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Der Klang des Gulag - v-r.de · PDF fileschiedet wurde. Bezeichnend ist, dass die meisten Gedenkstätten für Gulag-Opfer in Russland von nichtstaatlichen Initiativen errichtet wurden

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Einleitung

Miron Markovic Etlis aus Magadan, ein ehemaliger Lagerinsasse und Mitver-fasser des Buches Sovremenniki GULAGa (Die Zeitgenossen des GULAG),1 nenntdie Geschichte der sowjetischen Zwangsarbeitslager eine »Tragödie ohne Ka-tharsis«.2 Meine Auseinandersetzung mit diesem Thema bestätigt seine Aussa-ge: Da es nach der Auflösung des GULAG3 keine staatlich eingesetzte Instanzgegeben hat, welche über die Verbrechen dieser Behörde und ihrer AngestelltenRecht gesprochen hätte, ist dieser Aspekt der sowjetischen Geschichte unauf-gearbeitet geblieben, geschweige denn dass die Drahtzieher des Terrors in derRegierung bestraft worden wären. Dies lässt sich nicht mehr nachholen, denn diemeisten Akteure jener Geschehnisse sind bereits tot. Tengis Abuladzes Aufrufaus dem Film Pokajanie (Die Reue, 1984), die damaligen Verbrecher nicht inFrieden ruhen zu lassen, ist ungehört geblieben. Ein plakatives Zeichen dafür istdas Grab Stalins auf dem Roten Platz, auf dem sogar Blumen niedergelegtwerden.

Da von staatlicher Seite bislang keine nennenswerten Schritte in der Aufar-beitung des Stalinismus unternommen worden sind, kann die Arbeit vonNichtregierungsorganisationen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, nichthoch genug eingeschätzt werden, allen voran die internationale GesellschaftMemorial. Vonseiten des russischen Staates gibt es, von Maßnahmen in derRegierungszeit Boris El’cins4 abgesehen, keine Unterstützung für diese Orga-nisationen, vielmehr ist zu beobachten, dass ihnen Steine in den Weg gelegtwerden, so z. B. durch das NGO-Gesetz, welches Ende des Jahres 2005 verab-

1 Sandler, Asir/Etlis, Miron: Sovremenniki GULAGa. Kniga vospominanij i razmyslenij, 1991.2 In Interviews mit der Verfasserin im Juli und August 2006.3 Der Begriff »das GULAG« in Großbuchstaben steht im Folgenden, entsprechend den Unter-

lagen dieser Behörde, für die Lagerhauptverwaltung [Glavnoe upravlenie ispravitel’no-tru-dovych lagerej i kolonij – Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager und -kolonien], derBegriff »der Gulag« bedeutet die Gesamtheit der sowjetischen Zwangsarbeitslager.

4 Z. B. finanzielle Hilfe für ehemalige Häftlinge und die Gründung eines staatlichen Gulag-Museums in Moskau.

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schiedet wurde. Bezeichnend ist, dass die meisten Gedenkstätten für Gulag-Opfer in Russland von nichtstaatlichen Initiativen errichtet wurden.

Forschungsstand und Quellenlage

Bis Ende der 1980er-Jahre konnten Informationen über den Gulag so gut wieausschließlich aus Zeugnissen ehemaliger Häftlinge5 und aus Darstellungen, diehauptsächlich anhand dieser Zeugnisse einen Überblick zu geben versuchten,6

geschöpft werden, von denen die meisten im Ausland oder im Samizdat (russ.für Selbstverlag) veröffentlicht wurden. Mit der Perestroika eröffnete sich fürehemalige Häftlinge sowie für Bürgerbewegungen in Russland und anderenSowjetrepubliken die Möglichkeit, öffentlich über die Geschichte der Lager zusprechen und Zeugnisse darüber zusammenzutragen. Bürgerinitiativen wieMemorial, das Sacharov-Zentrum oder Vozvrascenie (Rückkehr oder Rückgabe,unter dem Vorsitz von SemÚn Vilenskij, Moskau) sammelten mithilfe der Be-völkerung Informationen über ehemalige unschuldig verurteilte Lagerhäftlinge,Erinnerungen an die Lagerhaft und Erinnerungsstücke, um den Opfern ihreNamen zurückzugeben und das von ihnen Erlebte vor dem Vergessen zu be-wahren. Diese Arbeit dauert bis in die heutige Zeit an, auch wenn inzwischen nurnoch sehr wenige Zeitzeugen des Gulag leben. Durch Bemühungen dieser In-itiativen haben Forscher heute die Gelegenheit, auf zahlreiche Häftlingserin-nerungen und Dokumente, die hauptsächlich aus Familienbesitz stammen,zurückzugreifen.

Einen großen Erkenntnisschub für die Gulag-Forschung bewirkte die Öff-nung der staatlichen GULAG-Archive Anfang der 1990er-Jahre. Inzwischen sinddie GULAG-Bestände bereits von zahlreichen in- und ausländischen Forschernbearbeitet worden. Dabei haben sich Untersuchungen der 1990er-Jahre vorallem auf statistische Angaben, darunter die Häftlingszahl, ihre soziale Her-kunft, ihre Zusammensetzung entsprechend der Urteilsbegründung, die Haft-dauer und die Sterblichkeitsrate7 sowie auf die Lagerkartografie8 konzentriert.

5 Die prominentesten Beispiele sind: Solzenicyn, Aleksandr : »Odin den’ Ivana Denisovica«, in:Novyj mir, 1962, S. 8 – 71; Ginzburg, Evgenija: Krutoj marsrut, 1967; Salamov, Varlam:Kolymskie rasskazy, 1978.

