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Hochschule öffentliche Verwaltung Bremen, Doventorscontrescarpe 172, 28195 Bremen
„Der Körper nach dem Tod. Die Arbeit der
forensischen Entomologen auf der „Body
Farm“ in Tennessee.“
Begleitet von
Herrn PD Dirk Fasse
Herrn Ralf Gunther Pestrup
Bremen, den 15.05.2010
Vorgelegt von
Rabea Berstermann
Polizeivollzugsdienst
Einstellungsjahrgang 2007
04 21 /8 49 20 16
6. Fachsemester
Inhaltsverzeichnis Seite
1. Einleitung 1
2. Hauptteil 6
2.1 Die Arbeit mit dem Tod 6
2.1.1 Tatortarbeit 6
2.1.1.1 Vorgehensweisen 6
2.1.1.2 Spurenkunde 8
2.1.1.3 Maßnahmen bei Leichenfund 9
2.1.2 Konventionelle Vorgehensweise der
Leichenliegezeitbestimmung 11
2.1.2.1 Die Leichenschau 11
2.1.2.2 Unsichere Todeszeichen 13
2.1.2.3 Sichere Todeszeichen 15
2.1.2.4 Tabellarische Übersicht zur Todeszeitberechnung 20
2.1.3 Moderne Möglichkeit der
Leichenliegezeitbestimmung 23
2.1.3.1 Geschichtliche Einführung in die forensische
Entomologie 24
2.1.3.2 Die Body Farm 26
2.1.3.3 Die Arbeit eines forensischen Entomologen 32
2.1.3.4 Die Schmeißfliege (Calliphora vicina) 38
2.1.3.5 Die Käsefliege (Piophila casei) 43
2.1.3.6 Weitere Fliegenarten 44
2.1.3.7 Der gemeine Speckkäfer 45
2.1.3.8 Weitere Käferarten 47
2.1.3.9 Ein Bremer Fall 49
3 Interviews unter der Fragestellung der Relevanz
dieser Thematik als Lerninhalt dem Studiengang
des Polizeivollzugsdienstes Bremen 50
3.1 Interview mit dem Sachgebietsleiter der Bremer
Mordkommission Helmut Mojen 51
3.2 Interview mit dem Kriminalbiologen Dr. Mark
Benecke 53
4. Fazit 55
Anhang
Anlage 1 Bildanhang
Anlage 2 Textanhang
Anlage 3 Quellenverzeichnis
Anlage 4 Abbildungsverzeichnis
Anlage 5 Abkürzungsverzeichnis
Anlage 6 Versicherung
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
1
1. Einleitung
In der täglichen Arbeit eines Streifenpolizisten fällt der Begriff der forensi-
schen Entomologie*1 eher selten. Sobald dieser Ausdruck jedoch mit dem
Namen „Mark Benecke“ in einem Satz thematisiert wird, beginnt die Asso-
ziation zu der Kriminalbiologie und den so genannten Leicheninsekten.
Die forensische Entomologie umfasst die Untersuchungen von Gliedertie-
ren, die sich auf, in oder nahe verstorbener Person oder Tiere befinden.
Diese Gliedertiere werden Arthropoden genannt. Zu ihnen zählen Tau-
sendfüßler, Spinnentiere, Krebse und Insekten. Sie bringen den Zyklus in
Gang, der durch den Tod wieder Leben entstehen lässt. Auch wenn diese
kleinen Tiere bei den meisten Menschen Angst und Ekel hervorbringen,
sollten sie sich dennoch bewusst sein, dass es diese Tiere sind, die einen
toten Körper in immer kleinere Grundbausteine, die Moleküle, zersetzen,
damit andere Organismen diese kleinsten Segmente als neue Nahrungs-
und Brutstätte nutzen können – „Kreislauf des Lebens“2. Anhand der fo-
rensischen Entomologie ist es seit geraumer Zeit möglich, die Leichenlie-
gezeit (post mortem interval, PMI3) an toten Körpern durch die dort gefun-
denen Insekten zu bestimmen. Es gibt hunderte verschiedener Arten, die
auf die unterschiedlichsten Weisen ihr Leben bestreiten, ihre Nahrung
sammeln, sich vermehren sowie an den unterschiedlichsten Orten der
Welt zu finden sind, ob in Gräsern, Sträuchern, Wäldern oder Küstenge-
bieten. So differierend sie allerdings aus sein mögen, eine Gleichheit be-
sitzen sie alle, den Trieb sich zu vermehren. Mit diesem Trieb geht einher,
dass sie ihrem Nachwuchs einen Lebensraum bieten wollen, in dem die
Larven nach ihrem Schlüpfen gut leben können. Leichen sind eine hervor-
ragende Brutstätte, bei denen einige Insektenlarven die inneren Organe
zu bevorzugen, wohingegen andere die Haut oder Mundhöhle favorisie-
ren. Um jedoch das Ergebnis der Leichenliegezeit durch dieses Verfahren
1 Alle Begriffe oder Abkürzungen, die mit einem * markiert sind, werden im Begriffs- und Abkür-
zungsverzeichnis erläutert 2 Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2.
Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 22 3 Vgl. Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Ausführungen zum besseren Verständnis. Anre-
gungen zum Nachdenken. Verlagsgruppe Lübbe, Imprint BLT, Mensch & Wissen Band 25, S. 38
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
2
bestimmen zu können, müssen verschiedene wissenschaftliche Instanzen,
der Forscher, Ärzte und Ermittler zusammenarbeiten. Dem Ermittler ob-
liegt dann die Pflicht, aufgrund dieses Wissens an einen Tatort solch ge-
fundenes Material sicherzustellen und einen Kriminalbiologen hinzuzuzie-
hen. Aber: Sieht auch die auch Praxis so aus? Wissen die Ermittler über
diese Methode und ihren Umgang Bescheid? Dieser essentiellen Frage-
stellung soll in den folgenden Kapiteln nachgegangen werden.
Der erste, anhand der forensischen Entomologie gelöste, niedergeschrie-
bene Fall stammte aus dem 13. Jahrhundert. Der chinesische Gelehrte
Sung Tz’u vollzog dies in seinem gerichtsmedizinischen Werk, welches in
deutscher Sprache in etwa den Titel „Vom Hinwegwaschen des Ungerech-
ten“ besaß.4 Es handelte sich um einen Mord in einem Reisfeld. Das Opfer
war männlich, verheiratet und besaß keine Feinde, er hatte nur einen
Schuldner, der allerdings ohne Verdacht blieb. Es ließen sich soweit keine
weiterführenden Spuren erheben, bis auf die Erkenntnis des damaligen
Ermittlers, der Mann sei mit einer Sichel erstochen worden. Aufgrund die-
ser Feststellung ließ er alle Arbeiter mit ihrem Werkzeug zusammentrei-
ben. Auf einer Sichel setzten sich dabei Schmeißfliegen ab, die die, für
den Menschen nicht mehr sichtbaren Blutreste riechen können. Daraufhin
gestand der Täter den Mord - es war der Schuldner des Toten. Diese An-
fänge wurden im Jahr 1974 von den Belgiern Leclercq und Lambert auf-
gegriffen, indem sie den Mord im Reisfeld noch einmal neu untersuchten
und die damaligen Feststellungen und Aufzeichnungen konzedierten.
Durch ihre Arbeit werden sie als die Gründer der modernen forensischen
Entomologie charakterisiert. Allerdings vollzog sich diese Auffrischung der
Thematik nicht nur in Belgien, sondern ebenso New York, wo der Insek-
tenkundler Murray G. Motter die Tiere auf 150 exhumierten Leichen unter-
suchte und dabei ihre verschiedenartigsten Entwicklungsstadien aufzeigte.
Er erstellte daraufhin ein Register der gefundenen Insekten im „Journal of
the New York Entomology Society“ … [mit dem minuziösen Titel] „A
4 Vgl. Bass, Bill & Jefferson, Jon (2006). Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm
erzählt. 2. Auflage, Wilhelm Goldmann Verlag, München, S. 136
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
3
Contribution of the Study of the Fauna of the Grave: A Study of One
Hundred and Fifty Disinterments, With Some Additional Experimental Ob-
servations“ („Ein Beitrag zur Untersuchung der Tierwelt in Gräbern: Unter-
suchung an 150 Exhumierungen nebst einiger zusätzlicher experimentel-
ler Beobachtungen“)5. Auch sechs Jahrzehnte später gab es die ersten
Dossiers in Knoxville, Tennessee, wo sich auch seit Anfang der 1970er
Jahre die Body Farm (Forschungsareal mit Körperspenden, folgt im Punkt
2.1.3.2) befindet. Dem Insektenkundler H. B. Reed ging es um dort aller-
dings vorerst nicht darum, Insekten zu erforschen. Er verfolgte einen öko-
logischen Ansatz, mit dem er herausstellen wollte, wie eine Leiche, das
kleine Ökosystem verändert, in dem sie verwest. Währenddessen machte
er an seinen für die Forschung ausgelegten Hundekadavern die Entde-
ckung, vieler unterschiedlicher Insektenarten. Da sich seine Ermittlungen
über einen längeren Zeitraum erstreckten, konnte er unter anderem bei
warmen oder kaltem Wetter, im Gelände oder im Wald festhalten, welche
Insektenarten wann und wo zu finden waren sowie die Geschwindigkeiten
in der ihre Arbeit, bei unterschiedlichen Bedingungen, verliefen.6
Einer der momentan populärsten Kriminalbiologen, der dieses Feld res-
pektabel beherrscht, ist der Dipl.-Biol. Dr. rer. medic. Mark Benecke. Über
ihn und seine Arbeit auf der Body Farm in Tennessee wird im Weiteren
noch berichtet.7 Zur jetzigen Zeit wird die Kriminalbiologie in dem Bereich
der forensischen Entomologie immer bekannter und es interessieren sich
stets mehr Menschen für diesen Arbeitszweig – allerdings wie Herr Bene-
cke in seinen Büchern und Interviews beteuert, hauptsächlich Frauen.
