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Bad Kreuznach 2012
Ingolf Deubel
Der kommunale Finanzausgleich in
Sachsen-Anhalt
Bestandsaufnahme und Perspektiven bis zum Jahr 2020
2
Bad Kreuznach, 23. April 2012
Erweitertes und zusammenfassendes Vorwort
Das Land Sachsen-Anhalt bereitet sich seit geraumer Zeit finanzpolitisch konsequent
auf das Jahr 2020 vor. Bis dahin wird die Sonderförderung des Bundes und aus Eu-
ropa zur finanziellen Unterstützung bei der Überwindung der Folgen der deutschen
Teilung weitgehend ausgelaufen und die Einwohnerzahl des Landes nochmals deut-
lich zurückgegangen sein.
Für die neuen Länder und damit auch Sachsen-Anhalt bedeutet diese Perspektive
keinen Absturz ins Bodenlose, sondern vielmehr ein Ankommen in der finanzpoliti-
schen Normalität. Die Finanzausstattung des Landes Sachsen-Anhalt und seiner
Kommunen wird im Jahr 2020 weitgehend der entsprechen, mit der heute schon die
finanzschwächeren alten Flächenländer wie Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und
Schleswig-Holstein ihre Haushalte gestalten müssen.
Sachsen-Anhalt geht diesen Weg in die finanzpolitische Normalität nicht alleine, son-
dern auch die anderen steuerschwächeren neuen Flächenländer wie Mecklenburg-
Vorpommern, Sachsen und Thüringen müssen bis zum Jahr 2020 vergleichbare Auf-
gaben lösen. Dies gilt sowohl für die Landesebene, als auch für die Kommunen.
Das Land Sachsen-Anhalt hat die Finanzausstattung seines kommunalen Finanz-
ausgleichs vor zwei Jahren von den im Konjunkturverlauf schwankenden Steuerein-
nahmen des Landes abgekoppelt und orientiert sich stattdessen am Leitbild eines
aufgabenorientierten Finanzausgleichs.
Das Finanzausgleichsvolumen insgesamt und seine Aufteilung in steuerkraftunab-
hängige und steuerkraftabhängige Bestandteile, die Höhe der Dotierungen im über-
tragenen und im eigenen Wirkungskreis, sowie die Verteilung der Mittel unter den
kommunalen Gruppen richten sich seither nach den tatsächlichen Ausgaben und
Einnahmen der jeweiligen Vorjahre. So sind für die Berechnung des Finanzaus-
gleichsvolumens für das Jahr 2012 die durchschnittlichen tatsächlichen Ausgaben
und Einnahmen der Jahre 2008 – 2010 nahezu 1:1 als Maßstab übernommen, zwi-
schenzeitliche Entwicklungen allerdings konsequent ausgeblendet worden.
Die öffentlichen Diskussionsbeiträge aus einzelnen Kommunen und im Landtag zum
Doppelhaushalt 2012/13 haben allerdings verdeutlicht, dass mit diesem rein vergan-
genheitsorientiert angelegten Verfahren die verfassungsrechtliche Vorgabe im Artikel
88 Abs. 1 der Landesverfassung „das Land sorgt dafür, dass die Kommunen über
Finanzmittel verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich
sind“ noch nicht in zufriedenstellender Form umgesetzt worden ist.
3
Der Landtag hat deshalb das ursprünglich für zwei Jahre geplante Finanzausgleichs-
gesetz nur für das laufende Jahr 2012 beschlossen und die Landesregierung beauf-
tragt, für das Jahr 2013 ein geändertes Finanzausgleichsgesetz vorzulegen.
Dieses zeitlich vorgelagerte Gutachten zum kommunalen Finanzausgleich in Sach-
sen-Anhalt hat deshalb zum Ziel, die Fragen zur Angemessenheit des Finanzaus-
gleichsvolumen selbst, seiner Verteilung unter den kommunalen Gruppen und zum
angemessenen Ausgleich zwischen steuerstarken und steuerschwachen Kommunen
zu untersuchen und entsprechende Veränderungsvorschläge zu erarbeiten.
Bei diesem Auftrag ging es nicht nur darum, konkrete Vorschläge für die Gestaltung
des FAG 2013 zu unterbreiten, sondern Lösungen vorzulegen, die für den gesamten
Zeitraum bis zum Jahr 2020 tragfähig sind.
Um die Fragen der Angemessenheit des Finanzausgleichsvolumens und seiner Auf-
teilung auf die kreisfreien Städte und den kreisangehörigen Raum auch empirisch zu
untermauern, bot es sich an, über die Grenzen des Landes Sachsen-Anhalt hinaus
zu schauen. Die Kommunen in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-
Holstein arbeiten heute bereits unter den finanziellen Rahmenbedingungen, die für
die neuen Länder erst im Jahr 2020 gelten werden.
Die finanzschwächeren neuen Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thü-
ringen müssen sich genauso wie Sachsen-Anhalt dieser gewaltigen Herausforderung
zur Anpassung ihrer Strukturen stellen. Die eine Vergleichsgruppe steht somit für die
finanziellen Rahmenbedingungen des Zieljahres 2020 und die andere Vergleichs-
gruppe für den bis dahin noch zu bewältigenden schwierigen und steinigen Weg.
Die direkten Vergleiche mit den beiden Ländergruppen haben zu sehr ähnlichen Er-
gebnissen geführt. Sowohl beim Land, als auch auf der kommunalen Ebene werden
in Sachsen-Anhalt für die laufende Aufgabenerfüllung deutlich mehr Finanzmittel ein-
gesetzt als in den Vergleichsländern.
Auf die Einwohnerzahl von Sachsen-Anhalt bezogen lag der durchschnittliche
lfd. Mehrbedarf in den Jahren 2008 – 2010 (bei Außerachtlassung der Unter-
schiede im Einzelplan 4 „Soziale Sicherung“) um 220 Mio. Euro bzw. rd. 6,7%
höher als in den neuen Vergleichsländern und sogar um 379 Mio. Euro bzw.
12,2% über dem Wert für die alten Vergleichsländer.
Nachdem der Abstand innerhalb des Zeitraums von 2008 bis 2010 erheblich verklei-
nert werden konnte, hat er sich rein rechnerisch nach den Ergebnissen der vorläufi-
gen Kassenstatistik des Jahres 2011 wieder stark vergrößert. Während nämlich der
Zuschussbedarf pro Einwohner in Sachsen-Anhalt gegenüber dem Jahr 2010 um
5,14% anstieg, waren es in NI/RP/SH 2,42% und in MV/SN/TH sogar nur 1,24%. Un-
ter Zuschussbedarf wird dabei die Differenz zwischen lfd. Ausgaben und lfd. Ein-
nahmen (ohne Nettosteuereinnahmen und lfd. Nettozuweisungen vom Land inner-
halb und außerhalb des FAG) verstanden.
4
Allerdings ist dafür offensichtlich kein Nachlassen in den besonderen Konsolidie-
rungsanstrengungen der Kommunen in Sachsen-Anhalt verantwortlich, sondern die-
se Entwicklung ist durch gut identifizierbare Sonderfaktoren (Basiseffekt aus dem
Jahr 2010 und neue bzw. übertragene Aufgaben in Sachsen-Anhalt einschließlich
ihrer Refinanzierung in 2011) verursacht worden.
Bereinigt man die Entwicklung der Zuschussbedarfe pro Einwohner der Kommunen
in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2010 und 2011 um diese Sonderfaktoren, so ergibt
sich nämlich die folgende Entwicklung:
2008: 1.216 Euro 2009: 1.279 Euro (+ 5,19%)
2010: 1.298 Euro (+ 1,51%) 2011: 1.291 Euro (- 0,55%)
Die Bestätigung für die Richtigkeit und Notwendigkeit dieser Bereinigungen ist insbe-
sondere bei einem Vergleich der Entwicklung der Personalausgaben in den einzel-
nen Ländern gut nachvollziehbar. Die Steigerungsraten der Personalausgaben im
Jahr 2011 gegenüber dem Jahr 2010 betrugen in Sachsen-Anhalt nämlich lediglich
0,19%, in NI/RP/SH dagegen 3,08% und auch in MV/SN/TH immerhin noch 1,92%.
Damit weisen die Kommunen in Sachsen-Anhalt auch im Jahr 2011 (wie schon
im Vorjahr) bei den Personalausgaben mit großem Abstand die geringste Stei-
gerungsrate aller 13 Flächenländer auf. Platz 2 erreichten mit einem Zuwachs
von 1,42% die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern und an Platz 3 lagen
die Kommunen in Rheinland-Pfalz mit einer Steigerungsrate von 1,88%.
Da allerdings die Einwohnerzahl in Sachsen-Anhalt (jeweils am 30.6. gemessen) von
2010 auf 2011 um 0,93% zurückging, in den Vergleichsländern NI/RP/SH jedoch nur
um 0,07% und in MV/SN/TH um 0,47%, relativiert sich der Abstand bei einer Be-
trachtung der Entwicklung der Personalausgaben pro Einwohner etwas, bleibt aber
immer noch bemerkenswert hoch.
Die Zuwächse der Personalausgaben pro Einwohner lagen im Jahr 2011 in Sachsen-
Anhalt bei 1,13%, in NI/RP/SH bei 3,15% und in MV/SN/TH bei 2,40%. Hätte sich der
Zuwachs der Personalausgaben pro Einwohner in Sachsen-Anhalt so entwickelt wie
in den westlichen Vergleichsländern, lägen die Personalausgaben der Kommunen in
Sachsen-Anhalt im Jahr 2011 um 25,5 Mio. Euro höher. Auch beim Vergleich mit den
östlichen Vergleichsländern hat sich immerhin noch eine relative Einsparung um 16,8
Mio. Euro ergeben.
Die relativen Einsparungen zu den Vergleichsländern beschränkten sich aber
nicht nur auf die Personalausgaben, sondern waren auch im Bereich des säch-
lichen Verwaltungs- und Betriebsaufwandes und der Zinsausgaben (als direk-
ter Folge des Entschuldungsprogramms STARK II) feststellbar. Insgesamt
ergaben sich im Haushaltsjahr 2011 in diesen drei Bereichen relative Einspa-
rungen gegenüber den westlichen Vergleichsländern von 37,4 Mio. Euro und
sogar von 38,6 Mio. Euro gegenüber den östlichen Vergleichsländern.
5
An dieser Entwicklung wird sehr deutlich, dass die Gebietsreform in Sachsen-
Anhalt (die in anderen Ländern bereits deutlich früher stattgefunden hat) nun-
mehr auch finanziell zu wirken beginnt. Bei einer konsequenten Fortsetzung
dieser Konsolidierungsstrategie in den sachsen-anhaltischen Kommunen und
einer entsprechenden Unterstützung beim Abbau von Konsolidierungshemm-
nissen durch das Land erscheint es deshalb durchaus möglich, die Differenz
zu den Vergleichsländern bis zum Jahr 2020 vollständig abzubauen.
Dafür ist es notwendig, die kommunalen Zuschussbedarfe pro Einwohner real kon-
stant zu halten, d.h. sie dürfen nur im Umfang der Preissteigerungsrate, d.h. jährlich
maximal um rd. 1,5% zunehmen. Die Kommunen in Sachsen-Anhalt befinden
sich also seit dem Jahr 2010 auf einem guten Weg.
Damit die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können, muss der kommunale Finanz-
ausgleich so gestaltet werden, dass er für die Finanzen der Kommunen insgesamt,
aber auch jede einzelne Gemeinde und jeden der elf Landkreise eine stetige und
planbaren Entwicklung für den gesamten Zeitraum bis zum Jahr 2020 absichert.
Dabei sollen auch die konjunkturellen Schwankungen der kommunalen Steuerein-
nahmen ausgeglichen werden und die eigenen Einnahmeschwankungen beim Land
dürfen keinen Einfluss auf das Finanzausgleichsvolumen haben.
Zugleich muss sichergestellt werden, dass die Bedarfsermittlung für die einzelnen
Kommunen und der finanzielle Ausgleich zwischen den Kommunen so erfolgen, dass
im Ergebnis alle Gemeinden und Landkreise in Sachsen-Anhalt ihre Aufgaben in an-
gemessener Weise wahrnehmen können.
Im Ergebnis wird dem Land vorgeschlagen, am System des aufgabenorientier-
ten Finanzausgleichs festzuhalten, aber diesen noch konsequenter als bisher
umzusetzen. Da das bisherige Verfahren rein vergangenheitsorientiert angelegt war,
wurden nämlich gar nicht die aufgabenorientierten Finanzbedarfe für das jeweilige
Finanzausgleichsjahr ermittelt, sondern lediglich die tatsächlichen Einnahmen und
Ausgaben für einen längst abgeschlossenen Zeitraum nachgehalten.
Es wird deshalb vorgeschlagen, das bisherige Verfahren in geeigneter Weise zu er-
gänzen. Zum einen sollten die Zuführungen vom Vermögenshaushalt an den Verwal-
tungshaushalt und die Bedarfszuweisungen nicht mehr als laufende Einnahmen ein-
gestuft werden.
Zum anderen sollte der in der Vergangenheit festgestellte Finanzbedarf zukünftig um
die Preissteigerungsraten, die Einwohnerentwicklung, die voraussichtlichen Steuer-
einnahmen, die Entwicklung der Zuweisungen durch das Land außerhalb des Fi-
nanzausgleichs sowie die finanziellen Auswirkungen der Veränderungen von Aufga-
ben und Leistungen korrigiert werden.
Um dafür ein Bild zu verwenden: Das bisherige Verfahren ähnelt dem Versuch, ein
Auto dadurch zu steuern, dass die Vorderscheibe und die Seitenscheiben zugehängt
6
sind und ausschließlich in den Rückspiegel geschaut wird. Zukünftig sollten auch die
Informationen verwendet werden, die sich bei einem Blick durch die Frontscheibe
und die Seitenscheiben ergeben.
Da beim bisherigen Verfahren nur der laufende Finanzbedarf ermittelt wurde und
damit der Investitionsbedarf sowie der Ausgleich eventueller Altfehlbeträge völlig
ausgeblendet blieben, sind auch hierfür entsprechende ergänzende Regelungen er-
forderlich. Dazu gehören insbesondere der Verzicht auf eine weitere Absenkung der
Investitionspauschale und eine zusätzliche Unterstützung beim Abbau von Altfehlbe-
trägen durch das Land (analog zu STARK II). Es wird zudem vorgeschlagen, zukünf-
tig auf die Erhebung der Krankenhausinvestitionsumlage zu verzichten.
Der ergänzende Ländervergleich hat gezeigt, dass der bisherige lfd. Finanzbe-
darf der Kommunen in Sachsen-Anhalt unangemessen hoch ist. Deshalb müs-
sen bis zum Jahr 2020 durch die Kommunen selbst, aber natürlich auch durch
das für die Gestaltung der Rahmenbedingungen verantwortliche Land, alle An-
strengungen unternommen werden, diesen Mehraufwand wieder zurück zu füh-
ren.
Wenn die realen Zuschussbedarfe der Kommunen pro Einwohner in Sachsen-
Anhalt bis zum Jahr 2020 konstant gehalten werden können (und so ist das
oben beschriebene Fortschreibungsverfahren für das FAG aufgebaut), darf bis
Ende des Jahrzehnts bei einem jährlichen realen gesamtwirtschaftlichen
Wachstum von durchschnittlich rd. 1,5% ein vollständiger Abbau des Mehr-
aufwands erwartet werden.
Um diesen Konsolidierungspfad abzusichern, empfiehlt sich allerdings eine fortwäh-
rende Beobachtung der Entwicklung in Sachsen-Anhalt und in den Vergleichslän-
dern. Ein darauf aufbauendes Benchmarking ist wiederum die Voraussetzung, damit
ggf. sowohl durch das Land, als auch durch die Kommunen selbst nachgesteuert
werden kann, indem z.B. Standards verändert werden oder nicht zwingend notwen-
dige Aufgaben abgebaut werden. Noch besser wäre es natürlich, wenn es gelänge,
die Kosteneffizienz der Aufgabenwahrnehmung weiter zu verbessern und in den
nächsten Jahren zu den Ländern mit besonders effizient arbeitenden Kommunen
aufzuschließen.
Auch im horizontalen Finanzausgleich (also der Verteilung einer gegebenen
Finanzausstattung zwischen den Kommunen) ist der vom Landesgesetzgeber
gewünschte aufgabenorientierte Ansatz bei weitem noch nicht so umgesetzt,
wie dies erforderlich wäre.
Zum einen ist das bisherige Verfahren so komplex und rechenintensiv, dass es wohl
nur sehr wenige Personen geben dürfte, die bereit und in der Lage sind, die einzel-
nen Rechenschritte nachzuvollziehen. Zum anderen wird das Ziel einer Aufgabenori-
entierung nicht konsequent verfolgt, sondern vielfach durchbrochen. Zudem „belohnt“
das bisherige Verfahren die kommunalen Gruppen, die nur geringe Konsolidierungs-
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anstrengungen unternehmen und „bestraft“ andererseits die Gruppen, die sich ver-
stärkt um Effizienz und gesunde Haushaltsstrukturen bemühen.
Für die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse zwischen den drei kreisfreien Städten
und dem kreisangehörigen Raum wird deshalb ein Verfahren vorgeschlagen, das
solche systematischen Fehlanreize zukünftig auf ein Minimum reduzieren dürfte.
Vermieden werden sollte zukünftig auch, die für die einzelnen kommunalen ermittel-
ten Finanzbedarfe bei der Verteilung der allgemeinen Zuweisungen wieder zu kon-
terkarieren. Anstatt die nach dem Abzug der steuerkraftunabhängigen Zuweisungen
verbleibenden Mittel am Ende wieder in einem Topf zusammenzufassen und nach
festen Quoten aufzuteilen, sollten sie getrennt bleiben, weil nur so das Ziel einer Auf-
gabenorientierung erreicht werden kann.
Das bisherige Verfahren zur Ermittlung der Finanzbedarfe der einzelnen kreisange-
hörigen Gemeinden, kreisfreien Städte und Landkreise hat relativ wenig mit einer
konsequenten Aufgabenorientierung zu tun, sondern deutlich mehr mit der Fort-
schreibung von empirisch nicht fundierten Festlegungen aus den neunziger Jahren.
Um auch hier zu einer Aufgabenorientierung zu gelangen, ist eine genaue statisti-
sche Analyse der vorhandenen Bedarfsstrukturen unumgänglich. Im Ergebnis kön-
nen die Fläche pro Einwohner und die Einwohnerzahl der kreisangehörigen Gemein-
den (Hauptansatz) keine Unterschiede in den Finanzbedarfen (pro Einwohner) erklä-
ren (allenfalls als entlastende Faktoren), sehr wohl aber die Zahl der Kinder unter
sechs Jahren, die Wahrnehmung mittelzentraler Aufgaben und die Schrumpfungsge-
schwindigkeit der Einwohnerzahl.
Deshalb wird vorgeschlagen, zukünftig auf den Hauptansatz und eine Vertei-
lung von lfd. Zuweisungen nach der Fläche zu verzichten, den Ansatz für Mit-
telzentren beizubehalten und zusätzlich einen U6-Faktor einzuführen. Zur Ab-
milderung der besonderen Belastungen durch sehr schnell schrumpfende
Einwohnerzahlen sollten zudem zukünftig nicht die aktuellen, sondern die je-
weils höchsten Einwohnerzahlen der letzten drei oder fünf Jahre in den Fi-
nanzausgleich eingehen.
Zur Aufgabenorientierung gehört auch, dass besonders steuerschwache Ge-
meinden und umlageschwache Landkreise (und Verbandsgemeinden) durch
den Finanzausgleich in die Lage versetzt werden, ihre notwendigen Aufgaben
bei effizienter Aufgabenerfüllung ohne Fehlbeträge zu finanzieren. Durch das
bisherige Verteilungssystem ist dies nicht sichergestellt.
Es wird deshalb vorgeschlagen, die Steuerkraft besonders steuerschwacher Ge-
meinden vorab um 80% der Differenz zu 80% des Durchschnitts aufzustocken, die
Umlagekraftmesszahl der Landkreise auf den landesdurchschnittlichen Umlagesatz
zu erhöhen, den Ausgleichsgrad im Finanzausgleich der Landkreise auf bis zu 90%
festzulegen und eine allgemeine Finanzausgleichsumlage nach baden-württem-
bergischen Vorbild einzuführen.
8
Bisher wird zur Ermittlung der Steuerkraft, der Umlagegrundlagen und der Umlage-
kraft auf nicht mehr aktuelle und durch die tatsächliche Entwicklung häufig überholte
Grundlagen zurückgegriffen.
Als Folge dieses Verfahrens kommt es zu massiven Schwankungen der den einzel-
nen Gemeinden nach Finanzausgleich und Umlagen noch verbleibenden Mittel. In
besonderen Einzelfällen entstehen dabei sogar negative Werte.
Um zukünftig solche Schwankungen zu vermeiden, sollte die Steuerkraft möglichst
zeitnah ermittelt werden. Umlagegrundlagen und Umlagekraft sollten sich aus der
zeitnah ermittelten Steuerkraft und den allgemeinen Zuweisungen des Finanzaus-
gleichsjahres errechnen und auch die Umlagen selbst auf dieser zeitnahen Basis
erhoben werden.
Neben den hier aufgeführten Veränderungsvorschlägen enthält diese Untersuchung
natürlich auch noch einer Vielzahl weiterer Hinweise und Anregungen sowie umfang-
reiche statistische Darstellungen und Auswertungen, deren nähere Beschreibung
den Charakter eines „Vorwortes“ allerdings vollends sprengen würde.
Dieses Gutachten zum kommunalen Finanzausgleich in Sachsen-Anhalt ist nicht nur
„im stillen Kämmerlein“ entstanden, sondern beruht auch in einem sehr starken Maße
auf einer Vielzahl von Diskussionen mit Mitgliedern des Landtages und der Landes-
regierung.
Dazu kamen mannigfaltige Gespräche mit Verantwortlichen der kommunalen Spit-
zenverbände, verschiedenen (Ober-) Bürgermeisterinnen und (Ober-) Bürgermeis-
tern, Landräten und Mitgliedern von kommunalen Räten.
In sechs regional angelegten finanzpolitischen Dialogen mit kommunalen Entschei-
dungsträgern in Halle, Stendal, Wernigerode, Naumburg, Köthen und Aschersleben
und vielen weiteren Veranstaltungen und Diskussionsrunden war es möglich, unmit-
telbare Eindrücke und Hinweise zur aktuellen kommunalen Finanzsituation in Sach-
sen-Anhalt zu sammeln und die mit der geplanten Fortentwicklung des Finanzaus-
gleichs verbundenen Erwartungen und Probleme zu erörtern.
Die intensiven Diskussionen und Eindrücke haben ganz maßgeblich dazu beigetra-
gen, den Aufbau und die Inhalte dieser Untersuchung auf die in den Kommunen des
Landes als besonders wichtig wahrgenommenen und formulierten Fragestellungen
zu konzentrieren.
Dennoch werden die Ergebnisse und Empfehlungen dieses Gutachtens sicherlich
nicht allen damit verbundenen Erwartungen und Wünschen im kommunalen Raum
und beim Land entsprechen können. Aber vielleicht kann diese Untersuchung den-
noch einen Beitrag dazu leisten, die weitere Entwicklung des kommunalen Finanz-
ausgleichs in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020 auf ein noch tragfähigeres Funda-
ment zu stellen.
Prof. Dr. Ingolf Deubel
9
Gliederung
1. Ergebnisse und zusammenfassende Empfehlungen .............................................. 15
2. Die verfassungsrechtliche Vorgabe eines aufgabenbezogenen kommunalen
Finanzausgleichs in Sachsen-Anhalt ....................................................................... 34
3. Rahmenbedingungen für die Finanzausstattung des Landes Sachsen-Anhalt
und seiner Kommunen bis zum Jahr 2020 im Ländervergleich ............................. 39
4. Maßstäbe zur Bestimmung einer angemessenen Finanzausstattung ................... 44
4.1. Tatsächliche oder notwendige Ausgaben? .................................................. 44
4.2. Der laufende Finanzbedarf der Kommunen .................................................. 49
4.3. Der investive Finanzbedarf der Kommunen ................................................. 56
4.4. Abbau der Altfehlbeträge ............................................................................... 57
5. Der vertikale Finanzausgleich ................................................................................. 58
5.1. Das bisherige Verfahren zur Bestimmung der Finanzausgleichsmas-
se ...................................................................................................................... 58
5.2. Abgrenzung des lfd. Bedarfs ......................................................................... 63
5.3. Konkretisierung des Kriteriums der Angemessenheit mit Hilfe eines
Ländervergleichs ............................................................................................ 64
5.4. Ein dynamisches Anpassungsmodell zur Bestimmung der angemes-
senen Finanzausgleichsmasse bis zum Jahr 2020 ...................................... 87
5.5. Ein vereinfachtes und gut planbares Alternativmodell mit einer real
konstanten Fortschreibung der Finanzbedarfe .......................................... 104
5.6. Entwicklung des Landesanteils und der kommunalen Quote an den
insgesamt in Sachsen-Anhalt zur Verfügung stehenden Deckungs-
mitteln bis zum Jahr 2020 ............................................................................ 111
6. Der horizontale Finanzausgleich ........................................................................... 115
6.1. Zur Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf Zuweisungstöpfe und
kommunale Gruppen .................................................................................... 115
6.1.1. Das bisherige Verfahren .................................................................. 115
6.1.2. Die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf kreisfreie
Städte und den kreisangehörigen Raum im Ländervergleich ...... 119
6.1.3. Die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf kreisfreie
Städte und den kreisangehörigen Raum im vereinfachten Al-
ternativmodell .................................................................................. 125
6.1.4. Zur Finanzierung des übertragenen Wirkungskreises im
kreisangehörigen Raum und bei den kreisfreien Städten ............ 129
6.1.5. Zwischenfazit für das bisherige Berechnungsverfahren .............. 134
6.2. Überblick über die wesentlichen Bestimmungen des horizontalen
kommunalen Finanzausgleichs in Sachsen-Anhalt ................................... 135
6.3. Anforderungen an ein rationales System zur Verteilung von nicht
zweckgebundenen Zuweisungen an Gemeinden und Landkreise ........... 138
6.4. Der horizontale Finanzausgleich auf der Ebene der Gemeinden ............. 142
10
6.4.1. Das bisherige Verfahren .................................................................. 142
6.4.2. Zur Aufteilung der allgemeinen Zuweisungen auf die kreis-
freien Städte und den kreisangehörigen Raum ............................. 143
6.4.3. Zur Bestimmung der Bedarfe .......................................................... 144
6.4.4. Zur Bestimmung der Steuerkraft .................................................... 158
6.4.5. Zur Festlegung der Ausgleichsquote ............................................. 163
6.4.6. Stadt-Umland-Ausgleich ................................................................. 165
6.5. Der horizontale Finanzausgleich auf der Ebene der Landkreise .............. 166
6.5.1. Das bisherige Verfahren .................................................................. 166
6.5.2. Zur Bestimmung der Bedarfe auf der Kreisebene......................... 167
6.5.3. Zur Bestimmung der Umlagekraft .................................................. 169
6.5.4. Zur Festlegung der Ausgleichsquote ............................................. 170
6.6. Zur Aufteilung der Schlüsselmasse im kreisangehörigen Raum auf
Gemeinden und Landkreise ......................................................................... 171
6.7. Die Finanzierung der Verbandsgemeinden ................................................ 174
6.7.1. Das bisherige Verfahren .................................................................. 174
6.7.2. Überprüfung von Alternativen ........................................................ 175
6.8. Finanzausgleichsumlagen ........................................................................... 182
6.9. Zur Verteilung der steuerkraftunabhängigen laufenden Zuweisungen ... 188
6.10. Zur Verteilung der Investitionspauschale ................................................ 190
6.11. Übergangsregelungen ............................................................................... 193
Tabellenverzeichnis ............................................................................................... 7
Diagramme................................................................................................................. 10
Literaturverzeichnis ........................................................................................... 196
11
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Entwicklung der absoluten und relativen Finanzkraft der Gemein-
den und des Landes Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020 im Län-
dervergleich ................................................................................................ 40
Tabelle 2: Definition und Ableitung der Zuschussbedarfe von kreisangehöri-
gen Gemeinden und Kreisen auf der Basis der Rechnung des Jah-
res 2009 ....................................................................................................... 53
Tabelle 3: Ermittlung der Finanzausgleichsmasse für das Jahr 2012 nach der
bisherigen Methode einschließlich der Ergänzungen durch den
Landtag ....................................................................................................... 60
Tabelle 4: Grunddaten zur Struktur des Zuschussbedarfs IV im Länderver-
gleich ........................................................................................................... 69
Tabelle 5: Struktur des Zuschussbedarfs IV pro Einwohner im Länderver-
gleich ........................................................................................................... 70
Tabelle 6: Unterschiede des Zuschussbedarfs IV in Sachsen-Anhalt pro Ein-
wohner zu den Vergleichsländern ............................................................ 71
Tabelle 7: Unterschiede der lfd. Zuschussbedarfe in Sachsen-Anhalt in
Sachsen-Anhalt zu den Vergleichsländern .............................................. 72
Tabelle 8: Reine Ausgaben für Sozialhilfe 2009 im Ländervergleich ...................... 74
Tabelle 9: Reine Ausgaben für Jugendhilfe 2009 im Ländervergleich .................... 75
Tabelle 10: Kosten der Unterkunft 2009 im Ländervergleich ..................................... 75
Tabelle 11: Vollzeitäquivalente pro 1000 Einwohner der Kommunalverwaltun-
gen im Jahr 2010 (Kern- und Extrahaushalte zusammen) ...................... 77
Tabelle 12: Personalabbau von 2009 auf 2010 ............................................................ 78
Tabelle 13: Differenzen zwischen Realsteuerkraft und Realsteueraufkommen
in Sachsen-Anhalt im Vergleich zum Hebesatzniveau anderer Län-
der im Jahr 2010 ......................................................................................... 85
Tabelle 14: Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens
bis zum Jahr 2020 (bei Anpassung an die Verhältnisse in
NI/RP/SH) ..................................................................................................... 90
12
Tabelle 15: Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens
bis zum Jahr 2020 (bei Anpassung an die Verhältnisse in NI/RP/SH
ohne Gliederung 4) ..................................................................................... 91
Tabelle 16: Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens
bis zum Jahr 2020 (bei Anpassung an die Verhältnisse in
MV/SN/TH) ................................................................................................... 92
Tabelle 17: Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens
bis zum Jahr 2020 (bei Anpassung an die Verhältnisse in
MV/SN/TH ohne Gliederung 4) ................................................................... 93
Tabelle 18: Modellrechnung zur dynamischen Nachsteuerung der Anpas-
sungszuweisungen und der angemessenen lfd. Bedarfe ..................... 102
Tabelle 19: Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Lan-
des an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen
Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter
Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020 ..... 106
Tabelle 20: Veränderung des Realsteueraufkommens in Sachsen-Anhalt im
Jahr 2010 bei Übernahme der Hebesätze von Vergleichsländern ........ 108
Tabelle 21: Vergleich der Höhe und der Anteile an den Deckungsmitteln
2008 – 2010 bei Land und Kommunen im Ländervergleich und der
Entwicklung in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020 .............................. 112
Tabelle 22: Vergleich der Anteile an den Deckungsmitteln pro Einwohner
2008 – 2010 bei Land und Kommunen im Ländervergleich und der
Entwicklung in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020 .............................. 113
Tabelle 23: Durchschnittsbedarfe der Jahre 2008 – 2010 = „angemessene lfd.
Bedarfe“ für das FAG 2012? .................................................................... 116
Tabelle 24: Zuschussbedarfe IV der kreisfreien Städte und des kreisangehöri-
gen Raums in Sachsen-Anhalt im Ländervergleich .............................. 120
Tabelle 25: Kreisfreie Städte in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz,
Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen ........................................ 122
Tabelle 26: Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens
der kreisfreien Städte und des kreisangehörigen Raums bis zum
Jahr 2020 ................................................................................................... 124
Tabelle 27: (Teil 1) Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen
des Landes an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehö-
rigen Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real kon-
stanter Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012
bis 2020 ..................................................................................................... 127
13
Tabelle 27: (Teil 2) Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen
des Landes an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehö-
rigen Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real kon-
stanter Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012
bis 2020 ..................................................................................................... 128
Tabelle 28: Korrekturmöglichkeiten zur Berechnung der Auftragskostenpau-
schale ........................................................................................................ 131
Tabelle 29: Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Lan-
des an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen
Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter
Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020 ..... 133
Tabelle 30: Normierungsverfahren für die Gewerbesteuer in Sachsen-Anhalt ...... 137
Tabelle 31: Ausgangsgleichungen der Regressionsanalysen der Zuschussbe-
darfe der Rechnungen 2010 für die kreisangehörigen Einheits- und
Verbandsgemeinden ................................................................................ 149
Tabelle 32: Signifikante Parameterwerte der Regressionsanalysen für die Zu-
schussbedarfe der Rechnungen 2010 der kreisangehörigen Ein-
heits- und Verbandsgemeinden .............................................................. 150
Tabelle 33: Berechnungsschema für Bedarfsfaktoren ............................................. 155
Tabelle 34: Mit der Situation in Sachsen-Anhalt kompatible Hauptansätze für
kreisfreie Städte anderer Länder ............................................................. 157
Tabelle 35: Hebesätze der Gemeinden in Sachsen-Anhalt im Jahr 2010 ................ 159
Tabelle 36: Die Folgen der zeitlich verzögerten und geglätteten Erfassung der
Gewerbesteuerkraft im FAG 2012 ........................................................... 161
Tabelle 37: Wirkungsweise des Finanzausgleichs zwischen den kreisfreien
Städten ...................................................................................................... 164
Tabelle 38: Signifikante Parameterwerte der Regressionsanalysen der Rech-
nung 2010 der Zuschussbedarfe der Landkreise und ihrer Ge-
meinden ..................................................................................................... 168
Tabelle 39: Auswirkungen einer Erhöhung der Ausgleichsquote im Kreisfi-
nanzausgleich im FAG 2012 von 70% auf 90% und des fiktiven Um-
lagesatzes von 35% auf 40% ................................................................... 170
Tabelle 40: Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Lan-
des an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen
Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter
Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020 ..... 173
14
Tabelle 41: Zuschussbedarfe V insgesamt pro Einwohner in der Rechnung
2010 der Verbandsgemeinden ................................................................. 175
Tabelle 42: Konsequenzen einer direkten Vergabe der allgemeinen Zuweisun-
gen an die Verbandsgemeinden auf die Höhe der Umlage und die
Finanzkraft der Mitgliedsgemeinden am Beispiel der VG Mansfel-
der Grund-Helbra ...................................................................................... 178
Tabelle 43: Auswirkungen einer Aufstockung für steuerschwache Gemeinden,
des Wegfalls des Hauptansatzes und der Beseitigung des System-
fehlers bei der Berechnung der Auftragskostenpauschale für Ge-
meinden unter 20.000 Einwohnern auf die Höhe der Verbandsum-
lage und die Finanzkraft der Mitgliedsgemeinden am Beispiel der
Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra ....................................... 181
Tabelle 44: Systematische Mängel im Verteilungsverfahren der Investitions-
pauschale in 2011 und in 2012 und ein Alternativverfahren ................. 192
Tabelle 45: Überhänge für die Anrechnung der Gewerbesteuerkraft bei der
Bestimmung der allgemeinen Zuweisungen und der Umlagegrund-
lagen sowie der allgemeinen Zuweisungen als Bestandteil der Um-
lagegrundlagen bei einem Systemwechsel im Jahr 2013 ..................... 194
Diagramme
Diagramm 1: Projektion der Entwicklung der Steuereinnahmen und der Netto-
zuweisungen vom Land in den Jahren 2012 – 2020 ............................ 94
Diagramm 2: Projektion der Entwicklung der eigenen Steuerkraft und der Net-
tozuweisungen vom Land in den Jahren 2012 – 2020 im verein-
fachten Alternativmodell mit real konstant fortgeschriebenen
Finanzbedarfen ..................................................................................... 107
15
1. Ergebnisse und zusammenfassende Empfehlungen
In diesem Kapitel werden die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung und die
Empfehlungen für die Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Sach-
sen-Anhalt zusammengefasst.
Die wichtigsten Vorgaben für die Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs in
Sachsen-Anhalt finden sich in den Artikeln 87 und 88 der Landesverfassung. Nach
Artikel 87 Abs. 3 kann das Land den Kommunen durch Gesetz Pflichtaufgaben zur
Erfüllung in eigener Verantwortung zuweisen und staatliche Aufgaben zur Erfüllung
nach Weisung übertragen. Dabei ist gleichzeitig die Deckung der Kosten zu regeln
und bei einer Mehrbelastung der Kommunen ein angemessener Ausgleich zu schaf-
fen.
Nach herrschender Meinung und in den meisten (aber nicht in allen) Ländern soll die
Finanzierung der staatlichen Aufgaben nicht aus den eigenen Steuereinnahmen der
Kommunen erfolgen, sondern durch steuerkraftunabhängige Zuweisungen. Um zu
einem angemessenen Ausgleich zu kommen, muss folglich eine Quantifizierung der
Mehrbelastungen aus übertragenen staatlichen Aufgaben erfolgen.
Nach Artikel 88 Abs. 1 der Landesverfassung sorgt das Land dafür, dass die Kom-
munen über Finanzmittel verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben
erforderlich sind. Durch diese verfassungsrechtliche Regelung hat sich das Land
Sachsen-Anhalt festgelegt, dass die Höhe der Finanzmittel nicht, wie in etlichen an-
deren Ländern, durch die Leistungsfähigkeit des Landes begrenzt wird. Der Begriff
der „Angemessenheit“ beinhaltet allerdings auch das Gebot, die kommunalen Aufga-
ben so wahrzunehmen, wie es die allgemeinen Haushaltsgrundsätze der Wirtschaft-
lichkeit und Sparsamkeit erfordern.
Eine Konkretisierung dieser Grundsätze erfolgt in § 2 Abs. 2 des FAG. Der Landes-
gesetzgeber hat hier die folgende Interpretation vorgenommen: „Maßstab der Be-
messung der Landeszuweisungen sind die notwendigen Ausgaben bei effizienter
Aufgabenerfüllung“. Für diese Untersuchung ergibt sich aus dieser Konkretisierung
ein ganz wesentlicher Teil der Aufgabenstellung. Zu überprüfen ist nämlich, ob und
wie die Vorgabe des Artikels 88 Abs. 1 b und die Konkretisierung im § 2 Abs. 2 des
FAG bisher umgesetzt werden und welche Veränderungen ggf. erforderlich sind.
Nach Artikel 88 Abs. 2 der Landesverfassung ist die unterschiedliche Finanzkraft der
Kommunen angemessen auszugleichen. Auch in dieser verfassungsrechtlichen Vor-
gabe taucht wieder der Begriff der „Angemessenheit“ auf. Darunter kann in diesem
Zusammenhang eigentlich nur verstanden werden, dass nach dem kommunalen Fi-
nanzausgleich auch steuerschwache Gemeinden sowie Verbandsgemeinden und
Kreise mit finanzschwächeren Gemeinden in die Lage versetzt sein müssen, ihre
notwendigen Ausgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung finanzieren zu können.
Dass in diesen Fällen die Einhaltung der Maßstäbe der „Notwendigkeit“ und der „Effi-
zienz“ noch kritischer und damit restriktiver beurteilt werden muss als für die Ge-
16
samtheit der Kommunen in Sachsen-Anhalt ist bei der konkreten Umsetzung dieser
Vorgaben schon rein logisch unvermeidlich.
Zwischen den drei unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben bestehen
Wechselwirkungen, die im Rahmen dieser Untersuchung zu beachten waren. Die
nach der Vorgabe des Artikels 88 Abs. 1 zu sichernde angemessene gesamte Fi-
nanzausstattung der Kommunen muss auf der einen Seite die Mittel enthalten, die
zur steuerkraftunabhängigen Finanzierung der Auftragskosten notwendig sind, auf
der anderen Seite aber so verteilt werden, dass auch steuer- bzw. finanzschwache
Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können.
Dieser Gegensatz zwischen den Zielsetzungen der Artikel 87 Abs. 3 und 88 Abs. 2
lässt sich bei starken Steuerkraftunterschieden zwischen den Kommunen nur auf
zwei Arten auflösen. Entweder müssen die insgesamt durch das Land zur Verfügung
gestellten finanziellen Mittel weit höher liegen, als es nach Artikel 88 Abs. 1 eigentlich
erforderlich wäre oder mit Hilfe einer entsprechende Finanzausgleichsumlage wer-
den auch steuerstarke Gemeinden in die Umsetzung des Artikels 88 Abs. 2 einbezo-
gen.
Mit Blick auf die weitere finanzielle Entwicklung des Landes bis zum Jahr 2020 wird
schnell deutlich, dass Sachsen-Anhalt auf Dauer die besonders teure erste Variante
gar nicht finanzieren könnte. Durch den Wegfall der Sonderfinanzierungen für die
neuen Länder werden sich die Einnahmen des Landes und seiner Gemeinden
von heute noch über 120% des Niveaus pro Einwohner der alten Flächenländer
bis zum Jahr 2020 auf rd. 95% reduzieren, wobei dies zusätzlich voraussetzt,
dass der föderale Finanzausgleich nach dem Jahr 2019 ohne allzu große Ver-
änderungen fortgeführt wird.
Da bis zum Jahr 2020 auch die für die Einnahmen des Landes im föderalen Finanz-
ausgleich entscheidende Größe, nämlich die Einwohnerzahl, weiter deutlich zurück-
gehen dürfte, ist es zwingend notwendig, dass sich das Land und seine Kommunen
rechtzeitig auf diese aus dem geltenden Recht ableitbaren Entwicklungen einstellen.
Für alle öffentlichen Aufgaben sollten deshalb für den Anpassungszeitraum bis zum
Jahr 2020 entsprechende Strategien entwickelt werden.
Mit den Programmen STARK II und STARK III unterstützt das Land außerhalb
des normalen Finanzausgleichs die Kommunen bei diesem schwierigen An-
passungsprozess. Bei einer kommunalen Verschuldung von 2,42 Mrd. Euro zum
31.12.2011 bietet das Programm STARK II in den nächsten Jahren für mehr als die
Hälfte dieser Schulden eine äußerst zinsgünstige Anschlussfinanzierung und eine
zusätzlichen sofortigen Tilgungszuschuss von 30% der jeweiligen Restvaluta.
Durch diese Tilgungszuschüsse und die Zinsersparnis werden die Kommunen
nach Berechnungen der Investitionsbank Sachsen-Anhalt, die das Programm
abwickelt, bereits im Zeitraum bis zum Jahr 2020 um insgesamt 660 Mio. Euro
und bis zum Jahr 2025 sogar um 865 Mio. Euro entlastet und können deshalb
17
auf diese Weise ihre verbleibenden Investitionsschulden entsprechend redu-
zieren.
Dazu kommen die anteiligen Tilgungszuweisungen bzw. Abschreibungszuwei-
sungen innerhalb der Finanzausgleichsmasse, die nach den Modellrechnungen
dieses Gutachtens alleine in den Jahren 2012 bis 2020 insgesamt ca. 1.701 Mio.
Euro betragen würden. Einschließlich der ersparten Zinsen lassen sich auf die-
se Weise die bisher aufgelaufenen Investitionskredite der Kommunen in Sach-
sen-Anhalt fast vollständig tilgen.
Wenn es mit Hilfe des Landes in diesem Zeitraum durch ein mit STARK II ver-
gleichbaren Programm (STARK IV) auch noch gelingen sollte, die bis zum
31.12.2011 aufgelaufenen Kassenkredite von insgesamt 934 Mio. Euro abzu-
bauen, könnten sich die Kommunen mit Hilfe des Landes bis zum Jahr 2020
von ihren Altlasten aus Schulden weitgehend befreit haben und eine jährliche
Zinsersparnis von insgesamt über 100 Mio. Euro realisieren.
Altlasten entstehen aber nicht nur durch aufgehäufte Schulden, sondern auch durch
unnötig hohe Bewirtschaftungskosten für kommunale Immobilien aufgrund schlechter
Gebäudeunterhaltung, unzureichender Auslastung und veralteter Gebäudetechnik.
Um auch diese Altlasten so weit wie möglich abzubauen, hat das Land das Pro-
gramm STARK III entwickelt.
Genau wie das Entschuldungsprogramm STARK II wird auch das Sanierungspro-
gramm STARK III außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs durchgeführt wer-
den. Bis Ende des Jahrzehnts sollen (refinanziert aus EU-Mitteln) mit einem Investiti-
onsaufwand von rd. 600 Mio. Euro alle Schulen und Kindertagesstätten in Sachsen-
Anhalt, für die der Nachweis der Demografiefestigkeit erbracht wird, insbesondere
energetisch saniert werden. Die dadurch realisierbaren Betriebskosteneinsparungen
werden die kommunalen Haushalte unmittelbar und nachhaltig entlasten.
Das Kernstück zur Sicherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommunen
in Sachsen-Anhalt über das Jahr 2020 hinaus ist natürlich der kommunale Finanz-
ausgleich selbst. Für das Land und seine Kommunen ist es dabei äußerst wichtig, ein
gemeinsames Verständnis zu haben, wie der Übergang in die finanzpolitische Nor-
malität des Jahres 2020 in realistischer und umsetzbarer Form gestaltet werden
kann.
Mit dieser kurzen Darstellung des finanzpolitischen und des verfassungsrechtlichen
Rahmens sowie der flankierenden Programme STARK II und STARK III ergeben sich
zugleich die wesentlichen Untersuchungsgegenstände dieses Gutachtens zum
kommunalen Finanzausgleich in Sachsen-Anhalt.
Die dabei diagnostizierten kritischen Punkte und die entsprechenden Änderungsemp-
fehlungen werden in der folgenden Darstellung in Kurzform zusammengefasst:
18
A. Ermittlung des Finanzausgleichsvolumens
Kritische Punkte:
1. Das bisherige Verfahren ist fast ausschließlich vergangenheitsorientiert
angelegt. Die bekannten oder zumindest gut abschätzbaren aktuellen
und zukünftigen Entwicklungen innerhalb und außerhalb des kommu-
nalen Finanzausgleichs bleiben bisher weitgehend unberücksichtigt.
2. Das Ausblenden der im Finanzausgleichsjahr zu erwartenden kommu-
nalen Steuereinnahmen kann sehr schnell zu entsprechenden konjunk-
turellen Schwankungen der Finanzausgleichsmasse führen.
3. Das bisherige Verfahren erscheint (unnötigerweise) extrem rechenauf-
wändig.
4. Die Abgrenzung der berücksichtigten Zuschussbedarfe entspricht zum
Teil nicht der Zielsetzung einer Ermittlung der zur Deckung der lfd. Fi-
nanzbedarfe notwendigen Finanzausgleichsmasse. Dies betrifft vor al-
lem
- die Zuführungen vom Vermögenshaushalt,
- die Einnahmen aus Bedarfszuweisungen
- und das Niveau sowie die Veränderungen von Hebesätzen.
5. Die durch die Verfassung vorgegebene Zielsetzung einer Ermittlung der
„angemessenen“ Finanzausgleichsmasse wird bisher nicht erfüllt, son-
dern durch die Berechnung der Differenzen zwischen den tatsächlichen
Ausgaben und Einnahmen der Kommunen in Sachsen-Anhalt in längst
abgeschlossenen Jahren ersetzt.
6. Die zusätzliche Finanzierung der besonderen Zuweisungen für die Auf-
gabenübertragung nach dem Ersten und Zweiten Funktionalreformge-
setz lässt sich systematisch nur für den Teil der Zuweisungen begrün-
den, der noch nicht in die normale Bedarfsermittlung (Durchschnitt aus
drei Jahren) einbezogen ist. Für das Jahr 2013 ist dies nur noch für 1/3
der bei den Kommunen entstehenden Zuschussbedarfe aus dem 2.
Funktionalreformgesetz (Wirksamkeit ab dem Jahr 2010, Erfassung der
Jahre 2010 und 2011, Nichterfassung des Jahres 2012) der Fall. Ab dem
Jahr 2014 ist ein zusätzlicher Bedarf dann nicht mehr gegeben.
7. Die Nichtanrechnung der sonstigen Steuern als Einnahmen kann sys-
tematisch nicht überzeugen.
8. Es ist bisher weder überprüft worden, wie hoch die Zuschussbedarfe
sparsamer und effizienter Kommunen in Sachsen-Anhalt selbst sind,
noch hat ein Abgleich mit den durchschnittlichen Zuschussbedarfen
der Kommunen in vergleichbaren Ländern stattgefunden.
9. Die vom Land für die nächsten Jahre geplante weitere Kürzung der In-
vestitionspauschale könnte dazu führen, dass finanzschwächere Kom-
munen ihre Eigenmittel bei Investitionsvorhaben nicht mehr finanzieren
können.
19
10. Die Notwendigkeit eines Abbaus der Altdefizite wird im bisherigen Ver-
fahren zur Ermittlung eines angemessenen (laufenden) Finanzaus-
gleichsvolumens völlig ausgeblendet.
11. Die geplante weitere Abrechnung von Überzahlungen aus dem früheren
quotalen Finanzausgleich ist mit der Systematik eines aufgabenbezo-
genen Finanzausgleichs nur schlecht zu vereinbaren.
12. Es fehlt bisher an einer klaren und berechenbaren Perspektive und Pla-
nung der weiteren Entwicklung der Finanzausgleichsmasse bis zum
Jahr 2020.
Änderungsempfehlungen:
1. Regelmäßige Überprüfung der Angemessenheit der Finanzausgleichsmasse
mit Hilfe eines unmittelbaren Vergleichs der Zuschussbedarfe pro Einwohner
(im Bereich der Schulen pro gewichteten Schüler) mit den Ländern Nieder-
sachsen/Rheinland-Pfalz/Schleswig-Holstein und/oder Mecklenburg-Vorpom-
mern/Sachsen/Thüringen.
2. Die auf die Einwohnerzahl von Sachsen-Anhalt bezogenen Differenzen der
durchschnittlichen Zuschussbedarfe in den Jahren 2008 – 2010 liegen bei
323,8 Mio. Euro (ohne Einzelplan 4 bei 219,7 Mio. Euro) zu MV/SN/TH und
bei 360,1 Mio. Euro (ohne Einzelplan 4 bei 378,6 Mio. Euro) zu NI/RP/SH.
Sie zeigen, dass die Finanzbedarfe der Kommunen in Sachsen-Anhalt sich
z.Zt. noch weit oberhalb der Vergleichsländer bewegen. Die vorläufigen Er-
gebnisse der Kassenstatistik des Jahres 2011 lassen erkennen, dass sich
diese Unterschiede zwar rein rechnerisch wieder deutlich vergrößert haben,
für diese Entwicklung allerdings keineswegs mangelhafte Konsolidierungs-
fortschritte, sondern drei gut identifizierbare Sonderfaktoren verantwortlich
sind.
Um die Differenzen zu den Vergleichsländern bis zum Jahr 2020 abzubauen,
werden in diesem Gutachten zwei unterschiedliche Verfahren entwickelt.
Beim ersten werden die Zuschussbedarfe der Vergleichsländer als direkter
Maßstab verwendet und zur Abmilderung der notwendigen Anpassung in de-
gressiver Form (mit gleichmäßigen Abbauschritten bis zum Jahr 2020) ent-
sprechende Anpassungszuweisungen gewährt. Es kommt dann nicht zu ei-
ner plötzlichen massiven Kürzung, sondern zu einer kontinuierlichen und
lang gestreckten Anpassung an die Zuschussbedarfe, die sich in den Ver-
gleichsländern als auskömmlich herausgestellt haben.
3. Bei der zweiten Variante werden bei der jeweiligen Fortschreibung der Ba-
siswerte der Kommunen in Sachsen-Anhalt die Finanzbedarfe pro Einwohner
so lange (unter Beachtung neuer Konnexitätsverpflichtungen) real konstant
gehalten, d.h. nur mit der Preissteigerungsrate fortgeschrieben, bis die Lü-
cken zu den Vergleichsländern geschlossen sind. Bei diesem Verfahren er-
folgt zwar keine ständige direkte Orientierung an der Entwicklung der Ver-
20
gleichsländer, es ist aber dennoch regelmäßig zu überprüfen, ob sich die Lü-
cken planmäßig schließen.
4. Da beide Verfahren auf mittlere und längere Sicht bei einem trendmäßigen
realen gesamtwirtschaftlichen Wachstum von mehr als einem Prozent zu
vergleichbaren Ergebnissen führen dürften, sollte das ausgewählt werden,
dass einfacher, stetiger und berechenbarer ist. Diese Kriterien sprechen eher
für das Verfahren einer real konstanten Fortschreibung der Finanzbedarfe.
5. Die Kommunen in Sachsen-Anhalt weisen nicht nur erheblich höhere Zu-
schussbedarfe aus als die Vergleichsländer, sondern sie leisten sich (zu Las-
ten des Landeshaushalts) zugleich auch noch besonders niedrige Hebesätze
bei den Realsteuern, obwohl die Realsteuerkraft der Kommunen in Sachsen-
Anhalt deutlich höher liegt als in den drei östlichen Vergleichsländern.
Es empfiehlt sich deshalb eine Normierung mit den Hebesätzen der Ver-
gleichsländer. In der ersten Variante wird die Differenz zwischen der so be-
rechneten Steuerkraft und den tatsächlichen Steuereinnahmen in Sachsen-
Anhalt in Form einer degressiv gestalteten Anpassungszuweisung berück-
sichtigt. Bei der zweiten Variante wird (rechnerisch) bereits im Jahr 2012 mit
den durchschnittlichen gewichteten Hebesätzen aller sechs Vergleichsländer
(unterteilt nach kreisfreien Städten und kreisangehörigen Gemeinden nor-
miert. Die dadurch im Jahr 2012 entstehenden Differenzen werden allerdings
in Form von dauerhaft festgeschriebenen Festbeträgen neutralisiert. Diese
Regelung führt dazu, dass ein erhöhtes oder verringertes Hebesatzniveau
der Gemeinden insgesamt oder einer Teilgruppe (kreisfreie Städte oder
kreisangehörige Gemeinden) zukünftig keine Auswirkungen mehr auf die
Zuweisungen des Landes hätte und damit die bisher vorhandenen Fehlanrei-
ze beseitigt würden.
6. Zur Vermeidung von Vergleichsstörungen muss sich sowohl der Länderver-
gleich, als auch die unmittelbare Bedarfsermittlung in Sachsen-Anhalt selbst,
zunächst auf den gesamten lfd. Zuschussbedarf beziehen. Der gesamte lfd.
Zuschussbedarf muss aus der eigenen Steuerkraft und den lfd. Zuweisungen
vom Land innerhalb und außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs fi-
nanziert werden. Um vom gesamten tatsächlichen Zuschussbedarf aus Vor-
jahren zum angemessenen Finanzausgleichsvolumen in den Folgejahren zu
gelangen, sind deshalb in beiden Varianten verschiedene Rechenoperatio-
nen notwendig:
7. Ausgangswert in der ersten Variante ist der auf die Einwohnerzahl von Sach-
sen-Anhalt bezogene und in geeigneter Weise fortgeschriebene Zuschuss-
bedarf der ausgewählten Vergleichsländer in den statistisch erfassten drei
Referenzjahren (für das Finanzausgleichsjahr 2012 die Basisjahre 2008,
21
2009 und 2010). Die Fortschreibung erfolgt mit der in den Vergleichsländern
festgestellten Trendsteigerungsrate des Zuschussbedarfs pro Einwohner.
Diese liegt in den alten Ländern (wegen des dortigen Ausbaus der U3-
Betreuung) aktuell bei rd. 3%. Zu diesem Ausgangswert wird die Anpas-
sungszuweisung hinzu addiert. Sie beträgt im Jahr 2012 noch 8/11 und redu-
ziert sich im Jahr 2013 auf 7/11 des für den Zeitraum von 2008 - 2010 be-
rechneten Ausgangswertes. Der Ausgangswert setzt sich aus der Differenz
der Zuschussbedarfe zu den Vergleichsländern und der Differenz aus der
normierten Steuerkraft und den Steuereinnahmen zusammen.
Von dem durch die Anpassungszuweisung erhöhten Bedarfswert werden zu-
nächst die erwarteten lfd. Nettozuweisungen des Landes (durch eine aktuali-
sierte Fortschreibung ermittelt) an die Kommunen außerhalb des Finanzaus-
gleichs und die nach der jeweils aktuellsten Steuerschätzung erwartete (ge-
samte) Steuerkraft der Gemeinden (bei Hebesätzen wie in den jeweiligen
Vergleichsländern) abgezogen.
Der sich ergebende Betrag stellt das angemessene lfd. Finanzausgleichsvo-
lumen dar. Es wird durch die noch nicht erfassten Belastungen aus Konnexi-
tätsverpflichtungen des Landes, eine Tilgungszuweisung in Höhe der durch-
schnittlichen Pflichtzuführungen der Jahre 2008 – 2010 an den VermHH, Be-
darfszuweisungen in angemessener Höhe und die Investitionspauschale er-
gänzt.
Das Ergebnis stellt das fortschreibungsfähige angemessene Finanzaus-
gleichsvolumen dar, das in dieser Höhe in das FAG aufgenommen würde.
8. Ausgangspunkt beim vereinfachten Alternativverfahren ist der durchschnittli-
che Zuschussbedarf der Kommunen in Sachsen-Anhalt im letzten statistisch
verfügbaren Dreijahreszeitraum. Der ermittelte Durchschnittswert wird mit
dem Verbraucherpreisindex des Landes Sachsen-Anhalt auf das Finanzaus-
gleichsjahr fortgeschrieben, wobei für die noch nicht abgeschlossenen Jahre
Schätzwerte für den Preisindex verwendet werden.
Hinzugerechnet werden die zwischenzeitlich entstandenen oder im Finanz-
ausgleichsjahr entstehenden Mehr- oder Minderbelastungen der Kommunen
durch neue oder weggefallene Aufgaben, soweit sich die dadurch verursach-
ten Be- oder Entlastungen nicht bereits vollständig oder teilweise im statis-
tisch erfassten Dreijahreszeitraum niedergeschlagen haben.
Um zu real konstanten Fortschreibungen pro Einwohner zu gelangen, muss
die (geschätzte) Einwohnerentwicklung berücksichtigt werden. Als Ergebnis
erhält man den angemessenen lfd. Finanzbedarf (Zuschussbedarf) des Fi-
nanzausgleichsjahres.
Um zur angemessenen Finanzausgleichsmasse zu gelangen, muss im
nächsten Schritt die (geschätzte) Steuerkraft der Gemeinden abgezogen
werden. Hierfür werden die Schätzwerte der letzten regionalisierten Steuer-
schätzung verwendet (in aller Regel die der Mai-Steuerschätzung).
22
Die Steuerkraft entspricht den Steuereinnahmen, die sich in Sachsen-Anhalt
ergeben würden, wenn (getrennt nach kreisfreien Städten und kreisangehö-
rigen Gemeinden) die durchschnittlichen Hebesätze der Vergleichsländer
MV/NI/RP/SN/SH/TH verwenden würden (wobei dabei die formal kreisange-
hörige Landeshauptstadt Hannover als kreisfreie Stadt zu behandeln wäre).
Um den anfänglichen Effekt der Umstellung von den Steuereinnahmen zur
Steuerkraft zu neutralisieren, werden davon die entsprechenden Festbeträge
(=Differenz im Jahr der Umstellung) wieder abgezogen.
Nach Addition der vorgesehenen Zuweisungen für Tilgungen (durchschnittli-
che Pflichtzuführung der Jahre 2008 – 2010) bzw. Nettoabschreibungen, der
Bedarfszuweisungen und der Investitionspauschale ergibt sich das ange-
messene Finanzausgleichsvolumen.
Die Fortschreibung der jeweils neu ermittelten Basiswerte des Dreijahreszeit-
raums mit den jeweiligen Preissteigerungsraten wird so lange fortgesetzt, bis
sich die Lücke zu den Zuschussbedarfen der Vergleichsländer geschlossen
hat. Wie Modellrechnungen zeigen, dürfte dies bei einer normalen gesamt-
wirtschaftlichen Entwicklung spätestens bis zum Jahr 2020 möglich sein.
Wegen der Einfachheit und der engen Anbindung an die Entwicklungen in
Sachsen-Anhalt dürfte es sinnvoll sein, für die zukünftige Ermittlung und
Fortschreibung der angemessenen Finanzausgleichsmasse eher diesen Ver-
fahrensvorschlag zu übernehmen und zugleich durch einen regelmäßigen
Ländervergleich abzusichern, dass die Lücken bis zum Jahr 2020 tatsächlich
geschlossen werden können.
9. Bei einer Anwendung dieser Berechnungsmethode, (aber auch schon beim
Anpassungsverfahren) wären die übrigen Kritikpunkte aus der obigen Auf-
stellung bis auf den Punkt 10. erledigt. Da ein aufgabenbezogener Finanz-
ausgleich im Prinzip keinen Ausgleich von Altdefiziten beinhaltet, wäre zur
Lösung dieses Problems eine separate Lösung (STARK IV) notwendig, die
sich am erfolgreichen Programm STARK II orientieren könnte und zum Ziel
hätte, im Rahmen von überprüfbaren Vereinbarungen den betroffenen Kom-
munen Hilfe zur Selbsthilfe beim Abbau dieser Altdefizite zu leisten. Im Ge-
genzug könnte den Kommunen eine Umschuldung mit einer längerfristigen
Zinsfestschreibung erlaubt werden (nach entsprechender Gesetzesände-
rung).
B. Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die kommunalen
Gruppen
Kritische Punkte:
1. Eine „Bedarfsermittlung“ auf der Basis der durchschnittlichen Zu-
schussbedarfe von lediglich drei kreisfreien Städten ist statistisch nicht
vertretbar und führt zwangsläufig zu massiven Fehlsteuerungen.
23
2. Ein ergänzender Ländervergleich zum Abgleich der relativen Finanzbe-
darfe der kreisfreien Städte und des kreisangehörigen Raums ist nicht
vorgenommen worden.
Änderungsempfehlungen:
Zur angemessenen Aufteilung der Finanzausgleichsmasse in die Teilmassen
für die kreisfreien Städte und den kreisangehörigen Raum empfiehlt sich
ebenfalls ein Ländervergleich. Hierbei können die Länder MV/RP/SN/SH/TH
zu einer Vergleichsgruppe zusammengefasst werde. Das Land Niedersach-
sen ist hierfür deshalb nicht geeignet, weil die Landeshauptstadt Hannover in
der Finanzstatistik wie eine kreisangehörige Gemeinde behandelt wird.
Aus dem Ländervergleich ergibt sich insofern ein differenziertes Bild, dass
die drei kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt zwar auch Zuschussbedarfe
ausweisen, die über denen der kreisfreien Städte in den Vergleichsländern
liegen, aber relativ gesehen bei weitem nicht so stark wie der sachsen-
anhaltische kreisangehörige Raum. Durch entsprechend differenzierte An-
passungszuweisungen wäre es möglich, für die beiden kommunalen Teil-
gruppen das gleich Verfahren wie für das gesamte Finanzausgleichsvolumen
anzuwenden.
Im vereinfachten Verfahren sollte eine für die kreisfreien Städte angemesse-
ne Relation gegenüber dem kreisangehörigen Raum zwischen 127,0% (kor-
rigierter Durchschnitt der Jahre 2008 – 2011 in Sachsen-Anhalt) und 129,8%
(Durchschnittliche Relation der Jahre 2008 – 2010 in den Vergleichsländern)
bereits im Jahr 2013 umgesetzt und längerfristig festgeschrieben werden.
Damit würde zugleich auch die statistische Problematik gelöst, dass die tat-
sächlichen Ausgaben, Einnahmen und Hebesätze der drei kreisfreien Städte
im hohen Maße strategieanfällig würden, wenn sie weiterhin als Basis für die
Bestimmung des angemessenen Finanzausgleichsvolumens dienen sollten.
C. Ermittlung der Finanzbedarfe im übertragenen Wirkungskreis
Kritische Punkte:
1. Die tatsächlichen Ausgaben der Vorjahre werden als angemessene
Ausgaben für die Folgejahre interpretiert. Eine objektive Bestimmung
der notwendigen Ausgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung findet
bisher nicht statt.
2. Die quotale Aufteilung der Zuschussbedarfe innerhalb der Haushalts-
gliederungen auf die einzelnen Wirkungskreise hat keine wirklich objek-
tive empirische Basis, sondern beruht auf Einschätzungen der entspre-
chenden AG der Finanzstrukturkommission.
24
3. Die Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern werden durch eine
nicht konsistente Zurechnung der Einnahmen aus Umlagen benachtei-
ligt.
4. Bei konsistenter Zurechnung der Einnahmen aus Umlagen bräuchte
keine Unterscheidung zwischen kleinen und großen Gemeinden vorge-
nommen werden.
Änderungsempfehlungen:
Auf Grund der Verfassungslage in Sachsen-Anhalt dürfte es keine Alternative
zur Finanzierung des übertragenen Wirkungskreises durch steuerkraftunab-
hängige Zuweisungen geben. Deswegen muss versucht werden, das Be-
rechnungsverfahren zunächst einmal insofern konsistent zu gestalten, dass
die Einnahmen aus Umlagen (vor allem Verbandsgemeindeumlagen) auch
bei den kreisangehörigen Gemeinden nicht mehr als Einnahmen gegenge-
rechnet werden, weil sie wie bei den Kreisen aus Steuern und allgemeinen
Zuweisungen refinanziert werden.
Da die tatsächlichen Zuschussbedarfe in der Gesamtbetrachtung deutlich
oberhalb der notwendigen Zuschussbedarfe bei effizienter Aufgabenwahr-
nehmung liegen, muss dies (fast) zwangsläufig auch für die Zuschussbedarfe
im übertragenen Wirkungsbereich gelten, wobei sich prinzipiell eine ganze
Reihe von Verfahren eignet, die notwendigen Korrekturen zu berechnen.
Die Grenze solcher Korrekturen wäre dann erreicht, wenn die Verfassungs-
festigkeit nicht mehr gesichert ist. Bei der Festlegung der Höhe der Auftrags-
kostenerstattung geht es allerdings nicht um die Frage einer Mehr- oder Min-
derbelastung des Landes, sondern ausschließlich darum, ob die nach dem
Abzug der Auftragskostenerstattung noch verbleibenden Finanzausgleichs-
mittel ausreichen, einen angemessenen Ausgleich zwischen steuerschwa-
chen und steuerstarken Gemeinden zu organisieren.
Sollte sich das Land dafür entscheiden, eine allgemeine Finanzausgleichs-
umlage einzuführen, würde diese Frage obsolet, weil es mit Hilfe einer sol-
chen Umlage möglich ist (wenn sie politisch konsequent umgesetzt wird),
nicht nur die Vorgaben des Artikels 87 Abs. 3, sondern gleichzeitig auch die
des Artikels 88 Abs. 2 umzusetzen.
Eine allgemeine Finanzausgleichsumlage nach dem Vorbild Baden-
Württembergs hätte den Vorteil, dass sie nicht mit der bisherigen Rechtspre-
chung des Verfassungsgerichts zur Umsetzung einer selektiven Abundanz-
umlage kollidieren dürfte und auch technisch sehr viel einfacher handhabbar
wäre.
Solange sich der Aufgabenumfang und der Finanzierungsbedarf im übertra-
genen Wirkungskreis nicht erkennbar anders entwickelt als in den anderen
beiden Wirkungskreisen, erscheint es nicht notwendig, den Umfang der Auf-
25
tragskostenerstattung jährlich neu zu berechnen. Es dürfte völlig ausreichen,
einmal berechnete Beträge pro Einwohner real konstant zu halten, d.h. nur
mit der Preissteigerungsrate fortzuschreiben.
D. Ermittlung der Finanzbedarfe im eigenen Wirkungskreis
Kritische Punkte:
1. Siehe die Punkte 1. und 2. der kritischen Punkte zur Ermittlung der Fi-
nanzbedarfe im übertragenen Wirkungskreis.
2. Die Unterscheidung zwischen dem pflichtigen und dem freiwilligen ei-
genen Wirkungskreis verursacht einen hohen Rechenaufwand, ist aber
für die praktische Umsetzung des Finanzausgleichs völlig bedeutungs-
los.
Änderungsempfehlungen:
Da die Unterscheidung zwischen dem pflichtigen und dem freiwilligen eige-
nen Wirkungskreis keine praktische Relevanz hat, kann sie zukünftig auch
unterbleiben. Sollte sich das Land dazu entschließen, die Auftragskostener-
stattung nicht ständig neu zu berechnen, sondern pro Einwohner real kon-
stant zu lassen (also nur mit der Preissteigerungsrate fortzuschreiben), könn-
ten die entsprechenden Berechnungen im eigenen Wirkungskreis ebenfalls
deutlich vereinfacht werden, indem z.B. auch dort nur noch mit Indexwerten
oder Fallzahlen fortgeschrieben würde und grundlegend neue Berechnungen
nur alle 4 – 6 Jahre notwendig wären.
E. Aufteilung der für die allgemeinen Zuweisungen verbleiben-
den Masse
Kritischer Punkt:
Die bisherigen festen Quoten von 27 v. H. für die kreisfreien Städte,
29,97677 v. H. für die Landkreise und 43,02323 v. H. für die kreisangehö-
rigen Gemeinden stellen einen Systembruch dar. Sie stehen in einem of-
fensichtlichen Widerspruch zum getrennten Verfahren zur Ermittlung
des angemessenen Finanzausgleichsvolumens für die vier gebildeten
kommunalen Gruppen.
Änderungsempfehlungen:
Die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die kreisfreien Städte einer-
seits und den kreisangehörigen Raum andererseits sollte auch bei der Vertei-
lung der allgemeinen Zuweisungen strikt beibehalten werden.
26
Innerhalb des kreisangehörigen Raums kann sich die Aufteilung am Verhält-
nis der nicht durch die eigene Steuerkraft oder die Zuweisungen des Landes
außerhalb des FAG finanzierten Zuschussbedarfe (Zuschussbedarf IV) orien-
tieren.
F. Ermittlung der Bedarfsfaktoren bei den Gemeinden
Kritische Punkte:
1. Die bisherigen Bedarfsfaktoren beruhen lediglich auf vordergründigen
Plausibilitäten, nicht aber auf empirisch überprüften und bewährten
Hypothesen.
2. Die hohe Bedeutung der Quote der Kinder unter sechs Jahren für die
Höhe der Zuschussbedarfe pro Einwohner der kreisangehörigen Ge-
meinden (und der kreisfreien Städte) wird bei der Bedarfsermittlung nur
teilweise und auch nur außerhalb des Finanzausgleichs berücksichtigt.
3. Eine Abhängigkeit der Zuschussbedarfe pro Einwohner von der Zahl
der Einwohner (Hauptansatz) lässt sich im Bereich der kreisangehöri-
gen Gemeinden nicht belegen.
4. Eine große Fläche pro Einwohner wirkt sich statistisch gesehen bei
kreisangehörigen Gemeinden nicht belastend, sondern sogar entlas-
tend aus.
5. Die höheren Zuschussbedarfe in Mittelzentren lassen sich empirisch
gut belegen, der bisherige Zuschlag von 20% ist allerdings „freihändig“
und damit ohne empirische Grundlage festgelegt worden.
6. Die höheren Zuschussbedarfe pro Einwohner in stark schrumpfenden
Gemeinden sind empirisch gut belegbar, aber bisher im kommunalen
Finanzausgleich unbeachtet geblieben.
7. Die Differenzierung des Hauptansatzes zwischen großen und kleinen
kreisfreien Städten wird nicht hinreichend begründet.
8. Sonderfaktoren die dadurch entstehen, dass in Kurorten, militärischen
Standorten und in Hochschulstädten zum Teil deutlich mehr Personen
die kommunale Infrastruktur in Anspruch nehmen, als Einwohner im
FAG angerechnet werden, bleiben im bisherigen System ohne eine An-
erkennung als Bedarfsfaktoren.
Änderungsempfehlungen:
Mit Hilfe der Regressionsanalyse lassen sich im Bereich der kreisangehöri-
gen Gemeinden die tatsächlichen Bedarfsfaktoren relativ gut identifizieren
und hinsichtlich der mit ihnen zusammenhängenden Bedarfe (innerhalb sta-
tistischer Unsicherheitsbereiche) auch entsprechend quantifizieren.
Nicht ganz überraschend zeigt sich dabei, dass der Quote der Kinder unter 6
Jahren eine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch wenn die Zahlungen des
27
Landes (über die Landkreise) und der Landkreise selbst für die KiTa-
Betreuung neutralisiert werden, verbleibt pro Kind unter sechs Jahren noch
ein rechnerischer Bedarfsfaktor von 6,7, wobei ein Faktor von 1 dem Grund-
bedarf eines Einwohners entspricht.
Demgegenüber hat die Einwohnerzahl einer Gemeinde offensichtlich keinen
Einfluss auf den Zuschussbedarf pro Einwohner, und eine große Fläche pro
Einwohner führt entgegen vielfältigen Behauptungen sogar eher zu einer Ent-
lastung als zu einer Belastung. Von daher gibt es keine empirische Rechtfer-
tigung für den bisherigen Hauptansatz und erst recht keinen Grund für die
Einführung eines Flächenfaktors auf der Gemeindeebene. Zukünftig sollte
deshalb, unabhängig von der Gemeindegröße, jeder Einwohner mit dem
Faktor 1 bewertet werden.
Wie nicht anders zu erwarten, liegen die Zuschussbedarfe pro Einwohner bei
stark schrumpfenden Gemeinden in signifikanter Weise über denen von Ge-
meinden mit stabiler Bevölkerungsentwicklung. Um hier zu einer gewissen
Abfederung zu kommen, sollte das Land prüfen, ob es nicht sinnvoll sein
könnte, im FAG anstatt der aktuellen Einwohnerzahl die jeweils höchste Ein-
wohnerzahl der letzten drei oder fünf Jahre zu verwenden.
Weitgehend bestätigt wird dagegen der Zuschlag von 20% für die Mittelzen-
tren. Aus der Regressionsanalyse ergibt sich ein rechnerischer Zuschlags-
faktor von 18,5%.
Im Rahmen dieser Analyse war es nicht möglich, zu überprüfen, ob Kurorte,
militärische Standorte und Hochschulstädte im kreisangehörigen Raum be-
sondere Belastungen tragen, die sich nicht in der Einwohnerzahl nieder-
schlagen, aber ein Blick in andere Länder zeigt, dass solche Bedarfe grund-
sätzlich anerkannt werden und innerhalb oder außerhalb des Finanzaus-
gleichs Regelungen existieren, die zu einer Entlastung der entsprechenden
Gemeinden führen.
Das Land sollte deshalb prüfen, ob auch in Sachsen-Anhalt solche Sachver-
halte als Bedarfsfaktoren anzuerkennen sind.
Im Bereich der drei kreisfreien Städte stellt sich natürlich auch die Frage, wie
sich die Bedarfsrelationen zwischen den drei Oberzentren bestimmen lassen.
Da eine statistische Analyse bei nur drei Städten keinen Sinn ergibt, bleibt
(bis auf eine analoge Übertragung der Erkenntnisse aus dem kreisangehöri-
gen Raum zur Bedeutung der U6-Quote) auch hier kaum eine andere Mög-
lichkeit als ein Vergleich mit Regelungen für gleichartige Sachverhalte in an-
deren Ländern.
Aber auch ein solcher Ländervergleich hilft kaum weiter, da praktisch jedes
Land die Bestimmung der Bedarfe der Oberzentren und der kreisfreien Städ-
te auf seine eigene Weise geregelt hat, wobei neun der anderen zwölf Län-
28
der eine Einwohnerveredelung vornehmen und drei Länder die oberzentralen
Funktionen dotieren.