6 Bsp.: Mora, Sylvestre/Zwierniak, Pierre: La justice sovi¦tique, 1945; Dallin, David/Nikolaev-sky, Boris: Zwangsarbeit in Sowjetrussland, 1948; Jakovlev, Boris: Koncentracionnye lageriSSSR, 1955; Barton, Paul: L’institution concentrationnaire en Russie (1930 – 1957), 1959;Solzenicyn, Aleksandr: Archipelag GULag. 1918 – 1956. Opyt chudozestvennogo issledovanija,1973.

7 Werth, Nicolas: »Der Gulag im Prisma der Archive. Zugänge, Erkenntnisse, Ergebnisse«, in:Sapper, Manfred/Weichsel, Volker/Huterer, Andrea (Hg.): Das Lager schreiben. Varlam Sa-

Einleitung14

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Darauf folgte seit Ende der 1990er-Jahre eine neue Phase der Forschung, die bisheute andauert und in der versucht wird, die vielschichtige, komplexe und durchzahlreiche Phänomene gekennzeichnete Lagerwelt thematisch zu erschließen.9

Bislang wurden beispielsweise die Bedeutung der Zwangsarbeit für die sowje-tische Wirtschaft10 und die Struktur des Lagersystems nebst ihren Mitarbeitern11

behandelt. Der Alltag im Gulag, zu dem auch das Musizieren dort zu zählen ist,bleibt jedoch immer noch unzureichend erforscht.12

Das Thema der vorliegenden Dissertation wurde bislang noch keiner syste-matischen Erforschung unterzogen. Ein wichtiger Grund dafür scheint die so-wohl in Russland als auch im Ausland unter Musikwissenschaftlern13 verbreiteteMeinung zu sein, Musiker seien von Verhaftungen und Lagerhaft so gut wieunberührt geblieben.14

Einige Aspekte, die für die vorliegende Untersuchung wichtig sind, warenjedoch schon Gegenstand historischer Abhandlungen. Dazu gehört die »Kul-turerziehungsarbeit«, welche bislang von Viktoria Mironova15 und Felicitas Fi-

lamov und die Aufarbeitung des Gulag (= Osteuropa, 2007), S. 20; z. B.: Smirnov, Michail(Hg.): Sistema ispravitel’no-trudovych lagerej v SSSR, 1923 – 1960. Spravocnik, 1998.

8 Bsp.: Romanov, S.: »Archipelag GULAG. Popytka kartografirovanija«, in: Karta, 1996, S. 62 –123.

9 Werth, »Der Gulag im Prisma der Archive«, 2007, S. 21.10 Bsp.: Gregory, Paul/Lazarev, Valery : The Economics of Forced Labour. The Soviet Gulag,

2003; Chlevnjuk, Oleg: Ekonomika Gulaga (= Istorija stalinskogo Gulaga. Konec 1920-ch –pervaja polovina 1950-ch godov. Sobranie dokumentov v semi tomach, Bd. 3), 2004; Bo-rodkin, Lev/Gregory, Paul (Hg.): GULAG. Ekonomika prinuditel’nogo truda, 2005.

11 Bsp.: Petrov, Nikita/Skorkin, Konstantin (Hg.): Kto rukovodil NKVD. 1934 – 1941, 1999;Petrov, Nikita (Hg.): Karatel’naja sistema. Struktura i kadry (= Istorija stalinskogo Gulaga.Konec 1920-ch – pervaja polovina 1950-ch godov. Sobranie dokumentov v semi tomach,Bd. 2), 2004.

12 Bezborodova, Irina (Hg.): Naselenie Gulaga: cislennost’ i uslovija soderzanija (= Istorijastalinskogo Gulaga. Konec 1920-ch – pervaja polovina 1950-ch godov. Sobranie dokumentov vsemi tomach, Bd. 4), 2004, S. 28; Smirnow, Michail (Hg.): Das System der Besserungsar-beitslager in der Sowjetunion 1923 – 1960. Ein Handbuch, 2003, S. 9.

13 Bei der Benutzung der maskulinen Form sind stets auch Frauen gemeint.14 Tichon Chrennikov: Biografie, 2006. Http://www.khrennikov.ru/biography/ (letzter Zugriff

am 3. Februar 2009). Die hier in der russischen Version nachzulesende falsche Behauptung,kein Komponist sei von Verhaftung und Lagerhaft betroffen gewesen, hat der jahrzehnte-lange Vorsitzende des sowjetischen Komponistenverbands Tichon Chrennikov so oderähnlich auch in Interviews und Reden seit der Perestroika geäußert. Bsp.: http://amoro-zov.ru/inviews/hrennikov_tihon/ (letzter Zugriff am 3. Februar 2009). Dadurch hat sich dienach seinem Tod in zahlreichen Nachrufen zum Ausdruck gekommene Meinung gebildet,dass Chrennikov Komponisten vor Repressionen bewahrt habe. Sie ist, wohl eher unbewusst,auch auf die Zeit vor Chrennikovs Amtseintritt im Jahr 1948 übertragen worden, sodass inMusikwissenschaftler-Kreisen in Russland bis heute die unbegründete Aussage zu hören ist,dass Musiker weniger als andere Künstler von Verhaftung und Lagerhaft betroffen waren.Vgl. Skubin, Vitalij : »Ja kljanus’: dusa moja cista«, in: Muzykal’naja zizn’, 1989, S. 4.