Niemand weiß, woran es liegt.8
5 Bass, Bill & Jefferson, Jon (2006). Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm
erzählt. 2. Auflage, Wilhelm Goldmann Verlag, München, S. 137 6 Vgl. Bass, Bill & Jefferson, Jon (2006). Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm
erzählt. 2. Auflage, Wilhelm Goldmann Verlag, München, S. 136f. 7 Vgl. Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Ausführungen zum besseren Verständnis. Anre-
gungen zum Nachdenken. Verlagsgruppe Lübbe, Imprint BLT, Mensch & Wissen Band 25, S. 27-29 8 Vgl. Benecke, Mark (2002). Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen
der Welt. Gustav Lübbe Verlag, S. 41
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
4
„[…] 1999 […] ahnte kein Mensch, wie populär die Kriminalbiologie inner-
halb weniger Jahre werden würde. Der Begriff war ausgestorben; das
Fach wurde an keiner deutschen Universität oder Polizeischule mehr ge-
lehrt. Heute sind unsere Kurse überlaufen […].“9
Ist es also nun an der Zeit, das Fach und vor allem die forensische Ento-
mologie in den Modulplan der Polizeihochschulen aufzunehmen? Wurde
diesem Themenbereich bislang zu wenig Beachtung geschenkt, obwohl
es eine sichere und gute Methode ist, die Leichenliegezeit zu bestimmen
und somit als unbedingt wissenswert erscheint? Oder ist dieses Thema
lediglich momentan in vieler Munde, da es sich um eine Modeerschei-
nung, durch gegenwärtige beliebte Fernsehserien wie CSI* oder Medical
Detectives* handelt? Durch die Befragung des Kriminalbiologen Dr. Bene-
cke im Punkt 3.2 dieser Arbeit und dem Beamten der Mordkommission
Bremen Herrn Mojen in Punkt 3.1 wird im Folgenden dieser Fragestellung
nachgegangen.
Im weiteren Verlauf des Textes werden die Reaktionsschemata des ster-
benden Körpers thematisiert und mit der anschließenden Arbeit der Ermitt-
ler und Ärzte verknüpft. Diese besitzen die Pflicht zur Aufklärung, ob es
sich um einen natürlichen, einen unnatürlichen oder einen unlösbaren To-
desfall handelt. Ab dem Zeitpunkt, an dem eine Person als tot bezeichnet
wird, ist der Körper zwar regungslos, allerdings geschehen innerlich wei-
terhin einzelne Vorgänge, die als Stadien der Zersetzung bezeichnet wer-
den. Einige treten noch am selbigen Tag ein, ein paar Minuten oder Stun-
den nach dem Tod, andere dafür erst Tage, Wochen oder Monate später.
Dadurch, dass sich die Wissenschaft schon seit geraumer Zeit mit diesem
Thema beschäftigt, wurde schon sehr früh damit begonnen diese Stadien
zu untersuchen. Somit ist es uns heute möglich, eine gefundene Leiche
ihrem Zersetzungsphase und somit ihrem Todeszeitpunkt zuzuordnen. Es
gibt Methoden und Untersuchungen, die schon seit hunderten von Jahren
9 Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2.
Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 11
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
5
angewandt werden. Dem gegenüber steht nun die moderne Möglichkeit
der Leichenliegezeitbestimmung anhand von Insekten und der Kriminal-
biologie. Welche Methode ist einfacher, genauer oder praktischer?
Es wird in dieser Arbeit anfangs die Tatortarbeit aufgezeigt, in der schon
früh Fehler gemacht werden können, die anschließende irreparable Aus-
wirkungen auf das gesamte Ermittlungsergebnis haben können. Infolge-
dessen wird die konventionelle Methode der Todeszeitbestimmung be-
schrieben, deren Möglichkeiten und Fehler und worauf es zu achten gilt. In
diesem Zusammenhang werden frühe und späte Leichenerscheinungen
präzisiert und daran die Aussichten erschlossen, wie eine Liegezeit be-
stimmt werden kann. Im Anschluss wird das moderne Verfahren anhand
der Insekten, mit deren beträchtlicher Artenvielfalt, dargestellt und deren
Vor- und Nachteile aufgezeigt.
Zudem wird letztendlich die Frage erläutert, ob es sich lohnt, einen sol-
chen Berufszweig in Deutschland netzwerkartig aufzubauen oder ob das
aufschäumende Interesse an dieser Arbeit nur von kurzweiliger Dauer und
in ein paar Jahren aus unseren Köpfen wieder verschwunden ist. Anhand
von Abbildungen und Beispielfällen lassen sich die Todeszeitberechnun-
gen gut darstellen.
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
6
2. Hauptteil
2.1 Die Arbeit mit dem Tod
„Wer mit Leichen umgeht, hat dabei die gebotene Ehrfurcht vor dem toten
Menschen zu wahren.“ - § 2 Satz 1 Gesetz über das Leichenwesen. Vom
27. Oktober 1992.10
2.1.1 Tatortarbeit
2.1.1.1 Vorgehensweisen
Das Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei ist „unfertig und in
seinen Grenzen unbestimmt, weil es an einer organischen Verbindung
zwischen beiden fehlt.“11 Auch in seinem Buch „Mordmethoden. Ermittlun-
gen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt“ (2002) publiziert Mark
Benecke12, es müsse immer eine enge Zusammenarbeit zwischen den
verschiedenen Ermittlergruppen in einem Fall geben. Egal wie unter-
schiedlich ihr Arbeiten auch sei, eine ständige Kommunikation und der
fortlaufende Austausch über weiterführende Resultate seien essentiell.
Jede Abteilung und jeder Zweig besitzt seine zugeteilten Aufgabenfelder,
aber nur das Zusammentragen aller Erkenntnisse kann zu einem weiter-
führenden Ergebnis vorangehen. So wird nun im Folgenden ein Einblick in
die konventionelle Arbeitsmethode der Kriminalisten an einem Tat- oder
Fundort gegeben und anschließend die moderne Methode der Kriminal-
biologie verdeutlicht. In beiden Variationen ist zudem die Verknüpfung
zwischen der Arbeitsweise der Polizei und anderen Fachdienststellen re-
präsentiert.