Da Sachsen keine kleineren kreisfreien Städte mehr aufweist, sind im Prinzip
nur acht Länder vergleichbar, wobei einige Länder den größeren kreisfreien
Städten relativ höhere und andere relativ niedrigere Hauptansätze als Sach-
sen-Anhalt zuordnen. Der Hauptansatz von 112% für Halle und Magdeburg
bei einem Ansatz von 100% für Dessau-Roßlau ist deshalb im Länderver-
gleich keineswegs auffällig, sondern bewegt sich im durchschnittlichen
Spektrum. Von daher wird hier keine Änderungsempfehlung abgegeben.
Da die Zuschussbedarfe pro Einwohner bei den drei kreisfreien Städten (vor
allem wegen der Wahrnehmung der Kreisaufgaben) erheblich höher liegen
als bei den kreisangehörigen Gemeinden, entspricht ein U6-Ansatz von 2,8
dem Bedarfsansatz von 6,7 bei den kreisangehörigen Gemeinden.
Der Hauptansatz der kreisfreien Städte sollte deshalb durch einen Nebenan-
satz mit einem Faktor von 2,8 pro Kind unter sechs Jahren ergänzt werden.
G. Erfassung der Steuerkraft der Gemeinden im horizontalen Fi-
nanzausgleich
Kritische Punkte:
1. Die bisherige Art des Abzugs der Gewerbesteuerumlage reduziert die
Mehr- bzw. Mindereinnahmen aus höheren bzw. niedrigeren Hebesät-
zen.
2. Die Glättung der Gewerbesteuerkraft durch die Durchschnittsbildung
aus drei früheren Jahren kann zu unerwünschten und starken Schwan-
kungen der Finanzkraft führen.
3. Der grundsätzliche Verzicht auf eine zeitnahe Erfassung der Steuerkraft
kann zu unerwünschten und unnötigen Schwankungen der Finanzkraft
der Gemeinden führen.
Änderungsempfehlungen:
Ein Abzug der Gewerbesteuerumlage vor der Normierung führt dazu, dass
ein Teil der hebesatzbedingten Mehr- oder Mindereinnahmen wieder kom-
pensiert wird. Um dies zu vermeiden, sollte die Gewerbesteuerumlage zu-
künftig (wie in anderen Ländern) erst nach der Normierung abgezogen wer-
den.
Die Einbeziehung der aus drei Jahren gebildeten durchschnittlichen Gewer-
besteuerkraft in das Ausgleichsverfahren hat (entgegen den Erwartungen)
nicht zu einer Verstetigung der Finanzkraft geführt, sondern vergrößert viel-
mehr die Schwankungen. Außerdem kommt es durch die stark verzögerten
29
Abrechnungen zu Zinsgewinnen für steuerstarke Gemeinden und wegen der
notwendigen längeren Vorfinanzierung zu einem zusätzlichen Zinsaufwand
für die steuerschwachen Gemeinden.
Zukünftig sollte die gesamte Steuerkraft so zeitnah wie möglich abgerechnet
werden und möglichst schon für das Jahr 2013 eine Referenzperiode zwi-
schen dem 1. Juli 2011 und dem 30. Juni 2012 festgelegt werden. Dass dies
technisch ohne weiteres möglich ist, wird durch andere Länder belegt.
H. Höhe der Ausgleichsquote zwischen den Gemeinden und Fi-
nanzausgleichsumlage
Kritische Punkte:
1. Für sehr steuerschwache Gemeinden reicht eine Ausgleichsquote von
70% häufig nicht aus, um eine angemessene Finanzierung der notwen-
digen Ausgaben bei effizienter Aufgabenwahrnehmung zu erreichen.
2. Das Fehlen einer Finanzausgleichsumlage führt dazu, dass der für die
allgemeinen Zuweisungen verbleibende Anteil der Finanzausgleichs-
masse zu gering werden kann um für sehr steuerschwache Gemeinden
eine angemessene Finanzausstattung zu ermöglichen.
Änderungsempfehlungen:
Je höher der Anteil der steuerkraftunabhängigen Zuweisungen ausfällt und je
niedriger die Ausgleichsquote ist, desto geringer wird die erreichbare Finanz-
kraft pro Bedarfseinheit für steuerschwache Gemeinden. Da eine objektiv
unzureichende Finanzausstattung bei sparsamen und effizientem Verhalten
einer Gemeinde kaum noch mit der Vorgabe des Artikels 88 Abs. 2 zu ver-
einbaren wäre, sollte zumindest für sehr steuerschwache Gemeinden eine
zusätzliche Anhebung der Finanzkraft erfolgen.
Dies kann in der Form geschehen, dass in einer ersten Stufe des Finanzaus-
gleichs eine Aufstockung der Steuerkraft um z.B. 80% der Differenz zu 80%
der durchschnittlichen Steuerkraft pro Einwohner oder pro Bedarfseinheit er-
folgt.
Das Problem einer solchen Lösung im jetzigen System besteht allerdings da-
rin, dass die Finanzierung einer solchen Aufstockung nur durch die Gemein-
den erfolgt, die ihrerseits auf allgemeine Zuweisungen angewiesen sind.
Wesentlich effektiver und gerechter ließen sich die spezifischen Probleme
der steuerschwachen Gemeinden durch die Einführung einer allgemeinen
Finanzausgleichsumlage nach dem Vorbild von Baden-Württemberg lösen.
30
I. Ermittlung der Bedarfsfaktoren für die Landkreise
Kritische Punkte:
1. Die bisherigen Bedarfsfaktoren beruhen lediglich auf vordergründigen
Plausibilitäten, nicht aber auf empirisch überprüften und bewährten
Hypothesen
2. Eine große Fläche pro Einwohner wirkt sich auf die laufenden Zu-
schussbedarfe auch bei den Landkreisen nicht belastend, sondern eher
entlastend aus.
Änderungsempfehlungen:
Auch auf der Ebene der Landkreise gibt es keine empirisch überzeugenden
Belege dafür, dass eine große Fläche pro Einwohner in der Gesamtbetrach-
tung ein die laufende Rechnung belastender Faktor ist. Von daher sollte zu-
künftig auf die Fläche als Bedarfsindikator bei der Verteilung laufender Zu-
weisungen verzichtet werden.
J. Bestimmung der Umlagekraft und der Umlagen
Kritische Punkte:
1. Der normierte Umlagesatz von 35% liegt um fünf Punkte unter dem
durchschnittlichen Umlagesatz von rd. 40%. Es kommt damit zu einer
Umverteilung zugunsten der umlagestarken und zulasten der umlage-
schwachen Landkreise.
2. Die Berechnung der Gewerbesteuerkraft auf der Basis des Durch-
schnitts von drei Jahren kann bei den Gemeinden zu erheblichen
Schwankungen der nach der Kreisumlage noch verbleibenden Finanz-
kraft führen.
3. Während für die Umlagekraft die allgemeinen Zuweisungen des Finanz-
ausgleichsjahres berücksichtigt werden, wird die Umlage selbst auf der
Basis der allgemeinen Zuweisungen (und der Steuerkraft) des Vorvor-
jahres erhoben.
Änderungsempfehlungen:
Der normierte Satz für die Berechnung der Umlagekraft sollte in Höhe des
gewichteten Durchschnitts der Umlagesätze aller elf Landkreise festgelegt
werden.
Vor allem aus dem Blickwinkel der Gemeinden sollte die Gewerbesteuerkraft
möglichst zeitnah erfasst werden.
31
Die Umlagen des Finanzausgleichsjahres sollten zukünftig auf der Basis der
zeitnah erfassten Steuerkraft und der allgemeinen Zuweisungen des Finanz-
ausgleichsjahres erhoben werden.
K. Höhe der Ausgleichsquote bei den Landkreisen
Kritische Punkte:
1. Im Kreisfinanzausgleich gibt es keine überzeugenden Argumente, die
Ausgleichsquote auf lediglich 70% zu beschränken.
2. In steuerschwachen Landkreisen und erst recht in steuerschwachen
Verbandsgemeinden (in insgesamt steuerschwachen Landkreisen)
führt die dann notwendige extrem hohe Umlagebelastung dazu, dass
steuerschwache kreisangehörigen Gemeinden nach der Finanzierung
der Umlagen häufig nur noch so wenig allgemeine Deckungsmittel üb-
rig behalten, dass sie ihre notwendigen Ausgaben bei effizienter Auf-
gabenerfüllung nicht mehr finanzieren können.
Änderungsempfehlungen:
Zukünftig sollte die Ausgleichsquote im Kreisfinanzausgleich im Interesse der
steuerschwachen Gemeinden in umlageschwachen Landkreisen auf etwa
80 – 90% angehoben werden.
L. Finanzierung der Verbandsgemeinden
Kritische Punkte:
1. Die Mehrfachbenachteiligung kleinerer und steuerschwacher Gemein-
den im kommunalen Finanzausgleich führt dazu, dass steuerschwache
Gemeinden in steuerschwachen Verbandsgemeinden und Landkreisen
nach Abführung der Umlagen ihre notwendigen Ausgaben bei effizien-
ter Aufgabenwahrnehmung nicht mehr finanzieren können.
2. Die Zersplitterung der Investitionspauschale innerhalb der Verbands-
gemeinden erschwert die Finanzierung größerer Projekte.
Änderungsempfehlungen:
Die Kumulation von Kreisumlage und Verbandsgemeindeumlage auf bis zu
96% der Umlagegrundlagen beruht im Regelfall nicht auf einer besonderen
großzügigen Ausgabenpolitik der entsprechenden Kreise und Verbandsge-
meinden, sondern auf einer Mehrfachbenachteiligung kleinerer steuerschwa-
cher Gemeinden.
32
Diese Situation lässt sich nicht durch eine Umverteilung innerhalb der einzel-
nen Verbandsgemeinden verändern, sondern nur durch eine gezielte Besei-
tigung der Benachteiligungen kleinerer steuerschwacher Gemeinden.
Geeignete Maßnahmen sind eine Vorabaufstockung für steuerschwache
Gemeinden, der Wegfall der empirisch nicht belegbaren Einwohnerverede-
lung im kreisangehörigen Raum, die Beseitigung des systematischen Fehlers
bei der Bestimmung der Höhe der Auftragskostenpauschale der kleineren
Gemeinden, die realistische Festlegung des normierten Umlagesatzes im
Kreisfinanzausgleich, die Erhöhung der Ausgleichsquote im Kreisfinanzaus-
gleich und die Einführung einer ergiebigen allgemeinen Finanzausgleichsum-
lage.
Um innerhalb der Verbandsgemeinden die wirklich wichtigen Investitionen
durchführen zu können, sollte der größere Teil der Investitionspauschale
unmittelbar den Verbandsgemeinden zugewiesen werden.
M. Verteilung steuerkraftunabhängiger laufender Zuweisungen
Kritische Punkte:
1. Die Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern werden bisher bei
der Verteilung der Auftragskostenerstattung benachteiligt, ohne dass
sie an anderer Stelle eine Kompensation erhalten.
2. Die teilweise Verteilung der besonderen Zuweisungen für die Aufga-
benübertragung nach dem Ersten und Zweiten Funktionalreformgesetz
nach der Fläche lässt sich empirisch nicht begründen.
3. Obwohl die meisten Zuweisungen im FAG keiner Zweckbindung unter-
liegen und zum Teil nach den gleichen Maßstäben verteilt werden, gibt
es unterschiedliche Zuweisungstöpfe.
Änderungsempfehlungen:
1. Die Auftragskostenpauschale sollte auch bei den kreisangehörigen Gemein-
den ohne eine bedarfsmindernde Einbeziehung der Einnahmen aus Umlagen
berechnet werden. Da die rechnerischen Unterschiede zwischen den kleinen
und den größeren Gemeinden nach einer Beseitigung dieses systematischen
Fehlers weitgehend verschwinden, sollten alle kreisangehörigen Gemeinden
eine einheitliche Auftragskostenpauschale pro Einwohner erhalten.
2. Die Verteilung der besonderen Zuweisungen sollte ausschließlich nach Ein-
wohnern erfolgen.
3. Nicht zweckgebundene Zuweisungstöpfe, deren Mittel nach den gleichen Kri-
terien verteilt werden, sollten zusammengeführt werden.
33
N. Verteilung der Investitionspauschale
Kritische Punkte:
1. Das jetzige Verfahren zur Verteilung der Investitionspauschale weist an
der Abundanzschwelle eine massive Sprungstelle (von 100% auf 0%)
auf und führt deshalb in diesem Bereich zu übernivellierenden Effekten.
2. Die Zersplitterung der Investitionspauschale innerhalb der Verbands-
gemeinden erschwert die Finanzierung größerer Projekte.
3. Im Bereich der drei kreisfreien Städte lässt sich die Verteilung eines An-
teils von 25% nach der Fläche weder theoretisch noch empirisch be-
gründen.
4. Die Vorabentnahme von 10 Mio. Euro zur Kofinanzierung von nach dem
Entflechtungsgesetz geförderten Straßenbauprojekten kann wegen der
spezifischen Zweckbindung und der unsystematischen Zusatzförde-
rung „finanzschwacher Kommunen“ nicht überzeugen.
Änderungsempfehlungen:
1. Zur Vermeidung der verfassungsrechtlich bedenklichen Sprungstelle an der
Abundanzschwelle sollte ein gleitendes Verfahren gewählt werden. In einem
zusätzlichen Rechengang würden dabei die drei Schlüsselmassen um die
den kommunalen Gruppen jeweils zugeordneten Massen für die Investitions-
pauschalen erhöht und die Differenzen als Investitionspauschalen zugewie-
sen.
2. Um innerhalb der Verbandsgemeinden die wirklich wichtigen Investitionen
durchführen zu können, sollte der größere Teil der Investitionspauschale
unmittelbar den Verbandsgemeinden zugewiesen werden.
3. Zwischen den drei kreisfreien Städten sollte die Investitionspauschale aus-
schließlich nach Einwohnern verteilt werden.
4. Auf die Vorabentnahme von 10 Mio. Euro sollte zukünftig verzichtet werden.
O. Krankenhausinvestitionsumlage
Kritischer Punkt:
In Ländern mit steuerstarken Gemeinden wird der Gemeindeanteil an
den Krankenhausinvestitionen aus eigenen Mitteln finanziert. In Sach-
sen-Anteil ist dies nicht der Fall. Die Kommunen erhalten vom Land zu-
nächst lfd. oder investive Mittel, die sie dann als Krankenhausinvestiti-
onspauschale wieder an das Land zurück überweisen.
Änderungsempfehlung:
Änderung der gesetzlichen Grundlage durch Wegfall der Krankenhausinves-
titionsumlage.
34
2. Die verfassungsrechtliche Vorgabe eines aufgabenbezogenen
kommunalen Finanzausgleichs in Sachsen-Anhalt
Mit dem Finanzausgleichsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt werden wesentliche
Teile der Verfassungsaufträge des Grundgesetzes und der Verfassung des Landes
Sachsen-Anhalt zur Finanzausstattung der Gemeinden und Gemeindeverbände um-
gesetzt.
Nach Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes muss den Gemeinden das Recht gewähr-
leistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Geset-
ze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rah-
men ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht
der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die
Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine
den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquel-
le.
Nach Artikel 106 Abs. 7 des Grundgesetzes fließt vom Länderanteil am Gesamtauf-
kommen der Gemeinschaftsteuern den Gemeinden und Gemeindeverbänden insge-
samt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im Übrigen
bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landes-
steuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.
Nach Artikel 87 Abs. 3 der Landesverfassung kann das Land den Kommunen durch
Gesetz Pflichtaufgaben zur Erfüllung in eigener Verantwortung zuweisen und staatli-
che Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen. Dabei ist gleichzeitig die De-
ckung der Kosten zu regeln. Führt die Aufgabenwahrnehmung zu einer Mehrbelas-
tung der Kommunen, ist ein angemessener Ausgleich zu schaffen.
Nach Artikel 88 Abs. 1 sorgt das Land dafür, dass die Kommunen über Finanzmittel
verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind.
Nach 88 Abs. 2 ist die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen angemessen
auszugleichen. Bei besonderen Zuweisungen des Landes an leistungsschwache
Kommunen oder bei der Bereitstellung sonstiger Fördermittel ist das Selbstverwal-
tungsrecht zu wahren.
Die Vorgaben des Artikels 28 des Grundgesetzes und des Artikels 88 der Landesver-
fassung zur Gewährleistung der Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung und
zur Ausstattung mit Finanzmitteln, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben
erforderlich sind und des Artikels 106 des Grundgesetzes, den Gemeinden und Ge-
meindeverbänden einen von der Landesgesetzgebung zu bestimmenden Hundert-
satz vom Länderanteil an den Gemeinschaftsteuern zufließen zu lassen, stehen in
einem nicht ganz einfach lösbaren Spannungsverhältnis.
Ein sehr hoher und großzügig bemessener Hundertsatz, der auch bei schwacher
Konjunktur und niedrigen Steuereinnahmen den Vorgaben der Artikel 28 GG und 88
35
LV LSA entsprechen würde, wäre für den Landeshaushalt kaum finanzierbar und
könnte deshalb leicht zu Verfassungsverstößen durch eine Überschreitung der zu-
lässigen Grenzen für die Kreditaufnahme des Landes führen.
Ein zu niedriger Hundertsatz wiederum genügt bei schwacher Konjunktur den verfas-
sungsrechtlichen Vorgaben zur angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden
nicht, zumal dann im Regelfall auch die eigenen Steuereinnahmen der Gemeinden
zurückgehen. Erschwerend kommt deshalb hinzu, dass ein fester Hundertsatz fast
zwangsläufig zu einem prozyklischen Abrechnungssystem führen muss. Bei anzie-
hender Konjunktur werden die Steuereinnahmen des Landes regelmäßig unter-
schätzt und bei abflauender Konjunktur eher überschätzt.
Da die späteren Positivabrechnungen zumeist bei guter und die Negativabrechnun-
gen bei schlechter Konjunktur erfolgen, kommt es zu den prozyklischen Kumulati-
onseffekten. Bei guter Konjunktur werden deshalb zusätzliche Ausgaben getätigt und
bei schlechter wiederum die Ausgaben und insbesondere die Investitionen entspre-
chend reduziert. Volkswirtschaftlich, aber auch kommunalpolitisch, sind beide Verhal-
tensweisen kontraproduktiv1.
Volkswirtschaftlich und kommunalpolitisch sehr viel sinnvoller als ein fester Hundert-
satz ist deshalb eine konjunkturunabhängige, stetige und berechenbare Finanzkraft
der Kommunen (als Summe aus der eigenen Steuerkraft und den gesamten Zuwei-
sungen des Landes), die so bemessen ist, dass sie den Vorgaben der Artikel 28 GG
und 88 LV LSA entspricht.
Konsequenterweise hat sich der Landesgesetzgeber in Sachsen-Anhalt deshalb mit
der Novellierung des FAG vom 16. Dezember 2009 dazu entschlossen, die Finanz-
ausgleichsmasse nicht mehr als (feste) Quote der Steuereinnahmen des Landes
festzulegen, sondern von der jeweiligen Leistungsfähigkeit des Landes abzukoppeln.
Maßstab ist nunmehr die Aufgabenbezogenheit des kommunalen Finanzausgleichs,
die im Koalitionsvertrag vom 13. April 2011 nochmals ausdrücklich bestätigt wurde.
In konjunktureller Hinsicht bedeutet dieser Maßstab zwangsläufig, dass bei schwa-
cher Steuerkraftentwicklung der Gemeinden das Finanzausgleichvolumen entspre-
chend zu erhöhen ist, bei guter Steuerkraftentwicklung dagegen abgesenkt werden
kann. Oder anders gesagt, die Summe aus der Steuerkraft der Gemeinden und der
Finanzausgleichsmasse sollte sich so stetig und berechenbar wie möglich und damit
konjunkturunabhängig entwickeln.
Da eine Festlegung der Finanzausgleichsmasse als Differenz zwischen dem Finanz-
bedarf und der (konjunkturabhängigen) kommunalen Steuerkraft ganz offensichtlich
nicht mit dem Wortlaut des Artikels 106 Abs. 7 GG übereinstimmt, wurde im § 20 des
Haushaltsgesetzes 2012/2013 der folgende Ausweg gewählt:
1 Vgl. hierzu bereits Deubel, I., 1984, Der kommunale Finanzausgleich in Nordrhein-Westfalen, Köln
u.a.O., S. 95 ff.
36
„Das Land stellt den Gemeinden, Verbandsgemeinden und Landkreisen als Finanz-
ausgleichsmasse nach dem Finanzausgleichsgesetz vom 16. Dezember 2009 (GVBl.
LSA S. 684), geändert durch § 38 Abs. 4 des Gesetzes vom 10. Dezember 2010
(GVBl. LSA S. 569, 577), 18 v. H. des Landesanteils am Aufkommen der Gemein-
schaftsteuern bereit. Abweichend hiervon beträgt die Finanzausgleichsmasse. . . “.
Mit diesem Kunstgriff wird formal dem Artikel 106 Abs.7 GG Rechnung getragen, tat-
sächlich liegt die Finanzausgleichsmasse im Jahr 2012 jedoch nicht bei 18%, son-
dern (sofern nur die Gemeinschaftsteuern, nicht aber die Leistungen aus dem födera-
len Finanzausgleich einbezogen werden) bei rd. 29%.
Aus kommunaler Sicht ist dieser Kunstgriff schon deshalb sinnvoll, weil durch die
Artikel 87 und 88 LV LSA ein wesentlich intensiverer Schutz der Kommunen vorge-
geben wird als durch den Artikel 106 Abs. 7 GG. Denn im Gegensatz zu manch an-
deren Ländern ohne entsprechende Schutzklauseln in der Verfassung kann sich das
Land Sachsen-Anhalt nicht darauf berufen, dass die eigene finanzielle Leistungsfä-
higkeit zur Erfüllung der Vorgaben der Artikel 87 und 88 LV LSA nicht ausreicht.
Dennoch kann bei der konkreten Interpretation und Umsetzung des Artikels 88 LV
LSA die finanzielle Situation des Landes natürlich nicht völlig außen vor bleiben. Bei
der Konkretisierung des Begriffs der „Angemessenheit“ ist nämlich auch zu berück-
sichtigen, ob es sich um ein - gemessen an der Finanzkraft - reiches oder eher ar-
mes Land handelt.
In finanziell gut ausgestatteten Ländern wie Hessen, Bayern und Baden-
Württemberg bedeutet „angemessen“ sicherlich deutlich mehr als eine Mindestfi-
nanzausstattung der Kommunen zur Erfüllung der pflichtigen und eines Minimums an
Aufgaben im freiwilligen Bereich. Wenn aber ein Land seinen eigenen verfassungs-
rechtlichen Vorgaben nicht mehr oder nur so gerade nachkommen kann, muss der
Begriff der „Angemessenheit“ natürlich sowohl im pflichtigen als auch im freiwilligen
Bereich sehr viel enger und restriktiver interpretiert werden.
Im § 2 Abs. 2 des FAG hat der Landesgesetzgeber deshalb die folgende Konkretisie-
rung vorgenommen: „Maßstab der Bemessung der Landeszuweisungen sind die
notwendigen Ausgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung“.
Da ohne Frage zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung nicht nur die
pflichtigen, sondern auch ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben gehört, darf der
Begriff der „notwendige Ausgaben“ dabei nicht fehlinterpretiert werden, auch soge-
nannte „freiwillige“ Aufgaben können „notwendig“ sein.
Noch schwieriger ist die konkrete Beurteilung, was unter einer „effizienten Aufgaben-
erfüllung“ genau zu verstehen ist. „Effizienz“ ist nämlich eigentlich ein absoluter Maß-
stab, der zwar häufig als Ziel formuliert wird, aber bei komplexen und differenzierten
Sachverhalten quantitativ nur sehr selten eindeutig bestimmt werden kann.
37
Es geht dabei nämlich nicht um eine reine Kostenminimierung, sondern um die Mini-
mierung der Kosten bei einer gegebenen Leistung oder eine Maximierung der Leis-
tung bei gegebenen Kosten.
Sehr viel einfacher handhabbar ist der Begriff der relativen Effizienz. Wenn viele
Verwaltungen eine bestimmte Leistung (z.B. eine Kfz-Anmeldung) in gleichwertiger
Qualität erstellen, ist diejenige relativ effizient, die dies (bei Beachtung aller rechtli-
chen Vorgaben und der Erfüllung von gegebenen Standards aus der Sicht der Nut-
zer) mit minimalen Kosten realisiert.
Da Kommunen, zumindest im pflichtigen Bereich, in sehr hohem Maße und durchaus
auch länderübergreifend vergleichbare Leistungen erbringen (müssen), ist das Kon-
zept der relativen Effizienz durchaus geeignet, eine Operationalisierung der im FAG
konkretisierten Maßstäbe für den Begriff der „Angemessenheit“ vorzunehmen.
Die bisherige Praxis der Ermittlung des aufgabenangemessenen Finanzausgleichs-
volumens in Sachsen-Anhalt ist davon allerdings noch sehr weit entfernt.
Mit den sehr sachkundigen und akribischen Auswertungen der letzten kommunalen
Jahresrechnungen und Kassenstatistiken ist in Sachsen-Anhalt eine differenzierte
und durchaus belastbare Grundlagenarbeit zur Erfassung und Beschreibung der für
einzelne Aufgaben und Aufgabenbereiche sowie der von verschiedenen Gruppen
von kommunalen Gebietskörperschaften tatsächlich eingesetzten finanziellen Mittel
erarbeitet worden. Auch die vorgenommene Ableitung des voraussichtlichen tatsäch-
lichen Mitteleinsatzes für die Folgejahre ist (bei statischer Betrachtung) durchaus
nachvollziehbar.
Der entscheidende Punkt ist allerdings, dass beim bisherigen Verfahren (von ganz
wenigen Ausnahmen abgesehen) nur der tatsächliche Mitteleinsatz beschrieben und
fortgeschrieben wird. Die im FAG genannten Maßstäbe der „Notwendigkeit“ und der
„Effizienz“ bleiben dabei fast vollständig außen vor. Nur im Bereich der kostenrech-
nenden Aufgaben (und nur dort, wo normalerweise eine volle Kostendeckung zu er-
warten ist) werden die entstandenen tatsächlichen Zuschussbedarfe nicht zugleich
auch als „angemessene“ Finanzbedarfe akzeptiert.
Die jüngsten Beratungen zum FAG im Landtag haben allerdings in überdeutlicher
Form gezeigt, dass die sehr differenzierte Erfassung des tatsächlichen Mitteleinsat-
zes und die Aufteilung der so ermittelten Finanzausgleichmasse auf die unterschied-
lichen Zuweisungstöpfe und kommunalen Gruppen im Ergebnis so komplex er-
scheint, dass die eigentlich erwünschte Nachvollziehbarkeit und Transparenz weit-
gehend auf der Strecke geblieben ist.
Zwar lehrt die Erfahrung, dass es einen einfachen und zugleich gerechten kommuna-
len Finanzausgleich leider nicht geben kann, aber es sollte eben auch nicht so sein,
dass sich das System nur noch ganz wenige Experten erschließt.
38
Von daher kann es nicht verwundern, dass der Landtag im Dezember 2011 die zah-
lenmäßigen Festlegungen im Gesetz zur Änderung des FAG nicht, wie eigentlich
geplant, für zwei Jahre, nämlich für 2012 und 2013 beschlossen hat, sondern zu-
nächst einmal nur für 20122.
Für das Jahr 2013 erwarten der Landtag (und wohl auch große Teile der kommuna-
len Familie) nunmehr ein weitgehend überarbeitetes FAG. Seine Erwartungen für die
Ziele und Inhalte einer solchen Novellierung hat der Landtag in einem entsprechen-
den Beschluss zusammengefasst3:
1. Der Landtag bekräftigt seine Absicht, das Modell des aufgabenangemessenen
Finanzausgleichs auch zukünftig fortzuführen.
2. Es ist Wille des Landtages, das Finanzausgleichsgesetz systematisch weiter-
zuentwickeln und eine entsprechende Novelle zum 1. Januar 2013 zu verab-
schieden. Insbesondere folgende Regelungsbedarfe sollen aufgegriffen wer-
den:
a) Einführung von Anreizen für kommunale Konsolidierungsanstrengungen;
b) Ermittlung des notwendigen Finanzbedarfes für die laufenden und investi-
ven Aufgaben unter Berücksichtigung der Angemessenheit des Ausgabever-
haltens der Kommunen als zukünftige (und am Ende eines Anpassungszeit-
raums) Grundlage der Kommunalfinanzierung;
c) Prüfung der Verteilungsgerechtigkeit zwischen und innerhalb der kommuna-
len Gruppen und Berücksichtigung unterschiedlicher Bedarfe bedingt durch
Fläche und Bevölkerungsdichte;
d) Vorschläge, durch welche Maßnahmen die betroffenen Oberzentren, unter
Zugrundelegung der bevorstehenden verfassungsgerichtlichen Entscheidung
zur Stadt-Umland-Umlage des Landes Mecklenburg-Vorpommern, für ihren
anerkannten Mehraufwand finanziell entlastet werden können;
e) Beteiligung der Kommunen an den Solidarpaktmitteln in Form einer Investi-
tionspauschale im FAG;
f) Prüfung der Abschaffung der Krankenhausumlage nach § 2 Abs. 3 KHG
LSA.
3. Zu den in Punkt 2 genannten Absichten erwartet der Landtag Vorschläge der
Landesregierung unter Einbeziehung der Ergebnisse des beauftragten Gut-
achtens zur Weiterentwicklung des Finanzausgleichs und der kommunalen
Spitzenverbände.
2 GVBl. LSA Nr. 27/2011, ausgegeben am 29.12.2011, Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichs-
gesetzes und des Verbandsgemeindegesetzes vom 21. Dezember 2011. 3 Vgl. Landtag von Sachsen-Anhalt, 2011, Drucksache 6/680.
39
Begründung4 Der Landtag hat beginnend mit dem Jahr 2010 eine umfassende Neuordnung des
kommunalen Finanzausgleichs in Sachsen-Anhalt vorgenommen. Damit verbun-
den ist eine stärkere aufgabenbezogene Finanzausstattung aller kommunalen
Gruppen. Beim Vollzug des FAG 2010/2011, noch mehr aber bei dessen Fortfüh-
rung für 2012 zeigten sich eine Reihe von Detailproblemen, für die es ausgewo-
gener Lösungen zwischen den Kommunen wie zwischen Land und Kommunen
bedarf. Deshalb wird der Geltungszeitraum auf das Jahr 2012 begrenzt und Er-
wartungen an die Landesregierung und den von der Landesregierung beauftrag-
ten Gutachter hinsichtlich der Neugestaltung des kommunalen Finanzausgleichs
ab dem Jahr 2013 formuliert.
Mit seinem Beschluss vom 15.12.2011 hat der Landtag seine Erwartungen an die
Landesregierung und an dieses Gutachten deutlich und nachvollziehbar formuliert.
Im Laufe der folgenden Untersuchung werden die vom Landtag vorgegebenen Rege-
lungsinhalte deshalb systematisch untersucht und – soweit als notwendig angesehen
– entsprechende Gestaltungsvorschläge unterbreitet.
3. Rahmenbedingungen für die Finanzausstattung des Landes
Sachsen-Anhalt und seiner Kommunen bis zum Jahr 2020 im
Ländervergleich
Um ihre Infrastrukturdefizite auszugleichen, aber auch zum Ausgleich der weit unter-
durchschnittlichen kommunalen Steuerkraft, erhalten die neuen Länder im Rahmen
des Solidarpakts II bis einschließlich des Jahres 2019 degressiv verlaufende Son-
derbedarfsergänzungszuweisungen und im sogenannten Korb II überproportionale
investive Zuweisungen vom Bund und aus europäischen Fonds.
Zusammen mit den Sonderbedarfsergänzungszuweisungen zum Ausgleich von Son-
derlasten durch die strukturelle Arbeitslosigkeit und den normalen Leistungen im fö-
deralen Finanzausgleich verfügen die neuen Länder deshalb (in degressiver Form)
bis einschließlich des Jahres 2019 noch über deutlich höhere Einnahmen als die al-
ten Flächenländer.
Da zugleich Ende 2019 das bisherige föderale Finanzausgleichgesetz ausläuft, kann
zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch der Ausgleichsgrad des
„normalen“ föderalen Finanzausgleichs weiter verringert. Im Weiteren soll allerdings
davon ausgegangen werden, dass es zu einer unveränderten Fortschreibung kommt.
4 Die Begründung ist dem Entschließungsantrag der Fraktionen CDU und SPD, Drucksache 6/660
entnommen.
40
Tabelle 1:
Quellen: BMF (Steuerschätzung vom November 2011 und vorläufige Abrechnung des föderalen Finanzausgleichs 2011), BMWi (Daten zur Poten-
zialschätzung), Statistisches Bundesamt (12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung) sowie eigene Berechnungen und Projektionen
2011Einwohner in1000
- in Mio. Euro - - in Euro pro E - in % der aFL - - in Mio. Euro - - in Euro pro E
Steuerkraft der Länder 5.315 2.288 91,3% 157.841 2.505
Länderfinanzausgleich 532 229 -6.341 -101
allgemeine BEZ 217 93 330 5BEZ wegen Kosten politischer Führung 53 23 163 3Finanzkraft der Länder ohne Sonderförderung 6.116 2.633 109,2% 151.993 2.412Steuerkraft der Gemeinden 1.348 580 56,4% 64.799 1.028Finanzkraft der Länder und Gemeinden ohne Sonderförderung 7.464 3.213 93,4% 216.792 3.440BEZ wegen teilungsbedingter Lasten 1.263 544 0 0BEZ wegen struktureller Arbeitslosigkeit 187 81 0 0Finanzkraft der Länder mit Sonderförderung 7.566 3.257 135,0% 151.993 2.412Finanzkraft der Länder und Gemeinden mit Sonderförderung 8.914 3.838 111,5% 216.792 3.440nachrichtlich: Korb II und europäische Mittel 726 313 0 0
Finanzkraft der Länder und Gemeinden mit Sonderförderung einschl.
Korb II und EU9.640 4.150 120,6% 216.792 3.440
2020Einwohner in1000
- in Mio. Euro - - in Euro pro E - in % der aFL - - in Mio. Euro - - in Euro pro ESteuerkraft der Länder 6.685 3.181 91,9% 214.751 3.460Länderfinanzausgleich 593 282 -8.316 -134allgemeine BEZ 249 118 454 7BEZ wegen Kosten politischer Führung 53 25 163 3Finanzkraft der Länder ohne Sonderförderung 7.579 3.606 108,1% 207.052 3.336Steuerkraft der Gemeinden 1.819 866 60,4% 88.927 1.433Finanzkraft der Länder und Gemeinden ohne Sonderförderung 9.377 4.462 93,6% 295.979 4.769BEZ wegen teilungsbedingter Lasten 0 0 0 0BEZ wegen struktureller Arbeitslosigkeit 75 36 0 0Finanzkraft der Länder mit Sonderförderung 7.654 3.642 109,2% 207.052 3.336Finanzkraft der Länder und Gemeinden mit Sonderförderung 9.472 4.508 94,5% 295.979 4.769nachrichtlich: Korb II und europäische Mittel 100 48 0 0Finanzkraft der Länder und Gemeinden mit Sonderförderung einschl.
Korb II und EU9.572 4.555 95,5% 295.979 4.769
2.101 62.063
alte FlächenländerSachsen-Anhalt
Entwicklung der absoluten und relativen Finanzkraft der Gemeinden
und des Landes Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020 im Ländervergleich
2.323 63.015
41
Während das Auslaufen der Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen wegen
teilungsbedingter Lasten und der überproportionalen Zuweisungen des Bundes nach
dem Korb II bereits seit dem Jahr 2001 gesetzlich geregelt sind, ist für die SoBEZ
zum Ausgleich der Sonderlasten durch die strukturelle Arbeitslosigkeit lediglich alle
drei Jahre eine Überprüfung vorgesehen.
Bei der letzten Überprüfung im Jahr 2011 wurde eine Verminderung der jährlichen
Zuweisungen von 1.000 Mio. Euro auf 807 Mio. Euro beschlossen. Für Sachsen-
Anhalt ergibt sich daraus eine Absenkung von 187 auf durchschnittlich 150,9 Mio.
Euro. Da im Jahr 2011 noch der volle Betrag ausgezahlt wurde, reduzieren sich die
Einnahmen in 2012 und 2013 sogar auf jeweils 133 Mio. Euro.
Die nächste Überprüfung ist für das Jahr 2013 mit Wirkung ab dem Jahr 2014 vorge-
sehen. Aufgrund des anhaltenden Abbaus der strukturellen Arbeitslosigkeit in den
neuen Ländern muss von einer weiteren Absenkung ausgegangen werden. Weitere
Schritte könnten dann in den Jahren 2017 und 2020 erfolgen, wobei für 2020 das
gesamte Finanzausgleichsgesetz neu zu verhandeln ist.
Als Projektion für das Jahr 2020 wird bei der folgenden Betrachtung ein Wert von
insgesamt 400 Mio. Euro und damit für Sachsen-Anhalt ein Betrag von rd. 75 Mio.
Euro angenommen. Aus der Sicht von Sachsen-Anhalt dürfte dies eher eine optimis-
tische Erwartung sein.
Nur ungefähr abschätzbar ist auch die weitere Entwicklung der Zuschüsse aus euro-
päischen Fonds. Zwar ist für das Durchschnittsniveau in der nächsten Förderperiode
von 2014 – 2020 noch kein dramatischen Rückgang auf das sehr niedrige Niveau
der alten Flächenländer zu erwarten, aber spätestens in der übernächsten Förderpe-
riode ab dem Jahr 2021 dürfte es zu einer weiteren starken Reduzierung in Richtung
des Niveaus der alten Länder kommen. Es spricht allerdings vieles dafür, dass es
auch schon im Verlauf der nächsten Förderperiode zu einer durchgehenden Degres-
sion kommt, so dass im Jahr 2020 für Sachsen-Anhalt wohl nur noch von Mitteln in
der Größenordnung von 100 Mio. Euro auszugehen ist.
In den föderalen Finanzausgleich geht auch ein Anteil von 64% der Steuerkraft der
Gemeinden ein, wobei der Ausgleich über die Länderhaushalte erfolgt. Da nicht voll-
ständig ausgeglichen wird, führt ein Anstieg der Steuerkraft der Gemeinden in Sach-
sen-Anhalt um 1 Mio. Euro zu einer Verringerung der Ausgleichsleistungen an das
Land um ziemlich genau 0,6 Mio. Euro.
Da die Gemeinden in Sachsen-Anhalt im Jahr 2011 nur eine (normierte) Steuerkraft
von 56,4% des Durchschnitts der alten Flächenländer aufweisen, erhält das Land
dementsprechend hohe Ausgleichsleistungen. Im Vergleich zum Durchschnitt der
alten Flächenländer führt dies (nach dem „normalen“ Finanzausgleich) auf der Lan-
desebene zu einer Steuerkraft von 109,2% pro Einwohner.
42
Bei einer konsolidierten Betrachtung der Finanzkraft der Länder und ihrer Gemein-
den zeigt sich allerdings, dass der „normale“ Finanzausgleich von einer Nivellierung
oder gar Übernivellierung weit entfernt ist. Die relative Finanzkraft pro Einwohner be-
trägt nämlich in Sachsen-Anhalt im Jahr 2011 nur 93,4% des Durchschnitts der alten
Flächenländer.
Durch die degressiv gestalteten Sonderförderungen erhöht sich die konsolidierte Fi-
nanzkraft des Landes und seiner Gemeinden im Jahr 2011 auf 111,5%5. Bezieht
man die überproportionalen Leistungen des Korbs II auch noch mit ein, ergibt sich
sogar ein Wert von 120,6% des Durchschnitts der alten Flächenländer.
Durch das weitgehende Auslaufen der Sonderförderung bis zum Jahr 2020 wird die-
se Relation von Jahr zu Jahr abnehmen. Nach dem „normalen“ Finanzausgleich dürf-
te im Jahr 2020 die relative Finanzkraft auf der konsolidierten Ebene bei ca. 93,6%
liegen. Wenn die hier getroffenen Annahmen für die BEZ wegen struktureller Arbeits-
losigkeit und der Zuweisungen aus europäischen Fonds zutreffen, würde die Relation
nach den BEZ nur noch geringfügig auf 94,5% und einschließlich der hier unterstell-
ten verbleibenden europäischen Mittel auf 95,5% ansteigen.
Bis zum Jahr 2020 nimmt in dieser Modellrechnung (die sich weitgehend an der Me-
thodik der regionalisierten Steuerschätzung orientiert, allerdings zusätzlich die Ein-
wohnerentwicklung berücksichtigt) die relative Steuerkraft der Gemeinden in Sach-
sen-Anhalt lediglich von 56,4% auf 60,4% zu. Schon diese sehr moderate Steigerung
führt (im normalen Finanzausgleich) bereits zu einer entsprechenden Verringerung
der relativen Finanzkraft auf der Landesebene von 109,3% auf 108,1% des Durch-
schnitts der alten Flächenländer.
In der Logik des föderalen Finanzausgleichs folgt daraus (aufgrund der höheren ge-
meindlichen Steuerkraft) eine entsprechende Absenkung des kommunalen Finanz-
ausgleichsbedarfs. Falls die relative Steuerkraft der Gemeinden in Sachsen-Anhalt
noch stärker zunehmen sollte, müsste dementsprechend die Finanzausgleichsmasse
noch stärker abgesenkt werden. Würde sie hingegen (entgegen allen Erwartungen)
wieder abnehmen, müsste die Finanzausgleichsmasse entsprechend erhöht werden.
Im Jahr 2001 lag die Relation der Steuerkraft pro Einwohner der Gemeinden in
Sachsen-Anhalt zum Durchschnitt der alten Flächenländer noch bei 39,3% und hat
sich seither auf 56,4% erhöht, also jahresdurchschnittlich um fast 1,7 Punkte. Bei
einer linearen Fortschreibung bis zum Jahr 2020 ergäbe sich sogar eine Relation von
73,3%.
Falls sich also die relative Steuerkraft der Gemeinden bis zum Jahr 2020 nicht nur
auf rd. 60,4%, sondern auf 73,3% entwickeln sollte, verstärken sich diese Effekte
5 Auf die Einbeziehung der Konsolidierungshilfen im Zeitraum von 2011 bis 2020 von jährlich 80 Mio.
Euro für Sachsen-Anhalt, 260 Mio. Euro für das Saarland und 80 Mio. Euro für Schleswig-Holstein ist hier deshalb verzichtet worden, weil diese Mittel in Sachsen-Anhalt im Rahmen von STARK II für die Teilentschuldung von Kommunen verwendet werden und insofern keinen Basiseffekt im Landeshaus-halt hervorrufen.
43
nochmals sehr deutlich, so dass die relative Finanzkraft auf der Landesebene um
weitere 3,3 Punkte auf 104,8% zurückgehen würde6.
Zu beachten ist in der Gesamtbetrachtung, dass es trotz der Verschlechterung der
relativen Finanzausstattung des Landes (einschließlich seiner Kommunen) im Ver-
gleich zu den alten Flächenländern im Zeitraum von 2011 bis 2020 durch die bun-
desweite Zunahme der Steuereinnahmen zu einer deutlichen Erhöhung der Finanz-
kraft pro Einwohner um insgesamt fast 10% kommen könnte.
Da aber im gleichen Zeitraum auch die Zahl der Einwohner in Sachsen-Anhalt um
ca. 10% schrumpfen dürfte, geht die Gesamtfinanzausstattung des Landes und sei-
ner Gemeinden nach dieser Projektion leicht zurück.
Da zudem wegen der Einführung der Schuldenbremse bis zum Jahr 2020 auch noch
die Nettokreditaufnahme des Landes im Jahr 2011 von rd. 240 Mio. Euro auszuglei-
chen ist, muss der konsolidierte öffentliche Haushalt in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr
2020 um rd. 310 Mio. Euro schrumpfen. Schon bei nominaler Betrachtung ist er also
spürbar, nämlich um ca. 0,4% jährlich, bei inflationsbereinigter realer Fortschreibung
sogar deutlich, nämlich (bei einer unterstellten Preissteigerungsrate von ca. 1,5%)
jährlich um rd. 1,9% zu reduzieren.
Die Schlussfolgerungen aus dieser Betrachtung sind eindeutig. Zum Ersten dürfen
sich Land und Kommunen nicht am heutigen (realen) Ausgabenniveau orientieren,
sondern nur an den Mitteln, die nachhaltig (d.h. auch noch nach Auslaufen der Son-
derförderung im Jahr 2020) zur Verfügung stehen.
Zum Zweiten führt der Abbau der Sonderförderung nicht zum Absturz ins Bodenlose,
sondern (bei unverändertem Finanzausgleich) lediglich auf ein Niveau, das zwar mit
93,6% ein ganzes Stück niedriger liegt als der Durchschnitt der alten Flächenländer,
aber von dem der steuerschwächeren alten Flächenländer Niedersachsen, Rhein-
land-Pfalz und Schleswig-Holstein nicht allzu weit entfernt ist.
Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass Sachsen-Anhalt (trotz der Belas-
tungen aus dem AAÜG) auch in Zukunft sehr viel geringere Versorgungslasten fi-
nanzieren muss als die alten Flächenländer7.
Zum Dritten schließlich führt eine (sehr wahrscheinliche) Zunahme der relativen
Steuerkraft der Gemeinden zu einem gleichzeitigen Rückgang der relativen Einnah-
men auf der Landesebene. Für die zukünftige Entwicklung des kommunalen Finanz-
ausgleichs müssen diese strukturellen Verschiebungen berücksichtigt werden.
Bei der Beantwortung der Frage, welche Aufgaben beim Land und den Gemeinden
in Sachsen-Anhalt als notwendig anzusehen sind und ob sie effizient wahrgenom-
6 Zur Berechnungsmethodik vgl. Deubel, I., 2010, Strategische Ausrichtung des Landeshaushaltes
von Sachsen-Anhalt, S. 44f. 7 Vgl. hierzu die Berechnungen bei: Benz, T., Hagist, C., Raffelhüschen, B., 2011, Ausgabenprojekti-
on und Reformszenarien der Beamtenversorgung in Deutschland, Freiburg, passim
44
men werden, ist vor diesem Hintergrund ein intensiver Vergleich mit der Situation
und Entwicklung sowohl der alten, als auch der neuen Flächenländer geboten.
Dabei kann es natürlich nicht um eine 1:1-Übertragung der jetzigen Haushaltsstruktu-
ren der Vergleichsländer gehen, denn selbstverständlich gehören eigene Schwer-
punkte und die Herausarbeitung eigenständiger Profile zu den Wesensmerkmalen
eines erfolgreichen Föderalismus. Eine ineffiziente Aufgabenwahrnehmung oder ein
generell übersteigertes Ausgabenniveau lassen sich mit föderalen Prinzipien aller-
dings nicht rechtfertigen.
Wenn in Sachsen-Anhalt die Aufgaben A und B aus guten Gründen höher gewichtet
werden sollen als in den Vergleichsländern, kann dies nicht zugleich auch für die
Aufgaben C, D, usw. gelten, sondern dann muss eben bei C, D, usw. deutlich restrik-
tiver als in den Vergleichsländern agiert werden.
Mit Blick auf das Jahr 2020 können vor allem die kommunalen Leistungs- und Aus-
gabenniveaus der steuerschwächeren alten Flächenländer als Zielmaßstäbe für die
Kommunen in Sachsen-Anhalt dienen.
Daneben soll in diesem Gutachten aber auch überprüft werden, wie der Vergleich mit
den Kommunen in den anderen neuen Ländern ausfällt. Denn schließlich stehen
auch die anderen neuen Flächenländer vor der äußerst schwierigen Aufgabe, wie bis
zum Jahr 2020 die Anpassung an die finanzpolitische Normalität bewältigt werden
kann.
Als Vergleichsländer besonders geeignet erscheinen hier Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen und Thüringen, während Brandenburg durch seine Nähe zu Berlin, die
dadurch begründete wesentlich bessere wirtschaftliche Situation und seine deutlich
günstigere demografische Entwicklung als Vergleichsland nicht so gut geeignet er-
scheint.
4. Maßstäbe zur Bestimmung einer angemessenen Finanzausstat-
tung
4.1. Tatsächliche oder notwendige Ausgaben?
Mit der Formulierung im § 2 Abs. 2 des FAG: „Maßstab der Bemessung der Landes-
zuweisungen sind die notwendigen Ausgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung“, hat
der Landesgesetzgeber seine Zielsetzung für die Quantifizierung eines aufgabenori-
entierten Finanzausgleichs verdeutlicht und zugleich eine erste Konkretisierung der
verfassungsrechtlichen Vorgaben vorgenommen.
Im Kern greift der Landesgesetzgeber damit die klassischen haushaltsrechtlichen
Prinzipien der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit auf. Unter Sparsamkeit wird dabei
verstanden, nur solche Aufgaben wahrzunehmen und mit öffentlichen Mitteln zu do-
tieren, die als notwendig anzusehen sind. Im Vordergrund steht hier also die Frage,
45
ob eine Aufgabe überhaupt öffentlich wahrgenommen bzw. finanziert werden muss
und wenn ja, welche Leistungsniveaus als notwendig anzusehen sind.
Unter Wirtschaftlichkeit wird dann verstanden, das so bestimmte Leistungsniveau
einer als notwendig angesehenen Aufgabe so kostengünstig wie möglich bereitzu-
stellen. Der Begriff der Bereitstellung wird dabei verwendet, weil es keineswegs im-
mer sinnvoll ist, die Durchführung einer Aufgabe auch vollständig selbst zu über-
nehmen.
Wie bereits einleitend dargestellt, ist die Einordnung einer Aufgabe bzw. eines be-
stimmten Leistungsniveaus nicht davon abhängig, ob die Wahrnehmung der Aufgabe
an sich oder die Einhaltung bestimmter Leistungsstandards gesetzlich vorgegeben
und damit pflichtig ist.
Die Sicherstellung eines Mindestmaßes an sogenannten freiwilligen Leistungen, vor
allem im Bereich der Kunst, der Kultur oder des Sports, gehört zum gesicherten
Kernbestand der kommunalen Selbstverwaltung. Und dies gilt in Sachsen-Anhalt
schon deshalb völlig zweifelsfrei, weil im Artikel 36 der Landesverfassung für diese
Bereiche sehr klare und eindeutige Vorgaben gemacht werden:
Artikel 36 Kunst, Kultur und Sport
(1) Kunst, Kultur und Sport sind durch das Land und die Kommunen zu schüt-
zen und zu fördern.
(2) Die heimatbezogenen Einrichtungen und Eigenheiten der einzelnen Regi-
onen innerhalb des Landes sind zu pflegen.
(3) Das Land und die Kommunen fördern im Rahmen ihrer finanziellen Mög-
lichkeiten die kulturelle Betätigung aller Bürger insbesondere dadurch, daß sie
öffentlich zugängliche Museen, Büchereien, Gedenkstätten, Theater, Sport-
stätten und weitere Einrichtungen unterhalten.
(4) Das Land sorgt, unterstützt von den Kommunen, für den Schutz und die
Pflege der Denkmale von Kultur und Natur.
(5) Das Nähere regeln die Gesetze.
Für die Sparsamkeits- bzw. Notwendigkeitsvorgabe hilft die Unterscheidung zwi-
schen pflichtigen und freiwilligen Aufgaben deshalb kaum weiter.
Ein alternativer Ansatz könnte darin liegen, dass nur solche (freiwilligen) Aufgaben
als notwendig angesehen werden, die im Regelfall auch von anderen gleichartigen
Kommunen wahrgenommen werden.
Zwar führt eine solche Abgrenzung durchaus ein Stück weiter, aber gerade in den
freiwilligen Bereichen ist sie ebenfalls nur bedingt zielführend. Es wäre z.B. nicht
nachvollziehbar, wenn sich jede (größere) kreisfreie Stadt die Notwendigkeit zur Un-
46
terhaltung eines Zoos oder eines Dreispartenhauses attestieren würde und das Land
die Finanzierung jeweils absichern müsste. Auf der anderen Seite wäre ein ganzes
Bundesland ohne Zoo, Oper, Schauspiel und Ballett ebenfalls kaum vorstellbar.
Zielführend wird diese Abgrenzung allerdings dann, wenn sie nicht auf die Art der
freiwilligen Leistungen abstellt, sondern auf die Höhe der dafür eingesetzten öffentli-
chen Mittel. Wenn sich innerhalb des Landes und auch bundesweit nachweisen
lässt, dass andere vergleichbare Kommunen (unter Außerachtlassung der wenigen
Fälle großzügigen privaten Mäzenatentums) eine bestimmte Aufgabe oder ein Bün-
del von Aufgaben in zufriedenstellender Weise mit einem besonders niedrigen Zu-
schussbedarf aus öffentlichen Kassen von x Euro pro Einwohner finanzieren können,
dann sollte dies bei der Abgrenzung der „Notwendigkeit“ nicht außen vor bleiben. Es
muss schon gute und überzeugende Gründe geben, damit Kommunen mit einem
höheren Zuschussbedarf attestiert werden kann, dass auch dieser notwendig ist.
Natürlich wird man bei einem bundesweiten Vergleich immer Kommunen finden, die
für einzelne (freiwillige) Aufgaben keine oder nur erstaunlich geringe Zuschussbedar-
fe ausweisen. Eine nähere Analyse zeigt dann allerdings häufig, dass die Leistungen
anderer benachbarter Kommunen in Anspruch genommen werden, die Leistungen
durch vermögende Private oder Unternehmen finanziert oder in eine unternehmeri-
sche Rechtsform gekleidet sind und die Zuschussbedarfe den Vermögenshaushalten
(als regelmäßige Kapitalaufstockungen) oder (zum Teil auch aus steuerlichen Grün-
den) den kommunalen Querverbünden angelastet werden.
Ein Benchmarking derart, dass ohne nähere Prüfung der von der „sparsamsten“
gleichartigen Kommune aufgewandte Zuschussbedarf als Maßstab für die Notwen-
digkeit anzusehen ist, muss deshalb aus vielerlei Gründen als untauglich bzw. nicht
durchführbar angesehen werden. Negative Ausreißer als finanzielle Vorbilder zu
verwenden, führt bei sehr detaillierten Analysen häufig schon deshalb zur Ernüchte-
rung, weil die Finanzstatistik nur das hergibt, was auch vorher eingegeben wurde.
Es gilt also ein Verfahren zu entwickeln, dass sich zwar an anderen vergleichbaren
Kommunen im eigenen, aber natürlich auch in anderen Bundesländern orientiert, bei
dem aber der Zuschussbedarf (pro Einwohner) in einer Form ermittelt wird, bei der
sichergestellt ist, dass es sich nicht um einen statistischen Ausreißer handelt, son-
dern um den tatsächlichen Ressourceneinsatz von Kommunen, die ihre Aufgaben
sparsam und verantwortlich wahrnehmen.
Das erst kürzlich vom Verfassungsgerichtshof in Thüringen ausdrücklich akzeptierte
Verfahren, nur solche Kommunen für die Maßstabsbildung heranzuziehen, deren
Zuschussbedarfe zwischen 50% und 100% des Mittelwerts liegen, kann hierfür ein
durchaus gangbarer Weg sein8. Um die Ausreißer zu eliminieren wird dort für Ge-
meinden mit weniger als 50% ein Wert von 50% und für Gemeinden mit mehr als
100% ein Wert von 100% des Mittelwerts in die Maßstabsbildung eingerechnet.
8 Thüringer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 02.11.2011, VerfGH 13/10
47
Eine andere Möglichkeit, die Ausreißer nach unten und oben bei der Maßstabsbil-
dung noch besser auszuschließen, besteht darin, die Zuschussbedarfe der Kommu-
nen (pro Einwohner) zunächst einmal in eine Reihung zu bringen und sich dann auf
die Werte zu konzentrieren, bei denen zum einen ein sparsames Verhalten zu unter-
stellen ist, zum anderen jedoch statistische Ausreißer nach unten sicher ausge-
schlossen werden können.
In allgemeiner Form kann dies mit Hilfe des sogenannten k-Quantils geschehen. Für
k sind dabei Werte zwischen 0 und 1 zulässig, die als Prozentsätze (noch kleinerer
Werte) zu interpretieren sind. Für k=0,5 erhält man den Median, weil 50% der Werte
kleiner sein müssen. Für k=0,25 erhält man das erste Quartil, weil 25% der Werte
kleiner sind.
Wenn man für den Vergleich auf eine größere Zahl von einzelnen Kommunen zu-
rückgreifen kann, empfehlen sich zur Maßstabsbildung k-Werte zwischen 0,25 und
0,5. Damit bleiben zum einen die unteren 25% und zum anderen die oberen 50%
unberücksichtigt.
Solange die Wahrnehmung der Aufgabe und das zu erbringende Leistungsniveau
nicht gesetzlich festgelegt ist, kann das obige Verfahren natürlich nur dann verwen-
det werden, wenn vergleichbare Gemeinden in die Betrachtung einbezogen werden.
Es wäre z.B. völlig sinnlos, das Kulturangebot eines Oberzentrums mit dem von Ge-
meinden ohne zentralörtliche Bedeutung zu vergleichen und daraus die Schlussfol-
gerung ziehen, dass ein Oberzentrum auch ohne (die vom Landesgesetzgeber ge-
forderten und geförderten) Kultureinrichtungen seine Aufgaben erfüllen kann. Und
wenn es, wie in Sachsen-Anhalt, nur drei kreisfreie Städte gibt, die landesplanerisch
alle drei als Oberzentren ausgewiesen sind und damit das gesamte Land mit ober-
zentralen Leistungen zu versorgen haben, ist ein solches Verfahren allenfalls bei
länderübergreifender Betrachtung zielführend.
Bei pflichtigen Aufgaben kommt es für die Maßstabsbildung darauf an, ob die zu er-
bringende Leistung in einer proportionalen Beziehung zu leicht messbaren Größen
steht. Am einfachsten sind natürlich die Fälle, bei denen eine (ungefähre) Proportio-
nalität mit der Einwohnerzahl oder einer Teilmenge der Einwohner, z.B. der unter
6-Jährigen bei der KiTa-Betreuung vorliegt bzw. erwartet werden darf.
Sehr viel schwieriger zu vergleichen sind die Fälle, in denen die Fallzahlen und die
Leistungsniveaus keine entsprechenden Proportionaltäten aufweisen und auch ande-
re leicht messbarer Einflussfaktoren, wie z.B. Fläche, Ballung, Einwohnerzahl, Zahl
der Einpendler, Zentralität, Wachstums- und Schrumpfungsraten der Einwohnerzahl
etc. in keinem statistisch signifikanten (partiellen) Proportionalverhältnis zu den Zu-
schussbedarfen (pro Einwohner) stehen.
Die Erfahrung aus vielen Analysen zeigt allerdings, dass es zwar solche Aufgaben-
bereiche auch gibt, im Regelfall aber durchaus zu messbaren Größen entsprechende
(partielle) Proportionaltäten bestehen.
48
Der Klammerzusatz „partielle“ ist deshalb notwendig, weil die zu erbringenden Leis-
tungsniveaus auch durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren bestimmt
werden könnten, für deren Analyse komplexere statistische Verfahren, wie z.B. die
multiple Regressionsanalyse, erforderlich sind.
Dies gilt vor allem dann, wenn aus Gründen der Praktikabilität und zur Vermeidung
von Vergleichsstörungen nicht einzelne Aufgaben betrachtet werden (können), son-
dern ganze Aufgabenbereiche, wie z.B. die Einzelpläne (einstellige Gliederungen) in
der kommunalen Haushaltsstatistik.
Effizient arbeiten dann die Kommunen, die ein vorgegebenes Leistungsniveau mit
minimalen Kosten bzw. Zuschussbedarfen erreichen. In der statistischen Praxis ist
eine trennscharfe Unterscheidung zwischen den erbrachten Leistungsniveaus (als
Outputgrößen) und der Effizienz (als Verhältnis zwischen Kosten und erbrachten
Leistungsniveaus) insbesondere dann kaum noch möglich, wenn keine Einzelaufga-
ben, sondern ganze Leistungsbündel in den Vergleich gestellt werden sollen.
Wenn allerdings ein aufgabenorientierter Finanzausgleich in nachvollziehbarer und
noch überschaubarer Weise empirisch fundiert werden soll, führt kein Weg an einer
Betrachtung von ganzen Aufgabenbereichen vorbei.
Wenn einzelne Kommunen für einen bestimmten Aufgabenbereich sehr viel weniger
Finanzmittel als vergleichbare Kommunen einsetzen, ist statistisch nur sehr schwer
feststellbar, ob diese Gemeinden ein besonders niedriges Leistungsniveau aufwei-
sen oder ein normales Leistungsniveau lediglich besonders kostengünstig bereitstel-
len.
Die zugehörige Gleichung lautet nämlich:
Kosten/Einwohner = Leistung/Einwohner x Kosten/Leistung
Häufig liegt die Wahrheit genau in der Mitte, d.h. in einer Gemeinde mit sehr niedri-
gen Kosten pro Einwohner wird ein unterdurchschnittliches Leistungsniveau pro Ein-
wohner mit unterdurchschnittlichen Kosten pro Leistungseinheit kombiniert. Solange
das Leistungsniveau nicht offensichtlich unterhalb der Notwendigkeitsschwelle liegt,
ist eine solche Gemeinde deshalb durchaus als Benchmark geeignet.
Da beim Unterschreiten der Notwendigkeitsschwelle bei Pflichtaufgaben häufigere
Beschwerden zu erwarten sind und die Rechnungsprüfungsämter, die Kommu-
nalaufsicht und die Verwaltungsgerichte solche Missstände kaum über einen länge-
ren Zeitraum tolerieren dürften, darf allerdings davon ausgegangen werden, dass bei
pflichtigen Aufgaben diese Schwelle in systematischer Weise allenfalls von relativ
wenigen Kommunen unterschritten wird.
Es kann nun aber auch so sein, dass selbst auf der Ebene von Aufgabenbündeln
bzw. Einzelplänen nach der Haushaltsstatistik keine saubere Zuordnung von Ausga-
ben und Einnahmen bzw. Kosten und Erträgen erfolgt, so dass der in der Haushalts-
statistik ausgewiesene Mitteleinsatz nach oben oder unten verzerrt ist.
49
Zwar kommt man solchen Verzerrungen zuweilen auf die Spur, aber es wird nie
möglich sein, sämtliche Vergleichsstörungen zu eliminieren. Von daher empfiehlt sich
aus Vorsichtsgründen auch hier, die Ausreißer nach unten aus der Betrachtung zu
eliminieren. Ein Verzicht auf die unteren 25% bei der Bildung von Angemessen-
heitsmaßstäben dürfte deshalb ein probates Mittel sein, um Ausreißer nach unten
nicht zur Wirkung kommen zu lassen.
Andererseits ist es (bei vergleichbaren Kommunen) ziemlich unwahrscheinlich, dass
sich unter den oberen 50% auch noch Kommunen befinden, die ihre Leistung bereits
auf das notwendige Niveau beschränkt haben und zugleich diese Leistungen auch
noch mit minimalen Kosten erbringen. Von daher erscheint es durchaus geboten, bei
der Maßstabsbildung nur solche Kommunen einzubeziehen, deren Kosten pro Ein-
wohner oder – falls messbar – pro Leistungseinheit, unterhalb des Medians liegen.
4.2. Der laufende Finanzbedarf der Kommunen
Bisher ist der Begriff der zur Aufgabenerfüllung „eingesetzten Mittel“ bzw. der „Kos-
ten“ noch nicht näher bestimmt worden. Dies ist für die Ermittlung der Angemessen-
heit des Finanzausgleichsvolumens aber unbedingt erforderlich.
Zu klären ist deshalb im ersten Schritt zum einen, ob eine strenge Periodenbezogen-
heit gelten soll oder auch periodenfremde Kosten und Leistungen erfasst werden
sollen und zum anderen, wie mit vermögenswirksamen Ausgaben und Einnahmen
und mit Altfehlbeträgen zu verfahren ist.
Grundsätzlich sollte dabei das Prinzip gelten, dass Kosten und Erträge bei der Be-
darfsermittlung nur einmal erfasst werden, nämlich in dem Jahr, dem sie zuzurech-
nen sind. Dies schließt - in der Nomenklatur der Kameralistik - die Berücksichtigung
von Fehlbeträgen aus Vorjahren zunächst einmal aus.
Im Ergebnishaushalt des doppischen Systems tauchen Ausgleiche von Defiziten aus
Vorjahren ebenfalls nicht auf, sondern werden in der Bilanz nachgehalten. Im Prinzip
dürften auch die Versorgungsausgaben nicht berücksichtigt werden, sondern statt-
dessen sind die Barwerte der im laufenden Jahr erworbenen Versorgungsansprüche
einzubeziehen.
Da der kommunale Versorgungsverband in Sachsen-Anhalt durch entsprechende
Umlagen eine Kapitaldeckung zukünftiger Versorgungsansprüche aufbaut, gelten für
diesen Bereich allerdings schon heute in allen Kommunen die doppischen Regeln.
Das Grundprinzip des Ergebnishaushaltes weist auch den Weg zum Umgang mit
vermögenswirksamen Ausgaben und Einnahmen. Sie haben in der Ergebnisrech-
nung nichts verloren und sollten deshalb in analoger Weise auch aus der laufenden
Rechnung eliminiert werden.
50
Im ersten Schritt müssten also die Zuführung vom Verwaltungshaushalt an den Ver-
mögenshaushalt und die Zuführung vom Vermögenshaushalt an den Verwaltungs-
haushalt bei der Ermittlung von Ausgaben und Einnahmen der laufenden Rechnung
außen vor bleiben. Dies gilt allerdings nicht für den Teil der Zuführung an den Ver-
mögenshaushalt, der dem Saldo aus den notwendigen Abschreibungen und der Auf-
lösung des korrespondierenden Sonderpostens entspricht. Im Ergebnis führt dies
dazu, dass nur der eigenfinanzierte Vermögensbestand abgeschrieben wird.
Kommunen, die noch kameralistisch buchen, kennen ihre Abschreibungen und die
Auflösungsraten des Sonderpostens allerdings im Regelfall nicht. Hilfsweise kommt
in diesen Fällen die Pflichtzuführung an den Vermögenshaushalt bzw. eine fiktive
Tilgung auf den Investitionsschuldenstand in Frage, die (bei landesdurchschnittlicher
Betrachtung) in etwa der Höhe der Nettoabschreibungen entsprechen sollte.
Etwas schwieriger ist die Zuordnung der Einnahmen aus dem Ausgleichsstock. Im
Regelfall dienen diese Mittel nicht zur Finanzierung der lfd. Ausgaben, sondern zur
Reduktion der periodenfremden Altfehlbeträge. In diesem Fall sollten sie auch nicht
als lfd. Einnahmen angesehen werden.
Die so abgegrenzte lfd. Rechnung (einschließlich Nettoabschreibungen oder Stan-
dardtilgungen) entspricht in der Haushaltsstatistik somit auf der Einnahmeseite den
Hauptgruppen 0 (Steuern, allgemeine Zuweisungen) ohne die Gruppe 051 (Bedarfs-
zuweisungen), 1 (Einnahmen aus Verwaltung und Betrieb) und 2 (Sonstige Finanz-
einnahmen) ohne die Gruppe 28 (Zahlungen vom Vermögenshaushalt).
Auf der Ausgabeseite sind es die Hauptgruppen 4 (Personalausgaben), 5/6 (Sächli-
cher Verwaltungs- und Betriebsaufwand), 7 (lfd. Zuweisungen und Zuschüsse) und
8 (Sonstige Finanzausgaben) ohne die Gruppe 86 (Zuführung zum Vermögenshaus-
halt) und die Gruppen 893/894 (Deckung von Soll-Fehlbeträgen aus Vorjahren). Bei
den Ausgaben kommt die Nettoabschreibungen bzw. die Pflichtzuführung zum Ver-
mögenshaushalt hinzu, die aber bei der folgenden Betrachtung zunächst noch außen
vor bleiben sollen.
Die Summe der Einnahmen der Hauptgruppen 0,1 und 2 wird statistisch in der Grup-
pe 299 und die Summe der Ausgaben der Hauptgruppen 4, 5, 6, 7 und 8 in der
Gruppe 899 zusammengefasst. Die Gruppe 299 entspricht somit den (gesamten)
Einnahmen und die Gruppe 899 den (gesamten) Ausgaben des Verwaltungshaus-
halts.
Zuweilen findet man Darstellungen, bei denen die Gesamtausgaben in den Verwal-
tungshaushalten (also die Gruppe 899) von Kommunen miteinander verglichen wer-
den.
Solche Vergleiche sind aus vielerlei Gründen ziemlich sinnlos. Zum Ersten sollte
grundsätzlich um die periodenfremden Ausgaben bereinigt werden, zum Zweiten
werden bei dieser Betrachtung keineswegs die eingesetzten allgemeinen De-
ckungsmittel erfasst, sondern die gesamten Bruttoausgaben. So kann es z.B. bei
51
einfacher Addition der Bruttoausgaben im kreisangehörigen Raum wegen der Umla-
gefinanzierung zu einer Mehrfacherfassung von Ausgaben und damit zu wesentlich
höheren Bruttoausgaben (pro Einwohner) als bei kreisfreien Städten kommen.
So weist z.B. die Stadt Dessau im Jahr 2009 Gesamtausgaben im Verwaltungshaus-
halt von nur 1.897 Euro pro Einwohner aus, der Salzlandkreis dagegen bei Addition
der drei kommunalen Ebenen Gesamtausgaben von 3.124 Euro.
Daraus einen höheren Ressourcenverbrauch des Salzlandkreises abzuleiten, wäre
offensichtlich falsch, denn zum Ausgleich seiner lfd. Rechnung benötigt der Salz-
landkreis einschließlich aller Gemeinden und der beiden Verbandsgemeinden aus
Steuereinnahmen und lfd. Nettozahlungen des Landes nur 1.253 Euro pro Einwoh-
ner, während die Stadt Dessau 1.461 Euro in Anspruch nimmt.
Da bei Aufträgen an Dritte normalerweise nur die Nettokosten (also Kosten abzüglich
der Einnahmen) gezahlt werden, kann sich auf der anderen Seite durch Aufträge an
Dritte das Ausgabevolumen erheblich reduzieren.
Dies gilt natürlich auch dann, wenn in einzelnen Bereichen die Ausgaben nicht auch
als Ausgaben gebucht werden, sondern von den Einnahmen abgezogen werden
(sogenannte Rotabsetzung).
Am Beispiel der Vergabe an Dritte oder an eigenständige kommunale Betriebe mit
eigenem Wirtschaftsplan ist auch gut darstellbar, dass ein undifferenzierter Vergleich
der einzelnen Ausgabearten in vielen Verwaltungsbereichen zu Trugschlüssen füh-
ren muss.
Wenn z.B. alle Kindertagesstätten in kommunaler Hand sind, kommt es natürlich zu
sehr hohen Personalkosten. Werden dagegen alle Kindertagesstätten von Dritten
geführt (dazu würde auch eine kommunale gemeinnützige Gesellschaft gehören), so
entstehen keine Personalkosten, dafür aber Zuschüsse an Dritte.
Hat eine Kindertagesstätte in privater Hand Einnahmen, die vom Träger unmittelbar
zur (Teil-) Abdeckung seiner Kosten verwendet werden können, kommt es (im Ver-
gleich zu gemeindlichen Kindertagesstätten) sowohl zu einer Verlagerung von Per-
sonalkosten zu Zuschüssen, als auch zu einer Reduzierung der Ausgaben (und der
Einnahmen).
Es ist jedoch keineswegs zwingend, dass die private Einrichtung bei wirtschaftlicher
Betrachtung kostengünstiger als die eigene Einrichtung arbeitet. Für diese Frage ist
vielmehr (zumindest bei kurzfristiger Betrachtung) entscheidend, wie sich der Saldo
aus allen lfd. Ausgaben (einschließlich Nettoabschreibungen) und allen lfd. Einnah-
men entwickelt.
Von daher wird im Folgenden weitgehend auf Salden zwischen Ausgaben und Ein-
nahmen bzw. Zuschussbedarfe abgestellt. Damit lassen sich Vergleiche zwischen
Gemeinden und kommunalen Gruppen innerhalb und zwischen den Ländern sehr
52
viel aussagekräftiger durchführen als bei einer Beschränkung auf die Ausgabenseite
oder gar auf einzelne Ausgabenarten.
Die Differenz aus den lfd. Ausgaben (899 – 86 – 893 – 894) und den lfd. Einnahmen
(299 – 051 – 28) ergibt das lfd. Defizit, bzw. mit einem Minus-Vorzeichen den lfd.
Überschuss.
Das lfd. Defizit ist (bei einem positiven Vorzeichen) als Teil des lfd. Finanzbedarfs
und bei einem negativen Vorzeichen als Minderung des lfd. Finanzbedarfs anzuse-
hen.
Die Definition des lfd. Finanzbedarfs selbst hängt von der zugrunde liegenden Fra-
gestellung ab. Es ist natürlich sinnvoll, bei der Ermittlung des lfd. Finanzbedarfs je-
weils die Einnahmearten außen vor zu lassen, die zur Deckung des lfd. Finanzbe-
darfs verwendet werden sollen. Dies sind insbesondere die lfd. Nettozahlungen (Ein-
nahmen – Ausgaben) vom Land (ohne Bedarfszuweisungen) und die lfd. Nettozah-
lungen von anderen Kommunen.
Zieht man diese Zahlungen auf der Ausgaben- und Einnahmenseite ab, erhält man
die unmittelbaren lfd. Ausgaben und Einnahmen und als Saldo den unmittelbaren
Finanzbedarf. Dieser enthält auf der Einnahmeseite noch die Steuereinnahmen und
auf der Ausgabeseite die abzuführende Gewerbesteuerumlage.
Zieht man die Steuereinnahmen und die Gewerbesteuerumlage auch noch ab, erhält
man als Saldo aus den verbleibenden Ausgaben und Einnahmen eine Finanzbe-
darfsgröße, die ich als Zuschussbedarf V bezeichne. Addiert man noch die Pflichtzu-
führung an den Vermögenshaushalt bzw. die Nettoabschreibungen hinzu, erhält man
den Zuschussbedarf VI.
Der Zuschussbedarf VI entspricht also dem lfd. Finanzbedarf einschließlich Pflichtzu-
führung oder Nettoabschreibungen, der durch Nettosteuereinnahmen, lfd. Nettotrans-
fers vom Land (ohne Bedarfszuweisungen) und lfd. Nettotransfers von Kommunen
zu decken ist.
Der Zuschussbedarf V unterscheidet sich vom Zuschussbedarf VI dadurch, dass die
Pflichtzuführung bzw. die Nettoabschreibungen noch nicht finanziert sind.
Zieht man vom Zuschussbedarf V die Nettotransfers von anderen Kommunen ab,
erhält man den Zuschussbedarf IV. Dieser entspricht also dem lfd. Finanzbedarf (oh-
ne Pflichtzuführung bzw. Nettoabschreibungen), der aus Steuern und Nettozahlun-
gen vom Land zu finanzieren ist.
Die Unterscheidung zwischen den Zuschussbedarfen IV und V ist vor allem innerhalb
des kreisangehörigen Raums wichtig. Dabei geht es insbesondere um die Kreisum-
lage und die Verbandsgemeindeumlage sowie die Zuweisungen von den Umlage-
verbänden an die Gemeinden für die lfd. Aufgabenwahrnehmung.
