderaktuellenBeseitigungvonNot zur Nachhaltigkeit der Hilfe zu gelangen. Nachhaltigkeit wird dadurch erreicht, dass Kinder sich aktiv an der Schaffung von gerechten Strukturen beteiligen, die auch zukünftig Bestand haben;

• istmit demGrundprinzip, Kinder an allen sie betreffendenAngelegenheiten zu beteiligen, in doppeltem Sinne nachhal-tig. Er stärkt Kinder nicht nur in ihrer gegenwärtigen Situation, sondern bereitet sie auch auf ihre Rolle als Erwachsene vor. Damit unterstützt der Kinderrechtsansatz auch die Demokratieförderung eines Landes.

Umsetzung

Die Einführung und Umsetzung des Kinderrechtsansatzes in die Inlands- und Auslandsarbeit der Kindernothilfe ist ein offener, über mehrere Jahre angelegter Lernprozess. Voraussetzung dafür ist, dass es ein mit allen Beteiligten abgestimmtes Verständnis über den Kinderrechtsansatz gibt und dass gemeinsam geeig-nete Methoden und Instrumente für die Umsetzungsebene diskutiert werden. Entscheidend ist, dass der Ansatz zur Querschnittsaufgabe(mainstreaming) wird.

Bezugsrahmen UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes

Die KRK enthält 54 Artikel, die in drei Gruppen eingeteilt werden können: Schutzrechte, Förderrechte und Beteiligungsrechte. Sie werden auch die drei „P“s genannt, vom Englischen abgeleitet: protection, provision und participation.

• SchutzrechtevorGewalt,MissbrauchundVernachlässigung,das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung und das Recht auf Leben (protection) – bspw. Art. 6, 8, 19, 32, 33, 34 etc.;

• Förderrechte auf bestmögliche Gesundheit und sozialeSicherung, auf Bildung und Freizeit (provision) – bspw. Art. 24, 25, 26, 27, 28 etc.;

• Rechte, die die Subjektstellung des Kindes betonen, wieMitwirkungs-, Anhörungs- und Beteiligungsrechte in allen Kinder betreffenden Angelegenheiten (participation) bspw. Art. 12, 13 etc.

Über allem steht der Grundsatz aus Artikel 3 der KRK, dass das Wohl des Kindes „bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Ge- setzgebungsorganen getroffen werden…, vorrangig zu berück-sichtigen ist“. In diesem Artikel ist das Grundprinzip der gesam-ten Konvention normiert. Hiermit wird ausgedrückt, dass das Kind als Subjekt der Völkerrechtsordnung anerkannt wird. Mit Ar- tikel 3 werden alle weiteren Artikel der Konvention konkretisiert2.

Als weitere grundlegende Prinzipien der KRK gelten:• dasGrundrechtaufÜberlebenundpersönlicheEntwicklung

(Art. 6)• dasPrinzipderGleichbehandlung(Art.2)• dieVerwirklichungderKinderrechte(Art.4)• dieAchtungvorderMeinungdesKindes(Art.12).

Definition des Kinderrechtsansatzes für die Kindernothilfe

Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten und Träger von Menschenrechten. Die Verwirklichung ihrer in der KRK nor-mierten Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte ist das Ziel der Arbeit der Kindernothilfe.Daher beteiligen sich die Kinder aktiv an Planung, Durchführung und Evaluation von Kind bezogenen Aktivitäten und Projekten, um ihre Rechte einzufordern.

Perspektivwechsel

Mit der Einführung des Kinderrechtsansatzes wird der Blick geweitet und die Haltung gegenüber Kindern verändert. Armutssituationen werden nicht mehr nur aus der Sicht von menschlichen Bedürfnissen und Entwicklungsdefiziten gesehen,

2 Lorz, Alexander: Der Vorrang des Kindeswohls nach Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention in der deutschen Rechtsordnung (2003)

1.3 Kernelemente des Konzeptes Im Folgenden soll in zusammengefasster Form ein Überblick über die Kernelemente des vorliegenden Konzeptes gegeben werden.

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Konzept Kinderrechtsansatz6

Biblische Erzählungen

führen zu Kinderrechten

hin

Paradigmen-wechsel im

Umgang mit Kindern

Grundlagen von Bibel und KRK

sind Auftrag der Kindernothilfe

1.4 Kinderrechte in biblischer PerspektiveDie Kindernothilfe lebt aus der Liebe Gottes zu seiner Welt. Sie folgt dem Weg Jesu in seiner Zuwendung zu allen Menschen und setzt sich für ihre Rechte und die Überwindung von Armut und Gewalt ein. Sie arbeitet zusammen mit Kindern und Erwachsenen daran, die Welt durch Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung zu ver-ändern. Ziel allen Handelns ist es, aus der von Gott gegebenen Würde des Menschen und im Vertrauen auf seine Liebe Zeichen der Versöhnung zu setzen und eine Welt anzustreben, in der sich Kinder frei entfalten und mündig werden können.

Auch wenn es im modernen Sinn des Wortes keine expliziten Kinderrechte in der Bibel gibt, so führen doch wichtige biblische Erzählungen und zentrale theologische Aussagen zu den Kinderrechten hin. Wie bei den Menschenrechten auch, können und dürfen wir die Kinderrechte biblisch nicht vereinnahmen. Was aus der biblischen Tradition zu deren Begründung beigetragen werden kann und sich auch gegen eine bestimmte kirchliche Praxis und deren Rechtfertigung durchsetzen musste, ist doch bedeutsam und kommt aus dem Herzen des Evangeliums.

Biblische Geschichten erzählen, wie Kinder und Jugendliche in den damaligen Gesellschaften lebten, worunter sie litten und unter welchen Verheißungen und Hoffnungen ihr Leben stand. Auf der einen Seite gibt die Bibel z.B. in drastischer Weise Einblick in das Schicksal von Kindern in der antiken Welt (vgl. Gen 19,8; Gen 34, 2; 2 Kön 6, 28-29 etc.). Sie nennt die Verantwortung von Erwachsenen zur Erziehung (Spr 13,24) und postuliert gerade auch im Kontext zu den Erfahrungen der Gewalt durch die Propheten das Recht auf Schutz und Leben (z.B. Jer 7,6; Sach 7,10) für Witwen, Waisen, Fremde und Arme. Auch große Namen der Bibel kommen z.T. mit Hinweisen auf ihre Kinder- und Jugendzeit vor: Mose, Isaak, Rahel, Josef, David, Daniel aus dem Alten Testament und die Geburtsgeschichte Jesu und Hinweise zu seiner Jugend aus den Evangelien. Besondere Bedeutung kommt der Verkündigung Jesu zu, der Kinder in die Mitte stellte.

Wer die Bibel mit wachen Augen liest, wird entdecken, dass Kinder dort weit häufiger vorkommen, als es über lange Zeit wahrgenommen wurde. Ihre Vernachlässigung in Theologie und Kirche liegt nicht am biblischen Zeugnis, sondern an den über Jahrhunderte dominanten Interpretationen der Bibel und ihrer theologischen Reflektionen, die Kinder kaum im Blick hatten. Es gibt aber eine Linie durch die verschiedenen Bücher der Bibel, die Kinder in die Mitte der Liebe Gottes und des Evangeliums stellt:

Psalm 127,3 preist Gott mit den Worten, dass Kinder eine Gabe Gottes sind. Wie alle Menschen haben auch sie Teil an der Ebenbildlichkeit Gottes, die die Menschenwürde begründet, die unveräußerlich und unverlierbar allen Menschen gilt.

Eine besondere Nähe zu den Kinderrechten zeigt sich in den Schutzbestimmungen für Witwen, Waisen und Fremde, die zum rechtlichen Grundbestand des Volkes Israel, der Tora, gehören, die von den Propheten immer wie-der eingefordert wurden und die in den Psalmen als Gottes Herrlichkeit gepriesen werden. „Der Herr behütet die Fremdlinge und erhöht Waisen und Witwen.“ (Ps 146,9) In Einzelrechten ist die Grundsicherung der Witwen und Waisen geregelt. (Dtn 14,28-29; 24,19-21)

Gott will nicht, dass das Recht der Armen gebeugt wird (Ex 23,6). Er handelt an ihnen durch Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit. (Jer 9,23) Das Recht der Armen klagt er ein gegen die Korruption der Mächtigen. (Jes 1,23)

Durch seine Reden und sein Handeln zeigt Jesus eine besondere Nähe zum Leben von Kindern. Er nimmt sie an, wendet sich ihnen liebevoll zu und stellt ihr Leben unter die Verheißung der beginnenden Gottesherrschaft, wie es in Mk 10,13-16 berichtet wird und auch in anderen Evangelien zur zentralen Aussage gehört wie z.B. Mt 18,3 ff., 19,13 ff., Mt 21,15 f. Das Kind in der Mitte erfährt sich als Person und Subjekt seines Lebens. Jesu Botschaft und Tun markieren einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Kindern und prägen ein neues Verständnis vom Kindsein. Als Kind bleibt es zerbrechlich und bedroht. In ihrer Vulnerabilität stellt Jesus Kinder unter seinen besondern Schutz. Er herzt und segnet sie und beteiligt sie zugleich an seinem Auftrag. In ihnen kommt Gottes Reich in die Welt. Wer ein Kind aufnimmt, nimmt Gott auf. Die Botschaft Jesu wird im Verhalten zu Kindern konkret. Was sie in das Leben einbringen, kann zum Segen für die Welt werden. Aus der Hand eines Kindes nahm Jesus fünf Brote und zwei Fische, segnete das Wenige und 5000 Menschen wurden satt. (Joh 6,9)

Die drei Grundanliegen der Kinderrechte, Schutz, Förderung und Beteiligung, bilden eine Einheit und haben ihre Wurzeln in der Botschaft Jesu. Im Kindsein entfaltet sich für Jesus die Kraft des Glaubens, der Menschen stark macht, Gott und seiner Gerechtigkeit zu vertrauen, wie es die Bergpredigt ausdrückt und die Seligpreisungen zusprechen: „Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt 5,9) Im Glauben wird Gotteskindschaft als Menschsein erfahren. Paulus spricht die Glaubenden als Kinder Gottes an. (Röm 8,17) Die Gottesgemeinschaft

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7Konzept Kinderrechtsansatz

Menschen-rechtsverträge

Kontroll-mechanismen für Menschen-rechte

3 WSK-Pakt: z.B. Recht auf Arbeit, Recht auf Gewerkschaften, Recht auf soziale Sicherheiten, Recht auf Gesundheit, Recht auf Bildung, Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben etc.

4 Zivilpakt: z.B. Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei, Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, Recht auf Versammlungsfreiheit etc.

5 z.B. die IAO-Übereinkommen 138 zum Mindestalter und IAO-Übereinkommen 182 zu den schlimmsten Formen von Kinderarbeit

der Christen und die Sohnschaft Jesu beziehen sich aufeinander. Kindsein reduziert sich damit nicht auf ein Durchgangsstadium, bei dem das ganze und vor Gott gültige Menschsein sich erst im Erwachsenenalter erfüllt. Kindsein ist keine Zeitspanne, sondern in diesem Sinne ein Status des Anfangs und eines Lebens, das vor Gott ohne Vorleistung geliebt ist. Wer sich als Gotteskind versteht, kann an dem realen Leben von Kindern weder spirituell noch sozial oder politisch vorbeigehen. Die „herrliche Freiheit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21) wird erfahren in der Befreiung der Kinder aus Armut und Gewalt. Die theologische Reflexion der Kinderrechte kann vor einer falsch verstandenen Autonomie des Kindes bewahren. Sie eröffnet vielmehr neue Gotteserfahrungen, da in der Selbstoffenbarung Gottes in einem Kind nicht das Kind absolut gesetzt wird, sondern es nach Jesu Worten Weg zum Reich Gottes ist.

Diese Erfahrungen können Brücken bauen zu Kindern, um offen zu werden für ihre Lebenssituation, um achtsam und aufmerksam an ihrem Leben teilzunehmen, sie zu schützen und zu fördern und mit ihnen und für sie zu handeln, wie es jeweils erforderlich ist. Kinder haben eine Stimme. Sie sollen und können mitreden, planen und entscheiden, wo es um ihr Leben und ihre Zukunft geht.

Die Kindernothilfe setzt sich dafür ein, dass die Rechte der Kinder Wirklichkeit werden. Die Grundlagen des biblischen Zeugnisses und der KRK sind Auftrag und Anliegen der Kindernothilfe weltweit.

1.5 Grundprinzipien des Menschenrechtsansatzes in der Entwicklungszusammenarbeit

Zur Geschichte und Bedeutung der MenschenrechteDie Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 gilt als Meilenstein der Nachkriegsgeschichte. In ihr werden die Menschenrechte definiert als Rechte, die jedem Menschen gleichermaßen zustehen und seine Würde wahren: Diese Rechte sind angeboren und unveräußerlich, sie sind unteilbar und universell. Zu der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte kamen 1966 zwei wichtige Menschenrechtsverträge hinzu: der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (kurz: Sozialpakt oder WSK-Pakt3) und der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (kurz: Zivilpakt4), die beide erst 1977 in Kraft traten. Alle drei zusammen bilden die sogenannte „Internationale Menschenrechtscharta“. Mit Stand 18. April 2008 hatten 158 Staaten den Sozialpakt und 161 Staaten den Zivilpakt ratifiziert.

Aus den Verträgen dieser Internationalen Menschenrechtscharta gingen weitere Pakte und Übereinkommen hervor, die zur Konkretisierung des umfassenden Menschenrechtskonzepts beitragen. Hierzu zählen u.a.: das Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung von Frauen, das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmensch-liche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sowie das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Der Sozial- und Zivilpakt sowie die vier o.g. Verträge verfügen über ein Kontroll- bzw. Überwachungsgremium: die sogenannten treaty bodies. Es sind UN-Ausschüsse, welche die Aufgabe haben, den Fortschritt der Umsetzung dieser völkerrechtlichen Verträge zu überprüfen.