15 Mironova, Viktorija: Kul’turno-vospitatel’naja rabota v lagerjach GULAGa NKVD-MVD

Forschungsstand und Quellenlage 15

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scher von Weikersthal16 behandelt wurde. Auch sind bereits einige Artikel undMonografien zu einzelnen inhaftierten Musikern und Komponisten erschienen17

sowie einige Monografien über Lagertheater, in denen teilweise auch die dortigeMusikausübung thematisiert wird.18 Zahlreich ist bereits über Lagerfolklorepubliziert worden,19 allerdings steht eine Auseinandersetzung damit aus mu-sikwissenschaftlicher Sicht immer noch aus.

Die Quellenlage für die Erforschung des gestellten Themas hat sich als sehrgut erwiesen. In Archiven der internationalen Gesellschaft Memorial in Moskauund Sankt Petersburg sowie im Verlag Vozvrascenie (Moskau) werden zahlreicheErinnerungen von Häftlingen in Manuskriptform aufbewahrt, in denen Mu-sikaktivitäten erwähnt werden. Memorial Moskau verfügt über Unterlagen zu138 Musikern, welche Repressionen erleiden mussten. Außerdem ist bereits eineunübersehbare Fülle von Häftlingserinnerungen veröffentlicht worden. Soweitmöglich, wurde das Gespräch mit Überlebenden des Gulag gesucht, und eskonnten 20 Interviews mit ehemaligen Häftlingen, ihren Angehörigen sowieeinigen weiteren Zeitzeugen in Moskau und Magadan geführt sowie Privatar-chive eingesehen werden. Dabei handelte es sich um qualitative Interviews, bei

SSSR v 1930 – 1950-e gody (na materialach Irkutskoj oblasti) (= Dissertation), Manuskript inder Russischen Staatsbibliothek Moskau, 2004.

16 Fischer von Weikersthal, Felicitas: Die »inhaftierte« Presse. Das Pressewesen sowjetischerZwangsarbeitslager 1923 – 1937, 2011.

17 Bsp.: Barsova, Inna: »Dokumente zu den Repressionen gegen Aleksandr Mosolov«, in:Geiger, Friedrich/John, Eckhard (Hg.): Musik zwischen Emigration und Stalinismus, 2004,S. 137 – 148; Barsova, Inna: »Opfer stalinistischen Terrors: Nikolaj Ziljaev«, in: Geiger/John(Hg.): Musik zwischen Emigration und Stalinismus, 2004, S. 149 – 157; Cejtlin, Jurij: VzlÚty ipadenija velikogo trubaca Eddi Roznera, 1993; Geiger, Friedrich (Hg.): Komponisten unterStalin. Aleksandr Veprik (1899 – 1958) und die Neue jüdische Schule, 2000; Lobanova, Ma-rina: »Erfinder, Tschekist, Spion. Das bewegte Leben des Lew Termen«, in: Neue Zeitschriftfür Musik, 1999, S. 50 – 53; Lobanova, Marina: »Individualist, Konstruktivist, Regimeopfer.Der Komponist Alexander Mosolow«, in: Das Orchester, 2001, S. 15 – 20; Mende, Wolfgang:»Zensur – Klassenkampf – Säuberung – Beugung – Strafverfolgung. Aleksandr Mosolov undNikolaj Roslavec im repressiven Netzwerk der sowjetischen Musikpolitik«, in: Geiger/John(Hg.): Musik zwischen Emigration und Stalinismus, 2004, S. 70 – 118; Nemtsov, Jascha: »›Ichbin schon längst tot‹. Komponisten im Gulag: Vsevolod Zaderackij und Aleksandr Veprik«,in: Sapper, Manfred/Weichsel, Volker/Huterer, Andrea (Hg.): Das Lager schreiben. VarlamSalamov und die Aufarbeitung des Gulag (= Osteuropa, 2007), S. 315 – 339; Zaderackij,Vsevolod: Per aspera…, 2009; Zaderackij, Vsevolod: »Poterjavsajasja stranica kul’tury«, in:Muzykal’naja akademija, 2005 a, S. 75 – 83; 2005 b, S. 67 – 75; 2006, S. 74 – 81.

18 Bsp.: Kaneva, Anna: Gulagovskij teatr Uchty, 2001; Korallov, Marlen (Hg.): Teatr GULAGa.Vospominanija, ocerki, 1995; Kozlov, Aleksandr: Teatr na severnoj zemle, 1992; Kuziakina,Natalia: Theatre in the Solovki Prison Camp, 1995; Savcenko, Boris : Kolymskie mizansceny,1988.

19 Bsp.: Dzekobson, Majkl/Dzekobson, Lidija (Jacobson, Michael/Jacobson, Lidia): Pesennyjfol’klor GULAGa kak istoriceskij istocnik, in zwei Bänden, 1998 u. 2001; Mosketti, A. K.: »Obopyte zapisi fol’klora GULAGa«, in: Bachtin, Vladimir/Putilov, B. N. (Hg.): Fol’klor ikul’turnaja sreda GULAGa, 1994, S. 21 – 27; Sumeev, Lev : »Ja pomnju tot Vaninskij port…«,1997; Ziganec, Fima: Blatnaja lirika (auf dem Umschlag: Blatnye pesni), 2001.

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denen den Interviewpartnern viel Raum zur Gesprächsgestaltung gebotenwurde. Ziel der Interviews war es, ein besseres Verständnis des Lageralltags zuerreichen, um schriftliche Quellen angemessen beurteilen zu können.

Die im Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF) aufbewahrten Un-terlagen der Lagerhauptverwaltung, insbesondere ihrer Abteilung für »Kultur-erziehung«, geben Auskunft über die offizielle Sicht auf die Musikaktivitäten inden Lagern wieder. Einen ebenfalls umfangreichen Quellenkorpus bildet dieLagerpresse, in der immer wieder über das Musizieren im Lager berichtetwurde.20 Das Russische Staatsarchiv für Literatur und Kunst (RGALI) sowie dasGlinka-Musikmuseum (GCMMK) bewahren Akten einzelner Musiker auf, wel-che von Verhaftung und Lagerhaft betroffen waren.