53
Der Zuschussbedarf IV beinhaltet bei den kreisangehörigen Gemeinden die Ausga-
ben für die Kreisumlage und bei den Kreisen die Einnahmen aus der Kreisumlage,
während der Zuschussbedarf V die Kreisumlage (und andere kreisinterne Zahlun-
gen) nicht mehr enthält.
Die lfd. Nettozahlungen vom Land lassen sich in die lfd. Nettozahlungen innerhalb
und außerhalb der Finanzausgleichsmasse und die Bedarfszuweisungen zerlegen.
Zieht man vom Zuschussbedarf IV die lfd. Nettozahlungen des Landes außerhalb der
Finanzausgleichsmasse ab, erhält man den Zuschussbedarf III. Dieser entspricht
dem lfd. Finanzbedarf (ohne Pflichtzuführung bzw. Nettoabschreibungen), der aus
Steuern und Nettozahlungen vom Land innerhalb der Finanzausgleichsmasse zu
decken ist.
Zieht man vom Zuschussbedarf III die aus der Finanzausgleichsmasse finanzierten
steuerkraftunabhängigen Nettozahlungen des Landes ab, erhält man den Zuschuss-
bedarf II. Dieser entspricht dem lfd. Finanzbedarf (ohne Pflichtzuführung bzw. Netto-
abschreibungen), der aus Steuern und steuerkraftabhängigen Schlüsselzuweisungen
(in Sachsen-Anhalt als allgemeine Zuweisungen bezeichnet) zu decken ist.
Tabelle 2:
Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt und eigene (leicht vereinfachte und gerunde-
te) Berechnungen
Zeile Berechnung
- in €/E - - in €/E -
1 899 Ausgaben des Verwaltungshaushaltes 1.408 Ausgaben des Verwaltungshaushaltes 1.197
2 893/894 Deckung von Altfehlbeträgen 74 Deckung von Altfehlbeträgen 81
3 86 Zuführung zum Vermögenshaushalt 66 Zuführung zum Vermögenshaushalt 33
4 davon Pflichtzuführung 54 davon Pflichtzuführung 22
5 Zahlungen an das Land außerhalb des FAG 5 Zahlungen an das Land außerhalb des FAG 2
6 Zahlungen an den Kreis 298 Zahlungen an Gemeinden 120
7 810 Gewerbesteuerumlage 21 Gewerbesteuerumlage 0
8 299 Einnahmen des Verwaltungshaushaltes 1.323 Einnahmen des Verwaltungshaushaltes 1.122
9 051 Bedarfszuweisungen 26 Bedarfszuweisungen 0
10 28 Rückzuführung vom Vermögenshaushalt 38 Rückzuführung vom Vermögenshaushalt 4
11 00/01/02/03 Steuereinnahmen 472 Steuereinnahmen 0
12 Zuweisungen vom Land außerhalb des FAG 8 Zuweisungen vom Land außerhalb des FAG 186
13 061 sonstige Zuweisungen vom Land im FAG 3 sonstige Zuweisungen vom Land im FAG 30
14 041 allgemeine Zuweisungen vom Land 305 allgemeine Zuweisungen vom Land 259
15 Zahlungen vom Kreis 120 Zahlungen von Gemeinden 298
16 (1-2-3)-(8-9-10) lfd. Defizit (lfd. Überschuss bei -) 9 lfd. Defizit (lfd. Überschuss bei -) -35
17 16+11-7 Zuschussbedarf I 460 Zuschussbedarf I -35
18 17+14 Zuschussbedarf II 765 Zuschussbedarf II 224
19 18+13 Zuschussbedarf III 768 Zuschussbedarf III 254
20 19+12-5 Zuschussbedarf IV 771 Zuschussbedarf IV 438
21 20+15-6 Zuschussbedarf V 593 Zuschussbedarf V 616
22 21+4 Zuschussbedarf VI 647 Zuschussbedarf VI 638
Definition und Ableitung der Zuschussbedarfe von kreisangehörigen
Gemeinden und Kreisen auf der Basis der Rechnung des Jahres 2009Gemeinden Kreise
54
Zieht man vom Zuschussbedarf II die Schlüsselzuweisungen (allgemeinen Zuwei-
sungen) ab, erhält man den Zuschussbedarf I. Dieser entspricht dem lfd. Finanzbe-
darf (ohne Pflichtzuführung bzw. Nettoabschreibungen), der aus Steuern zu decken
ist.
In der Tabelle 2 sind zur besseren Veranschaulichung anhand der Daten aus der
Jahresrechnung 2009 die durchschnittlichen Werte pro Einwohner der kreisangehö-
rigen Gemeinden und der Kreise sowie die Ableitung der verschiedenen Zuschuss-
bedarfe dargestellt. Um die Darstellung einfach zu halten, sind die verbandsangehö-
rigen Gemeinden dabei mit ihren Verbandsgemeinden konsolidiert worden.
Um im Folgenden die Darstellungen noch weiter zu vereinfachen, wird wie folgt defi-
niert:
A: lfd. Defizit
B: Nettosteuereinnahmen
C: Nettozahlungen vom Land mit
C1: Schlüsselzuweisungen (Allgemeine Zuweisungen) vom Land
C2: Sonstige Nettozahlungen vom Land im FAG (ohne Bedarfszuweisungen
und Investitionspauschale)
C3: Nettozahlungen vom Land außerhalb des FAG
D: Nettozahlungen von Gemeinden und Gemeindeverbänden
E: Nettoabschreibungen bzw. Pflichtzuführung an den VermHH
Es ergibt sich dann:
Zuschussbedarf I = A + B
Zuschussbedarf II = A + B + C1
Zuschussbedarf III = A + B + C1 + C2
Zuschussbedarf IV = A + B + C
Zuschussbedarf V = A + B + C + D
Zuschussbedarf VI = A + B + C + D + E
Diese abgekürzte Schreibweise dient zunächst einmal der Beschreibung der tatsäch-
lichen kommunalen Finanzstrukturen eines Jahres und dem Vergleich zwischen den
Gemeinden innerhalb von Sachsen-Anhalt, aber auch einer länderübergreifenden
Analyse.
55
Dabei kommt es natürlich darauf an, die richtigen Fragen zu stellen und die jeweils
sinnvoll vergleichbaren Zuschussbedarfe heranzuziehen. Da z.B. die Abgrenzung
zwischen Zuweisungen innerhalb und außerhalb des FAG in jedem Land anders er-
folgt und auch der Grad der Zweckbindung völlig unterschiedlich ist, sind die Zu-
schussbedarfe II und III zwar, je nach Fragestellung, für Vergleiche innerhalb des
Landes recht gut verwendbar, aber zwischen den Gemeinden unterschiedlicher Län-
der weitgehend ungeeignet. Hier muss vielmehr auf die Zuschussbedarfe IV und V
(evtl. auch auf VI) abgestellt werden.
Wenn z.B. das Land X für die großen und teuren Kultureinrichtungen sehr stark auf
lfd. Zweckzuweisungen außerhalb des FAG setzt, das Land Y jedoch in die kommu-
nalen Präferenzen nicht eingreifen will und deshalb ausschließlich allgemeine Zuwei-
sungen im FAG einsetzt, können nur die Zuschussbedarfe IV, V und VI für Länder-
vergleiche verwendet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht der gesamte
Haushalt, sondern nur einzelne Aufgabenbereiche (also z.B. die Kultureinrichtungen)
miteinander verglichen werden sollen.
Wird nur auf der aggregierten Ebene aller Kommunen, des kreisangehörigen Raums
oder der kreisfreien Städte verglichen (und gibt es keine Bezirksverbände), so emp-
fiehlt sich vor allem der Zuschussbedarf IV, werden allerdings die einzelnen Ebenen
analysiert, geht dies nur mit dem Zuschussbedarf V (also unter Berücksichtigung der
Zahlungen zwischen den Kommunen).
Die obigen Definitionen für Zuschussbedarfe dienen aber nicht nur zur Beschreibung
tatsächlicher Strukturen und zur Durchführung von Vergleichen, sondern insbeson-
dere auch für zukünftige Szenarien.
Eine einfache Frage könnte z.B. lauten: Wie stark muss c.p. (unter sonst gleichen
Verhältnissen) das Steueraufkommen verändert werden (z.B. durch Hebesatzverän-
derungen), damit für die Gemeinden A = 0 gilt? Nach der obigen Tabelle 2 müsste
das Aufkommen um 9 Euro pro Einwohner erhöht werden.
Anstatt nach der notwendigen Veränderung der Steuereinnahmen hätte natürlich
auch gefragt werden können, um wie viel c.p. die Summe aus C1 und C2 verändert
werden muss, damit A = - E gilt, also die lfd. Rechnung zuzüglich der Pflichtzufüh-
rung gerade ausgeglichen ist. Nach der Tabelle 2 müsste die Summe aus C1 und C2
um 63 Euro pro Einwohner erhöht werden, damit E anstatt eines Wertes von 9 einen
von – 54 Euro pro Einwohner annimmt.
Mit diesem Beispiel dürfte deutlich geworden sein, dass der Zweck dieses Ansatzes
neben dem Vergleich zwischen den Gemeinden vor allem im Herausarbeiten von
notwendigen Bedingungen für die Gestaltung des FAG in Folgejahren liegt. Durch
eine Projektion der Steuereinnahmen und der notwendigen lfd. Zuschussbedarfe
(jeweils pro Einwohner) bei effizienter Aufgabenerfüllung kann (bei festgelegten Net-
tozahlungen des Landes außerhalb des FAG) auf relativ einfache Weise das jeweils
angemessene Niveau der lfd. Leistungen im FAG bestimmt werden.
56
4.3. Der investive Finanzbedarf der Kommunen
Die Finanzierung von Investitionen ist kein Gegenstand der laufenden Bedarfsermitt-
lung. Wenn allerdings die lfd. Bedarfsermittlung keine über die Pflichtzuführungen
hinausgehenden freiwilligen Zuführungen an den Vermögenshaushalt beinhaltet,
muss natürlich die Frage gestellt werden, wie dann ein adäquates Investitionsvolu-
men solide finanziert werden kann.
Dazu ist zunächst zu klären, welche Entwicklung für die Investitionsniveaus der
nächsten Jahre angestrebt werden soll. In den Jahren 2006 bis 2010 lag das durch-
schnittliche Sachinvestitionsniveau in Sachsen-Anhalt bei rd. 260 Euro pro Einwoh-
ner und im Durchschnitt der Vergleichsländer Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und
Schleswig-Holstein bei etwa 230 Euro pro Einwohner. Wird bis zum 2020 eine An-
passung an das Niveau der Vergleichsländer unterstellt, ergibt sich unter Berücksich-
tigung der Einwohnerentwicklung in Sachsen-Anhalt ein Rückgang des jährlichen
Sachinvestitionsvolumens von aktuell rd. 600 Mio. Euro auf ca. 480 Mio. Euro.
In der Jahresrechnung 2009 hatten die kommunalen VermHH in Sachsen-Anhalt
Einnahmen von 66 Mio. Euro aus Veräußerungen, 12 Mio. Euro aus Beiträgen und
Entgelten sowie 533 Mio. Euro vom Land. Dazu kamen 184 Mio. Entnahmen aus
Rücklagen sowie rd. 66 Mio. Euro freiwillige Zuführungen vom VerwHH, denen aller-
dings 99 Mio. Zuführung an Rücklagen und 93 Mio. Euro Zuführung an den VerwHH
gegenüber standen, so dass im Saldo nur ein Finanzierungsbeitrag von 58 Mio. Euro
verblieb. Den Landesmitteln von 533 Mio. Euro standen also nur eigene Mittel im
Umfang von insgesamt 136 Mio. Euro entgegen. Da für Vermögenserwerbe ein Be-
trag von 94 Mio. Euro eingesetzt wurde, standen für Sachinvestitionen letztlich ma-
ximal echte Eigenmittel im Umfang von 42 Mio. Euro zur Verfügung.
Da ein Großteil der Landesmittel aus dem Korb II finanziert wird, der bis zum Jahr
2020 von aktuell noch rd. 700 Mio. Euro auf 0 Euro zurückgeht, verbleiben als zu-
sätzliche Refinanzierungsmittel des Landes nur ca. 100 Mio. Euro aus europäischen
Mitteln. Eine entsprechende massive Reduzierung der investiven Landeszuweisun-
gen müsste zwangsläufig zu einem weitgehenden Zusammenbruch der Investitions-
fähigkeit der Kommunen führen.
Unterstellt man, dass der Eigenfinanzierungsanteil der Kommunen auch längerfristig
nur ein Niveau von 40 Mio. Euro erreicht, können die verbleibenden 440 Mio. Euro
nur durch investive Landesmittel oder Kreditaufnahmen finanziert werden.
Wenn (bei landesweiter Betrachtung) die Tilgungen bzw. Nettoabschreibungen voll-
ständig für eine entsprechende Absenkung des Schuldenstandes verwendet werden
sollen, müssten die Landesmittel bei 440 Mio. Euro liegen. Wird dagegen (vom Pro-
gramm STARK II abgesehen) lediglich angestrebt, dass der Schuldenstand der
Kommunen konstant bleiben soll, könnte eigentlich eine jährliche komplementäre
Kreditaufnahme im Umfang der gleichzeitigen Tilgungen (im Durchschnitt der Jahre
2008 – 2010 rd. 189 Mio. Euro jährlich) bzw. der Nettoabschreibungen erfolgen.
57
Da allerdings die Einwohnerzahl nach der 5. Regionalisierten Bevölkerungsprognose
im Trend jährlich um rd. 1,3% jährlich zurückgeht, sind jeweils Tilgungen von 33 Mio.
Euro erforderlich, damit der Schuldenstand pro Einwohner nicht ansteigt, so dass im
Ergebnis nur rd. 156 Mio. Euro zur komplementären Kreditaufnahme verwendbar
wären.
Damit die Kommunen Sachinvestitionen im Umfang von jährlich 480 Mio. Euro finan-
zieren können, dürften somit die investiven Landeszuweisungen bis zum Jahr 2020
nicht unter ein Niveau von rd. 280 - 300 Mio. Euro abgesenkt werden.
Damit auch solche Kommunen investitionsfähig bleiben, die keine oder nur geringe
Eigenanteile aufbringen können, sollte deshalb auch zukünftig die Investitionspau-
schale in einer angemessenen Höhe weitergeführt werden.
4.4. Abbau der Altfehlbeträge
Wenn das Volumen eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs so bemessen wird,
dass der Zuschussbedarf VI im Durchschnitt der Kommunen so gerade ohne lfd. De-
fizite finanziert werden kann, lassen sich Altfehlbeträge nur durch eine besonders
sparsame Haushaltswirtschaft, den Einsatz von Vermögenserlösen, Mehreinnahmen
aus überdurchschnittlichen Realsteuerhebesätzen oder Bedarfszuweisungen des
Landes ausgleichen.
Können Vermögenserlöse nicht mehr erzielt werden und sind die Realsteuerhebe-
sätze schon sehr stark angespannt, so reicht es zum Abbau der Altfehlbeträge offen-
sichtlich nicht aus, dass eine Gemeinde ihre lfd. Rechnung ausgleicht und zusätzlich
ihre Pflichtzuführung erwirtschaftet, sondern sie muss ihr Ausgabenniveau (zumin-
dest im Konsolidierungszeitraum für die Altdefizite) zusätzlich unter das Niveau der
Gemeinden ohne Altfehlbeträge absenken.
Dies kann dazu führen, dass es in einzelnen Aufgabenbereichen zu einer Unter-
schreitung vorgegebener Mindestniveaus kommt. Da das Land in den nächsten Jah-
ren schon rein finanziell nicht in der Lage sein dürfte, dieses Problem dadurch zu
lösen, dass die lfd. FAG-Mittel so stark aufgestockt werden, dass (für alle Kommu-
nen) zusätzliche Spielräume entstehen, sind allenfalls solche unterstützende Maß-
nahmen vorstellbar, bei denen das Land eine gezielte Hilfestellung für Kommunen
mit besonders hohen Altfehlbeträgen leistet.
Als Vorbedingung müsste die laufende Rechnung einschließlich der Pflichtzuführung
(und vor einer eventuellen Rückzuführung vom VermHH) einen angemessenen
Überschuss ausweisen. Zusätzlich sollte sich die Kommune dazu verpflichten, Ver-
mögenserlöse zum Abbau der Altfehlbeträge zu erzielen und die Realsteuerhebesät-
ze (zumindest während des Konsolidierungszeitraums) am Niveau entsprechender
Gemeinden in Ländern mit höheren Hebesätzen (z.B. Sachsen) zu orientieren.
58
Zur Erlangung von Planungssicherheit könnte das Land im Gegenzug eine längerfris-
tige Zinsfestschreibung für die Altfehlbeträge (soweit diese zu Kassenkrediten ge-
führt haben) in gesetzlich geregelter Form zulassen und (bei Einhaltung der Vorga-
ben der abzuschließenden Konsolidierungsvereinbarungen durch die Kommunen)
einen Teil der Tilgungsleistungen für die Kassenkredite übernehmen.
Bei Altfehlbeträgen von rd. 620 Mio. Euro nach der Jahresrechnung 2009 und 510
Mio. Euro nach der Jahresrechnung 2010 (zuzügliche der Doppiker, darunter Mag-
deburg mit ca. 180 Mio. Euro) und einem angenommenen Tilgungsanteil des Landes
von z.B. 30% ergäbe sich bei einem Konsolidierungszeitraum von acht Jahren eine
jährliche Belastung des Landeshaushalts zwischen 25 und 30 Mio. Euro.
Das Niveau der Bedarfszuweisungen von 60 Mio. Euro der Jahre 2010 und 2011
könnte für die weiterhin notwendigen Liquiditätshilfen und ein solches Programm
ausreichen, während der Betrag von 40 Mio. Euro des FAG 2012 bereits zu knapp
sein dürfte.
Da allerdings im Jahr 2012 nach § 17 Abs. 1 Satz 4 des FAG 20 Mio. Euro aus dem
Ausgleichsstock zur Verstärkung der allgemeinen Zuweisungen der kreisangehöri-
gen Gemeinden verwendet werden sollen, stehen im Jahr 2012 letztlich nur 20 Mio.
Euro zur Verfügung. Dieser Betrag dürfte allenfalls ausreichen, um Liquiditätshilfen
zu finanzieren, aber in jedem Fall zu niedrig sein, um ein entsprechendes Programm
aufzusetzen.
Alternativ können die notwendigen Mittel für ein entsprechendes Programm auch
analog dem erfolgreichen Programm STARK II außerhalb des FAG bereitgestellt
werden. Aufgrund der äußerst niedrigen Zinsen könnten die vom Land für STARK II
vorgesehenen Mittel aus der Konsolidierungshilfe möglicherweise auch noch ausrei-
chen, um die Kommunen beim Abbau ihrer Altfehlbeträge zu unterstützen.
5. Der vertikale Finanzausgleich
5.1. Das bisherige Verfahren zur Bestimmung der Finanzaus-
gleichsmasse
Das bisherige Verfahren zur Bestimmung der Finanzausgleichsmasse ist weitgehend
an den Ergebnissen der jeweils drei letzten statistisch erfassten Jahre orientiert.
Zur Berechnung der Finanzausgleichsmasse für das Jahr 2012 werden die Jahres-
rechnungen 2008 und 2009 sowie die Kassenstatistik 2010 herangezogen. Das Land
bestimmt in einem rechentechnisch sehr aufwändigen Verfahren simultan sowohl die
gesamte Finanzausgleichsmasse, die Aufteilung auf die vier kommunalen Gruppen
(kreisfreie Städte, Kreise, kreisangehörige Gemeinden mit weniger als 20.000 Ein-
wohnern und solche mit mindestens 20.000 Einwohnern) und zugleich auch noch die
Verteilung auf die verschiedenen Zuweisungstöpfe.
59
Die Berechnungen für das FAG 2012 (und 2013) sowie die einzelnen Rechenschritte
sind im Anhang zum Regierungsentwurf für das FAG vom 28.09.2011 detailliert auf
insgesamt 128 Seiten dargestellt9.
So sehr es auf der einen Seite zu begrüßen ist, dass jeder Rechenschritt in nachvoll-
ziehbarer Weise transparent gemacht wird, so schwierig ist es auf der anderen Seite,
dabei nicht den Überblick zu verlieren. Ein Teil der kritischen Kommentierung im
Landtag und aus den kommunalen Reihen dürfte deshalb wohl auch auf die Unüber-
schaubarkeit des jetzigen Verfahrens zurückzuführen sein.
Da die Kritik vor allem an der vertikalen Frage der Bestimmung einer angemessenen
Finanzausgleichsmasse ansetzt und sehr viel weniger an den horizontalen Vertei-
lungsfragen, soll in diesem Kapitel zunächst ausschließlich die vertikale Frage be-
handelt werden.
Es lässt sich nämlich leicht demonstrieren, dass die Rechenschritte zur Bestimmung
der Finanzausgleichsmasse selbst (einschließlich der Ergänzungen durch den Land-
tag) mit Ausnahme einiger kleinerer Hilfsberechnungen in einer einzigen Tabelle in
transparenter und übersichtlicher Form zusammengefasst werden können.
Im Prinzip entspricht die Vorgehensweise der bereits im Unterkapitel 4.2. dargestell-
ten Methodik. Ausgangspunkt sind die gesamten Ausgaben (Gr. 899) und die ge-
samten Einnahmen (Gr. 299) der Verwaltungshaushalte aller kommunalen Gebiets-
körperschaften in Sachsen-Anhalt.
Im nächsten Schritt werden die Ausgaben um die Zuführung zum Vermögenshaus-
halt (Gr. 86) und die Deckung von Altfehlbeträgen bereinigt (Gr. 893/894). Da die
kalkulatorische Kosten (Gr. 68) und kalkulatorische Einnahmen (Gr. 27) bei korrekter
Verbuchung identisch sein sollten, hat die Bereinigung um diese Größen auf den zu
bildenden Saldo praktisch keine Auswirkungen.
Auf der Ausgabenseite werden die errechneten Tilgungen hinzuaddiert. Errechnet
sind diese Tilgungen insoweit, dass zunächst aus der Schuldenstatistik für 2008 und
2009 eine Trennung zwischen Tilgungen und Umschuldungen vorgenommen wird
und daraus (nach Jahren getrennt) Quoten für die „echten“ Tilgungen an den gesam-
ten Tilgungen (also einschließlich Umschuldungen) berechnet werden. Diese Quoten
werden dann zunächst für 2008 und 2009 auf die Gesamttilgungen aus der Haus-
haltsstatistik angewandt. Für 2010 wird das arithmetische Mittel aus den beiden Quo-
ten für 2008 und 2009 unterstellt.
In der folgenden Tabelle 3 sind deshalb alle drei Werte als errechnet ausgewiesen.
Zur besseren Unterscheidung von Daten, die direkt der Rechnungs- bzw. Kassensta-
tistik entnommen sind, werden errechnete Werte in Rot dargestellt.
9 Landtag von Sachsen-Anhalt, 2011, Drucksache 6/448, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Finanzausgleichsgesetzes und des Verbandsgemeindegesetzes.
60
Tabelle 3:
Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt, JR 2008, JR 2009 und Kassenstatistik 2010 der Gemeinden sowie eigene Berech-
nungen
lfd. Nr.Abgrenzung der in die Bedarfsberechnung eingehenden
Einnahmen und Ausgaben2008 2009 2010
Durchschnitt
2008 - 2010
1 Gr. 899 (Summe der Ausgaben im VerwHH) 6.358.585.553 6.242.071.466 5.864.461.107 6.155.039.375
2 Gr. 68 (kalkulatorische Kosten) 32.617.448 35.522.185 14.255.460 27.465.031
3 Gr. 86 (Zuführung zum VermHH) 316.545.628 231.706.571 103.828.087 217.360.095
4 Gr. 89 (Deckung von Sollfehlbeträgen aus Vorjahren) 739.424.474 621.243.263 479.159.546 613.275.761
5 Tilgung 183.293.932 175.085.089 177.754.531 178.711.184
6 angerechnete lfd. Ausgaben (1-2-3-4+5) 5.453.291.935 5.528.162.796 5.444.972.545 5.475.475.759
7 Gr. 299 (Summe der Einnahmen im VerwHH) 5.732.104.637 5.621.496.381 5.498.974.500 5.617.525.173
8 Gr. 27 (Kalkulatorische Einnahmen) 32.617.485 35.522.185 14.255.460 27.465.043
9 Gr. 021, 022 und 027 (lokale Steuereinnahmen) 12.916.532 13.189.480 14.078.082 13.394.698
10 Gr. 041, 060 und 061 (lfd. allgemeinen Zuweisungen von Land oder Bund) 1.493.519.921 1.497.651.348 1.396.524.635 1.462.565.301
11 angerechnete lfd. Einnahmen (7-8-9-10) 4.193.050.699 4.075.133.368 4.074.116.323 4.114.100.130
12 lfd. Finanzbedarf (6-11) 1.260.241.236 1.453.029.428 1.370.856.222 1.361.375.629
13 Finanzbedarf der kostenrechnenden Einrichtungen (Gl. 70, 72 und 815) 18.839.311 18.934.647 16.720.175 18.164.711
14 korrigierter lfd. Finanzbedarf (12-13) 1.241.401.925 1.434.094.781 1.354.136.047 1.343.210.918
15 Zusätzliche Zuweisungen aus Funktionalreformgesetzen 10.221.868
16 "Angemessener" lfd. Finanzbedarf (14+15) 1.353.432.786
17 Bedarfszuweisungen 40.000.000
18 Investitionspauschale 128.041.000
19 Finanzausgleichsmasse im Regierungsentwurf für das FAG (16+17+18) 1.521.473.786
Ergebnis der Landtagsberatung
20 Aufstockung für Zusatzlasten aus dem SGB II 26.643.093
21 Aufstockung für Zusatzlasten aus dem SGB XII 2.474.954
22 Aufstockung für Lasten aus dem SGB VIII 9.171.493
23 Gesamtaufstockung durch den Landtag (21+22+23) 38.289.540
24 Finanzausgleichsmasse im FAG 2012 (19+23) 1.559.763.326
Ermittlung der Finanzausgleichsmasse für das Jahr 2012 nach der bisherigen
Methode einschließlich der Ergänzungen durch den Landtag
- in Euro -
61
Von der Einnahmenseite abgezogen werden die lokalen Steuereinnahmen und die
Zuweisungen vom Land. Da einige wenige Kommunen Zuweisungen in der Gruppe
060 (Zuweisungen vom Bund) ausweisen, werden diese auch abgezogen. Es dürfte
sich dabei nämlich eher auch um Zuweisungen des Landes handeln, die versehent-
lich (vielleicht weil es sich um vom Land weitergereichte Bundesmittel handelt) als
Zuweisungen des Bundes gebucht wurden.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass die lfd. FAG-Leistungen des Landes in diesem
Schritt erst einmal neutralisiert werden und die lokalen Steuereinnahmen bei der Be-
rechnung des Finanzbedarfs außen vor bleiben, also den Gemeinden als zusätzliche
Deckungsmittel verbleiben.
Saldiert man die so abgegrenzten lfd. Ausgaben und Einnahmen, ergibt sich – so die
Intention der Berechnung – der durch lfd. Leistungen des Landes im FAG zu finan-
zierenden Finanzbedarf für die einzelnen Jahre.
Bei dieser Berechnung bleiben Begriffe wie „angemessen“, „notwendig“ oder „effizi-
ente Aufgabenwahrnehmung“ (fast) völlig außer vor. Im Kern wird bei diesem Verfah-
ren deshalb nur das laufende Defizit, bzw. der laufende Überschuss berechnet und
mit den tatsächlichen FAG-Leistungen saldiert.
Dieser Verzicht auf eine konkrete Ausfüllung der verfassungsrechtlichen Vorgaben
wird lediglich bei den kostenrechnenden Einrichtungen für Abwasser, Abfall und
Wasserversorgung durchbrochen. Die hier entstandenen Defizite werden nicht als
Finanzbedarfe akzeptiert, sondern vom lfd. Finanzbedarf abgezogen. Allerdings fällt
diese Korrektur deshalb nur gedämpft aus, weil die kalkulatorischen Kosten zuvor
von den Ausgaben abgezogen worden sind. Es handelt sich dabei nicht um eine ver-
nachlässigbare Größe, sondern immerhin um gut 6 Mio. Euro pro Jahr.
Da zum Zeitpunkt der Berechnungen für den FAG-Entwurf für das Jahr 2010 nur die
Kassenstatistik vorlag, wurde der Wert in der Form geschätzt, dass für 2010 die
durchschnittlichen Proportionen der Ausgaben und Einnahmen in den drei Gliede-
rungen zu den gesamten Ausgaben und Einnahmen der Jahre 2008 und 2009 unter-
stellt werden.
Auch die eigentliche Bedarfsermittlung für das Jahr 2012 erfolgt ausschließlich auf
der Basis der drei Referenzjahre, indem das arithmetische Mittel der drei Referenz-
jahre gebildet wird und zwischenzeitliche Entwicklungen und Erkenntnisse völlig au-
ßen vor bleiben. Als korrigierter lfd. Finanzbedarf ergibt sich auf diese Weise ein
Wert von exakt 1.343.210.786 Euro.
Addiert man die besonderen Zuweisungen für die Aufgabenübertragung nach dem
Ersten und Zweiten Funktionalreformgesetz (§ 5 FAG) von zusammen 10.221.868
Euro hinzu, erhält man als Ergebnis den sogenannten „angemessenen“ lfd. Finanz-
bedarf von 1.353.432.786 Euro.
62
Zusammen mit den Bedarfszuweisungen von 40 Mio. Euro und der Investitionspau-
schale von 128,041 Mio. Euro ergibt sich schließlich die im Regierungsentwurf zum
FAG vorgesehene Finanzausgleichsmasse von insgesamt 1.521.473.786 Euro.
Nach intensiver Beratung hat der Landtag sich dafür entschieden, zum einen die
Werte für das Jahr 2013 aus dem FAG zu eliminieren und zum anderen für 2012 die
Finanzausgleichsmasse um weitere 38,3 Mio. Euro auf einen Betrag von
1.559.763.326 Euro aufzustocken.
Da allerdings in § 2 Abs. 3 Satz 2 festgelegt ist, dass von Überzahlungen aus frühe-
ren Jahren im Umfang von insgesamt 53.297.000 Euro ein Betrag von 26.648.500
Euro im Jahr 2012 verrechnet werden soll, reduziert sich die letztlich verfügbare Fi-
nanzausgleichsmasse wieder auf 1.533.114.826 Euro.
In der Landtagsberatung wurde deutlich, dass diese rein vergangenheitsbezogene
Berechnungsmethode aus vielerlei Gründen nicht zufrieden stellt. So würde z.B. im
bisherigen Verfahren die deutliche Reduzierung der SoBEZ-Mittel für die Grundsi-
cherung für Arbeitslose um 47 Mio. Euro von 157 Mio. Euro in 2011 auf 110 Mio. Eu-
ro ab 2012 erst ab dem Jahr 2016 vollumfänglich als Mindereinnahme der Gemein-
den außerhalb des FAG in die Bedarfsberechnung eingehen und somit nur mit sehr
großer Zeitverzögerung kompensiert werden.
Ähnliches gilt für die Entwicklung bei anderen Sozialleistungen, deren Dynamik bei
einer reinen Vergangenheitsorientierung nicht zufriedenstellend erfasst werden kann.
Auch die voraussichtliche Entwicklung der Steuereinnahmen der Gemeinden spielt
bei diesem Verfahren keine Rolle. Bei schlechter Konjunktur, also bei zurückgehen-
den Steuereinnahmen, kommt es deshalb zu einer gravierenden Unterfinanzierung,
während es bei stark steigenden Steuereinnahmen zu einer deutlichen Überfinanzie-
rung kommen kann.
Dazu kommt eine Vielzahl von kritischen Einwänden zur bisherigen Abgrenzung des
lfd. Finanzbedarfs. Entscheidend ist aber, dass eine (fast) reine Ist-Kosten-Betrach-
tung für längst abgeschlossene Jahre das Verfassungsgebot der „Angemessenheit“
ganz offensichtlich nicht erfüllt und mit Blick auf das Jahr 2020 dringend eine länger-
fristige stabile Berechnungsmethode für das Finanzausgleichsvolumen notwendig ist.
63
5.2. Abgrenzung des lfd. Bedarfs
Nach dieser kurzen und knappen Darstellung des bisherigen Berechnungsverfahrens
für den vertikalen Finanzausgleich soll nunmehr systematisch überprüft werden, ob
damit dem Verfassungsauftrag Genüge getan wird und wie eine verfassungskonfor-
me Weiterentwicklung aussehen könnte.
Die Untersuchung dieser Fragen erfolgt in drei Schritten. Im ersten wird untersucht,
ob die Finanzausgleichsmasse beim bisherigen Berechnungsverfahren sachgerecht
abgegrenzt ist. Im zweiten Schritt wird analysiert, ob mit dem bisherigen Verfahren
der Verfassungsauftrag zur Bestimmung einer angemessenen Finanzausstattung der
Kommunen Rechnung getragen wird und im dritten wird geprüft, ob die reine Ver-
gangenheitsorientierung vertretbar ist oder ob der Begriff der Aufgabenbezogenheit
nicht vielmehr zukunftsorientiert interpretiert werden sollte.
Zunächst soll deshalb die Abgrenzung des laufenden Bedarfs überprüft werden. Hier
sind mit der Zuführung vom Vermögenshaushalt und den Einnahmen aus Bedarfs-
zuweisungen zwei Positionen anzusprechen, die im Berechnungsschema des Lan-
des der lfd. Rechnung zugeordnet werden, obwohl dies kaum vertretbar erscheint.
Für die Zuführung vom Vermögenshaushalt gibt es drei wesentliche Fallunterschei-
dungen. Im ersten Fall reichen die lfd. Einnahmen strukturell nicht zur Finanzierung
der lfd. Ausgaben aus. Der Finanzbedarf ist also offensichtlich vorhanden, so dass
die Zuführung nicht als bedarfsmindernd anzusehen ist.
Im zweiten Fall geht es um den adäquaten Umgang mit einmaligen Steuermehrein-
nahmen. Diese führen in späteren Jahren zu einem Rückgang der allgemeinen Zu-
weisungen, aber zugleich auch zu höheren Umlagen. Von daher ist es rational, die
Steuermehreinnahmen zunächst über den Vermögenshaushalt einer Rücklage zuzu-
führen und bei Bedarf in späteren Jahren wieder der Rücklage zu entnehmen und als
Zuführung zum Verwaltungshaushalt zu buchen. Von daher sollte weder die Zufüh-
rung an den Vermögenshaushalt als lfd. Ausgabe, noch die Rückzuführung als lfd.
Einnahme verbucht werden.
Im dritten Fall werden Vermögenserlöse zur Reduzierung von Altdefiziten eingesetzt.
Für den Verwaltungshaushalt ist dies praktisch ein durchlaufender Posten. Von da-
her sollte die Zuführung an den Verwaltungshaushalt nicht als lfd. Einnahme und die
Deckung der Altfehlbeträge nicht als lfd. Ausgabe gebucht werden.
In allen drei Fällen kommt man folglich zum gleichen Ergebnis und es gibt auch keine
wirklich überzeugenden Argumente für die bisherige Position des Landes. Die Zufüh-
rung vom Vermögens- an den Verwaltungshaushalt sollte deshalb nicht mehr als lfd.
Einnahme angesehen werden.
Nicht ganz so einfach ist die Situation bei den Bedarfszuweisungen. Sie dienen nicht
zur Finanzierung der lfd. Ausgaben, sondern zur Abdeckung von Fehlbeträgen aus
Vorjahren. Werden sie nur so eingesetzt, spricht deshalb alles dafür, sie auch nicht
64
den lfd. Einnahmen zuzurechnen. Dürfen sie allerdings auch dazu eingesetzt wer-
den, lfd. Bedarfe zu finanzieren, wären sie natürlich als lfd. Einnahmen anzusehen,
so dass sie bedarfsmindernd wirken würden.
Das Land hat es allerdings selbst in der Hand, eine zweckentsprechende Verwen-
dung sicherzustellen. Von daher spricht auch bei den Bedarfszuweisungen einiges
dafür, sie nicht als lfd. Einnahme anzusehen. Die Bedarfszuweisungen sollten des-
halb immer zusätzlich zu den Mitteln zur Deckung des lfd. Finanzbedarfs vom Land
zur Verfügung gestellt werden.
Auf der anderen Seite erscheint es nicht überzeugend, die lokalen Steuereinnahmen
nicht als lfd. Einnahme anzusehen. Es ist offensichtlich, dass die vorgenommene
Absetzung von den lfd. Einnahmen systematisch nicht zu vertreten ist.
Ähnliches gilt auch für die zusätzlichen Zuweisungen aus der Umsetzung der Funkti-
onalreformgesetze. Der durch die Umsetzung des 1. Funktionalreformgesetzes von
2004 entstehende Bedarf wird bei der Ermittlung des lfd. Finanzbedarfs bereits voll-
ständig und der durch das 2. Funktionalreformgesetz entstandene Bedarf ab dem
Haushaltsjahr 2010 erfasst und damit im FAG 2012 bereits zu einem Drittel berück-
sichtigt. Bei Einbeziehung des Jahres 2011 in die Bedarfsberechnung des Jahres
2013 sind es bereits zwei Drittel und spätestens bei Einbeziehung der Kassenstatis-
tik des Jahres 2012 in die Bedarfsberechnung gibt es keinen Grund mehr für eine
(anteilige) separate Dotierung.
Eine zusätzliche Aufstockung der Finanzausgleichsmasse erscheint deshalb allen-
falls in dem Umfang geboten, in dem die entstandenen Zuschussbedarfe noch nicht
in den Zuschussbedarfen des Dreijahreszeitraums enthalten sind. Der Bedarf aus
den Funktionalreformgesetzen wäre deshalb weit überwiegend aus der errechneten
lfd. Finanzausgleichsmasse zu finanzieren. Die „Töpfchen“ als solche wären davon
natürlich nicht zwingend betroffen, aber sie sollten dann (zumindest anteilig) aus dem
Gesamtvolumen des Finanzausgleichs entnommen werden.
Wenig überzeugen kann auch die Abrechnung der Überzahlungen aus früheren Jah-
ren, die noch in der alten Systematik entstanden sind. Durch den Systemwechsel ist
es bei der Ermittlung der lfd. Finanzbedarfe gerade nicht vorgesehen, zusätzlich
auch noch Ausgleichsleistungen für Vorjahre zu erbringen. Deshalb sollte überlegt
werden, ab dem Jahr 2013 auf eine weitere Abrechnung für Vorjahre zu verzichten.
5.3. Konkretisierung des Kriteriums der Angemessenheit mit
Hilfe eines Ländervergleichs
Bis auf die Nichtanerkennung der Defizite in den kostenrechnenden Einrichtungen
wird die verfassungsrechtliche Vorgabe der Angemessenheit im bisherigen Berech-
nungsverfahren des Landes bisher weder überprüft noch näher konkretisiert. Statt-
dessen werden die durchschnittlichen Differenzen der letzten drei Jahre zwischen
65
den tatsächlichen laufenden Ausgaben und Einnahmen der Kommunen zuzüglich
der lfd. Zuweisungen im FAG als „angemessener“ Finanzbedarf interpretiert.
Ob der so berechnete Bedarf auf einer effizienten Aufgabendurchführung beruht und
sich auf notwendige Ausgaben beschränkt, ist bisher nicht untersucht worden. Von
daher kann das jetzige Berechnungsverfahren den Verfassungsauftrag zur Ermitt-
lung einer angemessenen Finanzausstattung ganz offensichtlich nicht erfüllen.
Um diesem Auftrag nachzukommen, gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten. Zum ei-
nen kann man die Zuschussbedarfe der Kommunen in Sachsen-Anhalt analysieren
und um Ausreißer nach oben bereinigen. Zum anderen kann man die Angemessen-
heit im Rahmen eines Ländervergleichs überprüfen.
Beide Fragestellungen sind wichtig. Landesintern kann man allerdings eine solche
Analyse nur durchführen, wenn es für jede Vergleichsgruppe eine (statistisch) hinrei-
chende Zahl von Kommunen gibt. Bei nur drei kreisfreien Städten ist eine solche
Vorgehensweise ausgeschlossen und elf Kreise sind für statistische Analysen dieser
Art ebenfalls eine recht geringe Zahl. Lediglich auf der Gemeindeebene im kreisan-
gehörigen Raum lassen sich komplexere statistische Untersuchungen durchführen.
Die Ergebnisse entsprechender Bedarfsanalysen können vor allem zur rationalen
Fundierung der Verteilungsregelungen im horizontalen Finanzausgleich dienen.
Es erscheint deshalb zwingend notwendig, zur Ermittlung des angemessenen Fi-
nanzausgleichsvolumens einen Ländervergleich vorzunehmen und dabei zu überprü-
fen, auf welchem Niveau die Finanzausstattung liegen muss, damit den Kommunen
in Sachsen-Anhalt (unter Berücksichtigung der spezifischen Strukturen) die gleichen
Ressourcen wie in anderen Ländern zur Verfügung stehen.
Durch einen Ländervergleich mit den Kommunen in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz
und Schleswig-Holstein sollen die grundsätzlichen Zielmaßstäbe entwickelt werden
und durch einen zusätzlichen Vergleich mit den Kommunen in Mecklenburg-
Vorpommern, Sachsen und Thüringen soll insbesondere überprüft werden, wo die
Gemeinden in Sachsen-Anhalt im Anpassungsprozess der neuen Länder stehen.
Im 4. Kapitel ist erläutert worden, warum es bei Ländervergleichen keinen Sinn gibt,
die reinen Finanzausgleichsleistungen zum Maßstab zu machen. Wenn man den
Tilgungsanteil zunächst einmal vernachlässigt, ist zur Klärung der Frage nach einer
angemessenen Finanzausstattung ein Ländervergleich auf der Basis des oben defi-
nierten Zuschussbedarfs IV am besten geeignet.
Mit dem Zuschussbedarf IV wird gemessen, welche Einnahmen aus Steuern und
Nettozuweisungen vom Land notwendig sind, damit die laufende Rechnung ausge-
glichen werden kann. Oder anders ausgedrückt: Der Zuschussbedarf IV ergibt sich
als Differenz der laufenden Ausgaben (ohne Zahlungen an das Land) und den lau-
fenden Einnahmen (ohne Nettosteuereinnahmen und Zahlungen vom Land).
66
Der Zuschussbedarf IV (wie auch andere Zuschussbedarfe) hat den Vorteil, dass es
nicht zu Doppelzählungen kommt. Der gesamte Zuschussbedarf IV einer Gemeinde
setzt sich additiv aus den Zuschussbedarfen für die einzelnen Aufgaben bzw. Aufga-
bengruppen nach dem Gliederungsplan zusammen. Das gleiche gilt auch für einzel-
ne kommunale Gruppen oder die Kommunen eines Landes insgesamt.
Im Prinzip könnte man also für jede einzelne Aufgabe einen solchen Vergleich durch-
führen. Um den Überblick zu behalten, spricht allerdings vieles dafür, dies nicht zu
tun, sondern im Wesentlichen auf der Ebene der Einzelpläne zu bleiben. Die dann
noch verbleibenden Vergleichsstörungen halten sich in relativ engen Grenzen.
Dennoch sind sie nicht völlig ausgeschlossen. Es muss vor allem darauf geachtet
werden, ob einzelne Aufgaben in einigen Ländern kommunal, in anderen dagegen
ausschließlich auf Landesebene durchgeführt werden. Um solchen Vergleichsstö-
rungen auf die Spur zu kommen, empfiehlt sich eine simultane Analyse der Zu-
schussbedarfe auf der Landes- und der kommunalen Ebene. Mögliche Vergleichs-
störungen lassen sich auf diese Weise recht präzise ermitteln und bereinigen10.
In den folgenden Tabellen 4 – 7 werden die Zuschussbedarfe IV für die einzelnen
Gliederungen und insgesamt im Ländervergleich dargestellt. Um Vergleichsstörun-
gen auf ein Minimum zu reduzieren, sind dabei zwei Korrekturen notwendig.
Da in Sachsen-Anhalt im Gegensatz zu den Vergleichsländern die überörtliche Sozi-
alhilfe eine (fast) reine Landesaufgabe ist und sich in den kommunalen Haushalten
nur bei den Personal- und Sachausgaben der Sozialverwaltung niederschlägt, müs-
sen zur Herstellung der Vergleichbarkeit die lfd. Zuschussbedarfe im Landeshaushalt
zuzüglich der Nettozahlungen vom Bund und abzüglich der (bereits erfassten) Netto-
zahlungen an die Kommunen dem Zuschussbedarf IV in der Gliederung 4 (Soziale
Sicherung) zugerechnet werden.
Die zweite Korrektur betrifft den Schulbereich. Um die notwendigen Leistungen zu
messen, wird der Zuschussbedarf pro gewichteten Schüler und nicht pro Einwohner
in den Vergleich gestellt.
In der Tabelle 4 werden die Zuschussbedarfe IV der Kommunen in Sachsen-Anhalt
und den Vergleichsländern für die Jahre 2008 und 2009 nach Gliederungen und für
die Jahre 2010 und 2011 als Gesamtsummen ausgewiesen.
In der Gliederung 4 (Soziale Sicherung) sind bei Sachsen-Anhalt zur Herstellung der
Vergleichbarkeit die Werte so korrigiert worden, als ob nicht das Land, sondern die
Kommunen die Träger der überörtlichen Sozialhilfe wären. Da weitere Vergleichsstö-
rungen in der Gliederung 4 nicht auszuschließen sind, werden die Gesamtsummen
einmal einschließlich und einmal ohne die Gliederung 4 gebildet.
10
Vgl. zu dieser Methodik z.B. Deubel, I., 2010, Strategische Ausrichtung des Landeshaushaltes von Sachsen-Anhalt, S. 71ff.
67
Die vorläufige bundesweite Kassenstatistik des Jahres 2011 stand erst seit dem 3.
April 2012 zur Verfügung. Die Daten sind deshalb nur nachrichtlich ausgewiesen und
es ist auf eine Abschätzung der Zuschussbedarfe im Einzelplan 4 verzichtet worden.
In der Tabelle 5 sind die Zuschussbedarfe IV in Euro pro Einwohner berechnet. Um
Aufgabenbereich für Aufgabenbereich direkt vergleichen zu können, sind in der Ta-
belle 6 die jeweiligen Differenzen zwischen den Zuschussbedarfen der Kommunen in
Sachsen-Anhalt und denen der Vergleichsländer dargestellt.
Im Vergleich zum gewichteten Durchschnitt der Zuschussbedarfe von Niedersach-
sen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein liegen die Summen der korrigierten Zu-
schussbedarfe in 2008 um 114 Euro pro Einwohner, in 2009 um 105 Euro pro Ein-
wohner und 2010 um 70 Euro pro Einwohner höher.
Dieser positive Trend hat sich rein rechnerisch im Jahr 2011 wieder umgekehrt. Mit
einer Differenz von 109 Euro pro Einwohner hat sich der Abstand deutlich vergrößert
und fast wieder den Wert des Jahres 2008 angenommen. Es lässt sich allerdings
zeigen, dass der Anstieg des Abstandes von 2010 auf 2011 nicht auf einem Nach-
lassen der Konsolidierungsanstrengungen beruht, sondern sich durch drei Sonder-
faktoren erklären lässt.
Den Ergebnissen der Rechnungsstatistiken 2008 und 2009 ist zu entnehmen, dass
Sachsen-Anhalt nur im Schulbereich und in der Gliederung 8 niedrigere Zuschuss-
bedarfe als die westlichen Vergleichsländer aufweist.
Die höheren Einnahmen in der Gliederung 8 entstehen zum Teil auch dadurch, dass
die Kommunen der neuen Länder in Folge der früheren Staatswirtschaft über ein re-
lativ großes Grundvermögen verfügen und deshalb höhere Erträge erzielen können
als die vergleichbaren Kommunen der alten Länder. Da zudem die Trennschärfe
zwischen den Einzelplänen 7 und 8 nicht besonders hoch ist, weil sich bei identi-
schen Aufgaben die Zuordnung häufig nur nach der gewählten Rechtsform richtet,
sollten die Einzelpläne 7 und 8 gemeinsam betrachtet werden. Bei einer Zusammen-
fassung der beiden Einzelpläne liegen die Zuschussbedarfe in Sachsen-Anhalt deut-
lich über denen der westlichen Vergleichsländer.
In der Summe ergeben sich beim Vergleich mit den östlichen Vergleichsländern
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen sogar noch höhere Überschrei-
tungen, nämlich um 163 Euro pro Einwohner im Jahr 2008, 135 Euro im Jahr 2009,
106 Euro pro Einwohner im Jahr 2010 und wiederum 162 Euro im Jahr 2011. Auch
hier hat sich im vergangenen Jahr der positive Trend rein rechnerisch umgekehrt und
der Abstand liegt fast wieder auf dem Niveau des Jahres 2008.
Der geringere Zuschussbedarf der Gemeinden in Sachsen-Anhalt pro Einwohner im
Bereich der Schulen gegenüber den alten Vergleichsländern beruht nicht etwa auf
besonderer Sparsamkeit oder Effizienz, sondern auf dem starken Rückgang der
Schülerzahlen. Während in den alten Vergleichsländern die Schülerquote an allge-
68
meinbildenden Schulen aktuell (noch) 11,5% an der Bevölkerung beträgt, sind es in
Sachsen-Anhalt aufgrund der Geburtenlücke der neunziger Jahre nur 7,5%.
Da in Sachsen-Anhalt relativ weniger Schüler in allgemeinbildenden und relativ mehr
Schüler in berufsbildenden Schulen unterrichtet werden, muss für eine sachgerechte
Bewertung eine gewichtete Schülerzahl gebildet werden. Da bei bundesweiter Be-
trachtung der Zuschussbedarf pro Schüler bei berufsbildendenden Schulen bei rd.
40% des Zuschussbedarfs an einer allgemeinbildenden Schule liegt, werden die
Schülerzahlen der Länder mit dieser Gewichtung versehen und zu einer gewichteten
Schülerzahl zusammengefasst.
Bezieht man die Zuschussbedarfe im Einzelplan 2 nicht auf Einwohner, sondern auf
die gewichtete Schülerzahl, wird deutlich, dass der spezifische Zuschussbedarf in
Sachsen-Anhalt, aber auch in den anderen neuen Vergleichsländern, deutlich über
dem der alten Vergleichsländern liegt. Es erscheint deshalb offensichtlich, dass
auch im Schulbereich ein erheblicher Ausgabenüberhang besteht und noch massive
Anpassungen notwendig sind, damit der Zuschussbedarf IV pro gewichteten Schüler
bis zum Jahr 2020 auf das Niveau der alten Vergleichsländer reduziert werden kann.
In der Tabelle 7 wird zusammenfassend dargestellt, dass (bei einer zusammenfas-
senden Betrachtung der Einzelpläne 7 und 8) die Zuschussbedarfe der Kommunen
in Sachsen-Anhalt mit Ausnahme der sozialen Sicherung in allen anderen Bereichen
zum Teil deutlich oberhalb der alten Vergleichsländer liegen.
Bei einem Vergleich der Jahre 2008 bis 2010 wird deutlich, dass sich diese Schere
langsam schließt. Von 405,7 Mio. Euro im Jahr 2008 über 380,2 Mio. Euro im Jahr
2009 hat sich der Mehraufwand gegenüber den alten Vergleichsländern auf 294,5
Mio. Euro im Jahr 2010 reduziert. Im Durchschnitt der drei Jahre liegt er bei 360,1
Mio. Euro.
Nun mag es natürlich so sein, dass die spezifischen Strukturen und Problemlagen in
den Kommunen der neuen Länder einen solchen Mehraufwand notwendig machen
und der Vergleich mit den Kommunen der alten Länder unzulässig ist.
Der Vergleich mit Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen zeigt auch
durchaus, dass die Kommunen in den alten und neuen Ländern beachtliche struktu-
relle Unterschiede aufweisen. Denn auch in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen
und Thüringen liegen die Zuschussbedarfe für öffentliche Ordnung und Sicherheit, im
Schulbereich (pro gewichteten Schüler), im Kulturbereich, für Gesundheit, Sport und
Erholung sowie für öffentliche Einrichtungen (noch) deutlich höher als in den alten
Vergleichsländern, aber dafür in der allgemeinen Verwaltung, der sozialen Sicherung
und der allgemeinen Finanzwirtschaft bereits erheblich niedriger.
69
Tabelle 4:
Quellen: Statistisches Bundesamt (Sonderaufbereitung der kommunalen Rechnungen 2008 und 2009 und der kommunalen Kassenstatistiken 2010
und 2011; Schülerstatistik 2010/11); Ministerium der Finanzen Sachsen-Anhalt (Jahresrechnungen des Landeshaushalts 2008, 2009,2010 und 2011)
und eigene Berechnungen
2008 2009 2010nachrichtlich
20112008 2009 2010
nachrichtlich
20112008 2009 2010
nachrichtlich
2011
Einwohnerzahl 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848 14.842.416 14.794.217 14.770.641 14.760.728 8.156.231 8.091.217 8.041.327 8.003.402
0 Allgemeine Verwaltung 485.055 503.779 2.378.305 2.793.224 1.278.582 1.391.086
1 Öffentliche Ordnung und Sicherheit 193.875 197.199 748.570 726.374 538.838 615.561
2 Schulen 260.909 271.382 2.313.415 2.322.470 895.657 943.167
3 Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege 174.048 181.747 612.748 600.536 579.344 604.034
4 Soziale Sicherung (in Sachsen-Anhalt mit üö. Sozialhilfe) 1.617.216 1.697.417 (1.670.118) 9.997.165 10.658.372 (10.882.838) 5.096.522 5.387.724 (5.506.166)
5 Gesundheit, Sport, Erholung 130.437 133.468 757.502 730.483 463.009 484.514
6 Bau- und Wohnungswesen, Verkehr 260.563 273.111 1.499.177 1.496.054 856.223 976.237
7 Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung 156.075 165.541 551.245 421.987 396.396 487.298
8 Wirtschaftliche Unternehmen, Grund- und Sondervermögen -107.125 -110.184 -514.835 -388.450 -328.387 -369.424
9 Allgemeine Finanzwirtschaft 102.996 81.503 226.695 290.648 29.595 7.658
0 - 9 Summe (in Sachsen-Anhalt mit überörtlicher Sozialhilfe in 4) 3.274.049 3.394.963 3.360.263 3.497.276 18.569.987 19.654.262 20.139.312 20.613.196 9.805.779 10.512.565 10.670.884 10.752.464
0 - 9 ohne 4 (in 2010 Abzug entsprechend der Quote in 2008 und 2009) 1.656.833 1.697.546 1.681.921 8.572.822 8.995.890 9.256.474 4.709.257 5.124.841 5.164.718
durch Land finanzierte überörtliche Sozialhilfe 361.633 372.160 384.273 398.044
gewichtete Schülerzahl (allg. = 1; berufl. = 0,4) 196.933 192.477 191.755 1.886.491 1.854.035 1.824.265 677.606 668.060 671.478
- in 1000 Euro -
Grunddaten zur Struktur des Zuschussbedarfs IV im Ländervergleich Sachsen-Anhalt NI/RP/SH MV/SN/TH
70
Tabelle 5:
2008 2009 2010nachrichtlich
20112008 2009 2010
nachrichtlich
20112008 2009 2010
nachrichtlich
2011
Einwohnerzahl 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848 14.842.416 14.794.217 14.770.641 14.760.728 8.156.231 8.091.217 8.041.327 8.003.402
0 Allgemeine Verwaltung 202 213 160 189 157 172
1 Öffentliche Ordnung und Sicherheit 81 83 50 49 66 76
2 Schulen 109 115 156 157 110 117
3 Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege 73 77 41 41 71 75
4 Soziale Sicherung (in Sachsen-Anhalt mit üö. Sozialhilfe) 674 717 674 720 625 666
5 Gesundheit, Sport, Erholung 54 56 51 49 57 60
6 Bau- und Wohnungswesen, Verkehr 109 115 101 101 105 121
7 Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung 65 70 37 29 49 60
8 Wirtschaftliche Unternehmen, Grund- und Sondervermögen -45 -47 -35 -26 -40 -46
9 Allgemeine Finanzwirtschaft 43 34 15 20 4 1
0 - 9 Summe (in Sachsen-Anhalt mit überörtlicher Sozialhilfe) 1.365 1.434 1.433 1.506 1.251 1.329 1.363 1.396 1.202 1.299 1.327 1.343
0 - 9 ohne 4 (in 2010 Abzug entsprechend der Quote in 2008 und 2009) 691 717 717 578 608 627 577 633 642
durch Land finanzierte überörtliche Sozialhilfe 151 157 164
Zuschussbedarf IV pro gewichteten Schüler 1.325 1.410 1.226 1.253 1.322 1.412
- in Euro pro Einwohner -
Struktur des Zuschussbedarfs IV pro Einwohner im LändervergleichSachsen-Anhalt NI/RP/SH MV/SN/TH
71
Tabelle 6:
2008 2009 2010nachrichtlich
20112008 2009 2010
nachrichtlich
2011
Einwohnerzahl 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848
0 Allgemeine Verwaltung 42 24 45 41
1 Öffentliche Ordnung und Sicherheit 30 34 15 7
2 Schulen -47 -42 -1 -2
3 Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege 31 36 2 2
4 Soziale Sicherung (in Sachsen-Anhalt mit üö. Sozialhilfe) 1 -3 49 51
5 Gesundheit, Sport, Erholung 3 7 -2 -4
6 Bau- und Wohnungswesen, Verkehr 8 14 4 -5
7 Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung 28 41 16 10
8 Wirtschaftliche Unternehmen, Grund- und Sondervermögen -10 -20 -4 -1
9 Allgemeine Finanzwirtschaft 28 15 39 33
0 - 9 Summe (in Sachsen-Anhalt mit überörtlicher Sozialhilfe in 4) 114 105 70 109 163 135 106 162
0 - 9 ohne 4 (in 2010 Abzug entsprechend der Quote in 2008 und 2009) 113 109 91 113 84 75
Zuschussbedarf IV pro gewichteten Schüler 99 157 3 -2
- in Euro pro Einwohner -
Unterschiede des Zuschussbedarfs IV in Sachsen-
Anhalt pro Einwohner zu den VergleichsländernSachsen-Anhalt im Vergleich zu NI/RP/SH Sachsen-Anhalt im Vergleich zu MV/SN/TH
72
Tabelle 7:
2008 2009 2010 2008-2010nachrichtlich
20112008 2009 2010 2008-2010
nachrichtlich
2011
Einwohnerzahl 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848
0 Allgemeine Verwaltung 100.751 56.773 109.087 96.736
1 Öffentliche Ordnung und Sicherheit 72.916 80.956 35.429 17.081
2 Schulen -112.910 -100.288 -2.460 -4.596
3 Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege 75.036 85.642 3.691 5.002
4 Soziale Sicherung (in Sachsen-Anhalt mit üö. Sozialhilfe) 1.800 -8.268 118.579 120.926
5 Gesundheit, Sport, Erholung 8.034 16.567 -5.711 -8.305
6 Bau- und Wohnungswesen, Verkehr 18.315 33.694 8.790 -12.544
7 Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung 67.001 98.009 39.514 22.954
8 Wirtschaftliche Unternehmen, Grund- und Sondervermögen -23.934 -48.019 -10.563 -2.088
9 Allgemeine Finanzwirtschaft 66.365 34.990 94.294 79.262
0 - 9 Summe (in Sachsen-Anhalt mit überörtlicher Sozialhilfe) 273.374 249.644 163.366 228.795 253.444 390.651 318.903 248.861 319.472 376.561
0 - 9 Summe (in 2 pro gewichteten Schüler) 405.692 380.207 294.347 360.082 398.876 393.714 323.143 254.663 323.840 381.709
0 - 9 ohne 4 (in 2010 Abzug entsprechend der Quote in 2008 und 2009) 271.573 257.912 212.561 247.349 267.408 272.072 197.977 176.005 215.351 253.834
0 - 9 ohne 4 (in 2 pro gewichteten Schüler) 403.892 388.475 343.543 378.636 409.342 275.135 202.216 181.806 219.719 258.982
Mehraufwand in 2 pro gew. Schüler * Zahl der gew. Schüler in ST 19.409 30.274 24.530 24.738 604 -357 116 121
- in 1000 Euro -
Unterschiede der lfd. Zuschussbedarfe in Sachsen-Anhalt zu den Vergleichsländern
ST im Vergleich zu NI/RP/SH ST im Vergleich zu MV/SN/TH
73
Zusammen mit den hohen Überschüssen in der Gliederung 8 weisen die Vergleichs-
länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen sogar insgesamt bereits
jetzt schon einen Zuschussbedarf IV auf, der im Durchschnitt der Jahre 2008 – 2010
um über 38 Euro pro Einwohner niedriger als in den alten Vergleichsländern ausfällt.
Da diese drei Länder auch im Jahr 2011 mit einem Zuwachs des gesamten Zu-
schussbedarfs IV pro Einwohner um nur 1,24% deutlich sparsamer gewirtschaftet
haben als die alten Vergleichsländer mit einem Zuwachs um 2,42%, hat sich ihr Kon-
solidierungsvorsprung gegenüber den alten Flächenländern nunmehr sogar auf 53
Euro pro Einwohner erhöht.
Diese drei Länder zeigen, dass es sehr wohl möglich ist, in einzelnen Bereichen (z.B.
für kulturelle Aufgaben) ein weit höheres Niveau als in den alten Ländern zu realisie-
ren, weil gleichzeitig in anderen Bereichen zusätzliche Einsparungen und Effizienz-
vorsprünge erzielt werden.
Damit wird zugleich auch die Vermutung widerlegt, dass die spezifischen Strukturen
in den neuen Ländern zwangsläufig zu höheren Gesamtzuschussbedarfen führen
müssen. Es sind vielmehr spezifische Entwicklungen, die dazu geführt haben, dass
die Kommunen im Sachsen-Anhalt sowohl im Vergleich mit den alten, als auch mit
den neuen Ländern erheblich höhere Zuschussbedarfe aufweisen.
Im Durchschnitt der Jahre 2008 – 2010 lag der Mehraufwand im Vergleich zu den
neuen Ländern (bei gewichteten Schülerzahlen im Einzelplan 2) bei 323,8 Mio. Euro.
Geht man die Einzelpläne durch, sind in Sachsen-Anhalt im Vergleich mit Mecklen-
burg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen vor allem fünf Aufgabenbereiche auffäl-
lig. Am gravierendsten ist der Unterschied in der sozialen Sicherung. Hier fällt der
Zuschussbedarf in Sachsen-Anhalt um rd. 50 Euro pro Einwohner höher aus, was zu
einer zusätzlichen Haushaltsbelastung von 118,6 Mio. Euro in 2008 und 120,9 Mio.
Euro in 2009 führt.
Der zweitgrößte Bereich ist die allgemeine Verwaltung mit Mehrausgaben von 109,1
Mio. Euro in 2008 und 96,7 Mio. Euro in 2009. Danach folgt die allgemeine Finanz-
wirtschaft (Schwerpunkte sind hier die Zahlungen des Landes im Zusammenhang mit
SGB II und die Zinsausgaben der Kommunen) mit 94,3 Mio. Euro in 2008 und 79,3
Mio. Euro in 2009. Aber auch die öffentlichen Einrichtungen mit 39,5 Mio. Euro und
23,0 Mio. Euro sowie die öffentlichen Ordnung und Sicherheit mit 35,4 Mio. Euro und
17,5 Mio. Euro weisen in Sachsen-Anhalt deutlich höhere Zuschussbedarfe aus.
Diese fünf Bereiche summieren sich insgesamt zu 396,9 Mio. Euro in 2008 und
337,4 Mio. Euro in 2009 auf. Bei der Suche nach einer Antwort auf die verfassungs-
rechtliche Vorgabe, eine angemessene kommunale Finanzausstattung zu bestim-
men, kann ein solcher Befund nicht einfach ignoriert werden, sondern ist äußerst re-
levant.
74
Natürlich muss auch die Frage gestellt werden, wie es innerhalb der neuen Länder
zu so unterschiedlichen Entwicklungen kommen konnte. Die Untersuchung dieser
Frage sollte aber vor allem dazu dienen, für den verbleibenden Zeitraum bis zum
Jahr 2020 nunmehr die Weichen auf Seiten des Landes so zu stellen, dass eine
dauerhafte Finanzierbarkeit sichergestellt werden kann und den Kommunen gleich-
zeitig eine klare und berechenbare Perspektive für die weitere Entwicklung aufzuzei-
gen.
Am Beispiel der sozialen Sicherung lässt sich dabei durchaus zeigen, dass der
Mehraufwand in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu den alten Ländern völlig anders
strukturiert ist als im Vergleich zu den neuen Ländern.
In den folgenden drei Tabellen sind für das Jahr 2009 die Unterschiede in den drei
großen Kostenblöcken der Sozialhilfe, der Jugendhilfe und der Kosten der Unterkunft
nach dem SGB II dargestellt.
Dabei zeigt sich, dass beim Vergleich mit den alten Ländern die Mehrbelastungen
hauptsächlich bei den Kosten der Unterkunft (197,6 Mio. Euro) und den Tagesein-
richtungen für Kinder (32,2 Mio. Euro) entstehen, während die Sozialhilfe um 191,9
Mio. Euro niedriger ausfällt.
Bei der Interpretation der Mehrbelastungen für die Kosten der Unterkunft muss aller-
dings bedacht werden, dass es sich dabei nur um die Summe der entsprechenden
Auszahlungen handelt.
Tabelle 8:
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen
Summe
Hilfe zum
Lebens-
unterhalt
Grundsiche-
rung im Alter
und bei
Erwerbsmin-
derung
Hilfen zur
Gesundheit
Eingliede-
rungshilfe
Hilfe zur
Pflege
Hilfe zur
Überwindung
besonderer
sozialer
Schwierigkeiten
in Euro pro
Einwohner
Sachsen-Anhalt 199 12 30 4 135 16 1
NI/RP/SH 280 14 51 9 169 33 5
MV/SN/TH 163 9 27 4 107 14 3
Differenz von ST
zu Vergleichs-
ländern in 1000
Euro
NI/RP/SH -191.882 -2.662 -49.664 -12.169 -79.406 -40.215 -7.765
MV/SN/TH 84.903 8.796 6.607 1.055 66.784 4.572 -2.912
Reine Ausgaben für Sozialhilfe 2009 im Ländervergleich
75
Tabelle 9:
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen
Tabelle 10:
Quelle: Bundesagentur für Arbeit und eigene Berechnungen
ST NI/RP/SH MV/SN/TH zu NI/RP/SH zu MV/SN/TH
Einrichtungen der Jugendarbeit 8 10 8 -5.995 -1.123
Einrichtungen der Jugendsozialarbeit 1 1 0 -1.140 763
Einrichtungen der Familienförderung 0 0 0 -268 190
Einrichtungen für werdende Mütter und
Mütter oder Väter mit Kind(ern)
Tageseinrichtungen für Kinder 180 166 203 32.215 -55.413
darunter
Horte bzw. Einrichtungen für Schulkinder 8 4 10 9.302 -4.615
Erziehungs-, Jugend- und Familien-
beratungsstellen
Einrichtungen für Hilfe zur Erziehung
und Hilfe für junge Volljährige
sowie für Inobhutnahme
Einrichtungen der Mitarbeiterfortbildung 0 0 0 -103 -88
Sonstige Einrichtungen 0 1 0 -514 372
Zusammen 191 182 214 20.730 -53.077
Personalausgaben der Jugendhilfe-
verwaltung
Insgesamt 200 184 227 38.472 -63.313
9 1 17.742 -10.23613
2 4 1 -5.451 1.367
1 -0 0 2.021 886
-0 0 0 -35 -31
Reine Ausgaben für Jugendhilfe 2009 im Ländervergleich
- in Euro pro Einwohner - - Differenz in 1.000 Euro -
ST NI/RP/SH MV/SN/TH
Zahl der Bedarfsgemeinschaften 171.070 573.508 550.182
Kosten der Unterkunft in 1000 Euro 549.682 2.199.983 1.680.661
KdU pro BG in Euro 3.213 3.836 3.055
BG als Quote der Einwohner 7,23% 3,88% 6,80%
KdU pro Einwohner 232 149 208
Differenz von ST zu Vergleichs-
ländern in Euro pro Einwohner0 83 24
Differenz von ST in 1000 Euro 0 197.614 57.907
Kosten der Unterkunft 2009 im Ländervergleich
76
Da der Bund im Jahr 2009 davon einen Anteil von 147 Mio. Euro getragen hatte und
das Land die 157 Mio. Euro (Netto-) Entlastung aus den SoBEZ aufgrund der struktu-
rellen Arbeitslosigkeit weitergeleitet hat, lag die Nettobelastung des Landes Sachsen-
Anhalt und seiner Kommunen im Saldo nur bei rd. 107 Euro pro Einwohner.
Da die alten Vergleichsländer und ihre Kommunen zusätzlich mit der Refinanzierung
der SoBEZ belastet waren, betrug ihre Nettobelastung aus den Kosten der Unter-
kunft nach Abzug des Bundesanteils rd. 123 Euro pro Einwohner. Das Land Sach-
sen-Anhalt und seine Kommunen waren somit durch die Kosten der Unterkunft im
Ergebnis um rd. 38,5 Mio. Euro geringer als die alten Vergleichsländer belastet.
Durch die zwischenzeitliche Reduzierung der SoBEZ aufgrund der strukturellen Ar-
beitslosigkeit und die Fortschreibung der Grunddaten hat sich dies allerdings wieder
geändert. Im Jahr 2012 dürfte durch die Kosten der Unterkunft im Vergleich zu den
drei alten Ländern nunmehr für Sachsen-Anhalt im Ergebnis eine Mehrbelastung von
rd. 25 Mio. Euro entstehen.
Beim Vergleich mit den neuen Ländern entstehen Mehrkosten vor allem bei der So-
zialhilfe (84,9 Mio. Euro) und hier vorwiegend bei der vom Land wahrgenommenen
Eingliederungshilfe (66,8 Mio. Euro) sowie mit 57,9 Mio. Euro bei den Kosten der
Unterkunft.
Dagegen liegen die reinen Ausgaben für die Jugendhilfe um 63,3 Mio. Euro unter
denen der drei neuen Vergleichsländer, was in Anbetracht des mit 56,1% (März
2011) höchsten Versorgungsgrads mit U3-Plätzen aller Bundesländer recht erstaun-
lich ist, denn die Durchschnittsquote der drei neuen Vergleichsländer liegt mit 46,4%
(März 2011) deutlich niedriger.
Die Unterschiede bei der Eingliederungshilfe beruhen nicht auf Unterschieden bei
der Quote der Empfänger, sondern fast ausschließlich auf unterschiedlichen Kosten
pro Fall. Die durchschnittlichen Nettokosten pro Fall lagen in Sachsen-Anhalt bei
13.392 Euro. In den alten Vergleichsländern fielen sie mit 16.568 Euro um 3.277 Eu-
ro höher aus, in den neuen Vergleichsländern dagegen mit 9.830 Euro um 3.461 Eu-
ro niedriger.
Die Frage der Angemessenheit ist bei dieser Aufgabe nur sehr schwer zu beantwor-
ten. Aber es sollte sicherlich analysiert werden, warum die Fallkosten in Sachsen-
Anhalt um 36% höher liegen als in den neuen Vergleichsländern. Da die Aufgabe nur
in Sachsen-Anhalt vom Land wahrgenommen wird, stellt sich natürlich auch die Fra-
ge, ob die aus Vergleichsgründen notwendige Zurechnung zum kommunalen Zu-
schussbedarf der Gliederung 4 nicht zu ungerechtfertigten Verzerrungen zu Unguns-
ten der Kommunen führt.
Da die hohe U3-Versorgung ebenfalls landespolitisch gewollt ist und die auch im
Vergleich mit den anderen neuen Ländern besonders hohe Quote der Bedarfsge-
meinschaften nach dem SGB II von den Kommunen kaum gesteuert werden kann,
77
spricht einiges dafür, die Gliederung 4 wegen dieser Vergleichsstörungen bei den
Ländervergleichen zu neutralisieren.
In den Vergleich einzubeziehen sind deshalb (je nach Fragestellung) vorzugsweise
die Einzelpläne 0-9 ohne die 4. Die sich im Durchschnitt der drei Jahre ergebenden
höheren Zuschussbedarfe in Sachsen-Anhalt liegen bei Ausklammerung des Einzel-
plans 4 um 378,6 Mio. Euro über denen der alten und um 219,7 Mio. Euro über de-
nen der neuen Vergleichsländer.
Bis auf den Schulbereich erscheint für alle übrigen Bereiche ein Vergleich der Zu-
schussbedarfe pro Einwohner angemessen. Im Schulbereich sind allerdings sinn-
vollerweise die Zuschussbedarfe pro gewichteten Schüler anzusetzen.
Insbesondere in der allgemeinen Verwaltung, im Bereich der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung sowie in der Kultur besteht zwischen den Zuschussbedarfen und den
Personalausgaben ein sehr enger Zusammenhang, während in anderen Bereichen
Vergaben an Dritte und Privatisierungen eine größere Rolle spielen.
Tabelle 11:
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen
Gl.-Nr.Aufgabenbereich
(Haushaltssystematik 2001)ST NI/RP/SH MV /SN/TH
ST -
NI/RP/SH
ST -
MV/SN/TH
ST -
NI/RP/SH
absolut
ST -
MV/SN/TH
absolut
0 - 8 Insgesamt 16,38 13,17 14,87 3,21 1,51 7.525 3.541
0 Allgemeine Verwaltung 3,32 2,94 2,90 0,38 0,42 883 974
1 Öffentliche Sicherheit und Ordnung 1,87 1,29 1,73 0,58 0,14 1.349 336
11 dar.: Öffentliche Ordnung 1,06 0,85 1,09 0,21 -0,03 493 -65
13 Feuerschutz/Brandschutz 0,40 0,29 0,43 0,11 -0,03 269 -63
2 Schulen 0,69 0,99 0,79 -0,30 -0,10 -704 -235
3 Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege 1,04 0,54 1,04 0,50 0,00 1.183 3
33 dar.: Theater und Musikpflege 0,58 0,16 0,38 0,42 0,20 978 479
35 Volksbildung 0,18 0,20 0,30 -0,02 -0,12 -39 -291
4 Soziale Sicherung 4,36 3,03 3,48 1,33 0,88 3.114 2.065
43dar.: Soziale Einrichtungen
(ohne Einrichtungen der Jugendhilfe)0,09 0,24 0,13 -0,15 -0,04 -341 -85
464 dar.: Tageseinrichtungen für Kinder 2,47 1,38 1,76 1,09 0,71 2.547 1.664
5 Gesundheit, Sport und Erholung 1,32 1,02 1,27 0,30 0,05 694 111
50, 54
dar.: Gesundheitsverwaltung, sonstige
Einrichtungen und Maßnahmen der
Gesundheitspflege
0,21 0,21 0,26 0,00 -0,05 1 -106
51 Krankenhäuser und Heilstätten 0,57 0,37 0,59 0,20 -0,02 478 -51
56, 57 Eigene Sportstätten, Badeanstalten 0,20 0,18 0,20 0,02 0,00 48 11
58, 59Park- und Gartenanlagen,
sonstige Erholungseinrichtungen0,32 0,27 0,21 0,05 0,11 124 247
6 Bau- und Wohnungswesen, Verkehr 1,51 1,13 1,44 0,38 0,07 881 153
61 dar.: Städteplanung, Vermessung, Bauordnung 0,36 0,33 0,48 0,03 -0,12 72 -280
63, 65,
66, 68Straßen , Parkeinrichtungen 0,17 0,35 0,28 -0,18 -0,11 -427 -247
7 Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung 1,63 1,59 1,60 0,04 0,03 84 67
70 dar.: Abwasserbeseitigung 0,29 0,39 0,18 -0,10 0,11 -239 256
72 Abfallbeseitigung 0,21 0,47 0,29 -0,26 -0,08 -617 -187
8 Wirtschaftliche Unternehmen 0,66 0,61 0,61 0,05 0,05 111 119
87 dar. Sonstige wirtschaftliche Unternehmen 0,00 0,07 0,04 -0,07 -0,04 -156 -91
(Kern- und Extrahaushalte zusammen)
- VZÄ pro 1000 Einwohner -
Vollzeitäquivalente pro 1000 Einwohner der Kommunalverwaltungen im Jahr 2010
78
Da alleine in den Gliederungen 0 und 1 der Zuschussbedarf der Kommunen in Sach-
sen-Anhalt im Durchschnitt der Jahre 2008 und 2009 um 156 Mio. höher lag als in
den alten Vergleichsländern und den der neuen auch um 129 Mio. Euro übertraf,
kann dies eigentlich nur auf entsprechenden Personalüberhängen beruhen. In der
Tabelle 11 wird dies sehr deutlich.