10
Vgl. Internetseite: http://www.aekhb.de, (2002) 11
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim; Parzeller, Dr. med. Markus (2006). Die Bearbeitung von Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag, S. 13f. 12
Interview im Anhang
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
7
Um eine Tat rekonstruieren zu können, ist der Tatort der wichtigste Aus-
gangspunkt. Hier hat der Täter agiert und Spuren hinterlassen. Eine Tat-
ortbegehung sollte nie unüberlegt und ohne Konzept erfolgen. Dies könnte
zur Vernichtung wichtiger Beweise führen.13 Wenn die Tatortarbeit profes-
sionell erledigt werden soll, müssen einzelne Segmente vor Ort von An-
fang an im Bewusstsein eines jeden Kriminalisten sein. Wie bei jeglichem
anderen Arbeitsfeld gibt es auch hier Dinge, die wichtige Grundlagen für
die Abarbeitung darstellen. Dazu gehört beispielsweise der „Erste Angriff“,
der alle unaufschiebbaren Maßnahmen umfasst, die in der Bearbeitung
Erkenntnisse zur Tataufklärung liefern könnten. Der bedeutsamste Grund-
satz ist hier die Absperrung des Tat- oder Fundortes, damit alle ab dem
Zeitpunkt stattfindenden Veränderungen bemerkt und dokumentiert wer-
den können und alles weitere in polizeilicher Hand liegt.14 Nachdem die
Maßnahmen des „Ersten Angriffs“ getroffen wurden, folgt der „Siche-
rungsangriff“. Unter diesem Begriff fallen alle aufkommenden Erstmaß-
nahmen, wie die Erste Hilfe oder die Abwehr weiterer möglicher Gefahren,
beispielsweise einem Feuer oder Personen von denen eine Gefahr aus-
geht.15 Die wichtigste Regel lautet hier: „Augen auf, Mund zu, Hände in die
Taschen.“16 Alle Dinge, die ohne Handschuhe oder ohne zu Überlegen
berührt, verschoben oder in sonstiger Weise verändert werden, müssen
protokolliert werden, damit sie nicht zu unerkannten Trugspuren (siehe
Punkt 2.1.1.2) führen.
13
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim; Parzeller, Dr. med. Markus (2006). Die Bearbeitung von Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag, S. 25 14
Vgl. Internetseite: www.kriminologie.net (2003) 15
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim; Parzeller, Dr. med. Markus (2006). Die Bearbeitung von Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag, 2006, S. 18 16
Innes, Brian (2000) Leichen sagen aus. Die hundert sensationellsten Fälle aus der Welt der Gerichtsmedizin. Pabel-Moewig Verlag, S. 11
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8
2.1.1.2 Spurenkunde
Es können prinzipiell zwei Arten von Spuren auftreten. Die einen kenn-
zeichnen sich durch ihre Individualität und ihre Einzigartigkeit (Werkzeug-
spuren oder Fingerabdrücke) und die anderen sind identifizierbare Spuren
(Textilfasern oder Lackpartikel – diese können ihrem Ursprung genau oder
zumindest im Groben zugeordnet werden).17 Den Begriff Spur zu definie-
ren erfolgt vorwiegend in der Form, dass es sich um sichtbare oder latente
materielle Veränderungen, die im Zusammenhang mit einer Tat entstan-
den sind und die einen Beitrag zur Aufklärung leisten können, handelt. Zu
unterscheiden gelten hierbei jedoch die Trug- (stehen nicht im Zusam-
menhang mit der Tat, sind vorher oder derweilen durch Neugierige oder
Rettungskräfte entstanden) und die fingierten Spuren (absichtlich vom Tä-
ter als Ablenkung verursacht). Über das Vorhandensein von jeglichen
Spurenarten sollte sich jeder Beamte vor Betreten des Fundortes bewusst
sein, damit keine unnötig verändert oder vernichtet werden. Alle Spuren
sind nun nach Möglichkeit für nachfolgende Untersuchungen zu sichern.18
Im Weiteren sind Personen festzustellen, von denen Hinweise zum Tatge-
schehen erwartet werden können, Zeugen, Tatverdächtige u.a.* und wei-
tere Dienststellen, deren Zuständigkeit hier obliegt, sind zu benachrichti-
gen.19 Als letzter Abschnitt erfolgt nach dem „Sicherungsangriff“ der „Aus-
wertungsangriff“, der eigentliche Beginn der Ermittlungsarbeit. Es wird der
Tatort untersucht. Die Maßnahmen konzentrieren sich im Groben auf fol-
gende Aspekte: Festlegung der Führung, Einrichten einer Befehlsstelle,
Tatortabsperrung überprüfen und gegebenenfalls verändern, Tatortbesich-
tigung in Ruhe und ohne Hast, mögliche Sachverständige hinzuziehen,
Suche und Sicherstellung von Beweismitteln, Ermittlung und Vernehmung
von Zeugen und Tatverdächtigen, mögliche Fahndungsergänzungen und
17
Vgl. Innes, Brian (2000). Leichen sagen aus. Die hundert sensationellsten Fälle aus der Welt der Gerichtsmedizin. Pabel-Moewig Verlag, S. 10-12 18
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim; Parzeller, Dr. med. Markus (2006). Die Bearbeitung von Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag, S. 16f. 19
Vgl. Internetseite: www.kriminologie.net (2003)
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
9
die Einleitung einer Medienbetreuung einleiten.20 Wichtig ist, dass es sich
bei keiner Aufzählung, Erklärung oder Definition um abschließend zu be-
trachtende Angelegenheiten handelt, da der Blick eines Beamten immer
weitreichend und auf neuen Fortschritt oder noch nicht in Betracht gezo-
gene Möglichkeiten gerichtet sein muss. Fehler gehören zum menschli-
chen Dasein, allerdings sollte versucht werden, an einem Tat- oder Fund-
ort diese durch größtmögliche Konzentration und Präzision zu vermeiden.