Es hat sich im Laufe der Recherche frühzeitig abgezeichnet, dass ein geo-grafischer Schwerpunkt notwendig ist, um die Fülle des vorhandenen Materialszu bewältigen. Die Wahl fiel auf die Kolyma im Fernen Osten als einen Land-strich mit dem flächenmäßig größten Lager der Sowjetunion, dem Sevvostlag.Das eigentliche Archiv des Sevvostlag war nicht auffindbar. Unterlagen zu seinerTätigkeit konnten jedoch im Archiv des Trusts Dal’stroj, welcher dem Sevvostlagals wirtschaftliche Dachorganisation vorstand, im Staatsarchiv des GebietsMagadan (GAMO), eingesehen werden. Ebenfalls in diesem Archiv werdenUnterlagen des Magadaner Theaters aufbewahrt, in welchem zahlreiche Häft-linge beschäftigt wurden.

Alle erwähnten Quellen sind im Laufe der Untersuchung berücksichtigtworden, um Eindimensionalität zu vermeiden. Die Materialsammlung konnte inMuseen in Magadan, Jagodnoe und Moskau, die sich mit der Gulag-Thematikauseinandersetzen und im Abschnitt »Danksagung« weiter unten benanntwerden, ergänzt werden.

Ein Quellenkorpus, welcher zum tieferen Verständnis der Verurteilungs-praktiken beitragen kann und eine Antwort auf die Frage, welchen Stellenwertmusikimmanente Gründe bei der Verurteilung von Musikern gehabt haben,ermöglichen würde, wären Verhörprotokolle, welche jedoch nur schwer zu-gänglich sind. Sie können lediglich mit einer Erlaubnis des Verurteilten oderseiner Nachkommen eingesehen werden, unabhängig davon, ob der BetroffeneNachkommen gehabt hat. Dabei geben die Sicherheitsorgane vor, die Rechte derVerurteilten zu schützen. Mit einer solchen Denkweise wurde bereits AleksandrSolzenicyn konfrontiert:

20 Bsp.: Perekovka (Umerziehung) aus dem Dmitlag; Soloveckie ostrova (Die Solovezker Inseln);The Gulag press: 1920 – 1937, 2000.

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Sogar gegen »Ivan Denisovic« wandten pensionierte Geheimdienst-Mitarbeiter genaudas ein: Wozu in den alten Wunden bohren bei denen, die im Lager saßen? Sozusagen:DIE sollte man schützen!21

Eine ähnliche Erfahrung musste die Verfasserin dieser Arbeit über 40 Jahre nachSolzenicyn im Magadaner UVD (Verwaltung für Inneres) machen, als sie umErlaubnis bat, Akten von ehemaligen Häftlingen einzusehen. Der UVD-Mitar-beiter verteidigte seinen Standpunkt mit dem Argument, dass er das Ansehendieser Menschen schützen wolle. Daher konnten Häftlingsakten aus dem Sev-vostlag, von denen 1991 noch 500.000 Stück vorhanden waren, für diese Un-tersuchung nicht genutzt werden.22

Ziele

Man muss so darüber [über das Geschehene] schreiben, dass das Herz stockt und dieHaare zu Berge stehen.23

Diese Worte Boris Pasternaks sollte der Leser dieses Buches nicht vergessen,auch wenn sie in der folgenden wissenschaftlichen Darstellung so nicht umge-setzt werden konnten. Es sind »Berge von menschlichem Leid«24, mit denenderjenige konfrontiert wird, der sich mit dem Leben von Gulag-Häftlingen be-schäftigt. Dies darf angesichts der Schilderungen des Musiklebens im Gulagnicht vergessen werden, und sie dürfen nicht zur Beschönigung des Gulagmissbraucht werden.

Da es sich bei dieser Arbeit um die erste umfassende Annäherung an dasThema »Musik und Musiker in den sowjetischen Zwangsarbeitslagern der1920er- bis 1950er-Jahre« handelt, wird im Folgenden versucht, alle Aspektedieses Themas anzusprechen: Dazu gehören rechtliche Grundlagen der Mu-sikausübung, Formen und Kontexte des verordneten sowie des selbstbestimm-ten Musizierens, aber auch Schicksale von einzelnen Musikerinnen und Musi-kern. Die vielen Aspekte des Themas sollen weitere tiefer gehende Forschungen

21 5QWV `_ »9SQ^d 5V^Yb_SYhd« T_\dRlV `V^bY_^Val [pensionierte Geheimdienst-Mitarbeiter]Y]V^^_ S c_] Y S_XaQWQ\Y : XQhV] WV aQ^l RVaVUYcm d cVf, [c_ S \QTVaV bYUV\? =_\, 9F ^QU_`_RVaVhm ! Solzenicyn, Archipelag GULag, Teile I – II, 1973, S. 183.

22 B. PiskarÚv, der Vorsitzende der Kommission zur Untersuchung und Beurteilung der Dal’-stroj-Tätigkeit, sprach im Februar 1991 von 2.000.000 Karteikarten mit Angaben zu Häft-lingen und 500.000 Akten mit vielen Millionen Dokumenten, die noch von niemandemuntersucht worden seien. Vilenskij, SemÚn (Hg.): Dodnes’ tjagoteet, Bd. 2: Kolyma, 2004,S. 12 f.