Bei einer Personalausstattung wie in den alten Vergleichsländern ergibt sich alleine
in diesen beiden Aufgabenbereichen ein Überhang von 2.232 Stellen und im Ver-
gleich zu Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen immerhin auch noch
einer von 1.310 Stellen.
Weitere Bereiche mit deutlich mehr Personal sind Theater und Musikpflege (nur ge-
genüber den alten Ländern), der KiTa-Bereich, Gesundheit, Sport und Erholung,
Bau- und Wohnungswesen sowie Öffentliche Einrichtungen und Wirtschaftliche Un-
ternehmen.
Dass die Kommunen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2010 deutlich mehr Personal be-
schäftigten als die Vergleichsländer, sollte allerdings auch nicht in dem Sinne fehlin-
terpretiert werden, dass dieser Personalüberhang einfach tatenlos hingenommen
wurde.
Tabelle 12:
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen
Sachsen-
AnhaltNI/RP/SH MV/SN/TH
Insgesamt-2,44% 1,09% -1,48%
Allgemeine Verwaltung -5,64% 4,15% -2,25%
Öffentliche Sicherheit und Ordnung -4,69% 2,88% -0,68%
dar.: Öffentliche Ordnung -6,64% 3,48% -2,06%
Feuerschutz/Brandschutz -0,70% 4,03% 2,13%
Schulen -4,33% 1,10% -0,10%
Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege -3,11% 1,28% -4,34%
dar.: Theater und Musikpflege -4,95% 1,22% -8,80%
Volksbildung -5,76% 0,82% -1,87%
Soziale Sicherung 1,68% 2,41% 0,24%
dar.: Soziale Einrichtungen
(ohne Einrichtungen der Jugendhilfe) 5,78% -1,34% -22,48%
dar.: Tageseinrichtungen für Kinder 2,09% 6,97% 3,72%
Gesundheit, Sport und Erholung -9,89% -0,60% -0,64%
dar.: Gesundheitsverwaltung, sonstige
Einrichtungen und Maßnahmen der
Gesundheitspflege -10,00% -0,37% -4,53%
Krankenhäuser und Heilstätten -7,96% 0,08% 2,01%
Eigene Sportstätten, Badeanstalten -15,92% -0,65% -4,82%
Park- und Gartenanlagen,
sonstige Erholungseinrichtungen -9,88% -2,08% 0,28%
Bau- und Wohnungswesen, Verkehr -1,48% -3,79% -2,72%
dar.: Städteplanung, Vermessung, Bauordnung 0,60% 9,80% -2,38%
Straßen, Parkeinrichtungen -7,01% 5,58% 1,32%
Öffentliche Einrichtungen, Wirtschaftsförderung 0,22% -3,55% -1,51%
dar.: Abwasserbeseitigung -0,23% -3,47% -2,54%
Abfallbeseitigung -1,11% -0,53% 1,17%
Wirtschaftliche Unternehmen 5,97% 1,39% -4,97%
dar. Sonstige wirtschaftliche Unternehmen -72,73% 13,26% -19,01%
Personalabbau von 2009 auf 2010
79
Das Gegenteil ist nämlich richtig. In keinem Bundesland haben die Kommunen im
Jahr 2010 ihr Personal stärker reduziert als in Sachsen-Anhalt. Aus dem Vergleich
lässt sich auch ersehen, dass im Jahr 2010 insbesondere in der Allgemeinen Verwal-
tung und im Bereich der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung 5,3% der bisherigen
Stellen abgebaut wurden, während in den alten Vergleichsländern sogar beachtliche
Neueinstellungen im Umfang von 3,8% erfolgten.
In der Kassenstatistik werden diese starken strukturellen Veränderungen nicht sicht-
bar, aber spätestens nach dem Vorliegen der bundesweiten Rechnungsstatistik für
das Jahr 2010 (voraussichtlich im Spätsommer 2012) dürfte deutlich werden, dass
die Kommunen in Sachsen-Anhalt zumindest bis einschließlich des Jahres 2010 sehr
tatkräftig an einer Reduzierung ihres Abstandes zu den alten und neuen Vergleichs-
ländern arbeiten.
Die Zuschussbedarfe der Kommunen in Sachsen-Anhalt lagen im Zeitraum der Jahre
2008 – 2010 trotz eines eher unterdurchschnittlichen Kommunalisierungsgrads weit
höher als in den alten und neuen Vergleichsländern und müssen deshalb als unan-
gemessen hoch angesehen werden. Ein solches Ergebnis unmittelbar und mit sofor-
tiger Wirkung im FAG umzusetzen, würde allerdings mit Sicherheit ebenfalls gegen
das verfassungsrechtliche Gebot der Angemessenheit verstoßen. Auch wenn der
objektive Finanzbedarf im Durchschnitt der Jahre 2008 – 2010 um 360,1 Mio. Euro
bzw. 378,6 Mio. Euro niedriger liegt als der bisherige Mitteleinsatz, muss den sach-
sen-anhaltischen Kommunen in jedem Fall ein angemessener Zeitraum eingeräumt
werden, um die notwendigen Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen.
Wenn man den Kommunen für diese Anpassungsmaßnahmen einen Zeitraum von
elf Jahren bis zum Jahr 2020 einräumt, wäre jährlich eine Einsparrate von rd. 32,7
bzw. 34,4 Mio. Euro zu realisieren. Da die Kommunen im Durchschnitt der Jahre
2009 und 2010 einschließlich des Einzelplans 4 sogar jährliche Verbesserungen von
56 Mio. Euro erreicht haben, erscheint eine solche Jahresrate auf den ersten Blick
durchaus umsetzbar.
Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass die Kassenstatistik des Jahres
2010 durch einen Einmaleffekt im Umfang von 62,5 Mio. Euro verzerrt ist. Der Ein-
maleffekt ist dadurch entstanden, dass die Stadt Halle im Jahr 2010 in der Gruppie-
rung 21 (Gewinnanteile von wirtschaftlichen Unternehmen und aus Beteiligungen)
Einnahmen von 88,9 Mio. Euro verbucht hat, im Vorjahr 2009 jedoch nur 26,4 Mio.
Euro. Berücksichtigt man diesen Einmaleffekt, reduziert sich die jahresdurchschnittli-
che Verbesserung der Jahre 2008 – 2010 auf rd. 25 Mio. Euro.
Es handelt sich dabei natürlich nicht um eine absolute jährliche Verringerung der
eingesetzten Ressourcen, sondern um relative Einsparungen gegenüber dem weiter
wachsenden jeweiligen Ressourceneinsatz in den alten Vergleichsländern.
Nach den Ergebnissen der Kassenstatistik für das Jahr 2011 hat es hier jedoch im
vergangenen Jahr scheinbar einen deutlichen Rückschlag gegeben. Analysiert man
80
die Ursachen für diese Entwicklung etwas genauer, wird allerdings deutlich, dass hier
verschiedene Sonderfaktoren zusammentrafen.
Im Vergleich zum Haushaltsjahr 2010 gibt es drei Sondereffekte, die den Zuschuss-
bedarf IV für Sachsen-Anhalt stark erhöht haben. Zum Ersten war, wie oben darge-
stellt, der Zuschussbedarf im Jahr 2010 durch die gegenüber dem Jahr 2009 um
62,5 Mio. höhere Gewinnentnahme der Stadt Halle abgesenkt.
Zum Zweiten hat das Land im Jahr 2011 die Ausbildungsverkehre mit einem Volu-
men von 31,8 Mio. Euro auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen. Zwar
hat das Land im gleichen Umfang seine Zuweisungen erhöht, so dass es nicht zu
einer finanziellen Belastung der Kommunen gekommen ist, aber der Zuschussbedarf
IV ist natürlich um genau diesen Betrag angestiegen.
Zum Dritten hat der Bund im Rahmen des SGB II den Kommunen neue Aufgaben
zugewiesen (Bildung und Teilhabe einschließlich Verwaltung, Schulsozialarbeit). Die
Refinanzierung ist an die Kosten der Unterkunft gekoppelt. Die Kommunen erhalten
zur Finanzierung der neuen Aufgaben 9,4% der KdU zusätzlich zugewiesen. In
Sachsen-Anhalt entsprach dies im Jahr 2011 einem Betrag von 51,6 Mio. Euro.
Zwar erhalten alle Länder die erhöhte Quote, aber da die Kosten der Unterkunft pro
Einwohner in Sachsen-Anhalt ein Niveau von etwa 175% der westlichen Vergleichs-
länder haben, standen im Ländervergleich zusätzliche Mittel im Umfang von rd. 22
Mio. Euro zur Verfügung.
Diese drei Faktoren summieren sich zu einem Sondereffekt von 116,3 Mio. Euro auf.
Der Abstand beim Zuschussbedarf IV hat sich aber gegenüber den alten Vergleichs-
ländern nur um 90 Mio. Euro vergrößert. Von daher konnten die Kommunen auch im
Jahr 2011 im Ergebnis die Differenz um weitere 25 Mio. Euro reduzieren.
Analysiert man für die Entwicklung der Zuschussbedarfe IV der Kommunen in Sach-
sen-Anhalt in ihrer Entwicklung seit dem Jahr 2008, müssen deshalb entsprechende
Korrekturen vorgenommen werden. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit erscheinen
folgende Korrekturen notwendig.
Zum Ersten hat sich der Zuschussbedarf ab dem Jahr 2010 durch die Übertragung
von Aufgaben durch das 2. Funktionalreformgesetz um rd. 5 Mio. Euro erhöht. Zum
Zweiten sind die 62,5 Mio. Euro zusätzliche Gewinnentnahmen im Jahr 2010 in Halle
als Einmaleffekt anzusehen. Zum Dritten hat sich das Zuschussbedarfsniveau im
Jahr 2011 durch die neuen Aufgaben im SGB II bei einer vollständigen Umsetzung
um 51,6 Mio. Euro erhöht. Zum Vierten schließlich führt die Zuständigkeit für die
Ausbildungsverkehre ab dem Jahr 2011 zu einer weiteren Erhöhung des Zuschuss-
bedarfs um 31,8 Mio. Euro.
Berücksichtigt man diese Veränderungen, so ergibt sich die folgende Zeitreihe für die
bereinigten Zuschussbedarfe IV (ohne überörtliche Sozialhilfe) pro Einwohner:
81
2008: 1.216 Euro 2009: 1.279 Euro (+ 5,19%)
2010: 1.298 Euro (+ 1,51%) 2011: 1.291 Euro (- 0,55%)
Bei der Interpretation des hohen Zuwachses im Jahr 2009 muss berücksichtigt wer-
den, dass die Zuwächse im gleichen Jahr in den alten Vergleichsländern bei 6,2%
und in den neuen sogar bei 8,1% lagen.
Der Zuwachs in Sachsen-Anhalt im Jahr 2010 lag auf dem Niveau der Preissteige-
rungsrate, also real bei einem Wert von Null und im Jahr 2011 mit nominal -0,55%
sogar deutlich niedriger. Selbst wenn die zusätzlichen Mittel aus dem SGB II im Jahr
2011 nur teilweise umgesetzt sein sollten, ergibt sich eine Zuwachsrate, die deutlich
unter der Preissteigerungsrate liegt.
Die Bestätigung für die Richtigkeit und Notwendigkeit dieser Bereinigungen ist insbe-
sondere bei einem Vergleich der Entwicklung der Personalausgaben in den einzel-
nen Ländern gut nachvollziehbar. Die Steigerungsraten der Personalausgaben im
Jahr 2011 gegenüber dem Jahr 2011 betrugen in Sachsen-Anhalt nämlich lediglich
0,19%, in NI/RP/SH dagegen 3,08% und auch in MV/SN/TH immerhin noch 1,92%.
Damit weisen die Kommunen in Sachsen-Anhalt auch im Jahr 2011 (wie schon im
Vorjahr) bei den Personalausgaben mit großem Abstand die geringste Steigerungs-
rate aller 13 Flächenländer auf. Platz 2 erreichten mit einem Zuwachs von 1,42% die
Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern und an Platz 3 lagen die Kommunen in
Rheinland-Pfalz mit einer Steigerungsrate von 1,88%.
Da allerdings die Einwohnerzahl in Sachsen-Anhalt (jeweils am 30.6. gemessen) von
2010 auf 2011 um 0,93% zurückging, in den Vergleichsländern NI/RP/SH jedoch nur
um 0,07% und in MV/SN/TH um 0,47%, relativiert sich der Abstand bei einer Be-
trachtung der Entwicklung der Personalausgaben pro Einwohner etwas, bleibt aber
immer noch bemerkenswert hoch.
Die Zuwächse der Personalausgaben pro Einwohner lagen im Jahr 2011 in Sachsen-
Anhalt bei 1,13%, in NI/RP/SH bei 3,15% und in MV/SN/TH bei 2,40%. Hätte sich der
Zuwachs der Personalausgaben pro Einwohner in Sachsen-Anhalt so entwickelt wie
in den westlichen Vergleichsländern, lägen die Personalausgaben der Kommunen in
Sachsen-Anhalt im Jahr 2011 um 25,5 Mio. Euro höher. Auch beim Vergleich mit den
östlichen Vergleichsländern hat sich immerhin noch eine Einsparung um 16,8 Mio.
Euro ergeben.
Die (relativen) Einsparungen zu den Vergleichsländern beschränkten sich aber nicht
nur auf die Personalausgaben, sondern waren auch im Bereich des sächlichen Ver-
waltungs- und Betriebsaufwandes und der Zinsausgaben (als direkter Folge des Ent-
schuldungsprogramms STARK II) feststellbar. Insgesamt ergaben sich in diesen drei
Bereichen relative Einsparungen gegenüber den westlichen Vergleichsländern von
37,4 Mio. Euro und gegenüber den östlichen Vergleichsländern sogar von 38,6 Mio.
Euro.
82
An dieser Entwicklung wird sehr deutlich, dass die Gebietsreform in Sachsen-Anhalt
(die in anderen Ländern bereits deutlich früher stattgefunden hat) nunmehr auch fi-
nanziell zu wirken beginnt. Bei einer konsequenten Fortsetzung dieser Konsolidie-
rungsstrategie in den sachsen-anhaltischen Kommunen und einer entsprechenden
Unterstützung durch das Land erscheint es deshalb durchaus möglich, die Differenz
zu den Vergleichsländern bis zum Jahr 2020 vollständig abzubauen.
Dafür ist es notwendig, die kommunalen Zuschussbedarfe pro Einwohner real kon-
stant zu halten, d.h. sie dürfen nur im Umfang der Preissteigerungsrate, d.h. jährlich
maximal mit rd. 1,5% zunehmen. Die Kommunen in Sachsen-Anhalt befinden sich
also seit dem Jahr 2010 auf einem guten Weg.
Diese recht positive Einschätzung der aktuellen Entwicklung in Sachsen-Anhalt wird
allerdings dadurch getrübt, dass für die Berechnung des Abstandes zu den Ver-
gleichsländern wohl eher die Zahlen des Jahres 2011 als die der Jahre 2008 – 2010
zutreffen dürften. Denn trotz der zusätzlichen Kommunalisierung des Ausbildungs-
verkehrs dürfte der gesamte Kommunalisierungsgrad in Sachsen-Anhalt immer noch
unterdurchschnittlich sein.
Der Abstand zu den alten Vergleichsländern hat sich deshalb zwar vom Jahr 2008
bis zum Jahr 2011 um ca. 75 Mio. Euro reduziert, liegt aber trotzdem immer noch um
rd. 400 Mio. Euro über dem der alten Vergleichsländer.
Um bis zum Jahr 2020 die aufgrund dieser Erkenntnisse als noch größer anzuse-
henden Lücken zu schließen, müssten die jährlichen (relativen) Einsparraten im Ver-
gleich zu den alten Ländern deshalb auf etwa 45 Mio. Euro bzw. 1,5% des gesamten
Zuschussbedarfes ansteigen.
Geht man von einem durchschnittlichen gesamtwirtschaftlichen realen Wachstum bis
zum Jahr 2020 von ebenfalls rd. 1,5% aus und wird zudem unterstellt, dass die alten
Länder dieses reale Wachstum in entsprechend höhere Zuschussbedarfe umsetzen,
müssten die Zuschussbedarfe pro Einwohner in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020
real konstant bleiben, damit die Lücke bis zum Ende des Jahrzehnts geschlossen
wird.
Aus dieser Betrachtung ergeben sich zwei prinzipiell gleichwertige Strategien für die
zulässige Entwicklung der kommunalen Zuschussbedarfe in Sachsen-Anhalt bis zum
Jahr 2020. Bei der ersten Strategie wird die anfängliche durchschnittliche Differenz
der Zuschussbedarfe pro Einwohner der Jahre 2008 – 2010 (bei einer späteren
Nachsteuerung sogar die der Jahre 2009 – 2011) in gleichen Jahresschritten bis zum
Jahr 2020 auf einen Wert von Null reduziert. Maßstab ist dabei der jeweilige Abstand
zu den Zuschussbedarfen der Vergleichsländer. Diese Strategie bezeichne ich als
Anpassungsverfahren.
Bei der zweiten Strategie werden die durchschnittlichen Zuschussbedarfe pro Ein-
wohner eines Basiszeitraums (2008 – 2010 für 2012 bzw. 2009 – 2011 für 2013
usw.) bis auf Weiteres jeweils nur mit der Inflationsrate fortgeschrieben, also real
83
konstant gehalten. Diese Strategie bezeichne ich als real konstantes Fortschrei-
bungsverfahren.
Bevor im nächsten Abschnitt die dynamischen Implikationen des Anpassungsverfah-
rens entwickelt werden, soll zunächst noch der Zusammenhang zwischen der ange-
messenen Finanzausstattung der Kommunen und der dazu notwendigen Finanzaus-
gleichmasse herausgearbeitet werden.
Der Zuschussbedarf IV ist definiert als Summe aus dem laufenden Defizit, den Net-
tosteuereinnahmen und den lfd. Nettozahlungen vom Land, wobei sich die lfd. Netto-
zahlungen des Landes aus der Finanzausgleichsmasse (ohne Ausgleichsstock und
Investitionspauschale) und den sonstigen Nettozahlungen zusammensetzen. Auf
eine weitere Differenzierung der Zahlungen im FAG soll an dieser Stelle noch ver-
zichtet werden, weil dies nur für die Fragen im Zusammenhang mit dem horizontalen
Finanzausgleich von Belang ist.
Es gilt:
Z IV = lfd. Defizit + Nettosteuern + lfd. Zuweisungen im FAG + lfd. Nettozuwei-
sungen außerhalb des FAG
Oder noch kürzer:
Z IV = A + B + (C1 + C2) + C3
In der Jahresrechnung 2009 des Statistischen Landesamts Sachsen-Anhalt ergaben
sich gerundet (in Mio. Euro) die folgenden Werte11:
Z IV = 3.028
A = -75
B = 1.130
C1 + C2 = 1.498
C3 = 475
Ex post liegen die verschiedenen Werte fest. Ex ante, d.h. bei der Ermittlung der an-
gemessenen Finanzausgleichsmasse eines zukünftigen Jahres, ist jedoch neben der
Bestimmung eines angemessenen Wertes für Z IV und eines Zielwertes für A auch
eine Projektion für B erforderlich, während C2 zumindest als Planwert vom Land im
Rahmen der Haushaltsaufstellung festgelegt werden kann.
Allerdings muss beachtet werden, dass die vom Land ausgewiesenen Nettozahlun-
gen an Kommunen nicht identisch sind mit den von den Kommunen ausgewiesenen
11
Da das Statistische Bundesamt zur Sicherstellung der Einheitlichkeit geringfügig anders abgrenzt und die Berichtstermine der Kommunen nicht identisch sind, gibt es beim Zuschussbedarf IV mit ei-nem Wert von 3.023 Mio. Euro eine kleine Abweichung, die aber für die hier untersuchte Fragestel-lung nicht relevant ist.
84
Nettozahlungen von Ländern, denn zuweilen buchen Kommunen Zuweisungen des
Landes, die an Dritte weitergeleitet werden, als durchlaufende Posten und nicht, was
korrekt wäre, als Einnahmen vom Land und Auszahlungen an Dritte. Aber auch Zah-
lungen an Zweckverbände und rechtlich selbstständige kommunale Gesellschaften
können zu solchen Differenzen beitragen.
Wenn für Z IV ein angemessener Wert bestimmt worden ist, gilt:
= – ̂ – ̂ – C3
Der angemessene Bedarf im Jahr 2009 soll z.B. nicht bei 3.028, sondern bei 3.028 –
379 = 2.649 liegen. Die lfd. Rechnung A soll einen Zielwert von 0 haben und für die
sonstigen Nettozahlungen wird ein Wert (aus der Sicht der Kommunen) von 475 ver-
anschlagt. Es ergibt sich dann:
= 2.649 + ̂ – 475 bzw.
= 2.174 + ̂
Um zu einem insgesamt angemessenen FAG-Volumen zu gelangen, müssten noch
die Nettoabschreibungen (bzw. Pflichtzuführungen), die notwendigen Bedarfszuwei-
sungen und eine angemessene Investitionspauschale hinzugefügt werden.
Es ist offensichtlich, dass auf der einen Seite das Land durch eine Variation der
sonstigen Nettozuweisungen C3 und auf der anderen Seite die Entwicklung der
kommunalen Steuereinnahmen B die Höhe der so definierten angemessenen lfd.
FAG-Zuweisungen beeinflussen.
Eine Veränderung von C3 ist so lange relativ unproblematisch, wie die Summe aus
C1, C2 und C3 konstant bleibt. Im bisherigen Verfahren war das aber nicht, bzw. nur
mit großer Zeitverzögerung der Fall. Es sollte deshalb nach einem Weg gesucht
werden, bei dem erkannte (gravierende) Veränderungen von C3 zeitgleich zu ent-
sprechenden gegenläufigen Veränderungen von führen.
Bei den Steuereinnahmen muss zwischen zwei unterschiedlichen Fallkonstellationen
unterschieden werden, nämlich zwischen einer Veränderung der Steuereinnahmen
bei gegebenen Hebesätzen und einer durch Veränderung der Hebesätze.
Da für die Steuereinnahmen zweimal jährlich auch für die Kommunen der einzelnen
Länder regionalisierte Schätzungen erfolgen, können und sollten diese Schätzwerte
unmittelbar verwendet werden. Schwieriger ist die Entscheidung bei hebesatzbeding-
ten Mehr- oder Mindereinnahmen.
85
Tabelle 13:
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen
Lfd. Nr. Grundsteuer A Grundsteuer B Gewerbesteuer Grundsteuer A Grundsteuer B Gewerbesteuer Realsteuern
1 Sachsen-Anhalt 294 380 350 0 0 0 0
2 Deutschland 301 410 390 510.787 15.820.882 64.632.277 80.963.947
3 Baden-Württemberg 344 376 358 3.727.237 -2.361.465 13.089.419 14.455.192
4 Bayern 337 379 368 3.253.839 -861.431 29.891.605 32.284.013
5 Brandenburg 270 379 309 -1.812.358 -484.242 -64.971.717 -67.268.317
6 Hessen 278 333 391 -1.200.891 -25.333.549 65.158.220 38.623.779
7 Mecklenburg-Vorpommern 256 371 345 -2.826.290 -5.030.030 -7.893.390 -15.749.711
8 Niedersachsen 351 388 383 4.273.881 4.082.940 52.656.583 61.013.405
9 Nordrhein-Westfalen 223 444 436 -5.350.819 34.109.549 137.345.206 166.103.936
10 Rheinland-Pfalz 285 343 367 -648.372 -20.058.606 27.171.474 6.464.496
11 Saarland 248 347 408 -3.461.834 -17.821.609 92.845.265 71.561.823
12 Sachsen 301 450 412 561.579 37.639.033 99.182.736 137.383.348
13 Schleswig-Holstein 285 336 347 -633.602 -23.470.236 -4.182.943 -28.286.781
14 Thüringen 241 346 349 -3.983.294 -18.239.971 -714.310 -22.937.575
15 Flächenländer 301 389 386 534.479 4.680.237 57.478.340 62.693.056
16 Niedersachsen/Rheinland-Pfalz/Schleswig-Holstein 324 366 372 2.224.850 -7.313.274 35.480.538 30.392.114
17 Mecklenburg-Vorpommern/Sachsen/Thüringen 267 405 383 -2.009.224 13.403.481 53.361.366 64.755.624
18 Berlin 150 810 410 -10.798.059 230.225.819 95.778.561 315.206.322
19 Bremen 248 572 434 -3.467.575 102.682.297 134.252.161 233.466.883
20 Hamburg 225 540 470 -5.170.854 85.621.660 190.842.395 271.293.201
21 Stadtstaaten 221 670 442 -5.453.890 155.467.476 146.649.874 296.663.460
Bundesland
Differenzen zwischen Realsteuerkraft und Realsteueraufkommen in Sachsen-
Anhalt im Vergleich zum Hebesatzniveau anderer Länder im Jahr 2010
Mehr/Weniger für Sachsen-Anhalt bei entsprechenden HebesätzenDurchschnittliche Hebesätze
86
Es wäre sowohl aus der Sicht des Landes, als auch aus der Sicht der Gemeinden
nicht sinnvoll, wenn hebesatzbedingte Mehr- oder Mindereinnahmen 1:1 zu einer
entsprechenden Verminderung oder Erhöhung der Finanzausgleichsmasse führen
würden.
Die einzelne Gemeinde hat natürlich ein vitales Interesse daran, dass Hebesatzan-
hebungen keine Absenkungen ihrer eigenen Zuweisungen zur Folge haben und für
das Land wäre es natürlich ebenfalls unzumutbar, wenn Gemeinden Ihre Hebesätze
absenken könnten und das Land die Ausfälle ganz oder auch nur teilweise erstatten
müsste.
Dass dies keine theoretische, sondern eine sehr praxisnahe Diskussion ist, ergibt
sich aus der Tabelle 13. Vergleicht man nämlich das durchschnittliche Hebesatzni-
veau in Sachsen-Anhalt mit dem Bundesdurchschnitt, so wird deutlich, dass bereits
heute das Land die finanzielle Kompensation für das vergleichsweise niedrige Hebe-
satzniveau im Land tragen muss. Da im bisherigen Verfahren nur die tatsächlichen
Steuereinnahmen als bedarfsmindernd angesehen werden, muss das Land gleich
zweimal zahlen.
Zum Ersten bei der Berechnung der angemessenen Finanzausgleichsmasse und
zum Zweiten im föderalen Finanzausgleich, bei dem für die Gemeindesteuern ein
durchschnittliches Hebesatzniveau unterstellt wird. Das Land musste sich deshalb im
föderalen Finanzausgleich des Jahres 2010 eine um 81 Mio. Euro höhere Realsteu-
erkraft anrechnen lassen als tatsächlich in den Gemeinden Sachsen-Anhalts Real-
steuereinnahmen entstanden sind.
Im Vergleich zu Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein kam es im
Jahr 2010 durch die besonders niedrigen Hebesätze in Sachsen-Anhalt zu Minder-
einnahmen von insgesamt 30,4 Mio. Euro, im Vergleich zu Mecklenburg-Vorpom-
mern, Sachsen und Thüringen liegen die Mindereinnahmen sogar bei 64,8 Mio. Euro,
davon 13,4 Mio. Euro bei der Grundsteuer B und 53,4 Mio. Euro bei der Gewerbe-
steuer.
Es ist deshalb sehr kritisch zu sehen, dass im bisherigen Berechnungsverfahren das
niedrige Hebesatzniveau im Ergebnis zu einer entsprechenden Erhöhung des ange-
messenen Finanzausgleichsvolumens geführt hat.
Damit zumindest für die Zukunft die Anreize richtig gesetzt werden, sollte deshalb
nach einem Weg gesucht werden, bei dem sichergestellt werden kann, dass Erhö-
hungen oder Verringerungen des Hebesatzniveaus der Gemeinden in Sachsen-
Anhalt zukünftig ohne Auswirkungen auf die Höhe des angemessenen Finanzaus-
gleichsvolumens bleiben.
87
5.4. Ein dynamisches Anpassungsmodell zur Bestimmung der
angemessenen Finanzausgleichsmasse bis zum Jahr 2020
In den beiden letzten Abschnitten sind bereits ganz wesentliche Elemente zur Be-
stimmung und Fortschreibung der angemessenen Finanzausgleichsmasse entwickelt
worden. In diesem Abschnitt geht es nun darum, diese Elemente zu verknüpfen und
ein Regelwerk zur Bestimmung und Fortschreibung einer angemessenen Finanz-
ausgleichsmasse im Rahmen des Anpassungsmodells zu erarbeiten.
Dabei können im Anpassungsmodell die vorläufigen Ergebnisse der Kassenstatistik
des Jahres 2011 zunächst noch außen vor bleiben. Demgegenüber ist es im Modell
der real konstanten Fortschreibung der Finanzbedarfe (Unterkapitel 5.5.) sinnvoll, die
Kassenstatistik 2011 in die Bestimmung der angemessenen Finanzausgleichsmasse
bereits mit einzubeziehen.
Der Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen sind die Ländervergleiche der
Jahre 2008 bis 2010. Danach lag der Zuschussbedarf IV (bezogen auf die Einwoh-
nerzahl von Sachsen-Anhalt) um 360,1 Mio. Euro (ohne den Einzelplan 4 um 378,6
Mio. Euro) höher als im Durchschnitt der drei finanzschwächeren alten Länder Nie-
dersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.
Im Vergleich mit den neuen Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thü-
ringen betrugen die Unterschiede 323,8 Mio. Euro bzw. ohne den Einzelplan 4 rd.
219,7 Mio. Euro. Zwar lag der gesamte Zuschussbedarf dieser drei Länder im Zeit-
raum von 2008 bis 2010 bereits unter dem der alten Flächenländer, aber es darf
dennoch erwartet werden, dass bis zum Jahr 2020 eine weitere Angleichung an die
Strukturen der alten Vergleichsländer erfolgt.
Hinzu kommt, dass die im Vergleich zu den anderen neuen Ländern deutlich höhe-
ren Sozialausgaben der Gemeinden in Sachsen-Anhalt (ob mit oder ohne überörtli-
che Sozialhilfe) bei der Ermittlung eines angemessenen Zuschussbedarfs IV nicht
einfach außer vor bleiben können. Die Kommunen der neuen Vergleichsländer kön-
nen ihre (im Vergleich mit den alten Ländern) höheren Zuschussbedarfe außerhalb
der sozialen Sicherung ja gerade nur deshalb finanzieren, weil sie im Sozialbereich
deutlich niedrigere Zuschussbedarfe ausweisen. Von daher wäre (zumindest im Ver-
gleich mit den neuen Ländern) ein völliges Ausblenden des Zuschussbedarfs im Be-
reich der sozialen Sicherung auch nicht vertretbar.
Um nicht vorzeitig eine Festlegung auf eine der vier möglichen Vergleichsvarianten
(alte Länder und neue Länder, jeweils mit und ohne den Einzelplan 4) treffen zu
müssen, soll diese Entscheidung offen bleiben und alle vier Varianten modellmäßig
entwickelt werden.
Um die Anpassungsfähigkeit der Kommunen in Sachsen-Anhalt nicht zu überfordern,
erscheint es für jede der vier Varianten notwendig zu sein, für den Abbau der Aus-
gangsdifferenz den gesamten Zeitraum bis 2020 einzuplanen, so dass bei elf
88
gleichmäßigen Anpassungsschritten eine jährliche Reduzierung der entsprechenden
Anpassungszuweisung erfolgen müsste.
Als Ausgangsbasis für die vier Varianten (alte Länder mit der Gliederung 4, alte Län-
der ohne die 4, neue Länder mit der 4 und neue Länder ohne die 4) wäre also zu-
nächst der tatsächliche durchschnittliche Zuschussbedarf IV der Jahre 2008 bis 2020
von 2.970 Mio. Euro entsprechend zu reduzieren. Die sich dabei ergebenden Beträ-
ge entsprächen somit den angemessenen Zuschussbedarfen IV in der Ausgangssi-
tuation, die aufgrund der Durchschnittsbildung aus den Jahren 2008 bis 2010 dem
Jahr 2009 zuzuordnen wären. Da die aus den Ländervergleichen abgeleiteten an-
gemessenen Zuschussbedarfe dann allerdings wieder um die jeweiligen Anpas-
sungszuweisungen zu erhöhen wären, ergibt sich jeweils wieder ein Bedarfswert (im
Jahr 2009) für den Zuschussbedarf IV von 2.970 Mio. Euro.
Um zum angemessenen Finanzausgleichsvolumen zu gelangen, ist im nächsten
Schritt der Abzug der eigenen Steuereinnahmen der Kommunen erforderlich. Es er-
scheint dabei allerdings sinnvoll, nicht die tatsächlichen Steuereinnahmen abzuzie-
hen, sondern die normierte Steuerkraft.
Zur Vermeidung von Fehlanreizen gibt es für die Normierung im Prinzip drei Möglich-
keiten. Bei der ersten würden die tatsächlichen durchschnittlichen (gewichteten) He-
besätze des Jahres 2009 in Sachsen-Anhalt dauerhaft festgeschrieben. Bei der zwei-
ten würden die jeweiligen bundesweiten durchschnittlichen Hebesätze angesetzt, die
sich das Land im föderalen Finanzausgleich anrechnen lassen muss. Die dritte Mög-
lichkeit bestünde in der Anrechnung der jeweiligen durchschnittlichen Hebesätze der
entsprechenden neuen oder alten Vergleichsländer.
Die erste Variante hätte den Nachteil, dass spätestens nach einigen Jahren die Aus-
gangsbasis des Jahres 2009 als veraltet und letztlich willkürlich angesehen würde.
Sie sollte deshalb nicht verwendet werden. Für die zweite Variante spricht, dass sie
sehr objektiv ist und sowieso jährlich ermittelt und fortgeschrieben wird. Dagegen
spricht, dass für die Bestimmung der Bedarfsseite auch nicht auf die Ländergesamt-
heit (einschließlich der Stadtstaaten) abgestellt wird, sondern nur auf vergleichbare
alte und neue Länder. Deshalb erscheint in diesem Modell die dritte Variante am
besten geeignet. Da die notwendigen Daten jährlich erfasst und zeitnah aufbereitet
werden, stellt die jährliche Neuberechnung auch kein Problem dar.
Gemessen an den Strukturen des Jahres 2009, liegt eine so normierte Steuerkraft
(auf der Basis der in den föderalen Finanzausgleich eingehenden Daten) bei den
alten Vergleichsländern um 16,8 Mio. Euro und bei den neuen Vergleichsländern um
53,6 Mio. Euro höher als das tatsächliche Steueraufkommen in Sachsen-Anhalt. Der
Abzug der Gewerbesteuerumlage ist für diese Differenz nicht relevant, weil die Ge-
werbesteuerumlage hebesatzunabhängig abzuführen ist.
Die Höhe der Hebesätze hat c.p. keinen Einfluss auf die Höhe des Zuschussbedarfs
IV. Dieser ist definiert durch die Differenz aus den lfd. Ausgaben (ohne Zuführung
89
zum Vermögenshaushalt, der Gewerbesteuerumlage und Zahlungen an das Land)
und den lfd. Einnahmen (ohne Steuereinnahmen, der Zuführung vom Vermögens-
haushalt und lfd. Zuweisungen vom Land). Eine Veränderung der Hebesätze hat auf
diese Differenz keinen Einfluss, wohl aber auf die Höhe der Nettozuweisungen, die
zum Ausgleich der lfd. Rechnung erforderlich ist.
Bei hohen Hebesätzen sinken die zum Ausgleich notwendigen Nettozuweisungen
vom Land, bei niedrigen steigen sie dementsprechend. Entscheidend ist es deshalb,
ob die niedrigen Steuereinnahmen das Ergebnis einer geringen Steuerkraft oder le-
diglich besonders niedriger Hebesätze sind. Während im aufgabenbezogenen Fi-
nanzausgleich eine niedrige Steuerkraft (bei einem gegebenem Zuschussbedarf IV)
zwingend zu höheren Nettozuweisungen vom Land führen muss, sollte dies bei nied-
rigen Hebesätzen natürlich nicht der Fall sein.
Genau wie beim erhöhten Zuschussbedarf IV kann den Kommunen in diesem An-
passungsmodell allerdings auch hier durch eine entsprechende Anpassungszuwei-
sung eine Übergangszeit bis zum Jahr 2020 eingeräumt werden. Die notwendigen
Anpassungszuweisungen von (rechnerisch) 16,8 Mio. Euro bzw. 53,6 Mio. Euro wä-
ren also in 11 Schritten bis zum Jahr 2020 vollständig abzubauen.
Die gesamte rechnerische Anpassungszuweisung der Basisjahre (2008 – 2010) in
der Variante 1 (alte Länder mit Einzelplan 4) beträgt folglich 377 Mio. Euro, in der
Variante 2 (alte Länder ohne Einzelplan 4) 395 Mio. Euro, in der Variante 3 (neue
Länder mit Einzelplan 4) 377 Mio. Euro und in der Variante 4 (neue Länder ohne
Einzelplan 4) 273 Mio. Euro.
Nach Abzug der Steuerkraft (einschließlich der lokalen Steuern) und der lfd. Netto-
zahlungen des Landes außerhalb des FAG vom angemessenen Zuschussbedarf IV
ergibt sich der Grundbedarf im FAG. Nach Addition der degressiven Anpassungszu-
weisung erhält man den Wert für die lfd. Nettozahlungen des Landes im FAG. Falls
gegenüber den Basisjahren (hier 2008 – 2010) neue oder noch nicht vollständig be-
rücksichtigte Konnexitätsverpflichtungen entstanden sind, müssten diese zusätzlich
berücksichtigt werden.
Da der Zuschussbedarf IV nicht die Nettoabschreibungen bzw. die Pflichtzuführung
an den Vermögenshaushalt umfasst, müssen diese noch hinzu addiert werden. Glei-
ches gilt für die Bedarfszuweisungen und die Mittel der Investitionspauschale. Das so
ermittelte Ergebnis entspricht dann dem angemessenen Gesamtvolumen des FAG.
Der Begriff „angemessen“ berücksichtigt dabei auch die Anpassungszuweisungen,
die zwar nicht auf einer objektiven Bedarfsberechnung beruhen, aber den Kommu-
nen einen (auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten gebotenen) angemessenen
Zeitraum einräumen, um ihre Strukturen entsprechend anzupassen.
In den Tabellen 14 – 17 werden diese einzelnen Rechenschritte in systematischer
Form dargestellt. Zu klären ist dabei aber auch noch die Frage, wie die Fortschrei-
bung der einzelnen Komponenten dieser Bedarfsberechnung erfolgen soll.
90
Tabelle 14:
Quellen: Statistisches Bundesamt, Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt, BMF (Steuerschätzung), BMWi (Potenzialpfad für das BIP), Ministeri-
um der Finanzen Sachsen-Anhalt und eigene Berechnungen
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Einwohner in Sachsen-Anhalt in 1.000 (jeweils am 30.6.) 2.368 2.345 2.323 2.298 2.274 2.251 2.228 2.204 2.179 2.154 2.128 2.101
lfd. Bedarf entsprechend der Vergleichsländer NI/RP/SH 2.610 2.681 2.735 2.871 2.925 2.980 3.022 3.063 3.103 3.143 3.182 3.219 1,92%
Steuerkraft bei Hebesätzen wie NI/RP/SH 1.338 1.388 1.446 1.503 1.560 1.600 1.642 1.685 1.728 3,25%
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 586 605 628 637 647 657 666 676 687 1,99%
FAG Grundbedarf entsprechend der Vergleichsländer (evtl.
ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen)947 932 906 882 856 846 835 821 805 -2,02%
Anpassungszuweisungen 273 239 205 171 137 103 69 34 0 -100,00%
FAG mit Anpassungszuweisung 1.220 1.171 1.111 1.053 994 949 903 855 805 -5,07%
Tilgungszuweisung 189 189 189 189 189 189 189 189 189 0,00%
Bedarfszuweisung 20 40 50 60 60 60 60 60 60 14,72%
I-Pauschale 128 125 125 125 125 125 125 125 125 -0,30%
FAG gesamt 1.556 1.524 1.475 1.427 1.367 1.323 1.277 1.229 1.178 -3,42%
lfd. Nettozuweisungen gesamt 2.015 2.004 1.978 1.939 1.889 1.855 1.818 1.780 1.740 -1,82%
FAG + lfd. Zuweisungen 2.143 2.129 2.103 2.064 2.014 1.980 1.943 1.905 1.865 -1,72%
sonstige Investitionszuweisungen 433 354 328 302 276 250 224 198 172 -10,90%
Gesamte Nettozuweisungen vom Land 2.576 2.483 2.431 2.366 2.290 2.230 2.167 2.103 2.037 -2,89%
Gesamte lfd. Einnahmen 3.366 3.407 3.439 3.458 3.465 3.472 3.478 3.483 3.486 0,44%
Gesamt Einnahmen 3.927 3.886 3.892 3.885 3.866 3.847 3.827 3.806 3.783 -0,47%
Gesamte lfd. Einnahmen pro Einwohner 1.465 1.498 1.528 1.552 1.572 1.593 1.615 1.636 1.659 1,57%
Gesamte Einnahmen pro Einwohner 1.709 1.709 1.729 1.744 1.754 1.765 1.777 1.788 1.800 0,65%
- in Mio. Euro -
Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens bis zum Jahr 2020
(bei Anpassung an die Verhältnisse in NI/RP/SH)
durchschnittl.
Wachstum
91
Tabelle 15:
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Einwohner in Sachsen-Anhalt in 1.000 (jeweils am 30.6.) 2.368 2.345 2.323 2.298 2.274 2.251 2.228 2.204 2.179 2.154 2.128 2.101
lfd. Bedarf entsprechend der Vergleichsländer NI/RP/SH ohne 4 2.592 2.663 2.720 2.857 2.912 2.969 3.012 3.055 3.097 3.139 3.180 3.219 1,99%Steuerkraft bei Hebesätzen wie NI/RP/SH 1.338 1.388 1.446 1.503 1.560 1.600 1.642 1.685 1.728 3,25%lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 586 605 628 637 647 657 666 676 687 1,99%FAG Grundbedarf entsprechend der Vergleichsländer (evtl.
ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen)932 919 895 872 849 840 831 819 805 -1,83%
Anpassungszuweisung 275 241 207 172 138 103 69 34 0 -100,00%FAG mit Anpassungszuweisung 1.208 1.160 1.102 1.044 986 944 899 853 805 -4,95%Tilgungszuweisung 189 189 189 189 189 189 189 189 189 0,00%Bedarfszuweisung 20 40 50 60 60 60 60 60 60 14,72%I-Pauschale 128 125 125 125 125 125 125 125 125 -0,30%FAG gesamt 1.544 1.513 1.465 1.418 1.360 1.317 1.273 1.227 1.178 -3,33%
lfd. Nettozuweisungen gesamt 2.003 1.993 1.968 1.930 1.882 1.849 1.814 1.778 1.740 -1,75%FAG + lfd. Zuweisungen 2.131 2.118 2.093 2.055 2.007 1.974 1.939 1.903 1.865 -1,65%sonstige Investitionszuweisungen 433 354 328 302 276 250 224 198 172 -10,90%Gesamte Nettozuweisungen vom Land 2.564 2.472 2.421 2.357 2.283 2.224 2.163 2.101 2.037 -2,84%Gesamte lfd. Einnahmen 3.355 3.396 3.429 3.449 3.458 3.466 3.474 3.481 3.486 0,48%Gesamt Einnahmen 3.916 3.875 3.882 3.876 3.859 3.841 3.823 3.804 3.783 -0,43%
Gesamte lfd. Einnahmen pro Einwohner 1.460 1.493 1.523 1.548 1.569 1.591 1.613 1.635 1.659 1,61%Gesamte Einnahmen pro Einwohner 1.704 1.704 1.725 1.740 1.751 1.763 1.775 1.787 1.800 0,69%
Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens bis zum Jahr 2020
(bei Anpassung an die Verhältnisse in NI/RP/SH ohne Gliederung 4)
durchschnittl.
Wachstum- in Mio. Euro -
92
Tabelle 16:
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Einwohner in Sachsen-Anhalt in 1.000 (jeweils am 30.6.) 2.368 2.345 2.323 2.298 2.274 2.251 2.228 2.204 2.179 2.154 2.128 2.101
lfd. Bedarf entsprechend der Vergleichsländer MV/SN/TH 2.647 2.715 2.766 2.899 2.950 3.002 3.040 3.078 3.115 3.151 3.186 3.219 1,80%Steuerkraft bei Hebesätzen wie MV/SN/TH 1.369 1.421 1.480 1.538 1.597 1.638 1.681 1.724 1.769 3,25%lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 586 605 628 637 647 657 666 676 687 1,99%
FAG Grundbedarf entsprechend der Vergleichsländer (evtl.
ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen)943 924 894 865 834 820 804 785 764 -2,61%
Anpassungszuweisung 236 206 177 147 118 88 59 29 0 -100,00%
FAG mit Anpassungszuweisung 1.179 1.130 1.071 1.012 952 908 862 814 764 -5,28%
Tilgungszuweisung 189 189 189 189 189 189 189 189 189 0,00%
Bedarfszuweisung 20 40 50 60 60 60 60 60 60 14,72%
I-Pauschale 128 125 125 125 125 125 125 125 125 -0,30%
FAG gesamt 1.515 1.484 1.434 1.386 1.326 1.282 1.236 1.188 1.137 -3,52%
lfd. Nettozuweisungen gesamt 1.974 1.963 1.937 1.898 1.848 1.813 1.777 1.739 1.699 -1,86%
FAG + lfd. Zuweisungen 2.102 2.088 2.062 2.023 1.973 1.938 1.902 1.864 1.824 -1,76%
sonstige Investitionszuweisungen 433 354 328 302 276 250 224 198 172 -10,90%
Gesamte Nettozuweisungen vom Land 2.535 2.442 2.390 2.325 2.249 2.188 2.126 2.062 1.996 -2,94%
Gesamte lfd. Einnahmen 3.382 3.423 3.456 3.475 3.483 3.490 3.496 3.502 3.506 0,45%
Gesamt Einnahmen 3.902 3.861 3.868 3.860 3.842 3.824 3.804 3.784 3.762 -0,46%
Gesamte lfd. Einnahmen pro Einwohner 1.454 1.487 1.517 1.541 1.562 1.583 1.604 1.626 1.649 1,59%
Gesamte Einnahmen pro Einwohner 1.698 1.698 1.718 1.733 1.744 1.755 1.766 1.778 1.790 0,66%
durchschnittl.
Wachstum- in Mio. Euro -
Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens bis zum Jahr 2020
(bei Anpassung an die Verhältnisse in MV/SN/TH)
93
Tabelle 17:
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Einwohner in Sachsen-Anhalt in 1.000 (jeweils am 30.6.) 2.368 2.345 2.323 2.298 2.274 2.251 2.228 2.204 2.179 2.154 2.128 2.101
lfd. Bedarf entsprechend der Vergleichsländer MV/SN/TH ohne 42.751 2.811 2.855 2.979 3.021 3.064 3.093 3.120 3.147 3.172 3.197 3.219 1,44%
Steuerkraft bei Hebesätzen wie MV/SN/TH 1.369 1.421 1.480 1.538 1.597 1.638 1.681 1.724 1.769 3,25%
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 586 605 628 637 647 657 666 676 687 1,99%
FAG Grundbedarf entsprechend der Vergleichsländer (evtl.
ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen)1.023 995 956 917 877 852 825 796 764 -3,59%
Anpassungszuweisung 160 140 120 100 80 60 40 20 0 -100,00%
FAG mit Anpassungszuweisung 1.183 1.135 1.076 1.017 957 912 865 816 764 -5,33%
Tilgungszuweisung 189 189 189 189 189 189 189 189 189 0,00%
Bedarfszuweisung 20 40 50 60 60 60 60 60 60 14,72%
I-Pauschale 128 125 125 125 125 125 125 125 125 -0,30%
FAG gesamt 1.520 1.489 1.439 1.391 1.330 1.285 1.239 1.189 1.137 -3,56%
lfd. Nettozuweisungen gesamt 1.978 1.968 1.942 1.903 1.852 1.817 1.780 1.741 1.699 -1,89%
FAG + lfd. Zuweisungen 2.106 2.093 2.067 2.028 1.977 1.942 1.905 1.866 1.824 -1,78%
sonstige Investitionszuweisungen 433 354 328 302 276 250 224 198 172 -10,90%
Gesamte Nettozuweisungen vom Land 2.539 2.447 2.395 2.330 2.253 2.192 2.129 2.064 1.996 -2,97%
Gesamte lfd. Einnahmen 3.345 3.387 3.420 3.438 3.446 3.452 3.458 3.462 3.465 0,44%
Gesamt Einnahmen 3.906 3.866 3.873 3.865 3.847 3.827 3.807 3.785 3.762 -0,47%
Gesamte lfd. Einnahmen pro Einwohner 1.454 1.487 1.517 1.541 1.562 1.583 1.604 1.626 1.649 1,59%Gesamte Einnahmen pro Einwohner 1.700 1.700 1.720 1.735 1.746 1.756 1.767 1.779 1.790 0,65%
- in Mio. Euro -
durchschnittl.
Wachstum
Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens bis zum Jahr 2020
(bei Anpassung an die Verhältnisse in MV/SN/TH ohne Gliederung 4)
94
Diagramm 1:
0
300
600
900
1.200
1.500
1.800
2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Euro/E
Jahr
Projektion der Entwicklung der Steuereinnahmen und der Nettozuweisungen vom Land in den Jahren 2012 - 2020 im Grundmodell
einer Konvergenz mit NI/RP/SH bis zum Jahr 2020
gesamte Einnahmen ausSteuern undNettozuweisungen desLandes
lfd. Einnahmen ohneTilgungs- undBedarfszuweisungen
lfd. Bedarf entsprechend derVergleichsländer NI/RP/SH
gesamte Nettozuweisungendes Landes (FAG lfd., FAGinvest., sonstige außerhalbdes FAG)
Steuerkraft bei Hebesätzenwie NI/RP/SH
Anpassungszuweisungen
95
Am schwierigsten ist diese Frage für den angemessenen Zuschussbedarf IV zu be-
antworten. Im Prinzip müsste eigentlich jährlich ermittelt werden, wie sich bundesweit
und insbesondere in den alten und neuen Vergleichsländern die Zuschussbedarfe IV
pro Einwohner entwickelt haben. Da die Ergebnisse aber erst nach Abschluss eines
Haushaltsjahres festgestellt werden können, sind zunächst Schätzungen erforderlich.
Mit der Kassenstatistik 2011 liegen nämlich nur die Steigerungsraten für die gesam-
ten Zuschussbedarfe pro Einwohner des Dreijahreszeitraums 2009 – 2011 gegen-
über dem Zeitraum 2008 – 2010 vor. Diese betragen sowohl bei den westlichen, als
auch bei den östlichen Vergleichsländern 3,7%. Da sich in den Jahren 2010 und
2011 die Zuwächse bereits auf deutlich unter 3% abgeflacht haben, wird für den Zeit-
raum bis 2014 zunächst noch ein Trendwachstum von 3% und den Zeitraum ab dem
Jahr 2015 ein Trendwachstum von 2,5% unterstellt. Die höheren Raten der nächsten
Jahre sind deshalb zu erwarten, weil bis 2014 der U3-Ausbau abgeschlossen sein
dürfte.
Die Annahme für den Zeitraum ab dem Jahr 2015 beruht darauf, dass das nominale
Bruttoinlandsprodukt im Trend jährlich mit etwa 2,6% zunimmt, bundesweit die
Kommunen aber noch nicht wieder vollständig konsolidiert sind. Deshalb dürfte eine
realistische langfristige jährliche Fortschreibungsrate des objektiven Bedarfs der al-
ten Vergleichsländer (pro Einwohner) bei ca. 2,5% liegen.
In der Modellrechnung der Tabelle 14 sind die so abgeleiteten Werte verwendet wor-
den. Ist ein Haushaltsjahr abgeschlossen und liegen die entsprechenden Finanzsta-
tistiken vor, kann mit relativ geringem Aufwand festgestellt werden, wie hoch die tat-
sächliche Steigerungsrate in den Vergleichsländern war. Für die Folgejahre wäre
dann eine entsprechende Nachsteuerung möglich.
Die Zuwachsraten von 3,7% im Jahr 2010 (Dreijahreszeitraum 2009 – 2011), 3% bis
zum Jahr 2014 und 2,5% ab dem Jahr 2015 gelten pro Einwohner. Deshalb ist im
nächsten Schritt die Einwohnerentwicklung zu berücksichtigen. Dies kann in der
Form geschehen, dass die tatsächliche Einwohnerentwicklung bis zum 30. Juni 2011
in die 5. Bevölkerungsprognose für Sachsen-Anhalt als leichte Niveauerhöhung ein-
gebaut wird.
Für den 30. Juni 2020 ergibt sich auf diese Weise mit 2,1 Mio. eine Einwohnerzahl,
die etwas höher als die bisherigen Prognosen liegt. Für den Zeitraum zwischen 2011
und 2020 errechnet sich daraus ein durchschnittlicher jährlicher Bevölkerungsrück-
gang von rd. 1,1%. Im Ergebnis führt dies zu einer geschätzten Zunahme des ange-
messenen Zuschussbedarfs IV um rd. 1,92% pro Jahr.
Die Steuerkraft wird jeweils mit den Hebesätzen der drei alten Vergleichsländer be-
rechnet. Sie werden auf die im Rahmen der regionalisierten Steuerschätzung vom
November 2011 bis zum Jahr 2016 geschätzten Grundbeträge der Gemeinden in
Sachsen-Anhalt angewendet. In der konkreten Praxis dürfte es sinnvoll sein, jeweils
96
die Werte aus der Steuerschätzung im Mai zur Berechnung für das FAG der Folge-
jahre zu verwenden.
Die zu erwartenden lfd. Nettozahlungen des Landes außerhalb des FAG an die
Kommunen sind statistisch gesehen ein schwieriges Thema. Theoretisch sollte man
annehmen, dass die Haushaltsplandaten des Landes eine ziemlich genaue Progno-
se für die kommenden Haushaltsjahre ermöglichen.
Dies ist jedoch nicht der Fall, weil Plan und Ist häufig weit auseinander klaffen und
nicht jede im Haushaltsplan des Landes als Zuweisung an Gemeinden verbuchte
Ausgabe auch spiegelbildlich in einem Gemeindehaushalt als Einnahme vom Land
auftaucht. So ist z.B. bei Zahlungen an Zweckverbände, Eigenbetriebe und rechtlich
selbstständige kommunale Unternehmen keineswegs mit einer Verbuchung im
Haushalt einer Kommune zu rechnen.
Es kommt aber eben auch vor, dass Zuweisungen an Kommunen, die diese an Dritte
weiterreichen, als durchlaufende Posten angesehen werden und dann gar nicht im
kommunalen Rechenwerk auftauchen. Von daher weist nicht nur der Haushaltsplan
des Landes, sondern auch die Haushaltsrechnungen des Landes sehr viel höhere
Zuweisungen an Kommunen aus, als bei diesen als Einnahmen erfasst werden.
Ein weiteres Problem entsteht dadurch, dass der Bundesanteil an den Kosten der
Unterkunft, der für den Landeshaushalt ein durchlaufender Posten ist, mit einem Be-
trag von Null veranschlagt und erst in der Jahresrechnung ausgewiesen wird. Wäh-
rend es sich dabei im Jahr 2010 noch um einen Betrag von 128,9 Mio. Euro handel-
te, ist der Bundesanteil im Jahr 2011 bereits auf 196,4 Mio. Euro angestiegen.
Im Jahr 2011 lagen die in der kommunalen Kassenstatistik verbuchten lfd. Nettozu-
weisungen vom Land außerhalb des FAG (inklusive der 196,4 Mio. Euro) bei 632,3
Mio. Euro, ohne die 196,4 Mio. Euro also bei 435,9 Mio. Euro. Im Nachtragshaus-
haltsplan des Landes veranschlagt waren netto aber immerhin 572 Mio. Euro.
Von diesen 572 Mio. Euro sind auch die zusätzlichen 31,8 Mio. Euro finanziert wor-
den, die an die Landkreise und kreisfreien Städte zur Finanzierung der Ausbildungs-
verkehre vom Land zugewiesen wurden. Durch eine Rechtsänderung erhielten die
Landkreise und kreisfreien Städte ab dem Jahr 2011 die Zuständigkeit für die Ausbil-
dungsverkehre. Der kommunale Mehraufwand von 31,8 Mio. Euro ist deshalb eben-
falls im kommunalen Bedarf zu berücksichtigen.
Im Jahr 2012 sind im Landeshaushalt lfd. Nettozuweisungen im Umfang von 516,7
Mio. Euro veranschlagt. Diese beinhalten jetzt auch die 31,8 Mio. Euro für die Aus-
bildungsverkehre. Auf der anderen Seite ist ein im Jahr 2011 nicht abgeflossener
Betrag von 25 Mio. Euro für den freiwilligen Zusammenschluss von Gemeinden nicht
mehr enthalten und die anteiligen Bundesmittel für die KdU sind weiterhin mit einem
Betrag von Null eingestellt. Berücksichtigt man diese Sachverhalte, so ergibt sich für
das Jahr 2012 ein Schätzwert für die lfd. Nettozuweisungen des Landes außerhalb
97
des FAG von 586,5 Mio. Euro. Für das Jahr 2013 liegt der entsprechende Schätz-
wert bei 604,8 Mio. Euro.
In diesen Beträgen sind sowohl die Verminderung der Zuweisungen ab dem Jahr
2012 durch die Kürzung der SoBEZ aufgrund struktureller Arbeitslosigkeit, als auch
die erhöhten Zuweisungen durch die schrittweise Übernahme der Finanzierung der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung berücksichtigt.
Die letzte Stufe der Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter durch den
Bund im Jahr 2014 ist zusätzlich mit 14 Mio. Euro zu kalkulieren. Ab dem Jahr 2014
wird darüber hinaus ein jährlicher Zuwachs der lfd. Nettozuweisungen außerhalb des
FAG von 1,5% unterstellt. Diese Annahme beruht vor allem auf der Erwartung stei-
gender Zuweisungen des Landes für den Betrieb von Kindertagesstätten.
Da die erhöhten Bundesanteile zu den Kosten der Unterkunft auch mit zusätzlichen
Aufgaben der Kommunen verbunden sind, müssen diese ab dem Jahr 2012 als be-
darfserhöhend berücksichtigt werden. Von den 196,4 Mio. Euro sind 51,6 Mio. Euro
(= 9,4%/35,8% * 196,4 Mio. Euro) als Kompensation für zusätzliche Aufgaben anzu-
sehen. Dazu kommen die 31,8 Mio. Euro für den Ausbildungsverkehr.
Der fortgeschriebene und um die Einwohnerentwicklung bereinigte lfd. Zuschussbe-
darf IV der Vergleichsländer Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein
ist also zunächst um 83,4 Mio. Euro zu erhöhen und anschließend die erwartete
Steuerkraft und die geschätzten sonstigen lfd. Nettozuweisungen des Landes außer-
halb des FAG abzuziehen. Der sich ergebende lfd. Grundbedarf wird wiederum
durch die jeweilige Anpassungszuweisung erhöht.
Hinzu kommen die Nettoabschreibungen bzw. Pflichtzuführungen an den Vermö-
genshaushalt. Hierfür wird die durchschnittliche Tilgung (ohne Umschuldungen) der
Jahre 2008 – 2010 von 189 Mio. Euro angesetzt. Eine Fortschreibung dieses Betra-
ges mit den Tilgungen der Jahre 2011 ff. gibt deshalb wenig Sinn, weil durch das
sehr stark nachgefragte Programm STARK II ein Teil der Tilgungen direkt durch das
Land finanziert wird und für die verbleibende Restschuld die Tilgungsraten deutlich
ansteigen.
Eine Fortschreibung des Dreijahreszeitraums würde folglich dazu führen, dass das
Land doppelt bezahlen müsste. Von daher erscheint es sinnvoll, den Betrag von 189
Mio. Euro zunächst einmal konstant zu lassen. Erst wenn die Doppik flächendeckend
eingeführt wird, sollte eine Neuberechnung auf der Basis der Nettoabschreibungen
erfolgen.
Für die Höhe der Bedarfszuweisungen werden für das Jahr 2013 ein Betrag von 40
Mio. Euro, für 2014 von 50 Mio. Euro und ab 2015 Beträge von 60 Mio. Euro einge-
plant. Eine solche Wiederanhebung der Bedarfszuweisungen auf 60 Mio. Euro bis
zum Jahr 2015 erscheint insbesondere dann geboten, wenn das Land neben der
Liquiditätssicherung auch den Abbau der Fehlbeträge in den Kommunen in einer
systematischen Form vorantreiben will.
98
Erfolgt der Abbau auf andere Weise (z.B. aus den Konsolidierungshilfen des Landes)
und damit außerhalb des FAG, könnte das jährliche Volumen der Bedarfszuweisun-
gen und damit auch der Finanzausgleichsmasse auch um 20 - 30 Mio. Euro niedriger
ausfallen.
Wenn sich durch die Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs sicherstellen
ließe, dass sich Mehreinnahmen aus einer Anhebung von Steuersätzen oder Vermö-
genserlösen im Ergebnis nicht mehr bedarfsmindernd auswirken, sollte das Land den
größeren Anteil der Bedarfszuweisungen oder entsprechender Mittel außerhalb des
FAG zukünftig auf der Basis von Konsolidierungsverträgen einsetzen. Das Land
kann sich bei Einhaltung dieser Verträge durch die Kommunen im Gegenzug quotal
am Abbau der Fehlbeträge aus Vorjahren beteiligen.
Für die Investitionspauschale dürfte ab dem Jahr 2013 ein gleichbleibender Betrag
von jährlich rd. 125 Mio. Euro erforderlich sein. Nur so lassen sich für steuerschwä-
chere Kommunen die Mittel zur Kofinanzierung aufbringen, um an Investitionszuwei-
sungen des Landes überhaupt noch partizipieren zu können.
Als Gesamtsumme ergibt sich das angemessene FAG-Volumen, wobei der Begriff
„angemessen“ auch die degressive Anpassungszuweisung mit einschließt. Das so
kalkulierte „angemessene“ FAG-Volumen geht von 1.556 Mio. Euro in 2012 auf
1.178 Mio. Euro im Jahr 2020 zurück. Im Jahr 2012 liegt das rechnerische Volumen
des FAG somit um ca. 3 Mio. Euro und im Jahr 2013 um rd. 15 Mio. Euro niedriger
als die tatsächliche Summe im FAG.
Da in diesem Konzept allerdings Abrechnungen für Vorjahre nicht mehr vorgesehen
sind, sollte die für 2013 bisher geplante Reduzierung des Volumens um 26,65 Mio.
Euro entfallen, so dass es im Ergebnis zu einer Erhöhung der verfügbaren Mittel um
knapp 12 Mio. Euro kommen würde.
Für die Entwicklung der sonstigen Investitionszuweisungen des Landes (außerhalb
des FAG) wird in der Modellrechnung eine gleichmäßige Reduktion bis auf einen
Wert von 172 Mio. Euro im Jahr 2020 unterstellt. Zusammen mit der Investitionspau-
schale von 125 Mio. Euro ergäben sich somit Investitionszuweisungen des Landes
von 297 Mio. Euro. Einschließlich der geschätzten Eigenmittel von gut 40 Mio. Euro
und einer möglichen Kreditaufnahme von rd. 156 Mio. Euro (der die Tilgungs- bzw.
Abschreibungszuweisungen vom Land und zusätzlich die Teilentschuldung aus dem
Programm STARK II sowie die dadurch eingesparten Zinsen gegenüber stehen), lie-
ße sich somit im Jahr 2020 ein angemessenes kommunales Sachinvestitionsvolu-
men von jährlich 480 Mio. Euro problemlos finanzieren.
Während es in steuerstarken Ländern mit hohen Überschüssen in den Verwaltungs-
haushalten den Kommunen durchaus zugemutet werden kann, sich an der Investiti-
onsfinanzierung der Krankenhäuser zu beteiligen, gibt dies in Sachsen-Anhalt wenig
Sinn. Finanzschwächere Kommunen – und das sind in Sachsen-Anhalt fast alle -
99
müssen nämlich zur Refinanzierung auf Mittel der Investitionspauschale zurückgrei-
fen oder neue Kredite aufnehmen.
Es erscheint deshalb geboten, zukünftig (nach einer entsprechenden Gesetzesände-
rung) auf die Krankenhausinvestitionsumlage von gut 9 Mio. Euro zu verzichten. Für
den Haushalt 2013 des Landes ergäbe sich damit insgesamt (also einschließlich der
Veränderungen im FAG) eine Mehrbelastung von rd. 21 Mio. Euro.
Nach dieser Modellrechnung lägen die gesamten Nettozuweisungen des Landes an
die Kommunen (ohne die Landesausgaben für die überörtliche Sozialhilfe) im Jahr
2020 bei 2.037 Mio. Euro.
Die lfd. Einnahmen pro Einwohner (einschließlich der eigenen tatsächlichen Steuer-
einnahmen) würden sich von 1.465 Euro im Jahr 2012 auf 1.659 Euro im Jahr 2020
entwickeln. Die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate läge somit bei 1,57%, so
dass die lfd. Einnahmen pro Einwohner bei preisbereinigter Betrachtung in etwa kon-
stant bleiben würden.
Die gesamten Einnahmen pro Einwohner aus Steuern und Zuweisungen (also auch
einschließlich der investiven Zuweisungen) würden von 1.709 Euro im Jahr 2012 auf
1.800 Euro im Jahr 2020 zunehmen.
Um die Ergebnisse der vier Modellvarianten vergleichbar zu halten, entsprechen sich
die Ergebnisse für das Jahr 2020 weitgehend, nicht aber die zwischenzeitlichen An-
passungspfade. Dies beruht darauf, dass für die Entwicklung der lfd. Bedarfe ent-
sprechend der jeweiligen Vergleichsländer und der Abgrenzung (mit oder ohne den
Einzelplan 4) unterschiedliche Zuwachsraten zu erwarten sind.
Diese sind aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit so aufeinander abgestimmt
worden, dass die Endergebnisse für die Finanzbedarfe des Jahres 2020 wieder
übereinstimmen. Von daher soll auf eine zusätzliche explizite Erläuterung der Ent-
wicklungspfade der drei anderen Varianten verzichtet werden. Sie ergeben sich aus
den Tabellen 15 bis 17. Zusätzlich wird im Diagramm 1 grafisch dargestellt, wie sich
die eigenen Einnahmen und die Zuweisungen vom Land pro Einwohner ab dem Jahr
2012 entwickeln.
Daraus ergibt sich, dass die gesamten Einnahmen aus eigenen Steuern und den
Nettozuweisungen vom Land pro Einwohner im Zeitraum von 2012 bis 2020 kontinu-
ierlich von 1.709 auf 1.800 Euro um jahresdurchschnittlich 0,65% ansteigen. Da die
Einwohnerzahl in diesem Zeitraum im Durchschnitt jedoch jährlich um 1,11% zurück-
geht, sinkt die absolute Summe von 3.927 Mio. Euro auf 3.783 Mio. Euro bzw. jah-
resdurchschnittlich um 0,47%.
Die Realität wird sich ganz sicher nicht genauso entwickeln wie in den Modellrech-
nungen unterstellt. Deshalb ist es umso wichtiger, ein genaues Regelwerk zur jährli-
chen Fortschreibung des Finanzausgleichvolumens aufzustellen.
100
Die Fortschreibung der Einwohner, der Steuerkraft, der lfd. Nettozuweisungen au-
ßerhalb des FAG und der Tilgungszuweisungen ist aufgrund der jeweiligen (amtli-
chen) Schätzungen oder tatsächlichen Daten relativ problemlos möglich und für die
Bedarfszuweisungen, die Investitionspauschale und die sonstigen Investitionszuwei-
sungen kann sich das Land selbst binden und damit entsprechende Planungssicher-
heit ermöglichen.
Sehr viel schwieriger ist dagegen der Umgang mit den tatsächlichen Entwicklungen
der Zuschussbedarfe IV in Sachsen-Anhalt und in den ausgewählten Vergleichslän-
dern. Im Modell lässt sich relativ leicht eine erwartete Zuwachsrate in den Vergleichs-
ländern von z.B. 3,0% für die Jahre 2012, 2013 und 2014 unterstellen. Erst im Früh-
jahr 2013 wird erkennbar sein, ob die Annahmen für den gesamten lfd. Zuschussbe-
darf IV für das Jahr 2012 richtig waren und erst (spät) im Jahre 2014 wird aus den
Jahresrechnungen erkennbar sein, wie sich die Zuschussbedarfe IV des Jahres 2012
in den einzelnen Gliederungen in Sachsen-Anhalt und den Vergleichsländern entwi-
ckelt haben.
Die Erkenntnisse des Jahres 2012 können deshalb in globaler Form erst bei der
Nachsteuerung des Finanzausgleichsvolumens im Jahr 2014, in struktureller Form
dagegen frühestens für das Jahr 2015 verwendet werden.
Es muss allerdings davon ausgegangen werden, dass die vollständige Jahresrech-
nungen des Jahres 2012 für die Vergleichsländer (auch aufgrund zunehmender sta-
tistischer Probleme durch die Einführung der Doppik) erst so spät im Jahr 2014 vor-
liegen, dass sie zur Haushaltsaufstellung für das Jahr 2015 zu spät kommen und
somit sogar erst 2016 in das Berechnungsverfahren einbezogen werden kann. So ist
z.B. die bundesweite Jahresrechnung 2009 erst Ende August 2011 veröffentlicht
worden und kann deshalb erst bei der Bestimmung des Finanzausgleichsvolumens
für das Jahr 2013 berücksichtigt werden.
Konkret heißt dies, dass im Aufstellungsverfahren für das FAG 2013 im Land Sach-
sen-Anhalt die Jahresrechnungen 2009 und 2010 sowie die Kassenstatistik 2011 zur
Verfügung stehen, für die Vergleichsländer aber nur die Jahresrechnung 2009 sowie
die Kassenstatistiken 2010 und von 2011. Die Varianten 1 und 3 könnten sicherlich
recht zuverlässig auch auf der Basis von Kassenstatistiken, also der Jahre 2009 bis
2011 gerechnet werden, für die Varianten 2 und 4 (also unter Ausschluss des Ein-
zelplans 4) wären jedoch wohl nur die Jahresrechnungen des Jahres 2009 (evtl.
auch noch von 2008) verwendbar.
Ob sich daraus größere praktische Probleme ergeben, hängt auch sehr stark davon
ab, ob es bei dem einmal festgelegten Pfad der Anpassungszuweisungen bleiben
soll oder ob diese Pfade jährlich neu bestimmt werden.
Würde es bei dem einmal festgelegten Pfad der Anpassungszuweisungen bis zum
Jahr 2020 bleiben, hätte dies allerdings zur Konsequenz, dass die weitere Entwick-
lung der tatsächlichen Zuschussbedarfe der Kommunen in Sachsen-Anhalt keinen
101
Einfluss mehr auf die Höhe der Finanzausgleichsleistungen hätte. Dies dürfte schon
aus rein verfassungsrechtlichen Gründen problematisch sein, denn eine Ermittlung
des Bedarfs ohne zeitnahe konkrete Einbeziehung und Berücksichtigung der tatsäch-
lichen Entwicklungen in Sachsen-Anhalt wäre kaum vertretbar.
Von daher empfiehlt sich eher ein Verfahren, bei dem der Pfad der Anpassungszu-
weisungen in jedem Jahr nachgesteuert wird. Verfahrensmäßig müssten dafür immer
die drei letzten sowohl in Sachsen-Anhalt als auch in den Vergleichsländern statis-
tisch erfassten Jahre herangezogen und jeweils der Anpassungspfad (neu) ermittelt
werden, der bis zum Jahr 2020 die Schließung der verbliebenen Lücken sicherstellt.
Wie ein solches rollierendes Verfahren aussehen kann, wird modellmäßig in der Ta-
belle 18 dargestellt. Anhand der Ausgangsdaten der Variante 2 (Vergleich mit Nie-
dersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ohne den Einzelplan 4) wird
aufgezeigt, wie die jeweilige Nachsteuerung der Anpassungspfade erfolgen könnte.
Zur Vereinfachung wird hier auf die Einbeziehung der vorläufigen Kassenstatistik
2011 und die Niveauanhebung um 83,4 Mio. Euro wegen der zusätzlichen Aufgaben
im Bereich des SGB II und der Ausbildungsverkehre verzichtet.
Für das FAG 2013 werden die Daten der Jahresrechnungen 2008 – 2010 für die Zu-
schussbedarfe IV in Sachsen-Anhalt und die Jahresrechnungen 2008 und 2009 so-
wie die Kassenstatistik des Jahres 2010 der Vergleichsländer verwendet. Der für das
Ausgangsjahr 2009 berechnete Anpassungswert (ohne den Anpassungswert für die
Differenz aus Steuerkraft und Steuereinnahmen) beträgt 378,6 Mio. Euro. Der An-
passungspfad bis 2020 ergibt sich durch einen gleichmäßigen Abbau in 11 Schritten.
Für das Jahr 2013 führt dies zu einer Anpassungszuweisung von 241,0 Mio. Euro.
Die Fortschreibung des Bedarfs der Vergleichsländer unter Berücksichtigung der
Einwohnerentwicklung in Sachsen-Anhalt und der jeweilige Abgleich mit der tatsäch-
lichen Entwicklung des Zuschussbedarfs IV in Sachsen-Anhalt führt dann in den
Folgejahren jeweils zu entsprechenden Nachsteuerungen.
Während für 2014 zunächst eine Fortschreibung des angemessenes lfd. Bedarfs von
3.071 Mio. Euro berechnet wurde, ergibt sich auf der um ein Jahr fortgeschriebenen
Datenbasis ein Wert von 3.103 Mio. Euro.
Für 2015 wurde zunächst ein Wert von 3.095 Mio. Euro, ein Jahr später einer von
3.125 Mio. Euro und zwei Jahre später einer von 3.132 Mio. Euro berechnet. Der
Grund für die Steigerungen liegt in der Entwicklung des Zuschussbedarfs in Sach-
sen-Anhalt im Jahr 2011.
Die Ursachen für die notwendigen Nachsteuerungen dürften im Regelfall nicht auf
individuelle Verwerfungen bei einzelnen Kommunen in Sachsen-Anhalt zurückzufüh-
ren sein, sondern auf spezifische Entwicklungen, die für das ganze Land gelten. Es
wäre deshalb (auch im verfassungsrechtlichen Sinne) unangemessen, solche Ent-
wicklungen unberücksichtigt zu lassen. Von daher erscheinen entsprechende Nach-
steuerungen in regelmäßigen Abständen unvermeidlich.