Im Rahmen der Menschenrechtscharta werden drei Generationen von Menschenrechten unterschieden: die klassischen bürgerlichen und politischen Freiheits- und Beteiligungsrechte, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sowie die kollektiven Rechte, wie sie vor allem von den Regierungen des „Südens“ eingebracht wurden. Dazu rechnet man das Recht auf Entwicklung, Frieden und eine gesunde Umwelt. In der Erklärung der UN zum Recht auf Entwicklung wird der Mensch als das zentrale Subjekt der Entwicklung betont. Mit der Wiener Weltmenschenrechtskonferenz 1993 erlangten diese kollektiven Menschenrechte größere Bedeutung. Das Recht auf Entwicklung wurde anerkannt und das ganzheitliche Konzept der Menschenrechte betont. Nach wie vor strittig ist jedoch, ob Volksgruppen kollektive Rechte zugestanden werden sollen.

Neben den internationalen Menschenrechtsabkommen gibt es Menschenrechtsstandards der Internationalen Arbeitsorganisation5 sowie Verträge, die den Menschenrechtsschutz auf regionaler Ebene gewährleisten sollen. So gilt in Europa die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Die Region Amerika verfügt über ein umfassendes Menschenrechtssystem. 1969 wurde die Amerikanische Menschenrechtskonvention verabschiedet (Pakt von San José), die 1978 in Kraft trat. Der Beitritt ist mit der Möglichkeit für Individual- und Gruppenbeschwerden verbunden. Weitere Kontrollmechanismen sind die Inter-Amerikanische Kommission für

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Konzept Kinderrechtsansatz8

6 Hamm, Brigitte: Menschenrechte (2003)

Umsetzung der Menschen-

rechte ist Verpflichtung

der Staaten

Pflicht jedes Einzelnen:

Menschenrechte beachten und

wahren

Menschenrechte und der Inter-Amerikanische Gerichtshof für Menschenrechte in San José. Darüber hinaus gibt es die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker (Banjul-Charta), die 1986 in Kraft trat. Für Asien und den Nahen Osten fehlen regionale Menschenrechtsmechanismen. Es gibt lediglich Erklärungen, die jedoch keine rechtliche Bindung haben.

Rights holders und Duty bearers Trägerinnen und Träger von Menschenrechten (rights holders) sind einzelne Personen, auch wenn ein Menschenrechtsübereinkommen spezielle Personengruppen im Blick hat, wie die Rechte des Kindes.

Verantwortlich für den Schutz und Umsetzung der Menschenrechte (duty bearers) sind vornehmlich die Staaten, die die Menschenrechtscharta ratifiziert haben. Sie müssen demnach die Voraussetzungen schaffen, damit Menschenrechte verwirklicht werden können. Man spricht von drei Verpflichtungsebenen:

• „StaatendürfenMenschenrechtenichtverletzen(respect);• StaatenmüssenMenschenrechtevorVerletzungenDritter,z.B.privatwirtschaftlichenUnternehmen,schützen

(protect);• Staaten müssen lang- und kurzfristige Maßnahmen ergreifen, um die Menschenrechte zu gewährleisten

(fulfill)6.“

In der Realität sind Staaten und ihre ausführenden Organe (Polizei, Militär udgl.) vielfach selbst für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Für zahlreiche Länder des „Südens“ gilt zudem, dass strukturelle Voraussetzungen für einen effektiven Menschenrechtsschutz nicht vorhanden sind. In den vergangenen Jahren wurde verstärkt darüber diskutiert, wie internationale Finanzinstitutionen (z.B. Weltbank) und Wirtschaftsunternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten in die Pflicht genommen werden können. So gibt es mittlerweile eine Reihe von Selbstverpflichtungserklärungen von Unternehmen, die aber auf Freiwilligkeit beruhen und keine rechtliche Bindung haben.

Neben den Staaten sind im Kontext von Kinderrechten verschiedene Personen und Gruppen im Lebensumfeld von Kindern, wie zum Beispiel Eltern, Familien, Dorfgemeinschaften, Entwicklungsorganisationen, als duty bearers für die Verwirklichung der Kinderrechte verantwortlich.

Menschenrechte – Menschenpflichten„Jedermann hat Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, in der alleine die freie und volle Entfaltung seiner Persönlichkeit möglich ist.“ So steht es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Art. 29 Abs. 1). Auch wenn hier jeder einzelne Mensch in die Pflicht gegenüber der Gemeinschaft genommen wird, ist die Inanspruchnahme von Menschenrechten rechtlich nicht an die Erfüllung von Pflichten durch einzelne Menschen gebunden. Zu beachten ist jedoch, dass die Pflicht, Menschenrechte zu beachten und zu wahren, nicht nur den Staat als Institution, sondern eben auch die Gesellschaft und damit jeden Einzelnen trifft.

GEMEI N DEZIVILGESELLSCHAFT

UM

SETZ

UNGSPRAKTIKEN DER LOKALREGIERU

NG

Z I V I L G E S E L L S C H A F T

Z I V I L G E S E L L S C H A F T

FAMI LIE

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TRAL

REGIERUNG – Gesetzgebung, Politik, Ressourcen

INTE

RNAT

IONALE

GEMEINSCHAFT – Gesetzgebung, Politik, Ressourcen

EINFORDERUNG

DES RECHTS

VERPFLICHTUNGEN

UND

VERANTWORTUNG

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9Konzept Kinderrechtsansatz

7 Lorz, Alexander: Der Vorrang des Kindeswohls nach Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention in der deutschen Rechtsordnung (2003)

Die Kinder-rechts- konvention

Das Übereinkommen über die Rechte des KindesDas Übereinkommen über die Rechte des Kindes (KRK) hat eine lange Entstehungsgeschichte, die mit der Geneva Declaration von 1924 ihren Anfang auf internationaler Ebene nahm. Im Laufe des Entstehungsprozesses der Konvention, den die polnische Regierung 1979 initiierte, ist die Sinnhaftigkeit eines Übereinkommens für Kinder immer wieder in Frage gestellt worden. Dennoch wurde das Vorhaben, eine Konvention zum Schutz des Kindes zu entwickeln, nicht mehr aufgegeben.

Am 20. November 1989 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Convention on the Rights of the Child), das am 2. September 1990 in Kraft trat (in Deutschland am 5. April 1992). Es ist inzwischen einer der am meisten anerkannten Völkerrechtsverträge: 193 Staaten haben das Übereinkommen ratifiziert. Nicht dazu gehören Somalia und die USA. Viele Staaten haben jedoch Vorbehalte einge-legt, wie sie laut Artikel 51 der KRK möglich sind. Das Besondere an der KRK ist, dass sie umfassend die persönlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte enthält und dass Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Art. 1), ausdrücklich als Träger von Rechten definiert werden. Das bedeutet, dass Kinder nicht Objekte der Erziehung sind, sondern von Beginn an Menschen mit Anspruch auf Individualität, Entfaltungsfreiheit und Selbstbestimmtheit.

Die KRK enthält 54 Artikel, die in drei Gruppen eingeteilt werden können: Schutzrechte, Förderrechte und Beteiligungsrechte. Sie werden auch die drei „P“s genannt, vom Englischen abgeleitet: protection, provision und participation.

• SchutzrechtevorGewalt,MissbrauchundVernachlässigung,dasRechtaufKenntnisdereigenenAbstammungund das Recht auf Leben (protection) – bspw. Art. 6, 8, 19, 32, 33, 34 etc.;

• FörderrechteaufbestmöglicheGesundheitundsozialeSicherung,aufBildungundFreizeit(provision) – bspw. Art. 24, 25, 26, 27, 28 etc.;

• Rechte,diedieSubjektstellungdesKindesbetonen,wieMitwirkungs-,Anhörungs-undBeteiligungsrechte inallen Kinder betreffenden Angelegenheiten (participation) bspw. Art. 12, 13 etc.

Über allem steht der Grundsatz aus Artikel 3 der KRK, dass das Wohl des Kindes „bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden…, vorrangig zu berücksichtigen ist“. In diesem Artikel ist das Grundprinzip der gesamten Konvention normiert. Hiermit wird ausgedrückt, dass das Kind als Subjekt der Völkerrechtsordnung anerkannt wird. Mit Artikel 3 werden alle weiteren Artikel der Konvention konkretisiert7.

Als weitere grundlegende Prinzipien der KRK gelten:• dasGrundrechtaufÜberlebenundpersönlicheEntwicklung(Art.6),• dasPrinzipderGleichbehandlung(Art.2),• dieVerwirklichungderKinderrechte(Art.4),• dieAchtungvorderMeinungdesKindes(Art.12).

Projektbeispiel Bolivien: Partizipation aller Kinder im Centro Comunitario Chilimarca (90021)

Die Fundación La Paz hat in diesem aus einem Kindertagesstättenprojekt hervorgegangenen Gemeindezentrum, motiviert durch die UN-Kinderrechtskonvention, ein Modell für einen konsequent durchgehaltenen, partizi-pativen Leitungsstil entwickelt. Kinder und Jugendliche entscheiden beispielsweise über die Gestaltung des Projektbudgets mit.

Das bedeutet, dass sämtliche Einnahmen und Ausgaben gegenüber den Eltern, den Vertretern der Nachbarschaftsorganisationen und den Kindern und Jugendlichen offengelegt und alle Investitionsentscheidun-gen gemeinsam zwischen Erwachsenen und Kindern getroffen werden. Die Beschäftigung mit den Einnahmen und Ausgaben des Projektes ist auch Gegenstand von Weiterbildungen und Förderunterricht. Wichtig ist, dass zum einen die Rechte der Kinder umgesetzt werden und dass zum anderen die Kinder aber auch Schritt für Schritt lernen, Verantwortung zu übernehmen und wichtige Entscheidungen zu treffen.

Auch an den Architektenplanungen für eine neues Projektgebäude haben die Kinder und Jugendlichen inten-siv mitgearbeitet, ihre Vorschläge gezeichnet, ihre Anregungen eingebracht und das Nutzungskonzept für das Zentrum mitentwickelt.

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Konzept Kinderrechtsansatz10

Staaten-berichte als

Kontrolle

Individual-beschwerde-

verfahren

Kinder als Subjekte eigen-

verantwort-lichen Handelns

Menschen-rechte in der

Entwicklungs-zusammen-

arbeit

8 United Nations Development Programme (Hrsg.): Human Development Report 2000 - Human Rights and Human Development (2000)

Die Staaten, die die KRK ratifiziert haben, sind verpflichtet, zwei Jahre nach Ratifikation der KRK und danach im Fünf-Jahres-Rhythmus Berichte zum Stand der Umsetzung der Kinderrechte vorzulegen. Die Richtlinien für die Berichte finden sich in Artikel 44 KRK. Sie fordern von den Staaten – unter Einbeziehung von statistischen Daten – über alle relevanten legislativen, judikativen und exekutiven Aspekte zu berichten. Die Berichte sollen Angaben zu vorgefundenen Schwierigkeiten/Herausforderungen und Fortschritte sowie über Prioritäten bei der Umsetzung der KRK und zukünftige spezifische Ziele enthalten. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes überprüft die Staatenberichte und gibt Empfehlungen in Form von concluding observations an die Staaten weiter. Der Ausschuss kann darüber hinaus auch der UN-Generalversammlung und dem UN-Generalsekretariat empfehlen, Berichte zu bestimmten kinderrechtlichen Themen zu erstellen.

Ein Individualbeschwerdeverfahren, wie es zum Beispiel in der Frauenrechtskonvention und im Zivilpakt verankert wurde, ist als ergänzendes Kontrollelement zum Berichtssystem im Rahmen der KRK noch nicht vorgesehen. In einem solchen Verfahren kann sich ein Einzelner an einen unabhängigen UN-Ausschuss wenden und eine Verletzung seiner Menschenrechte vorbringen. Vorher muss der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft werden. Ist das Opfer einer Menschenrechtsverletzung selbst nicht dazu in der Lage, kann in seinem Namen eine Beschwerde eingelegt werden. Nach Prüfung der Beschwerde kann der betreffende UN-Ausschuss den Staat zur Wiedergutmachung des Schadens auffordern. Dies kann etwa eine Freilassung, Entschädigung, Aufhebung eines Gerichtsurteils oder Änderung einer Verwaltungspraxis beinhalten. Obwohl diese Entscheidungen rechtlich nicht bindend sind, ent-falten sie dank ihrer Veröffentlichung und der Autorität der Ausschüsse große Wirkung: Kein Staat möchte in der Weltöffentlichkeit gerne als Menschenrechtsverletzer dastehen.

Die Kindernothilfe setzt sich seit einigen Jahren für ein solches Individualbeschwerdeverfahren ein und hat einen Entwurf für ein Zusatzprotokoll erarbeitet. Die 18 Mitglieder im UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes unterstützen dieses Anliegen. Im Januar 2008 wurde eine internationale Kampagne zur Schaffung eines dritten Zusatzprotokolls mit einem Individualbeschwerdeverfahren gestartet.

Die KRK hat mehr Bedeutung erlangt, als allgemein erwartet wurde, und zu einem Bewusstseinswandel bei-getragen: Kinder sind nicht länger Objekte der Erziehung, sondern werden als Subjekte eigenverantwortlichen Handelns in ihrem Lebensumfeld angesehen. Diesen Trend weiterhin zu verstärken ist Aufgabe und Anliegen der Kindernothilfe. Durch die Zusatzprotokolle (Kindersoldaten und Kinderprostitution) zur KRK, andere kinderrechts-relevante Verträge (ILO-Übereinkommen, African Charter on the Rights and Welfare of the Child) und Erklärungen (Weltkindergipfel 2002) ist die KRK in ihrer Aussagekraft und Verbindlichkeit weiter bestärkt worden und damit auch ein unerlässlicher Rahmen für die Arbeit der Kindernothilfe und ihrer Partner.