23 @YbQcm _ ^V] [_ `a_Ybf_UYSiV]] ^QU_ cQ[ , hc_Rl XQ]YaQ\_ bVaUgV Y `_Ul]Q\Ybm UlR_]S_\_bl. Pasternak, Boris : Socinenija, Bd. 2, 1961, S. 52.

24 Worte der Sängerin Tat’jana Lescenko. Archiv des Bachrusin-Theatermuseums, F. 660 (Li-tinskij, G. M.), Nr. 1, S. 581.

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und die Begründung einer systematischen Gulag-Forschung innerhalb derMusikwissenschaft anregen.

Der zeitliche Rahmen der vorliegenden Arbeit fällt mit der Bestehenszeit dessogenannten stalinistischen Gulag25 zusammen, bezieht aber auch das ersteJahrzehnt des sowjetischen Staates mit ein, weil damals die Grundlagen für dieMusikausübung im Gulag gelegt wurden. Wie in der bislang umfangreichstenDokumentensammlung zum Gulag festgestellt wurde, endete der »stalinistischeGulag« in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre, auch wenn Überbleibsel davonnoch im modernen russischen Gerichts- und Strafvollzugssystem beobachtetwerden können.26 Dadurch ergibt sich als zeitliche Begrenzung ein Intervall von1917 bis in die 1950er-Jahre.

Die Zwangsarbeitslager der Sowjetunion können weder gezählt noch genaukartografiert werden, weil es sich bei ihnen um flexible Gebilde handelte. Denvielen Lagerverwaltungen unterstanden unzählige Lagerpunkte, welche fürlängere oder kürzere Zeiträume eingerichtet werden konnten und – in Abhän-gigkeit von den Arbeiten, welche in ihnen ausgeführt werden mussten – mobilsein konnten. Die Vorstellung von unzähligen mobilen Lagereinheiten auf einerriesigen geografischen Fläche, über die sich die Sowjetunion erstreckte, ist si-cherlich ein Merkmal des Gulag, welches dieses Lagersystem von den Konzen-trationslagern der Nationalsozialisten unterscheidet.

Da die Haftbedingungen im Gulag vielfach von den Lagerleitern vor Ortabhängig waren und deswegen von Lager zu Lager differieren konnten, schieneine Strukturierung des Themas nach einzelnen ausgewählten Lagerkomplexenam sinnvollsten, denn die musikalische Betätigung der Häftlinge hing unmit-telbar von ihrem Lageralltag ab. Durch die Schilderung der Lebensbedingungenin den Lagern soll eine Verharmlosung des Gulag-Systems verhindert werden, zuder Beschreibungen des dortigen Musiklebens missbraucht werden könnten. Essoll stets vor Augen geführt werden, dass Musizierende in den offiziell dafürvorgesehenen Kontexten in einer ständigen Ungewissheit leben mussten, weil siejederzeit zu schwerer Arbeit abkommandiert werden konnten.

In der vorliegenden Untersuchung wird folgenden Fragen zu Musik undMusikern im Gulag nachgegangen:

1. Die Gulag-Häftlinge wurden von den Machthabern vorwiegend als Ar-beitskräfte angesehen, die jedoch möglichst wenig kosten sollten und deswegen

25 Vgl. den Titel der Reihe Istorija stalinskogo Gulaga. Konec 1920-ch – pervaja polovina 1950-ch godov (Dokumentensammlung in sieben Bänden), 2004.

26 Bezborodova, Naselenie Gulaga: cislennost’ i uslovija soderzanija, 2004, S. 41. Die Meinung,dass eine »bestimmte Entwicklungsperiode« der Besserungsarbeitslager in der zweitenHälfte der 1950er-Jahre zu Ende gegangen ist, teilen auch Nikita Ochotin und Arsenij Ro-ginskij in: Smirnow, Das System der Besserungsarbeitslager in der Sowjetunion 1923 – 1960,2003, S. 8.

Ziele 19

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nicht ausreichend verpflegt wurden. Die ohnehin knapp bemessenen Lebens-mittelrationen wurden dadurch minimiert, dass sowohl die Häftlinge als auchdas Lagerpersonal diese entwendeten. Dasselbe galt auch für Kleidung, Schuheund andere Dinge des täglichen Bedarfs. Die schlechte Versorgungslage führtedazu, dass sogar nach offiziellen Statistiken der Gulag-Verwaltung die Zahl derverhältnismäßig gesunden Häftlinge im Jahr 1947 nur 8 Prozent aller Lagerin-sassen betrug. Die am weitesten verbreiteten Krankheiten und häufigsten To-desursachen in der gesamten Bestehenszeit des Gulag waren Dystrophie undTuberkulose. Welchen Stellenwert konnte Musik in einer solchen Extremsitua-tion einnehmen, in einer Welt, die von Krankheit, Tod, aufreibender Arbeit undallgegenwärtigem Hunger bestimmt war?27 Diese Frage soll beantwortet werden,indem Kontexte des Musizierens beschrieben werden.