102
Tabelle 18:
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen
Statistiken der Jahre 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Zuschussbedarf IV in ST (ohne Korrektur von 4) 2.912.416 3.022.803 2.975.990 3.087.525 3.050.000 3.050.000 3.050.000 3.080.500 3.111.305 3.142.418 3.261.023 3.243.512 3.136.025
Zuschussbedarf auf Basis der Vergleichsländer und der
Einwohnerentwicklung in ST (ohne Korrektur von 4)2.508.524 2.591.767 2.663.421 2.719.544 2.773.242 2.828.756 2.885.737 2.928.990 2.971.751 3.013.922 3.055.519 3.096.489 3.136.025
Differenz 403.892 388.475 343.543 367.982 276.758 221.244 164.263 151.510 139.554 128.496 205.504 147.023 0
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.587.904 2.640.956 2.695.095 2.750.345 2.806.727 2.864.265 2.922.982 2.982.903 3.044.053 3.106.456 3.170.138 3.235.126
Anpassungszuweisungen 378.636 344.215 309.793 275.372 240.950 206.529 172.107 137.686 103.264 68.843 34.421 0
angemessener lfd. Bedarf 2.966.540 2.985.171 3.004.889 3.025.717 3.047.677 3.070.794 3.095.090 3.120.589 3.147.317 3.175.299 3.204.560 3.235.126
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.658.244 2.712.738 2.768.349 2.825.100 2.883.014 2.942.116 3.002.430 3.063.979 3.126.791 3.190.890 3.256.303
Anpassungszuweisungen 366.666 330.000 293.333 256.666 220.000 183.333 146.667 110.000 73.333 36.667 0
angemessener lfd. Bedarf 3.024.910 3.042.737 3.061.682 3.081.766 3.103.014 3.125.449 3.149.096 3.173.979 3.200.124 3.227.557 3.256.303
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.718.735 2.774.470 2.831.346 2.889.389 2.948.621 3.009.068 3.070.754 3.133.704 3.197.945 3.263.503
Anpassungszuweisungen 329.427 292.824 256.221 219.618 183.015 146.412 109.809 73.206 36.603 0
angemessener lfd. Bedarf 3.048.163 3.067.294 3.087.567 3.109.007 3.131.636 3.155.480 3.180.563 3.206.910 3.234.548 3.263.503
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.773.847 2.830.711 2.888.741 2.947.960 3.008.393 3.070.065 3.133.001 3.197.228 3.262.771
Anpassungszuweisungen 288.661 252.579 216.496 180.413 144.331 108.248 72.165 36.083 0
angemessener lfd. Bedarf 3.062.508 3.083.290 3.105.237 3.128.373 3.152.724 3.178.313 3.205.167 3.233.311 3.262.771
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.829.245 2.887.244 2.946.433 3.006.835 3.068.475 3.131.379 3.195.572 3.261.081
Anpassungszuweisungen 220.755 189.219 157.682 126.146 94.609 63.073 31.536 0
angemessener lfd. Bedarf 3.050.000 3.076.463 3.104.115 3.132.981 3.163.084 3.194.452 3.227.108 3.261.081
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.881.161 2.940.224 3.000.499 3.062.009 3.124.781 3.188.839 3.254.210
Anpassungszuweisungen 179.006 149.172 119.337 89.503 59.669 29.834 0
angemessener lfd. Bedarf 3.060.167 3.089.396 3.119.836 3.151.512 3.184.449 3.218.673 3.254.210
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.928.826 2.988.867 3.050.139 3.112.666 3.176.476 3.241.594
Anpassungszuweisungen 151.776 121.421 91.066 60.710 30.355 0
angemessener lfd. Bedarf 3.080.602 3.110.287 3.141.204 3.173.377 3.206.831 3.241.594
lfd. Bedarf der Vergleichsländer 2.971.554 3.032.471 3.094.637 3.158.077 3.222.818
Anpassungszuweisungen 139.853 104.890 69.927 34.963 0
angemessener lfd. Bedarf 3.111.408 3.137.361 3.164.564 3.193.040 3.222.818
Modellrechnung zur dynamischen Nachsteuerung der Anpassungszuweisungen und der angemessenen lfd. Bedarfe
- in Mio. Euro -
FAG 2013
FAG 2014
FAG 2015
FAG 2016
FAG 2017
FAG 2018
FAG 2019
FAG 2020
103
Sie sollten im Anpassungsmodell dann erfolgen, wenn sowieso im Rahmen neuer
Landeshaushalte auch die endgültigen Volumina im FAG festgelegt werden oder
dann, wenn die kommunale Finanzstatistik zunehmende lfd. Überschüsse oder Defi-
zite ausweist. Falls Doppelhaushalte verabschiedet werden, wäre eine Nachsteue-
rung für das zweite Haushaltsjahr im Regelfall verzichtbar.
Wenn sich das Land für dieses oder ein analoges Vorgehen bei der Bestimmung und
Fortschreibung des kommunalen Finanzausgleichs entscheidet, gewinnen die Kom-
munen ein sehr hohes Maß an Planungssicherheit. Dies gilt sowohl bei kurzfristiger,
als auch bei langfristiger Betrachtung.
Kurzfristig ist die Planungssicherheit vor allem deshalb sehr groß, weil die konjunktu-
rellen Schwankungen der kommunalen Steuereinnahmen (soweit sie sich bereits in
der Steuerschätzung niederschlagen) vollständig durch entsprechende gegenläufige
Entwicklungen der Finanzausgleichsmasse kompensiert werden. Insofern lassen
sich die von Finanzminister Bullerjahn unter dem Arbeitstitel STARK IV erwogenen
Verstetigungsmaßnahmen für die kommunalen Finanzen mit diesem Ansatz in um-
fassender Weise umsetzen.
Ein solches Ausmaß an Verstetigung ließe sich rein theoretisch noch weiter steigern,
wenn unzutreffende Steuerschätzungen zu einer nachträglichen Korrektur der Fi-
nanzausgleichsmasse führen würden. Für eine solche Abrechnung gibt es gute Ar-
gumente, aber auch genauso gewichtige Gegenargumente. Zu den Gegenargumen-
ten gehört z.B. die vom Land übernommene Verpflichtung zur Rückführung ihres ei-
genen strukturellen Defizits in zehn gleichen Schritten.
Eine Negativabrechnung zur Unzeit könnte die jährliche Konsolidierungshilfe von 80
Mio. Euro, die das Land zur Teilentschuldung der Kommunen im Rahmen von
STARK II einsetzt, in Gefahr bringen. Daran könnten auch die Kommunen kein Inte-
resse haben. Um den Landeshaushalt nicht zusätzlichen Risiken auszusetzen, er-
scheint es sinnvoll, das neue Verfahren erst einmal zu installieren und sich zwar vor-
zunehmen, bei größeren Prognosefehlern eine entsprechende Korrektur zu prüfen,
aber diese nicht von vornherein gesetzlich zu normieren.
Der Gewinn an langfristiger Planungssicherheit liegt auf der Hand. Schon alleine aus
diesem Grund lohnt es sich, ein solches Verfahren zur Bestimmung des Finanzaus-
gleichsvolumens einzuführen und damit zugleich auch die verfassungsrechtlichen
Vorgaben zur Sicherstellung einer angemessenen Finanzierung für die Gesamtheit
der Kommunen in Sachsen-Anhalt einer vernünftigen und dauerhaft tragfähigen Lö-
sung zuzuführen.
104
5.5. Ein vereinfachtes und gut planbares Alternativmodell mit
einer real konstanten Fortschreibung der Finanzbedarfe
Der Hauptvorteil des im Unterkapitel 5.4. entwickelten dynamischen Anpassungsmo-
dells zur Bestimmung der angemessenen Finanzausgleichsmasse liegt darin, dass
die Lücken zu den Vergleichsländern bis zum Jahr 2020 in gleichmäßigen Schritten
geschlossen werden.
Die dabei entstehenden Probleme liegen jedoch auf der Hand. Da für die Vergleichs-
länder keine zeitnahen Daten vorliegen, muss immer ein Zeitraum von drei bis vier
Jahren durch eine Schätzung der Entwicklung der Zuschussbedarfe in den Ver-
gleichsländern überbrückt werden.
Es dürfte auch verfassungsrechtlich nicht ganz ohne Bedenken möglich sein, die an-
gemessenen Bedarfe der Kommunen in Sachsen-Anhalt fast ausschließlich durch
eine weitgehende Übertragung der Entwicklung in den jeweiligen Vergleichsländern
zu bestimmen.
Schließlich muss auch konstatiert werden, dass dieses Verfahren zwar bereits we-
sentlich einfacher als die bisherige Rechnungsmethodik ist, aber immer noch einen
recht hohen Grad an Komplexität aufweist.
Es stellt sich deshalb die Frage, ob es keine einfacher strukturierten Lösungen gibt,
die ebenfalls bis zum Jahr 2020 die Lücken zu den Vergleichsländern schließen und
dennoch die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in Sachsen-Anhalt ab-
sichern.
Da nicht davon auszugehen ist, dass die realen gesamtwirtschaftlichen Wachstums-
raten in Deutschland bis zum Jahr 2020 im Trend unter einen Wert von 1% – 1,5%
absinken, liegt eine realistische Alternative darin, die Fortschreibung der jeweiligen
angemessenen Finanzbedarfe nicht an der ja auch nur geschätzten Entwicklung in
den Vergleichsländern zu orientieren, sondern an der jeweiligen Preissteigerungsra-
te in Sachsen-Anhalt.
Der Verzicht auf reale Zuwächse (bei gegebenen Leistungsumfängen pro Einwoh-
ner) dürfte nämlich ebenfalls im Zeitraum bis zum Jahr 2020 zu einer Schließung der
Lücken zu den Vergleichsländern führen.
Um einen solchen Pfad abzusichern, würde das unmittelbare Vergleichsverfahren mit
der Entwicklung der anderen Länder zu einem ergänzenden Controlling-Instrument.
So könnte z.B. in einem zweijährigen Turnus überprüft werden, ob sich die Lücken
zu den Vergleichsländern in dem Umfang verringern, dass sie (spätestens) bis zum
Jahr 2020 geschlossen sind.
Ein solches Verfahren würde sich im Grundansatz an der bisherigen Vorgehenswei-
se orientieren. Der ausschließliche Blick auf die Vergangenheit würde allerdings
durch eine Beachtung der Gegenwart und der Kenntnisse und Erwartungen über die
105
Zukunft ergänzt. In der Tabelle 19 wird wiederum in Form einer Modellrechnung dar-
gestellt, wie das Verfahren ablaufen könnte.
Im ersten Schritt wird die voraussichtliche Einwohnerentwicklung bis zum Jahr 2020
dargestellt. Sie entspricht in den jährlichen Zuwächsen den Schätzwerten aus der 5.
Bevölkerungsprognose, wobei der Niveaueffekt der tatsächlichen Entwicklung bis
zum Jahr 2011 berücksichtigt ist. Im ersten Schritt wird die voraussichtliche Einwoh-
nerentwicklung bis zum Jahr 2020 dargestellt. Sie entspricht in den jährlichen Zu-
wächsen den Schätzwerten aus der 5. Bevölkerungsprognose, wobei der Niveauef-
fekt der tatsächlichen Entwicklung bis zum Jahr 2011 berücksichtigt ist.
Im nächsten Schritt werden Verbraucherpreisindices für die jeweiligen Finanzaus-
gleichsjahre geschätzt. Dies geschieht in der Form, dass für den relevanten Dreijah-
resdurchschnitt (zunächst noch 2008 – 2010) der durchschnittliche Index gebildet
wird. Er beträgt 107,0. Danach wird die durchschnittliche Verbraucherpreisentwick-
lung bis zum neuesten bekannten Jahresdurchschnittsindex (hier 2011 mit einem
Wert von 110,2) berechnet. Die durchschnittliche Zuwachsrate liegt bei 1,5%.
Mit der so berechneten Zuwachsrate wird der Index des Jahres 2011 für die Folge-
jahre fortgeschrieben. Für 2012 ergibt sich somit ein Index von 111,9 und für 2014
einer von 113,5. Die Fortschreibung des Durchschnitts der Zuschussbedarfe der Jah-
re 2008 – 2010 erfolgt dann im Verhältnis des für 2012 geschätzten Index zu dem
Durchschnittsindex der drei Jahre.
Im dritten Schritt werden die jährlichen Zuschussbedarfe IV der Kommunen in Sach-
sen-Anhalt aus den vorliegenden Rechnungs- bzw. Kassenstatistiken berechnet. Ba-
sis dieser Modellrechnung sind die vorliegenden Rechnungen der Jahre 2008 bis
2010 und die vorläufige Kassenstatistik des Jahres 2011
Ab dem Jahr 2012 wird dann in der Modellrechnung eine jährliche Zunahme des Zu-
schussbedarfs pro Einwohner entsprechend dem Preisindex unterstellt. Bei eine ge-
schätzten jährlichen Preissteigerung um rd. 1,5% und einem Rückgang der Bevölke-
rung um durchschnittlich 1,1% ergibt sich ab dem Jahr 2012 eine jährliche Zunahme
um rd. 0,4%.
Im folgenden Schritt werden die Steuereinnahmen der Jahre 2008 bis 2011 erfasst
und die Steuerschätzung bis zum Jahr 2016 vom November 2011 berücksichtigt. Für
die sonstigen Steuern wird dabei ein jährlicher Zuwachs um 3% unterstellt. Die ge-
schätzten Steuereinnahmen des Jahres 2016 werden in den Folgejahren 2017 –
2020 mit jeweils 2,6% fortgeschrieben.
Um die tatsächliche Hebesatzentwicklung in Sachsen-Anhalt zu neutralisieren, wird
im nächsten Schritt die Steuerkraft berechnet.
Um Fehlanreize zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Prognose der Steuerkraft von
den konkreten Hebesätzen in Sachsen-Anhalt abzukoppeln und auf die letzte ver-
fügbare regionalisierte Steuerschätzung zurück zu greifen.
106
Tabelle 19:
Quellen: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt (Grunddaten zur Berechnung der Zuschussbedarfe, 5. Bevölkerungsprognose, Verbraucher-
preisindices); BMF (Steuerschätzung vom November 2011); Statistisches Bundesamt (Realsteuervergleich) und eigene Berechnungen
Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Einwohner 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848 2.298.231 2.274.482 2.251.256 2.227.822 2.203.787 2.179.133 2.153.928 2.128.189 2.101.429
Preisindex (in Sachsen-Anhalt) 106,4 106,6 107,9 110,2 111,9 113,5 115,2 117,0 118,7 120,5 122,3 124,1 126,0
Zuschussbedarf IV 2.915.752 3.027.790 2.986.547 3.087.525 3.102.136 3.117.594 3.133.448 3.148.703 3.162.788 3.175.647 3.187.335 3.197.827 3.206.351
Steuern 1.283.352 1.129.727 1.164.086 1.279.467 1.322.823 1.372.958 1.430.095 1.486.018 1.542.306 1.582.406 1.623.549 1.665.761 1.709.071
Steuerkraft 1.305.845 1.149.527 1.184.489 1.301.892 1.322.823 1.373.836 1.431.975 1.488.879 1.546.153 1.586.956 1.628.820 1.671.772 1.715.841
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 474.216 493.247 531.688 632.310 586.463 604.769 627.841 637.258 646.817 656.519 666.367 676.363 686.508
Summe des angemessenen Zuschussbedarfs IV (+
ant. 2. Funktionalreformgesetz + anteilig 51,6
Mio. Euro aus SGB II + anteilig 31,8 Mio. Euro aus
Ausbildungsverkehr)
3.104.922 3.143.987 3.134.990 3.144.127 3.158.344 3.171.280 3.182.990 3.193.470 3.201.946
Summe angemessenes lfd. FAG 1.195.637 1.165.382 1.075.174 1.017.990 965.373 927.805 887.803 845.335 799.597
Tilgungszuweisung 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562
Investitionspauschale 128.041 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000
Bedarfszuweisungen 20.000 40.000 50.000 60.000 60.000 60.000 60.000 60.000 60.000
FAG-Volumen (ohne Umlage) 1.532.239 1.518.943 1.438.736 1.391.552 1.338.935 1.301.366 1.261.364 1.218.896 1.173.158
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 586.463 604.769 627.841 637.258 646.817 656.519 666.367 676.363 686.508
investive Zuweisungen außerhalb des FAG 433.000 354.000 328.000 302.000 276.000 250.000 224.000 198.000 172.000
gesamte lfd. Nettozuweisungen durch das Land 1.990.661 1.998.712 1.941.576 1.903.810 1.860.752 1.832.886 1.802.731 1.770.259 1.734.666
gesamte investive Nettozuweisungen durch das
Land der Kommunen561.041 479.000 453.000 427.000 401.000 375.000 349.000 323.000 297.000
Gesamte Nettozuweisungen durch das Land 2.551.702 2.477.712 2.394.576 2.330.810 2.261.752 2.207.886 2.151.731 2.093.259 2.031.666
Gesamte lfd. Nettoeinnahmen der Kommunen 3.313.484 3.371.670 3.371.671 3.389.829 3.403.058 3.415.292 3.426.280 3.436.020 3.443.737
Gesamte Nettoeinnahmen der Kommunen 3.874.525 3.850.670 3.824.671 3.816.829 3.804.058 3.790.292 3.775.280 3.759.020 3.740.737
Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes an die Kommunen im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter
Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020
- in 1000 Euro -
107
Diagramm 2:
300
600
900
1.200
1.500
1.800
2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Euro/E
Jahr
Projektion der Entwicklung der eigenen Steuerkraft und der Nettozuweisungen vom Land in den Jahren 2012 bis 2020 im vereinfachten
Alternativmodell mit jeweils real konstant fortgeschriebenen Finanzbedarfen
gesamte Einnahmen ausNettozuweisungen desLandes und eigenen Steuern
lfd. Einnahmen ausNettozuweisungen desLandes und eigenen Steuern
gesamte Nettozuweisungendes Landes (FAG lfd., FAGinvestiv, sonstige außerhalbdes FAG)
Steuerkraft
108
Im Ländervergleich weisen die Hebesätze in Sachsen-Anhalt, aber auch die Vertei-
lung der Realsteuerkraft einige Besonderheiten auf. Die Realsteuerkraft des Landes
insgesamt und des kreisangehörigen Raums liegt deutlich höher als in den östlichen
Vergleichsländern (auch als in Sachsen), aber die drei kreisfreien Städte fallen weit
ab und ihre Steuerkraft liegt sogar noch um rd. 17,5% niedriger als im kreisangehöri-
gen Raum.
Die Hebesätze der kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt liegen dagegen deutlich hö-
her als in den westlichen Vergleichsländern und fast auf dem Niveau der östlichen
Vergleichsländer. Dagegen weisen die kreisangehörigen Gemeinden sowohl im Ver-
gleich zu den westlichen, als auch zu den östlichen Ländern ein recht niedriges He-
besatzniveau auf. Dies gilt natürlich auch im zusammengefassten Vergleich mit allen
sechs Ländern. Hätten die kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt deren durchschnittli-
ches gewichtetes Hebesatzniveau, lägen ihre Steuereinnahmen (im Jahr 2010) um
8,5 Mio. Euro niedriger, die der kreisangehörigen Gemeinden dagegen um 28,8 Mio.
Euro höher.
Dementsprechend muss das Land im bisherigen Berechnungsverfahren im Ergebnis
die Finanzausgleichsmasse um 20,3 Mio. Euro höher ausstatten als wenn die Ge-
meinden in Sachsen-Anhalt die Hebesätze der sechs Vergleichsländer verwenden
würden. Im föderalen Finanzausgleich muss sich das Land sogar fast 81 Mio. Euro
mehr anrechnen lassen als die Gemeinden tatsächlich eingenommen hatten und ver-
liert dadurch im föderalen Finanzausgleich rd. 48,6 Mio. Euro.
Tabelle 20:
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen
Land
GrSt A GrSt B GewSt GrSt A GrSt B GewSt Summe pro Einw. Diff. zu ST
Sachsen-Anhalt 294 380 350 0 0 0 0 359 0
KF 252 449 449 0 0 0 0 309 0
KR 295 358 325 0 0 0 0 375 0
NI/RP/SH 324 366 372 2.225 -7.313 35.481 30.392 524 165
KF mit Hannover 359 435 414 155 -1.807 -10.805 -12.457 663 355
KR ohne Hannover 321 339 350 1.956 -7.917 31.561 25.599 476 102
MV/SN/TH 267 405 383 -2.009 13.403 53.361 64.756 340 -20
KF 294 494 437 61 5.796 -3.778 2.079 382 73
KR 266 366 355 -2.098 3.096 37.862 38.860 322 -53
MV/NI/RP/SN/SH/TH 306 377 375 935 -1.872 40.118 39.180 459 100
KF mit Hannover 347 451 420 137 285 -8.968 -8.547 555 247
KR ohne Hannover 304 346 351 696 -5.081 33.188 28.803 424 49
Hebesätze
Mehr/Weniger an
Realsteueraufkommen in
Sachsen-Anhalt bei Anwendung
der entsprechenden Hebesätze
Veränderung des Realsteueraufkommens in
Sachsen-Anhalt im Jahr 2010 bei Übernahme
der Hebesätze von Vergleichsländern
nachrichtlich:
Realsteuerkraft bei
Hebesätzen wie im
Durchschnitt der
Flächenländer
109
Anders als im Anpassungsmodell, in dem ein Ausgleich des Hebesatzgefälles zu den
Vergleichsländern zusammen mit dem Abbau der Lücken in 11 Schritten erfolgt, er-
scheint es in diesem Modell sinnvoll, zum frühesten möglichen Zeitpunkt, d.h. schon
im Finanzausgleich 2013, den Abzug der Steuereinnahmen durch den Abzug der
Steuerkraft zu ersetzen.
Als fiktive Hebesätze bieten sich dabei diejenigen an, die von den sechs Vergleichs-
ländern, differenziert nach kreisangehörigen Gemeinden und kreisfreien Städten,
erhoben werden.
Bezogen auf die Verhältnisse des Jahres 2010 müssen die Steuereinnahmen (ohne
sonstige Steuern) der Gemeinden in Sachsen-Anhalt mit dem Faktor 1,018 multipli-
ziert werden, um auf die Steuereinnahmen zu kommen, die bei Hebesätzen wie in
den Vergleichsländern entstehen würden. Für den Teilbereich der kreisfreien Städte
beträgt dieser Faktor 0,972 und für die kreisangehörigen Gemeinden 1,034.
In der Modellrechnung werden die regionalisierten Steuerschätzungen für die Ge-
meinden in Sachsen-Anhalt der Jahre 2012 bis 2016 deshalb mit dem Faktor 1,018
multipliziert. Der so berechnete Wert des Jahres 2016 wird für die Jahre 2017 bis
2020 mit jährlich 2,6% Zuwachs fortgeschrieben. Für die sonstigen Gemeindesteuern
wird für den gesamten Zeitraum eine jährliche Steigerung um 3% unterstellt.
Dieses Verfahren führt dazu, dass zukünftige Veränderungen des Hebesatzniveaus
der Gemeinden in Sachsen-Anhalt keine Auswirkungen mehr auf die Höhe der Fi-
nanzausgleichsmasse hätten, so dass entsprechende Fehlanreize vermieden wer-
den könnten.
Der Übergang von den Steuereinnahmen zur Steuerkraft (mit den Hebesätzen des
Jahres 2010 von MV/NI/RP/SN/SH/TH) wird im Jahr 2012 durch die feste Aus-
gleichszahlung von 23,19 Mio. Euro (die bei der Steuerkraft bereits abgesetzt ist)
noch voll kompensiert. Es käme deshalb im Jahre 2012 noch zu keinen Auswirkun-
gen auf die Höhe der angemessenen Finanzausgleichsmasse.
Erst in den Folgejahren entwickeln sich (bei einem unveränderten Hebesatzgefälle)
wachsenden Unterschiede zwischen den Steuereinnahmen und der Steuerkraft. Es
muss allerdings jährlich die Steuerkraft neu berechnet werden, so dass sich der Ab-
stand sowohl vergrößern, als auch verkleinern könnte.
Die Nettozuweisungen vom Land außerhalb des FAG der Jahre 2008 – 2011 sind
der kommunalen Finanzstatistik entnommen. Die Fortschreibung für die Jahre ab
dem Jahr 2012 entspricht der in der Anpassungsvariante (Tabellen 14 – 17).
Als nächster Schritt werden die jeweiligen Dreijahresdurchschnitte der Zuschussbe-
darfe berechnet und mit dem Preisindex und der Einwohnerentwicklung fortgeschrie-
ben.
Zusätzlich werden hier die auf den Zuschussbedarf wirkenden Veränderungen be-
rücksichtigt, die sich gegenüber den Jahren 2008 – 2010 aufgrund von gesetzlichen
110
Veränderungen ergeben haben. Hier geht es vor allem um Mehr- oder Minderbedarfe
im Rahmen der Konnexität.
Entfaltet ein Gesetz erst nach dem Dreijahreszeitraum seine Wirkungen, ist es voll-
ständig zu berücksichtigen. Sofern es bereits während oder vor dem Dreijahreszeit-
raum in Kraft war, braucht es nur anteilig oder gar nicht mehr einbezogen werden.
Das Erste Funktionalreformgesetz aus dem Jahr 2004 braucht deshalb nicht mehr
und das Zweite Funktionalreformgesetz aus dem Jahr 2009 nur noch anteilig berück-
sichtigt zu werden, weil die dadurch verursachten Mehrbelastungen seit dem Jahr
2010 im Zuschussbedarf der Kommunen enthalten sind. Dementsprechend würde
diese Konnexitätsverpflichtung im Jahr 2012 noch zu 2/3 und im Jahr 2013 zu 1/3 zu
berücksichtigen sein. Sobald die Kassenstatistik 2012 in den Dreijahreszeitraum ein-
bezogen wird, entfällt dieser Zurechnungsposten. Hier wird deshalb unterstellt, dass
in 2013 noch 1,74 Mio. Euro zuzurechnen sind. Im Jahr 2012 hätte dementspre-
chend eine Zurechnung von 3,48 Mio. Euro ausgereicht.
Da die neu entstandenen Mehrbelastungen aus dem SGB II erstmals in der Kassen-
statistik 2011 erfasst wurden, müssen sie in der Bedarfsberechnung 2012 noch zu
100%, im Jahr 2013 zu 2/3 und im Jahr 2014 noch zu 1/3 berücksichtigt werden. Die
kommunale Quote an den KdU wurde im Jahr 2011 auf 35,8% erhöht. Auf die eigent-
lichen Unterkunftskosten in der bis einschließlich 2010 geltenden Abgrenzung entfal-
len davon 26,4%. Den restlichen Anteilen von 9,4% stehen zusätzliche Aufgaben
bzw. Ausgaben gegenüber. Die Berechnung der Mehrbelastung lautet deshalb:
9,4/35,8 * 196,4 Mio. Euro = 51,6 Mio. Euro.
Für die Belastung der Kommunen im Umfang von 31,8 Mio. Euro mit den Ausbil-
dungsverkehren wird analog verfahren.
Der so korrigierte Zuschussbedarf ist dann als angemessener Gesamtfinanzbedarf
der Kommunen zu interpretieren. Um vom Gesamtbedarf zur angemessenen lfd. Fi-
nanzausgleichsmasse zu kommen, sind die sonstigen lfd. Nettozuweisungen vom
Land und die eigene Steuerkraft vom Gesamtbedarf abzusetzen.
Die Höhe der Nettotilgungen, der Bedarfszuweisungen und der Investitionspauschale
in der Modellrechnung entspricht den Werten aus dem Anpassungsmodell an die
Vergleichsländer.
Unter der Voraussetzung, dass die nächste Steuerschätzung im Mai 2012 die
Schätzwerte vom November 2011 bestätigt, ergäbe sich auf diese Weise für das
Jahr 2013 eine Finanzausgleichsmasse von insgesamt 1.518,9 Mio. Euro.
Im Haushalt 2013 etatisiert ist eine Masse von 1.539,5 Mio. Euro, von der allerdings
26,65 Mio. Euro verrechnet werden sollen, so dass netto als Finanzausgleichsmasse
knapp 1.512,8 Mio. Euro zur Verfügung stehen würde. Von diesem Betrag wäre noch
die abzuführende Krankenhausinvestitionsumlage von 9,15 Mio. Euro abzuziehen.
Verfügbar wären also nach den bisherigen Planungen rd. 1.503,7 Mio. Euro. Bei
111
Umsetzung dieses Vorschlags entstünde folglich (falls die Krankenhausinvestition-
sumlage bereits 2013 gestrichen werden sollte) ein Mehrbedarf gegenüber dem
Haushaltsansatz von ca. 15,2 Mio. Mio. Euro. Je nach dem Ergebnis der Steuer-
schätzung im Mai würde sich dieser Betrag dann nochmals nach oben oder unten
verändern.
5.6. Entwicklung des Landesanteils und der kommunalen Quo-
te an den insgesamt in Sachsen-Anhalt zur Verfügung ste-
henden Deckungsmitteln bis zum Jahr 2020
Bisher ist noch nicht überprüft worden, wie sich im Jahr 2020 die im Land verfügba-
ren Deckungsmittel auf den Landeshaushalt und die kommunalen Haushalte vertei-
len. Da bis zum Jahr 2020 die Sondermittel für die neuen Länder fast vollständig
ausgelaufen sein werden, ist insbesondere die Frage zu stellen, ob der kommunale
Anteil im Jahr 2020 dem in den alten Vergleichsländern entspricht.
Dafür werden zunächst anhand der Kassenstatistiken der Jahre 2008 bis 2010 für
Sachsen-Anhalt sowie die alten und neuen Vergleichsländer die Verteilungen der
Steuermittel (nach föderalem Finanzausgleich) insgesamt (Tabelle 21) und pro Ein-
wohner (Tabelle 22) dargestellt.
Im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2010 verfügten danach das Land und seine
Kommunen in Sachsen-Anhalt zusammen über 3.995 Euro pro Einwohner, die drei
neuen Vergleichsländer über 3.961 Euro und die drei alten Vergleichsländer über
3.238 Euro pro Einwohner. Dabei ist, anders als in der Tabelle 1, nicht die normierte
Steuerkraft der Gemeinden, sondern es sind die tatsächlichen Steuereinnahmen be-
rücksichtigt worden.
Die Steuereinnahmen (nach föderalem Finanzausgleich) in Sachsen-Anhalt lagen
um 757 Euro pro Einwohner bzw. 23,4% höher als in den alten Vergleichsländern
und fielen (trotz geringerer Steuersätze) sogar um 34 Euro pro Einwohner bzw. 8,6%
höher aus als in den neuen Vergleichsländern. Aufgrund der Steuerschwäche der
Gemeinden mussten die lfd. und die investiven Nettozuweisungen des Landes an
seine Kommunen in Sachsen-Anhalt notwendigerweise mit zusammen 1.238 Euro
deutlich höher sein als in den alten Vergleichsländern, in denen die gesamten Zu-
weisungen lediglich 677 Euro pro Einwohner betrugen. Aus Vergleichsgründen müs-
sen hier natürlich auch die Nettoausgaben für die überörtliche Sozialhilfe in Sachsen-
Anhalt dem kommunalen Bereich zugeordnet werden.
112
Tabelle 21:
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen (siehe auch Tabelle 1)
2020 2008 2009 2010 Durchschnitt 2008 2009 2010 Durchschnitt 2008 2009 2010 Durchschnitt
Steuern der Länder einschl. LFA,BEZ und SoBEZ 7.633 8.655 8.241 7.933 8.276 37.621 35.747 36.531 36.633 29.402 27.641 26.749 27.931
Steuern der Gemeinden 1.709 1.283 1.130 1.164 1.192 11.998 10.721 11.191 11.303 4.373 3.927 4.110 4.137
Zusammen 9.342 9.938 9.371 9.097 9.469 49.619 46.468 47.722 47.936 33.775 31.568 30.859 32.068
lfd. Zuweisungen an Gemeinden 1.735 2.025 2.038 1.995 2.019 8.736 9.403 9.369 9.169 7.255 7.813 7.558 7.542
Zurechnung der überörtlichen Sozialhife in ST 516 362 372 384 373
rechnerische lfd. Zuweisungen an Gemeinden 2.251 2.387 2.410 2.379 2.392 8.736 9.403 9.369 9.169 7.255 7.813 7.558 7.542
investive Zuweisungen an Gemeinden 297 536 634 457 542 1.415 671 463 849 588 1.978 2.565 1.710
gesamte Zuweisungen an Gemeinden 2.548 2.923 3.044 2.836 2.934 10.151 10.073 9.831 10.019 7.843 9.791 10.124 9.253
Länder nach lfd. Zuweisungen 5.382 6.268 5.831 5.554 5.884 28.885 26.344 27.162 27.464 22.147 19.828 19.191 20.389
Gemeinden nach lfd. Zuweisungen 3.960 3.670 3.540 3.543 3.584 20.734 20.124 20.560 20.473 11.628 11.740 11.668 11.679
Anteil der Gemeinden in % 42,4% 36,9% 37,8% 39,0% 37,9% 41,8% 43,3% 43,1% 42,7% 34,4% 37,2% 37,8% 36,4%
Länder nach gesamten Zuweisungen 5.085 5.732 5.197 5.097 5.342 27.470 25.674 26.699 26.614 21.559 17.850 16.625 18.678
Gemeinden nach gesamten Zuweisungen 4.257 4.206 4.174 4.000 4.127 22.149 20.794 21.022 21.322 12.216 13.718 14.234 13.389
Anteil der Gemeinden in % 45,6% 42,3% 44,5% 44,0% 43,6% 44,6% 44,7% 44,1% 44,5% 36,2% 43,5% 46,1% 41,8%
Sachsen-Anhalt
- in Mio. Euro -
MV/SN/THNI/RP/SH
Vergleich der Höhe und der Anteile an den Deckungsmitteln 2008 - 2010 bei Land und Kommunen
im Ländervergleich und der Entwicklung in Sachsen-Anhalt im vorgeschlagenen Alternativmodell
mit real konstanter Fortschreibung bis zum Jahr 2020
113
Tabelle 22:
2020 2008 2009 2010
Durch-
schnitt
08 - 10
2008 2009 2010
Durch-
schnitt
08 - 10
2008 2009 2010
Durch-
schnitt
08 - 10
Steuern der Länder einschl. LFA,BEZ und SoBEZ 3.632 3.609 3.481 3.383 3.492 2.535 2.416 2.473 2.475 3.605 3.416 3.326 3.450
Steuern der Gemeinden 813 535 477 496 503 808 725 758 764 536 485 511 511
Zusammen 4.446 4.144 3.958 3.880 3.995 3.343 3.141 3.231 3.238 4.141 3.902 3.838 3.961
lfd. Zuweisungen an Gemeinden 825 844 861 851 852 589 636 634 619 890 966 940 932
Zurechnung der überörtlichen Sozialhife in ST 246 151 157 164 157 - - - - - - - -
rechnerische lfd. Zuweisungen an Gemeinden 1.071 995 1.018 1.015 1.009 589 636 634 619 890 966 940 932
investive Zuweisungen an Gemeinden 141 224 268 195 229 95 45 31 57 72 244 319 211
gesamte Zuweisungen an Gemeinden (einschließlich
üö Sozialhilfe)1.212 1.219 1.286 1.210 1.238 684 681 666 677 962 1.210 1.259 1.143
Länder nach lfd. Zuweisungen 2.561 2.614 2.463 2.369 2.483 1.946 1.781 1.839 1.855 2.715 2.451 2.387 2.518
Gemeinden nach lfd. Zuweisungen (einschl. üö
Sozialhilfe)1.884 1.530 1.495 1.511 1.512 1.397 1.360 1.392 1.383 1.426 1.451 1.451 1.443
Anteil der Gemeinden in % 42,4% 36,9% 37,8% 39,0% 37,9% 41,8% 43,3% 43,1% 42,7% 34,4% 37,2% 37,8% 36,4%
Länder nach gesamten Zuweisungen 2.420 2.390 2.195 2.174 2.254 1.851 1.735 1.808 1.798 2.643 2.206 2.068 2.307
Gemeinden nach gesamten Zuweisungen (einschl.
üö Sozialhilfe)2.026 1.754 1.763 1.706 1.741 1.492 1.406 1.423 1.440 1.498 1.695 1.770 1.654
Anteil der Gemeinden in % 45,6% 42,3% 44,5% 44,0% 43,6% 44,6% 44,7% 44,1% 44,5% 36,2% 43,5% 46,1% 41,8%
Vergleich der Anteile an den Deckungsmitteln pro Einwohner 2008 - 2010 bei Land und
Kommunen im Ländervergleich und der Entwicklung in Sachsen-Anhalt im
vorgeschlagenen vereinfachten Alternativmodell bis zum Jahr 2020
Sachsen-Anhalt
- in Euro pro Einwohner -
NI/RP/SH MV/SN/TH
114
Nach diesen Zuweisungen verfügte das Land Sachsen-Anhalt noch über 2.254 Euro
pro Einwohner und die Kommunen über 1.741 Euro. Das Land lag somit immer noch
um 456 Euro pro Einwohner bzw. 25,4% über den alten Vergleichsländern, aber
nunmehr um 53 Euro pro Einwohner bzw. 2,3% unter den neuen Vergleichsländern.
Den Kommunen in Sachsen-Anhalt standen 301 Euro pro Einwohner bzw. 20,9%
mehr zur Verfügung als in den alten Vergleichsländern und 87 Euro pro Einwohner
bzw. 5,3% mehr als in den neuen Vergleichsländern.
Berechnet man die kommunalen Quoten als Anteile an den konsolidierten Steuerein-
nahmen in den Ländern, so lagen die alten Vergleichsländer mit 44,5% an der Spit-
ze, gefolgt von Sachsen-Anhalt mit 43,6% und den neuen Vergleichsländern mit
41,8%.
Mit Blick auf das Jahr 2020 sind im Prinzip nur die drei alten Vergleichsländer als
Maßstab geeignet. Als kommunalfreundlich kann das hier entwickelte Verfahren zur
Berechnung und Fortschreibung des Finanzausgleichsvolumens (einschließlich der
investiven und nichtinvestiven Zuweisungen außerhalb des Finanzausgleichs) nur
dann bezeichnet werden, wenn die anteilige Quote der Gemeinden in den alten Ver-
gleichsländern nicht unterschritten wird. Ein zweiter Maßstab ergibt sich aus den Zu-
wächsen im Vergleich zu den im Zeitraum von 2008 bis 2010 in den alten Vergleichs-
ländern verfügbaren Steuern der Kommunen.
Mit 45,6% liegt der Gesamtanteil der Kommunen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2020 bei
Anwendung des Modells einer real konstanten Fortschreibung um 1,1 Punkte über
dem Wert der alten Vergleichsländer im Zeitraum zwischen 2008 und 2010. Von da-
her darf von einer recht kommunalfreundlichen Verteilung ausgegangen werden.
Dementsprechend liegt die Quote des Landes nur bei 54,4%. Aufgrund der (im Ver-
gleich zu den alten Ländern) relativ geringen Versorgungslasten dürfte das Land
dennoch eine den alten Vergleichsländern vergleichbare Leistungsfähigkeit behalten.
Kritisieren könnte man allenfalls, dass die Quote der lfd. Einnahmen in Sachsen-
Anhalt mit 42,4% um 0,3 Punkte hinter dem Wert der alten Vergleichsländer im Zeit-
raum von 2008 – 2010 zurück bleibt. Dies liegt daran, dass es zur Unterstützung ei-
ner gleichmäßigen Entwicklung in Sachsen-Anhalt auch in Zukunft notwendig er-
scheint, nicht nur auf lfd. Zuweisungen, sondern auch sehr stark auf höhere investive
Zuweisungen zu setzen. Anderenfalls entstünde die Gefahr, dass finanzschwächere
Kommunen und Regionen in Sachsen-Anhalt von der Investitionsfähigkeit völlig ab-
geschnitten würden.
Mit diesen Ergebnissen und Perspektiven müssten sowohl das Land, als auch die
Kommunen im Jahr 2020 hinreichend leistungsfähig sein können. Natürlich handelt
es sich bei diesen Zahlen nur um eine Modellrechnung auf der Basis der heute ver-
fügbaren Projektionen bis zum Jahr 2020. Bei schlechter wirtschaftlicher Entwicklung
sind auch niedrigere, bei guter wirtschaftlicher Entwicklung auch höhere Zuwächse
möglich. Die projizierten anteiligen Quoten der Kommunen und des Landes wären
davon allerdings kaum betroffen.
115
6. Der horizontale Finanzausgleich
6.1. Zur Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf Zuwei-
sungstöpfe und kommunale Gruppen
6.1.1. Das bisherige Verfahren
Ob die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die einzelnen Zuweisungstöpfe
noch als Gegenstand des vertikalen Finanzausgleichs oder eher schon als Teil des
horizontalen Finanzausgleichs angesehen werden, ist eine Frage der Vorgehenswei-
se und Zweckmäßigkeit.
Die Aufteilung auf die verschiedenen kommunalen Gruppen ist dagegen wohl aus-
schließlich dem horizontalen Finanzausgleich zuzuordnen. Im bisherigen Verfahren
des Landes wird allerdings so vorgegangen, dass zunächst für die vier kommunalen
Gruppen (kreisfreie Städte, Landkreise, kreisangehörige Gemeinden mit mindestens
20.000 Einwohnern und kreisangehörige Gemeinden mit weniger als 20.000 Ein-
wohnern) die Zuschussbedarfe für alle zwei- und dreistelligen Gliederungen ermittelt
werden und den drei Kategorien pflichtiger übertragener Wirkungskreis, pflichtiger
eigener Wirkungskreis und freiwilliger Wirkungskreis zugeordnet werden.
Dies geschieht in der Weise, dass für die Einnahmen und Ausgaben und damit auch
für die Zuschussbedarfe jeder Gliederung eine prozentuale Aufteilung auf die drei
Wirkungskreise vorgenommen wird, die allerdings innerhalb der entsprechenden Ar-
beitsgruppe des Landes und der Kommunen nicht auf der Basis einer unabhängigen
empirischen Analyse, sondern im Wesentlichen „auf Zuruf“ entstanden ist. Auch von
der Landesseite wurden die von den kommunalen Vertretern vorgeschlagen Quoten
nicht groß hinterfragt, da es nicht um die Höhe, sondern „lediglich“ um die Aufteilung
der Finanzausgleichsmasse ging.
Die Überschüsse des Einzelplans 9 werden nach einem festen Schlüssel auf die ein-
zelnen Gliederungen und die drei Wirkungskreise verteilt. Der Überschuss des Un-
terabschnitts 90 (Steuern und Umlagen) wird dabei (von den örtlichen Steuern abge-
sehen) ausschließlich dem pflichtigen eigenen Wirkungskreis und dem freiwilligen
Wirkungskreis zugeordnet, wobei der dem pflichtigen Bereich zugerechnete Anteil
zwischen 75,9% (größere kreisangehörige Gemeinden) und 98,7% (kleinere kreisan-
gehörige Gemeinden) liegt.
Letztlich ist die Unterscheidung allerdings irrelevant, weil sie keinerlei praktische
Auswirkungen hat. Der pflichtige eigene Wirkungskreis und der freiwillige Wirkungs-
kreis werden nämlich in einem späteren Rechenschritt wieder zusammengefasst.
Der Überschuss des Unterabschnitts 91 (sonstige allgemeine Finanzwirtschaft), in
den die Bedarfszuweisungen, aber auch die Einnahmen aus Umlagen unterhalb der
Kreisebene umgebucht werden, dient ebenfalls fast ausschließlich, nämlich zwischen
86,9% bei kleineren kreisangehörigen Gemeinden und 88,5% bei größeren kreisan-
gehörigen Gemeinden, der Finanzierung des pflichtigen eigenen und des freiwilligen
Wirkungskreises.
116
Dabei ist es bemerkenswert, dass auf der einen Seite die Steuereinnahmen über-
haupt nicht zur anteiligen Finanzierung im übertragenen Wirkungskreis herangezo-
gen und auf der anderen Seite die Einnahmen aus Verbandsgemeindeumlagen, Be-
darfszuweisungen und Rückzuführungen vom Vermögenshaushalt zumindest antei-
lig, nämlich insgesamt mit über 30 Mio. Euro (davon alleine 24 Mio. Euro bei kleine-
ren kreisangehörigen Gemeinden), als Finanzierungsmittel berücksichtigt werden.
Damit wird der Zuschussbedarf im übertragenen Wirkungskreis bei den kleineren
Gemeinden um rd. 24 Mio. Euro und bei den größeren um rd. 6 Mio. Euro zu niedrig
und dafür der Bedarf in den eigenen Wirkungskreisen um die gleichen Beträge zu
hoch ausgewiesen. Für die gesamten berechneten Bedarfe im FAG neutralisieren
sich die Effekte.
Die Zuweisungen des Landes zur Refinanzierung der kommunalen Zuschussbedarfe
für die Kosten der Unterkunft, die im Einzelplan 9 zu vereinnahmen sind, werden
nicht aufgeteilt, sondern (richtigerweise) vollständig der Gliederung 482 (Grundsiche-
rung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch) als Einnahme zugeordnet.
Zusammenfassend ergibt sich im Ergebnis die in der Tabelle 23 dargestellte Matrix,
in der die tatsächlichen durchschnittlichen Differenzen zwischen lfd. Ausgaben und
lfd. Einnahmen (ohne Einnahmen aus dem FAG und den lokalen Steuern) der Jahre
2008 – 2010 nach Wirkungskreisen und kommunalen Gruppen in insgesamt 12 „Töp-
fe“ aufgeteilt und sodann als „angemessene Bedarfe“ für das Jahr 2012 interpretiert
werden.
Wie in Tabelle 3 bereits dargestellt, lässt sich die Gesamtsumme von 1.343,2 Mio.
Euro auch in direkter Weise (also ohne komplizierte Aufteilung auf die drei Wirkungs-
kreise) ermitteln.
Tabelle 23:
Quelle: Ministerium der Finanzen Sachsen-Anhalt und eigene Berechnungen
GGVg GGVk
absolut % absolut % absolut % absolut % absolut absolut
übertragener Wirkungskreis 322.673.556 24,0% 142.026.194 29,1% 94.211.730 26,0% 86.435.632 17,5% 44.024.451 42.411.182
pflichtiger eigener Wirkungskreis 907.039.253 67,5% 321.811.773 66,0% 232.322.510 64,2% 352.904.970 71,5% 162.762.306 190.142.664
freiwilliger eigener Wirkungskreis 113.498.109 8,4% 24.084.666 4,9% 35.403.678 9,8% 54.009.765 10,9% 51.563.646 2.446.119
Summe 1.343.210.918 100,0% 487.922.632 100,0% 361.937.919 100,0% 493.350.367 100,0% 258.350.403 234.999.965
Anteil der kommunalen Gruppen 100,0% 36,3% 26,9% 36,7% 19,2% 17,5%
Durchschnittsbedarfe der Jahre 2008 - 2010
= "angemessene lfd. Bedarfe" für das FAG 2012?
Wirkungskreise
davon
LK KSt kagG
davon
Land
117
Dies gilt ebenso für die Aufteilung auf die vier kommunalen Gruppen mit 487,9 Mio.
Euro für die Landkreise, 361,9 Mio. Euro für die kreisfreien Städte und 493,4 Mio.
Euro für die kreisangehörigen Gemeinden.
Die bisherigen sehr differenzierten Berechnungen dienen im Ergebnis einzig und al-
lein zur Ermittlung des ungedeckten Bedarfs im übertragenen Wirkungskreis. Da so-
wohl für die Kommunen insgesamt, als auch für die einzelnen kommunalen Gruppen,
die Summen im FAG (bis auf die Aufteilung der allgemeinen Zuweisungen auf die
Gruppen) feststehen, geht es im Kern nur um die Aufteilung der gesamten Finanz-
ausgleichsmasse und der Teilmassen für die einzelnen kommunalen Gruppen in ei-
nen steuerkraftunabhängigen (vor allem Auftragskostenpauschale) und in einen
steuerkraftabhängigen Teil.
Etwas zugespitzt kann man auch sagen, dass bei einer im Sinne des Artikels 88 Abs.
1 auskömmlichen Finanzausgleichsmasse zunächst einmal die Vorgaben des Arti-
kels 87 Abs. 3 in großzügiger Weise umgesetzt werden und angenommen wird, dass
die restlichen Finanzausgleichsmittel schon noch ausreichen werden, um auch die
Vorgaben des Artikels 88 Abs. 2 der Landesverfassung einhalten zu können.
Die Festlegung einer angemessenen Finanzausgleichsmasse ist als Konkretisierung
der Vorgabe des Artikels 88 Abs. 1 anzusehen. Die Berechnung und Verteilung in
Form steuerkraftunabhängiger Zuweisungen für den übertragenen Wirkungskreis
entspricht (so zumindest die herrschende Meinung) der Zielsetzung des Artikels 87
Abs. 3. Dass von den danach noch verbleibenden Mitteln der bei weitem größte Teil,
nämlich 883,6 Mio. Euro, steuerkraftabhängig verteilt wird, dient der Umsetzung der
Vorgaben des Artikels 88 Abs. 2.
Ob diese Mittel tatsächlich ausreichend bemessen sind, damit auch steuerschwache
Gemeinden ihre notwendigen Ausgaben bei effizienter Aufgabenwahrnehmung fi-
nanzieren können, wird noch zu prüfen sein.
Wenn auf längere Sicht die Steuerkraft der Kommunen deutlich ansteigen sollte und
deswegen das angemessene Finanzausgleichsvolumen absolut oder zumindest rela-
tiv zurückgeht, sind zunehmende Konflikte bei der Umsetzung der divergierenden
verfassungsrechtlichen Vorgaben fast unvermeidbar.
Da nicht anzunehmen ist, dass alle oder zumindest fast alle Gemeinden gleichzeitig
eine hohe Steuerkraft erreichen werden, kommt es dann zwangsläufig zu weiter stei-
genden Ausgleichsnotwendigkeiten zwischen den Gemeinden. Spätestens dann,
wenn von der „angemessenen Finanzausgleichsmasse“ nach steuerkraftunabhängi-
ger Finanzierung des übertragenen Wirkungskreises für die Ausgleichsaufgabe keine
ausreichenden Mittel mehr verbleiben, sind deshalb weitergehende Lösungen zur
Umsetzung der Ziele des Artikels 88 Abs. 2 unausweichlich.
Es muss dann entweder die bisherige völlige Steuerkraftunabhängigkeit der Vergabe
der Mittel für den übertragenen Wirkungskreis hinterfragt oder ein stärkerer direkter
118
oder indirekter (in Form einer Finanzausgleichsumlage) Ausgleich zwischen den
Kommunen organisiert werden.
Für die erste Variante könnte das Land Nordrhein-Westfalen als Referenzland die-
nen, in dem die Auftragskostenpauschale bereits 1983 abgeschafft worden ist und
wo der Verfassungsgerichtshof diese Entscheidung aus guten Gründen ausdrücklich
gebilligt hat12.
Für die zweite Variante steht vor allem Baden-Württemberg als Referenzland. Die
allgemeine Finanzausgleichsumlage besteht dort schon seit Jahrzehnten und ist ver-
fassungsrechtlich bestätigt. Sie beträgt nach dem aktuellen FAG 22,10 Prozent der
Bemessungsgrundlagen. Sie erhöht sich bei Gemeinden für jeweils 1 Prozent, um
das die Steuerkraftmesszahl 60 Prozent der Bedarfsmesszahl übersteigt, um 0,06
Prozent, höchstens jedoch auf 32 Prozent13.
An dieser Stelle soll allerdings auf eine weitere Vertiefung dieser Thematik noch ver-
zichtet und zunächst überprüft werden, ob die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse
auf die einzelnen kommunalen Gruppen als „angemessen“ anzusehen ist.
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass es mit Dessau, Halle und Magdeburg nur drei
kreisfreie Städte gibt. Daraus ergibt sich zwingend, dass die schlichte Durchschnitts-
bildung der Zuschussbedarfe für die Gruppe der kreisfreien Städte keine rationale
und belastbare Basis für eine Bedarfsermittlung ermöglichen kann.
Da Halle und Magdeburg jeweils rd. 42% zum Durchschnitt der kreisfreien Städte
beitragen und Dessau mit 16% den Rest, ist der Einfluss jeder einzelnen Gemeinde
viel zu hoch, um aus dem Durchschnitt repräsentative Schlüsse zu ziehen. So führte
z.B. die Steigerung der Einnahmen aus Gewinnen in Halle um 62,5 Mio. Euro im
Jahr 2010 dazu, dass c.p. der rechnerische Bedarf von Halle selbst und Magdeburg
um jeweils 26,25 Mio. Euro und der von Dessau-Roßlau um 10 Mio. Euro gesunken
ist. Wegen der Durchschnittsbildung aus drei Jahren wird dieser Effekt drei Jahre
lang, nämlich von 2012 – 2014 jeweils zu 1/3 wirksam.
Ähnliches gilt natürlich auch für spezifische Einsparungen (aber umgekehrt auch für
spezifische Mehrausgaben), Hebesatzveränderungen etc. Das bisherige System ist
also zumindest im Bereich der kreisfreien Städte im hohen Maße strategieanfällig
und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die drei Städte zukünftig auf eigent-
lich sinnvolle Konsolidierungsmaßnahmen schon deshalb verzichten, weil die jeweili-
gen anteiligen Rückwirkungen als zu hoch angesehen werden.
Von daher erscheint es unbedingt notwendig zu sein, die Ermittlung des angemes-
senen Volumens der Teilausgleichsmasse für die kreisfreien Städte so weitgehend
wie möglich von ihrer tatsächlichen Einnahmen- und Ausgabenentwicklung abzukop-
12
Vgl. Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, 1985, VerfGH 17/83 und zu den Pros und Contras einer Auftragskostenpauschale: Deubel, I., 1984, Der kommunale Finanzausgleich in Nordrhein-Westfalen, a.a.O., S.171ff. 13
Vgl. FAG BW § 1a
119
peln. Es liegt deshalb nahe, nicht nur das angemessene Finanzausgleichsvolumen
der Gemeinden insgesamt durch einen Ländervergleich zu bestimmen, sondern auch
die Aufteilung in eine Teilmasse für die kreisfreien Städte einerseits und den kreisan-
gehörigen Raum andererseits entsprechend abzusichern.
6.1.2. Die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf kreis-
freie Städte und den kreisangehörigen Raum im
Ländervergleich
Bei der Berechnung der angemessenen lfd. Bedarfe für die kreisfreien Städte einer-
seits und den kreisangehörigen Raum andererseits geht es weniger um größere
strukturelle Unterschiede zwischen alten und neuen Ländern und auch nicht um eine
notwendige Anpassung mit Blick auf das Jahr 2020, sondern „lediglich“ um eine aus-
gewogene Finanzverteilung zwischen den kreisfreien Städten und dem kreisangehö-
rigen Bereich.
Es erscheint deshalb auch nicht notwendig, bei der Zusammenstellung der geeigne-
ten Vergleichsländer zwischen alten und neuen Ländern zu differenzieren. Viel wich-
tiger ist es, sehr genau darauf zu achten, dass nur Vergleichbares miteinander ver-
glichen wird.
Von den bisherigen sechs Vergleichsländern besteht bei dreien der begründete Ver-
dacht, dass Vergleichsstörungen vorliegen könnten. Am gravierendsten erscheint
dabei der Fall Niedersachsen. Die sehr dominante Landeshauptstadt Hannover wird
nämlich statistisch als kreisangehörige Gemeinde erfasst. Dies hängt mit der spezifi-
schen Konstruktion der Region Hannover zusammen, die neben Hannover auch den
Landkreis Hannover umfasst und in der amtlichen Statistik ebenfalls wie ein Land-
kreis behandelt wird.
Hannover selbst erhält im Finanzausgleich einen Hauptansatz von 180%, die
nächstgrößere kreisfreie Stadt Braunschweig (249.197 Einwohner) einen von
169,9% und die kreisfreie Stadt Wilhelmshafen (81.253 Einwohner) einen von
137,6%. Für Gemeinden unter 10.000 Einwohnern liegt der Hauptansatz bei 100%.
Bei dieser starken Spreizung ist es eher erstaunlich, dass der Zuschussbedarf IV
(ohne Gliederung 4) der kreisfreien Städte (ohne Hannover) im Durchschnitt immer
noch 108,2% des kreisangehörigen Raums (mit Hannover) beträgt. Da eine Korrek-
tur dieser gravierenden Vergleichsstörung nur unter sehr hohem Aufwand möglich
wäre, soll für die Untersuchung dieses Problems auf die Einbeziehung von Nieder-
sachsen verzichtet werden.
120
Tabelle 24:
Quelle: Statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen
MV/RP/SN/SH/TH
Gliederung 4Gliederungen
0 - 9 ohne 4
Gliederungen
0 - 9
lfd. Bedarf in 2009 entsprechend der
Vergleichsländer NI/RP/SH ohne 4
Gliederungen
0 - 9 ohne 4
2008
kreisfreie Städte 677 797 1.474 650
kreisangehöriger Raum 478 659 1.137 541
Insgesamt 524 691 1.214 572
Quote KF/KR 141,78% 120,93% 129,69% 120,07%
2009
kreisfreie Städte 715 795 1.510 717
kreisangehöriger Raum 513 693 1.206 585
Insgesamt 560 717 1.277 620
Quote KF/KR 139,51% 114,66% 125,23% 122,53%
2010
kreisfreie Städte 666 762 1.428 757
kreisangehöriger Raum 516 705 1.221 595
Insgesamt 552 717 1.269 638
Quote KF/KR 129,16% 108,14% 117,02% 127,25%
Durchschnitt 2008 - 2010
kreisfreie Städte 686 785 1.471 1.329 707
kreisangehöriger Raum 502 685 1.187 1.024 574
Insgesamt 545 708 1.253 1.095 610
Quote KF/KR 136,82% 114,58% 123,98% 129,81% 123,15%
Zuschussbedarfe IV der kreisfreien Städte und des
kreisangehörigen Raums in Sachsen-Anhalt im LändervergleichSachsen-Anhalt
Erläuterung des Rechenwegs: Insgesamt
beträgt im Durchschnitt der Jahre 2008 - 2010
der rechnerische Bedarf entsprechend der
Vergleichsländer NI/RP/SH 2.592 Mio. Euro bzw.
1.095 Euro pro Einwohner. Davon ist zunächst
der durchschnittliche Zuschussbedarf der Jahre
2008 - 2010 in der Gliederung 4 abzuziehen. Der
Rest von 550 Euro pro Einwohner wird im
Verhältnis 1,2315:1 pro Einwohner (also analog
zu MV/RP/SN/SH/TH) zwischen kreisfreien
Städten und kreisangehörigem Raum aufgeteilt.
Die kreisfreien Städte erhalten also weitere 643
Euro pro Einwohner und der kreisangehörige
Raum 522 Euro. Die sich daraus insgesamt
ergebende Quote von 1,2981:1 wird (bis neue
Vergleichsdaten vorliegen) zur Verteilung des
lfd. Bedarfs zwischen kreisfreien Städten und
kreisangehörigem Raum verwendet.
121
Weitere Vergleichsstörungen entstehen bei Sachsen und Rheinland-Pfalz, weil es
hier Bezirksverbände gibt. Diese Vergleichsstörungen lassen sich allerdings durch
eine entsprechende Zurechnung (nämlich proportional zu den eigenen Zuschussbe-
darfen der kreisfreien Städte und des kreisangehörigen Raums) der bei den Bezirks-
verbänden entstehenden Zuschussbedarfe beheben, so dass eine Vergleichbarkeit
hergestellt werden kann.
Ein weiteres Problem tritt bei Sachsen-Anhalt auf. Da das Land die überörtliche So-
zialhilfe selbst verantwortet, ist eine Aufteilung des entsprechenden Zuschussbedar-
fes auf die kreisfreien Städte und den kreisangehörigen Raum nur im Schätzverfah-
ren möglich. Deshalb erscheint es (wie schon in der Gesamtbetrachtung) sinnvoll,
den Einzelplan 4 beim Ländervergleich komplett außen vor zu lassen.
In den fünf verbleibenden Vergleichsländern Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-
Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen beträgt der durchschnittliche Zu-
schussbedarf IV (ohne Einzelplan 4) der Jahre 2008 bis 2010 in den kreisfreien Städ-
ten 707 Euro pro Einwohner und im kreisangehörigen Raum 574 Euro. In Sachsen-
Anhalt dagegen liegen die Werte für die kreisfreien Städte bei 785 Euro und für den
kreisangehörigen Raum bei 685 Euro.
Während in den Vergleichsländern die Relation bei 123,15% liegt, beträgt sie in
Sachsen-Anhalt nur 114,58%. Nun könnte es sein, dass die Relation in den Ver-
gleichsländern dadurch verzerrt ist, dass ihre kreisfreien Städte im Durchschnitt mehr
Einwohner haben oder eine höhere Zentralitätsfunktion aufweisen.
Dies ist jedoch offensichtlich nicht der Fall. Mit 129.177 beträgt die durchschnittliche
Einwohnerzahl der kreisfreien Städte der Vergleichsländer nur 70% des Durch-
schnitts von Dessau-Roßlau, Halle und Magdeburg, der Ende des Jahres 2010 bei
183.798 Einwohnern lag. Da zudem in den Vergleichsländern etliche kreisfreie Städ-
te nicht zugleich auch Oberzentrum sind, stellt die Relation von 123,15% eher eine
Untergrenze dar.
Falls die Ergebnisse eines solchen Ländervergleichs grundsätzlich als Maßstab ak-
zeptiert werden, spricht deshalb alles dafür, dass die lfd. Finanzbedarfe pro Einwoh-
ner der kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt im Verhältnis zum kreisangehörigen
Raum bisher unangemessen niedrig dotiert worden sind.
Da der Einzelplan 4 bei dieser Vergleichsbetrachtung außen vor bleibt, soll die tat-
sächliche Relation von 136,8% für den Zuschussbedarf IV des Einzelplans 4 in
Sachsen-Anhalt ohne Korrektur bleiben. Die Relation für die Vergleichsländer (trotz
Einbeziehung der nicht so stark streuenden überörtlichen Sozialhilfe) liegt im Übrigen
im Einzelplan 4 mit 140,8% sogar noch ein Stück höher.
Genau wie beim gesamten lfd. Finanzbedarf (ohne den Einzelplan 4) können jetzt
wieder die Vergleiche mit dem Durchschnitt der alten Vergleichsländer und der neu-
en Vergleichsländer erfolgen und auf dieser Basis die angemessenen lfd. Zuschuss-
bedarfe für die kreisfreien Städte und den kreisangehörigen Raum gebildet werden.
122
Tabelle 25:
Quelle: Statistisches Bundesamt und statistische Landesämter
Exemplarisch soll dies am Beispiel der alten Vergleichsländer Niedersachsen, Rhein-
land-Pfalz und Schleswig-Holstein verdeutlicht werden. Da der sich aus den Ver-
gleichsländern ergebende angemessene lfd. Zuschussbedarf IV (ohne Korrektur
beim Einzelplan 4) 2.592 Mio. Euro bzw. 1.095 Euro pro Einwohner beträgt, sind zu-
nächst die tatsächlichen Zuschussbedarfe für den Einzelplan 4 von durchschnittlich
545 Euro pro Einwohner zu finanzieren. Die verbleibenden 550 Euro pro Einwohner
sind dann so aufzuteilen, dass sich für diesen Anteil eine Relation von 123,15% pro
Einwohner zwischen den kreisfreien Städten und dem kreisangehörigen Raum
ergibt.
Dies führt zu einem Wert von 643 Euro pro Einwohner für die kreisfreien Städte und
522 Euro pro Einwohner für den kreisangehörigen Raum. Der gesamte angemesse-
ne lfd. Bedarf pro Einwohner für die kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt liegt somit
bei 1.329 Euro (= 686 Euro + 643 Euro) und 1.024 Euro (= 502 Euro + 522 Euro) für
den kreisangehörigen Raum. Die Gesamtrelation (einschließlich des Einzelplans 4)
beträgt somit 129,8 zu 100.
Die tatsächliche Inanspruchnahme der lfd. Finanzierungsmittel aus Steuern und Net-
tozuweisungen vom Land lag somit für die kreisfreien Städte bei 110,7% (=
Name
Greifswald 54.610 Oberzentrum
Neubrandenburg 65.282 Oberzentrum
Rostock 202.735 Oberzentrum
Schwerin, Landeshauptstadt 95.220 Oberzentrum
Stralsund 57.670 Oberzentrum
Wismar 44.397
Koblenz 106.417 Oberzentrum
Trier 105.260 Oberzentrum
Frankenthal (Pfalz) 46.793
Kaiserslautern 99.184 Oberzentrum
Landau in der Pfalz 43.615
Ludwigshafen am Rhein 164.351 Oberzentrum
Mainz, Landeshauptstadt 199.237 Oberzentrum
Neustadt an der Weinstraße 52.855
Pirmasens 40.384
Speyer 49.857
Worms 81.736
Zweibrücken 33.944
Chemnitz 243.248 Oberzentrum
Dresden, Landeshauptstadt 523.058 Oberzentrum
Leipzig 522.883 Oberzentrum
Flensburg 88.759 Oberzentrum
Kiel, Landeshauptstadt 239.526 Oberzentrum
Lübeck 210.232 Oberzentrum
Neumünster 76.830 Oberzentrum
Erfurt, Landeshauptstadt 204.994 Oberzentrum
Gera 99.262 Oberzentrum
Jena 105.129 Oberzentrum
Suhl 38.776
Weimar 65.479
Eisenach 42.750
insgesamt 4.004.473
durchschnittliche Einwohnerzahl 129.177
Kreisfreie Städte in Mecklenburg-Vorpommern,
Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein
und Thüringen
Einwohner
am 31.12.2010
123
1.471/1.329), den kreisangehörigen Raum bei 115,9% (= 1.187/1.024) und insge-
samt bei 114,4% (= 1.253/1.095) des angemessenen Bedarfs.
Wie schon bei der Betrachtung aller Kommunen erscheint es auch auf der Ebene der
kreisfreien Städte einerseits und des kreisangehörigen Raums andererseits sinnvoll,
für den Zeitraum bis zum Jahr 2020 eine entsprechende Abfederung durch differen-
zierte Anpassungszuweisungen vorzunehmen.
Natürlich ist es sinnvoll, auch an dieser Stelle zwischen kreisfreien Städten einerseits
und dem kreisangehörigen Raum andererseits zu differenzieren. Sozusagen spie-
gelbildlich zur bisherigen relativen Benachteiligung der kreisfreien Städte zeigt sich
nämlich, dass diese ihre Hebesätze im Vergleich zu kreisfreien Städte anderer Län-
der sehr viel stärker anspannen mussten als die kreisangehörigen Gemeinden.
Im Vergleich zu den Hebesätzen von NI/RP/SH lag das Aufkommen der kreisfreien
Städte in Sachsen-Anhalt im Jahr 2010 um 12,5 Mio. Euro höher und das der kreis-
angehörigen Gemeinden um 25,6 Mio. Euro niedriger.
Im Vergleich zu MV/SN/TH (bei denen besonders die hohen Hebesätze von Sachsen
stark durchschlagen) fiel sowohl das Aufkommen der kreisfreien Städte in Sachsen-
Anhalt (um 2,1 Mio. Euro), als auch das der kreisangehörigen Gemeinden (um 38,9
Mio. Euro) niedriger aus.
Die Tabelle 26 entspricht für die kommunale Gesamtheit exakt den Ergebnissen der
Tabelle 15, aber nunmehr unterteilt in die Werte für die kreisfreien Städte und den
kreisangehörigen Raum. Allerdings ist auf eine Aufteilung der sonstigen investiven
Zuweisungen des Landes auf kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemeinden ver-
zichtet worden, weil es dem Land obliegt, für welche fachlichen und regionalen
Schwerpunkte bis zum Jahr 2020 investive Zweckzuweisungen notwendig sind. Nur
für die Investitionspauschale sind die bisherigen Anteile von 25% für kreisfreie Städte
und 75% für den kreisangehörigen Raum fortgeschrieben worden.
Für die Fortschreibung der Steuereinnahmen und der Steuerkraft sowie der lfd. Net-
tozuweisungen außerhalb des FAG werden bis zum Jahr 2020 unveränderte Anteile
der kreisfreien Städte bzw. des kreisangehörigen Raums unterstellt.
Die Anpassungszuweisungen ergeben sich aus den anfänglichen Differenzen zwi-
schen den tatsächlichen und den (im Ländervergleich) angemessenen lfd. Zu-
schussbedarfen sowie den anfänglichen Differenzen zwischen Steuereinnahmen und
Steuerkraft (mit den Hebesätzen von NI/RP/SH).
Die Tilgungszuweisungen werden entsprechend der tatsächlichen durchschnittlichen
Pflichtzuführungen der Jahre 2008 – 2010 verteilt und für die Bedarfszuweisungen
werden die ersten 20 Mio. für Liquiditätshilfen im kreisangehörigen Raum „reserviert“
und für die übrigen Bedarfszuweisungen wird im Rahmen eines Altlastentilgungs-
124
Tabelle 26:
Jahr 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020durchschnittl.
Wachstum
Einwohner in Sachsen-Anhalt in 1.000 (jeweils am 30.6.) 2.368 2.345 2.323 2.298 2.274 2.251 2.228 2.204 2.179 2.154 2.128 2.101 -1,08%Einwohner in kreisfreien Städten in 1.000 (jeweils am 30.6.) 550 551 550 549 547 545 543 541 539 536 533 530 -0,34%
Einwohner im kreisangehörigen Raum in 1.000 (jeweils am 30.6) 1.818 1.794 1.773 1.750 1.727 1.706 1.684 1.663 1.641 1.618 1.595 1.572 -1,31%
lfd. Bedarf insgesamt entsprechend NI/RP/SH ohne 4 2.592 2.663 2.720 2.857 2.912 2.969 3.012 3.055 3.097 3.139 3.180 3.219 1,99%
lfd. Bedarf kreisfreie Städte (Quote von 129,8% pro Einwohner entsprechend MV/RP/SN/SH/TH) 731 759 781 826 848 871 889 907 926 944 962 980 2,70%
lfd. Bedarf kreisangehöriger Raum (Quote von 100% pro Einwohner) 1.861 1.904 1.939 2.030 2.064 2.098 2.123 2.148 2.172 2.195 2.218 2.240 1,70%
Steuerkraft insgesamt bei Hebesätzen wie NI/RP/SH 1.338 1.388 1.446 1.503 1.560 1.600 1.642 1.685 1.728 3,25%Steuerkraft kreisfreie Städte bei Hebesätzen wie NI/RP/SH 335 348 363 377 391 401 412 422 433 3,25%
Steuerkraft kreisangehöriger Raum bei Hebesätzen wie NI/RP/SH 1.002 1.040 1.084 1.126 1.169 1.199 1.230 1.262 1.295 3,25%
lfd. Nettozuweisung außerhalb des FAG insgesamt 586 605 628 637 647 657 666 676 687 1,99%lfd. Nettozuweisung außerhalb des FAG kreisfreie Städte 174 179 186 189 192 194 197 200 203 1,99%
lfd. Nettozuweisung außerhalb des FAG kreisangehöriger Raum 413 426 442 449 455 462 469 476 483 1,99%
Anpassungszuweisung insgesamt 275 241 207 172 138 103 69 34 0
Anpassungszuweisung kreisfreie Städte 65 57 49 40 32 24 16 8 0
Anpassungszuweisung kreisangehöriger Raum 211 184 158 132 105 79 53 26 0
FAG mit Anpassungszuweisung insgesamt (evtl. ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen) 1.208 1.160 1.102 1.044 986 944 899 853 805 -4,95%FAG mit Anpassungszuweisung kreisfreie Städte (evtl. ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen) 382 378 371 364 357 354 351 347 343 -1,34%
FAG mit Anpassungszuweisung kreisangehöriger Raum (evtl. ergänzt um Konnexitätsverpflichtungen) 826 782 731 680 629 590 549 506 461 -7,01%
Tilgungszuweisung insgesamt 189 189 189 189 189 189 189 189 189Tilgungszuweisung kreisfreie Städte (Aufteilung nach Investitionsschulden Ende 2010) 38 38 38 38 38 38 38 38 38
Tilgungszuweisung kreisangehöriger Raum (Aufteilung nach Investitionsschulden Ende 2010) 150 150 150 150 150 150 150 150 150
Bedarfszuweisung insgesamt 20 40 50 60 60 60 60 60 60 14,72%Bedarfszuweisung kreisfreie Städte (Aufteilung des Zuwachses ab 2013 nach Altdefiziten) 0 10 15 19 19 19 19 19 19
Bedarfszuweisung kreisangehöriger Raum (Aufteilung des Zuwachses ab 2013 nach Altdefiziten) 20 30 35 41 41 41 41 41 41 9,24%
I-Pauschale insgesamt 128 125 125 125 125 125 125 125 125 -0,30%I-Pauschale kreisfreie Städte (25%) 32 31 31 31 31 31 31 31 31 -0,30%
I-Pauschale kreisangehöriger Raum (75%) 96 94 94 94 94 94 94 94 94 -0,30%
FAG insgesamt 1.544 1.513 1.465 1.418 1.360 1.317 1.273 1.227 1.178 -3,33%FAG kreisfreie Städte 453 457 455 453 446 443 440 436 432 -0,57%
FAG kreisangehöriger Raum 1.092 1.056 1.010 965 914 874 833 791 746 -4,65%
lfd. Einnahmen insgesamt 3.326 3.366 3.398 3.416 3.424 3.431 3.438 3.444 3.449 0,46%lfd. Einnahmen kreisfreie Städte 944 968 988 1.003 1.014 1.025 1.035 1.046 1.056 1,41%
lfd. Einnahmen kreisangehöriger Raum 2.382 2.398 2.410 2.413 2.410 2.407 2.403 2.398 2.393 0,06%
lfd. Einnahmen insgesamt 1.447 1.480 1.509 1.533 1.554 1.575 1.596 1.618 1.641 1,59%lfd. Einnahmen kreisfreie Städte 1.720 1.769 1.811 1.847 1.874 1.902 1.932 1.962 1.994 1,86%
lfd. Einnahmen kreisangehöriger Raum 1.361 1.388 1.413 1.432 1.449 1.467 1.485 1.503 1.522 1,41%
- in Mio. Euro -
- in Euro pro Einwohner -
Modellrechnung zur Entwicklung des Finanzausgleichsvolumens der kreisfreien Städte und
des kreisangehörigen Raums bis zum Jahr 2020 (bei Anpassung an die Verhältnisse in NI/RP/SH ohne Gliederung 4 und einer Relation kreisfrei/kreisangehörig entsprechend MV/RP/SN/SH/TH)
125
plans eine Verteilung entsprechend der Ende 2010 vorgetragenen Altdefizite unter-
stellt. Es handelt sich dabei nur um eine rechnerische Größe, da die Lösung der Alt-
lastenproblematik auch außerhalb des FAG erfolgen kann.
Die wichtigsten Informationen finden sich in den letzten drei Blöcken. Daraus ist er-
sichtlich, dass die FAG-Leistungen für die kreisfreien Städte bis zum Jahr 2020 jah-
resdurchschnittlich um 0,57% und für den kreisangehörigen Raum um 4,65% ab-
nehmen.
Die Gründe liegen zum Ersten in der unterschiedlichen Einwohnerentwicklung, zum
Zweiten in der sukzessiven Umstellung auf die Bedarfsrelationen der Vergleichslän-
der und zum Dritten in den unterschiedlichen Differenzen zwischen Steuerkraft und
Steuereinnahmen.