Armut und MenschenrechteZwischen Armut und Menschenrechten besteht ein enger Kausalzusammenhang. Extreme Armut ist eine Men-schenrechtsverletzung. Armen Menschen wird der Zugang zu Ressourcen wie Bildung, Arbeit, Land etc. verwehrt. Im Bericht über menschliche Entwicklung von 2000 mit dem Titel „Menschenrechte und menschliche Entwicklung“ wird Armut als „… ein Haupthindernis für einen angemessenen Lebensstandard und die Verwirklichung der Menschenrechte“8 bezeichnet. Armut ist vielfach zugleich Ursache und Folge von Menschenrechtsverletzungen.

Seit Beginn der 90er Jahre wird über einen Menschenrechtsansatz (human rights based approach) in der Entwick-lungszusammenarbeit (EZ) diskutiert, der den Zusammenhang zwischen Armutsbekämpfung und Menschenrechten aufgreift. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verfolgt explizit einen Menschenrechtsansatz, dessen konkrete Ziele im entwicklungspolitischen Menschenrechtsaktionsplan festgelegt sind. Die Orientierung an den Menschenrechten ergibt sich u.a. aus der für die deutsche Entwicklungspolitik zentralen Millenniums-Erklärung und den Millenniums-Entwicklungszielen (MDGs). Die Umsetzung der acht Millenniums-Entwicklungsziele ist eng mit der Verwirklichung der Menschenrechte verknüpft, denn viele der MDGs sind unmittel-bar auf die Verwirklichung bestimmter Rechte gerichtet. Mindestens vier dieser Ziele beziehen sich ausdrücklich auf die Situation von Kindern, zum Beispiel die Verwirklichung der allgemeinen Grundschulbildung bis zum Jahr 2015.

Stand-up against Poverty – Weltweiter Aktionstag gegen Armut

Seit 2006 beteiligen sich die Kindernothilfe und zahlreiche Partner im Ausland an dem weltweiten Aktionstag gegen Armut. 2007 waren es 43,7 Millionen Menschen in 127 Ländern, die physisch oder symbolisch gegen Armut, Ungerechtigkeit und für die UN-Millenniumsziele aufgestanden sind. Diese Aktion ist wichtig, um die Staaten an ihre Versprechungen zu erinnern, die sie mit der Millenniums-Erklärung und den vereinbarten Zielen bis zum Jahr 2015 eingegangen sind.

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11Konzept Kinderrechtsansatz

9 Lingnau, Hildegard: Menschenrechtsansatz für die deutsche EZ (2003)10 VENRO (Hrsg.): Wie kommen die Armen zu ihren Rechten (2004)

Perspektiv-wechsel

Kinder sind Träger von Rechten

Kindernothilfe-Definition des Kinder-rechtsansatzes

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beauftragte das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik mit der Erstellung einer Studie zu diesem Themenaspekt. Sie ist im Oktober 2003 unter dem Titel „Menschenrechtsansatz für die deutsche EZ“9 erschienen. Darin wird der Menschenrechtsansatz wie folgt definiert:

„… ein konzeptioneller Ansatz, der sich normativ auf die geltenden internationalen menschenrechtlichen Standards und Prinzipien gründet und diese in einem gegebenen Politikfeld (hier: der Entwicklungszusammen-arbeit) zu operationalisieren und umzusetzen sucht. Mit den ‚Standards’ sind die in den internationalen menschenrechtlichen Verträgen und Konventionen enthaltenen Normen und Regeln gemeint, zu deren Einhaltung und Umsetzung sich die Staaten durch Ratifikation freiwillig verpflichtet haben. Zu den ‚Prinzipien’ von Menschenrechtsansätzen zählen die Grundsätze von Partizipation, Verantwortlichkeit, Nicht-Diskriminierung, Ermächtigung und die direkte Bezugnahme auf menschenrechtliche Standards ….“

Als Dimensionen eines Menschenrechtsansatzes in der EZ werden in der VENRO-Publikation „Wie kommen die Armen zu ihren Rechten?“ folgende Punkte genannt:• „AusgangspunktsinddievölkerrechtlichverbindlichenMenschenrechtsverträge;• BeachtungdesPrinzipsderNicht-DiskriminierungundeinespezielleAusrichtungaufbenachteiligteGruppen,

u.a. Frauen, Kinder und Minderheiten;• BeachtungderPrinzipienPartizipationundempowerment;• Rechtsstaatlichkeit,Transparenz,EffizienzundPartizipationalsAusdruckfürverantwortlicheRegierungsführung

(good governance);• Fokussierungbestimmterpolitischer,wirtschaftlicher,sozialerundkulturellerKernrechte.“10

Der Menschenrechtsansatz vollzieht einen Perspektivwechsel. Er bedeutet, Armutssituationen nicht allein aus der Perspektive von menschlichen Bedürfnissen und Entwicklungsdefiziten zu begreifen: Bedürftige Menschen sind nicht mehr Bittsteller, sondern Inhaber von Rechten, die einforderbar sind. Aus dieser Perspektive sollen die Menschen darin bestärkt werden, sich für soziale Gerechtigkeit und menschenwürdige Lebensbedingungen als ihre Rechte einzusetzen. Einen an den Bedürfnissen (needs based) und einen an den Rechten (rights based) orientierten Ansatz gegeneinander zu stellen, ist unfruchtbar.

1.6 Der KinderrechtsansatzDer Kinderrechtsansatz ist ein auf die spezielle Zielgruppe der Kinder ausgerichteter Menschenrechtsansatz. In der KRK sind die Rechte der Kinder festgelegt. Durch einen Kinderrechtsansatz werden Kinder als Träger dieser Rechte anerkannt und die Verwirklichung dieser Rechte zum Ziel der entwicklungsgerichteten Projektarbeit, und zwar umfassend. Somit muss jede entwicklungspolitische Intervention den Rechtsanspruch der Kinder auf Verwirk-lichung dieser Rechte Sorge tragen. Hierbei ist die Beteiligung von Kindern ein wichtiger Bestandteil, jedoch nicht ausschließlich gleichzusetzen mit der Verwirklichung von Kinderrechten. Beteiligung ist nur ein unabdingbares Mittel zur tatsächlichen Verwirklichung auch anderer Rechte des Kindes.

Die Kindernothilfe definiert den Kinderrechtsansatz wie folgt: Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten und Träger von Menschenrechten.Die Verwirklichung ihrer in der KRK normierten Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte ist das Ziel der Arbeit der Kindernothilfe. Daher beteiligen sich die Kinder aktiv an Planung, Durchführung und Evaluation von Kind bezoge-nen Aktivitäten und Projekten, um ihre Rechte einzufordern.

Der Kinderrechtsansatz wird durch folgende wesentliche Elemente charakterisiert: • ErsetzteinenPerspektivwechselvoraus.Dasbedeutet,dassKindernichtnuralsBedürftige,sondernalsTräger

von Rechten wahrgenommen werden. • KindersindSubjekte,siehabeneinRechtaufAnerkennungalseigenständigePersönlichkeit.• Beim Kinderrechtsansatz sind Kinderrechte zugleich Ziel und Instrument der Entwicklung von Kindern. Die

Verwirklichung der Kinderrechte wird durch ein mainstreaming, eine Verwurzelung des Ansatzes in allen Projekt- und Programmarbeitsbereichen erzielt.

• DerKinderrechtsansatzbedeutetaufProjektebenediekonsistenteundkonsequenteBeteiligungvonKinderninder Planung, Durchführung und Evaluierung von Entwicklungsprojekten, also in allen Phasen des Projektzyklus unter Berücksichtigung der Prinzipien der KRK, um die angemessene Gewährung und Umsetzung der Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte zu erreichen.

• EristeinintegralerAnsatz,derdiedrei„P“s(protection, provision, participation) miteinander verbindet.

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Konzept Kinderrechtsansatz12

Kinder in ihren Rechten

stärken

Der angesprochene Perspektivwechsel, der Kinder zu Trägern von Rechten macht, beinhaltet die öffentliche, poli-tische, moralische und rechtliche Verantwortung und Verpflichtung, diese Rechte zu verwirklichen. Es soll nicht lediglich auf Symptome reagiert, sondern die primären Ursachen für das Vorenthalten oder die Verletzungen der Kinderrechte in den Blick genommen werden. Hierbei wird vorausgesetzt, dass Kinder das Recht haben, sich daran aktiv zu beteiligen.

Im Rahmen des Kinderrechtsansatzes werden Kinder somit als Träger von Rechten anerkannt (rights holders), die Rechtsansprüche gegenüber Personen bzw. Institutionen (duty bearers) haben. Dies bedeutet, dass Projekte mit der Zielgruppe Kinder diese einerseits bei der Ausübung bzw. Einforderung ihrer Rechte angemessen zu unterstützen und zu führen haben, andererseits die duty bearers entsprechend schulen und in die Pflicht nehmen müssen.

Ziel einer solchen Strategie ist es, die Teilnahme von Kindern als Zielgruppe am gesellschaftlichen Leben zu erhö-hen und durch organisierte Vertretung ihre Interessen im politischen System durchzusetzen. Empowerment in diesem Sinne führt neben politischer Mitsprache komplementär zur sozialen und ökonomischen Verbesserung der Lebenssituation Betroffener. Solche Form des ganzheitlichen „Bestärkens“ basiert auf aktiver Wahrnehmung von Mitspracherechten, wie sie in der KRK garantiert sind und welche einen der Grundpfeiler des Kinderrechtsansatzes bilden.

Der kinderrechtliche Ansatz ist jedoch nicht abstrakt oder als exklusiv anzusehen, sondern eröffnet eine neue weiterreichende Perspektive der Programmarbeit. Die zusätzlichen Aktivitäten, die im engeren Sinne die Basis für die Stärkung der Kinderrechte bilden (Beteiligung, Information, Bewusstseinsbildung, Rechtsvertretung und Rechtsdurchsetzung), erstrecken sich auf das gesamte Lebensumfeld der Kinder in den Projekten und können im Zusammenhang unserer bisherigen Arbeit gesehen werden. Der Familie, dem Umfeld, den Gemeinschaften und Gemeinden kommt eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung zu. Dies findet seinen Niederschlag in der KRK, Artikel 5: „Die Vertragsstaaten achten die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Eltern oder gegebenenfalls, soweit nach Ortsgebrauch vorgesehen, der Mitglieder der weiteren Familie oder der Gemeinschaft, des Vormunds oder anderer für das Kind gesetzlich verantwortlicher Personen, das Kind bei der Ausübung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte in einer seiner Entwicklung entsprechenden Weise angemessen zu leiten und zu führen.“

Eine Verdeutlichung des Zusammenwirkens der Grundprinzipien der KRK ist der sogenannte Table-Leg-Test. Dieser besagt, dass nur wenn alle vier Grundprinzipien (symbolisiert durch die Tischbeine) beachtet werden, die KRK wirksam umgesetzt werden kann. Das Grundrecht des Kindes auf Überleben und persönliche Entwicklung steht dabei an oberster Stelle.

Ein Kinderrechtsansatz: Der sogenannte „Table-Leg-Test“aus: McMenamin B., Fitzgerald P.: A Handbook to Build Safer Organisations for Children, ECPAT Australia, 2001

Grundrecht auf Überleben und persönliche Entwicklung (Art. 6)

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13Konzept Kinderrechtsansatz

Auch Erwachsene müssen ihre Rechte kennen

Mehrwert des Kinderrechts-ansatzes

Dass auch Erwachsene ihre Rechte kennen und lernen, dafür einzutreten, ist für eine wirkungsvolle Umsetzung des Kinderrechtsansatzes von großer Bedeutung.

Kinder werden im Rahmen des Kinderrechtsansatzes als selbstbewusste und verantwortliche eigenständige Persönlichkeiten wahrgenommen, damit sie eine aktive Rolle bei der Entwicklung ihrer Gesellschaft einneh-men können. Um dieses Ziel zu erreichen, muss man den Kindern Freiraum geben, ihre Fähigkeiten, Kreativität, Gestaltung, Führung etc. zu entwickeln und zu bestimmen. Kinder können in ihrem jeweiligen lokalen oder natio-nalen Kontext die ihnen traditionell vorgegebenen Regeln in Frage stellen und nach Veränderung streben. Derartige Veränderungen haben nachhaltigen Charakter, da sie von den eigentlichen Betroffenen selbst eingeleitet und umgesetzt werden.

Grundvoraussetzung hierfür ist, die Sichtweisen der Kinder ernst zu nehmen und in den Mittelpunkt des Projektinteresses zu stellen. Nur durch eigene Artikulation können ihre bestehenden Bedürfnisse erkannt sowie befriedigt und die Einhaltung ihrer Rechte garantiert werden. Hierzu ist es notwendig, eine Pädagogik der Kinderrechte zu entwickeln, durch die Erwachsene und Kinder befähigt werden, Offenheit und Vertrauen zu ent-wickeln, um achtsam und aufmerksam auf die unterschiedlichen Bedürfnisse eingehen und sie in Handlungsziele umsetzen zu können.

Mit der KRK liegt ein international gültiges Menschenrechtsübereinkommen vor, das von 193 Staaten (Stand August 2008) als gemeinsame Wertebasis und Handlungsgrundlage akzeptiert wird. Dieser Konsens ist sowohl für die Arbeit der Kindernothilfe als auch für die ihrer Partner bedeutend. Nicht nur wir, sondern auch unsere Partner können sich in ihren Forderungen an die Regierungen darauf beziehen, und politisches Handeln muss sich an der KRK messen lassen.

Zusammenfassend lässt sich der Mehrwert eines Kinderrechtsansatzes in folgenden Punkten festhalten. Der Kinderrechtsansatz • verstehtKinderalseigenständigePersönlichkeitenundstärktsiedarin,sichfürihreRechteeinzusetzenundsie

einzufordern;• trägtdazubei,dassKinder,diespezifischenRisikenausgesetztsindundderenRechtealltäglichundsystematisch

verletzt werden, stärker in den Blick genommen werden (children at risk);• trägtdazubei, lokaleOrganisationen,GemeinschaftenundGruppen zu stärken,weil dasRechtsbewusstsein

zunimmt;• isteinessentiellerSchritt,umvonderaktuellenBeseitigungvonNotzurNachhaltigkeitderHilfezugelangen.