2. Welche verschiedenen Formen des Musizierens hat es gegeben, in welchenStrukturen haben sie sich vollzogen, und welche Funktionen kamen der Musik insowjetischen Zwangsarbeitslagern zu? Dabei werden sowohl die offiziellenVorgaben der Lagerhauptverwaltung berücksichtigt, aber vor allem auch, wiediese vor Ort umgesetzt wurden. Es wird gezeigt, welche Beweggründe die La-gerleiter vor Ort hatten, ein Musikleben zu fördern, und welche BedeutungMusikausübung im offiziell festgelegten Rahmen für ausführende und hörendeHäftlinge hatte. Das kulturelle Handeln der Häftlinge im Alltag und seine psy-cho-soziale Bedeutung stehen hierbei im Vordergrund. Durch eine detaillierteBeschreibung dieses Handelns sollen bislang weitgehend unbekannte Einblickein den Lageralltag gewonnen werden. Es ist den der Verfasserin vorliegendenQuellen geschuldet, dass in den Kapiteln A.1, A.2.2 und A.2.3 vermehrt dieoffizielle Sicht auf die Musikausübung, in Kapitel A.2.1 dagegen überwiegend dieder Häftlinge behandelt wird. Für die Zeit nach 1941 werden beide Sichtweiseneinander gegenübergestellt. Die Sicht auf die Musikausübung wird aus ver-schiedenen Perspektiven behandelt: der der Lagerleitung, der der Häftlinge und,soweit möglich, der der beteiligten Zivilisten, und zwar sowohl der ausführen-den Musiker als auch der Zuhörer.

3. Einen großen Teil der Musik im Gulag machten nicht verordnete Musik-aktivitäten aus. An erster Stelle sind hierbei Lagerlieder zu nennen, wobei hiergefragt wird, welche Rolle ihnen innerhalb der heterogenen Häftlingsgesell-schaft zukam.

4. Eines der wichtigsten Ziele dieser Arbeit war die Erfassung von Musike-rinnen und Musikern, die in den 1920er- bis 1950er-Jahren von Verhaftung undLagerhaft betroffen waren. Ihre Schicksale und Erinnerungen an die Lagerhaftstehen in großen Teilen der Arbeit im Mittelpunkt. Dabei wird eine Erkenntnisaus der Forschung über nationalsozialistische Konzentrationslager umgesetzt:

27 Bezborodova, Naselenie Gulaga: cislennost’ i uslovija soderzanija, 2004, S. 42, 44, 46 – 50.

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[…] erst wenn es gelingt, das Stereotyp »KZ = Leichenberge« aufzubrechen und hinterden Schreckensbildern die Opfer als Subjekte, als Individuen mit unterschiedlichenLebensgeschichten sichtbar zu machen, kann ihr Zeugnis Eingang in das Bewußtseinder Mehrheit der Bevölkerung finden.28

Die Erinnerung an die vielen Opfer des Gulag unter Musikern hat zum Ziel zuverdeutlichen, wie groß die Verluste in der sowjetischen Musikwelt waren, wieviele Musiker und Komponisten in den Lagern inhaftiert waren, um die ver-breitete Meinung, dass die Musikwelt nicht wesentlich von Repressionen be-troffen war, zu widerlegen. Die Meinung, es könne einen »Schonungsbefehl« fürMusiker gegeben haben,29 soll mit dem in den Lagern entstandenen Eindruckder ehemaligen Insassin Ida Ziskina konfrontiert werden, welchen sie in einemInterview im Jahr 1985 äußerte:

Es entstand der Eindruck, das Regime habe dafür gesorgt, dass sich gerade in denLagern möglichst viele begabte Maler, Musiker und Sänger versammelten.30

Im Abschnitt A werden im Anschluss an die drei Fallbeispiele Namenslistenangefügt, in denen die in den entsprechenden Lagern inhaftiert gewesenenMusiker, denen die Autorin bei ihrer Recherche begegnet ist, verzeichnet wer-den. Dieses Prinzip wurde im Abschnitt B nicht weiter verfolgt, sondern be-züglich des Sevvostlag durch ein Kapitel mit einer ausführlichen Beschreibungvon Schicksalen ausgewählter Musiker ersetzt, um zu zeigen, dass hinter jedemNamen in den Listen ein individueller Lebenslauf steht, welchen es zu unter-suchen gilt. Einzelne inhaftierte Musiker betreffend, wird hier der Frage nach-gegangen, welche Auswirkungen die Haft auf ihren Werdegang hatte.

Folgende Definitionen der Häftlingsgruppen liegen dieser Untersuchungzugrunde: Unter Berufsverbrechern werden solche Häftlinge verstanden, diesich bewusst für ein kriminelles Leben entschieden hatten und in feste kriminelleStrukturen eingebunden waren. Im Russischen werden sie als blatnye, urki odervory bezeichnet. Der Begriff »politische Häftlinge« entspricht nicht der in Eu-ropa gängigen Vorstellung. Politische Häftlinge im Sinne von Oppositionellenhat es in der Sowjetunion in den 1920er-Jahren zwar gegeben, sie stellten abernur einen sehr kleinen Teil der Gulag-Bevölkerung dar, weil nur wenige derSowjetregierung feindlich gesinnte Kräfte die 1920er-Jahre überlebt haben.

28 Distel, Barbara: »Das Zeugnis der Zurückgekehrten. Zur konfliktreichen Beziehung zwi-schen KZ-Überlebenden und Nachkriegsöffentlichkeit«, in: Dieckmann, Christoph/Herbert,Ulrich/Orth, Karin (Hg.): Die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Entwicklung undStruktur, Bd. 1, 1998, S. 15.

29 Mende, »Zensur – Klassenkampf – Säuberung – Beugung – Strafverfolgung«, 2004, S. 114.30 B[\QUlSQ\_bm S`VhQc\V^YV, hc_ aVWY] `_XQR_cY\bp, hc_Rl [Q[ ]_W^_ R_\miV cQ\Q^c\YSlf

fdU_W^Y[_S, ]dXl[Q^c_S Y `VSg_S b_RaQ\_bm Y]V^^_ S \QTVapf. Kuricyn, Boris : Ne-vydumannye istorii iz zizni Leonida Varpachovskogo, 2003, S. 42.