Der zweite und der dritte Grund führen dazu, dass die abzubauenden Anpassungs-
zuweisungen der kreisfreien Städte im Ausgangsjahr 2009 nur 61 Mio. Euro bzw.
111 Euro pro Einwohner betragen, während sie im kreisangehörigen Raum bei 336
Mio. Euro bzw. 185 Euro pro Einwohner liegen.
Im vorletzten Block werden die lfd. Einnahmen insgesamt und im letzten Block pro
Einwohner dargestellt. Daraus ergibt sich, dass die lfd. Einnahmen pro Einwohner
bei den kreisfreien Städten (unter den hier getroffenen Modellannahmen) jahres-
durchschnittlich um 1,86% und im kreisangehörigen Raum um 1,41% zunehmen.
6.1.3. Die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die
kreisfreien Städte, die Landkreise und die kreisan-
gehörigen Gemeinden im vereinfachten Alternativ-
modell
Die Aufteilung der Finanzausgleichsmasse auf die kreisfreien Städte, die Landkreise
und die kreisangehörigen Gemeinden kann natürlich auch analog zum Alternativmo-
dell im Unterkapitel 5.5. vorgenommen werden.
Auch in diesem Modell muss ein Weg gesucht werden, die Anteile für die kreisfreien
Städte einerseits und den kreisangehörigen Raum nicht zu stark von Einzelentwick-
lungen der Vergangenheit abhängig zu machen. Für die Aufteilung sollten deshalb
auf keinen Fall die jeweiligen tatsächlichen Zuschussbedarfe der Vorjahre verwendet
werden, sondern eine davon losgelöste Grundsatzentscheidung zur angemessenen
Bedarfsrelation pro Einwohner zwischen den drei Oberzentren einerseits und dem
kreisangehörigen Raum andererseits getroffen werden.
Eine Übertragung der Bedarfsrelationen (der Zuschussbedarfe IV) der Vergleichs-
länder MV/RP/SN/SH/TH würde zu einer Relation von 129,8:100 führen. Die tatsäch-
lichen Relationen in Sachsen-Anhalt sind (erwartungsgemäß) sehr instabil, weil Ein-
zelereignisse in einer der drei kreisfreien Städte sich sehr stark auswirken. Die tat-
126
sächlichen Relationen in den einzelnen Jahren betrugen dabei in 2008: 129,5:100, in
2009: 125,0:100. In 2010: 116,5:100 und im Jahr 2011: 127,7:100.
Diese vier einzelnen Jahreswerte zeigen die ganze Problematik des bisherigen Ver-
fahrens. Die außerordentliche Gewinnausschüttung von zusätzlichen 62,5 Mio. Euro
im Jahr 2010 in Halle, die ausschließlich zum Abtragen von Altlasten diente, führt im
bisherigen Verfahren zu einem massiven Rückgang der „Bedarfe“ aller drei kreis-
freien Städte. Ohne diesen außerordentlichen Ertrag hätten die Bedarfsrelation im
Jahr 2010 bei 125,8:100 und der durchschnittliche Dreijahreswert bei 127,0:100 ge-
legen.
Um solche Schwankungen, die in dieser extremen Form nur bei den drei kreisfreien
Städten auftreten können, zukünftig zu vermeiden, sollte eine dauerhafte (zumindest
bis zum Jahr 2020) Festlegung der Bedarfsrelationen pro Einwohner für die drei
Oberzentren im Verhältnis zum kreisangehörigen Raum erfolgen. Vor dem Hinter-
grund der Relation in den Vergleichsländern von annähernd 130:100 ist dabei selbst
der bereits korrigierte Dreijahreswert von 127:100 wohl eher als unterer Wert ein
möglichen Bandbreite anzusehen und der Wert der Vergleichsländer eher als oberer
Wert.
Wie bei der Bedarfsanalyse der kreisangehörigen Gemeinden im Unterkapitel 6.2.
noch gezeigt wird, gibt es allerdings in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu den alten und
zum Teil auch der neuen Länder eine besonders schwierige demografische Entwick-
lung im kreisangehörigen Raum, die wegen der Kostenremanenzen ihrerseits zu ei-
nem zusätzlichen Finanzbedarf pro Einwohner führt. Dagegen ist die demografische
Situation der kreisfreien Städte seit einigen Jahren relativ stabil.
Es erscheint deshalb vertretbar, eine Bedarfsrelation eher am unteren Rand der
möglichen Bandbreite festzulegen. Von daher wird in der Modellrechnung der korri-
gierte Dreijahreswert von 127,0:100 verwendet. Unabhängig von der Frage, ob das
Land diesem Vorschlag folgt, sollte allerdings baldmöglichst eine längerfristige Fest-
legung erfolgen.
Denn ansonsten entsteht das große Risiko, dass die drei kreisfreien Städte wegen
der Fehlanreize im jetzigen System auf weitere Konsolidierungsbemühungen ver-
zichten könnten, was letztlich weder im Interesse des Landes, noch der drei Städte
sinnvoll wäre.
Alle weiteren Schritte in diesem Modell erfolgen analog der Vorgehensweise des
vereinfachten Alternativmodells, aber jeweils nach den kommunalen Gruppen unter-
teilt.
Ein ähnlicher Fehlanreiz liegt im Bereich der angerechneten Steuereinnahmen vor.
Die auch im Ländervergleich (mit Ausnahme von Sachsen) hohen Hebesätze der
drei kreisfreien Städte wirken im bisherigen System bedarfsmindernd, die niedrigen
Hebesätze der kreisangehörigen Gemeinden dagegen bedarfserhöhend.
127
Tabelle 27 (Teil 1):
Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Einwohner 2.398.347 2.367.554 2.344.679 2.322.848 2.298.231 2.274.482 2.251.256 2.227.822 2.203.787 2.179.133 2.153.928 2.128.189 2.101.429
KF 552.445 549.803 551.095 550.203 548.672 547.113 545.410 543.437 541.157 538.628 535.874 532.912 529.681
KA 1.845.902 1.817.751 1.793.584 1.772.645 1.749.560 1.727.369 1.705.846 1.684.385 1.662.630 1.640.504 1.618.054 1.595.278 1.571.748
Preisindex (in Sachsen-Anhalt) 106,4 106,6 107,9 110,2 111,9 113,5 115,2 117,0 118,7 120,5 122,3 124,1 126,0
Zuschussbedarf IV 2.915.752 3.027.790 2.986.547 3.087.525 3.102.136 3.117.594 3.133.448 3.148.703 3.162.788 3.175.647 3.187.335 3.197.827 3.206.351
KF 814.414 830.444 785.378 876.455 887.126 897.875 908.506 918.798 928.667 938.192 947.396 956.292 964.751
KA 2.101.338 2.197.345 2.201.169 2.211.070 2.215.010 2.219.719 2.224.942 2.229.905 2.234.120 2.237.455 2.239.938 2.241.535 2.241.600
K 779.709 796.134 793.276 776.216 777.599 779.252 781.086 782.828 784.308 785.478 786.350 786.911 786.933
G 1.321.630 1.401.212 1.407.893 1.434.855 1.437.411 1.440.467 1.443.857 1.447.077 1.449.813 1.451.977 1.453.588 1.454.624 1.454.666
Steuern 1.283.352 1.129.727 1.164.086 1.279.467 1.322.823 1.372.958 1.430.095 1.486.018 1.542.306 1.582.406 1.623.549 1.665.761 1.709.071
KF 333.108 309.433 307.662 338.156 349.615 362.865 377.966 392.747 407.623 418.221 429.095 440.252 451.698
KA 950.245 820.294 856.425 941.311 973.208 1.010.093 1.052.129 1.093.272 1.134.683 1.164.185 1.194.454 1.225.509 1.257.373
Steuerkraft 1.305.845 1.149.527 1.184.489 1.301.892 1.322.823 1.373.836 1.431.975 1.488.879 1.546.153 1.586.956 1.628.820 1.671.772 1.715.841
KF 323.789 300.777 299.055 328.697 349.615 362.494 377.173 391.540 406.000 416.302 426.872 437.716 448.842
KA 982.436 848.083 885.438 973.200 973.208 1.011.342 1.054.802 1.097.339 1.140.153 1.170.654 1.201.949 1.234.056 1.266.999
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 474.216 493.247 531.688 632.310 586.463 604.769 627.841 637.258 646.817 656.519 666.367 676.363 686.508
KF 147.734 153.198 170.625 187.226 173.650 179.071 185.902 188.691 191.521 194.394 197.310 200.270 203.274
KA 326.482 340.049 361.064 445.084 412.812 425.698 441.938 448.567 455.296 462.125 469.057 476.093 483.234
K 325.371 332.949 346.032 422.509 391.874 404.106 419.522 425.815 432.202 438.685 445.266 451.945 458.724
G 1.110 7.100 15.032 22.576 20.939 21.592 22.416 22.752 23.094 23.440 23.792 24.148 24.511
Summe des angemessenen Zuschussbedarfs IV (+
ant. 2. Funktionalreformgesetz + anteilig 51,6
Mio. Euro aus SGB II + anteilig 31,8 Mio. Euro aus
Ausbildungsverkehr)
3.104.922 3.143.987 3.134.990 3.144.127 3.158.344 3.171.280 3.182.990 3.193.470 3.201.946
Anteil KF (127% pro Einwohner) 884.391 901.885 905.358 913.843 923.713 933.225 942.401 951.260 959.674
Anteil KA (100% pro Einwohner) 2.220.531 2.242.102 2.229.632 2.230.284 2.234.630 2.238.056 2.240.589 2.242.210 2.242.272
Anteil K 801.788 798.612 787.908 782.961 784.487 785.689 786.579 787.148 787.169
Anteil G 1.418.743 1.443.490 1.441.724 1.447.323 1.450.144 1.452.366 1.454.010 1.455.062 1.455.103
Summe angemessenes lfd. FAG 1.195.637 1.165.382 1.075.174 1.017.990 965.373 927.805 887.803 845.335 799.597
Anteil KF 361.126 360.319 342.282 333.613 326.192 322.529 318.219 313.274 307.558
Anteil KR 834.510 805.062 732.892 684.378 639.181 605.276 569.583 532.060 492.039
Anteil K 409.914 394.506 368.385 357.146 352.284 347.004 341.313 335.203 328.446
Anteil G 424.596 410.556 364.506 327.232 286.897 258.272 228.270 196.857 163.593
Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden im
vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020
- in 1000 Euro -
128
Tabelle 27 (Teil 2):
Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt (Rechnungen 2008, 2009 und 2010; Kassenstatistik 2011; Einwohnerentwicklung; Verbraucher-
preisindices), BMF (Steuerschätzung vom November 2011) und eigene Berechnungen
Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Tilgungszuweisung 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562
Anteil KF 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499
Anteil KR 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063
Anteil K 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786
Anteil G 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277
Investitionspauschale 128.041 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000
Anteil KF 32.010 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250
Anteil KR 96.031 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750
Anteil K 25.608 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000
Anteil G 70.423 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750
Bedarfszuweisungen 20.000 40.000 50.000 60.000 60.000 60.000 60.000 60.000 60.000
FAG-Volumen (ohne Umlage) 1.532.239 1.518.943 1.438.736 1.391.552 1.338.935 1.301.366 1.261.364 1.218.896 1.173.158
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des FAG 586.463 604.769 627.841 637.258 646.817 656.519 666.367 676.363 686.508
investive Zuweisungen außerhalb des FAG 433.000 354.000 328.000 302.000 276.000 250.000 224.000 198.000 172.000
gesamte lfd. Nettozuweisungen durch das Land 1.990.661 1.998.712 1.941.576 1.903.810 1.860.752 1.832.886 1.802.731 1.770.259 1.734.666
gesamte investive Nettozuweisungen durch das
Land der Kommunen561.041 479.000 453.000 427.000 401.000 375.000 349.000 323.000 297.000
Gesamte Nettozuweisungen durch das Land 2.551.702 2.477.712 2.394.576 2.330.810 2.261.752 2.207.886 2.151.731 2.093.259 2.031.666
Gesamte lfd. Nettoeinnahmen der Kommunen 3.313.484 3.371.670 3.371.671 3.389.829 3.403.058 3.415.292 3.426.280 3.436.020 3.443.737
Gesamte Nettoeinnahmen der Kommunen 3.874.525 3.850.670 3.824.671 3.816.829 3.804.058 3.790.292 3.775.280 3.759.020 3.740.737
Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes an die kreisfreien Städte, Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden im
vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020
- in 1000 Euro -
129
Um die Steuerkraft zu berechnen, die sich bei Verwendung der Hebesätze in den
sechs Vergleichsländern (unterteilt in kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemein-
den) ergeben würden, sind die Schätzwerte der regionalisierten Steuerschätzung für
die kreisfreien Städte mit einem Faktor von 0,9722 und die der kreisangehörigen
Gemeinden mit einem Faktor von 1,034 zu multiplizieren.
In der Modellrechnung wird davon ausgegangen, dass sich die Steuereinnahmen
zwischen den kreisfreien Städten und dem kreisangehörigen Raum etwa (wie bisher)
im Verhältnis von 26,4% zu 73,6% aufteilen. Hier wird es in der konkreten Praxis na-
türlich zu entsprechenden Abweichungen kommen, die bei der Aufteilung zukünftiger
Steuerschätzungen zu berücksichtigen wären.
Die Aufteilung der weiteren Zuweisungsanteile für Tilgungen, Bedarfszuweisungen
und die Investitionspauschale entspricht der des Anpassungsmodells.
Die Tabellen 27 (Teil 1) und (Teil 2) sind dabei Ausschnitte aus einer Gesamttabelle,
in der für die Kommunen insgesamt, die kreisfreien Städte und den kreisangehörigen
Raum sowie die Landkreise und die kreisangehörigen Gemeinden sowohl die jewei-
ligen Finanzbedarfe, als auch die Aufteilung in die einzelnen Töpfe berechnet werden
können. Ein weiterer Teil dieser Gesamttabelle wird in der Tabelle 29 im Abschnitt
6.1.5. dargestellt. Die Überschriften dieser Tabellen sind deshalb identisch.
6.1.4. Zur Finanzierung des übertragenen Wirkungskreises
im kreisangehörigen Raum und bei den kreisfreien
Städten
Das Land muss bei der Aufteilung der Teilfinanzausgleichmasse für den kreisange-
hörigen Raum sicherstellen, dass (ohne zusätzliche Erhöhung des entsprechend Ar-
tikel 88 Abs. 1 angemessenen Finanzausgleichsvolumens) die sehr unterschiedli-
chen und gegenläufigen Vorgaben der Artikel 87 Abs. 3 und 88 Abs. 2 der Landes-
verfassung beachtet werden.
Von daher führt wohl kein Weg an einer konkreten Bestimmung der notwendigen und
angemessenen Finanzbedarfe im übertragenen Wirkungskreis vorbei. Das bisherige
Verfahren des Landes zur Ermittlung dieser Finanzbedarfe stellt dafür durchaus eine
geeignete Ausgangsbasis dar.
Wenn man sich aus juristischer Sicht dafür entscheidet, dass die Steuereinnahmen
der Kommunen nicht zur Finanzierung des übertragenen Wirkungskreises dienen
sollen, ist es allerdings sinnvoll, auch alle Einnahmen aus Umlagen als Refinanzie-
rungsmittel außen vor zu lassen, denn Umlagen werden aus Steuern oder Schlüs-
selzuweisungen finanziert. Für die Kreisumlage wird dies auch so gehandhabt, nicht
aber für die Umlagen zwischen den Gemeinden und hier insbesondere die Ver-
bandsgemeindeumlage, deren Umfang und Bedeutung wohl noch weiter zunehmen
dürfte.
130
Wegen der allgemeinen Abgrenzung der Einnahmen zur Deckung des lfd. Bedarfs
sollten zukünftig auch die Bedarfszuweisungen und die Zuführungen vom Vermö-
genshaushalt außen vor bleiben.
Besonders stark wirken sich diese Korrekturen natürlich bei den kleineren kreisange-
hörigen Gemeinden aus. Ihr rechnerischer Bedarf steigt von 42,4 Mio. Euro um 23,6
Mio. Euro auf fast 66 Mio. Euro an. Dadurch wird pro Einwohner mit 61,61 Euro fast
der gleiche Wert wie bei den größeren kreisangehörigen Gemeinden mit 64,83 Euro
erreicht.
Damit entfällt auch der einzige Grund, der für die bisherige getrennte Berechnung für
die kleineren und die größeren kreisangehörigen Gemeinden angeführt wurde. Der
durchschnittliche Wert pro Einwohner aller kreisangehörigen Gemeinden liegt dann
bei 62,93 Euro.
Für die Kreise und die kreisfreien Städte ändert sich durch die Korrekturen erwar-
tungsgemäß recht wenig.
Es stellt sich natürlich die Frage, ob die so abgegrenzten Ist-Werte für die Zuschuss-
bedarfe im pflichtigen übertragenen Wirkungskreis der Jahre 2008 bis 2010 als an-
gemessen im Sinne des Artikels 87 Abs. 3 der Landesverfassung anzusehen sind.
Da es für Korrekturen im Sinne der Angemessenheit eine ganze Reihe von Möglich-
keiten gibt, sollen sie im Folgenden nebeneinander gestellt werden.
Beim ersten relativ einfachen Verfahren werden die Zuschussbedarfe der Einzelplä-
ne 0 – 9 ohne den Einzelplan 4 aus den jeweiligen Vergleichsländern herangezogen
und entsprechend der Relationen im kreisangehörigen Raum einerseits und den
kreisfreien Städten andererseits für die Werte von Sachsen-Anhalt in pauschaler
Weise proportionale Korrekturen vorgenommen.
Beim zweiten Verfahren wird nach der Gliederungssystematik (aber ohne den Ein-
zelplan 4) vorgegangen, so dass die berechneten Zuschussbedarfe für pflichtige
übertragene Aufgaben in sehr differenzierter Form korrigiert worden sind.
Beim dritten Verfahren wird nur innerhalb der sachsen-anhaltischen Kommunen eine
Angemessenheitsprüfung auf der Basis der Zuschussbedarfe V vorgenommen. Der
Zuschussbedarf V muss hier verwendet werden, um die Zuschussbedarfe der kreis-
angehörigen Gemeinden und der Kreise sauber zu trennen.
Im Bereich der kreisangehörigen Gemeinden werden zunächst die verbandsangehö-
rigen Gemeinden mit ihren Verbandsgemeinden konsolidiert. Dadurch werden Ver-
bandsgemeinden und Einheitsgemeinden vergleichbar gemacht. Insgesamt können
so 119 Gemeinden, davon 18 Verbandsgemeinden, in ihren Strukturen verglichen
werden. Verfahrensmäßig können entweder ganze Kommunen mit ihren Gesamtzu-
schussbedarfen V miteinander verglichen werden oder es kann eine Analyse nach
Einzelplänen erfolgen.
131
Tabelle 28:
Quelle: Eigene Berechnungen auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes, des
Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt und des MF Sachsen-Anhalt
kleine
Gemeinden
große
Gemeinden
kreisangehörige
GemeindenKreise
kreisangehöriger
Raum
kreisfreie
Städteinsgesamt
in 1.000 Euro 42.411 44.024 86.436 142.026 228.462 94.212 322.674
in Euro pro E 39,61 58,94 47,55 78,13 125,68 171,36 136,29
in 1.000 Euro 23.560 4.394 27.954 679 28.633 1.310 29.943
in Euro pro E 22,00 5,88 15,38 0,37 15,75 2,38 12,65
in 1.000 Euro 65.971 48.419 114.389 142.705 257.095 95.522 352.617
in Euro pro E 61,61 64,83 62,93 78,51 141,44 173,74 148,94
Nach pauschaler
Korrektur aus dem
Ländervergleich Ost
in 1.000 Euro 56.446 41.428 97.874 122.101 219.975 83.950 303.925
Nach pauschaler
Korrektur aus dem
Ländervergleich West
in 1.000 Euro 56.157 41.216 97.374 121.477 218.851 85.039 303.890
Nach pauschaler
Korrektur aus Ost und
West
in 1.000 Euro 56.302 41.322 97.624 121.789 219.413 84.495 303.908
Nach spezifischer
Korrektur aus dem
Ländervergleich Ost
in 1.000 Euro 58.438 37.407 95.846 131.206 227.052 89.907 316.959
Nach spezifischer
Korrektur aus dem
Ländervergleich West
in 1.000 Euro 49.774 25.221 74.996 112.280 187.275 90.495 277.770
Nach spezifischer
Korrektur aus Ost
und West
in 1.000 Euro 54.106 31.314 85.421 121.743 207.163 90.201 297.364
Eigenes Benchmark
in Sachsen-Anhalt
nach Kommunen
in 1.000 Euro 58.167 42.691 100.858 135.850 236.708 92.716 329.424
Eigenes Benchmark
in Sachsen-Anhalt
nach Einzelplänen
in 1.000 Euro 51.902 38.093 89.995 132.712 222.707 84.383 307.090
Durchschnitt in 1.000 Euro 55.147 37.676 92.823 125.938 218.761 87.748 306.510
Nach systematischer
Korrektur
Korrekturmöglichkeiten zur Berechnung der Auftragskostenpauschale
Noch abzuziehende
Einnahmen (051, 072
und 28)
FAG 2013
132
Die Vorgehensweise ist in beiden Varianten ähnlich. Für die einzelnen kommunalen
Gruppen wird jeweils der Wert einer relativ sparsamen Kommune ermittelt. Um Aus-
reißer nach unten zu eliminieren, werden Kommunen mit besonders niedrigen Zu-
schussbedarfen nicht berücksichtigt.
Für die 119 kreisangehörigen Gemeinden wird zunächst für jedes Jahr der Durch-
schnitt aus der Median-Gemeinde, also bei einer Reihung nach Zuschussbedarfen
pro Einwohner der 60. Gemeinde und der 90. Gemeinde gebildet und dieser als Pro-
zentsatz des gewichteten arithmetischen Mittels ausgedrückt. Die 29 Gemeinden mit
den niedrigsten Zuschussbedarfen bleiben bei diesem Vergleich also außen vor.
Beim ersten Verfahren wird die Berechnung in jedem der drei Jahre nur für den ge-
samten lfd. Haushalt durchgeführt, beim zweiten jedoch für jeden Einzelplan geson-
dert. Im zweiten Fall können also nur die Jahre 2008 und 2009 einbezogen werden.
Da Kommunen häufig nicht in allen Einzelplänen die gleiche Sparsamkeit (oder
Großzügigkeit) walten lassen, führt das zweite Verfahren zwangsläufig zu geringeren
Werten als das erste Verfahren. Da allerdings sichergestellt ist, dass Ausreißer nach
unten für die Maßstabsbildung keine Rolle spielen, sind die Ergebnisse durchaus als
Maßstab für „Angemessenheit“ anzusehen.
Etwas schwieriger ist die Maßstabsbildung bei den Kreisen. Da es nur elf Kreise gibt,
wird als Maßstab der Mittelwert aus dem Median-Kreis, der in der Rangfolge auf
Platz 6 liegt und dem 9. Kreis gebildet. Die beiden sparsamsten Kreise bleiben bei
dieser Betrachtung außen vor.
Die drei kreisfreien Städte sind als statistische Masse natürlich zu klein, um Ausrei-
ßer zu eliminieren. Hilfsweise wird jeweils der Durchschnitt der beiden sparsamsten
kreisfreien Städte ins Verhältnis zum gewichteten arithmetischen Mittel gesetzt.
Schaut man sich die so ermittelten Ergebnisse an, sieht man, dass sie in der Ge-
samtsumme bei Werten zwischen 278 Mio. Euro (beim Maßstab der alten Ver-
gleichsländer) und 329 Mio. Euro (beim Benchmark innerhalb von Sachsen-Anhalt
auf der Basis ganzer Haushalte) liegen und sich im Durchschnitt aller sechs Verfah-
ren ein Wert von 307 Mio. Euro ergibt.
Um kein verfassungsrechtliches Risiko einzugehen, könnte es sinnvoll sein, auf die
sichere Seite zu gehen und auf die landesinterne Ermittlung des Maßstabes zurück-
zugreifen.
Eine noch sinnvollere Alternative könnte im Sinne einer konsistenten Vorgehenswei-
se darin bestehen, genau wie bei der Gesamtbedarfsermittlung einen Anpassungs-
pfad an die Situation in den Vergleichsländern vorzusehen.
Konkret würden dabei die Zuschussbedarfe der Vergleichsländer von 277,8 Mio. Eu-
ro als Ausgangsposition des Jahres 2009 angesehen und die Differenz zum tatsäch-
lichen Zuschussbedarf in Sachsen-Anhalt von 352,6 Mio. Euro in elf Schritten abge-
baut. Für das FAG des Jahres 2013 würden 4/11 der Differenz abzubauen sein, so
133
dass sich noch eine Anpassungszuweisung von 47,6 Mio. Euro ergeben würde. Der
Basiswert von 277, 8 Mio. Euro wäre allerdings um die zwischenzeitlichen Kosten-
und Einwohnerentwicklungen fortzuschreiben. Nimmt man die gleichen Fortschrei-
bungsraten wie in der Modellrechnung zur Ermittlung der FAG-Bedarfe, würde sich
für das Jahr 2013 letztlich ein Wert von 353,9 Mio. Euro ergeben.
Im vereinfachten Alternativverfahren wären allerdings auch sehr viel einfachere Lö-
sungen vorstellbar. Die im Dreijahreszeitraum von 2008 – 2010 berechneten Beträge
pro Einwohner von 62,93 Euro bei kreisangehörigen Gemeinden, 78,51 Euro bei
Landkreisen und 173,74 Euro würden mit dem Verbraucherpreisindex fortgeschrie-
ben. Für das Jahr 2013 ergäben sich somit Werte von 66,79 Euro bei kreisangehöri-
gen Gemeinden, 83,33 Euro bei Landkreisen und 184,40 Euro pro Einwohner bei
kreisfreien Städten.
Es würde dann völlig ausreichen, wenn alle fünf oder sechs Jahre eine Neuberech-
nung erfolgen würde oder dann, wenn es zu erkennbaren Verwerfungen durch neue
oder wegfallende Aufgaben kommt.
In der folgenden Tabelle 29 ist dargestellt, wie sich auf der Basis der Daten der Ta-
belle 27 die Auftragskostenpauschalen in den Jahren 2012 – 2020 entwickeln wür-
den.
Der Vollständigkeit halber sind dabei auch bereits die sonstigen steuerkraftunabhän-
gigen Zuweisungen mit aufgenommen. Dabei ist zur Vereinfachung unterstellt, dass
eine einwohnerbezogene Fortschreibung erfolgt. Diese kann natürlich auch durch
einen anderen Bezug (proportional zu: SGB II; Zahl der Empfänger von Jugendhilfe;
Fläche etc.) ersetzt werden.
Wichtig ist nur, dass die jeweiligen Abzüge innerhalb der einzelnen kommunalen
Gruppen erfolgen.
Tabelle 29:
Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Auftragskostenpauschale 360.169 361.930 363.739 365.479 367.084 368.546 369.873 371.060 372.018
Anteil KF (Basiswert 173,74 Euro) 99.681 100.888 102.083 103.239 104.348 105.419 106.453 107.452 108.403
Anteil KR 260.488 261.042 261.656 262.240 262.736 263.128 263.420 263.608 263.615
Anteil K (Basiswert 78,51 Euro) 143.632 143.938 144.276 144.598 144.871 145.088 145.249 145.352 145.356
Anteil G (Basiswert 62,93 Euro) 116.856 117.104 117.380 117.642 117.864 118.040 118.171 118.255 118.259
Sonstige steuerkraftunabhängige
Zuweisungen181.084 182.063 183.063 184.025 184.918 185.740 186.493 187.177 187.748
Anteil KF (Basiswert 102,13 Euro) 59.474 60.195 60.908 61.598 62.259 62.898 63.515 64.111 64.679
Anteil KR 121.610 121.868 122.155 122.427 122.659 122.842 122.978 123.066 123.069
Anteil K (Basiswert 65,49 Euro) 121.610 121.868 122.155 122.427 122.659 122.842 122.978 123.066 123.069
Anteil G 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes an die kreisfreien Städte,
Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter
Fortschreibung der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020
- in 1000 Euro -
134
6.1.5. Zwischenfazit für das bisherige Berechnungsverfah-
ren
Falls den Vorschlägen dieses Gutachtens gefolgt wird, könnte das bisherige Berech-
nungsverfahren für die Auftragskostenerstattung in leicht abgespeckter und modifi-
zierter Form beibehalten werden, wobei es sicherlich nicht notwendig ist, solche
Rechnungen jährlich oder alle zwei Jahre vorzunehmen. Eine Fortschreibung mit
Preisindices sollte dafür auch ausreichen, so dass eine Neuberechnung nur alle vier
bis sechs Jahre erfolgen müsste.
Da sich bei der Untersuchung der Auftragskostenpauschale herausgestellt hat, dass
sich die Zuschussbedarfe pro Einwohner im übertragenen Wirkungskreis bei kleinen
und großen kreisangehörigen Gemeinden kaum voneinander unterscheiden, könnte
die bisherige getrennte Berechnung unterbleiben, so dass nur noch zwischen den
drei kommunalen Gruppen kreisangehörige Gemeinden, Kreise und kreisfreie Städte
unterschieden werden müsste.
Bei den Wirkungskreisen würde es ausreichen, zwischen dem übertragenen und
dem eigenen Wirkungskreis (pflichtig und freiwillig zusammengefasst) zu unterschei-
den, da die weitere Unterteilung keine praktische Bedeutung hat. Die Differenzierung
zwischen dem pflichtigen und dem freiwilligen eigenen Wirkungskreis dient lediglich
der Quantifizierung der Einzeltöpfe nach §7 (Grundsicherung für Arbeitssuchende),
§8 (Sozialhilfe) und §11 (Hilfen zur Erziehung) des FAG. Da in den entsprechenden
Gliederungen alle relevanten Zuschussbedarfe dem pflichtigen Bereich zugeordnet
sind, kann auf die Trennung verzichtet werden.
Bei der Abgrenzung der lfd. Bedarfe sollten zukünftig die Einnahmen aus Bedarfszu-
weisungen und Zuführungen vom Vermögenshaushalt nicht mehr als entsprechende
Einnahmen verbucht werden.
Und schließlich sollten Einnahmen aus Umlagen nicht mehr als Deckungsmittel für
Aufgaben im übertragenen Bereich angerechnet werden.
Aus Transparenz- und Vereinfachungsgründen erscheint es sinnvoll, zukünftig zu-
nächst die gesamten Finanzausgleichsbedarfe für die (dann nur noch) drei kommu-
nalen Gruppen ohne vorherige Trennung in die Wirkungskreise zu berechnen.
Wenn nämlich erkennbar wird, dass die Gesamtbedarfe auf sehr einfache Weise er-
mittelt werden (können), dürfte das latente Misstrauen gegen das aufwändige Re-
chenverfahren deutlich reduziert werden. Hinzu kommt, dass es dann nicht mehr um
die Höhe der Zuweisungen an sich, sondern nur noch um die jeweilige Aufteilung in
Auftragskostenpauschalen, sonstige steuerkraftunabhängige und allgemeine steuer-
kraftabhängige Zuweisungen innerhalb der drei kommunalen Gruppen geht.
Zur Bestimmung der angemessenen Finanzausgleichsmasse, der Aufteilung der Fi-
nanzausgleichsmasse auf kreisfreie Städte und den kreisangehörigen Raum, der
notwendigen Anpassungszuweisungen sowie eventueller weiterer Anpassungszu-
135
weisungen im Rahmen der Bemessung der Auftragskostenpauschalen sind Ver-
gleichsberechnungen mit noch festzulegenden Vergleichsländern sinnvoll.
Mit Blick auf das Jahr 2020 empfiehlt sich eine Orientierung an den alten Flächen-
ländern Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, mit Blick auf die
notwendigen spezifischen Anpassungspfade auch eine an den neuen Ländern Meck-
lenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen.
Die Entwicklungen in den Vergleichsländern können Orientierungshilfe leisten und
notwendige Nachsteuerungen mit Blick auf dem Weg zum Jahr 2020 empirisch fun-
dieren. Es würde sicherlich ausreichen, solche Berechnungen alle zwei bis vier Jahre
zu aktualisieren und damit die Anpassungszuweisungen jeweils so nachzusteuern,
dass bis zum Jahr 2020 die aktuellen Ausgabenüberhänge des Landes Sachsen-
Anhalt selbst und seiner Kommunen abgebaut sind.
Alternativ könnte allerdings auch ein sehr viel einfacheres FAG-Modell verwendet
werden, bei dem die Zuschussbedarfe pro Einwohner real konstant gehalten bzw.
fortgeschrieben werden. Solange die Wirtschaft (und die Steuereinnahmen) real mit
mindestens 1% pro Jahr zunehmen, kommt es bis zum Jahr 2020 auch in einem sol-
chen Modell zu einer Schließung der Lücken zu den Vergleichsländern.
Dieses Verfahren hätte den großen Vorteil der Einfachheit und Berechenbarkeit und
dürfte deshalb auf deutlich mehr Akzeptanz stoßen. Der Vergleich mit dem Niveau
und der Entwicklung der Zuschussbedarfe in anderen Ländern wäre dann zwar auch
nicht verzichtbar, würde aber eher zum Controlling des gesamten Prozesses dienen.
Die aus heutiger Sicht erkennbaren Perspektiven für das Jahr 2020 zeigen, dass das
Land seiner kommunalpolitischen Verantwortung vollumfänglich nachkommen kann,
ohne dabei seine eigene Leistungsfähigkeit aufs Spiel zu setzen.
Sowohl für das Land selbst, als auch für die Kommunen, sollte für den Zeitraum bis
zum Jahr 2020 ein Höchstmaß an Planungssicherheit geschaffen werden. Die dafür
notwendigen Regeln wären so zu gestalten, dass sie auch bei einer besonders
schlechten oder besonders guten wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung Be-
stand haben können.
6.2. Überblick über die wesentlichen Bestimmungen des hori-
zontalen kommunalen Finanzausgleichs in Sachsen-Anhalt
Im horizontalen Finanzausgleich zwischen den Gemeinden und Landkreise werden
in Sachsen-Anhalt zum einen steuerkraftunabhängige lfd. Zuweisungen im übertra-
genen und eigenen Wirkungskreis, zum anderen allgemeine Zuweisungen in Form
von Schlüsselzuweisungen verteilt.
136
Im FAG 2012 betragen die steuerkraftunabhängigen lfd. Mittel insgesamt 508,1 Mio.
Euro, davon 322,7 Mio. Euro Auftragskostenerstattung, 10,2 Mio. Euro besondere
Zuweisungen und 175,2 Mio. Euro besondere Ergänzungszuweisungen.
Die Auftragskostenerstattung wird in vier Teiltöpfe für Landkreise, kreisfreie Städte,
kreisangehörige Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern und kreisangehöri-
ge Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern (einschließlich Verwaltungsge-
meinschaften und Verbandsgemeinden) zerlegt. Diese werden jeweils nach Einwoh-
nern verteilt.
Die besonderen Zuweisungen für die Aufgabenübertragung nach dem Ersten und
Zweiten Funktionalreformgesetz werden auf die Landkreise und kreisfreien Städte zu
90% nach Einwohnern und zu 10% nach der Fläche verteilt.
Die Verteilung der besonderen Ergänzungszuweisungen erfolgt ebenfalls nur an
Landkreise und kreisfreie Städte. Maßstäbe sind hier zum Teil die konkreten Netto-
ausgaben für die entsprechenden Aufgaben nach der Jahresrechnungsstatistik 2010
(SGB II und SGB XII), zum Teil die Einwohnerzahl (§§ 11 bis 14 SGB VIII und § 7
des Gesundheitsdienstgesetzes), zum Teil auch die Zahl der betroffenen jungen
Menschen (§§ 27 bis 35 SGB VIII).
Die danach noch verbleibende Schlüsselmasse (nach Verstärkung durch eine Ent-
nahme von 20 Mio. Euro aus dem Ausgleichsstock und einem Abzug der Abrech-
nung aus Vorjahren im Umfang von 26,65 Mio. Euro) beträgt knapp 877 Mio. Euro.
Davon erhalten die kreisfreien Städte 27%, die Landkreise knapp 30% und die kreis-
angehörigen Gemeinden gut 43%. Von den Schlüsselmassen für die Kreise werden
vorab 10 Mio. Euro und von der für die kreisfreien Städte 0,3 Mio. Euro entnommen
und nach der Länge der Kreisstraßen verteilt.
Die drei Schlüsselmassen werden so auf die kreisangehörigen Gemeinden, kreis-
freien Städte und Landkreise verteilt, dass für jede Kommune die Differenz aus ihrer
Bedarfsmesszahl und ihrer Steuerkraft- bzw. Umlagekraftmesszahl zu 70 % ausge-
glichen wird.
Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Steuerkraftmesszahl bzw. die Umlagekraft-
messzahl den Wert der Bedarfsmesszahl unterschreitet. Ist dies nicht der Fall, erhält
die Kommune keine Schlüsselzuweisungen und wird als abundant bezeichnet.
Zur Ermittlung der Steuerkraftmesszahl wird die Summe aus den Steuerkraftzahlen
der Gewerbesteuer, der Grundsteuern und der Gemeindeanteile an der Einkommen-
und Umsatzsteuer gebildet. Bei der Einkommen- und Umsatzsteuer wird das Ist-
Aufkommen der Referenzperiode einbezogen, während bei den Realsteuern jeweils
einheitliche (fiktive) Hebesätze unterstellt werden.
Als Referenzperiode für die Grundsteuern und die Gemeindeanteile an der Einkom-
men- und Umsatzsteuer wird das vorvergangene Jahr, für das FAG 2012 also das
137
Jahr 2010 verwendet. Für die Gewerbesteuer wird ein Zeitraum von drei Jahren, für
das FAG 2012 also das Aufkommen der Jahre 2008 bis 2010 herangezogen.
Dies geschieht in der Form, dass für jede Gemeinde und bei der Gewerbesteuer für
jedes der drei Jahre, das Ist-Aufkommen durch die tatsächlichen Hebesätze dividiert
und dann wieder mit den fiktiven Hebesätzen multipliziert wird. Bei der Gewerbe-
steuer wird dabei vor dieser Normierung die Gewerbesteuerumlage abgezogen. Da-
mit soll eigentlich erreicht werden, dass das kommunale Hebesatzrecht nicht durch
eine gegenläufige Entwicklung der Schlüsselzuweisungen ausgehebelt wird.
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wird dies in Sachsen-Anhalt allerdings nur
teilweise erreicht, weil eben bereits vor der Normierung die Gewerbesteuerumlage
abgezogen wird und nicht erst nach der Normierung. Damit wird das Hebesatzrecht
wieder zum Teil ausgehebelt.
In dieser Modellrechnung ist zur Vereinfachung nur ein Jahr einbezogen worden.
Vom hebesatzbedingten Mehraufkommen von 1,25 Mio. Euro verbleibt der Gemein-
de A nur 1,15 Mio. Euro, während die Gemeinde B anstatt der hebesatzbedingten
Mindereinnahmen von 1,25 Mio. Euro nur Mindereinnahmen von 1,03 Mio. Euro hat.
Die Normierung sollte deshalb besser so erfolgen, dass die hebesatzbedingten
Mehr- oder Minderaufkommen vollumfänglich erhalten bleiben.
Tabelle 30:
Hohe fiktive Hebesätze erhöhen den Grad der Umverteilung zugunsten der Gemein-
den mit niedriger Steuerkraft, während niedrige fiktive Hebesätze das Gegenteil be-
wirken. Mit der Festlegung der fiktiven Hebesätze auf 100% der gewichteten durch-
schnittlichen Hebesätze wird (im Durchschnitt) das Nettorealsteueraufkommen (von
der Anrechnungsverzerrung abgesehen) vollständig in den Finanzausgleich einbe-
zogen.
Die jeweilige Bedarfsmesszahl ergibt sich als Produkt aus dem Gesamtansatz und
dem jeweiligen einheitlichen Grundbetrag. Der einheitliche Grundbetrag wird dabei
rechnerisch so festgelegt, dass die zur Verfügung stehende Schlüsselmasse genau
ausgeschöpft wird.
Netto-
aufkommen
Normierung
auf 325
Punkte
Normierung
auf 325
Punkte
Netto nach
Abzug der
Gewerbe-
steuer-
umlage
A 1.000.000 450 4.500.000 3.250.000 1.250.000 350.000 4.150.000 2.997.222 3.250.000 2.900.000 97.222
B 1.000.000 200 2.000.000 3.250.000 -1.250.000 350.000 1.650.000 2.681.250 3.250.000 2.900.000 -218.750
Gemeinde
Normierungsverfahren für die Gewerbesteuer in Sachsen-AnhaltGewerbe-
steuer-
umlage
Hebesatzbe-
dingte Mehr-
/ Minderein-
nahmen
Bruttoauf-
kommen bei
durchschnitt-
lichem
Hebesatz von
325
Bruttoauf-
kommen
Hebe-
sätze
Mess-
beträge
korrektes Verfahrenpraktiziertes Verfahren Anrechnungs-
verzerrung
durch falsche
Reihenfolge
138
Durch den Gesamtansatz wird bestimmt, wie viele Bedarfseinheiten einer Gemeinde
oder einem Landkreis zugerechnet werden.
6.3. Anforderungen an ein rationales System zur Verteilung von
nicht zweckgebundenen Zuweisungen an Gemeinden und
Landkreise
Für die Verteilung nicht zweckgebundener Zuweisungen an Gemeinden und Ge-
meindeverbände sind im Prinzip immer drei Elemente zu beachten. Zum Ersten die
Bestimmung des Bedarfs, zum Zweiten die Ermittlung der eigenen Steuerkraft oder
Umlagekraft (vor Zuweisungen) und zum Dritten der angemessene Ausgleich zwi-
schen Finanzbedarfen und Steuer- bzw. Umlagekraft.
Wenn alle Gemeinden die gleichen Aufgaben wahrzunehmen hätten und auch keine
Belastungsunterschiede pro Einwohner vorhanden wären, bedürfte es keiner weite-
ren Analyse der Bedarfsseite, sondern die Zahl der Bedarfseinheiten wäre in allen
Gemeinden mit der Zahl der Einwohner identisch.
Es ist offensichtlich, dass diese Gleichverteilung der Finanzbedarfe in der Realität
nicht zutrifft, sondern zwischen den Gemeinden aus ihrer eigenen Geschichte und
Selbstverwaltung heraus oder weil der Gesetzgeber es so festgelegt hat, eine Ar-
beitsteilung entstanden ist. Auch die Kostenbelastung (pro Einwohner) aus der
Wahrnehmung gesetzlich vorgegebener und in ihrer Ausgestaltung weitgehend nor-
mierter Aufgaben kann sehr unterschiedlich sein.
Eine Gemeinde mit einer hohen Quote von Kindern unter 6 Jahren wird durch die
Bereitstellung von KiTa-Plätzen stärker belastet als eine Gemeinde mit einer niedri-
gen Quote.
Eine Gemeinde, in die täglich viele Menschen einpendeln, um dort zu arbeiten oder
auch zur Schule zu gehen, wird mit Infrastrukturkosten regelmäßig höher belastet als
eine reine Wohngemeinde.
Gemeinden, in denen sich ständig viele Personen aufhalten und die Infrastruktur nut-
zen, die nicht als Einwohner zählen bzw. gemeldet sind, haben ebenfalls höhere
Aufwendungen (pro Einwohner). Dies gilt insbesondere für Kurorte, Militärstandorte
und Gemeinden, die Hochschulen beherbergen.
Gemeinden, die als Oberzentren Theater, Oper, Konzert und vielleicht sogar Ballett
anbieten oder einen Zoo unterhalten, haben in der Regel einen höheren Aufwand als
Gemeinden ohne solche Angebote.
Und eine großflächige ländliche Gemeinde, die aus einer Vielzahl einzelner Dörfer
besteht, hat häufig einen höheren Aufwand für Straßen, Brandschutz und Rettungs-
dienst, Schülerbeförderungskosten und dezentrale Infrastrukturangebote als eine
kompakte Gemeinde (soweit hier nicht schon wieder gegenläufige zusätzliche Bal-
lungskosten entstehen).
139
Auf der anderen Seite weisen Verdichtungsräume mit großstädtischen Strukturen in
aller Regel sehr viel höhere soziale Kosten (pro Einwohner) als ländliche Räume auf.
Gemeinden, die einmal eine Infrastruktur für deutlich mehr Einwohner vorgehalten
haben und aufgrund des demografischen Wandels oder schlechter wirtschaftlicher
Entwicklung stark schrumpfen, können ihre Schulden, Pensionslasten, Infrastruktur-
kosten etc. häufig nicht im gleichen Tempo wie Ihre Einwohnerzahl reduzieren und
sind deshalb (pro Einwohner) besonders belastet. Umgekehrt müssen stark wach-
sende Gemeinden zunächst erheblich in neue Infrastruktur investieren und werden
dadurch ebenfalls (zumindest zeitweise) zusätzlich belastet.
Bei hoher Langzeitarbeitslosigkeit mit einer großen Zahl von Bedarfsgemeinschaften,
für die ein Großteil der Kosten der Unterkunft finanziert werden muss, ist die Belas-
tung der jeweiligen Landkreise und kreisfreien Städte im Regelfall höher als in Kom-
munen mit einer geringen Quote von Langzeitarbeitslosen.
Was von solchen tatsächlichen (zuweilen aber auch nur behaupteten) Mehrbelastun-
gen im Finanzausgleich anzuerkennen ist, kann letztlich nur politisch entschieden
werden. Schaut man sich die Finanzausgleichsgesetze der dreizehn Flächenländer
in Deutschland an, wird deutlich, dass die konkrete Entscheidung, welche Aufgaben
die Anerkennung von Sonderbedarfen auslösen können, in den einzelnen Ländern
sehr unterschiedlich beurteilt wird.
Dennoch gibt es natürlich einige Grundregeln, deren Beachtung nicht nur ökono-
misch, sondern auch verfassungsrechtlich geboten ist.
Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass der Teil der Bedarfe, der durch spezifi-
sche Einnahmen aus Gebühren, Beiträgen und Entgelten finanziert werden kann, für
den kommunalen Finanzausgleich keine Rolle spielen sollte, sondern nur der Teil,
der aus eigenen Steuern oder Zuweisungen vom Land finanziert werden muss.
Für diesen Teil des Bedarfs muss das aus dem Grundgesetz ableitbare Grundprinzip
gelten, dass jede mit einer Zuweisungserwartung verbundene Abweichung vom ein-
heitlichen Bedarf pro Einwohner (die ja dann mit Umverteilungen verbunden ist) in
geeigneter und nachvollziehbarer Form begründet werden muss.
Notwendige Voraussetzung für die Anerkennung von Sonderbedarfen (darunter wird
hier jede Abweichung vom einheitlichen Bedarf pro Einwohner verstanden) ist insbe-
sondere, dass diese Sonderbedarfe nicht auf autonome Entscheidungen der Ge-
meinden, sondern auf exogene Faktoren zurückzuführen sind. Dazu zählen insbe-
sondere die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben, von der Gemeinde nicht (oder jeden-
falls nicht kurz- und mittelfristig) beeinflussbare Wirtschafts- und Sozialstrukturen so-
wie der Zuschnitt, die Größe und siedlungsstrukturelle Einordnung der Gemeinde
(die häufig ihrerseits auf gesetzlichen Vorgaben beruht).
Zum Zweiten ist bei der Anerkennung von Abweichungen vom einheitlichen Bedarf
pro Einwohner im Regelfall strikt darauf zu achten, dass die dadurch erreichbaren
140
höheren Schlüsselzuweisungen oder steuerkraftunabhängigen Zuweisungen nicht
die durchschnittlich notwendigen Kosten aus den Sonderbedarfen überschreiten.
Insbesondere im Bereich der Sozialleistungen wäre es nämlich völlig kontraproduk-
tiv, wenn die Gemeinden ein finanzielles Interesse an einer möglichst großen Zahl
von Fällen hätten. Dies gilt vor allem dann, wenn die Bedarfsindikatoren so definiert
werden, dass die Gemeinden (entgegen der ersten Grundregel) in der Lage sind, die
Zahl der zugrunde gelegten Fälle maßgeblich mit zu steuern.
Mit der Forderung nach einer Begrenzung der Bedarfsansätze auf die „durchschnitt-
lich notwendigen Kosten“ wird implizit die dritte Regel angesprochen, dass nämlich
möglichst nicht die tatsächlichen Kosten der einzelnen Gemeinden anerkannt wer-
den, sondern nur Durchschnittswerte in Form von Sollkosten, d.h. normierte bzw.
pauschalierte Ansätze verwendet werden sollten. Dadurch verbleiben nämlich für die
einzelnen Gemeinden entsprechende Anreize zur Kostensenkung.
Im Übrigen müsste ein Bedarfsansatz (auch in der Form normierter Beträge), der
systematisch dazu führt, dass die zusätzlich erreichbaren Zuweisungen höher als die
Kosten ausfallen, als eindeutiger Verstoß gegen das verfassungsrechtlich begründ-
bare Verbot einer Übernivellierung angesehen werden.
Fasst man die hier dargestellten Regeln in Form eines Prüfrasters zusammen, erge-
ben sich die folgenden Prüffragen:
1. Ist der Sonderbedarf exogen verursacht und hinreichend begründet?
2. Ist der Sonderbedarf in nachvollziehbarer und korrekter Weise quantifiziert?
3. Wird zur Umsetzung ein Sollkostenansatz verwendet?
4. Wird das Kostenüberschreitungs- bzw. Übernivellierungsverbot beachtet?
5. Ist es ausgeschlossen, dass die Gemeinden aus finanziellen Gründen gesell-
schaftlich eher unerwünschte Sonderbedarfe verstärken wollen und können?
Falls alle fünf Fragen mit ja beantwortet können, muss dem Gesetzgeber zugestan-
den werden, dass er im Rahmen seiner legitimen weiten Ermessensspielräume ge-
handelt hat. Auch in solchen Fällen mag man die Entscheidungen als negativ be-
troffene Gemeinde kritisch beurteilen oder politisch anderer Meinung sein, eine nega-
tive verfassungsrechtliche Bewertung dürfte dann aber wohl ausgeschlossen sein.
Bei der Ermittlung der eigenen Finanzkraft empfiehlt sich aus vielerlei Gründen eine
Beschränkung auf die Realsteuern und die Gemeindeanteile an der Einkommen- und
Umsatzsteuer.
Während bei den Gemeindeanteilen an der Einkommen- und Umsatzsteuer eine
vollständige Einbeziehung geboten ist, stellt sich bei den Realsteuern die Frage, wel-
che Hebesatzanspannung als angemessen angesehen wird. Da im Regelfall Kom-
munen eigene Leistungen erbringen (oder in früheren Jahren Vorleistungen erbracht
haben), damit insbesondere Gewerbesteuer-, aber auch Grundsteuereinnahmen
141
entstehen, wäre es denkbar, eine Art Werbungskostenpauschale in Abzug zu brin-
gen.
Dies wäre allerdings nur dann geboten, wenn ein vollständiger oder nahezu vollstän-
diger Ausgleich zwischen Steuerkraft und Finanzbedarf stattfinden soll. Ist dies je-
doch nicht der Fall, sondern wird die Differenz nur teilweise ausgeglichen, spricht aus
Gründen der Klarheit und Transparenz sehr viel dafür, die Einnahmen aus den Real-
steuern vollständig zu berücksichtigen und zur Erhaltung der Hebesatzautonomie
normierte Hebesätze zu verwenden.
Die Höhe der normierten Hebesätze sollte sich dabei an den durchschnittlichen He-
besätzen der kreisangehörigen Gemeinden einerseits und der kreisfreien Städte an-
dererseits orientieren. Liegen nämlich die normierten Hebesätze unter den durch-
schnittlichen, kommt es beim Ausgleichsverfahren zu einer Begünstigung der steuer-
starken Gemeinden. Liegen die normierten Hebesätze über den durchschnittlichen,
kommt es zu einer Begünstigung der steuerschwachen Gemeinden.
Das Gleiche gilt auch für die Normierung der Umlagekraft bei den Landkreisen. Um
entsprechende Umverteilungseffekte zu vermeiden, sollte auch hier der gewichtete
durchschnittliche Umlagesatz verwendet werden.
Für die Normierung der Hebesätze bei den kreisfreien Städten ist es dabei unschäd-
lich, dass nur drei Städte zur Durchschnittsbildung beitragen, denn es geht jetzt nicht
mehr um eine Verteilungsfrage zu Gunsten oder zu Ungunsten der Gruppe der kreis-
freien Städte, sondern nur um die Verteilung einer festen Summe zwischen den drei
kreisfreien Städten.
Wie im Unterkapitel 6.2. schon dargestellt, sollte die Normierung so erfolgen, dass
das Bruttoaufkommen zunächst durch den eigenen Hebesatz dividiert und anschlie-
ßend mit dem normierten Hebesatz multipliziert wird. Die tatsächlich gezahlte Ge-
werbesteuerumlage ist erst anschließend abzuziehen. Auf diese Weise bleiben he-
besatzbedingte Mehr- oder Mindereinnahmen voll erhalten. Für die Ermittlung der
normierten Umlagekraft der Landkreise gilt im Prinzip das gleiche Verfahren.
Beim Ausgleichsverfahren haben die Länder grundsätzlich einen sehr weiten Ermes-
sensspielraum. Dabei muss jedoch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der
grundgesetzlich geschützten Steuerautonomie der Gemeinden einerseits und der
Forderung der Landesverfassung nach einem angemessenen Ausgleich der Unter-
schiede zwischen der unterschiedlichen Finanzkraft (pro Bedarfseinheit) der Ge-
meinden gefunden werden.
Ohne Frage hat der Landesgesetzgeber hier einen großen Ermessensspielraum,
muss allerdings einige Mindestanforderungen beachten:
1. Das Ausgleichssystem und die Ausgleichsquote müssen so konstruiert sein,
dass auch finanzschwache Kommunen in die Lage versetzt werden, ihre not-
wendigen Aufgaben bei effizienter Aufgabenerfüllung zu finanzieren.
142
2. Die Finanzkraftreihenfolge (pro Bedarfseinheit) darf durch die Ausgleichszu-
weisungen nicht verändert werden (Verbot der Übernivellierung), aber auch
eine vollständige Nivellierung ist auf der Gemeindeebene unzulässig. Ob das
Nivellierungsverbot auch für die Ebene der Landkreise gilt, ist strittig14.
3. Sprungstellen der Art, dass ein zusätzlicher Einwohner, eine zusätzliche Be-
darfseinheit oder ein zusätzlicher Euro Steuereinnahmen zu erheblichen Ver-
änderungen der Finanzkraft (nach dem Ausgleich) führt, sind zu vermeiden.
Knickstellen und angemessen gerundete Interpolationen sind dagegen zuläs-
sig.
4. Die Ausgleiche sollten so zeitnah erfolgen, dass eine stetige Haushaltsgestal-
tung ermöglicht wird und ein hohes Maß an Planungssicherheit entsteht.
Auf der Basis dieser wenigen Grundregeln zur Bedarfsbestimmung, zur Finanzkraft-
messung und zur Konstruktion des Ausgleichsverfahrens sollen in den folgenden
Unterkapiteln die einzelnen Bestimmungen im horizontalen Finanzausgleich analy-
siert und ggf. Alternativen entwickelt werden.
Dabei werden zunächst die Verteilungssysteme für die allgemeinen Zuweisungen
(Schlüsselzuweisungen) und danach die verschiedenen steuerkraftunabhängigen
Zuweisungen sowie die Investitionspauschale untersucht.
6.4. Der horizontale Finanzausgleich auf der Ebene der Ge-
meinden
6.4.1. Das bisherige Verfahren
Das Verfahren zur Verteilung der allgemeinen Zuweisungen ist in den §§ 12 bis 14
des FAG normiert. Im § 12 erfolgt die bereits beschriebene Aufteilung der allgemei-
nen Zuweisungen auf die drei Teilmassen für kreisfreie Städte, Landkreise und die
kreisangehörigen Gemeinden. Außerdem wird festgelegt, dass die Ausgleichsquote
zwischen Bedarfsmesszahl und Steuerkraftmesszahl 70% betragen soll.
Der § 13 enthält die Regelungen zur Berechnung der Bedarfsmesszahlen. Die Be-
darfsmesszahlen ergeben sich in den drei kommunalen Gruppen jeweils als Produkt
aus einem Hauptansatz und einem Grundbetrag, der jeweils so bestimmt wird, dass
die zur Verfügung stehende Ausgleichsmasse ausgeschöpft wird.
Die Bedarfsmesszahlen selbst dürfen keinesfalls mit dem durchschnittlichen ange-
messenen Finanzbedarf der einzelnen Gemeinden verwechselt werden, sondern
liegen wesentlich höher. Sie zeigen zum einen an, bis zu welcher Steuerkraft noch
ergänzende Schlüsselzuweisungen fließen, zum anderen entspricht die Relation der
Bedarfsmesszahlen verschiedener Gemeinden ihren im Finanzausgleich anerkann-
14
So erfolgt z.B. in Nordrhein-Westfalen auf der Kreisebene ein vollständiger Ausgleich zwischen Finanzbedarf und Umlagekraft, der vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform angesehen wird.
143
ten Bedarfsrelationen, die in Sachsen-Anhalt ausschließlich durch den Hauptansatz
bestimmt werden.
Der Hauptansatz errechnet sich als Produkt aus der Einwohnerzahl und dem Ge-
meindegrößenansatz. Bei kreisangehörigen Gemeinden beträgt der Gemeindegrö-
ßenansatz bei Gemeinden bis 7.999 Einwohner 100%, bei 8.000 bis 24.999 Einwoh-
nern 102 bis 112% und mit 25.000 bis 60.000 Einwohnern 113 bis 130%.
In Verbandsgemeinden wird für jede Mitgliedsgemeinde der Gemeindegrößenansatz
angerechnet, der sich aus der Gesamtsumme der Einwohner der Verbandsgemeinde
ergibt.
Mittelzentren erhalten einen Zuschlag von 20 Punkten.
Bei den kreisfreien Städten erhält Dessau-Roßlau einen Gemeindegrößenansatz von
100% und Halle sowie Magdeburg jeweils einen von 112 %.
Zur Ermittlung der Steuerkraftmesszahlen werden für die Grundsteuern und die Ge-
meindeanteile an der Umsatz- und der Einkommensteuer die Einnahmen des vor-
vergangenen Jahres, für 2012 also die des Jahres 2010, als Basis verwendet. Bei
der Gewerbesteuer wird der Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2010 (nach Normie-
rung) angerechnet.
Wie schon oben erläutert, ist das Verfahren so angelegt, dass zunächst die Gewer-
besteuerumlage abgezogen wird und danach erst die Normierung erfolgt.
Das Verfahren wird zusätzlich dadurch besonders kompliziert, dass bei vertraglich
vereinbarten unterschiedlichen Realsteuerhebesätzen in einzelnen Ortsteilen diese
im Detail in die Berechnungen einbezogen werden.
6.4.2. Zur Aufteilung der allgemeinen Zuweisungen auf die
kreisfreien Städte und den kreisangehörigen Raum
Obwohl im bisherigen System mit großer Akribie eine quasi Cent-genaue Aufteilung
der Finanzausgleichsmasse auf die vier kommunalen Gruppen erfolgt, wird dieser
Ansatz bei der Verteilung der allgemeinen Zuweisungen wieder völlig über Bord ge-
schmissen. Die in den vier kommunalen Gruppen nach der Verteilung der steuer-
kraftunabhängigen Zuweisungen noch verbleibenden Mittel werden am Schluss wie-
der in einem Topf zusammengefasst und den (dann nur noch) drei kommunalen
Gruppen nach festen Quoten zugeordnet.
Die kreisfreien Städte erhalten 27%, die Landkreise 29,97677% und die kreisangehö-
rigen Gemeinden 43,02323%. Es kommt dadurch im Jahr 2012 zu einer Umvertei-
lung (gegenüber den berechneten Bedarfen) zugunsten der Landkreise (+11,38 Mio.
Euro) und der kreisfreien Städte (+15,38 Mio. Euro) und zulasten der kreisangehöri-
gen Gemeinden (-26,75 Mio. Euro).
144
Zukünftig sollten zumindest die für die allgemeinen Zuweisungen verbleibenden Mit-
tel der kreisfreien Städte einerseits und des kreisangehörigen Raums andererseits
getrennt verteilt werden. Innerhalb des kreisangehörigen Raums ist eine solche Ver-
mischung ökonomisch gesehen relativ unschädlich, weil die allgemeinen Zuweisun-
gen und die Umlagen als kommunizierende Röhren anzusehen sind.
6.4.3. Zur Bestimmung der Bedarfe
Bei der Bedarfsermittlung im kreisangehörigen Raum wird nur auf die beiden Be-
darfsindikatoren Einwohnerzahl und Zentralität abgestellt.
In formaler Hinsicht enthält der Gemeindegrößenansatz bei 8.000 und bei 25.000
Einwohnern jeweils eine Sprungstelle. Bei einem Grundbetrag von 631,56 Euro und
einer Sprungstelle von 100% auf 102% beim Übergang von 7.999 auf 8.000 Einwoh-
ner erhöht sich die Bedarfsmesszahl um 101.049 Euro und die zusätzlichen Schlüs-
selzuweisungen betragen somit 70.734 Euro.
Bei 25.000 Einwohnern führt die Sprungstelle von 112% auf 113% zu einer Zunahme
der Bedarfsmesszahl um 157.889 Euro und der Schlüsselzuweisungen um 110.522
Euro.
Diese Sprungstellen sind finanziell so bedeutsam, dass sie nur dann akzeptabel er-
scheinen, wenn sie plausibel begründet werden können. Ansonsten sollten sie zu-
künftig vermieden werden.
Formal gibt es bei 150.000 Einwohnern im Bereich der kreisfreien Städte durch die
Erhöhung des Gemeindegrößenansatzes von 100% auf 112% eine gewaltige
Sprungstelle von 18,9 Mio. Euro bei der Bedarfsmesszahl und 13,2 Mio. Euro bei
den Schlüsselzuweisungen. Da es allerdings zwischen Dessau-Roßlau mit 86.906
und Magdeburg mit 231.525 Einwohnern keine Städte gibt, entfaltet die Sprungstelle
keine praktische Relevanz.
Neben dieser Sprungstellenproblematik stellt sich natürlich generell die Frage nach
der empirischen Fundierung der Spreizung der Hauptansätze, aber natürlich auch,
ob der Bedarfszuschlag von 20 Punkten für Mittelzentren als angemessen anzuse-
hen ist.
Und schließlich ist natürlich die Frage zu stellen, ob es andere wesentliche Be-
darfsindikatoren gibt, die geeignet sind, Unterschiede zwischen den Zuschussbedar-
fen der einzelnen Gemeinden in statistisch signifikanter Weise zu erklären.
145
Im Folgenden soll deshalb mit Hilfe der Regressionsanalyse überprüft werden, wel-
che Einflussfaktoren für die Höhe der Zuschussbedarfe pro Einwohner in den Einzel-
plänen und insgesamt identifizierbar sind15.
Da im Bereich der drei kreisfreien Städte eine entsprechende statistische Analyse
nicht durchführbar ist, muss das Verfahren auf die Gemeinden im kreisangehörigen
Raum beschränkt bleiben. Dabei erscheint es sinnvoll, im Bereich der Verbandsge-
meinden eine Konsolidierung der Daten vorzunehmen. Untersucht werden also die
101 Einheitsgemeinden und die 18 Verbandsgemeinden, so dass insgesamt 119
Gemeinden analysiert werden können.
Die Grundgesamtheit ist somit groß genug, um eine Vielzahl von möglichen Einfluss-
faktoren simultan in Form eines multiplen Regressionsmodells überprüfen zu kön-
nen. Als zu erklärende Größe bietet sich der Zuschussbedarf V an. Da ab Anfang
März 2012 auch die Rechnungsergebnisse des Jahres 2010 zur Verfügung standen,
sind diese für die Regressionsanalyse verwendet worden.
Im Zuschussbedarf V werden die Zahlungen an und von Gemeinden und Gemeinde-
verbände (Kreise und Verbandsgemeinden) nicht als Ausgaben bzw. Einnahmen
verbucht. Im Ergebnis wird also die Differenz zwischen den lfd. Ausgaben (ohne Zah-
lungen an Land und Kommunen) und den lfd. Einnahmen (ohne Zahlungen vom
Land und von Kommunen) erfasst.
Um hinreichend differenzierte, aber noch handhabbare Ergebnisse zu erhalten, wer-
den die Zuschussbedarfe pro Einwohner der zehn Einzelpläne einzeln und insge-
samt analysiert.
Die Auswahl der potenziellen erklärenden Faktoren orientiert sich an den bisherigen
Hypothesen im FAG, plausiblen weiteren Faktoren und den Erfahrungen und Ergeb-
nissen aus entsprechenden Regressionsanalysen der gemeindlichen Zuschussbe-
darfe in anderen Bundesländern.
Die folgenden Variablen werden in die Analyse einbezogen
1. Fläche in qkm pro Einwohner
Dahinter steht die Hypothese, dass in sehr dünnbesiedelten Gemeinden höhe-
re Zuschussbedarfe als in dichter besiedelten Gemeinden entstehen.
2. Einwohner pro Fläche (in qkm)
Dahinter steht die Hypothese, dass bei einer starken Zusammenballung von
Menschen auf engstem Raum höhere Zuschussbedarfe pro Einwohner ent-
stehen können.
3. Wurzel der Einwohnerzahl
15
Einen sehr guten Überblick über das Verfahren und die zu beachtenden Anwendungsbedingungen der Regressionsanalyse gibt z.B.: von Auer, L., 2011, Ökonometrie, Eine Einführung (5. Auflage), Heidelberg u.a.O. Für die konkrete und praktische Anwendung bei der Bedarfsbestimmung im kom-munalen Finanzausgleich vgl.: Deubel, I., 2011, Mehr Gerechtigkeit im kommunalen Finanzausgleich? Das GFG 2011 und die Eckdaten zum GFG 2012, Bad Kreuznach, S. 62ff.
146
Dahinter steht die Hypothese, dass in (nach der Einwohnerzahl) größeren
Gemeinden die Zuschussbedarfe pro Einwohner zunehmen. Die Wurzel der
Einwohner hat sich dabei empirisch bewährt, weil die Zuwächse pro Einwoh-
ner bei zunehmender Einwohnerzahl keineswegs linear, sondern allenfalls
degressiv zunehmen16.
4. Wachstumsrate der Einwohnerzahl in den letzten 5 Jahren
Dahinter steht die Hypothese, dass in stärker schrumpfenden Gemeinden (al-
so solchen mit einer negativen Wachstumsrate) durch Kostenremanenzen die
Zuschussbedarfe pro Einwohner steigen, während sie in wachsenden Ge-
meinden eher abnehmen. Diese Hypothese bezieht sich ausdrücklich nur auf
die laufende Rechnung und umfasst nicht die Investitionsbedarfe. Hierfür gilt
nämlich eher die umgekehrte Hypothese.
5. Quote der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Arbeitsorten
Dahinter steht die Hypothese, dass die mit einer hohen Arbeitsplatzzentralität
einhergehenden hohen Zahlen an Einpendlern auch Zuschussbedarfe (z.B.
für Straßen und Verkehr, aber auch die Nutzung der Infrastruktur) hervorrufen,
ohne dass sich dies in der Einwohnerzahl niederschlägt.
6. Quote der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Wohnorten
Dahinter steht die Hypothese, dass bei einer hohen Quote eher weniger Sozi-
alleistungen und andere öffentliche Angebote in Anspruch genommen werden
als bei einer niedrigen Quote.
7. Die Quote der Einwohner, die nicht älter als sechs Jahre alt sind
Dahinter steht die Hypothese, dass die Zuschussbedarfe pro Einwohner für
Kindertagesstätten und anderer Angebote für jüngere Kinder wie z.B. von
Spielplätzen sich proportional zu dieser Quote entwickeln.
8. Die Quote der Einwohner, die jünger als achtzehn Jahre, aber mindestens
sechs Jahre alt sind
Dahinter steht die Hypothese, dass die Zuschussbedarfe pro Einwohner für
Schulen und andere Angebote für Kinder und Jugendliche sich proportional zu
dieser Quote entwickeln.
9. Die Quote der Einwohner, die über 65 Jahre alt sind
Dahinter steht die Hypothese, dass die Zuschussbedarfe pro Einwohner für
typische Einrichtungen, die ausschließlich (Alten- und Altenpflegeheime) oder
überproportional (Krankenhäuser) von Älteren in Anspruch genommen werden
mit dieser Quote positiv korreliert sind. Da die Grundsicherung im Alter auf der
Kreisebene finanziert wird, spielt sie auf der Ebene der kreisangehörigen Ge-
meinden allerdings keine Rolle.
10. Eine Dummy-Variable, die für Verbandsgemeinden den Wert 1 und für Ein-
heitsgemeinden den Wert 0 annimmt
Dahinter steht die Frage, ob es in der Höhe und der Struktur der Zuschussbe-
darfe pro Einwohner systematische Unterschiede zwischen Verbands- und
Einheitsgemeinden gibt.
16
Vgl. z.B. Deubel, I., 1984, Der kommunale Finanzausgleich in Nordrhein-Westfalen, a.a.O., S. 43 ff.
147
11. Eine Dummy-Variable, die für Gemeinden, die unmittelbar an ein Oberzentrum
angrenzen, den Wert 1 und für andere Gemeinden den Wert 0 annimmt
Dahinter steht die Hypothese, dass Gemeinden im Nahbereich von Oberzen-
tren für bestimmte Leistungen (Schulen, Kultur, öffentliche Einrichtungen) ge-
ringere Zuschussbedarfe pro Einwohner aufweisen, weil die Einrichtungen der
Oberzentren mitgenutzt werden (können).
12. Eine Dummy-Variable, die für Mittelzentren den Wert 1 und für sonstige Ge-
meinden den Wert 0 annimmt
Dahinter steht die Hypothese, dass die Zuschussbedarfe pro Einwohner in
Mittelzentren aufgrund der zentralörtlichen Leistungen höher liegen als in an-
deren Gemeinden
13. Einnahmen aus Steuern und Nettozuweisungen vom Land pro Einwohner
Dahinter steht die Hypothese, dass die Zuschussbedarfe pro Einwohner nicht
nur durch die objektiven Bedarfe bestimmt werden, sondern auch durch die
verfügbaren Einnahmen. Die These lautet: Wer viel hat, gibt auch mehr aus.
14. Einnahmen aus Steuern pro Einwohner
Dahinter steht eine analoge Hypothese wie unter 13., wobei die psychologi-
sche Wirkung einer eigenen hohen Steuerkraft sich von der einer Finanzkraft
aufgrund hoher Zuweisungen häufig unterscheidet.
Es bedarf wohl keiner besonderen Begründung, dass die beiden letzten Variablen
nur insofern der Bedarfsermittlung dienen, dass ihr Einfluss gerade nicht dazu geeig-
net ist, objektive Bedarfe zu ermitteln, sondern sie vielmehr in die Regressionsglei-
chungen aufgenommen werden, um den Teil der Zuschussbedarfe zu neutralisieren,
der auf höheren Einnahmen beruht und deshalb nicht als Bedarf anerkannt werden
sollte.
Im linearen multiplen Regressionsmodell wird davon ausgegangen, dass es ein
„wahres“ Modell gibt, in dem sich die Unterschiede der Zuschussbedarfe pro Ein-
wohner der Gemeinden jeweils in zwei Teile zerlegen lassen, nämlich einen syste-
matischen und einen zufälligen Teil17.
Der Zuschussbedarf V (ZV) pro Einwohner der Gemeinde i wird durch die Variablen
bis und den Einfluss der Zufallsvariablen u erklärt. Für die Zufallsvariable
wird unterstellt, dass sie einen Erwartungswert von Null hat und normalverteilt ist.
Das „wahre“ Model ist (außer bei kontrollierten Experimenten) nicht bekannt. Mit Hilfe
der Regressionsanalyse lassen sich für die Parameter bis jedoch Schätzwerte
ermitteln und Wahrscheinlichkeiten dafür angeben, dass die „wahren“ Werte größer
oder kleiner als Null (oder ein anderer festzulegender Wert) sind.
Mit Hilfe eines Testverfahrens (einseitiger t-Test) wird dabei das jeweilige Signifi-
kanzniveau der einzelnen Parameter bestimmt. Bei einem Signifikanzniveau von
17
Vgl. zum Folgenden: von Auer, a.a.O., S. 137 ff.
148
50% kann überhaupt keine Aussage getroffen werden, weil die Wahrscheinlichkeit
dafür, dass der „wahre“ Parameter größer oder kleiner als Null ist, jeweils 50% be-
trägt.
Je mehr sich das Signifikanzniveau dem Wert von 100% annähert, desto sicherer
darf angenommen werden, dass der „wahre“ Wert (je nach Vorzeichen des Schätz-
parameters) größer oder kleiner als Null ist, wobei u.U. auch recht präzise Intervall-
schätzungen möglich sind.
Die Vorgehensweise bei der Regressionsanalyse erfolgt so, dass zunächst vier of-
fensichtliche Ausreißer aus dem Verfahren ausgeschlossen werden. Die Gemeinden
Barleben, Leuna, Lützen und Schkopau haben nicht nur extrem hohe Steuereinnah-
men zwischen 1.335 und 3.104 Euro pro Einwohner, sondern weisen zusätzlich im
Zeitablauf auch noch stark schwankende Zuschussbedarfswerte auf, so dass eine
Einbeziehung in die Regression zu erheblichen Verzerrungen führen könnte. Es wer-
den deshalb nur die übrigen 115 Gemeinden berücksichtigt.
Im nächsten Schritt werden dann für jeden Einzelplan und den Zuschussbedarf ins-
gesamt alle 14 potenziell erklärenden Variablen in die Ausgangsgleichungen einbe-
zogen. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 31 zusammengefasst.
Dabei zeigt sich bereits, dass einzelne Variablen keinen Einfluss haben, ihre Para-
meter zum Teil aber auch Vorzeichen aufweisen, die im Gegensatz zu den aufge-
stellten Hypothesen stehen.
Eine ganz wichtige Maßgröße für die Anpassungsgüte insgesamt stellt dabei das
Bestimmtheitsmaß dar. Dieses Maß liegt immer zwischen 0% und 100%. Es gibt
an, wie groß der durch die Regression erklärte Anteil an der gesamten Streuung ist.
Dieser erklärte Teil liegt zwischen 8,6% im Einzelplan 2, also dem Schulbereich und
55,1% im Einzelplan 3, in dem der Kulturbereich erfasst ist. Für die Gesamtsumme
ergibt sich ein Bestimmtheitsmaß von 42,7%.
Die im Vergleich zu Regressionsanalysen in anderen Ländern etwas niedrigeren
Werte zeigen, dass ein großer Teil der Unterschiede zwischen den Gemeinden in
Sachsen-Anhalt nicht auf die hier aufgeführten potenziell erklärenden Variablen zu-
rückgeführt werden kann, sondern offensichtlich auf unterschiedlichen örtlichen Ent-
scheidungen und Bedingungen beruht.
Erstaunlicherweise gilt dies gerade nicht für den Kulturbereich, in dem die kommuna-
le Selbstverwaltung normalerweise besonders stark ausgeprägt ist.
Die Ausgangsgleichungen stellen aber nur die Ausgangsposition für den folgenden
Variablenauswahlprozess dar, der nach einem einheitlichen Verfahren erfolgt. Ziel ist
es jeweils, die Ausgangsgleichungen so weit zu vereinfachen, dass nur noch die sig-
nifikanten Einflussfaktoren übrig bleiben. Als Signifikanzniveau für dieses Verfahren
wird ein Mindestwert von 95% festgelegt.