Begangene Mängel sollten nach Möglichkeit korrigiert werden, indem sie
im Bericht festgehalten oder schnellstmöglich durch neue Maßnahmen
behoben werden – beispielsweise eine unzureichende Absperrung zu ver-
größern oder zu vermeiden gewesenen Veränderungen am Tatort den
dort arbeitenden Beamten mitteilen und im Bericht vermerken. Vor allem
bei Leichensachen* muss bewusst sein, dass manche Fehler irreparabel
sind, wenn an der Leiche Veränderungen vollzogen oder Tatmittel bei-
spielsweise verschoben wurden. All dies erschwert die Rekonstruktion des
Falles und somit seine Aufklärung enorm.21 Um auch andere Vorgänge
außerhalb des Wissensstandes der Kriminalistik verstehen und besser
beurteilen zu können, sollte der in Punkt 2.1.1 genannte Kreislauf der in-
terdisziplinären Zusammenarbeit verschiedener Arbeitsfelder (Polizei,
Rechtsmedizin, Forensiker, Statiker, Biologen, Mediziner u.a.) stets den
Möglichkeiten entsprechend stattfinden.
2.1.1.3 Maßnahmen bei Leichenfund
Wenn bei einer aufgefundenen Person keine Lebenszeichen mehr fest-
stellbar sind, beginnen die Ermittlungen, die den Tathergang rekonstruie-
ren lassen sollen, um einen natürlichen (Krankheit, Alter, ohne Fremdver-
schulden), einen unnatürlichen (Unfall, Selbsttötung oder sonstige Einwir-
20
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim; Parzeller, Dr. med. Markus: a.a.O. S. 22 21
Vgl. Internetseite: www.kriminologie.net (2003)
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
10
kung von außen, gem. § 159 StPO22 muss ermittelt werden) oder einen
ungeklärten (Todesart kann mit den zur Verfügung stehenden Behelfen
nicht ermittelt werden) Todesfall zu bestätigen.23 Ein wichtiger Bestandteil
ist nun die Informationssammlung in jegliche Richtung sowie der Versuch,
die Todesart und den Todeszeitpunkt zu klassifizieren. Es sind der Krimi-
naldauerdienst* und ein Amtsarzt zu informieren. Die Ermittler und die
Spurensucher müssen durch ihre Arbeit feststellen, ob der Ort, an dem die
Leiche gefunden wurde, auch der Tatort ist oder ob die Person erst nach
ihrem Tod dort abgelegt wurde. (Unterscheidung Fund- und Tatort!).
Ebenso wird versucht die Identität des Opfers festzustellen. Bei erst kurz-
zeitig Verstorbenen, könnte durch die Beschreibung der Leiche (männlich/
weiblich, Größe, Gewicht, etwaiges Aussehen, Kleidung, besondere
Merkmale wie Tätowierungen24, Narben, Schmuck, festzustellende Krank-
heiten u.a.), eine Verbindung zu vermissten Personen der letzten Ta-
ge/Wochen/Monate gezogen werden. Weitere Identifizierungsmöglichkei-
ten sind die daktyloskopischen* Untersuchungen, Röntgenbilder oder der
Zahnstatus. Bringen diese Methoden keinen Erfolg, kann allerdings die
anschließende Bestimmung des Todeszeitpunktes und somit der Leichen-
liegezeit Rückschlüsse auf die Identität geben. So wird errechnet, wie lan-
ge die Leiche schon tot ist. Es eröffnet sich somit die Möglichkeit, für den
Zeitraum Verbindungen zu Vermissten zu ziehen. Die Reihenfolge der Un-
tersuchung, zunächst durch die Spurensicherung (äußerliche Spurensu-
che an Kleidung, mitgeführten Gegenständen, Verletzungen) und erst im
Anschluss durch den Rechtsmediziner (weiterführende Spurensuche, Ge-
webeproben, Obduktion) ist von großer Bedeutung. Die Spurensuche am
Opfer durch Ermittler oder dem ÄBD* erfolgt nun über eine äußerliche Lei-
22
„Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, oder wird der Leichnam eines Unbekannten gefunden, so sind die Polizei- und Gemeindebehörden zur sofortigen Anzeige an die Staatsanwaltschaft oder an das Amtsgericht verpflichtet.“ Strafpro-zessordnung (2009): Strafprozessordnung. Deutscher Taschenbuchverlag, München, 46. Auflage, Stand 01.09.2009, § 159 Abs. 1 StPO 23
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim & Parzeller, Dr. med. Markus (2006). Die Bearbeitung von Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag, S. 87 24
Siehe Bildanhang Abbildung 2.0
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
11
chenschau25, „Die Leichenschau wird von der Staatsanwaltschaft, auf An-
trag der Staatsanwaltschaft auch vom Richter, unter Zuziehung eines Arz-
tes vorgenommen. Ein Arzt wird nicht zugezogen, wenn dies zur Aufklä-
rung des Sachverhalts offensichtlich entbehrlich ist.“26 Die Leichenschau
ist dann durchzuführen, wenn eine Straftat nicht ausgeschlossen werden
kann.27 Zu Beginn der äußeren Leichenschau, muss sich vorerst ein Ge-
samtüberblick über die Situation verschafft werden. Sind Medikamente
vorhanden? Liegen Alkoholflaschen oder Spritzbesteck herum? Sind ir-
gendwo Blutspuren oder andere Spuren eines Kampfes? Sind sonstige
Auffälligkeiten oder Tatwerkzeuge ersichtlich? Wie und wo Gegenstände
oder Körperflüssigkeiten gefunden werden, sollte in Protokollen, Skizzen
und nach Möglichkeit auf Fotografien für die spätere Beweisführung und
die Rekonstruktion festgehalten werden.28 Um nun die Leichenliegezeit
bestimmen zu können, gibt es unterschiedliche Verfahrensmöglichkeiten,
die im Folgenden aufgeführt werden.