Ziele 21

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Solche Häftlinge, die in Russland als politische Häftlinge bezeichnet werden,waren nach § 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR verurteilt, in dem Strafen für»konterrevolutionäre Tätigkeiten« festgelegt waren. In Wirklichkeit bestand inden wenigsten Fällen ein realer Grund für ihre Verurteilung, die Angeklagtenwaren meist unschuldig und dem Staat gegenüber loyal eingestellt, wurden abertrotzdem verurteilt. Deswegen wird im Text oftmals auch von Nichtkriminellengesprochen, um diese Häftlingsgruppe zu benennen und von Kriminellen ab-zugrenzen. Unter ziviler Bevölkerung oder Zivilisten werden nicht inhaftierteMenschen verstanden.31

Durch die Erforschung des Dissertationsgegenstandes sollen Erkenntnissegewonnen werden, die sowohl zum besseren Verstehen des Phänomens Gulag alsauch der sowjetischen Musikgeschichte beitragen sollen. Denn, so ist es die festeÜberzeugung der Autorin, nur durch das Zusammenfügen von Untersuchungenzu möglichst vielen Facetten des Gulag kann ein besseres Verständnis diesesSystems erreicht werden. Die Musikgeschichte der Sowjetunion betreffend,sollen Musiker und Komponisten, deren Laufbahn durch eine Verhaftung undLagerhaft unterbrochen wurde, samt ihren Werken und ihrem kulturellenHandeln der Musikgeschichtsschreibung zugeführt werden. Schließlich enthältdie Dissertation eine musikpsychologische und -soziologische Dimension,indem sie die Rolle der Musik in einer Extremsituation beschreibt: in den so-wjetischen Zwangsarbeitslagern.

Danksagung

Den Anstoß dazu, sich mit Musik und Musikern im Gulag zu beschäftigen,erhielt die Autorin auf einer Reise nach Magadan im Fernen Osten Russlands imJahre 2004, auf der sie Informationen über den Komponisten Vladislav ZolotarÚvrecherchierte. Während der Arbeit in der Puskin-Bibliothek dieser Stadt wurdesie auf die Ausstellung Prosceniju ne podlezit (Dies darf nicht vergeben werden)aufmerksam, welche Schicksale von Opfern staatlicher Repressionen unterStalin thematisierte, die ihre Haftstrafe auf der Kolyma verbüßen mussten. Dazugehörten auch einige Musiker, wodurch der Autorin ein Forschungsdesiderat inder Musikwissenschaft bewusst wurde, welches Musiker im Gulag betraf. Fürdiese Erkenntnis ist sie den Mitarbeitern der Puskin-Bibliothek, welche die

31 Auf Anregung des Kolloquiums zur Zeitgeschichte der Fakultät für Geschichtswissenschaft,Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld wurde der ursprünglich verwendeteBegriff »Zivilbevölkerung« für diese Gruppe durch »zivile Bevölkerung« ersetzt, um eineAssoziation mit dem Begriff »Zivilgesellschaft« zu vermeiden.

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damalige Ausstellung vorbereitet haben, sehr dankbar. Ohne sie hätte es dieseArbeit vermutlich nicht gegeben.

Als die Autorin im Jahr 2006 erneut nach Magadan zurückkehrte, um fürdiese Arbeit zu recherchieren, war die erwähnte Ausstellung zwar nicht mehr zusehen,32 aber die Verfasserin konnte von über 130.000 Eintragungen im regio-nalen Zettelkatalog der Puskin-Bibliothek profitieren, die systematisch geordnetwaren und den Weg zu unzähligen Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln gewiesenhaben, die für das Thema dieser Abhandlung relevant waren. Dafür, sowie für dieFreundlichkeit und Hilfsbereitschaft, welche die Verfasserin dort zwei Monatelang erfahren hat, dankt sie den Mitarbeitern dieser Bibliothek ganz herzlich.

Des Weiteren dankt sie einem Menschen, den sie leider nicht kennenlernenkonnte, weil er wenige Monate vor ihrem Eintreffen in Magadan verstorben ist.Hierbei handelt es sich um den Historiker Aleksandr Kozlov, der in Magadanlebte und durch viele Archiv-Recherchen und Artikel dazu beigetragen hat, dassdiese Arbeit in denjenigen Teilen, die sich auf Magadan beziehen, über vieleEreignisse und Personen detailliert berichten kann. Der Leser kann sich durcheinen Blick in das Literaturverzeichnis leicht davon überzeugen, wie wichtig dieArtikel und Bücher Aleksandr Kozlovs für diese Arbeit waren.

Danken möchte die Autorin auch den Mitarbeitern im Staatsarchiv des Ge-biets Magadan (GAMO) für ihr Entgegenkommen bei der Arbeit mit Doku-menten des Magadaner Theaters und des Trusts Dal’stroj, die großen Teilen dervorliegenden Abhandlung zugrunde liegen. Weitere Institutionen, denen einherzlicher Dank gilt, sind die Archive der Gesellschaft Memorial sowohl inMoskau als auch in Sankt Petersburg, das Staatsarchiv der Russischen Födera-tion (GARF) in Moskau, das Archiv des Bachrusin-Theatermuseums in Moskau,das Russische Staatsarchiv für Literatur und Kunst (RGALI) in Moskau, dieRussische Staatsbibliothek in Moskau, die Historische Bibliothek in Moskau, dieBibliothek des Instituts für wissenschaftliche Information in den Geisteswis-senschaften (INION RAN) in Moskau, die Auslandsabteilung der UniversitätSMU in Magadan, das Heimatkundemuseum in Magadan, die Bibliothek desTheaters in Magadan, das Museum zum Gedenken an die Opfer politischerRepressionen von Ivan Panikarov in Jagodnoe, das Vadim Kozin-Museum inMagadan, das Staatliche Museum für Gulag-Geschichte in Moskau, der Föde-rative Sicherheitsdienst (FSB) in Moskau und die Verwaltung für Inneres (UVD)in Magadan. Eine große Hilfe boten die von Memorial und dem Sacharov-Zentrum im Internet zur Verfügung gestellten Datenbanken, die unter http://

32 Die dort ausgestellten Informationen werden nun in der Mappe Uzniki kolymskich lagerej.Kratkie biografii (Gefangene der Kolymsker Lager. Kurze Biografien), zusammengestellt vonL. Ron’zina (Magadan, 1996), aufbewahrt.