Nachhaltigkeit wird dadurch erreicht, dass Kinder sich aktiv an der Schaffung von gerechten Strukturen beteiligen, die auch zukünftig Bestand haben;

• istmitdemGrundprinzip,KinderanallensiebetreffendenAngelegenheitenzubeteiligen,indoppeltemSinnenachhaltig. Er stärkt Kinder nicht nur in ihrer gegenwärtigen Situation, sondern bereitet sie auch auf ihre Rolle als Erwachsene vor. Damit unterstützt der Kinderrechtsansatz auch die Demokratieförderung eines Landes.

Projektbeispiel Sambia: Radioschulen für Kinder (61391)In der ländlichen Gemeinde Chikuni in Sambia betreibt die Chikuni Mission in Zusammenarbeit mit dem sam-bischen Bildungsministerium Radioschulen für Kinder.

Die Kindernothilfe ergänzt in diesen Dörfern das Radioschulprogramm durch Unterricht in nachhaltiger Forst- und Landwirtschaft. Die Kinder lernen, wie sie die gefährdeten Wälder in ihrer Umgebung im Einklang mit der Natur nutzen, durch Aufforstung schützen und möglichst gewinnbringend Obst und Gemüse anbauen können. Zu den Radioschulen gehören Gärten, Baumschulen und Bewässerungsanlagen, die durch Kinderkomitees von den Mädchen und Jungen mit Unterstützung von Projektangestellten selbst geleitet werden. So bestimmen sie, was sie anbauen werden, wie sie die Ernte verwenden und Erträge aus deren Verkauf untereinander aufteilen.

Die Kinder haben auch die Schlüsselhoheit über die in den Gärten befindlichen Wasserpumpen. Einige der Kinderkomitees haben entschieden, dass Einwohner ihrer Gemeinden den Brunnen nur nutzen dürfen, wenn sie entweder im Schulgarten mit anpacken oder aber einen kleinen Betrag zahlen. So haben sie eine zusätzliche Einnahmequelle, die für den Gartenanbau verwendet wird.

Die Mädchen und Jungen tragen ihr erworbenes Wissen in ihre Familien und Gemeinden. Sie wirken als Multiplikatoren, so dass sich die Ernährungssituation in vielen Dörfern schon messbar verbessert hat.

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Konzept Kinderrechtsansatz14

Kinderrechte als Orientierungs-

rahmen bei der Projektplanung und -durchfüh-

rung

Partizipation der Kinder als Grundprinzip

der Projekt-planung

2 Aspekte der Kinderrechtsarbeit2.1 Integration des Kinderrechtsansatzes in den ProjektzyklusGrundsätzlich erfordert der Kinderrechtsansatz als Orientierungsrahmen eine konsequente Bezugnahme auf die in der KRK festgeschriebenen Kinderrechte in allen Phasen des Projektzyklus, insbesondere in der Situations- und Problemanalyse, der Definition von Projektzielen und der Auswahl der Projektstrategie. Methodisch bedeutet dies, dass die kinderrechtliche Orientierung in das Konzept des Projektzyklus-Managements integriert werden muss, das bei allen Partnern der Kindernothilfe die Grundlage von Planung, Durchführung und Evaluierung von Projekten darstellen sollte.

Bei der Projektplanung und Durchführung erfordert die Anerkennung des Kindes als Träger eigener Rechte einen Perspektivwechsel im Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern. An die Stelle der Unterordnung des Kindes unter die Erwachsenen muss eine Beziehung auf der Basis gleicher Grundrechte treten. Ein solches Verhältnis setzt voraus, dass beide Beteiligten sich ihrer Würde und Rechte bewusst sind. Dieser Perspektivwechsel darf jedoch nicht zur Folge haben, dass der Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern einfach eingeebnet wird. Kinder brauchen Räume, in denen Beteiligung und Verantwortlichkeit an der Ausgestaltung von Projekten eingeübt wer-den kann. Erwachsene, d.h. Eltern und Projektpersonal, haben die verpflichtende Verantwortung, „das Kind bei der Ausübung (seiner) anerkannten Rechte in einer seiner Entwicklung entsprechenden Weise angemessen zu leiten und zu führen“. (Art. 5 der KRK)

2.1.1 Projektplanung Aus der Anerkennung der Tatsache, dass Kinder Träger von Rechten sind (rights holders), folgt, dass sie Rechtsansprüche an Personen und/oder Institutionen (duty bearers) haben. Wenn es darum geht, wie die Rechte gegenüber den duty bearers eingefordert werden können, dann muss der Blick über das einzelne Projekt hinausgehen und sich auf die institutionellen Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene richten. Im Artikel 3 der KRK wird der Charakter als völkerrechtlich verbindliches, d.h. unmittelbar anzuwendendes Recht, deutlich. Um den Stand der Umsetzung der KRK einschätzen zu können, müssen die verantwortlichen Behörden oder halbstaatlichen Institutionen, aber auch Wirtschaftsunternehmen und Interessenvereinigungen in die Situations- und die Beteiligtenanalyse einbezogen werden.

Partizipation der Kinder als Hauptzielgruppe von Kindernothilfe gilt hierbei immer als Grundprinzip der Projektplanung. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Meinungen und Sichtweisen von Kindern adäquat berücksichtigt werden und dass auch tabuisierte Themen zur Sprache kommen: wie z.B. Gewalt, Misshandlung und Missbrauch.

Projektbeispiel Chile: Rechte für peruanische Flüchtlingskinder (92047)

In den Hinterhof-Slums der chilenischen Hauptstadt Santiago leben – ohne gültige Aufenthalts- und Arbeitspapiere und deshalb ständig von der Abschiebung bedroht – peruanische Armutsflüchtlinge; darunter vor allem Frauen, die als billige Hausangestellte ohne jegliche Rechte oder soziale Sicherung ihren Lebensunterhalt verdienen. Die Kinder vieler dieser Flüchtlinge haben keine legale Möglichkeit zum Schulbesuch oder zu einer ärztlichen Versorgung.

Ziel des Projektes ist es, die in der UN-Kinderrechtskonvention universal verbrieften Rechte dieser Mädchen und Jungen gegenüber dem chilenischen Staat einzufordern. Gleichzeitig soll das Projekt die betroffenen Kinder und Jugendlichen in ihrem Selbstbewusstsein stärken, sie aus dem Schatten hervorholen, Möglichkeiten für einen Schulbesuch organisieren und gleichzeitig die Öffentlichkeit gegenüber der Situation dieser rassistisch diskriminierten Gruppe sensibilisieren.

Wichtige Komponenten der Projektkonzeption sind auch eine ganz intensive Mitwirkung der Kinder und Jugendlichen bei Aktionen und Aktivitäten, bei denen sie zu Protagonisten in eigener Sache werden. Der Projektantrag wurde von der Migranten-Selbsthilfe-Organisation Colectivo sin Fronteras unter intensiver Beteiligung der Kinder und Jugendlichen entwickelt. Die Kinder und Jugendlichen verfügen inzwischen über eigene Organisationsstrukturen, die ein selbstbewusstes Pendant zu den Gremien der Erwachsenen bilden.

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15Konzept Kinderrechtsansatz

Rahmen-bedingungen analysieren

Entwicklungs-politische Ziele ergeben sich aus den Kinderrechten

Die Analyse der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sollte beachten, dass die Situation aus der Sicht der Betroffenen zu analysieren sind. Die Beteiligung von Kindern an dieser Analyse ist ein Instrument und gleichzeitig ein Ziel. Es ist ebenso wichtig, dass Kinder lernen, wie sie ihre eigene Situation analysieren können und welche Ursachen hinter den erlittenen Missständen liegen. Solche Lerneffekte tragen letztlich zum sozialen und politischen empowerment der Betroffenen bei.

Eine Stakeholder- bzw. Beteiligtenanalyse muss zum Verständnis des komplexen Beziehungsmusters zwischen duty bearers und rights holders beitragen. Wer ist bis zu welchem Grad für bestimmte Missstände verantwortlich und wer profitiert ggf. davon? Wie wirken sich politische Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen aus? Arme Eltern können z.B. nicht allein dafür verantwortlich gemacht werden, dass sie das Schulgeld für ihre Kinder nicht bezahlen oder nicht für ausreichende Ernährung sorgen können. Lehrer sind einerseits duty bearers gegenüber den Schülern, auf der anderen Seite sind sie rights holders gegenüber dem Erziehungssystem, z.B. mit einem Recht auf angemessene Bezahlung.

Wenn die Verantwortlichkeiten für die Verletzung eines bestimmten Rechts bekannt sind, ist die nächste Frage, warum dies geschieht. Die Annahme ist, dass den duty bearers entweder das Wissen, die Mittel oder der poli-tische Wille fehlen, ihre Verantwortung wahrzunehmen, oder sie aus einer bestimmten Situation selbst Kapital zu schlagen versuchen. Eine weitere Annahme ist, dass den rights holders die Informationen und Kapazitäten fehlen, um ihre Rechte einzuklagen. Diese Annahmen müssen überprüft werden, damit entsprechende Projektstrategien entwickelt werden können.

2.1.2 Projektziele und AktivitätenDie KRK stellt eine Vision für eine kindergerechte Welt dar, und die definierten Kinderrechte sind der weltweit anerkannte Maßstab für diese Vision. Aus den einzelnen Artikeln der KRK ergeben sich die Entwicklungsziele zur Verwirklichung von Menschenrechten, deren Priorität jeweils vom lokalen Kontext abhängt, z.B.:

• Das Recht auf Leben (Artikel 6) und auf angemessene Lebensbedingungen (Artikel 27) wird durch dieEntwicklungsziele Ernährungssicherung, Steigerung der Einkommen und der Kaufkraft der Eltern etc. umge-setzt.

• Das Recht auf Bildung (Artikel 28) konkretisiert sich in der Sicherung derGrundschulbildung für alle Kinder,in der materiellen Unterstützung, um Schulabbruch zu verhindern, in der pädagogischen Unterstützung, Lehrerfortbildung etc.

• DasRechtaufGesundheit(Artikel24)erfordertgesundheitlicheAufklärung,AusbildungvonGesundheitsperso-nal, Wasserversorgung, sanitäre Infrastruktur, Einrichtung von Gesundheitsdiensten etc.

• DerSchutzvorGewaltanwendung,Misshandlung,Verwahrlosung,Ausbeutung(Artikel19,34,36)wirdkonkretbei Prävention, in Nothilfe bei akuten Missbrauchsfällen, Rehabilitation, Trauma-Bearbeitung, Reintegration von Straßenkindern etc.

Neben der bedarfsgerechten Unterstützung und Hilfe zur Selbsthilfe für Zielgruppen müssen kinderrechtsorien-tierte Projekte darauf ausgerichtet sein, bei duty bearers nachhaltige strukturelle Veränderungen zugunsten der Kindern und ihrer Familien zu erreichen, u.a. durch:• Kinderrechts-GruppenundKinderrechts-Bewegungen;• BildungvonSelbsthilfegruppenundInteressenartikulationauflokaleroderregionalerEbene;• KampagnenundLobbyarbeitmitBeteiligungvonKindern;• Beteiligung an Aktionen der Zivilgesellschaft und/oder an NRO-Netzwerken, die zu Kinderrechten politisch

arbeiten;• Netzwerkbildung;• Rechtsaufklärung,-beistand.

Projektbeispiel Pakistan: Kinderrechtskomitees helfen Straßenkindern (2580 AC)

Straßenkinder werden in einer Einrichtung in Peshawar unterstützt. Hier erhalten sie Schutz und vor allem Ausbildung. Das Projekt versucht Kinder, die wegen Gewalt an den Schulen von zu Hause weggelaufen sind, wie-der zu ihren Familien zurückzubringen. Dabei hilft ihnen ein landesweites Netzwerk von Kinderrechtskomitees, die die Rückkehrer in ihren Familien und besonders in ihrem Schulumfeld begleiten. Diese Komitees klären Eltern und Lehrer über die Rechte der Kinder auf und sorgen dafür, dass der Grund für das „Weglaufen“ nicht wieder vorkommt. Auch Jugendliche sind Mitglied in den Komitees.

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Konzept Kinderrechtsansatz16

Kinder entscheiden

über Prioritäten

Grundlagen für effektives

Monitoring

Advocacy zur Durchsetzung

von Kinderrechten

Bei Festlegung von Projektzielen und Aktivitäten ist vor dem Hintergrund der jeweiligen Situation des Partnerlandes durch die Kinder selbst zu entscheiden, welche Kinderrechtsverletzungen Priorität haben und welche Aktionen kurz-fristig nötig sind, um akute Rechtsverletzungen zu verhindern und längerfristig geeignet sind, die Situation zu ver-bessern. Dabei sollte auf eine Balance zwischen den Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechten geachtet werden.

Zahlreiche Partner haben bereits Elemente des Kinderrechtsansatzes in ihre Projekte integriert. Aufgrund der Vielfältigkeit der Projekte und der Tatsache, dass das vorliegende Konzept in erster Linie einen Orientierungsrahmen gibt, sei an dieser Stelle auf beispielhafte Darstellungen von Projektkomponenten innerhalb des Textes und im Anhang verwiesen.

2.1.3 Monitoring und EvaluationWie die Projektplanung müssen Monitoring und Evaluation partizipativ erfolgen, damit die Sichtweisen und Einschätzungen der Kinder zur Geltung kommen und so ein realistisches Bild entsteht. Dies kann aber nur unter der Voraussetzung funktionieren, dass Partizipation schon während der Planungsphase berücksichtig wurde. Sowohl in der Projektplanung als auch beim Monitoring und im Evaluationsprozess gilt es also, die Rolle der Kinder aufzuwerten. Üblicherweise geschieht dies dadurch, dass die begleitende NRO vor jeweiliger Intervention allen Beteiligten diese Grundprinzipien von Anfang an bewusst macht.