2.1.2 Konventionelle Vorgehensweise der Leichenliegezeitbestim- mung
2.1.2.1 Die Leichenschau
„Kriminalistik nennt die Methoden der Verbrechensverhütung und Strafver-
folgung mit Beweisfindung, Beweissicherung und Beweisführung. Sie be-
dient sich der Natur- und Geisteswissenschaften. Um sie im Detail zu ver-
stehen, ist eine weitere Unterteilung in Teildisziplinen notwendig.“29 Diese
25
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim; Parzeller, Dr. med. Markus (2006) Die Bearbeitung von Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag, S. 25 26
Strafprozessordnung (2009): Strafprozessordnung. Deutscher Taschenbuchverlag, München, 46. Auflage, Stand 01.09.2009, § 87 Abs. 1 StPO 27
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim; Parzeller, Dr. med. Markus: a.a.O. , S. 63 28
Vgl. Patscheider, Hubert & Hartmann, Hanspeter (1981). Leitfaden der Gerichtsmedizin. Verlag Hans Huber Bern, S. 22ff. 29
Weihmann, Robert (2000). Kriminalistik. Ein Grundriss für Studium und Praxis. Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH Buchvertrieb, 5. Auflage, S. 25
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12
Teildisziplinen spalten sich in Kriminalstrategie (Gesamtes Konzept der
Prävention30), die Kriminaltaktik (Einzelfallorientiertes Vorgehen), die Kri-
minaltechnik (die Spurenkunde), die Kriminalmedizin (fachliche Untersu-
chung des menschlichen Körpers, außen und innen), die Kriminalpsycho-
logie (profiling31) und die Kriminaldienstkunde (erklärt Ablauf- und Aufbau-
organisation bei der Verbrechensbekämpfung). Im Weiteren wird sich mit
der Kriminalmedizin befasst, die die Untersuchung von Leichen, innerlich
und äußerlich beinhaltet, um einem möglichen Täter die Schuld nachwei-
sen zu können oder Zeugenaussagen auf ihren Wahrheitsgehalt überprü-
fen zu können.32
Die Leichenschau entwickelte sich aus der Angst unserer Vorfahren, le-
bendig begraben zu werden. Es gab keine reglementierten Verfahren,
nach denen genau festgestellt werden konnte, ob eine Person verstorben
oder lediglich scheintot war. Auch der Zustand der Bewusstlosigkeit war
noch nicht bekannt, mit dem unter anderem eine kaum noch feststellbare
Atmung einhergeht. So wie die Weiterentwicklung der Rechtssysteme
stattfand, entwickelten sich ebenso die ärztlichen Möglichkeiten der To-
desfeststellung weiter. Es wurde seit jeher niemandem mehr vor seiner
Beerdigung ein Messer in das Herz gestochen, um wirklich sicher zu ge-
hen, dass er tot sei. Die Ärzte und Wissenschaftler forschten und entwi-
ckelten Grundsatztheorien zur Bestimmung des Todes. So wurden Ärzte
nun immer häufiger zu Tatorten gerufen, um den Tod selbst und wenn
möglich auch die Todesursache festzustellen.33 Hieraus entwickelte sich
später die Pflicht der Leichenschau, die heute in jedem Bundesland in ei-
genen Ländergesetzen geregelt ist. Der Oberbegriff ist hier das „Fried-
hofs- und Bestattungsgesetz“. Die Beamten, die als erster einen Fundort
30
„Prävention bezeichnet Handlungen, die einer Gefahr vorbeugen“ Internetseite: www.bildungsserver.berlin-brandenburg.de (unbekannt) 31
„Die Sammlung und Auswertung von Daten einer Person.“ Vgl. Internetseite: www.onpulson.de/lexikon 32
Vgl. Weihmann, Robert (2000). Kriminalistik. Ein Grundriss für Studium und Praxis. Verlag Deut-sche Polizeiliteratur GmbH Buchvertrieb, 5. Auflage, S. 26 33
Vgl. Weihmann, Robert (2000). Kriminalistik. Ein Grundriss für Studium und Praxis. Verlag Deut-sche Polizeiliteratur GmbH Buchvertrieb, 5. Auflage, S. 257f.