149
Tabelle 31:
Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt und eigene Berechnungen
Steuern+Zu-
weisungenSteuern
Fläche/Ein-
wohner
Einwohner/
Fläche
Wurzel der
Einwohner
Wachstum
der
Einwohner
2005 - 2010
Sozialvers.
Beschäft.
nach
Arbeitsort
Sozialver.
Beschäft.
nach
Wohnort
U6 U18 - U6 Ü65
Verbandsge-
meinde = 1
Einheitsge-
meinde = 0
Nahbereich
des OZ = 1
sonst = 0
MZAbsolutes
Glied
Einzelplan 0 Signifikanzniveau 80,0% 81,6% 88,3% 58,0% 96,5% 52,9% 58,6% 52,4% 52,7% 56,2% 59,8% 52,5% 92,3% 99,3% 94,1% 12,6%
Parameterwert -0,05 0,05 632 0,01 -0,35 -15,2 -7,6 -6,5 -78 -120 60 0,56 -11,8 40,5 196
Einzelplan 1 Signifikanzniveau 76,8% 74,4% 90,1% 85,2% 78,5% 92,3% 94,2% 62,6% 57,5% 82,9% 50,6% 80,5% 64,5% 58,8% 72,9% 17,8%
Parameterwert -0,020 0,02 311 0,02 0,07 -135 25,1 16 99 -334 1,6 3,45 1,39 1,62 34,7
Einzelplan 2 Signifikanzniveau 74,1% 71,9% 82,0% 67,7% 68,6% 67,4% 96,1% 69,3% 91,5% 52,6% 84,4% 62,0% 51,9% 66,2% 86,8% 8,6%
Parameterwert 0,014 -0,01 179 0,01 0,03 -34,4 22,8 20,46 -582 -18,68 -91 1,0 -0,15 -2,5 52
Einzelplan 3 Signifikanzniveau 90,4% 88,5% 89,2% 85,7% 99,6% 51,1% 97,0% 61,0% 58,9% 91,1% 83,8% 93,7% 77,9% 86,5% 96,1% 55,1%
Parameterwert 0,034 -0,03 -290 -0,02 0,23 2,57 29 13,6 113 459 106 -6 -2,8 7,9 -97
Einzelplan 4 Signifikanzniveau 61,0% 74,4% 59,5% 76,4% 64,9% 57,6% 76,9% 62,6% 98,3% 96,0% 79,8% 97,3% 52,2% 93,3% 94,7% 22,4%
Parameterwert -0,020 0,04 -149 -0,04 -0,09 -46,6 30 41,5 2.872 -1.590 -237 20 -0,54 28 237
Einzelplan 5 Signifikanzniveau 83,8% 94,7% 95,5% 81,5% 72,4% 61,9% 98,8% 86,5% 99,4% 77,9% 89,9% 59,1% 60,7% 94,8% 78,3% 45,6%
Parameterwert -0,035 0,05 535 0,02 0,07 37 47,1 -72 1.729 -351 184 1,20 1,32 15,5 -58
Einzelplan 6 Signifikanzniveau 58,8% 58,9% 80,3% 73,0% 86,6% 65,7% 69,7% 59,5% 81,6% 70,9% 57,0% 66,5% 74,3% 89,7% 68,7% 26,4%
Parameterwert 0,012 -0,01 -396 -0,02 0,19 -73 -15,7 -23 903 -372 37,4 3,28 4,67 17,80 53
Einzelplan 7 Signifikanzniveau 93,0% 87,0% 99,8% 82,9% 54,7% 88,4% 90,7% 50,3% 53,8% 51,1% 79,5% 50,6% 96,4% 93,8% 74,6% 19,9%
Parameterwert 0,147 -0,10 -2.590 -0,07 -0,04 -412 -77 1,17 -183 -34,4 -333 -0,23 -24,8 -41 137
Einzelplan 8 Signifikanzniveau 89,4% 65,5% 86,6% 90,5% 97,4% 97,4% 69,1% 76,7% 92,8% 58,7% 83,1% 99,2% 60,0% 54,3% 98,0% 21,0%
Parameterwert 0,074 -0,02 -584 0,06 -0,37 -402 17,2 79 1.669 169 232 -21,3 -2,06 1,71 -257
Einzelplan 9 Signifikanzniveau 97,2% 89,6% 99,2% 74,4% 62,4% 97,6% 98,0% 85,1% 59,2% 98,8% 91,5% 80,1% 93,3% 82,1% 99,3% 18,4%
Parameterwert 0,09 -0,05 -1.026 -0,02 0,05 -327 57 90 -210 1.397 264 5,9 9,7 -11,7 -243
Einzelplan 0 - 9 Signifikanzniveau 95,2% 69,8% 99,4% 69,2% 66,9% 99,6% 93,0% 72,1% 98,6% 66,1% 64,4% 64,0% 89,3% 92,4% 57,0% 42,7%
Parameterwert 0,25 -0,07 -3.384 -0,057 -0,21 -1.404 128 160 6.329 -794 222 7,8 -25 57 55
Ausgangsgleichungen der Regressionsanalysen der Zuschussbedarfe der
Rechnungen 2010 für die kreisangehörigen Einheits- und Verbandsgemeinden
150
Tabelle 32:
Steuern+Zu-
weisungenSteuern
Fläche/Ein-
wohner
Einwohner/
Fläche
Wurzel der
Einwohner
Wachstum
der
Einwohner
2005 - 2010
Sozialvers.
Beschäft.
nach
Arbeitsort
Sozialver.
Beschäft.
nach
Wohnort
U6 U18 - U6 Ü65
Verbandsge-
meinde = 1
Einheitsge-
meinde = 0
Nahbereich
des OZ = 1
sonst = 0
MZAbsolutes
Glied
Einzelplan 0 Signifikanzniveau 98,8% 98,8% 99,2% 100,0% 10,1%
Parameterwert -0,37 -15,3 33,7 192
Einzelplan 1 Signifikanzniveau 98,9% 99,5% 97,6% 96,4% 14,5%
Parameterwert 0,09 -173 26 12,5
Einzelplan 2 Signifikanzniveau 96,1% 96,1% 100,0% 4,3%
Parameterwert 198 18,3 24,6
Einzelplan 3 Signifikanzniveau 99,6% 99,6% 92,2% 50,2%
Parameterwert 0,20 16,8 -11
Einzelplan 4 Signifikanzniveau 98,3% 99,1% 97,3% 97,5% 99,8% 99,8% 20,3%
Parameterwert 2.428 -1.667 -416 17,7 63 318
Einzelplan 5 Signifikanzniveau 96,1% 99,9% 99,8% 99,4% 99,7% 99,7% 42,7%
Parameterwert 0,024 57,7 1.629 262 14,8 -128
Einzelplan 6 Signifikanzniveau 100,0% 100,0% 22,2%
Parameterwert 34 77
Einzelplan 7 Signifikanzniveau 99,7% 97,4% 97,1% 99,7% 100,0% 14,7%
Parameterwert -1.597 -97 -22,5 -38,4 115
Einzelplan 8 Signifikanzniveau 96,2% 99,4% 98,0% 95,3% 99,9% 100,0% 16,9%
Parameterwert 0,05 0,09 -0,25 -251 -23,2 -92
Einzelplan 9 Signifikanzniveau 97,6% 99,5% 99,7% 98,6% 98,6% 11,1%
Parameterwert 0,04 -860 -405 957 -96
Einzelplan 0 - 9 Signifikanzniveau 99,5% 100,0% 99,9% 99,5% 99,8% 91,2% 39,7%
Parameterwert 0,17 -3.054 -1.603 5.039 63 153
Signifikante Parameterwerte der Regressionsanalysen für die Zuschussbedarfe der
Rechnungen 2010 der kreisangehörigen Einheits- und Verbandsgemeinden
151
Am Ende sollen also nur solche Faktoren in den Gleichungen verbleiben, deren Ein-
fluss auf einem hohen Signifikanzniveau als abgesichert angesehen werden kann.
Verfahrensmäßig wird zunächst von Stufe zu Stufe immer nur die Variable mit dem
geringsten Signifikanzniveau eliminiert.
Sind nur noch Faktoren übrig, deren Signifikanzniveau oberhalb von 95% liegt, wird
nochmals für alle bereits entfernten Variablen überprüft, ob ihre Wiederberücksichti-
gung zu einem signifikanten Ergebnis führt.
Das Ergebnis dieses Variablenauswahlverfahrens ist in der Tabelle 32 zusammen-
gefasst. Die Interpretation soll zunächst anhand der geschätzten Regressionsglei-
chung für den gesamten Zuschussbedarf pro Einwohner erfolgen.
Als statistisch signifikant haben sich die Einflussfaktoren Summe aus Steuern und
Zuweisungen, Fläche pro Einwohner, Wachstum der Einwohnerzahl im Zeitraum von
2005 bis 2010, Zahl der Kinder bis zum 6. Lebensjahr und die mittelzentrale Funktion
herauskristallisiert.
Alle anderen Faktoren haben die gesetzte Schwelle eines Signifikanzniveaus von
95% nicht erreicht. Dies gilt insbesondere für die Wurzel der Einwohner. Der bisheri-
ge Hauptansatz mit einer Einwohnerveredelung zwischen 100% (für Gemeinden un-
ter 8.000 Einwohnern) und 130% (für Gemeinden mit mehr als 60.000 Einwohnern)
lässt sich somit empirisch in Sachsen-Anhalt nicht belegen. Eine Einbeziehung der
Wurzel der Einwohner in die Regressionsgleichung hätte praktisch keine Auswirkun-
gen auf das Bestimmtheitsmaß, das Signifikanzniveau läge lediglich bei 64,1% und
der Schätzparameter hätte mit einem Wert von - 0,15 sogar noch das „falsche“ Vor-
zeichen. Entsprechende Berechnungen für die Werte der Jahresrechnungen 2008
und 2009 führen zu vergleichbaren Ergebnissen.
Eine ähnliche Überraschung bietet die Variable Fläche pro Einwohner. Der Parame-
ter von - 3.054 Euro pro qkm erreicht ein Signifikanzniveau von annähernd 100%.
Das negative Vorzeichen bedeutet, dass eine dünne Besiedlung zumindest auf der
Gemeindeebene nicht zu einer Mehrbelastung, sondern zu einer deutlichen Entlas-
tung führt. Um hier zu einer endgültigen Aussage zu kommen, müssen allerdings
noch die Zuschussbedarfe auf der Kreisebene analysiert werden.
Denn zum einen könnte es sein, dass die möglichen Mehrbelastungen durch eine
besonders dünne Besiedlung nur auf der Kreisebene anfallen, zum anderen könnte
es auch sein, dass die Arbeitsteilung zwischen Kreisen und kreisangehörigen Ge-
meinden in dünnbesiedelten Regionen anders, nämlich mit einem höheren Kreisan-
teil, organisiert ist als in stärker verdichteten Räumen. Auch diese Frage kann nur bei
einer Einbeziehung der Kreisebene überprüft werden.
Fest steht jedenfalls bereits an dieser Stelle, dass für die kreisangehörigen Gemein-
den selbst ein große Fläche pro Einwohner nicht zu höheren Zuschussbedarfen
führt, denn auch innerhalb der Einzelpläne kommt es fast ausschließlich zu Entlas-
tungseffekten.
152
Die anderen drei signifikanten Ergebnisse entsprechen den Erwartungen. Der positi-
ve Einfluss der Höhe der Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen zeigt, dass
Mehreinnahmen auch zu Mehrausgaben in Form höherer Zuschussbedarfe führen.
Der Parameter von 0,17 ist so zu interpretieren, dass ein Euro zusätzlicher Einnah-
men zu einem um 0,17 Euro höheren Zuschussbedarf führt.
Rund ein Drittel der Zuschussbedarfe der kreisangehörigen Gemeinden entfällt auf
den Einzelplan 4 und innerhalb dieses Einzelplans fast ausschließlich auf den Be-
trieb von Kindertagesstätten. Die hohe Signifikanz der Quote der Kinder bis zu 6 Jah-
ren kann deshalb grundsätzlich nicht überraschen.
Überraschend ist vielmehr, dass der Parameter von 5.039 Euro pro Kind nur zur ei-
nen Hälfte im Einzelplan 4, zu einem Drittel dagegen im Einzelplan 5 entsteht. Dies
zeigt, dass auch im Bereich von Gesundheit, Sport und Erholung komplementäre
Zuschussbedarfe notwendig sind.
Nicht überraschend kommt das Ergebnis, dass stark schrumpfende Gemeinden hö-
here Zuschussbedarfe pro Einwohner aufweisen als wachsende oder nur leicht
schrumpfende Gemeinden. Der negative Parameter von 1.603 Euro pro Einwohner
bezieht sich auf den theoretischen Wert eines Verlustes von 100% der Einwohner.
Die tatsächlichen Einwohnerverluste liegen im Zeitraum von 2005 bis 2010 zwischen
-11,2% und -0,6% bei einem (nicht gewichteten) Durchschnitt von -6,9%.
Die Mehrbelastung der am schnellsten schrumpfenden gegenüber der durchschnitt-
lich schrumpfenden Gemeinde liegt somit bei rd. 69 Euro pro Einwohner und fällt
damit sogar noch ein Stück höher aus, als die Mehrbelastung eines Mittelzentrums,
die 63 Euro pro Einwohner beträgt.
Bevor eine Umrechnung der Ergebnisse auf normierte Bedarfsfaktoren im FAG er-
folgt, soll zunächst noch ein Blick auf die Signifikanz der einzelnen Variablen inner-
halb der Einzelpläne geworfen werden.
Die Summe aus Steuern und Nettozuweisungen vom Land ist bei den Einzelplänen
lediglich in 8 und 9 signifikant, nicht aber in den Einzelplänen 0 – 7. Daraus lässt sich
(etwas relativierend) schließen, dass ein hohes Einnahmenniveau auch eine höhere
Verschuldung zulässt (Zinsaufwand in Einzelplan 9) und die Notwendigkeit, im Ein-
zelplan 8 Überschüsse zu erzielen, ein Stück reduziert.
Überraschend gering sind die Auswirkungen höherer Steuereinnahmen auf die Zu-
schussbedarfe. Nur im Einzelplan 5 lässt sich ein entsprechender Zusammenhang
belegen.
Soweit die Fläche pro Einwohner einen signifikanten Einfluss ausübt, führt sie nur im
Schulbereich zu einer leichten Mehrbelastung, in den Einzelplänen 7 und 9 dagegen
zu massiven Entlastungen. Die Auswirkungen einer höheren Verdichtung sind dage-
gen nur im Einzelplan 8 als zusätzliche Belastung nachweisbar.
153
Die Einwohnerzahl einer Gemeinde ist zwar in der Gesamtbelastung ohne Einfluss,
innerhalb der Einzelpläne lassen sich aber Größenvorteile (Einzelpläne 0 und 8) und
Größennachteile (Einzelpläne 1 und 3) belegen.
Die Schwerpunkte der Kostenremanenzen, die durch eine stärkere Einwohner-
schrumpfung entstehen, liegen offensichtlich in den Einzelplänen 1 (Brandschutz), 8
(Wirtschaftliche Unternehmen, Grund- und Sondervermögen) und 9 (Zinsen).
Mehrkosten der arbeitszentralen Orte lassen sich lediglich in den Einzelplänen 1, 2
und 5 belegen, im Einzelplan 7 kommt es sogar zu einer Entlastung. Die Quote der
Sozialversicherungspflichtigen nach ihrem Wohnort hat keine erkennbaren Auswir-
kungen auf die Zuschussbedarfe.
Bemerkenswert ist, dass sich die unterschiedlichen Zuschussbedarfe pro Einwohner
im Schulbereich mit den hier verwendeten Variablen nur in einem sehr geringen Um-
fang erklären lassen. Die Quote der Einwohner zwischen 6 und 18 Jahren spielt ge-
nauso wenig eine Rolle wie die Siedlungsdichte. Selbst die Einwohnerschrumpfungs-
rate bietet im Schulbereich bei den Zuschussbedarfen in der Jahresrechnung 2010
keine Erklärung mehr, während sie in der Jahresrechnung 2009 noch einen signifi-
kanten Beitrag lieferte.
Die Zahl der Einwohner mit mehr als 65 Jahren wirkte sich als signifikante Belastung
nur im Einzelplan 5 (vermutlich im Bereich des Gesundheitswesens) aus, im Einzel-
plan 4 kommt es dagegen zu einer entlastenden Wirkung.
Sehr bemerkenswert ist auch, dass bis auf die Einzelpläne 4 und 8 keine größeren
Unterschiede zwischen Einheits- und Verbandsgemeinden festzustellen sind. Im Ein-
zelplan 4 liegt der Zuschussbedarf der Verbandsgemeinden um 18 Euro pro Einwoh-
ner über dem der Einheitsgemeinden und im Einzelplan 8 haben Verbandsgemein-
den im Durchschnitt sogar noch um 23 Euro pro Einwohner höhere Überschüsse als
die Einheitsgemeinden.
Kein eindeutiges Bild liefern die Zuschussbedarfe der Gemeinden in unmittelbarer
Nachbarschaft der Oberzentren. Zwar kommt es in den Einzelplänen 0 und 7 zu er-
kennbaren Entlastungen, aber eben nicht (wie erwartet) im Einzelplan 3 und eben
auch nicht in der Gesamtbetrachtung. Die behaupteten Entlastungswirkungen lassen
sich deshalb nicht in einer statistisch so eindeutigen Form belegen, dass daraus wei-
tere Schlussfolgerungen gezogen werden könnten.
Dagegen ist der Befund bei den Mittelzentren ziemlich eindeutig. In den Einzelplänen
0, 3, 4, 5, 6 und insgesamt kommt es zu Mehrbelastungen. Die geringeren Zu-
schussbedarfe im Einzelplan 7 sind eher auf höhere Gebühreneinnahmen und Kos-
tendeckungsgrade als auf Minderausgaben zurückzuführen.
Für das FAG stellt sich natürlich die Frage, welche Schlussfolgerungen aus diesen
Ergebnissen zu ziehen sind. Dafür soll zunächst eine entsprechende Quantifizierung
erfolgen.
154
Diese ist in der Tabelle 33 zusammenfassend dargestellt:
Es lässt sich zeigen, dass der (nicht gewichtete) durchschnittliche Zuschussbedarf V
pro Einwohner von 564,30 Euro identisch ist mit der Summe der Produkte der durch-
schnittlichen Werte der erklärenden Variablen pro Einwohner und der jeweiligen
Schätzwerte der Parameter zuzüglich des absoluten Glieds.
Zunächst ist zu entscheiden, welche Variablen im FAG als Bedarfsfaktoren verwen-
det werden sollen. Steuern und Zuweisungen sind natürlich zu neutralisieren und
auch ein negativer Flächenfaktor wäre kaum vorstellbar. Die Schlussfolgerung, die
aus den nachweisbaren Kostenremanenzen zu ziehen ist, muss politisch bestimmt
werden.
Auf der einen Seite erscheint es zwingend, dass Einwohnerverluste sich im FAG
auch in einer entsprechenden Bedarfsminderung niederschlagen müssen, auf der
anderen Seite erscheint es durchaus vertretbar, hier zu einer gewissen Abfederung
zu kommen. Es könnte deshalb z.B. sinnvoll sein, anstatt die Bedarfe im FAG nach
der aktuellsten Einwohnerzahl zu berechnen, für alle Gemeinden den jeweiligen
höchsten Wert der letzten drei oder gar fünf Jahre zu verwenden. Wachsende Ge-
meinden würden dann jeweils die neuesten, schrumpfende Gemeinden dagegen die
älteren Einwohnerwerte verwenden.
Die sich daraus ergebenden faktischen Zuschläge für stärker schrumpfende Ge-
meinden würden allerdings weit unter denen liegen, die sich bei der Regressionsana-
lyse ergeben haben. Deshalb sind die in der Regressionsanalyse berechneten Werte
zunächst auch noch zu neutralisieren.
Anders fällt die Einschätzung für die Umsetzung der höheren Zuschussbedarfe bei
höheren U6-Quoten aus. Hier gibt es kaum Argumente, diese Mehrbedarfe nicht
auch im FAG anzuerkennen. Allerdings muss für eine Quantifizierung berücksichtigt
werden, dass die Finanzierung des entstehenden Zuschussbedarfs im Bereich der
Kindertagesstätten nicht nur aus eigenen Steuern und Zuweisungen innerhalb des
FAG erfolgt, sondern auch durch eine Beteiligung des Landes an den Kosten der
Kindertagesstätten (über die Haushalte der Landkreise) und der Landkreise selbst
außerhalb des FAG. Für eine abschließende Festlegung eines entsprechenden Be-
darfsfaktors wären diese Zuweisungen entsprechend zu berücksichtigen.
In der Tabelle 33 wird dargestellt, wie eine entsprechende Berechnung der Bedarfs-
faktoren durchgeführt werden könnte, wobei für den Kinderansatz zunächst noch ein
ungekürzter Ansatz berechnet wird.
Die Produkte aus Durchschnitten und Parametern der zu neutralisierenden Werte
werden zum Parameter für das absolute Glied hinzu addiert. Daraus ergeben sich
ein Gesamtwert (pro Einwohner) von 340,13 Euro, ein Zusatzbetrag von 63,02 Euro
für einen Einwohner eines Mittelzentrums und ein Betrag von 5.038,55 Euro pro Kind
unter 6 Jahren.
155
Tabelle 33:
Normiert man den normalen Einwohner auf den Faktor 1, ergibt sich für den Einwoh-
ner eines Mittelzentrums ein Zuschlag von 18,5% und für jedes Kind unter 6 Jahren
ein (vorläufiger) Faktor von 14,81.
Um zum endgültigen Faktor zu kommen, wäre der Anteil abzuziehen, den die Ge-
meinden für Kinder unter 6 Jahren als Zuschüsse außerhalb des FAG erhalten. Die-
se Zuschüsse lagen schon im Jahr 2010 alleine im Bereich der Kindertagesstätten
bei rd. 210 Mio. Euro. Bei einem aus der Regression abgeleiteten zusätzlichen Zu-
schussbedarf für Kinder bis zu 6 Jahren von 385 Mio. Euro (5,039 Euro pro Kind x
76.458 Kinder) ergibt sich ein verbleibender Faktor von rd. 6,7.
Abweichungen vom Grundprinzip „ein Einwohner = eine Bedarfseinheit“ müssen the-
oretisch gut begründet und empirisch hinreichend belegt sein. Sonderbedarfe sollten
deshalb eher konservativ quantifiziert werden. Um die statistischen Unschärfen der
Schätzwerte der Regressionsanalyse zu berücksichtigen, stellen die Faktoren von
6,7 für ein Kind unter 6 Jahren und ein Zuschlag für Mittelzentren von 18,5 % auf die
Einwohnerzahl deshalb eher eine Obergrenze dar und könnten in der konkreten poli-
tischen Entscheidung auch unterschritten werden18.
Die bisherige Einwohnerstaffelung im Hauptansatz der kreisangehörigen Gemeinden
sollte mangels empirischer Fundierung fortfallen und stattdessen einheitlich ein Fak-
tor von 1 pro Einwohner angesetzt werden. Eine Simulationsrechnung zeigt, dass die
Umverteilungswirkungen eines Wegfalls der Einwohnerstaffelung beachtlich wären.
Der Zugewinn kann für Gemeinden unter 8.000 Einwohnern bei bis zu 44 Euro pro
18
Anstatt für die Parameter in der Regressionsanalyse eine Punktschätzung vorzunehmen, könnte nämlich auch eine Intervallschätzung erfolgen. Bei einem vorgegebenen Signifikanzniveau ließen sich dann simultan entsprechende Parameterwerte bzw. Parameterkombinationen für die untere Grenze des Schätzintervalls bestimmen. Die politische Entscheidung läge dann nicht mehr in der unmittelba-ren Festlegung der Bedarfsfaktoren, sondern lediglich in der Vorgabe eines Signifikanzniveaus. Vgl. z.B. von Auer, a.a.O., S. 194 ff.
Steuern +
Zuweisungen
Fläche/Ein-
wohner
Wachstum
der
Einwohner
2005 - 2010
U6 MZabsolutes
GliedSumme
Zuschuss-
bedarf V
0 - 9
Durchschnitt 688 0,01 -0,07 0,04 0,19 1,00
Parameter 0,17 -3054 -1.603 5.039 63,0 153
Durchschnitt x Parameter 119 -42 110 212 12 153 564,3 564,3
Für FAG relevant nein nein (nein) ja ja ja
Zurechnungen
Steuern + Zuweisungen 118,9
Fläche/Einwohner -41,7
Wachstum der Einwohner 2005 - 2010 110,1
Ausgangswerte 5.039 63,0 340,1
Normierung 14,8 0,185 1,00
Berechnungsschema für Bedarfsfaktoren
156
Einwohner liegen, während große Gemeinden bis zu 76 Euro pro Einwohner verlie-
ren würden. Die Umverteilungslinie liegt bei einer Einwohnerzahl von rd. 21.000.
Kleinere Gemeinden gewinnen hinzu, größere verlieren hingegen.
Zur Abfederung der unterschiedlichen Einwohnerentwicklung könnte an Stelle des
aktuellen Einwohnerwerts der höchste Wert der letzten drei oder fünf Jahre verwen-
det werden (demografische Komponente).
Die Regressionsanalyse ist nur für solche Bedarfsfaktoren einsetzbar, die nicht nur in
einzelnen, sondern in vielen Gemeinden auftreten. Deshalb ist sie nicht geeignet, um
z.B. der Frage nachzugehen, ob Kurorte, Hochschulstandorte und militärische
Standorte besondere Bedarfe aufweisen.
Diese Bedarfe können darauf beruhen, dass öffentliche und nicht durch kostende-
ckende Gebühren finanzierbare Leistungen für Personen erbracht werden, die sich
in einer Gemeinde aufhalten, dort aber nicht als Einwohner erfasst werden.
So versorgt z.B. ein Kurort regelmäßig viele Gäste mit öffentlichen Dienstleistungen,
ohne die Kosten durch eine entsprechende Kurortabgabe vollständig refinanzieren
zu können. Ähnliches gilt für Angehörige von Streitkräften und der Polizei, aber auch
für Studenten, soweit sie ihren Hauptwohnsitz nicht am Studienort haben.
In diesen Fällen darf allerdings davon ausgegangen werden, dass nicht das ganze
Spektrum öffentlicher Leistungen in Anspruch genommen wird, aber die Einrichtun-
gen für Sport und Kultur, die Verkehrsinfrastruktur und Grünanlagen werden natürlich
intensiv mitgenutzt, zum Teil auch speziell für diese Gruppen vorgehalten.
Es gibt auch etliche Bundesländer, die solche Bedarfe im FAG berücksichtigen.
Nebenwohnsitze (Studenten) werden in Baden-Württemberg und Bayern berücksich-
tigt, Kurorte in Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz
und dem Saarland. Stationierungsstreitkräfte, teilweise nur ausländisch, teilweise
auch Bundeswehr, in Baden-Württemberg auch kasernierte Polizei, werden in etli-
chen Bundesländern wie Einwohner mitgezählt. In Hessen, aber wohl nur um neue
Standorte zu gewinnen, wird sogar die Hälfte der Haftplätze in einer neu errichteten
JVA mitgezählt.
Der Föderalismus ist bei diesen Themen offensichtlich sehr differenziert. Es gibt si-
cherlich auch gute Gründe für die jeweiligen Regelungen, aber eine fundierte Quanti-
fizierung der mit diesen Sonderfaktoren zusammenhängenden Bedarfe dürfte sehr
schwierig sein. Von daher erscheint es methodisch recht schwierig, diese Bedarfe in
das System der allgemeinen Zuweisungen zu integrieren.
Deswegen sind mehrere Länder den Weg gegangen, insbesondere für die Kurorte
einen steuerkraftunabhängigen Zuweisungstopf zu bilden, der z.B. nach der Zahl der
Übernachtungsbetten oder der Zahl der erfassten Übernachtungen verteilt wird.
Wenn Orte durch Streitkräfte so stark geprägt sind, dass entsprechende Kosten
157
nachweisbar sind, aber keine Einnahmen gegenüber stehen, kann sicherlich eben-
falls über einen solchen Weg nachgedacht werden.
Im Gegensatz zu den kreisangehörigen Gemeinden lassen sich die Bedarfsunter-
schiede zwischen den drei kreisfreien Städten nicht mit Hilfe statistischer Verfahren
quantifizieren. Innerhalb von Sachsen-Anhalt geben deshalb statistische Analysen
wenig Sinn. Ein Blick in die anderen Länder zeigt, dass neun der anderen zwölf Flä-
chenländer am Hauptansatz festhalten und die anderen drei Länder eine Dotierung
der oberzentralen Aufgaben wahrnehmen.
Von den neun Ländern ist Sachsen allerdings deshalb nicht vergleichbar, weil es
keine kleineren kreisfreien Städte mehr gibt. Für die anderen acht Länder sind die
jeweiligen Hauptansätze für Städte mit 87.000 Einwohnern (vergleichbar Dessau-
Roßlau) und 230.000 Einwohnern (vergleichbar mit Halle und Magdeburg) in der fol-
genden Tabelle zusammengestellt.
Tabelle 34:
Quelle: Finanzausgleichsgesetze der Länder
Da die meisten Länder für kreisangehörige Gemeinden und kreisfreie Städte ge-
meinsame Hauptansatzstaffeln haben, sind sie in der letzten Zeile der Tabelle so
normiert, dass 100% einer Einwohnerzahl von 87.000 entspricht.
Das Spektrum für Städte mit 230.000 Einwohnern geht von 100% in Brandenburg,
das aber wegen der deutlichen kleineren Landeshauptstadt Potsdam eigentlich nicht
vergleichbar ist, bis zu 119% in Baden-Württemberg.
Das ungewichtete arithmetische Mittel liegt bei 109%. Die Werte zeigen, dass die
Regelung in Sachsen-Anhalt mit einem Hauptansatz von 112% für Halle und Magde-
burg sich durchaus noch im üblichen Rahmen bewegt.
In den Ländern, in denen nicht die Einwohnerzahl der Stadt über ihren Bedarf pro
Einwohner entscheidet, sondern Oberzentren dotiert werden, also Rheinland-Pfalz,
Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, ist zum Teil die Größe der Ein-
zugsbereiche, zum Teil aber auch nur die Größe der Städte relevant.
Insgesamt zeigt der Ländervergleich, dass es wohl kaum möglich sein dürfte, eine
theoretisch und empirisch überzeugende Lösung zur Lösung der Verteilungsproble-
Einwohner HE BW NW NI TH BB BY SLungewichteter
Durchschnitt
87.000 100,0 132,4 110,9 139,8 137,4 150,0 148,7 120,2
230.000 102,0 157,4 125,7 158,4 150,0 150,0 154,4 133,0
Verhältnis 102% 119% 113% 113% 109% 100% 104% 111% 109%
Mit der Situation in Sachsen-Anhalt kompatible
Hauptansätze für kreisfreie Städte anderer Länder
158
matik zwischen den drei kreisfreien Städten vorzulegen. Letztlich kommt es darauf
an, wie der Landesgesetzgeber die Aufgabenzuordnung vornimmt und bewertet. Er
hat hier in jedem Fall einen weiten Ermessensspielraum.
Von daher gibt es auch keinen Grund, die bisherigen Regelungen zum einwohnerbe-
zogenen Hauptansatz für die kreisfreien Städte in Sachsen-Anhalt als reformbedürf-
tig anzusehen.
Allerdings erscheint es sinnvoll, wenn nicht sogar notwendig zu sein, die Erkenntnis-
se aus der Bedarfsanalyse der kreisangehörigen Gemeinden über den signifikanten
Einfluss der Zahl der Kinder unter sechs Jahren auch auf die kreisfreien Städte zu
übertragen.
Der sich aus der Regressionsanalyse ergebende Faktor von 6,7 für kreisangehörige
Gemeinden kann allerdings nicht einfach für die kreisfreien Städte übernommen
werden. Da die durchschnittlichen gewichteten Zuschussbedarfe V der kreisfreien
Städte in der Rechnung des Jahres 2010 mit 1.439 Euro pro Einwohner deutlich hö-
her liegen als bei den kreisangehörigen Gemeinden (einschließlich der Verbandsge-
meinden) mit 594 Euro, sollte der Faktor für ein Kind unter 6 Jahren entsprechend
verringert werden.
Um zum gleichen absoluten Betrag pro Kind wie bei den kreisangehörigen Gemein-
den zu gelangen, müsste der Bedarfsfaktor deshalb auf einen Wert von 2,8 festge-
legt werden. Der Gesamtansatz für die kreisfreien Städte würde sich somit als Sum-
me dem Hauptansatz und dem U6-Ansatz berechnen.
6.4.4. Zur Bestimmung der Steuerkraft
Zur Bestimmung der Steuerkraft sind vier Fragen zu entscheiden. Zum Ersten muss
festgelegt werden, welche Steuern einzubeziehen sind, zum Zweiten ist zu entschei-
den, ob eine Normierung erfolgen soll, zum Dritten ist im Falle einer Normierung die
Höhe der normierten Hebesätze zu bestimmen und schließlich ist die Referenzperio-
de festzulegen.
Bei der Frage, welche Steuern einzubeziehen sind, geht es vor allem darum, ob auch
die lokalen Steuern berücksichtigt werden sollen. Hier gibt es eigentlich nur Argu-
mente gegen eine solche Einbeziehung.
Zum Ersten liegt das Aufkommen im Durchschnitt lediglich bei 1% des Nettosteuer-
aufkommens aus den Realsteuern und den Gemeindeanteilen an der Einkommen-
und Umsatzsteuer. Zum Zweiten haben die Gemeinden bei den lokalen Steuern er-
hebliche Freiräume, so dass schon die Frage der Erhebung an sich zu Erfassungs-
problemen führen würde.
Eine Normierung setzt nämlich voraus, dass die Steuer erhoben wird, zumindest
aber die Bemessungsgrundlagen erfasst sind. Es wäre im Fall der Nichterhebung
159
einer lokalen Steuer auch nicht vertretbar, ausschließlich für Zwecke des kommuna-
len Finanzausgleichs einen entsprechenden Bürokratieaufwand zu verursachen. Von
daher sollten die lokalen Steuern im horizontalen Finanzausgleich unberücksichtigt
bleiben.
Es ist bereits dargestellt worden, dass bei den Realsteuern nicht die tatsächlichen
Hebesätze angesetzt werden dürfen, sondern normierte. Um das Hebesatzrecht un-
geschmälert zu lassen, ist allerdings bei der Gewerbesteuer zunächst zu normieren
und dann erst die Gewerbesteuerumlage abzuziehen.
Bei der Festlegung der Höhe der normierten Hebesätze sind vier Aspekte zu beach-
ten. Diese betreffen die Umverteilungswirkung zwischen steuerstarken und steuer-
schwachen Gemeinden, mögliche systematische Unterschiede der Hebesätze in
großen und in kleinen Gemeinden, die Auswirkungen auf die Belastung mit Umlagen
und die psychologische Wirkung der normierten Hebesätze auf die Festlegung der
tatsächlichen Hebesätze.
Hohe normierte Hebesätze verstärken die Umverteilung zwischen steuerstarken und
steuerschwachen Gemeinden, während niedrige Hebesätze sie abschwächen. Steu-
erstarke Gemeinden haben deshalb unter dem Gesichtspunkt der Umverteilung zwi-
schen den Gemeinden ein Interesse an niedrigen, steuerschwache dagegen an ho-
hen fiktiven Hebesätzen. Unter diesem Aspekt spricht deshalb alles für eine Normie-
rung auf der Basis der durchschnittlichen gewichteten Hebesätze.
Zu beachten ist dabei allerdings auch noch, ob es systematische Unterschiede bei
den Hebesätzen zwischen kleineren und größeren Gemeinden innerhalb einer ge-
meinsamen Schlüsselmasse gibt.
Tabelle 35:
Quelle: Statistisches Bundesamt
GrST A GrSt B GewSt
Kreisfreie Städte
20 000 - 50 000 ...............................- - -
50 000 - 100 000 ....................256 445 443
100 000 - 200 000 .............................- - -
200 000 - 500 000 ..............................250 450 450
500 000 und mehr ................................- - -
Zusammen ... 252 449 449
Kr.ang. Gemeinden
unter 1 000 ..........................280 331 222
1 000 - 3 000 ..............................289 343 319
3 000 - 5 000 .....................306 351 328
5 000 - 10 000 .......................299 352 310
10 000 - 20 000 .....................289 346 323
20 000 - 50 000 .........................301 375 359
50 000 - 100 000 .......................- - -
100 000 und mehr ........................- - -
Zusammen ... 295 358 325
Gemeinden insges. ... 294 380 350
durchschnittliche Hebesätze
Hebesätze der Gemeinden in
Sachsen-Anhalt im Jahr 2010
160
Da die Schlüsselmassen für die kreisfreien Städte und die kreisangehörigen Ge-
meinden getrennt sind, spielen die großen Hebesatzunterschiede zwischen den bei-
den kommunalen Gruppen an dieser Stelle keine Rolle. Innerhalb der kreisangehöri-
gen Gemeinden haben die Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern zwar er-
kennbar höhere Hebesätze bei der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer, aber un-
terhalb dieser Einwohnergrenze gibt es keine ausgeprägte Korrelation zwischen
Einwohnerzahl und Hebesätzen. Von daher erscheinen die einheitlichen fiktiven He-
besätze innerhalb des kreisangehörigen Raums durchaus vertretbar.
Die vierte Fragestellung bezieht sich auf die Festlegung der Referenzperiode. Hier ist
zunächst einmal festzustellen, dass zur Berechnung der Steuerkraft im FAG 2012
keine Daten des Jahres 2011 verwendet werden, sondern mit einer Ausnahme die
Daten des Jahres 2010 herangezogen werden.
Die Ausnahme bildet die Gewerbesteuer. Hier wird der Durchschnitt der drei Jahre
2008, 2009 und 2010 als Basiswert verwendet. Als Begründung für diesen unge-
wöhnlich weit zurückliegenden Zeitraum wird die Erwartung einer Verstetigung der
Steuerkraft der Gemeinden und damit auch der Schlüsselzuweisungen sowie der
Umlagegrundlagen für die Kreis- und Verbandsgemeindeumlage angeführt.
Dabei kann es kaum strittig sein, dass die Gemeinden und das Land ein hohes Inte-
resse an der Verstetigung der kommunalen Finanzen insgesamt, aber auch für jede
einzelne Gemeinde haben.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Bildung eines mehrjährigen Durchschnitts
bei den Gewerbesteuereinnahmen der einzelnen Gemeinde tatsächlich ein Beitrag
zur Verstetigung ist oder ob diese Maßnahme nicht vielmehr das genaue Gegenteil,
nämlich eine größere Schwankung der tatsächlichen Finanzkraft (also der Summe
aus Steuerkraft und Schlüsselzuweisungen) zur Folge hat.
Am Beispiel der vier Gemeinden Salzwedel, Südharz, Alsleben und An der Poststra-
ße sollen die Konsequenzen des bisherigen Verfahrens verdeutlicht werden. Die
Grunddaten für die vier Gemeinden sind den Berechnungsgrundlagen für das FAG
2012 entnommen. Lediglich für die Auswirkungen auf die Kreis- und Verbandsge-
meindeumlage sind zur besseren Vergleichbarkeit normierte Sätze von 40% auf der
Kreisebene und 45% auf der Verbandsgemeindeebene verwendet worden.
Im oberen Teil der Tabelle sind die Konsequenzen des jetzigen Verfahrens darge-
stellt. Während in Salzwedel und Alsleben das Nettogewerbesteueraufkommen von
2008 bis 2010 kräftig gesunken und in Alsleben mit -216 Euro pro Einwohner sogar
negativ ist, sind in Südharz und an der Poststraße die Gewerbesteuereinnahmen im
gleichen Zeitraum sehr stark angestiegen.
In Salzwedel liegen deshalb die Steuerkraftwerte für das Jahr 2010 mit 125 Euro pro
Einwohner um 315 Euro unter dem Durchschnitt der Jahre 2008 – 2010 von 440 Eu-
ro pro Einwohner. In Alsleben liegt der (negative) Wert für 2010 sogar um 494 Euro
pro Einwohner unter dem Durchschnitt der drei Referenzjahre.
161
In den Gemeinden Südharz und An der Poststraße ist es genau umgekehrt. Die Wer-
te für 2010 liegen in Südharz um 291 Euro pro Einwohner und in An der Poststraße
um 219 Euro über dem Durchschnitt der Jahre 2008 – 2010.
Zur Normierung der Bedarfe (vor und nach Umlagen) wird unterstellt, dass die Fi-
nanzausstattung aus den durchschnittlichen Steuereinnahmen der drei Referenzjah-
re und den Schlüsselzuweisungen der Gesamtheit der Gemeinden den Bedarf genau
abdeckt und die Hauptansätze im Finanzausgleich die Bedarfsrelationen der Ge-
meinden korrekt abbilden.
Da die durchschnittliche Finanzkraft pro Bedarfseinheit (Hauptansatz) einen Wert
von 594,76 Euro aufweist, lässt sich auf diese Weise für jede Gemeinde ein normier-
ter Bedarf bestimmen. Zieht man die Kreisumlage mit 40% und ggf. die VG-Umlage
mit 45% ab, ergeben sich die normierten Bedarfe nach Umlagen.
Tabelle 36:
Quelle: Landesamt für Statistik Sachsen-Anhalt und eigene Berechnungen
Salzwedel Südharz Alsleben An der Poststraße
Gewerbesteuer netto
2008 673 194 691 270
2009 523 127 358 271
2010 125 597 -216 599
2008-2010 440 306 278 380
sonstige Steuerkraft 295 233 228 198
FAG-Steuerkraft 735 539 506 578
tats. Steuerkraft 420 829 12 797
normierter Bedarf im FAG 784 614 616 622
Schlüsselzuweisungen 68 80 104 58
FAG-Finanzkraft 804 618 610 636
tats. Finanzkraft 488 909 116 855
Kreisumlage (normiert auf 40%) 321 247 244 254
Verbandsgemeindeumlage (normiert auf 45%) 0 0 274 286
normierter Bedarf nach Umlagen 471 369 92 93
tatsächliche Finanzkraft nach Umlagen 167 662 -402 314
Überschuss/Defizit -304 293 -495 221
Veränderung Schlüsselzuweisungen 214 -80 340 -58
Veränderung Kreisumlage -37 89 -59 69
Veränderung VG-Umlage 0 0 -63 82
Veränderung der tatsächlichen Finanzkraft nach Umlagen 251 -169 462 -209
Überschuss/Defizit -53 124 -32 12
Einheitsgemeinden verbandsangehörige Gemeinden
- in Euro pro Einwohner -
Ergebnisse bei Berechnung der Gewerbesteuerkraft auf der
Basis von drei Jahren
Ergebnisse bei Berechnung der Gewerbesteuerkraft auf der
Basis des letzten Jahres
Die Folgen der zeitlich verzögerten und geglätteten
Erfassung der Gewerbesteuerkraft im FAG 2012
162
Ein Vergleich der Bedarfe mit den tatsächlich verfügbaren Mitteln (als Summe aus
den allgemeinen Zuweisungen und der Steuerkraft des Jahres 2010) zeigt, ob sich
rechnerische Überschüsse oder Defizite ergeben.
Salzwedel weist vor den Umlagen ein Defizit von 316 Euro pro Einwohner und nach
Umlagen von 304 Euro pro Einwohner auf. Die Bedarfsdeckung nach Umlagen liegt
nur bei knapp 36%.
In Alsleben ist die Situation noch dramatischer. Die Defizite liegen vor Umlagen bei
genau 500 Euro pro Einwohner und nach Umlagen bei 495 Euro pro Einwohner. Bei
einem normierten Bedarf nach Umlagen von 92 Euro pro Einwohner liegt die tatsäch-
liche Finanzkraft bei -402 Euro pro Einwohner.
In Südharz dagegen steht einem Bedarf nach Umlagen von 369 Euro eine tatsächli-
che Finanzkraft von 662 Euro pro Einwohner gegenüber und in der Gemeinde An der
Poststraße beträgt der normierte Bedarf nach Umlagen 93 Euro pro Einwohner und
die tatsächliche Finanzkraft 314 Euro.
Nun mag es sein, dass sich die Steuereinnahmen in Salzwedel und Alsleben wieder
erholen und das durchschnittliche (relative) Niveau der Jahre 2008 – 2010 wieder
erreichen und umgekehrt in den Gemeinden Südharz und An der Poststraße das
(relative) Niveau wieder deutlich zurückgeht. Es kommt allerdings auch dann nicht
mehr zum Ausgleich, sondern Salzwedel und Alsleben schieben hohe Defizite vor
sich her und Südharz und An der Poststraße haben im günstigeren Fall entspre-
chende Rücklagen gebildet, im ungünstigeren Fall zusätzliche Ausgaben getätigt.
Wesentlich sinnvoller als das Hinnehmen solcher extremen Schwankungen der tat-
sächlichen Finanzkraft ist der Verzicht auf die kontraproduktive dreijährige Durch-
schnittsbildung und eine möglichst zeitnahe Abrechnung.
Da zeitnahe Daten (z.B. von Mitte 2010 bis Mitte 2011) für diese Untersuchung leider
nicht zur Verfügung stehen, wird in der folgenden Simulationsrechnung unterstellt,
dass die Daten des Jahres 2010 bereits eine solche Zeitnähe aufweisen. In der ent-
sprechenden Simulationsrechnung des Finanzausgleichs wird deshalb für alle kreis-
angehörigen Gemeinden die durchschnittliche Gewerbesteuerkraft der Jahre
2008 – 2010 durch die des Jahres 2010 ersetzt.
Da die Steuerkraft der Gesamtheit der kreisangehörigen Gemeinden dann von 856,1
Mio. Euro auf 838,6 Mio. Euro zurückgeht, nimmt auch der Grundbetrag von 631,56
Euro auf 624,28 Euro ab. Da die Schlüsselmasse unverändert bleibt, kommt es na-
türlich zu einer Umverteilung zwischen den (nichtabundanten) Gemeinden, bei denen
die (relative) Gewerbesteuerkraft in 2010 oberhalb des eigenen Durchschnitts der
Jahre 2008 – 2010 liegt, zu denen, bei denen die Gewerbesteuerkraft unterhalb des
eigenen Durchschnitts liegt.
163
Bei den vier Beispielstädten kommt es also zu deutlichen Zuwächsen für Salzwedel
(+ 214 Euro pro Einwohner) und Alsleben (+ 340 Euro) und deutlichen Minderein-
nahmen für die Gemeinden Südharz (- 80 Euro) und An der Poststraße (-58 Euro).
Aber auch bei den Kreisumlagen und Verbandsgemeindeumlagen kommt es zu ent-
sprechenden Effekten. In der Simulationsrechnung ist dabei unterstellt, dass die Um-
lagevolumina konstant bleiben. Der normierte Kreisumlagesatz muss deshalb von
40% auf 40,57% und der normierte Verbandsumlagesatz von 45% auf 46,25% ange-
hoben werden.
Die tatsächliche Finanzkraft nach Abführung der Umlagen verbessert sich bei Salz-
wedel um 251 Euro pro Einwohner und bei Alsleben um 462 Euro. Die Relationen
der Finanzkraft nach Umlagen zu den Bedarfen nach Umlagen verbessern sich somit
bei Salzwedel von 36% auf 90% und bei Alsleben von -441% immerhin auf 66%. Die
verbleibenden Lücken von 53 Euro pro Einwohner in Salzwedel und 32 Euro in Als-
leben wären zwar auch nicht unproblematisch, aber durchaus zu bewältigen, zumal
die negativen Gewerbesteuereinnahmen von Alsleben im Jahr 2010 ja nur als ein-
zelner Ausreißer anzusehen sind.
Auf der anderen Seite führen die deutlich steigenden Umlagen für die Gemeinden
Südharz und An der Poststraße dazu, dass sich die Relation zwischen Finanzkraft
und Bedarf nach Umlagen deutlich verringert. Bei Südharz sinkt sie von 182% auf
136% und bei der Gemeinde An der Poststraße von 341% auf 114%.
Dieses Beispiel zeigt in aller Deutlichkeit, dass die Durchschnittsbildung über drei
Jahre bei der Ermittlung der Gewerbesteuerkraft keineswegs, wie eigentlich erhofft,
zu einer Verstetigung der verfügbaren Finanzkraft führt, sondern vielmehr zu erhebli-
chen Schwankungen und Verzerrungen. Es erscheint deshalb sinnvoll und notwen-
dig, nur auf die aktuelle Gewerbesteuerkraft abzustellen.
Wenn möglich, sollte für alle Steuerarten die Referenzperiode noch näher an die Fi-
nanzausgleichsperiode herangeführt werden. Ähnlich wie schon in anderen Ländern,
bietet sich für das FAG 2013 als Referenzperiode der Zeitraum vom 1.7.2011 bis
zum 30.6.2012 an.
Dies sollte natürlich nicht nur für die Ermittlung der Schlüsselzuweisungen der kreis-
angehörigen Gemeinden gelten, sondern auch für die Landkreise und die kreisfreien
Städte sowie die Berechnung der verschiedenen Umlagen.
6.4.5. Zur Festlegung der Ausgleichsquote
Die Ausgleichsquote im kommunalen Finanzausgleich in Sachsen-Anhalt liegt für alle
drei kommunalen Gruppen bei 70%. Auf der Gemeindeebene ist die Interpretation
dieser Quote relativ einfach. Sie führt dazu, dass die Steuerkraftunterschiede pro
Bedarfseinheit zwischen den Gemeinden, die Schlüsselzuweisungen erhalten, zu
164
70% ausgeglichen werden. Die Wirkungsweise wird in der Tabelle 37 für die drei
kreisfreien Städte dargestellt.
Tabelle 37:
Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt und eigene Berechnungen
Mit einer Steuerkraft von 589,13 Euro pro Bedarfseinheit liegt die Stadt Magdeburg
um 83,12 Euro bzw. 16,42% über dem Durchschnitt, während die Stadt Halle um
82,95 Euro bzw. 16,39% unter dem Durchschnitt verbleibt. Die Stadt Dessau-Roßlau
liegt dabei noch ganz knapp über dem Durchschnitt.
Nach dem Finanzausgleich haben sich die absoluten Unterschiede zum Durch-
schnitt, aber natürlich auch der Städte untereinander um 70% reduziert. Die relative
Finanzkraft (pro Bedarfseinheit) liegt nunmehr zwischen 97,19% in Halle und
102,81% in Magdeburg.
Zwar sind auch geringere oder höhere Ausgleichsquoten als 70% denkbar, aber zu-
mindest für die drei kreisfreien Städte dürfte mit Sicherheit kein Verstoß gegen das
Ausgleichsgebot des Artikels 88 Abs. 2 der Landesverfassung vorliegen.
Dies liegt natürlich auch daran, dass unter den drei kreisfreien Städten keine extrem
steuerschwach ist. Anders stellt sich die Situation bei den kreisangehörigen Gemein-
den dar. Hier liegen nach dem Finanzausgleich immerhin 93 Gemeinden unterhalb
von 90% des Durchschnitts von 594,76 Euro pro Bedarfseinheit und davon sogar 7
Gemeinden unterhalb von 85%. Diese 7 Gemeinden (davon 5 aus dem Kreis Mans-
feld-Südharz) sind allesamt Mitglieder von Verbandsgemeinden.
Zwar erscheint es nicht sinnvoll, deshalb die Ausgleichsquote generell zu erhöhen,
aber es sollte schon erwogen werden, in den Fällen einer extremen Steuerschwäche
eine Vorabaufstockung der Steuerkraft vorzunehmen. So könnte z.B. die Differenz zu
80% der durchschnittlichen Steuerkraft pro Bedarfseinheit (evtl. auch pro Einwohner)
mit einer Quote von ebenfalls 80% vorab aufgefüllt werden. Auf diese Weise könnte
erreicht werden, dass die steuerschwächste Gemeinde ihre Finanzkraft pro Bedarfs-
einheit von 82,8% auf 88,4% verbessern würde. Im bisherigen System (ohne eine
entsprechende Aufstockung) liegen immerhin noch 52 Gemeinden unter einer sol-
chen Quote.
Dessau-Roßlau 507,16 1,03 100,20% 379,85 887,01 0,31 100,03%
Halle 423,18 -82,95 83,61% 438,64 861,82 -24,88 97,19%
Magdeburg 589,25 83,12 116,42% 322,39 911,64 24,94 102,81%
Durchschnitt 506,13 0,00 100,00% 380,57 886,70 0,00 100,00%
Wirkungsweise des Finanzausgleichs zwischen den kreisfreien Städten
Differenz zum
Durchschnitt
Differenz zum
Durchschnitt
Steuerkraft in
Euro je
Bedarfseinheit
Schlüsselzuweisungen in
Euro je Bedarfseinheit
Finanzkraft in
Euro je
Dedarfseinheit
Steuerkraft in %
des Durchschnitts
Finanzkraft in %
des
Durchschnitts
165
Zur Finanzierung einer solchen Aufstockung wäre im FAG 2012 ein Betrag von ins-
gesamt 33,7 Mio. Euro erforderlich, der von der anschließend zu verteilenden
Schlüsselmasse abginge. Der Grundbetrag für die kreisangehörigen Gemeinden
würde sich deshalb von 631,56 Euro auf 624,34 Euro reduzieren. Gemeinden die
Schlüsselzuweisungen erhalten und nicht an der Aufstockung partizipieren, würden
durch eine solche Maßnahme 70% der Differenz der beiden Grundbeträge, also gut
5 Euro pro Bedarfseinheit, verlieren.
Nicht betroffen wären dagegen die abundanten Gemeinden. Eine Beteiligung der
besonders steuerstarken Gemeinden ist nur im Rahmen eine spezifischen Abun-
danzumlage oder einer allgemeinen Finanzausgleichsumlage möglich. Eine entspre-
chende Untersuchung soll im Unterkapitel 6.8. erfolgen.
6.4.6. Stadt-Umland-Ausgleich
Die drei kreisfreien Städte sind zugleich auch die Oberzentren des Landes Sachsen-
Anhalt. Sie erbringen damit zusätzliche Leistungen für das gesamte Land und haben
dementsprechend einen höheren Aufwand pro Einwohner.
Wenn unterstellt werden kann, dass die drei Städte diese Leistungen auch bisher
schon erbracht haben, sind die Kosten in der FAG-Teilmasse der kreisfreien Städte
bereits enthalten.
Eine zusätzliche Aufstockung wäre nur dann geboten, wenn es vom Land und dem
kreisangehörigen Raum als notwendig erachtete oberzentrale Leistungen gäbe, die
bisher nicht erbracht werden konnten. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.
Allerdings bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die oberzentralen Leistungen
tatsächlich landesweit in gleicher Weise wirksam werden. Es liegt auf der Hand, dass
die positiven Auswirkungen im Nahbereich erheblich stärker zur Geltung kommen als
in weiter entfernten Orten.
Die Auswirkungen können sich zum einen darin niederschlagen, dass im Nahbereich
weniger öffentliche Einrichtungen erforderlich sind, weil die Einrichtungen in den
Oberzentren gut erreichbar und deshalb mit nutzbar sind. Zum anderen können sich
die oberzentralen Leistungen im Nahbereich auch in besonders guten Standortbe-
dingungen für Unternehmen niederschlagen.
Beide Effekte zusammen ermöglichen erfahrungsgemäß besonders niedrige Hebe-
sätze bei den Realsteuern und günstige Grundstückspreise, was wiederum zum Zu-
zug neuer Einwohner und der Ansiedlung von Unternehmen führen kann.
Aus der Sicht der Raumordnung sind solche Entwicklungen eher unerwünscht. So-
fern sie zum finanziellen „Ausbluten“ der Kernstädte führen, ist allerdings in Sachsen-
Anhalt das Land der Hauptbetroffene. Denn die durch ein attraktives Umland hervor-
gerufenen Steuerkraftverluste der Kernstädte müssen aufgrund des aufgabenorien-
166
tierten Finanzausgleichs vollumfänglich zu einer entsprechenden Erhöhung der Zu-
weisungen des Landes führen.
Wenn das Land keine geeigneten Maßnahmen zur Verhinderung solcher Entwick-
lungen ergreift, schneidet es sich letztlich in den eigenen Finger. Die wirksamste
Maßnahme besteht natürlich aus Gebietsneuordnungen mit einer Eingliederung der
Gemeinden im sogenannten „Speckgürtel“ in die Kernstädte.
Ist dies nicht gewollt oder aus politischen Gründen nicht durchsetzbar, ist zu prüfen,
ob im kommunalen Finanzausgleich die unterschiedlichen Bedarfe der Gemeinden
im Nahbereich der Kernstädte und in weiter entfernten Regionen zutreffend erfasst
werden und überschießende Steuerkraftgewinne im Rahmen des kommunalen Fi-
nanzausgleichs konsequent abgeschöpft werden.
Um eine verfassungsfeste Regelung zu finden19, wäre es in einem ersten Schritt er-
forderlich, einen empirischen Beleg dafür zu erbringen, dass die Bedarfe im direkten
Umfeld der Kernstädte niedriger ausfallen als in weiter entfernten Regionen. Durch
die Einbeziehung der Stadt-Umland-Situation in die Regressionsanalysen für die Be-
darfe der kreisangehörigen Gemeinden ist diese Analyse bereits erfolgt.
Da sich lediglich in den Einzelplänen 0 und 7 eine deutliche Entlastung der direkt
benachbarten Gemeinden belegen lässt, aber in der Gesamtbetrachtung kein ent-
sprechender signifikanter Einfluss nachweisbar ist, wäre die statistische Basis für
eine verfassungsfeste Verringerung der Bedarfsansätze der Stadt-Umland-
Gemeinden im Finanzausgleich nicht ausreichend.
Es verbleibt deshalb nur das Instrument der Abschöpfung überschießender Steuer-
einnahmen durch eine Abundanzumlage oder eine allgemeine Finanzausgleichsum-
lage.
6.5. Der horizontale Finanzausgleich auf der Ebene der Land-
kreise
6.5.1. Das bisherige Verfahren
Die Verteilung der allgemeinen Zuweisungen zwischen den Kreisen erfolgt ähnlich
wie bei den Gemeinden. Anstatt der Steuerkraft wird allerdings die Umlagekraft als
Maßstab der eigenen Leistungsfähigkeit berechnet.
19 Vgl. das Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23.02.2012,
LVerfG 37/10, das zwar eine Stadt-Umland-Umlage für grundsätzlich zulässig hält, aber die konkrete
Regelung in Mecklenburg-Vorpommern wegen der unzureichenden Begründung und Quantifizierung
für verfassungswidrig erklärt hat.
167
Basis der Umlagekraft sind die Umlagegrundlagen, die sich als Summe aus der
Steuerkraft und den allgemeinen Zuweisungen der kreisangehörigen Gemeinden
berechnen. Die Umlagekraft ergibt sich als Produkt aus den Umlagegrundlagen und
dem normierten Umlagesatz, der im FAG 2012 auf 35% festgelegt worden ist, wobei
der tatsächliche durchschnittliche gewichtete Kreisumlagesatz im Jahr 2011 knapp
oberhalb von 40% lag.
Der Hauptansatz wird als Produkt aus der Einwohnerzahl und einem Dünnbesiede-
lungsfaktor gebildet. Einen Dünnbesiedelungszuschlag erhalten Landkreise mit einer
unterdurchschnittlichen Einwohnerdichte. Er beträgt pro (angefangene) zehn Ein-
wohner unter der Durchschnittseinwohnerdichte (pro qkm) jeweils 1%.
Von den elf Kreisen erhalten im FAG 2012 fünf Kreise einen solchen Zuschlag (Alt-
markkreis Salzwedel 106%, Bördekreis 102%, Landkreis Jerichower Land 103%,
Landkreis Stendal 104% und der Landkreis Wittenberg 102%), alle anderen Land-
kreise haben den Faktor 100%.
Der Ausgleich zwischen der Bedarfsmesszahl (Hauptansatz x Grundbetrag) und der
Umlagekraft erfolgt wie bei den Gemeinden zu 70%, wobei der Grundbetrag so fest-
gelegt wird, dass die Schlüsselmasse ausgeschöpft wird.
Die für die Landkreise verfügbare Schlüsselmasse im FAG 2012 beträgt (nach Vor-
abkürzung um 10 Mio. Euro für Zuweisungen nach der Länge der Kreisstraßen) rd.
246,9 Mio. Euro.
Die eigentliche Umlage der Landkreise ist von der Umlagekraftberechnung zeitlich
sehr stark entkoppelt. So sind für die Kreisumlage des Jahres 2012 nicht etwa die
allgemeinen Zuweisungen der Gemeinden des Jahres 2012 relevant, sondern die
des Jahres 2010 (die ihrerseits auf der Steuerkraft des Jahres 2008 und der Gewer-
besteuerkraft der Jahre 2006 – 2008 beruhten). Außerdem darf der Kreis seine Um-
lagesätze differenzieren.
So können sich die Hebesätze für die einzelnen Realsteuern, die Gemeindeanteile
an der Einkommen- und der Umsatzsteuer und die allgemeinen Zuweisungen vonei-
nander unterscheiden, wobei der höchste Satz den niedrigsten um maximal 1/3
überschreiten darf. Von dieser Möglichkeit hat im Jahr 2011 allerdings nur der Saale-
kreis Gebrauch gemacht, der den Umlagesatz für die Gewerbesteuerkraft auf 46%,
den für die allgemeinen Zuweisungen auf 40% und für die übrigen Grundlagen auf
42% festgelegt hat.
6.5.2. Zur Bestimmung der Bedarfe auf der Kreisebene
Im Gegensatz zu den Gemeinden sind auf der Kreisebene aufgrund der geringen
Zahl von elf Landkreisen nicht so differenzierte Regressionsanalysen möglich, son-
dern sie müssen auf relativ wenige Einflussfaktoren beschränkt werden.
168
Dies sind die Fläche pro Einwohner, die Einwohner pro Fläche, die drei schon bei
den Gemeinden verwendeten Quoten der drei unterschiedlichen Altersstufen und die
Einwohnerentwicklung der letzten fünf Jahre. Hinzu kommt ein Indikator für die Ar-
beitsteilung zwischen den Landkreisen und ihren Gemeinden, nämlich der Anteil der
Landkreise an den konsolidierten Zuschussbedarfen V.
Die Regressionen werden auf der Ebene der Landkreise (ohne Gemeinden), der auf
Landkreisebene konsolidierten Gemeinden und konsolidierten Ebene von Landkrei-
sen und ihren Gemeinden durchgeführt.
Aufgrund der Feststellung auf der Gemeindeebene, dass eine dünne Besiedlung kei-
ne Be-, sondern vielmehr eine Entlastung bewirkt, wird diesem Aspekt auf der Kreis-
ebene besondere Beachtung geschenkt.
Dabei stellte sich heraus, dass auch auf der Kreisebene kein signifikanter Zusam-
menhang besteht und erneut die nichtsignifikanten Parameter – wie schon auf der
Gemeindeebene – negative Vorzeichen aufweisen, also tendenziell entlastend wir-
ken.
Eine Analyse der Einzelpläne führt nur vereinzelt zu signifikanten Zusammenhängen,
so dass auf eine Darstellung der Ergebnisse verzichtet werden soll. Auch auf der
Ebene der gesamten Zuschussbedarfe lassen sich nur wenige systematische Zu-
sammenhänge feststelle. Die wichtigsten Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle
zusammengefasst:
Tabelle 38:
Sowohl auf der Ebene der Landkreise (ohne Gemeinden), als auch der auf der Land-
kreisebene konsolidierten Gemeinden, ist nur der Einfluss der Quote des Kreises am
konsolidierten Zuschussbedarf hochsignifikant. Erwartungsgemäß besteht auf der
Kreisebene ein positiver und auf der Gemeindeebene ein negativer Zusammenhang.
Quote KreisEinwohner-
entwicklungabsolutes Glied
Konsolidiert 94,83% 100,00% 26,70%
-3.439 984
Kreisebene 99,95% 94,72% 88,83% 77,40%
1.388 -1.909 -218
Gemeindeebene 99,88% 94,12% 99,99% 74,80%
-1.072 -1.634 1.030
Signifikante Parameterwerte der Regressionsanalysen der
Rechnung 2010 der Zuschussbedarfe der Landkreise und
ihrer Gemeinden
169
Der Erkenntniswert dieser Feststellung ist allerdings sehr gering, denn auf der konso-
lidierten Ebene von Landkreisen und ihren Gemeinden hat die Arbeitsteilung zwi-
schen Landkreisen und ihren Gemeinden keinen Einfluss auf die Höhe der Zu-
schussbedarfe pro Einwohner.
Auf der konsolidierten Ebene gibt es überhaupt keinen Einflussfaktor, der für sich
genommen oder in Kombination mit anderen einen signifikanten Einfluss hat. Das
liegt allerdings auch daran, dass ein Niveau von 95% als Untergrenze gefordert ist,
denn in allen drei Regressionen übt der Rückgang der Einwohner einen bedarfsstei-
gernden Einfluss aus, der jeweils nur ganz knapp unter dem Signifikanzniveau von
95% bleibt.
Falls auf der Gemeindeebene bereits eine Demografiekomponente in das FAG auf-
genommen werden sollte, erscheint dies auf der Kreisebene allerdings nicht zusätz-
lich notwendig.
Im Gesamtergebnis lautet deshalb die Empfehlung, den flächenbezogenen Anteil der
Bedarfsberechnung für die allgemeinen Zuweisungen nicht mehr zu verwenden,
sondern im Kreisfinanzausgleich zukünftig alle Einwohner mit dem Faktor 1 zu be-
werten und keine weiteren Sonderbedarfe zu berücksichtigen.
6.5.3. Zur Bestimmung der Umlagekraft
Für die Bestimmung der Umlagekraft der Kreise sollte zunächst einmal, wie schon
bei der Steuerkraft der Gemeinden, das Prinzip einer möglichst zeitnahen Erfassung
der Umlagegrundlagen gelten. Um Schwankungen bei der Umlagebelastung der ein-
zelnen Gemeinden zu minimieren, sollten als Umlagegrundlagen eines Jahres die
allgemeinen Zuweisungen des gleichen Jahres und die zugrundeliegende Steuerkraft
einbezogen werden.
Zur Bestimmung der Umlagekraft sollte sinnvollerweise der gewichtete durchschnitt-
liche Umlagesatz des Vorjahres verwendet werden. Falls es allerdings gleichzeitig zu
einer Anhebung (oder gar Senkung) der fiktiven Hebesätze für die Realsteuern
kommen sollte, wäre eine entsprechende Korrektur notwendig.
Da die tatsächlichen Umlagesätze im Jahr 2012 kaum unter 40% absinken dürften,
führt der fiktive Umlagesatz von 35% im FAG 2012 zu einer Umverteilung zu Lasten
umlageschwacher und zu Gunsten umlagestarker Kreise. Eine solche, eigentlich gar
nicht gewollte Umverteilung sollte zukünftig vermieden werden.
Nicht allzu sehr überzeugen kann auch die bisherige Möglichkeit, bei der Festset-
zung der Kreisumlage zwischen den verschiedenen Umlagegrundlagen zu differen-
zieren. Zwar handelt es sich dabei um eine selbstverwaltungsfreundliche Regelung,
aber bis auf einen, macht kein Landkreis davon Gebrauch und es besteht die Gefahr,
dass es zu erheblichen Belastungsunterschieden zwischen Gemeinden mit gleicher
170
Leistungsfähigkeit kommen könnte. Auch hierin kann man durchaus ein verfassungs-
rechtliches Risiko sehen.
6.5.4. Zur Festlegung der Ausgleichsquote
Im kommunalen Finanzausgleich besteht aus guten und auch verfassungsrechtlich
abgesicherten Gründen ein Nivellierungs- und erst recht ein Übernivellierungsverbot.
Unterhalb des Nivellierungsverbotes hat der Landesgesetzgeber aber einen weiten
Spielraum.
Er muss dabei darauf achten, auch die Vorgaben des Artikels 88 Abs. 2 der Landes-
verfassung in angemessener Weise umzusetzen. Im Bereich der Gemeinden ist eine
Ausgleichsquote von (nur) 70% dann vertretbar, wenn für extrem steuerschwache
Gemeinden eine zusätzliche Aufstockung erfolgt.
Dass auch auf der Kreisebene eine Beschränkung der Ausgleichsquote auf 70% er-
folgt, ist (im Gegensatz zur Gemeindeebene) kaum damit begründbar, dass auch die
Landkreise einen ausreichenden Anreiz zur Pflege der Besteuerungsgrundlagen der
Gemeinden benötigen.
Tabelle 39:
Da die Landkreise von den Folgen einer schlechten Wirtschaftsförderungs- und An-
siedlungspolitik auf der Ausgabenseite durch höhere Soziallasten erheblich betroffen
werden und Einwohnerabwanderungen (aufgrund eines Mangels an Arbeitsplätzen)
LandkreisZuweisungen in
Euro
relative
Finanzkraft pro
Bedarfseinheit in
% vom
Durchschnitt
Zuweisungen in
Euro
relative
Finanzkraft pro
Bedarfseinheit in
% vom
Durchschnitt
Differenz in
Euro
Altmarkkreis Salzwedel 14.905.307 97,72% 15.803.222 99,20% 897.915
Anhalt-Bitterfeld 24.052.821 100,09% 23.989.505 100,03% -63.316
Börde 19.872.139 103,17% 17.472.668 101,11% -2.399.471
Burgenlandkreis 22.852.721 102,18% 21.097.896 100,76% -1.754.825
Harz 33.932.683 98,97% 34.926.749 99,64% 994.066
Jerichower Land 15.564.237 97,73% 16.497.909 99,21% 933.672
Mansfeld-Südharz 23.352.051 97,91% 24.653.216 99,27% 1.301.165
Saalekreis 21.944.356 102,89% 19.586.340 101,01% -2.358.016
Salzlandkreis 29.873.533 99,36% 30.425.406 99,78% 551.873
Stendal 20.114.089 97,54% 21.407.112 99,14% 1.293.023
Wittenberg 20.431.071 98,96% 21.034.984 99,64% 603.913
Summe 246.895.008 100,00% 246.895.008 100,00% 0
Ausgleichsquote: 70% Ausgleichsquote: 90%
Auswirkungen einer Erhöhung der Ausgleichsquote im
Kreisfinanzausgleich im FAG 2012 von 70% auf 90% und des
fiktiven Umlagesatzes von 35% auf 40%
171
unmittelbar auf die Einnahmen durchschlagen, darf erwartet werden, dass eine höhe-
re Ausgleichsquote keine schädlichen Wirkungen entfalten würde.
Das Land muss ja nicht so weit gehen, wie das Land Nordrhein-Westfalen, das auf
der Kreisebene sogar einen vollständigen Ausgleich vornimmt, aber eine Erhöhung
der Quote auf 80 – 90% dürfte die Vorgabe des Artikels 88 Abs. 2 der Landesverfas-
sung deutlich besser umsetzen als die jetzige Ausgleichsquote von 70%. Zugleich
sollte auch der fiktive Umlagesatz von 35% auf den Durchschnittswert, der bei rd.
40% liegt, angehoben werden. Mit Hilfe der obigen Simulationsrechnung lassen sich
die Auswirkungen dieser Veränderungen recht gut abschätzen.
6.6. Zur Aufteilung der Schlüsselmasse im kreisangehörigen
Raum auf Gemeinden und Landkreise
Bei der Aufteilung einer gegebenen Schlüsselmasse im kreisangehörigen Raum auf
Kreise und kreisangehörige Gemeinden sind mehrere Aspekte zu beachten.
Zum Ersten stellt sich die Frage, ob es so etwas wie eine natürliche oder psychologi-
sche Obergrenze für die Höhe der Kreisumlagesätze gibt.
Zum Zweiten ist zu entscheiden, ob Landkreise einen verfassungsrechtlichen An-
spruch erheben können, neben der Finanzierung des übertragenen Wirkungskreises
auch noch eigene Schlüsselzuweisungen zu erhalten und nicht nur auf die Umlage
angewiesen zu sein.
Zum Dritten muss das Land bewerten, ob die angemessene Umsetzung des Artikels
88 Abs. 2 der Landesverfassung hinter dem Anspruch der Landkreise auf eine direk-
te Finanzierung ihrer Aufgaben durch Schlüsselzuweisungen zurückstehen darf.
Und zum Vierten muss sich das Land mit der Frage auseinandersetzen, ob die
Landkreise bei leistungsunfähigen einzelnen Gemeinden in Form von gezielten
Sachleistungen einen eigenen kreisinternen Finanzausgleich organisieren dürfen.
Das jüngste Urteil des Verfassungsgerichts Rheinland-Pfalz geht auf einen Teil die-
ser Fragestellungen ein20. Der Saldo der Einnahmen und Ausgaben bei den Land-
kreisen in Rheinland-Pfalz wies im Zeitraum von 2001 bis 2007 ein Defizit von 2,3
Mrd. Euro und bei den kreisangehörigen Gemeinden und Verbandsgemeinden einen
Überschuss von 2,2 Milliarden Euro aus21 und die Hebesätze der Gemeinden in
Rheinland-Pfalz sind auch jetzt noch im Ländervergleich unterdurchschnittlich22.
Trotz dieser unbestrittenen Sachlage stoßen nach Meinung des Gerichts die zum
Ausgleich der Kreishalte notwendigen „Kreisumlagesätze von über 50 v.H. oder gar
20
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Februar 2012, VGH N 3/11 21
Ebenda, S. 25 22
Ebenda, S. 33
172
über 60 v.H. an die Grenze des finanzpsychologisch Erträglichen“23. In der Konse-
quenz hält der Verfassungsgerichtshof die jetzige Verteilung zwischen Kreisen und
kreisangehörigen Gemeinden für verfassungswidrig und fordert das Land zu einer
entsprechenden Korrektur auf.
Aus dem Urteil ist dabei nicht ersichtlich, ob sich das Verfassungsgericht dabei auch
mit der Frage auseinandergesetzt hat, welche Konsequenzen sich aus einer Umver-
teilung von Schlüsselmasse zugunsten der Kreise und zulasten der kreisangehörigen
Gemeinden auf die Ausgleichswirkung zwischen den kreisangehörigen Gemeinden
ergeben.
Auch die Konsequenz, dass die durch das Urteil in ihrer Position gestärkten Land-
kreise den besonders steuerschwachen Gemeinden, die durch eine solche Umvertei-
lung ihre Leistungsfähigkeit verlieren, dann nicht mehr finanzierbare Aufgaben (ger-
ne) abnehmen dürften, ist in dem Urteil nicht erwähnt. Mit der Frage, ob eine solche
durch die Schlüsselmassenverlagerung fast schon erzwungene Aufgabenwanderung
von der Gemeinde- zur Kreisebene verfassungsrechtlich als unbedenklich anzuse-
hen ist, dürfte sich das Gericht wohl auch nicht befasst haben.
Dennoch muss zur Kenntnis genommen werden, dass der Landesgesetzgeber bei
der Aufteilung der Schlüsselmasse zukünftig nicht (mehr) argumentieren kann, dass
die Landkreise sich (wenn die Gemeinden angemessen finanziert sind), ihrerseits
über die Kreisumlage refinanzieren können, wenn dies zu Umlagesätzen führen wür-
de, die oberhalb einer „psychologischen Schwelle“ liegen. Hier stoßen ganz offen-
sichtlich systematische finanzwissenschaftliche Überlegungen und verfassungsrecht-
liche Erwägungen hart aufeinander.