Monitoring soll über einen längeren Zeitraum regelmäßig die Qualität undWirkungen der durchgeführtenAktivitäten feststellen, um zu gewährleisten, dass sich das Projekt auf vereinbarte Ziele zu bewegt. Im Rahmen des Kinderrechtsansatzes tragen Monitoring und Evaluation dazu bei, Kinderrechte stärker im Bewusstsein der Beteiligten zu verankern und Rechenschaft von duty bearers zu verlangen.

Die Grundlagen für effektives Monitoring sind in der Projektplanungsphase festzulegen. Hierbei ist besonders auf die Definition von Zwischenzielen und die Formulierung von Wirkungsindikatoren zu achten.

Monitoring und Evaluation betreffen auch die Kindernothilfe selbst und damit die Umsetzung des Kinderrechtsansatzes durch uns.

2.1.4 Prüfung von ProjektvorschlägenBei der Prüfung von Projektvorschlägen müssen mindestens folgende Fragen anhand der gegebenen Informationen ausreichend beantwortet werden können:

Kinderrechte als Querschnittsaufgabe in der Projektarbeit• Wiewirdsichergestellt,dassbeiallenAktivitäten,dieKinderbetreffen,dasWohldesKindesoberstePrioritäthat?

(z.B. Budget, Mitarbeiterqualifizierung, Mission/Vision/Goals der Partnerorganisation)• In welcher Form und in welchemUmfang beteiligen sich Kinder an der Projektplanung, Durchführung und

Evaluation?• Wiewirdsichergestellt,dassKinderinnerhalbderZielgruppenichtdiskriminiertwerden:wegenihrerRasse,der

Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status des Kindes, seiner Eltern oder seines Vormunds?

Kinderrechte als Ziel von Projekten• AufwelchenichtverwirklichtenRechtebeziehtsichdasProjektdirekt?• WelchessinddieGrundursachenfürdieVerletzungdieserRechte?• WeristinersterLinieverantwortlichfürdieWahrungdieserRechte?Weristmitverantwortlich?• WelcheProjektstrategiensollendieSituationverbessern?• WelcheProjektaktivitätenfindenmitrights holders und den duty bearers statt?• WelcheAktivitätenimBereichLobbyundAdvocacygibtes?• InwiefernhatdasProjektdazubeigetragen,dasssichdieSituationvonKindernverbesserthat?• WiewirddieNachhaltigkeitbeiderVerwirklichungderKinderrechtegesichert?

2.2 Advocacyarbeit Advocacyarbeit dient dazu, Entscheidungen zu beeinflussen, welche die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen von Entwicklung betreffen. Folglich richtet sich Advocacy zur Durchsetzung von Kinderrechten mit Lobbyarbeit auf unterschiedliche Ebenen an Zielgruppen im internationalen, regionalen und nationalen

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17Konzept Kinderrechtsansatz

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes

Sensibilisierung der Öffentlichkeit

Kinderrechte als Querschnitts-aufgabe

Kontext. Insbesondere handelt es sich dabei um politische Entscheidungsprozesse in Regierungen, Parlamenten oder UN-Organisationen sowie Bretton-Woods-Institutionen. Kampagnenarbeit, die in der Regel in Bündnissen oder Netzwerken umgesetzt wird, richtet sich an die allgemeine Öffentlichkeit, die Zivilgesellschaft, die Medien etc.

So müssen die Vernetzung von Advocacyarbeit im internationalen und nationalen Rahmen bis möglicherweise hin zur Projektebene sowie ein entsprechender „Süd-Süd-Austausch“ der Partner als große Herausforderungen für die Zukunft gelten.

Zu den Instrumenten der Advocacyarbeit zählen Lobbygespräche, Fachgespräche, Fachtagungen, Briefaktionen, Kampagnen und öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen. Voraussetzung sind fundierte Kenntnisse des Themenfeldes und eine sorgfältige Analyse der politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsstrukturen, um zielgerichtet und erfolgreich arbeiten zu können.

Der vermutlich auf internationaler Ebene bedeutsamste Akteur im Bereich der Kinderrechtsarbeit ist das Committee on the Rights of the Child. Dieser Ausschuss hat als verantwortliches Gremium die Aufgabe, eine Implementierung der KRK sowie der beiden Zusatzprotokolle durch die Staaten zu überprüfen. Im zuständigen Berichterstattungssystem ist eine aktive Rolle für NRO vorgesehen, welche vielfach auch zur Erstellung von „Schatten“- oder ergänzender Berichte genutzt wird. Die praktizierte Ausschussarbeit zeigt ferner, dass derartige Berichte nicht nur zur Kenntnis genommen bzw. diese in entsprechende Empfehlungen an die betreffenden Staaten einbezogen werden, sondern auch Kinder als NRO-Vertreter vorbereitend zu anstehenden Regierungsanhörungen (working sessions) eingeladen werden.

Seit Anfang 2004 verfügt die Kindernothilfe über einen Konsultativstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) der Vereinten Nationen. Dieser Status erlaubt es, an internationalen Konferenzen teilzunehmen und schriftliche Stellungnahmen bei ECOSOC-Zusammenkünften sowie in zuständigen Kommissionen und Ausschüssen abzuge-ben.

Die KRK richtet sich prinzipiell an Staaten. In diesem Sinne sind die jeweilige Regierung, die Polizei und nationale Rechts-, Bildungs- und Gesundheitssysteme der Partnerländer als Träger von Rechtspflichten zu verstehen. Die Erfahrungen und das Know-how einiger dieser Akteure kann direkt genutzt werden, um die Implementierung von Kinderrechten voranzutreiben. Andere Akteure müssen durch Bewusstseinsbildung, Schulung, Weiterbildung etc. erst aktiv gewonnen werden, um dann einen Beitrag bei der Umsetzung leisten zu können. Dazu gehö-ren: Ministerien und Behörden auf allen Regierungsebenen, nationale Menschenrechts- und Ombudsstellen, Nichtregierungsorganisationen und Netzwerke sowie die (Massen-)Medien.

Auch auf Projektebene trägt die Einbeziehung von Advocacy-Arbeit zu einer wirkungsvolleren Projektumsetzung bei. Kinder (z.B. Bewegungen von arbeitenden Kindern) leisten hier einen wichtigen Beitrag. Hierfür müssen allerdings die Rahmenbedingen geschaffen werden. Ziel der Advocacy-Arbeit auf Projektebene ist es, die Öffentlichkeit, lokale Verantwortungsträger, staatliche Angestellte (Lehrer, Polizisten, Richter), Eltern etc. bezüglich der Kinderrechte zu sensibilisieren, um sie als Akteure für die Umsetzung der Kinderrechte gewinnen zu können.

3 Arbeitsperspektiven des Kinderrechtsansatzes in der KindernothilfeFürdieKindernothilfebedeutetdieEinführungdesKinderrechtsansatzeseineQuerschnittsaufgabe,dieinallenArbeitsbereichen vollzogen werden soll.

Der Kinderrechtsansatz verbindet Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte. Zu den Beteiligungsrechten zählt das Recht der Kinder auf kindgerechte, dem Alter angemessene Teilnahme. Zu allen Prozessen, die sie direkt betreffen, sollen sie gehört werden und im Rahmen ihrer Möglichkeiten daran anschließende Aktivitäten mitbestimmen können. Als Kinderhilfswerk ist die Einbeziehung der Teilhaberechte unserer primären Zielgruppe bei der Planung und Durchführung von Projekten eine logische Weiterentwicklung der bisherigen Programmarbeit. Die angestrebte Art von Beteiligung, d.h. die Partizipation der Zielgruppen im Sinne von Einflussnahme auf die Projektplanung und -durchführung, ist für die Kindernothilfe seit der programmatischen Erweiterung auf gemeinwesenorien-tierte Projekte kein Neuland mehr, sondern Bestandteil jedweder Projektplanung in diesem Bereich. Die positiven

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Konzept Kinderrechtsansatz18

Konzept ist Anfangspunkt

eines Lernprozesses

Patenschaften ermöglichen Teilhabe und

Solidarität

Erfahrungen, die die Kindernothilfe und ihre Partner bei der Umsetzung zum Beispiel des Selbsthilfegruppen-Ansatzes (SHG) sammeln, zeigen, was wirkliche Teilhabe am Entwicklungsprozess und empowerment bewirken können. Auch hier handelt es sich um einen langsamen Prozess, in dem aber die Kraft steckt, Veränderungen her-beizuführen. Der Mehrwert, der hier erzielt wird, lässt sich auch auf den Kinderrechtsansatz übertragen.

Das vorliegende Konzept soll keinen statischen Charakter haben, sondern als Anfangspunkt eines kritischen Lernprozesses verstanden werden. Im Rahmen von offenen Lernprozessen werden fortwährend neue und uner-wartete Herausforderungen auftreten. Diesen Herausforderungen konstruktiv zu begegnen, wird eine komplexe Aufgabe der Kindernothilfe in den nächsten Jahren sein.

Als Ergänzung zum Konzept werden jährliche Umsetzungspläne zum Kinderrechtsansatz mit konkreten Aktionen und Aktivitäten für die In- und Auslandsarbeit der Kindernothilfe erarbeitet.

3.1 Patenschaft und Kinderrechte Die Kindernothilfe bedient sich primär der Hilfsform der Patenschaften zum Zweck einer ganzheitlichen Hilfe für benachteiligte junge Menschen in der Einen Welt, in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa. Für die Kindernothilfe bedeutet die Übernahme einer Patenschaft das freiwillige Eingehen einer verbindlichen, langfri-stigen, aber zeitlich limitierten, konkreten Verantwortung dafür, einem oder mehreren jungen Menschen bei der Armutsüberwindung behilflich zu sein.

Im Rahmen des Kinderrechtsansatzes werden Kinder als eigenständige Persönlichkeiten und Träger von Menschenrechten anerkannt. Kinder lernen Entwicklung mitzugestalten und werden dabei zu Botschaftern der Hoffnung ihres unmittelbaren Lebensumfeldes. Ihr Verantwortungsbewusstsein, selber einen Beitrag zur Verbesserung ihrer Lebenssituation beitragen zu können, wird gestärkt. Zudem erfahren die jungen Menschen, dass sie eine aktive Rolle übernehmen können, entwickeln Selbstvertrauen und Kompetenzen, die ihren weiteren Lebensweg prägen.

Patenschaften sind in diesem Zusammenhang eine gute Möglichkeit, Menschen im deutschsprachigen Raum dauerhaft für die Armutsbekämpfung zu motivieren und eine Wirksamkeit zu entfalten, die Kinder stark macht für ihr Leben. Gleichzeitig sind sie nicht ein reines Marketinginstrument, sondern eine Kommunikationsmöglichkeit, die in der Anonymität globaler Prozesse Teilhabe und Solidarität ermöglicht. Durch die Patenschaft setzt sich der Pate oder die Patin für die Sache der Kinder, für ihre Rechte ein. Im Sinne einer Generationengerechtigkeit kann die Patenschaft als eine öffentlich-gemeinschaftliche Aufgabe angesehen werden, die Kindern eine selbstbestimmte Zukunft ermöglicht. Die Kinder übernehmen als Botschafter ihrer gesellschaftlichen Situation und als Subjekte ihrer eigenen Entwicklung die Hauptrolle in dieser Beziehung. Die zeitliche Begrenzung der Patenschaft und der Programme reduziert hierbei Abhängigkeiten. Der Pate kann Anteil nehmen an der Entwicklung der Programme und in der Begleitung der Kinder deren Sinn erkennen. Er erfährt, dass durch seinen Beitrag Kinder in die Mündigkeit und Selbstverantwortung begleitet werden und zugleich eine Gemeinschaft Verantwortung übernimmt und für die Umsetzung der Kinder- und Menschenrechte eintritt.

Die Patenschaft ist als Übernahme eines Amtes aufzufassen, welches einerseits zur Bekanntmachung der Kinderrechte in der Spenderöffentlichkeit beiträgt, da der Pate als Botschafter der Kinderrechte wahrgenom-men wird. Andererseits ermöglicht die Übernahme von Verantwortung durch eine Patenschaft die nachhaltige Verwirklichung der Rechte der Kinder in der konkreten Projektrealität.

Projektbeispiel Pakistan: Kinder-Selbsthilfegruppen im Projekt (25201)

Das Gemeinwesenprojekt im Sindh arbeitet mit den stark marginalisierten Minderheiten, die zum großen Teil in Leibeigenschaft leben. Das Land, auf dem diese Menschen wohnen, gehört Großgrundbesitzern, die auch alle anderen Lebensumstände der Gemeinschaften bestimmen. Neben dem Selbsthilfekonzept, bei dem die Mütter im Mittelpunkt stehen, hat die Organisation LSRDA auch mit Kinder-Selbsthilfegruppen angefangen. Es gibt bereits erste Erfolge: Jugendliche haben z.B. einen „Lebensmittel-Lieferservice“ in einem Dorf eröffnet, den sie mit einem Kredit finanziert haben. In diesem Dorf hat der Großgrundbesitzer verboten, dass ein Laden eröffnet wird.

Kinder-Selbsthilfegruppen beteiligen sich vor allem an Entscheidungsprozessen, die sich mit den Schulen in den Dörfern befassen. Hier werden die Kinder-Selbsthilfegruppen direkt einbezogen.

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19Konzept Kinderrechtsansatz

11 Der Rahmen, die Zielsetzung sowie die Instrumente der Advocacy-Arbeit sind im Partner-Manual der Kindernothilfe ebenso enthalten wie eine Übersicht der Netzwerke, in denen die Kindernothilfe arbeitet.