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
13
betreten und eine leblose Person vorfinden, müssen Erstmaßnahmen vor-
nehmen, um zu entscheiden, ob noch Aussichten auf Rettung bestehen
oder ob es sich bereits um einen Todesfall handelt,34 denn die Abgren-
zung der möglichen Reanimierbarkeit mit der Feststellung des Todes ist
die wichtigste Funktion der Leichenschau.35 Ebenso gilt dies, wenn bei-
spielsweise ein Hausarzt als erster zu einem Toten gerufen wird. Vor Ort
muss konstatiert* werden, ob einerseits die Person wirklich verstorben ist
und andererseits, ob die Möglichkeit besteht, dass dies nicht unter natürli-
chen Umständen geschehen sein könnte. Sobald die kleinste Eventualität
eines unnatürlichen Todes besteht, muss die Polizei informiert werden. In
der Situation wird der Amtsarzt hinzugezogen, der eine Legalinspektion,
eine gerichtliche Leichenschau, durchführt. Hier steht eine mögliche
rechtswidrige Tat im Fokus, die es aufzuklären gilt. Sollten weiterhin Zwei-
fel bestehen unter welchen Umständen die Person zu Tode gekommen
ist, folgt die rechtsmedizinische Untersuchung, die eine innere Leichen-
schau, die Obduktion, beinhaltet.36
2.1.2.2 Unsichere Todeszeichen
Generell kann zwischen sicheren und unsichere Todeszeichen unter-
schieden werden. Zu den unsicheren gehört zum einen der Stillstand der
Atmung. Derartig kann bei kranken oder alten Menschen das Vorkommnis
eintreten, dass bei der ersten Überprüfung keine Atmung feststellbar ist,
obwohl sie dennoch sehr gering besteht. Damit geht einher, dass auch der
Puls oder der Herzschlag kaum noch ohne medizinische Hilfsmittel diag-
nostiziert werden können. Die Haut nimmt unter Umständen eine gräuliche
Blässe an, wie sie sich auch bei verstorbenen Menschen hervorhebt und
34
Vgl. Patscheider, Hubert & Hartmann, Hanspeter (1981). Leitfaden der Gerichtsmedizin. Verlag Hans Huber Bern, S. 22 35
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim & Parzeller, Dr. med. Markus (2006). Die Bearbeitung von Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag, S. 82 36
Vgl. Internetseite www.irmsg.ch (2006)
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14
es kann sich eine komplette Lähmung aller Muskeln entwickeln.37 Ein wei-
teres unsicheres Zeichen ist das Abkühlen der Person. Eine solche Tem-
peraturveränderung kann ebenso krankheits- wie altersbedingt sein. Sollte
die Person jedoch verstorben sein, kann das Abkühlen des Körpers teil-
weise Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt geben. Einerseits hängt der
Fall der Körpertemperatur von der Umgebungstemperatur und der Klei-
dung der Person ab, andererseits auch von dem Alter und dem körperli-
chen Verfassung. Kinder und unterernährte Personen kühlen schneller ab,
normalgewichtige Menschen etwa 1°C pro Stunde, wenn die Umgebungs-
temperatur 18°C bis 20°C beträgt. Dieser Abfall findet etwa fünf bis acht
Stunden post mortem* statt. Prämisse ist, dass die Person vor ihrem Tod
eine normale Körpertemperatur besaß. Die Vorgehensweise ist, dass die-
se Temperatur stets rektal gemessen sowie die Umgebungstemperatur
jede viertel Stunde neu abgemessen und protokolliert wird.38 Ein weiteres
unsicheres Todeszeichen stellt die Bewusstlosigkeit dar. Auch wenn es
noch so unwahrscheinlich scheint, dass die Person nach einem Sturz,
nach einer Verletzung oder nach dem Bergen aus dem Wasser noch lebt,
muss überprüft werden, ob sie möglicherweise dennoch nur bewusstlos
ist. Sind bei einer Auffindesituation an dem Körper lediglich die nicht si-
cheren Todeszeichen vorhanden, müssen von den Beamten Maßnahmen
der ersten Hilfe eingeleitet werden, bis ein Arzt vor Ort ist.39 Weitere unsi-
chere Merkmale sind fehlende Reflexe und eine fehlende Pupillenreaktion
sowie Vertrocknungen an Schleimhäuten, Wunden oder weite Pupillen.40
37
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim & Parzeller, Dr. med. Markus (2006). Die Bearbeitung von Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag, S. 85 38
Patscheider, Hubert & Hartmann, Hanspeter (1981). Leitfaden der Gerichtsmedizin. Verlag Hans Huber Bern, S. 38 39
Vgl. Weihmann, Robert (2000). Kriminalistik. Ein Grundriss für Studium und Praxis. Verlag Deut-sche Polizeiliteratur GmbH Buchvertrieb, 5. Auflage, S. 259 40
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim & Parzeller, Dr. med. Markus (2006). Die Bearbeitung von Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag, S. 85
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15
2.1.2.3 Sichere Todeszeichen
Als „Agone“ wird der fließende Übergang vom Leben zum Tod bezeichnet.
Es ist der Zeitraum kurz vor dem Versagen des Kreislaufs und der At-
mung. Die schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaft
veranlasste, dass „Richtlinien für die Definition und die Diagnose des To-
des“41 erstellt werden. Demnach wurden Bedingungen entwickelt, bei de-
nen eine oder beide zutreffen müssen, um die Person als tot zu betrach-
ten. Während eine der beiden den Herz-Kreislauftod darstellt, mit dem ein
„irreversibler Herzstillstand mit der dadurch unterbrochenen Blutzirkulation
im Organismus und damit auch im Gehirn“42 einhergeht, kann als weitere
Bedingung der zerebrale Tod angeführt werden. Dies ist der „vollständi-
ge[…], irreversible[…] zerebrale[…] Funktionsausfall oder Tod des Ge-
hirns“43.