Danksagung 23

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memo.ru/, http://www.gulag.memorial.de/, http://gulagmuseum.org/start.dound http://www.sakharov-center.ru/museum/ zu finden sind.

Besonders wertvoll waren für die Verfasserin Gespräche mit Zeitzeugen, ihrenVerwandten und Bekannten, die sie sowohl in Magadan als auch in Moskausowie in Heidelberg führen durfte. Für ihre Gastfreundschaft, ihr Vertrauen unddie Einblicke in ihre Schicksale sei von Herzen folgenden Personen gedankt:Svetlana Arkad’evna Aleksandrova, Bronislava N. (aus Rücksicht auf denWunsch der Zeitzeugin wird ihr vollständiger Name nicht genannt), EvgenijaAleksandrovna Badova, Marina Bojko, Marija Frulovna Dobrinskaja, MironMarkovic Etlis, Jurij L’vovic Fidel’gol’c, Lidija Nikolaevna Jagunova, MarijaAleksandrovna Kobeleva, Gedeon Ambrozievic Kvantaliani, Antonina Chari-tonovna Novossad, Valentina Popova, Ol’ga Jakovlevna Sedleckaja, Lazar’ Ve-niaminovic Seresevskij (†), Tamara Michajlovna Sergeeva, Elena Jur’evna Taj-nickaja, Anna Varpakhovskaya, SemÚn Samuilovic Vilenskij, Evgenija Anto-novna Volosina, Vsevolod Vsevolodovic Zaderackij.

Es wäre nicht möglich gewesen, diese Arbeit ohne großzügige finanzielleUnterstützung zu realisieren, weil für die Recherche lange Auslandsaufenthaltein Russland notwendig waren. Die Recherche in Russland fand in den Jahren2006 – 2011 statt und dauerte insgesamt 17 Monate, davon zwei in der 9.500 kmöstlich von Moskau gelegenen Stadt Magadan. Ein überaus großer Dank für dasErmöglichen der Recherchen gilt dem DAAD, dem Deutschen HistorischenInstitut Moskau, der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und derGundlach-Stiftung (Hannover). Der FAZIT-Stiftung sei für die finanzielle Un-terstützung während der Auswertung der Materialien gedankt. Die Verfasserindankt auch den zahlreichen Menschen, die immer wieder Interesse an ihrenForschungen bekundet und durch Gespräche, Diskussionen und Zuspruch zumAbschluss der Arbeit beigetragen haben. Stellvertretend seien hier die Betreuerdieser Untersuchung, Prof. Dr. Stefan Weiss und Prof. Dr. Arnfried Edler, derKomponist Kurt Hopstein (†), sowie Verwandte und Freunde genannt. Allenvoran dankt die Verfasserin ihrer Mutter Tabea Klause, ohne deren unermess-liche Unterstützung es diese Arbeit nicht gegeben hätte. Ihrem LebensgefährtenStefan Langer dankt sie für sein großes Verständnis, das er ihrer Arbeit stetsentgegengebracht hat.

Darüber hinaus geht der Dank an das musikwissenschaftliche Doktoran-denkolloquium der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, dasForschungszentrum Musik und Gender der HMTM Hannover, das Kolloquiumzur Zeitgeschichte der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie undTheologie der Universität Bielefeld, das Seminar für Osteuropäische Geschichtein Zusammenarbeit mit dem Musikwissenschaftlichen Seminar der UniversitätHeidelberg und dem Ost-West-Club in Heidelberg, das MusikwissenschaftlicheSeminar der Universität Göttingen, das Kolloquium zur Osteuropäischen Ge-

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schichte der Universität Göttingen sowie das Kolloquium des Osteuropa-Insti-tuts der Freien Universität Berlin für die Einladungen, die zu Vorträgen übereinzelne Aspekte des Themas und zu fruchtbaren Diskussionen geführt haben.

Dem Schroubek-Fonds Östliches Europa an der Ludwig-Maximilians-Uni-versität München dankt die Autorin herzlich für die Anerkennung ihrer Arbeitdurch die Verleihung des Georg R. Schroubek Dissertationspreises 2013.

Hinweise zur Benutzung

Inhaftierte Musiker werden bei der ersten Nennung im Text durch Kapitälchengekennzeichnet. Namen von Ortschaften auf der Kolyma, die auf der im Anhangabgedruckten Karte verzeichnet sind, sind im Text mit in Klammern beigege-benen Ziffern versehen, welche auf der Karte wiederzufinden sind. Alle Über-setzungen der Zitate stammen, soweit im Text nicht anders vermerkt, von derVerfasserin. Mehrfach wird im Text auf Tonbeispiele verwiesen, die auf derHomepage http://www.sovmusic.ru gehört werden können. Die Autorin dis-tanziert sich ausdrücklich von den auf dieser Homepage vermittelten ideologi-schen Inhalten und empfiehlt sie lediglich wegen der Fülle an gesammeltenTonbeispielen.

Hinweise zur Benutzung 25