Spenderinnen und Spender „mit ins Boot holen“

Einsatz für Kinderrechte bedeutet Stellung zu beziehen

Die Rolle der Kindernothilfe-Partner

3.2 InlandsarbeitDie strategische Ausrichtung der Kindernothilfe auf den Kinderrechtsansatz muss auch Auswirkungen auf die Inlandsarbeit haben. Es muss perspektivisch gelingen, die Spenderinnen und Spender „mit ins Boot zu holen“. Ihre Motivation, die Not von Kindern lindern zu helfen, muss weiterhin ernst genommen werden. Gleichzeitig sollte in der Spenderkommunikation stärker betont werden, dass Kinder und ihre Familien das Recht auf menschenwür-dige Lebensbedingungen haben und dass Kinder verantwortliche Persönlichkeiten ihrer Entwicklung sind bzw. durch Unterstützung in der Projektarbeit werden sollen. Das Thema Kinderrechte bzw. der Kinderrechtsansatz ist komplex. Die Herausforderung ist, deutlich zu machen, dass die Umsetzung der KRK eine konkrete Auswirkung auf die Lebenssituation von Kindern hat. Je mehr dies gelingt, desto glaubwürdiger kann in der Inlandsarbeit darüber berichtet werden. Der Perspektivwechsel vom Objekt zum Subjekt, der mit dem Kinderrechtsansatz verbunden ist, soll in der gesamten Kommunikation der Kindernothilfe verstärkt beachtet werden. Das bezieht sich auf die Darstellung von Kindern in Bild und Text.

Zur Erreichung des angestrebten Zieles einer stärkeren Vernetzung in der Advocacy-Arbeit zwischen den Partnern und der Kindernothilfe gibt es schon konkrete Maßnahmen: z.B. die Advocacy-Mail, die zweimal jährlich in Englisch, Spanisch und Portugiesisch erstellt und an die Partner verschickt wird. Dennoch besteht auch hier die Herausforderung, im Rahmen des Kinderrechtsansatzes an den Instrumenten zu feilen bzw. neue zu entwickeln und Kinder, wo immer es möglich ist, einzubeziehen.

Als Ziel einer Verankerung des Kinderrechtsansatzes in der Projektarbeit gilt ein Brückenschlag zwischen den Partnern und dem etablierten Bereich Advocacy der Kindernothilfe11, in welchem die Kinderrechte schon lange ArbeitsschwerpunktundQuerschnittsthemasind,umSynergieeffektezwischenInlandundAuslandzuerzielen.

3.3 Programmarbeit im AuslandEine besondere Herausforderung sowohl für die Kindernothilfe als auch für das lokale Projektpersonal der Partner ist, dass Kinder von Anfang an angemessen Verantwortung für die Gestaltung ihres Umfeldes übernehmen sollen.

Die Umsetzung des Konzeptes beinhaltet, sich bewusst auf eine kinder- und menschenrechtliche Debatte mit den Partnern einzulassen. Die Kindernothilfe und ihre Partner müssen sich darüber klar sein, dass die menschen-rechtliche Arbeit dazu führt, in der eigenen Gesellschaft Stellung zu beziehen und sich dadurch möglicherweise angreifbar zu machen. Davor sollten wir nicht zurückschrecken, zumal auch eine christliche Grundhaltung eine Positionierung auf der Seite der Armen und Entrechteten beinhaltet.

Während in einem demokratischen Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland bei eindeutigen öffentlichen Aussagen keine staatlichen Repressionen zu befürchten sind, kann das auf der Seite unserer Partner durchaus anders sein. In einem Großteil der Partnerländer gibt es tendenziell autoritäre Regierungen mit einer geringer ausgebil-deten Rechts- und zivilen Konfliktkultur oder sogar sogenannte zerfallende Staaten, in denen das Gewaltmonopol nicht mehr bei der Regierung liegt.

Die Rolle unserer bestehenden und potenziellen neuen Partner in den jeweiligen Ländern ändert sich beim Kinderrechtsansatz grundlegend. Bei konsequenter Umsetzung des Ansatzes ist es die Aufgabe der NROs, struk-turelle Veränderungen anzustoßen und zur Verwirklichung des staatlich garantierten Rechts beizutragen. Hierbei ändert sich ihre Rolle vom bisherigen Beobachter nationaler Entwicklungen zum aktiven Teilhaber, da sie insbe-sondere die direkte Einbindung der Menschen vorantreiben, die bislang kein gesellschaftliches Gehör gefunden haben. Ihre Stellung entwickelt sich also vom früheren „Versorger“ der Projektbegünstigten zum „Befähiger“ der Zielgruppen, so dass diese sich ihrer bestehenden Rechte bewusst werden und Ressourcen auf verschiedenen Ebenen einfordern. Dies setzt auch ein verändertes Rollenverständnis der Zielgruppe voraus.

Obwohl die KRK bestehendes Völkerrecht darstellt und von den Regierungen der Partnerländer ratifiziert wurde, ist das staatliche Recht faktisch nicht auf allen Ebenen durchsetzbar. Für die Menschen vor Ort gilt oft das Gewohnheitsrecht oder religiöses Recht, das z.B. von den lokalen chiefs vertreten und von allen anerkannt wird. Kulturelle, politische und soziale Besonderheiten müssen im jeweiligen Projektkontext demnach immer berück-sichtigt werden.

Um solche Neuausrichtung im Selbstverständnis unserer Partner voranzutreiben, ist konzeptionelle und metho-dische Klarheit gefordert. Für die Kindernothilfe bedeutet dies, dass Ressourcen zur Verfügung gestellt werden

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Konzept Kinderrechtsansatz20

Arbeit in Netzwerken

müssen, um capacity building für die meisten Partner gewährleisten zu können. Bei der Identifikation von neuen Partnern im Bereich des Kinderrechtsansatzes muss ebenso darauf geachtet werden, ob sie von diesem ganzheit-lichen Ansatz überzeugt und in der Lage sind, entsprechende Projektkonzeptionen anzustoßen. Denn inhaltlich ist die Projektarbeit für die Partner umfassend: Neben der Arbeit mit den Zielgruppen im engeren Sinne muss flankie-rend Bewusstseinsschaffung in der betroffenen Bevölkerung erreicht werden. Ebenso ist die Aufklärung von und eventuelle Zusammenarbeit mit nationalen, staatlichen Stellen als neues Tätigkeitsfeld der Partner anzusehen.

Die Partner müssen sich auf neue Kooperationspartner in ihren eigenen Ländern einlassen. Erfahrungen zeigen, dass in einer komplexer gewordenen Welt Probleme nicht von einzelnen Organisationen gelöst werden können. Partnerschaftliche, zeitlich befristete Zusammenarbeit in Netzwerken ist der angemessene Ansatz für eine effektive Problemlösung. In nationalen und internationalen Netzwerken arbeiten die Akteure mit ihren unterschiedlichen komparativen Vorteilen in immer neuen Kampagnen und Konstellationen ergebnisorientiert zusammen. Anders als in der Vergangenheit streben heute nicht-staatliche Advocacy- und Lobbyorganisationen eine Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen wie Polizei und Justiz an, um bestimmte Problemlagen erfolgreich lösen zu können.

Viele Partner haben Weiterbildungs- und Schulungsbedarf zum Thema Kinderrechte und ihrer Umsetzung. Hierbei wird die Kindernothilfe sie durch Workshops und Trainings durch lokale Ressourcepersonen unterstützen, um den landesspezifischen Bezug zu gewährleisten.

Schon heute haben einige Partner den Kinderrechtsansatz adaptiert, und auch die Kindernothilfe fördert bereits einige Projekte, die auf Basis des Kinderrechtsansatzes konzipiert worden sind. Die verstärkte Aufnahme neuer Projekte in diesem Bereich wird den Erfahrungshorizont innerhalb der Kindernothilfe erweitern.

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21Konzept Kinderrechtsansatz

Linksammlung

• Save the Children UK, Getting it Right for Children. A practitioners’ guide to child rights programming, 2007: www.savethechildren.org.uk

• Child rights information network: www.crin.org/ CRIN: Overview Human Rights-Based Approaches to Programming: www.crin.org/hrbap/index.asp?action=theme.subtheme&subtheme=16&display=all

• Committee on the Rights of the Child: www2.ohchr.org/english/bodies/crc/index.htm

• Guideline for journalists: Putting children in the right www.ifj.org/pdfs/Child%20handbook%20final.pdf

• International HIV/AIDS Alliance: Participation: www.aidsalliance.org/sw3065.asp

• CARE International: www.careinternational.org.uk/resource_centre/rba_index.php

• Plan: Children changing their world, Understanding and evaluating children’s participation in development: www.plan-uk.org/pdfs/childrenchangingtheirworld.pdf

• UNDP: Democratic Governance, Justice and Human Rights: www.undp.org/governance/sl-justice.htm

• National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland www.national-coalition.de

Literaturverzeichnis• Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg.): Jahrbuch Menschenrechte 2005, Frankfurt, 2004

• Eichholz, Reinald: Politik für Kinder – was heißt das konkret?, http://familienhandbuch.de(cmain/f_Fachbeitrag/a_Rechtsfragen/s_947.html, 3.11.2006

• Hamm, Brigitte: Menschenrechte. Ein Grundlagenbuch, Opladen, 2003

• Herzog, Kristin: Kinder und unsere globale Zukunft, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn, 2007

• Kindernothilfe: Partnerschaft, Gemeinwesenentwicklung, Bildung und berufliche Bildung, Patenschaft, Breitenwirksamkeit, Duisburg, 2002

• Krennerich, Michael: Was Sie schon immer über Menschenrechte wissen wollten! Kurze Antworten zu häufig gestellten Fragen, Erlangen, 2004

• Lingnau, Hildegard: Menschenrechtsansatz für die deutsche EZ. Studie im Auftrag des BMZ, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Bonn, 2003

• Lorz, Alexander: Der Vorrang des Kindeswohls nach Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention in der deutschen Rechtsordnung, Düsseldorf, 2003

• McMenamin, B., Fitzgerald, P.: A Handbook to Build Safer Organisations for Children, ECPAT Australia, 2001

• Misereor: Menschenrechte in der kirchlichen Entwicklungsarbeit. Misereor-Policy-Papier für den Förderbereich Menschenrechte – Entwicklung, Aachen, 2004 (vorläufige Fassung)

• Tomuschat, Christian (Hrsg.): Menschenrechte. Eine Sammlung internationaler Dokumente zum Menschenrechtsschutz, Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Bonn, 2002

• United Nations Development Programme (Hrsg.): Human Development Report 2000 – Human Rights and Human Development (2000)

• VENRO (Hrsg.): Wie kommen die Armen zu ihren Rechten? Armutsbekämpfung und Menschenrechte, VENRO-Projekt „Perspektive 2015 – Armutsbekämpfung braucht Beteiligung“, Bonn und Berlin, 2004

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Konzept Kinderrechtsansatz22

12 Mitglieder dieser Arbeitsgruppe sind: World Vision International, Save the Children UK, Save the Children Sweden, Save the Children Norway, The Global Initiative to End All Corporal Punishment of Children, CRIN, The World Against Torture, SOS-Kinderdorf International, European Network of Ombudspersons for Children (ENOC)

Auftritt eines Kindernothilfe-Partners beim Weltsozialgipfel 2007 in Nairobi.

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Beispiele für eine auf dem Kinderrechtsansatz basierende Arbeit1. Advocacy-ArbeitStart einer internationalen Kampagne zur Individualbeschwerde KRKAm 15. Januar 2008 startete eine internationale Kampagne zur Individualbeschwerde, für die sich die Kindernothilfe seit 2000 einsetzt. Es geht darum, die Kontrollinstrumente zur Umsetzung der KRK zu verbessern und Kinder stärker ein-zubeziehen. Sie sollen die Möglichkeit haben, sich bei einem UN-Gremium zu beschweren, wenn ihre Rechte verletzt wer-den. Intensive Lobbyanstrengungen sind erforderlich, um dies zu erreichen. Auf der Website von www.crin.org ist eine Petitionsliste angelegt. Bislang (Stand: 2.7.2008) haben sich 411 Organisationen weltweit für ein weiteres Fakultativprotokoll zur KRK ausgesprochen.

In den vergangenen Jahren brachte die Kindernothilfe das Thema immer wieder auf die Agenda: z.B. im Bundestag, beim Weltkindergipfel 2002, bei der Erarbeitung des Natio-nalen Aktionsplans für eine kindergerechte Welt 2005, in Lobbygesprächen mit Abgeordneten sowie mit dem UN- Ausschuss für die Rechte des Kindes beim UN-Menschen-rechtsrat.

Seit 2007 macht sich The Cradle, ein kenianischer Partner der Kindernothilfe, im Advocacy-Bereich für das Thema stark. Mit einer Konferenz in Nairobi wurden NGOs und Regierungsvertreter mit dem Thema vertraut gemacht.

Inzwischen hat sich eine ständige Arbeitsgruppe in Nairobi gebildet. Wünschenswert wäre, wenn sich noch mehr Partner der Kindernothilfe an der Kampagne beteiligen würden.

Die Kindernothilfe ist Mitglied einer core group von internatio-nalen Organisationen12, die besonders auf UN-Ebene Lobbyar-beit forciert. Ziel ist es, bis 2009 eine UN-Arbeitsgruppe zu ha-ben, die mit der Erarbeitung des Fakultativprotokolls beginnt.

Studien zu Armutsbekämpfungsstrategien und KinderrechtenDie Kindernothilfe hat 2004 und 2005 zwei Studien zum Thema Armutsbekämpfung und Kinderrechte ver-öffentlicht. Dabei standen eine Untersuchung der Armutsbekämpfungs-Strategiepapiere (PRSP) und kon-krete Untersuchungen in Äthiopien, Kenia und Sambia im Vordergrund. Fazit dieser Studien war, dass die meisten der von afrikanischen Ländern vorgelegten PRSPs sich nur unzu-länglich mit der Situation von Kindern und Jugendlichen befas-sen. Daher die Forderung der Kindernothilfe, die sie in Fach- und Lobbygesprächen immer wieder zum Ausdruck brachte: Wer Armut nachhaltig bekämpfen will, muss Kinder in den Mittelpunkt stellen. Die Studien fanden Beachtung bei der Weltbank und der ILO.