Um ein mögliches verfassungsrechtliches Risiko zu vermeiden, kann deshalb dem
Landesgesetzgeber (leider) nicht empfohlen werden, die Aufteilung der Schlüssel-
masse im kreisangehörigen Raum zu Gunsten der Gemeinden und damit im Sinne
einer intensiveren Umsetzung der Vorgaben des Artikels 88 Abs. 2 der Landesver-
fassung zu verändern.
Von daher kann eigentlich nur empfohlen werden, das System der getrennten Erfas-
sung der Finanzbedarfe der kreisangehörigen Gemeinden einerseits und der Land-
kreise andererseits konsequent beizubehalten. Das heißt, dass die im Alternativmo-
dell (Tabelle 27) dargestellte Systematik auch für die Berechnung der jeweiligen all-
gemeinen Zuweisungen beibehalten wird.
In der Tabelle 40 wird (identisch mit der Tabelle 27) insgesamt dargestellt, wie die
Ermittlung der allgemeinen Zuweisungen innerhalb der kommunalen Gruppen statt-
findet, wobei im Vorgriff auf das Unterkapitel zur Finanzausgleichsumlage auch be-
reits die Konsequenzen einer allgemeinen Finanzausgleichsumlage auf das jeweilige
Volumen der allgemeinen Zuweisungen berechnet ist.
23
Ebenda, S. 27
173
Tabelle 40:
Jahr 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Einwohner 2.298.231 2.274.482 2.251.256 2.227.822 2.203.787 2.179.133 2.153.928 2.128.189 2.101.429
KF 548.672 547.113 545.410 543.437 541.157 538.628 535.874 532.912 529.681
KA 1.749.560 1.727.369 1.705.846 1.684.385 1.662.630 1.640.504 1.618.054 1.595.278 1.571.748
Preisindex (in Sachsen-Anhalt) 111,9 113,5 115,2 117,0 118,7 120,5 122,3 124,1 126,0
Zuschussbedarf IV 3.102.136 3.117.594 3.133.448 3.148.703 3.162.788 3.175.647 3.187.335 3.197.827 3.206.351
KF 887.126 897.875 908.506 918.798 928.667 938.192 947.396 956.292 964.751
KA 2.215.010 2.219.719 2.224.942 2.229.905 2.234.120 2.237.455 2.239.938 2.241.535 2.241.600
K 777.599 779.252 781.086 782.828 784.308 785.478 786.350 786.911 786.933
G 1.437.411 1.440.467 1.443.857 1.447.077 1.449.813 1.451.977 1.453.588 1.454.624 1.454.666
Steuern 1.322.823 1.372.958 1.430.095 1.486.018 1.542.306 1.582.406 1.623.549 1.665.761 1.709.071
KF 349.615 362.865 377.966 392.747 407.623 418.221 429.095 440.252 451.698
KA 973.208 1.010.093 1.052.129 1.093.272 1.134.683 1.164.185 1.194.454 1.225.509 1.257.373
Steuerkraft 1.322.823 1.373.836 1.431.975 1.488.879 1.546.153 1.586.956 1.628.820 1.671.772 1.715.841
KF 349.615 362.494 377.173 391.540 406.000 416.302 426.872 437.716 448.842
KA 973.208 1.011.342 1.054.802 1.097.339 1.140.153 1.170.654 1.201.949 1.234.056 1.266.999
lfd. Nettozuweisungen außerhalb des
FAG 586.463 604.769 627.841 637.258 646.817 656.519 666.367 676.363 686.508
KF 173.650 179.071 185.902 188.691 191.521 194.394 197.310 200.270 203.274
KA 412.812 425.698 441.938 448.567 455.296 462.125 469.057 476.093 483.234
K 391.874 404.106 419.522 425.815 432.202 438.685 445.266 451.945 458.724
G 20.939 21.592 22.416 22.752 23.094 23.440 23.792 24.148 24.511
Summe des angemessenen
Zuschussbedarfs IV (+ ant. 2.
Funktionalreformgesetz + anteilig 51,6
Mio. Euro aus SGB II + anteilig 31,8
Mio. Euro aus Ausbildungsverkehr)
3.104.922 3.143.987 3.134.990 3.144.127 3.158.344 3.171.280 3.182.990 3.193.470 3.201.946
Anteil KF (127% pro Einwohner) 884.391 901.885 905.358 913.843 923.713 933.225 942.401 951.260 959.674
Anteil KA (100% pro Einwohner) 2.220.531 2.242.102 2.229.632 2.230.284 2.234.630 2.238.056 2.240.589 2.242.210 2.242.272
Anteil K 801.788 798.612 787.908 782.961 784.487 785.689 786.579 787.148 787.169
Anteil G 1.418.743 1.443.490 1.441.724 1.447.323 1.450.144 1.452.366 1.454.010 1.455.062 1.455.103
Summe angemessenes lfd. FAG 1.195.637 1.165.382 1.075.174 1.017.990 965.373 927.805 887.803 845.335 799.597
Anteil KF 361.126 360.319 342.282 333.613 326.192 322.529 318.219 313.274 307.558
Anteil KR 834.510 805.062 732.892 684.378 639.181 605.276 569.583 532.060 492.039
Anteil K 409.914 394.506 368.385 357.146 352.284 347.004 341.313 335.203 328.446
Anteil G 424.596 410.556 364.506 327.232 286.897 258.272 228.270 196.857 163.593
Auftragskostenpauschale 360.169 361.930 363.739 365.479 367.084 368.546 369.873 371.060 372.018
Anteil KF (Basiswert 173,74 Euro) 99.681 100.888 102.083 103.239 104.348 105.419 106.453 107.452 108.403
Anteil KR 260.488 261.042 261.656 262.240 262.736 263.128 263.420 263.608 263.615
Anteil K (Basiswert 78,51 Euro) 143.632 143.938 144.276 144.598 144.871 145.088 145.249 145.352 145.356
Anteil G (Basiswert 62,93 Euro) 116.856 117.104 117.380 117.642 117.864 118.040 118.171 118.255 118.259
Sonstige steuerkraftunabhängige
Zuweisungen181.084 182.063 183.063 184.025 184.918 185.740 186.493 187.177 187.748
Anteil KF (Basiswert 102,13 Euro) 59.474 60.195 60.908 61.598 62.259 62.898 63.515 64.111 64.679
Anteil KR 121.610 121.868 122.155 122.427 122.659 122.842 122.978 123.066 123.069
Anteil K (Basiswert 65,49 Euro) 121.610 121.868 122.155 122.427 122.659 122.842 122.978 123.066 123.069
Anteil G 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Tilgungszuweisung 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562 188.562
Anteil KF 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499 38.499
Anteil KR 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063 150.063
Anteil K 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786 41.786
Anteil G 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277 108.277
Investitionspauschale 128.041 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000 125.000
Anteil KF 32.010 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250 31.250
Anteil KR 96.031 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750 93.750
Anteil K 25.608 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000 25.000
Anteil G 70.423 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750 68.750
Allgemeine Zuweisungen (ohne FAG-
Umlage)842.945 809.950 716.934 657.048 601.933 562.080 519.998 475.659 428.392
Anteil KF 240.470 237.735 217.790 207.274 198.083 192.711 186.750 180.209 172.975
Anteil KR 602.476 572.215 499.144 449.773 403.850 369.369 333.248 295.450 255.417
Anteil K 186.458 170.486 143.740 131.906 126.540 120.860 114.872 108.570 101.805
Anteil G 416.018 401.729 355.404 317.868 277.310 248.509 218.377 186.880 153.612
Allgemeine Zuweisungen (mit FAG-
Umlage von 25%)1.173.651 1.153.409 1.074.928 1.029.267 988.471 958.819 927.203 893.602 857.353
Anteil KF 327.873 328.358 312.083 305.159 299.583 296.786 293.468 289.638 285.186
Anteil KR 845.778 824.738 762.176 723.091 687.521 660.416 631.862 601.827 569.760
Anteil K 186.458 170.486 143.740 131.906 126.540 120.860 114.872 108.570 101.805
Anteil G 659.320 654.252 618.436 591.186 560.981 539.556 516.990 493.257 467.955
Bedarfszuweisungen 20.000 40.000 50.000 60.000 60.000 60.000 60.000 60.000 60.000
FAG-Volumen (ohne Umlage) 1.532.239 1.518.943 1.438.736 1.391.552 1.338.935 1.301.366 1.261.364 1.218.896 1.173.158
Modellberechnung der lfd. und investiven Zuweisungen des Landes an die kreisfreien Städte, Landkreise
und kreisangehörigen Gemeinden im vereinfachten Alternativmodell mit real konstanter Fortschreibung
der Finanzbedarfe im Zeitraum von 2012 bis 2020
- in 1000 Euro -
174
Mit diesem Schema kann somit die gesamte Ermittlung und Verteilung der Finanz-
ausgleichsmasse auf die kommunalen Gruppen und die einzelnen „Töpfe“ dargestellt
werden.
6.7. Die Finanzierung der Verbandsgemeinden
6.7.1. Das bisherige Verfahren
Die Rechnungsergebnisse des Jahres 2010 zeigen, dass sich die Gewichte in der
Arbeitsteilung so darstellen, dass im Durchschnitt etwa 80% des Zuschussbedarfs V
auf der Ebene der Verbandsgemeinde und nur noch 20% in den zugehörigen Ge-
meinden entstehen, wobei es allerdings zwischen den Verbandsgemeinden erhebli-
che Unterschiede gibt.
Das Spektrum der Quoten, die auf der Ebene der Verbandsgemeinde wahrgenom-
men wird, liegt zwischen 68% in der VG Mansfelder Grund-Helbra und 96% in der
VG Weida-Land. Der Korrelationskoeffizient zwischen der Quote und dem konsoli-
dierten Zuschussbedarf pro Einwohner liegt mit -0,6 auf einem sehr beachtlichen Ni-
veau. Der Zusammenhang weist somit ein statistisches Signifikanzniveau von 99,6%
auf. Es darf erwartet werden, dass die durchschnittliche Quote eher noch weiter an-
steigt.
Die Zuschussbedarfe der Verbandsgemeinden werden vom Land direkt nur durch die
Auftragskostenpauschale in Höhe von rd. 40 Euro pro Einwohner finanziert. Dazu
kommen die über Kreise ausgezahlten Zuschüsse für die Betreuung in Kindertages-
stätten, die im Durchschnitt bei rd. 117 Euro liegen. Die restlichen durchschnittlich rd.
275 Euro pro Einwohner werden überwiegend durch die Verbandsgemeindeumlage
finanziert. Diese dürfte somit im Durchschnitt rd. 45% betragen.
Zusammen mit der Kreisumlage, die im Durchschnitt bei rd. 40% liegt, verbleiben
somit nach den Umlagen im Durchschnitt nur etwa 15% der Finanzkraft. Aufgrund
der zeitverzögerten Erfassung der Umlagegrundlagen kann es im jetzigen System
allerdings auch schnell passieren, dass die Summe der Umlagesätze zwar noch ein
Stück von 100% entfernt ist, die abzuführende Umlage aber dennoch höher ausfällt
als die Summe aus den aktuellen Steuereinnahmen und allgemeinen Zuweisungen.
Bei einer zeitnahen Abrechnung dürften solche Fälle (bei sparsamen und effizienten
Verhalten von Landkreis und Verbandsgemeinde) nur noch ausnahmsweise auftre-
ten. Dennoch werden die kumulierten Belastungen aus der Kreis- und der Verbands-
gemeindeumlage vielerorts als unerträglich empfunden. Deshalb steht der Frage im
Raum, ob die Finanzierung der Verbandsgemeinden nicht so verändert werden kann,
dass die Umlagesätze nicht mehr ganz so hoch wie bisher ausfallen müssen.
175
Tabelle 41:
Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt
6.7.2. Überprüfung von Alternativen
Wenn die Standardalternative einer extrem sparsamen Haushaltsführung auf der
Ebene der Kreise und Verbandsgemeinden als ausgereizt anzusehen ist, muss die
Frage gestellt werden, ob möglicherweise eine mangelhafte Umsetzung des Artikels
88 Abs. 2 als Ursache für die finanzielle Überlastung der Mitgliedsgemeinden in eini-
gen, aber bei weitem nicht allen Verbandsgemeinden anzusehen ist.
Dabei soll zunächst überprüft werden, ob die im politischen Raum stehenden Vor-
schläge, als Empfänger der allgemeinen Zuweisungen direkt die Verbandsgemein-
den und nicht mehr die Mitgliedsgemeinden festzulegen, zu einer Entspannung der
Situation führen kann.
konsolidiertzugehörige
Gemeinden
Verbands-
gemeinde
Quote der
VG
Beetzendorf-Diesdorf 416 30 386 93%
Elbe-Heide 552 143 409 74%
Flechtingen 512 60 453 88%
Obere Aller 465 56 409 88%
Westliche Börde 551 55 496 90%
An der Finne 536 125 411 77%
Droyßiger-Zeitzer Forst 640 162 479 75%
Unstruttal 561 161 400 71%
Wethautal 673 201 472 70%
Vorharz 528 109 420 80%
Goldene Aue 520 46 473 91%
Mansfelder Grund-Helbra 543 174 369 68%
Weida-Land 501 19 482 96%
Egelner Mulde 869 247 622 72%
Saale-Wipper 567 126 441 78%
Arneburg-Goldbeck 452 81 370 82%
Elbe-Havel-Land 492 82 409 83%
Seehausen 466 71 395 85%
Durchschnitt 544 110 434 80%
Zuschussbedarfe V insgesamt pro
Einwohner in der Rechnung 2010 der
Verbandsgemeinden
176
Um die konkreten Auswirkungen zu überprüfen, soll eine solche Maßnahme am Bei-
spiel der besonders steuerschwachen und (auf der Gemeindeebene) hoch verschul-
deten Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra analysiert werden.
Die dabei verwendeten Daten sind weitgehend mit denen im FAG 2012 identisch.
Zur Vereinfachung, aber auch um zusätzliche Störungen zu eliminieren, wird davon
ausgegangen, dass sowohl für die Verbandsgemeindeumlage, als auch für die
Kreisumlage die Summe aus der im FAG 2012 einbezogenen Steuerkraft (des Jah-
res 2010) und der allgemeinen Zuweisungen im FAG 2012 als Umlagegrundlagen
verwendet werden.
Der Umlagesatz des Landkreises Mansfeld-Südharz von 48,41% entspricht dem im
1. Nachtragshaushalt für das Jahr 2012 des Landkreises festgelegten Satz und die
Umlage von 4.199.500 Euro bei der Verbandsgemeinde ist der Planungswert für das
Jahr 2012.
Da die Auftragskostenpauschale von 648.473 Euro der VG zufließt, beträgt der ge-
samte Finanzierungsbedarf der VG 4.847.973 Euro bzw. 302 Euro pro Einwohner.
Für die Simulation wird unterstellt, dass dieser Finanzierungsbedarf fix ist und der
Umlagesatz jeweils so verändert wird, dass die VG in der Gesamtsumme jeweils ge-
nau diesen Betrag erzielt.
Sofern unter den Mitgliedsgemeinden alle allgemeine Zuweisungen erhalten, ändert
sich durch die Verlagerung nichts an der Höhe der Zuweisungen. Falls einzelne Mit-
gliedsgemeinden im jetzigen System abundant sind, reduzieren sich dagegen die
Zuweisungen um etwas mehr als 70% des abundanten Anteils der Steuerkraft dieser
Gemeinden. Mit dem „etwas mehr“ soll ausgedrückt werden, dass sich der Grundbe-
trag im FAG durch den Wegfall der Abundanz einer Gemeinde leicht verringert.
Erwartungsgemäß sinkt nach dieser Operation der notwendige Umlagesatz der Ver-
bandsgemeinde von 47,41% auf 42,09% deutlich ab. Da allerdings kein zusätzliches
Geld in die Verbandsgemeinde fließt, ändern sich die nach der Kreis- und Verbands-
gemeindeumlage noch verfügbaren Mittel der Mitgliedsgemeinden in der Summe
nicht. Sie betragen nach wie vor im Durchschnitt lediglich 23 Euro pro Einwohner.
Die Verteilung unter den Mitgliedsgemeinden hat sich allerdings deutlich verändert.
Die sechs steuerschwächeren Gemeinden verlieren zwischen 12% (Ahlsdorf) und
30% (Bornstedt) ihrer Mittel und die beiden (relativ) steuerstärkeren Gemeinden Hel-
bra (+23%) und Klostermansfeld (+26%) gewinnen deutlich hinzu.
Der psychologische Vorteil einer niedrigeren Verbandsgemeindeumlage bringt also
den Mitgliedsgemeinden im Durchschnitt keinen finanziellen Vorteil, verschärft dafür
aber dafür nochmals die dramatische Finanzsituation der steuerschwächeren Ge-
meinden.
177
Es darf deshalb erheblich bezweifelt werden, ob ein solch offensichtlicher Verstoß
gegen den Artikel 88 Abs. 3 der Landesverfassung im Verhältnis der Mitgliedsge-
meinden untereinander, noch hinnehmbar wäre.
Wenn man dennoch einen solchen Weg gehen will, dann gibt es zwei Möglichkeiten.
Bei der ersten muss in einem vorgelagerten Finanzausgleichsverfahren dafür gesorgt
werden, dass die Steuerkraft aller steuerschwachen Gemeinden zumindest so weit
aufgestockt wird, dass es keine Ausreißer nach unten mehr gibt.
Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass die Verbandsgemeinde ihrerseits das
Recht erhält, einen eigenständigen Finanzausgleich zwischen den Mitgliedsgemein-
den durchzuführen. Dies schließt insbesondere eine Höherbelastung der steuerstar-
ken Gemeinden ein.
Im Ansatz finden sich entsprechende Regelungen in den kommunalen Finanzaus-
gleichen von Niedersachsen und von Rheinland-Pfalz. In Niedersachsen erhalten die
Samtgemeinden an Stelle ihrer Mitgliedsgemeinden die Schlüsselzuweisungen. Um
den Ausgleich zwischen den Mitgliedsgemeinden zu ermöglichen gilt folgende Re-
gel:24
Die Samtgemeinde ist im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, mit
den Schlüsselzuweisungen die Finanzkraft ihrer Mitgliedsgemeinden so
auszugleichen, dass diese bei angemessener Ausschöpfung ihrer Einnah-
mequellen ihre Aufgaben erfüllen können. 2 Für den Ausgleich kann auch
die die Bedarfsmesszahl überschreitende Steuerkraft von Mitgliedsgemein-
den in Anspruch genommen werden, soweit sie nicht durch Umlagen er-
fasst wird.
In Rheinland-Pfalz wird dagegen der Weg gegangen, dass zunächst für alle Ge-
meinden die Steuerkraft auf 75% des Landesdurchschnitts aufgestockt wird. Da da-
bei auch die höhere Steuerkraft der kreisfreien Städte einbezogen wird, ergibt sich
innerhalb des kreisangehörigen Raums eine relativ starke Ausgleichswirkung.
Neben dieser Aufstockung erhalten die Ortsgemeinden in Rheinland-Pfalz keine
Schlüsselzuweisungen, sondern diese werden auf der Ebene der Verbandsgemein-
den verteilt.
Im Gegensatz zu den Kreisen, die sogar progressiv gestaffelte Umlagesätze erheben
dürfen, ist es den Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz, wie auch bereits in Sach-
sen-Anhalt, lediglich erlaubt, in einer gewissen Bandbreite für die einzelnen Umlage-
grundlagen unterschiedliche Umlagesätze festlegen. Einen Finanzausgleich zwi-
schen den Ortsgemeinden dürfen sie dagegen nicht organisieren25.
24
NFAG NI, § 6 Abs.2 25
Vgl. LFAG RP, §§ 8, 9, 25 und 26
178
Tabelle 42:
Einwoh-
ner
Bedarf
im FAG
2012
Steuer-
kraft
allg.
Zuwei-
sungen
bisher
Finanz-
kraft
VG-
Umlage
bisher
Kreis-
Umlage
bisher
Finanzkraft
nach
Umlagen
bisher
Auftrags-
kosten-
pauschale
Finanzkraft
nach
Umlagen und
AKP bisher
allg.
Zuwei-
sungen
an VG
neu
Kreis-
Umlage
neu
VG-
Umlage
neu
Finanz-
kraft nach
Umlagen
und AKP
neu
Gewinne
/Verluste
Umlagesätze 47,41% 48,41% 48,41%
42,09%
anstatt
47,41%
Ahlsdorf 1.744 674 232 309 541 257 262 23 0 23 0 112 100 20 -3
Benndorf 2.251 674 189 340 528 250 256 22 0 22 0 91 81 16 -6
Blankenheim 1.342 674 218 319 537 255 260 22 0 22 0 106 94 19 -4
Bornstedt 851 674 178 347 525 249 254 22 0 22 0 86 77 15 -7
Helbra 4.305 674 342 232 574 272 278 24 0 24 0 166 147 29 5
Hergisdorf 1.706 674 207 327 534 253 258 22 0 22 0 100 89 18 -4
Klostermansfeld 2.560 674 356 223 578 274 280 24 0 24 0 172 153 31 6
Wimmelburg 1.280 674 230 311 541 256 262 23 0 23 0 111 99 20 -3
Summe der Gemeinden 16.039 674 268 284 552 262 267 23 0 23 0 130 115 23 0
VG Mansfelder Grund-Helbra 16.039 0 0 0 0 262 0 262 40 302 284 137 115 302 0
anteilige Kreisumlage (48,41%) 16.039 0 0 0 0 0 267 267 0 267 0 267 0 267 0
- in Euro pro Einwohner -
Konsequenzen einer direkten Vergabe der allgemeinen Zuweisungen an die Verbandsgemeinden auf die Höhe der
Umlage und die Finanzkraft der Mitgliedsgemeinden am Beispiel der VG Mansfelder Grund-Helbra
179
Insgesamt können weder die Regelungen in Niedersachsen, noch die in Rheinland-
Pfalz inhaltlich wirklich voll überzeugen. Vorstellbar wäre deshalb allenfalls eine
Kombination aus einer deutlichen Aufstockung der Steuerkraft bei steuerschwachen
Gemeinden in Verbindung mit der Möglichkeit, durch progressiv gestaltete Umlage-
sätze einen verbandsgemeindeinternen Finanzausgleich zu organisieren.
Auf keinen Fall reicht es aus, nur eine schlichte Verlagerung der allgemeinen Zuwei-
sungen auf die Ebene der Verbandsgemeinde vorzunehmen.
Die den Mitgliedsgemeinden in der VG Mansfelder Grund-Helbra nach den Umlagen
noch verbleibenden Mittel reichen mit durchschnittlich 23 Euro pro Einwohner bei
weitem nicht aus, um ein Mindestmaß von kommunalen Aufgaben wahrzunehmen.
Deshalb hat es wenig Sinn, nach Wegen zu suchen, die keine zusätzlichen Mittel
erbringen, sondern stattdessen die Ungleichheit unter den Gemeinden nur noch zu-
sätzlich verschärfen.
Eine nähere Analyse der spezifischen Situation zeigt, dass der Landkreis Mansfeld-
Südharz mit einem Zuschussbedarf V in der Jahresrechnung 2010 von 588 Euro pro
Einwohner um 6,5% unter dem Durchschnitt der Landkreise bleibt und die (konsoli-
dierte) Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra mit 643 Euro pro Einwohner
ebenfalls noch ganz knapp unter dem Durchschnitt der Verbandsgemeinden liegt.
Da sich alleine die Zinslast der VG mit 82 Euro pro Einwohner mehr als doppelt so
hoch auftürmt wie im Durchschnitt der konsolidierten Verbandsgemeinden mit 35 Eu-
ro, erscheint es in absehbarer Zeit kaum möglich, die durchschnittlichen Zuschuss-
bedarfe anderer Verbandsgemeinden so stark zu unterschreiten, dass ein Haushalts-
ausgleich möglich wird.
Bei Realsteuereinnahmen in der VG von lediglich 143 Euro pro Einwohner und bis-
her nur durchschnittlichen Hebesätzen würde selbst eine drastische Erhöhung der
Steueranspannung bei weitem nicht ausreichen, um die finanzielle Handlungsfähig-
keit wiederherzustellen.
An dieser Stelle muss deshalb erneut die Grundsatzfrage gestellt werden, ob das
horizontale Verteilungssystem in Sachsen-Anhalt in der jetzigen Form den Vorgaben
des Artikels 88 Abs. 3 der Landesverfassung noch genügt.
Es kann nämlich am Beispiel der VG Mansfelder Grund-Helbra sehr gut verdeutlicht
werden, dass eine Beachtung und Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben
und der in dieser Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse durchaus geeignet ist,
auch in diesem, fast hoffnungslos erscheinenden Fall, für Abhilfe zu sorgen. Auf-
grund der bisherigen Analysen sind im horizontalen Finanzausgleich zwischen den
kreisangehörigen Gemeinden drei Auffälligkeiten anzusprechen. Zum Ersten wird für
Gemeinden bis 20.000 Einwohnern die Auftragskostenpauschale auf Grund eines
systematischen Fehlers mit gut 40 Euro um rd. 19 Euro pro Einwohner zu niedrig
ausgewiesen, ohne dass es dafür an anderer Stelle, nämlich bei den allgemeinen
Zuweisungen, einen Ausgleich gibt.
180
Denn dadurch, dass die allgemeinen Zuweisungen aller vier kommunalen Gruppen
am Ende des Verteilungsverfahrens wieder (ohne Not) in einen Topf geworfen wer-
den und auf die dann nur noch drei kommunalen Gruppen nach festen Quoten ver-
teilt werden, kann es zu keinem Ausgleich des systematischen Fehlers bei der Be-
stimmung der Auftragskostenerstattung mehr kommen.
Zum Zweiten werden die kleineren Gemeinden in besonderer Weise durch den bis-
herigen Hauptansatz benachteiligt. Im Durchschnitt führt dies bei Gemeinden mit bis
zu 8.000 Einwohnern zu allgemeinen Zuweisungen, die um 15 Euro pro Einwohner
geringer ausfallen als bei einem Wegfall der einwohnerabhängigen Progression.
Zum Dritten führt die einheitliche Ausgleichsquote von 70% dazu, dass sehr steuer-
schwache Gemeinden nur eine Finanzkraft pro Bedarfseinheit von weniger als 85%
(Bornstedt 82,8%) erreichen können. Eine Aufstockung um 80% der Differenz zu
80% der durchschnittlichen Steuerkraft pro Bedarfseinheit (bzw. Einwohner) würde
die Finanzkraft sehr steuerschwacher Gemeinden um bis 34 Euro pro Einwohner
verbessern.
Bei der steuerschwachen Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra würden die-
se drei Korrekturen (vor der Kreisumlage) zu Verbesserungen von 48 Euro pro Ein-
wohner führen. Davon entfallen 29 Euro auf die Mitgliedsgemeinden und 19 Euro
(aus der korrigierten Auftragskostenpauschale) auf die Verbandsgemeinde.
Diese 19 Euro und die erhöhten Umlagegrundlagen würden es ermöglichen, die Ver-
bandsgemeindeumlage von 47,41% auf 41,74% abzusenken.
Unterstellt man zunächst noch, dass der Kreisumlagesatz unverändert bliebe, müs-
sen die Gemeinden 48,41% des Erhöhungsbetrags der allgemeinen Zuweisungen
bzw. 13 Euro pro Einwohner an den Kreis abführen. Im Durchschnitt verbliebe den-
noch ein Mehrbetrag von 34 Euro pro Einwohner, so dass sich die nach den Umla-
gen noch verfügbare Finanzkraft von 28 Euro auf 62 Euro pro Einwohner mehr als
verdoppeln würde.
Wenn nun zusätzlich auch noch die in dieser Untersuchung vorgelegten Vorschläge
für den Kreisfinanzausgleich umgesetzt würden, käme es zu einer weiteren Verbes-
serung der Situation.
Würden die in der Tabelle 39 dargestellten Maßnahmen einer Erhöhung des fiktiven
Umlagesatzes von 35% auf 40% und der Ausgleichsquote von 70% auf 90% umge-
setzt, würden sich die allgemeinen Zuweisungen für den Landkreis Mansfeld-Süd-
harz um 1,3 Mio. Euro bzw. knapp 9 Euro pro Einwohner erhöhen. Eine dadurch
mögliche Absenkung der Kreisumlage würde in den Mitgliedsgemeinden der VG zu
einer weiteren Verbesserung der nach den Umlagen noch verfügbaren Finanzkraft
auf 71 Euro pro Einwohner führen.
181
Tabelle 43:
Einwoh-
ner
Bedarf
im FAG
2012
Steuer-
kraft
allg.
Zuwei-
sungen
bisher
Finanz-
kraft
VG-
Umlage
bisher
Kreis-
Umlage
bisher
Finanzkraft
nach
Umlagen
bisher
Auftrags-
kosten-
pauschale
Finanzkraft
nach
Umlagen
und AKP
bisher
Aufstockung allg.
Zuweisungen wg.
Steuerschwäche
Höhere
Zuweisungen
wg. Wegfall des
Hauptansatzes
Höhere AKP wg.
Beseitigung des
Systemfehlers bei
Gemeinden unter
20.000 Einwohner
Verän-
derung
der VG-
Umlage
Zusätzliche
Kreisumlage
wg. höherer
Umlagegrund-
lagen
Finanz-
kraft nach
Umlagen
und AKP
neu
Gewinne
/Verluste
Umlagesätze 47,41% 48,41%41,74% anstatt
47,41%
48,41%
Ahlsdorf 1.744 674 232 309 541 257 262 23 0 23 22 15 0 -16 18 57 34
Benndorf 2.251 674 189 340 528 250 256 22 0 22 31 15 0 -11 22 57 34
Blankenheim 1.342 674 218 319 537 255 260 22 0 22 25 15 0 -14 19 57 34
Bornstedt 851 674 178 347 525 249 254 22 0 22 34 15 0 -10 23 56 35
Helbra 4.305 674 342 232 574 272 278 24 0 24 -3 15 0 -28 6 58 34
Hergisdorf 1.706 674 207 327 534 253 258 22 0 22 27 15 0 -13 20 57 34
Klostermansfeld 2.560 674 356 223 578 274 280 24 0 24 -5 15 0 -29 5 58 34
Wimmelburg 1.280 674 230 311 541 256 262 23 0 23 22 15 0 -15 18 57 34
Summe der Gemeinden 16.039 674 268 284 552 262 267 23 0 23 14 15 0 -19 14 57 34
VG Mansfelder Grund-Helbra 16.039 0 0 0 0 262 0 262 40 302 0 0 19 -19 0 302 0
anteilige Kreisumlage (48,41%) 16.039 0 0 0 0 0 267 267 0 267 0 0 0 0 14 281 14
Auswirkungen einer Aufstockung für steuerschwache Gemeinden, des Wegfalls des Hauptansatzes und der Beseitigung des
Systemfehlers bei der Berechnung der Auftragskostenpauschale für Gemeinden unter 20.000 Einwohnern auf die Höhe der
Verbandsumlage und die Finanzkraft der Mitgliedsgemeinden am Beispiel der Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra
- in Euro pro Einwohner -
182
Bei sparsamer Haushaltsführung und einer zusätzlichen Anspannung der Hebesätze
könnte auf diese Weise auch für diesen unter den aktuellen Bedingungen völlig hoff-
nungslosen Fall wieder eine realistische Perspektive für eine nachhaltige Haushalts-
wirtschaft entstehen.
6.8. Finanzausgleichsumlagen
Die am Beispiel der Verbandsgemeinde Mansfelder-Grund dargestellten Verbesse-
rungsmöglichkeiten des horizontalen Finanzausgleichs zwischen den Gemeinden
blenden noch völlig aus, dass es etliche Gemeinden gibt, die so steuerstark sind,
dass sie keine allgemeinen Zuweisungen erhalten. Ihre Steuerkraft liegt also höher
als ihre Bedarfsmesszahl.
Es handelt sich dabei auch nicht um eine vernachlässigbare Größe. Im FAG 2012
übertraf die Steuerkraft dieser Gemeinden ihre Bedarfsmesszahl immerhin um ins-
gesamt 89,6 Mio. Euro. Ein Teil dieser Abundanz fließt in die jeweils abzuführende
Kreisumlage, ggf. auch in die Verbandsgemeindeumlage.
Unterstellt man einen Umlagesatz von 40% auf der Kreis- und 45% auf der Ver-
bandsgemeindeebene, gehen 40,6 Mio. in die Umlagen und 49 Mio. Euro verbleiben
bei den Gemeinden.
Es erscheint vor diesem Hintergrund kaum vertretbar, dass der Ausgleich im horizon-
talen Finanzausgleich ausschließlich zwischen den Gemeinden stattfindet, deren
Steuerkraft pro Bedarfseinheit unterhalb von 631,56 Euro bzw. 154,4% der durch-
schnittlichen Steuerkraft liegt und die steuerstärksten Gemeinden nur im Rahmen der
Umlagen beteiligt sind.
Es kann deshalb nicht verwundern, dass sehr viele Länder Regelungen im FAG ha-
ben, die diesen Missstand dadurch beheben, dass eine allgemeine oder eine selekti-
ve Finanzausgleichsumlage erhoben wird, deren Aufkommen natürlich wieder der
Finanzausgleichsmasse zufließt.
Auch verfassungsrechtlich gibt es keine ernsthafte Auseinandersetzung darüber,
dass entsprechende Finanzausgleichsumlagen zur Intensivierung des horizontalen
Finanzausgleichs zwischen den Gemeinden grundsätzlich zulässig sind26.
So vielfältig allerdings in der Praxis die Ausgestaltungen solcher Finanzausgleichs-
umlagen ist, so vielfältig ist auch die konkrete Rechtsprechung.
Die allgemeinste Form der Finanzausgleichsumlage findet sich in Baden-
Württemberg. Hier müssen alle Gemeinden mindestens 22,1% ihrer Steuerkraft als
Umlage abführen.
26
Vgl. z.B. Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10.02.2010, LVG 9/08, Ziffer 7 der Entscheidungsgründe und Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.01.2012, LVerfG 33/10, S. 18ff. jeweils mit weiteren Nachweisen
183
Steuerstärkere Gemeinden müssen darüber hinaus für jeweils 1 Prozent, um das die
Steuerkraftmesszahl 60 Prozent der Bedarfsmesszahl übersteigt, jeweils 0,06 Pro-
zent, höchstens jedoch insgesamt 32 Prozent abführen27.
Nicht ganz so allgemein, aber auch sehr weitreichend, ist die Regel in Rheinland-
Pfalz. Hier muss eine Umlage auf den Teil der Steuerkraft abgeführt werden, der
oberhalb der landesdurchschnittlichen Steuerkraft pro Einwohner liegt. Für den Teil
der Steuerkraft, der zwischen 100% und 200% des Landesdurchschnitts liegt, sind
10% abzuführen, für den Teil über 200% sind es 12%, über 300% sind es 14%, über
400% beträgt der Satz 16% und oberhalb von 500% des Landesdurchschnitts 18%28.
Es gibt aber auch eine Vielzahl von Ländern, die eine Finanzausgleichsumlage nur
von abundanten Gemeinden erheben. Die einfachste Regelung hat hierbei Nieder-
sachsen. Übersteigt die Steuerkraft die Bedarfsmesszahl, müssen 20% dieses über-
steigenden Betrages als Finanzausgleichsumlage abgeführt werden29.
Schon etwas differenzierter ist die Regelung in Schleswig-Holstein. Hier müssen wie
in Niedersachsen 20% des übersteigenden Betrages abgeführt werden, die Hälfte
fließt allerdings sofort wieder dem Kreis zu, dem die abundante Gemeinde ange-
hört30.
Noch differenzierter sind die Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern und in Sach-
sen. In Mecklenburg-Vorpommern wird nur von den Gemeinden, deren Steuerkraft
die Bedarfsmesszahl um mehr als 15% übersteigt, eine Finanzausgleichsumlage in
Höhe von 30% des übersteigenden Betrages erhoben. Davon fließt ein Teilbetrag in
Höhe des gewogenen landesdurchschnittlichen Kreisumlagesatzes des Vorvorjahres
dem Landkreis zu, in dem sich die finanzausgleichsumlagepflichtige Gemeinde be-
findet31.
Sehr viel weiter geht das sächsische FAG. Bemessungsgrundlage ist der gesamte
Betrag, um den die Steuerkraft die Bedarfsmesszahl übersteigt. Im ersten Jahr der
Abundanz sind 30%, im zweiten Jahr 40% und ab dem dritten Jahr 50% abzuführen.
Auch hier erhält der Landkreis, in dem sich die Gemeinde befindet, einen Anteil in
Höhe des landesdurchschnittlichen Kreisumlagesatzes32.
Das Fehlen einer solchen Kompensationsregelung zu Gunsten des Landkreises, zu
dem die abundante Gemeinde gehört, war der wichtigste Grund dafür, dass das
Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt die Regelung im § 23 FAG LSA am
10.02.2010 erneut für verfassungswidrig erklärt hat33.
27
Vgl. FAG BW, § 1a 28
Vgl. LFAG RP, § 23 29
Vgl. NFAG NI, § 16 30
Vgl. FAG SH, § 29 31
Vgl. FAG M-V § 8, diese Regelung wurde mit dem Urteil vom 26.01.2012 für verfassungskonform erklärt. 32
Vgl. SächsFAG § 25a 33
Vgl. LVerfG 33/10, Ziffer 11
184
Nach der äußerst moderaten Regelung des sachsen-anhaltischen FAG waren 30%
der 150% der Bemessungsgrundlage übersteigenden Beträge als Finanzausgleichs-
umlage abzuführen. Dies sollte nicht für Gemeinden gelten, deren Kreditmarktschul-
den den Durchschnitt der gleichen Größenklasse um mehr als 50% überstiegen und
auch nicht, wenn die Verpflichtung zur Abführung der Finanzausgleichsumlage zu
einer unangemessenen Veränderung der Finanzkraft einer Gemeinde führte.
Um eine Überlastung der abführungspflichtigen Gemeinden zu verhindern, wurden
nach § 18 Abs. 2 die Umlagegrundlagen für die Kreisumlage unter Abzug der Fi-
nanzausgleichsumlage des vorvergangenen Jahres berechnet. Die gleiche Regelung
galt auch für die Verwaltungsgemeinschaftsumlage (§ 21) und die Verbandsgemein-
deumlage (§ 22).
Dass das Landesverfassungsgericht als zweiten Grund für die Verfassungswidrigkeit
der Finanzausgleichsumlage die mangelnde Bestimmtheit der obigen Ausnahmere-
gelung angeführt hat, ist ohne weiteres nachvollziehbar.
Weniger nachvollziehbar sind die Ausführungen zur Verletzung der Finanzhoheit des
Landkreises, zu dem die abführungspflichtige abundante Gemeinde gehört und erst
recht nicht die Behauptung, dass damit auch die Finanzhoheit aller anderen Land-
kreise beeinträchtigt sei, weil sie als Folge der Finanzausgleichsumlage weniger all-
gemeine Zuweisungen erhielten.
Bei jeder Simulationsrechnung wird deutlich, dass es im kommunalen Finanzaus-
gleich kaum eine Stellschraube gibt, bei der eine leichte Veränderung der Einstellung
nicht zugleich auch Auswirkungen auf sämtliche Gemeinden, Verbandsgemeinden
und Kreise hat.
Wenn unter dem Begriff der „Finanzhoheit“ verstanden wird, dass jede Veränderung
von Finanzausgleichsregeln auf der Gemeindeebene schon dadurch in die Verfas-
sungswidrigkeit führt, dass davon einzelne Landkreise negativ betroffen sein könnten
und umgekehrt jede Veränderung auf der Landkreisebene dadurch verfassungswid-
rig wird, dass davon einzelne Gemeinden negativ betroffen sein könnten, ist ein ver-
fassungskonformer kommunaler Finanzausgleich überhaupt nicht mehr denkbar.
Die feinsinnige Unterscheidung, dass zwar eine die Finanzhoheit der betreffenden
Gemeinden massiv einschränkende Finanzausgleichsumlage verfassungsrechtlich
grundsätzlich zulässig sei, dass aber die von einer solchen Maßnahme indirekt be-
troffenen Dritten, nämlich ein Kreis oder eine andere Gemeinde durch die gleiche
Maßnahme in ihrer Finanzhoheit in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt sein
könnten, kann bei rationaler Betrachtung keineswegs überzeugen.
Denn die Veränderung von Regelungen im Finanzausgleich muss zwangsläufig im-
mer dazu führen, dass einzelne Gemeinden und Landkreise davon finanziell gese-
hen negativ betroffen sein können. Dies ist schon rein systemtheoretisch unvermeid-
lich und kann deshalb für sich genommen eine Verfassungswidrigkeit wohl kaum be-
gründen.
185
In der konkreten Praxis in Sachsen-Anhalt wird es im Übrigen durch die Bildung der
Verbandsgemeinden als Gebietskörperschaften mit einem eigenständigen Recht auf
Selbstverwaltung und einer durch direkte Wahlen entstandenen demokratischen Le-
gitimation noch komplizierter.
Das Recht und die Notwendigkeit der Verbandsgemeinden, sich über Umlagen zu
finanzieren und die entsprechenden Regelungen des FAG und des VerbGemG ha-
ben nämlich ebenfalls entsprechende Auswirkungen auf die Finanzen der einzelnen
Mitgliedsgemeinden innerhalb der Verbandsgemeinde, aller anderen Gemeinden und
auch aller Landkreise.
Wenn man der Logik des Landesverfassungsgerichts folgt, so ist eine Abundanzum-
lage dann verfassungswidrig, wenn ihre Erhebung dazu führt, dass ein oder mehrere
Landkreise oder eine oder mehrere andere Gemeinden davon negativ betroffen sein
könnten.
Im Umkehrschluss sind also allenfalls solche Regelungen zulässig, bei denen sich
aufgrund der Erhebung der Finanzausgleichsumlage kein einziger Landkreis, aber
auch keine andere Gemeinde finanziell verschlechtern darf.
Die Regelungen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern genügen (bei wohlwol-
lender Betrachtung) dieser Vorgabe des Verfassungsgerichtshofs.
Dadurch, dass es in Sachsen-Anhalt im Gegensatz zu Mecklenburg-Vorpommern
und Sachsen Verbandsgemeinden gibt, ließe sich, eine gleichbleibende Argumenta-
tion des Landesverfassungsgerichts unterstellt, eine Abundanzumlage wohl nur noch
dann einführen, wenn nicht nur die jeweiligen Landkreise, sondern auch die jeweili-
gen Mitgliedsgemeinden der direkt betroffenen Verbandsgemeinde schadlos gestellt
würden.
Bei kumulierten Verbandsgemeinde- und Kreisumlagesätzen von bis zu 96%, wie
z.B. in der VG Mansfelder Grund-Helbra, bliebe somit überhaupt kein Raum mehr für
eine im Sinne des Landesverfassungsgerichts verfassungskonforme Abundanzumla-
ge.
Von daher kann, nicht aus besserer Einsicht oder Überzeugung, sondern ausschließ-
lich vor dem Hintergrund der bisherigen Urteile des Landesverfassungsgerichts, von
einem erneuten Anlauf zur Installation einer Abundanzumlage nur dringend abgera-
ten werden.
Es stellt sich natürlich die Frage, ob eine allgemeine Finanzausgleichsumlage in der
Version von Baden-Württemberg oder von Rheinland-Pfalz nicht nur in diesen Län-
dern, sondern auch in Sachsen-Anhalt als verfassungskonform angesehen würde.
Da in Baden-Württemberg alle Gemeinden eine solche Umlage abführen müssen
und in Rheinland-Pfalz zumindest alle Gemeinden, deren Steuerkraft über dem Lan-
desdurchschnitt liegt, entfiele die selektive und besondere Betroffenheit der einzel-
186
nen Kreise und der anderen Gemeinden (in Sachsen-Anhalt auch der Verbandsge-
meinden).
Im Prinzip entstehen bei diesen Regelungen Wirkungen, die der bundesweit erhobe-
nen allgemeinen Gewerbesteuerumlage oder der Kappungsgrenze bei der Berech-
nung der Schlüsselzahlen für die Verteilung des Gemeindeanteils an der Einkom-
mensteuer entsprechen34.
Die Verfassungskonformität dieser beiden Maßnahmen, die sich im Ergebnis nicht
nur zu Lasten der besonders steuerstarken Gemeinden auswirken, sondern natürlich
auch eine von Landkreis zu Landkreis unterschiedliche indirekte Betroffenheit auslö-
sen, steht dabei außer Frage.
Diese Finanzausgleichsumlagen bieten auch den Vorteil, dass sie keine Ausnah-
meregelungen erfordern und von daher relativ einfach sind. Durch die Integration in
das System der Verteilung der Schlüsselzuweisungen kommt es dabei auch nur bei
sehr steuerstarken Gemeinden zu echten Einzahlungen in die Finanzausgleichsmas-
se. Bei allen anderen Gemeinden findet eine Verrechnung zwischen den dann deut-
lich höheren Schlüsselzuweisungen und der abzuführenden Finanzausgleichsumlage
statt.
Wegen seiner Allgemeinheit und gleichmäßigen Auswirkungen dürfte dabei das ba-
den-württembergische System verfassungsrechtlich (vermutlich sogar in Sachsen-
Anhalt) die geringsten Bedenken auslösen.
Ob zur Abschöpfung ein progressiver oder ein linearer Tarif verwendet wird, sollte
dabei nicht im Vordergrund stehen. Für einen progressiven Tarif spricht das Leis-
tungsfähigkeitsprinzip. Gegen einen solchen Tarif spricht, dass es bei Gemeinden
mit stark schwankenden Steuereinnahmen im Zeitablauf zu höheren Umlagen kom-
men kann als bei Gemeinden mit im Durchschnitt gleich hohen, aber nicht volatilen
Steuereinnahmen. Diese Problematik ist mit der des progressiven Einkommensteu-
ertarifs vergleichbar, wo es auch zu entsprechenden Effekten kommen kann, die
aber verfassungsrechtlich als unbedenklich angesehen werden.
34 Nach § 3 des Gemeindefinanzreformgesetzes erfolgt die Verteilung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer so, dass zunächst innerhalb jedes Bundeslandes ein Aufteilungsschlüssel gebildet wird, in den nur der Teil der Einkommensteuer eingeht, der auf zu versteuernde Einkommensbeträge bis 30.000 Euro bei Einzelveranlagung und bis 60.000 Euro bei Zusammenveranlagung beruht. Auf der Basis der so gebildeten Schlüsselzahlen wird dann in einem zweiten Schritt der insgesamt auf ein Bundesland entfallende Gemeindeanteil an der Einkommensteuer unter den Gemeinden verteilt. Im Ergebnis kommt es somit (wie bei einer allgemeinen Finanzausgleichsumlage) zu einer deutlichen Umverteilung unter den Gemeinden und damit indirekt auch zwischen den Landkreisen. Diese Kappung wirkt im Durchschnitt der Länder genauso wie eine Finanzausgleichsumlage im kom-munalen Finanzausgleich von 45,8%. Diese Quote ergibt sich aus dem Gesetzentwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes der Bundesregierung, BT-Drucksache 17/8235, vom 21.12.2011, S.7. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht deshalb eine Anhebung der Kappungsgrenzen auf 35.000/70.000 Euro vor. Dieser Gesetzentwurf wurde in dieser Form am 08. März 2012 vom Bundes-tag und am 30. März 2012 vom Bundesrat beschlossen. Durch die Anhebung reduziert sich diese faktische Finanzausgleichsumlage auf 39,8% (S. 7 der Drucksache).
187
Es kann auch nicht Aufgabe dieses Gutachtens sein, für die genaue Gestaltung des
Tarifs bereits detaillierte Vorschläge zu erarbeiten. Viel wichtiger ist es zunächst
einmal, das Grundprinzip darzustellen und mit Hilfe einer Simulationsrechnung die
Auswirkungen einer am baden-württembergischen Vorbild angelehnten allgemeinen
Finanzausgleichsumlage auf die Gemeinden und Landkreise in Sachsen-Anhalt zu
berechnen.
Der Einfachheit halber soll eine lineare Finanzausgleichsumlage von 25% auf die im
Finanzausgleich des Jahres 2012 berechneten Steuerkraftzahlen unterstellt werden,
die vollständig zur Aufstockung der jeweiligen Schlüsselmasse (der kreisangehörigen
Gemeinden und der kreisfreien Städte) verwendet wird.
Die wesentlichen Ergebnisse einer solchen Simulation sind:
- Bei einer Steuerkraft der kreisangehörigen Gemeinden von 856 Mio. Euro im
FAG 2012 beträgt die Finanzausgleichsumlage insgesamt 214 Mio. Euro.
- Der Grundbetrag erhöht sich von 631,56 auf 693,61 Euro.
- Die Finanzkraft der steuerschwächsten Gemeinde Bornstedt erhöht sich um
30,91 Euro von 514,00 auf 544,91 Euro pro Bedarfseinheit bzw. von 82,76%
auf 87,96% der durchschnittlichen Finanzkraft aller Gemeinden.
- Wie sich aus den beiden Grundbeträgen berechnen lässt, verbessern sich alle
kreisangehörigen Gemeinden, deren Steuerkraft pro Bedarfseinheit unterhalb
von 579,15 Euro bzw. 141,6% des Durchschnitts der Gemeinden liegt, Ge-
meinden mit noch höherer Steuerkraft verschlechtern sich dagegen.
- Von den 217 Gemeinden insgesamt verbessern sich somit 198 Gemeinden
um bis zu maximal 31 Euro pro Bedarfsgemeinschaft, während sich die übri-
gen 19 Gemeinden um bis zu 1.052 Euro pro Bedarfsgemeinschaft ver-
schlechtern.
- Nur diese 19 Gemeinden müssten im Ergebnis tatsächlich Zahlungen in die
Schlüsselmasse der kreisangehörigen Gemeinden leisten. Für die anderen
198 Gemeinden lägen die allgemeinen Zuweisungen höher als die abzufüh-
rende Finanzausgleichsumlage, so dass sie aufgrund der vorgenommen Ver-
rechnung Zahlungen vom Land erhalten würden.
- Das gesamte Umverteilungsvolumen auf der Gemeindeebene beträgt 33,9
Mio. Euro, d.h. die 198 Gemeinden, die sich verbessern, gewinnen insgesamt
gesehen diesen Betrag hinzu, die 19 Gemeinden, die sich verschlechtern, ver-
lieren diesen Betrag.
- Die indirekten Auswirkungen auf die Finanzkraft der Landkreise liegen bei ei-
nem gegenüber dem FAG unveränderten fiktiven Umlagesatz von 35% und
der bisherigen Ausgleichsquote von 70% zwischen – 1,61% bzw. -6,26 Euro
pro Bedarfseinheit im Saalekreis und + 0,63% bzw. + 2,38 Euro pro Bedarfs-
einheit im Landkreis Harz.
- Das gesamte indirekt verursachte Umverteilungsvolumen auf der Landkreis-
ebene liegt bei 2,4 Mio. Euro. Drei Landkreise verlieren zusammen diese 2,4
Mio. Euro und die anderen acht Landkreise gewinnen diesen Betrag hinzu.
188
- Im Bereich der kreisfreien Städte würde die steuerstarke Stadt Magdeburg im
Ergebnis 1,6 Mio. Euro verlieren, die steuerschwache Stadt Halle 1,6 Mio. Eu-
ro hinzu gewinnen und für die durchschnittlich steuerstarke Stadt Dessau-
Roßlau würde sich im Ergebnis mit einem Verlust von 6.731 Euro praktisch
nichts verändern.
Die drei Hauptziele, nämlich eine deutliche Verbesserung der Finanzkraft der steuer-
schwächeren Gemeinden, eine Finanzierung dieser Verbesserung durch die beson-
ders steuerstarken Gemeinden und eine verfassungsfeste Regelung würden mit dem
Instrument der Finanzausgleichsumlage nach dem baden-württembergischen Vorbild
bereits bei einem einheitlichen linearen Tarif von z.B. 25% in überzeugender und
technisch sehr einfacher Form realisierbar sein.
Die indirekten Wirkungen auf der Ebene der Landkreise bewegen sich in einem recht
engen Spektrum. Dies könnte möglicherweise auch das Landesverfassungsgericht
von Sachsen-Anhalt, wie zuvor schon den Staatsgerichtshof von Baden-
Württemberg, zu der Überzeugung bringen, dass diese allgemeine Finanzaus-
gleichsumlage weder gegen das Grundgesetz, noch gegen die Landesverfassung
verstößt, sondern im Gegenteil ein sehr geeignetes Mittel zur Umsetzung des Arti-
kels 88 Abs. 2 der Landesverfassung von Sachsen-Anhalt darstellt.
6.9. Zur Verteilung der steuerkraftunabhängigen laufenden Zu-
weisungen
Mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen hat sich unter Verfassungsjuristen als über-
wiegende Meinung durchgesetzt, dass die Länder für den übertragenen Wirkungs-
kreis steuerkraftunabhängige Zuweisungen zu gewähren haben. Zugleich wird es,
zumindest dem Grunde nach, für zulässig gehalten, steuerkraftabhängige Finanz-
ausgleichsumlagen zu erheben.
Obwohl das Beispiel Nordrhein-Westfalen mit dem „Segen“ des dortigen Verfas-
sungsgerichtshofs zeigt, dass der Verzicht auf beide Instrumente den kommunalen
Finanzausgleich deutlich vereinfachen kann35, muss die heutige herrschende Mei-
nung zur Vermeidung unnötiger Risiken natürlich respektiert werden.
Steuerkraftunabhängige laufende Zuweisungen brauchen bei einer im Sinne des Ar-
tikels 88 Abs. 1 insgesamt angemessenen Finanzausstattung der Kommunen dann
nicht mehr im Widerspruch zu dem Ausgleichsgebot des Artikels 88 Abs. 2 zu ste-
hen, wenn zugleich eine wirkungsvolle Finanzausgleichsumlage installiert ist.
35
Vgl. Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Februar 1985, VerfGH 17/83
189
Ansonsten wäre es fast zwingend notwendig, dass das Land über die Vorgabe des
Artikels 88 Abs. 1 hinaus zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt, um auch den steuer-
schwächeren Gemeinden eine angemessene Finanzausstattung zu ermöglichen.
Im Grundsatz muss für die steuerkraftunabhängigen Zuweisungen das gleiche Prin-
zip wie für die Bedarfsberechnung im System der allgemeinen Zuweisungen gelten.
Sofern es keine überzeugenden Gründe und empirische Nachweise für einen andere
Verteilungssystematik gibt, ist ein Einwohner als eine Bedarfseinheit anzusehen.
Insofern ist es folgerichtig, dass die Auftragskostenerstattung innerhalb der kommu-
nalen Gruppen jeweils in Form eines gleichen Betrages pro Einwohner erfolgt. Wie
bereits dargestellt, gibt es für die bisherige Differenzierung zwischen Gemeinden mit
weniger als 20.000 Einwohnern und denen mit mindestens 20.000 Einwohnern je-
doch keine empirische Rechtfertigung.
Legt man für beide Gruppen die gleichen Kriterien an, nämlich Steuern und Umla-
gen, aber auch Bedarfszuweisungen und Zuführungen vom Vermögenshaushalt
nicht als Finanzierungsanteile im übertragenen Wirkungskreise anzusehen, kommt
man für beide Gruppen auf fast identische Beträge von gut 60 Euro pro Einwohner.
Von daher wäre der Kopfbetrag für kleinere Gemeinden um rd. 20 Euro zu erhöhen
bzw. ein entsprechender einheitlicher Kopfbetrag festzulegen.
Die besonderen Zuweisungen für die Aufgabenübertragung nach dem Ersten und
Zweiten Funktionalreformgesetz werden zu 90% nach Einwohnern und zu 10% nach
der Fläche verteilt.
Aus den Regressionsuntersuchungen der Zuschussbedarfe der Gemeinden und
Kreise hat sich zweifelsfrei ergeben, dass die Fläche weder auf der Gemeinde-, noch
auf der Kreisebene als bedarfssteigernder, sondern allenfalls als bedarfssenkender
Faktor angesehen werden kann.
Von daher erscheint es geboten, den gesamten Betrag nach Einwohnern (auch im
Bereich der kreisfreien Städte) zu verteilen.
Für die verschiedenen Besonderen Ergänzungszuweisungen für die Wahrnehmung
der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchende, der Sozialhilfe und der Hilfe
zur Erziehung gibt es gute und überzeugende Gründe, einen Verteilungsschlüssel zu
wählen, der nicht auf der Einwohnerzahl basiert.
Wo immer möglich, sollte allerdings kein Verteilungsschlüssel gewählt werden, der
sich an den tatsächlichen Nettoausgaben orientiert. Dies gilt vor allem dann, wenn
eine volle oder nahezu volle Kostendeckung stattfindet.
Noch problematischer kann es allerdings werden, wenn konkrete Fallzahlen als
Maßstab dienen. Ein entsprechender Fehlanreiz zur Schaffung vieler „leichter“ Fälle
sollte unbedingt vermieden werden. Anders fällt die Beurteilung dann aus, wenn die
Fallzahl durch die Kommune selbst gar nicht gesteuert werden kann, weil hierfür an-
190
dere Entscheidungsträger zuständig sind, wie dies z.B. im Bereich der Grundsiche-
rung für Arbeitssuchende der Fall ist.
Ideal ist es natürlich, wenn geeignete strukturelle Indikatoren zur Verfügung stehen,
die von der Gemeinde nicht gesteuert werden können, wie z.B. die Quote der Kinder
unter 6 Jahren oder der jungen Menschen unter 18 Jahren.
Von daher sollte im Bereich der Sozialhilfe und der Hilfe zur Erziehung überprüft
werden, ob es nicht geeignetere Indikatoren als die Nettoausgaben für die Sozialhilfe
bzw. die Zahl der jungen Menschen im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 4 des SGB VIII gibt.
Die Besonderen Zuweisungen und Besonderen Ergänzungszuweisungen sind nach
§ 6 des FAG genauso wie die Auftragskostenerstattung nicht zweckgebunden. Den-
noch werden unterschiedliche Zuweisungstöpfe ausgewiesen.
Zumindest für die Zuweisungsarten, die ausschließlich nach der Einwohnerzahl ver-
teilt werden, ist dies rein rational nicht nachvollziehbar. Dass jedes Ressort ein ge-
wisses Interesse daran hat, für die eigenen Aufgaben auch ein eigenes „Zuweisungs-
töpfchen“ auszuweisen, ist zwar politisch verständlich, aber im Sinne eines transpa-
renten und einfachen FAG möglichst zu vermeiden. Es würde doch völlig ausreichen,
an geeigneter Stelle festzuhalten, dass der (nach Einwohnern zu verteilende) Ge-
samttopf zur Abdeckung der Kosten des übertragenen Wirkungskreises sowie der
Aufgaben A, B und C gedacht ist.
6.10. Zur Verteilung der Investitionspauschale
Die Investitionspauschale beträgt im Jahr 2012 128,041 Mio. Euro. Diesen Zuwei-
sungen werden nach § 16 Abs. 2 vorab 10 Millionen Euro jährlich entnommen und
finanzschwachen Kommunen zur Erbringung des Eigenanteils für nach § 3 Abs. 1
des Entflechtungsgesetzes vom 5. September 2006 geförderte Straßenbauprojekte
zur Verfügung gestellt. Für diesen Zweck nicht verbrauchte Mittel fließen im Folge-
jahr in die investiven Zuweisungen zurück. Im Jahr 2012 betragen die Rückflüsse
3,775 Mio. Euro, so dass 121,816 Mio. Euro in die reguläre Verteilung gelangen.
Diese Art der Vorabentnahme kann systematisch nicht überzeugen, denn die spezifi-
sche Zweckbindung steht im Widerspruch zur Intention der Investitionspauschale, die
es ja gerade den Kommunen überlässt, welche investiven Prioritäten sie setzen. Die
zweite Begründung einer Förderung „finanzschwacher Kommunen“ kann ebenfalls
nicht überzeugen, weil die Abgrenzung zu unbestimmt ist und schnell mit den allge-
meinen Verteilungskriterien kollidieren kann. Das Land sollte deshalb zukünftig auf
diese unsystematische Art einer Vorwegentnahme verzichten.
In den Jahren 2010 und 2011 wurden die nach den Vorwegentnahmen verbleiben-
den verfügbaren Mittel zu 25% den kreisfreien Städten, zu 55% den kreisangehöri-
191
gen Gemeinden und zu 20% den Landkreisen zugewiesen und proportional zur Höhe
der allgemeinen Zuweisungen verteilt.
Im Jahr 2012 werden die Mittel in unveränderten Proportionen auf die kommunalen
Gruppen aufgeteilt, nunmehr aber zu 75% nach Einwohnern und zu 25% nach Flä-
che verteilt, wobei abundante Kommunen keine Zuweisungen erhalten.
Bei der Aufteilung der verfügbaren Masse erhalten im Jahr 2012 die kreisfreien Städ-
te pro Einwohner 105,9% und der kreisangehörige Raum 98,2% des Landesdurch-
schnitts. Da es im Gegensatz zu lfd. Bedarf kaum möglich ist, den investiven Bedarf
der einzelnen kommunalen Gruppen durch statistische Bedarfs- und Vergleichsana-
lysen zu ermitteln, kann nur das Land selbst aufgrund der Kenntnisse aus der Ent-
wicklung der letzten 22 Jahre abschätzen, welche Investitionsbedarfe noch bestehen
und wie sie sich regional verteilen.
Von daher gibt es im Rahmen dieses Gutachtens keine Anhaltspunkte, diese Auftei-
lung zwischen den kreisfreien Städten und dem kreisangehörigen Raum kritisch zu
hinterfragen. Dies gilt auch für die Aufteilung innerhalb des kreisangehörigen Raums
zwischen den Gemeinden und den Landkreisen.
Insofern kann es hier nur um die Frage gehen, ob das gewählte Verteilungsverfahren
innerhalb der drei kommunalen Gruppen sachgerecht und nachvollziehbar ist.
Im Gegensatz zu den lfd. Bedarfen, bei denen die Fläche eher entlastend als belas-
tend wirkt, gibt es zumindest im kreisangehörigen Raum gute Gründe, einen zumin-
dest teilweise flächenabhängigen Investitionsbedarf als plausibel anzusehen.
So entfällt bei den Landkreisen und den kreisangehörigen Gemeinden jeweils alleine
über ein Drittel der Bauinvestitionen auf Kreis- und Gemeindestraßen und deren
Länge wiederum ist in einem hohen Maße auch flächenabhängig.
Nicht so recht nachvollziehbar ist ein solcher Zusammenhang allerdings im Bereich
der drei kreisfreien Städte. Die hauptsächlich relevanten Verkehrs- und verkehrsna-
hen Investitionen haben in Abhängigkeit von Fläche und Ballung eher einen u-för-
migen Kostenverlauf, d.h. bei sehr dünner Besiedlung und extremer Ballung pro Ein-
wohner sind sie besonders hoch, bei durchschnittlicher Bevölkerungsdichte nehmen
sie jedoch ihren geringsten Wert an. Deshalb ist bei kreisfreien Städten mit zuneh-
mender Fläche pro Einwohner nicht von höheren, sondern eher von geringeren Kos-
ten auszugehen.
Von daher ist die Berücksichtigung der Fläche mit einem Anteil von 25% im kreisan-
gehörigen Raum sicherlich vertretbar, aber wohl kaum im Bereich der drei kreisfreien
Städte.
Sowohl das zu den allgemeinen Zuweisungen proportionale Verteilungsverfahren bis
zum Jahr 2011 als auch das in 2012 verwendete steuerkraftunabhängige Verfahren
weisen aber zusätzlich bedenkliche systematische Mängel auf.
192
Diese systematischen Mängel sollen am Beispiel von drei verbandsgemeindeange-
hörigen Gemeinden des Landkreises Mansfeld-Südharz erläutert werden.
Tabelle 44:
Mit Berga und Edersleben sind die beiden steuerstärksten und mit Bornstedt die
steuerschwächste Gemeinde in diese Übersicht aufgenommen worden, wobei Berga
im Jahr 2012 sogar abundant ist.
Um keine zusätzlichen Verzerrungen durch die extrem hohen Umlagesätze im Land-
kreis zu erhalten, sollen mit zusammen 85% für die Kreis- und die Verbandsgemein-
deumlage landesdurchschnittliche Verhältnisse unterstellt werden.
Dargestellt werden jeweils die Ergebnisse, die sich ergeben würden, wenn die Inves-
titionspauschale in 2012 nach dem System der Jahre 2010 und 2011 verteilt würde
und die, die sich bei einer ausschließlichen Verteilung nach Einwohnern unter Aus-
schluss der abundanten Gemeinden ergeben würden.
Das Hauptproblem des Verteilungssystems 2010/11 liegt darin, dass es zwar bei der
Summe aus der Finanzkraft und der Investitionspauschale noch nicht zu Übernivel-
lierungen kommen kann, sehr wohl aber nach der Kreis- und erst recht nach der
Verbandsgemeindeumlage.
Die steuerschwache Gemeinde Bornstedt hat nach den Umlagen und einschließlich
ihrer Investitionspauschale mit 139 Euro pro Einwohner die höchste Finanzkraft und
die abundante Gemeinde Berga die niedrigste. Die Reihenfolge wird also komplett
auf den Kopf gestellt, was verfassungsrechtlich mehr als bedenklich ist.
Auch im System des Jahres 2012 kommt es zu Übernivellierungen. Betroffen davon
sind allerdings nur noch die abundanten Gemeinden und das zum Teil auch schon
vor Abführung der Umlagen. Wenn nämlich eine Gemeinde die Abundanzschwelle
nur um einen Euro überschreitet, verliert sie 40 Euro pro Einwohner.
Steuerkraft
/Bedarfmess-
zahl in %
Steuerkraft
pro
Einwohner
allgemeine
Zuw. pro
Einwohner
Finanzkraft
pro
Einwohner
Finanzkraft pro
Einwohner nach
normiert 85%
Umlagen
I-Pauschale
pro Einwohner
im System
2011
I-Pauschale pro
Einwohner im
System 2012 (aber
ohne Fläche)
I-Pauschale pro
Einwohner im
Alternativsystem
Finanzkraft nach
Umlagen +
I-Pauschale im
System 2011 pro
Einwohner
Finanzkraft nach
Umlagen +
I-Pauschale im
System 2012 pro
Einwohner
Finanzkraft nach
Umlagen +
40% der
I-Pauschale im
Alternativsystem
pro Einwohner
Berga 103,2% 673 0 673 101 0 0 20 101 101 109
Bornstedt 26,5% 178 347 525 79 60 40 36 139 118 93
Edersleben 86,2% 562 63 625 94 11 40 35 105 133 108
Systematische Mängel im Verteilungsverfahren der Investionspauschale in 2011 und in 2012 und ein Alternativverfahren
193
Solche Sprungstellen sind ebenfalls verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Nach den
Umlagen wird das Problem dadurch massiv verschärft, dass es nicht nur bei Über-
schreitungen der Abundanzschwelle um bis zu 40 Euro pro Einwohner zu einer
Übernivellierung kommt, sondern auch noch bei Überschreitungen bis zu 267 Euro
(bei einer Gesamtumlage von 85%).
Die verfassungsrechtlich besonders problematische Sprungstelle vor der Abführung
der Umlagen lässt sich dadurch relativ einfach eliminieren, indem rechnerisch die
Schlüsselmasse um die Investitionspauschale erhöht wird und die Differenz einer so
berechneten fiktiven Schlüsselzuweisung und der tatsächlichen Schlüsselzuweisung
an die einzelne Gemeinde als Investitionspauschale ausgezahlt wird.
Die in der Tabelle dargestellten Werte von 36 Euro pro Einwohner in Bornstedt, von
35 Euro in Edersleben und 20 Euro in Berga sind mit Hilfe einer entsprechenden Si-
mulationsrechnung ermittelt.
Nach den Umlagen kann es allerdings erneut zu leichteren Übernivellierungen kom-
men. Dies liegt daran, dass zwar die Finanzkraft, aber nicht die Investitionspauschale
den Umlagen unterworfen wird. Dies ließe sich, wenn dies politisch gewollt würde,
dadurch lösen, dass ein großer Teil der Investitionspauschale von z.B. 60% - wie hier
unterstellt - an die Verbandsgemeinde abzutreten wäre.
Um auch größere Projekte in der Verbandsgemeinde finanzieren zu können, er-
scheint dies sowieso als ein sehr sinnvoller Weg, der zugleich auch noch sicherstel-
len würde, dass es nicht mehr zu Übernivellierungen kommen kann.
6.11. Übergangsregelungen
Falls im FAG 2013 die in diesem Gutachten vorgeschlagenen Veränderungen oder
zumindest ein Teil davon, umgesetzt werden, bedarf es einer konsistenten Über-
gangsregelung, damit es nicht zu umstellungsbedingten Gewinnen oder Verlusten
kommt.
Dies gilt insbesondere bei Einführung einer zeitnahen Steuerkrafterfassung und einer
möglichst aktuellen Berechnung der Umlagegrundlagen. Hier kann es natürlich nicht
sein, dass Gemeinden, denen noch hohe Ausgleichszahlungen für Steuerkraftverlus-
te zustehen, diese nicht mehr erhalten und auf der anderen Seite Gemeinden, die in
Vorjahren besonders hohe Steuereinnahmen hatten, ihre Mehreinnahmen ohne
kompensatorische Absenkungen der allgemeinen Zuweisungen verbleiben.
Um hier einen gerechten Übergang zu organisieren, gibt es eine relativ einfache Lö-
sung. Im Reformjahr, also voraussichtlich dem Jahr 2013, müssen die Zuweisungen
und die Umlagen natürlich bereits im neuen System berechnet werden, die noch
nicht „verbrauchten“ Steuerkraftzahlen und Umlagegrundlagen wären jedoch eben-
falls noch abzurechnen.
194
Es sei unterstellt, dass für das FAG des Jahres 2013 die Gewerbesteuerkraft des
Jahres 2011 sowohl für die Ermittlung der allgemeinen Zuweisungen, als auch für die
Umlagegrundlagen des Jahres 2013 zu berücksichtigen wäre und die gewährten all-
gemeinen Zuweisungen des Jahres 2013 sogleich zur Umlage herangezogen wür-
den.
Für die Gewerbesteuer heiße dies, dass noch eine Abrechnung für die allgemeinen
Zuweisungen und die Umlagen von 1/3 der Steuerkraft von 2009 und 2/3 der von
2010 erfolgen müsste. Zudem müssten die allgemeinen Zuweisungen der Jahre
2011 und 2012 noch als Umlagegrundlagen für die Kreis- und ggf. die Verbandsge-
meindeumlage abgerechnet werden.
Die Abrechnungen könnten in Form eines „Nullsummenspiels“ erfolgen. D.h. die
Summe der Einzahlungen würde jeweils der Summe der Auszahlungen entsprechen.
Dies würde sowohl für die allgemeinen Zuweisungen als auch für die jeweilige Umla-
ge innerhalb eines Kreises oder einer Verbandsgemeinde gelten.
Für die allgemeinen Zuweisungen müsste dazu der Finanzausgleich zweimal ge-
rechnet werden, nämlich einmal mit der aktuellen Gewerbesteuerkraft und einmal mit
der noch nicht abgerechneten. Die sich bei den beiden Berechnungen jeweils erge-
benden allgemeinen Zuweisungen würden addiert und die Ergebnisse der einzelnen
Gemeinden wieder durch zwei geteilt. Der so ermittelte Betrag würde als allgemeine
Zuweisung des Jahres 2013 ausgezahlt.
Tabelle 45:
Sehr viel einfacher wäre der Ausgleich bei den Umlagen. Hier müsste lediglich für
jeden Kreis und jede Verbandsgemeinde die durchschnittliche Umlagekraft pro Ein-
wohner der noch nicht abgerechneten Umlagegrundlagen und die Abweichungen der
einzelnen Gemeinden von diesem Durchschnitt berechnet werden.
2010 2011 2012 2013in 2013 separat
abzurechnen2014
Anrechnung der Gewerbesteuerkraft bei der
Bestimmung der allgemeinen Zuweisungen und
als Bestandteil der Umlagegrundlagen
2008 1/3 1/3 1/3
2009 1/3 1/3 1/3
2010 1/3 2/3
2011 100%
2012 100%
allgemeine Zuweisungen als Bestandteil der
Umlagegrundlagen
2010 100%
2011 100%
2012 100%
2013 100%
2014 100%
Überhänge für die Anrechnung der Gewerbesteuerkraft bei der Bestimmung der allgemeinen
Zuweisungen und der Umlagegrundlagen sowie der allgemeinen Zuweisungen als Bestandteil der
Umlagegrundlagen bei einem Systemwechsel im Jahr 2013
195
Auf diese Abweichungen (x Zahl der Einwohner) würde der Umlagesatz der entspre-
chenden Gebietskörperschaft angewandt. In der Summe würden sich die berechne-
ten positiven und negativen Abrechnungsbeträge entsprechen und müssten dann
über den jeweiligen Umlageverband ausgeglichen werden.
Diese Ausgleichsverfahren wären sowohl für das Land, als auch für jeden einzelnen
Gemeindeverband finanziell neutral und könnte relativ problemlos berechnet werden.
Auf diese Weise käme es zwischen den Kommunen zu einem gerechten Ausgleich
der Forderungen und Verbindlichkeiten aus dem alten System.
Ausgleichspflichtige bei diesem Verfahren wären die Gemeinden, die in den Jahren
2009 und 2010 (relativ) gewerbesteuerstärker waren als im Jahr 2011 und die Ge-
meinden, deren allgemeine Zuweisungen in den Jahren 2011 und 2012 (relativ) hö-
her ausfielen als im Jahr 2013. Durch die verzögerten Abrechnungen im bisherigen
Verfahren haben diese Gemeinden bisher quasi einen zinslosen Kredit bekommen.
Ausgleichsempfänger wären die in der Vergangenheit (relativ) steuer- bzw. umlage-
schwächeren Gemeinden, die deshalb bisher die Zeit bis zum (Teil-) Ausgleich durch
mit Zinsen belegte Kassenkredite oder andere Maßnahmen überbrücken mussten.
Ob es auf der Gemeindeebene auch für strukturelle Veränderungen bei der Bedarfs-
berechnung Übergangsregelungen geben sollte, ist eine politische Entscheidung und
sollte vom Umfang der Auswirkungen auf die allgemeinen Zuweisungen der einzel-
nen Gemeinden abhängig gemacht werden.
Allerdings sollte dabei auch bedacht werden, dass die Begründung für strukturelle
Änderungen impliziert, dass die Gemeinden, die zukünftig höhere Zuweisungen er-
halten, bisher benachteiligt wurden und die Gemeinden, die zukünftig niedrigere Zu-
weisungen erhalten, bisher bevorzugt wurden. Übergangsregeln würden eine als
nicht mehr zutreffend empfundene Verteilung unter den Gemeinden nämlich zusätz-
lich noch ein Stück perpetuieren.
Wenn trotz dieser Bedenken eine Übergangsregelung zur Anwendung kommen soll-
te, könnte man sich eine Streckung der strukturellen Auswirkungen vorstellen. Dafür
müssten im Übergangszeitraum jeweils die Berechnungen der allgemeinen Zuwei-
sungen in der alten und in der neuen Struktur erfolgen und dann ein gewichteter
Durchschnitt gebildet werden.
Streckt man auf zwei Jahre, wären die Gewichte (neues System zu altem System) im
Jahr 2013 in der Relation von 50% zu 50% festzulegen und ab dem Jahr 2014 würde
ausschließlich das neue System gelten.
Streckt man auf drei Jahre, wären die Gewichte im Jahr 2013 in der Relation von 1/3
zu 2/3 und im Jahr 2014 in der Relation von 2/3 zu 1/3 festzulegen und ab dem Jahr
2015 würde ausschließlich das neue System zur Anwendung kommen.
196
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