Schattenbericht KindersoldatenGemeinsam mit terre des hommes veröffentlichte die Kindernothilfe 2007 einen Schattenbericht zum deutschen Staatenbericht Kinder und bewaffnete Konflikte. Deutschland musste Ende 2006 über die Umsetzung des Fakultativprotokolls der KRK an den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes berichten. Kindernothilfe und terre des hommes stellten den Schattenbericht dem Ausschuss in Genf vor, veranstalteten ein Fachgespräch mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin mit Vertretern aus mehreren Ministerien. Der Schattenbericht stellt erhebliche Defizite heraus. So wurde das Thema Flüchtlingskinder, die aus Kriegsgebieten nach Deutschland kommen und als Kindersoldaten missbraucht wurden, nicht thematisiert im Regierungsbericht. Durch die Lobby- und Advocacy-Arbeit gelang es nicht nur, das Thema auf die Agenda des UN-Ausschusses zu setzen, sondern auch, dass eine Regierungsdelegation zu einer öffentlichen Anhörung nach Genf reisen musste.

Mitarbeit in der National Coalition und im Forum MenschenrechteSeit 1997 ist die Kindernothilfe Mitglied der National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland (NC). Die National Coalitions in mehr als 100 Ländern haben die Aufgabe, Kinderrechte bekannt zu machen. Darüber hinaus erstellen sie „Schattenberichte“ im Berichterstattungsrahmen an den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes, betreiben Lobbyarbeit für Kinderrechte und veran-stalten Fachgespräche sowie Konferenzen. Die Kindernothilfe ist in der Koordinierungsgruppe der NC vertreten. Auch im Rahmen der Mitgliedschaft im „Forum Menschenrechte“, insbe-sondere durch die Mitarbeit in der Arbeitsgruppe Kinderrechte, setzt sich die Kindernothilfe für die Umsetzung der KRK ein.

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23Konzept Kinderrechtsansatz

dass in Brasilien die öffentlichen Ausgaben für Kinder und Jugendliche gesondert aufgezeigt werden unter dem Haushaltstitel Orcamento da Crianca e do Adolescente (OCA). All diese Maßnahmen beeinflussten auch die Gesetzgebungen in Ecuador, Bolivien, Peru und Nicaragua, wo ebenfalls spezielle Kinder- und Jugendgesetze verabschiedet wurden.

Trotz dieser positiven Entwicklung sind die Kinderrechte in Bra-silien bei weitem noch nicht realisiert. Insgesamt leben nach Berechnungen der Weltentwicklungsorganisation (UNDP) neun von 34 Millionen Kindern und Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren in extremer Armut. 1,8 Millionen Mädchen und Jun-gen können die Schule nicht besuchen. Missbrauch und Miss-handlung von Kindern ist nach wie vor an der Tagesordnung.

Das Instituto Nacional de Estudos Socioeconomicos (INESC) ist eine NRO mit Sitz in Brasilia und setzt sich seit 1992 für die Belange der Kinder und Jugendlichen ein, u.a. durch die Umsetzung des ECA sowie die Mitgestaltung und Kontrolle des OCA. Kinder und Jugendliche werden dahingehend gestär-kt und gefördert, dass sie lernen, sich selbst zu organisie-ren und sich besser zu artikulieren. Ein Beispiel dafür ist das Programm Agente Jovem. Jugendliche Multiplikatoren werden dazu befähigt, Sozialhaushalte (OCA) kritisch zu begleiten. NachQualifizierungsworkshopszumThema„SozialeKontrolleder Sozialhaushalte“ wurden 50 jugendliche Multiplikatoren aus fünf Satellitenstädten des Distrito Federal ausgewählt. Sie wurden darin geschult, sich zu organisieren und die Anliegen der Kinder und Jugendlichen auf politischer Ebene zu ver-treten. Durch die permanente Begleitung durch Fachkräfte sowie die Vernetzung der von Jugendlichen initiierten lokalen Organisationen wird die Arbeit nachhaltig gesichert. Langfristig werden so die Lebensbedingungen und Zukunftsperspektiven von Jugendlichen der unteren Einkommensschichten im Distrito Federal signifikant verbessert.

2. Projektarbeit

Lateinamerika

Peru: Förderung von arbeitenden Kindern durch IFEJANT (88005)Auf der Grundlage jahrelanger Erfahrungen beim Engagement mit arbeitenden Kindern hat IFEJANT zusammen mit den in Peru seit langem bestehenden Selbsthilfe-Organisationen von arbeitenden Kindern ein überzeugendes Konzept entwickelt. Es hat zum Ziel, die sozialen, kulturellen und ökonomischen Rechte von Kindern und Jugendlichen zu stärken, die ihren eige-nen Lebensunterhalt und den ihrer Familien miterwirtschaften müssen. Durch ein sehr erfolgreiches Kleinkreditprogramm werden arbeitende Kinder und Jugendliche aus Lima unter-stützt, um ihre Verkaufsaktivitäten auf der Straße erfolg-reicher gestalten zu können, mehr zu verdienen, daher weniger Stunden arbeiten zu müssen und ihr Recht auf Schulbesuch wahrnehmen zu können.

Gleichzeitig geht es bei diesem Projekt darum, arbei-tende Kinder vor Missbrauch, ausbeuterischen, demü-tigenden und gesundheitsschädigenden Tätigkeiten zu schützen sowie sie beim Aufbau ihrer Gewerkschafts- und Genossenschaftsorganisationen zu begleiten und zu bera-ten. Über die Vergabe von Kleinkrediten entscheidet eine von den Kindern und Jugendlichen gewählte Kommission aus Gleichaltrigen. Straßensozialarbeiter wirken an diesem Prozess lediglich beratend mit. Kleine Gruppen von Kindern und Jugendlichen haften gemeinsam für die Rückzahlung der Darlehen. Die Regeln für den Zugang zu dieser Unterstützung haben die Kinder und Jugendlichen selbst definiert.

Bei allen Gesprächen zwischen Kindernothilfe und IFEJANT sitzen vom ersten Kontakt an die Delegierten und gewählten Vertreter der Kinder und Jugendlichen mit am Verhandlungs-tisch. Sie haben entscheidend auf die Gestaltung des Pro-jektantrags eingewirkt, kennen bis ins Detail sämtliche Zahlen und Vereinbarungen, begleiten die Umsetzung und evaluieren die Ergebnisse.

Durch das Projekt gelingt es, gegenüber der Öffentlichkeit in Lima einen veränderten Blick auf arbeitende Kinder und Jugend-liche zu erreichen. Die Erfolge dieses Ansatzes haben dazu bei-getragen, dass sich die Rechtssituation der arbeitenden Kinder und Jugendlichen insgesamt verbessert hat. Sie haben auch in den beteiligten Schulen ein Umdenken der Lehrer ermöglicht.

Brasilien: INESC kämpft für die Umsetzung der Kinderrechte (9580 AB)Brasilien ist ein sehr fortschrittliches Land bezogen auf die rechtliche Verankerung der Kinderrechte. Bereits im Jahr 2000 ratifizierte es die KRK und verabschiedete zudem einen natio-nalen Aktionsplan für Kinder und Jugendliche. Darüber hinaus gibt es ein Kinder- und Jugendstatut (Estatuto da Crianca e do Adolescente – ECA), das seit 1990 für Kinder (bis 12 Jahre) und Jugendliche (bis 18 Jahre) gültig ist. Vorbildlich ist außerdem,

Die Jugendlichen im IFEJANT-Projekt haben eine Gewerkschaft gegründet.

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und Zugang zu Gesundheitsversorgung gewähren und unter-sagt die weibliche Genitalverstümmelung bei Mädchen unter 17 Jahren. Mit dem Gesetz wurden auch explizit Strafen für Missbrauch eingeführt. Sehr wichtig sind auch Aufklärungs- und Bewusstseinsarbeit, um das Thema Kinderrechte im Land bekannter zu machen. So wird Aufmerksamkeit erzielt und überhaupt ein Bewusstsein geschaffen. Viele Zeitungsartikel und Radio-Interviews sorgen für eine große Medienpräsens, die auch abschreckend wirken soll. Kindesmissbrauch soll nicht mehr als ein Kavaliersdelikt betrachtet werden, das entweder überhaupt nicht angezeigt wird oder nur mit geringen Strafen verurteilt wird. Wichtig im Zusammenhang der Strafverfolgung sind auch Schulungen für Polizei- und Justizpersonal. Das Problem wird mittlerweile stärker in der kenianischen Öffentlichkeit wahrgenommen. Der Erfolg zeigt sich darin, dass zunehmend Missbrauchsfälle zur Rechtsvertretung an The CRADLE herangetragen werden.

Kenia: Kinderrechtsarbeit in Nairobi (65291)Die Organisation St. John’s Community Centre arbeitet zur Stärkung von Kinderrechten hauptsächlich in Pumwani, einem Slumgebiet in Nairobi. Ihre Kinderrechtsarbeit konzentriert sich auf vier verschiedene Bereiche: Schulung von Freiwilligen zum Thema Kinderrechte, Kinderparlament, Kinderclubs und Bewusstseinsbildung.

Die Freiwilligen werden geschult, um aktiv die Verletzung von Kinderrechten verhindern zu können oder bei Bekanntwerden von Missbrauchsfällen eingreifen zu können. In lokalen Beratungsstellen sind die Freiwilligen Ansprechpersonen, bei denen Fälle von Kindesmisshandlung und -missbrauch gemel-det werden. Weniger schwere Fälle werden von den Freiwilligen bearbeitet, und die Kinder und ihre Familien erhalten entspre-chende Beratung. In 2006 wurden 22 Fälle bekannt, zehn davon konnten erfolgreich behandelt werden. Schwere Fälle werden an Fachorganisationen wie The CRADLE weitergeleitet.

Wichtige Themen für die Arbeit der Freiwilligen sind die Bewusstseinsbildung zum Thema ‚elterliche Verantwortung’ und die Sensibilisierung der Personen in Schlüsselfunktionen, wie Lehrer oder Vertreter der örtlichen Behörden.

Die Schüler und Schülerinnen der nicht-formalen Schule des St. John’s Community Centre wählen ein Kinderparlament. In wöchentlichen Sitzungen behandeln sie alle für sie rele-vanten Themen. Bisher haben sie erreicht, die Hygiene und die Pünktlichkeit an der Schule zu verbessern.

Um die Kinder selbst in der Wahrnehmung ihrer Rechte zu stär-ken, werden Kinderclubs gegründet. Es gibt mittlerweile sechs Kinderclubs in Pumwani. Die Mädchen und Jungen koordinie-ren ihre Treffen selbst, sie diskutieren ihre Belange und halten die Ergebnisse und Fortschritte fest.

Durch öffentliche Kampagnen werden die Erwachsenen und Kinder in Pumwani über Kinderrechte aufgeklärt. Monatlich

Afrika

Kenia: Psychologische und juristische Beratung von miss-brauchten Kindern (65201)Die Kinderrechtsorganisation The CRADLE arbeitet seit 1997 in Kenia. Die Arbeit von The CRADLE reicht von Befreiung der Kindern aus Missbrauchssituationen, psychologischer Betreuung der Kinder und ihren Familien bis hin zur juristischen Vertretung vor Gericht. Die rechtliche Arbeit wird durch ein landesweites Netzwerk von Juristen übernommen, die ehren-amtlich für The CRADLE arbeiten. Die Kinder werden auf die Verfahren vorbereitet, so dass sie vor Gericht sicherer auftreten können. Damit verbunden ist – durch intensive Medienarbeit und Workshops – auch die Bewusstseinsarbeit zur Umsetzung von Kinderrechten in der kenianischen Öffentlichkeit. Aber auch die Stärkung von Kindern, sich gegen die Verletzung ihrer Rechte zu wehren, gehört dazu – zum Beispiel durch Workshops in Schulen, um die Mädchen und Jungen über ihre Rechte zu informieren. Über Kummerkästen in Schulen können sich Kinder direkt an The CRADLE wenden, da in kenianischen Schulen Prügelstrafen und Missbrauch von Mädchen durch Lehrer weit verbreitet sind.

Ein weiterer Schwerpunkt ist Lobby- und Advocacy-Arbeit zur Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen. So war The CRADLE 2001 maßgeblich an der Einführung des kenianischen Children’s Bill, einem Kinderschutzgesetz, beteiligt. Dieses Gesetz soll unter anderem das Recht der Kinder auf freie Grundbildung

Frauen-Selbsthilfegruppen verbessern die Lebenssituation ganzer Dörfer.

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25Konzept Kinderrechtsansatz

Außerdem haben es sich einige der Kindergruppen zum Ziel gesetzt, dem Beispiel der Erwachsenen zu folgen, wöchentlich einen kleinen Geldbetrag zu sparen und das Geld unterei-nander als Kredit zu vergeben. Davon kaufen die Mädchen und Jungen Süßigkeiten oder Schulutensilien, die sie an ihre Mitschüler verkaufen. Von den Einnahmen kann der Kredit zurückgezahlt werden und der Gewinn für den persönlichen Bedarf eingesetzt werden. Manche Kinder berichten mit Stolz, dass sie sich nun selbst ihre Schulhefte und Stifte kaufen und damit den elterlichen Haushalt entlasten oder dass sie sich einen Wunsch erfüllt haben.

Äthiopien: Kinder fordern die Gründung eines Kinderparlaments (60951)Am 15. September 2007 demonstrierten Kinder aus der Stadt Jimma und Umgebung für die Gründung eines Kinderparla-ments. Das Kinderparlament kann dazu beitragen, die Ver-letzung von Kinderrechten zu stoppen und die Durchsetzung internationaler Konventionen zum Schutz der Kinderrechte zu ermöglichen.

Die Kinder forderten die Erlaubnis zur Gründung des Kinderparlaments, weil es positive Entwicklungen in Richtung Frieden und Demokratie unterstützen und dazu beitragen könnte, dass im neuen äthiopischen Jahrtausend keine Ver-letzungen der Rechte von Kindern mehr zu beklagen sind. (In Äthiopien wurde das neue Jahrtausend am 11. September 2007

findet eine Veranstaltung speziell für junge Menschen zum Thema Kinderrechte statt. Aufgrund seiner Erfahrungen schult das St. John’s Community Centre auch andere Organisationen hinsichtlich der Beteiligung von Kindern.

Swasiland: Armutsbekämpfung durch Selbsthilfegruppen (74901)In Zusammenarbeit mit acht lokalen Nichtregierungs-organisationen setzt die Kindernothilfe in Swaziland den Selbsthilfegruppenansatz um. Durch dieses Instrument der nachhaltigen Armutsbekämpfung werden die Ärmsten der Armen, in der Mehrzahl Frauen, sozial, wirtschaftlich und poli-tisch gestärkt, um mit ihren Kindern ein Leben in Würde inner-halb der Gesellschaft führen zu können.

Jeweils 15 bis 20 Mitglieder organisieren sich in einer Gruppe und treffen sich wöchentlich. Diese Gruppentreffen dienen dem Austausch, der gegenseitigen Unterstützung und als Plattform für Schulungen und Workshops. Durch Austausch und Diskussion erfahren die Mitglieder, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind, sondern lernen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und so ihre familiäre Situation, die Situation ihrer Kinder und in ihrem Umfeld zu verbessern.

Jede Woche bringen die Gruppenmitglieder einen vereinbarten Sparbetrag mit, der eingezahlt wird und in ihren eigenen Sparbüchern registriert wird. Das zunächst vorherrschende Gefühl, dass die Mitglieder, die ja alle in Armut leben, kein Geld haben, wandelt sich in ein Bewusstsein, dass in der Gruppe viel erreicht werden kann und stärkt das Selbstwertgefühl. Von dem in der Gruppe ersparten Geld werden reihum kleine Kredite vergeben, durch die die Gruppenmitglieder Geschäfts-vorhaben umsetzen können. Kredite können auch genutzt werden, um finanzielle Engpässe zu überbrücken, um Nahrung, Schulgebühren oder die medizinische Versorgung der Kinder zu bezahlen.

Die Kinder der Gruppenmitglieder profitieren so durch die posi-tiven Veränderungen in ihrem Haushalt. Sie erleben, wie ihre Mütter an Selbstbewusstsein gewinnen, Probleme in die Hand nehmen und ein eigenes Einkommen erwirtschaften. Durch die verbesserte finanzielle Situation können sie die Schule besuchen und im Bedarfsfall eine medizinische Versorgung in Anspruch nehmen.

Aufgrund der positiven Erfahrungen haben einige der Mütter aus den Selbsthilfegruppen und ihre Kinder selbst angeregt, dass sich die Mädchen und Jungen ebenfalls in Gruppen zusam-menschließen. Die Kindergruppen sind ein wichtiges Instrument, um junge Menschen zu organisieren und sie zu befähigen, an der Entwicklung ihrer Umgebung aktiv mitzuwirken. Im Sinne der Kinderrechtskonvention lernen die Kinder bei ihren wöchent-lichen Treffen „ihre“ Kinderrechte kennen und haben eine Plattform, diese auch einzufordern. Sie können hier lernen oder Projekte durchführen, die der lokalen Gemeinschaft dienen. Die Kinder haben bei den wöchentlichen Treffen aber auch Zeit, sich informell auszutauschen, zu spielen und Spaß zu haben.

Kinder fordern die Gründung eines Kinderparlamentes.

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(CBR), d. h. für Fachkräfte der gemeindebasierten Förderung von Kindern und Erwachsenen mit Behinderungen, durch. Die aus Theorie- und Praxisblöcken bestehende Ausbildung umfasste eine breite Vielfalt von Einheiten aus den Bereichen Gesundheit, Bildung, Einkommen schaffende Fertigkeiten, Integration und Wahrnehmung von Rechten.

Die südafrikanische Regierung unterstützt diese Art von Ausbildung nicht, und CREATE wird mit einer stark akade-misch geprägten Lobby konfrontiert, die vor allem die Implementierung von fertigen Programmen für Menschen mit Behinderung und nicht deren Partizipation verfolgt.

Um die Bedeutung des CBR-Ansatzes im Kontakt mit Kindern und Erwachsenen mit Behinderungen zu untermauern, veröf-fentlichte CREATE im Oktober 2007 eine Studie. Darin werden Argumente für eine Arbeit dargelegt, die sich an den Bedürf-nissen und der Würde jedes Menschen mit Behinderung orien-tieren. Die Studie wurde partizipativ unter Beteiligung behin-derter Menschen der verschiedensten Altersgruppen mittels Fragebögen, Interviews und Vor-Ort-Besuchen erstellt.

Die 2006 verabschiedete UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen wurde Anfang 2007 vom südafrikanischen Staat unterschrieben und Ende 2007 ratifiziert. CREATE erhofft sich, dass unter Berufung auf die Konvention ein erneuter Vor-stoß möglich ist, die stärker an den Rechten von Menschen mit Behinderungen orientierten CBR-Kurse wiederaufzunehmen. Die Kindernothilfe will diese Bemühungen unterstützen.

Asien

Indien: Projekte gegen Kinderarbeit (21680)RCPDS hat mit einem Gemeinwesenprojekt im Virudhunagar Distrikt in zehn Dörfern begonnen, in denen vornehmlich Dalits leben. Die Eltern der rund 200 Kinder sind auf Saisonarbeiten in der Landwirtschaft angewiesen. Ihre Söhne und Töchter brechen häufig frühzeitig den Schulbesuch ab, um den Eltern bei der Feldarbeit zu helfen oder in Fabriken einer Arbeit nachzugehen. Inzwischen haben Frauen Selbsthilfegruppen gegründet bzw. ausgebaut, die schon Maßnahmen – z.B. den Aufbau von Sparklubs und die Vergabe von Krediten – ein-geführt sowie Probleme analysiert haben, für die staatliche Dienste in Anspruch genommen werden können. Es wurden auch bereits gemeinsame Anstrengungen unternommen, um „Balwadis“ (Kindergärten) in den Dörfern einzurichten. Dorfentwicklungskomitees kümmern sich um Einkommen schaffende Maßnahmen für die Bevölkerung und um die Verbesserung der Infrastruktur. Einige Verbesserungen konnten bereits erzielt werden, wie z.B. die Eröffnung von Gesundheitszentren, Impfkampagnen und Nahrungsbeihilfen durch den Staat. Kinderparlamente und Kinderforen sollen gefördert werden, indem sogenannte Kinderrechtskomitees gebildet und Lobby-Arbeit betrieben wird. In den Dörfern finden an den Wochenenden Workshops statt, in denen die Kinder lernen, wie ein Dorf verwaltet wird

unserer Zeitrechnung gefeiert – die äthiopische Zeitrechnung richtet sich nach dem Julianischen Kalender und liegt sieben Jahre und acht Monate hinter unserem Gregorianischen Kalender zurück.)

Die über 200 Demonstranten forderten ferner von den NROs einen noch nachhaltigeren Einsatz für die Abschaffung der Verletzung von Kinderrechten. Sie machten klar, dass Vergewal-tigungen, Frühverheiratung von Kindern, Kinderarbeit und ein Leben als Straßenkind zu den Hauptproblemen gehören, mit denen Kinder aus Jimma und Umgebung konfrontiert sind.

Ein Kinderparlament sollte eingerichtet werden, um zur Verhinderung dieser Probleme von Kindern beizutragen und die Ausbildung, Gesundheitsvor- und fürsorge sowie sozi-ale Dienstleistungen für Kinder sicherzustellen. Die Kinder drängten alle Bewohner, ihr Anliegen zu unterstützen.

Der Leiter des „Familien für Kinder Projekts“ des Kindernothilfe-Partners Facilitator for Change (FCE), Abdulkarim Abagero, versprach, sich mit seiner Organisation dafür einzusetzen, dass die Kinder ihr Anliegen verwirklichen können.

Südafrika: Ausbildung für die gemeindenahe Förderung von Kindern mit Behinderungen (7246) Der Partner CREATE führte über 15 Jahre hinweg eine zweijäh-rige Schulung für „community based rehabilitation workers“

Eine Abgeordnete des Kinderparlamentes im Virudhunagar District.

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und wie sich jeder daran beteiligen kann. Sie organisieren Wahlen, und die „Kandidaten“ gehen von Tür zu Tür und erklä-ren ihr Wahlprogramm. Die gewählten Kinder und Jugend-lichen bilden dann das Parlament. Jeder von ihnen zahlt einen geringen Beitrag, der als Stammkapital dient und für ihre Pro-jekte eingesetzt wird. Z. B. haben die Kinder durch eine Be- schwerde, die dem Dorfrat der Erwachsenen vorgelegt wurde, erreicht, dass unzuverlässig erscheinende Lehrkräfte jetzt wie-der pünktlich den Unterricht erteilen. Insgesamt 186 Kinder aus fünf Staaten nahmen an einem Kinderrechts-Workshop auf nationaler Ebene in Bangalore teil, der u. a. von RCPDS or-ganisiert wurde. Sie gaben Journalisten auf einer Pressekonfe-renz Einblick in ihre Vorstellungen von Kinderrechten und darin, was sie von Erwachsenen und Politikern erwarten.

Philippinen: Rehabilitationszentrum und Advocacy-Arbeit gegen Kindesmissbrauch (29701)Aktuell 54 sexuell missbrauchte Mädchen finden im Schutz- und Therapiezentrum von PREDA Zuflucht. Hier lernen sie wie-der, Kind zu sein. Die Mädchen gehen zur Schule und arbeiten die grausamen Erfahrungen, die sie im Rotlichtmilieu oder durch den familiären Inzest gemacht haben, zusammen mit erfahrenen Therapeuten auf. Die Gerichtsverfahren gegen die Täter dienen auch dazu, den Mädchen zu zeigen, dass sie Rechte haben – z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das von den Tätern verletzt wurde – und dass dieser Rechtsbruch bestraft wird. Dies ist Bestandteil der Therapie.

Darüber hinaus führt PREDA in großem Umfang Schulungen und Seminare zu Kinder- und Frauenrechten in Schulen und Gemeinden durch. Die Seminare sind gedacht für Dorf- und Gemeindevorsteher, Bürgermeister, Polizisten und Eltern. Die Mitarbeiter benutzen Handpuppen-Theater, Comic-Filme und Diagramme, um die Thematik den Eltern und Kindern nahe-

zubringen. Sie verteilen Broschüren und Visitenkarten mit Angabe der PREDA-Telefon-Hotline, die dazu beitrugen, dass PREDA sehr schnell eingeschaltet und eine ganze Reihe von Kindesmissbrauchsfällen aufgedeckt werden konnten. Außer-dem produziert PREDA ein Radio-Programm zu Frauen- und Kinderrechten. Für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Kinderbetreuung und Jugendarbeit werden Weiterbildungs- und Informationsseminare angeboten.

Philippinen: Unterstützung von Straßenkindern (29801)Vornehmlich aus dem Elendsvierteln im Großraum Manilas stam-mende Straßenkinder bekommen in der Einrichtung Stairways die Möglichkeit, ein ein- bis zweijähriges Rehabilitations- und Förderprogramm zu durchlaufen. Durch verschiedene Maßnahmen wird dort ihre körperliche, seelische und geistige Entwicklung gefördert, Traumata werden überwunden. Durch Unterricht nach einem außerordentlichen Lehrplan haben die Kinder die Möglichkeit, einen anerkannten Schulabschluss zu erwerben und Zugang zu einer formalen Berufsausbildung zu erlangen. Eine mögliche Rückführung der Kinder in ihre Familien oder die Unterbringung bei Pflegefamilien ist vorge-sehen.

Öffentlichkeits- und Schulungsarbeit sind ein weiterer wich-tiger Bestandteil der Arbeit Stairways. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klären die Kinder mit Filmen und in Workshops und Seminaren über sexuellen Missbrauch, Drogenmissbrauch und über ihre Rechte auf. Drei Animationsfilme, die sich dem Thema des sexuellen Missbrauchs von Kindern widmen, sind durch Stairway entstanden und werden national wie inter-national im Rahmen einer Aufklärungskampagne genutzt. Begleitende Workshops mit Kindern, Eltern, Lehrern sind obliga-torisch; auch lokale Regierungseinheiten, die Polizei und andere gesellschaftlich relevante Multiplikatoren werden erreicht.

Mit Theaterstücken über ihr Leben arbeiten die traumatisierten Mädchen im PREDA-Projekt in den Philippinen ihre Vergangenheit auf.

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Kindernothilfe e.V.Düsseldorfer Landstraße 18047249 DuisburgTelefon: 02 03.78 89-0Telefax: 02 03.77 89-118

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Impressum

Herausgeber: Kindernothilfe, Düsseldorfer Landstraße 180, 47249 Duisburg, Tel. 0203.7789-0, Info-Service-Telefon: 0180.33 33 300 (9 Cent/min)

Fax: 0203.7789-118, [email protected], www.kindernothilfe.deRedaktion: Barbara Dünnweller (v.i.S.d.P.), Gunhild Aiyub, Julia Burmann, Jörg Denker, Gerd Heidchen, Christine Klar, Jörg Lichtenberg, Veronika SchwanzRedaktionsschluss: August 2008Gestaltung: Angela Richter Druck: Brendow, MoersKindernothilfe Österreich: Dorotheergasse 18, 1010 Wien, Telefon 01.513 93 30, Telefax: 01.513 93 30-90, [email protected], www.kindernothilfe.atStiftung Kindernothilfe Schweiz: Laurenzenvorstadt 89, 5000 Aarau, Telefon 062. 823 38-61, Fax: 062. 823 38-63, [email protected], www.kindernothilfe.ch Beraterstatus beim UN-Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC)

Konten

Spendenkonto Deutschland: KD-Bank Duisburg, Konto 45 45 40, BLZ 350 601 90

Spendenkonto Österreich: ERSTE Bank der Österreichischen Sparkassen AGKonto 310028-03031, BLZ 20111

Spendenkonto Schweiz: PostFinance, Konto 60-644779-1, Aarau

Berner Kantonalbank, IBAN CH 75 0079 0016 5327 0003 5, Clearing No. 790.

Transparenzpreis 2007Kindernothilfe mit dem 1. Platz ausgezeichnet