Abb. 1.1: Zeitlicher Ablauf des Sterbevorganges.44
41
Patscheider, Hubert & Hartmann, Hanspeter (1981). Leitfaden der Gerichtsmedizin. Verlag Hans Huber Bern, S. 32 42
Patscheider, Hubert & Hartmann, Hanspeter (1981). Leitfaden der Gerichtsmedizin. Verlag Hans Huber Bern, S. 32 43
Patscheider, Hubert & Hartmann, Hanspeter (1981). Leitfaden der Gerichtsmedizin. Verlag Hans Huber Bern, S. 32 44
Begriffe im Begriffs- und Abkürzungsverzeichnis erläutert
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16
Eine genauere Feststellung über den möglichen Todeseintritt lassen die
sicheren Todeszeichen zu. Hier ergibt sich eine weitere Unterteilung in
frühe und späte Leichenerscheinungen. Das früheste Merkmal sind die
Totenflecken, auch als Livores bezeichnet. Nach dem Eintritt des Todes
sinkt das Blut der Schwerkraft folgend ab. Die Körperteile, die dabei der
Erdoberfläche zugewandt sind, werden nun gefüllt.
Abb. 1.2 „Totenflecken. Links violette, normale Färbung, rechts hellrote Farbe
nach Kohlenmonoxidvergiftung“
Die Flecken nehmen meist eine blau-graue bis violette Färbung ein.45
Wenn sie sich anders färben, kann dies ein Indiz für eine Vergiftung sein.
Hellrote Flecken entstehen bei Kälte, einer Kohlenmonoxid- oder Blausäu-
revergiftung. Eine blassrosa- Farbe oder das fast vollständige Fehlen be-
zeichnet einen hohen Blutverlust, bräunliche eine mögliche Schlafmittel-
vergiftung. Auch der Leichengeruch kann Anhaltspunkte für eine Vergif-
tung liefern. Aus diesem Grund sollten an einem Tatort alle Sinne der Ärz-
te und Ermittler sensibilisiert sein.46 Die Totenflecken treten etwa 20 bis 30
Minuten nach Todeseintritt in kleiner Form auf und fließen nach weiteren
45
Vgl. Patscheider, Hubert; Hartmann, Hanspeter (1981). Leitfaden der Gerichtsmedizin. Verlag Hans Huber Bern, S. 34 46
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim; Parzeller, Dr. med. Markus (2006)Die Bearbeitung von Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag, S. 89
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17
30 Minuten zu einer großen Fläche zusammen. Die Flecken bilden sich
nicht dort, wo die Leiche direkt auf dem Boden liegt (Gesäß, Schulterblät-
ter), da die Gefäße dort abgedrückt werden. Innerhalb der ersten sechs
Stunden nach Todeseintritt, können sich die Livores bei Umlagerung des
Körpers vollständig zurück- und in der veränderten Position neu bilden, da
das Blut in dieser Zeitspanne noch verlagerbar ist. Nach etwa sechs bis
zwölf Stunden ist das Blut insoweit verdickt, dass die Totenflecken nur
noch teilweise umlagerbar sind und sie sowohl an der alten Lagerungspo-
sition, als auch an der neuen erkennbar sind. Bei vergangenen zwölf bis
14 Stunden nach Eintritt des Todes, ist die Umlagerbarkeit der Flecken
abhanden gekommen, da das Blut zu stark verdickt ist und festgesetzt hat.
Abb. 1.3: Umlagerbarkeit = Wandern der Totenflecke.
Bei Wegdrückbarkeit der Flecken (Anlage 1 Bildanhang, Abb. 2.1), kann
darauf geschlossen werden, dass die Person nicht länger als 20 bis 30
Stunden verstorben ist. Krankheiten können ebenso ein Auslöser für eine
solche Art von Flecken auf der Haut sein. Aus diesem Grund darf nach der
Feststellung des Vorhandenseins nicht direkt vom Tod der Person ausge-
gangen werden. Aufgrund der Erkenntnisse über die Zeitangaben des Er-
scheinens der Totenflecken und der Umlagerungsfähigkeit, ist dies eine
erste angemessene Methode, um die Leichenliegezeit berechnen zu kön-
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18
nen und zudem ein Hinweis für die Ermittler auf die Körperhaltung oder
die Verlagerung des Toten sowie der Untergrund des Aufliegens, falls die-
ser sich als Muster am Körper widerspiegelt. Ein weiteres sicheres To-
desmerkmal ist die Totenstarre (Rigor mortis), die in etwa zwei bis drei
Stunden post mortem eintritt. Der Vorgang beginnt am Herzmuskel, ist
äußerlich jedoch erst nach etwa zwei bis drei Stunden am Kiefergelenk
erkennbar und breitet sich den Gliedmaßen entlang zu den Füßen hin aus.
Sie erfolgt dadurch, dass die Muskulatur primär erschlafft. Eine komplette
Ausbreitung erfolgt nach etwa sechs bis zwölf Stunden. Bei dem Versuch,
das Kiefergelenk, die Arme oder die Beine zu bewegen kann demnach
festgestellt werden, in wie weit die Starre vorangeschritten ist. 24 Stunden
bleibt die Starre in etwa gleicher Intensität vorhanden, danach bildet sie
sich in umgekehrter Reihenfolge zurück. Diese Rückbildung ist nach etwa
drei Tagen vollständig abgeschlossen.
Abb. 1.4 „Ausbildung der Totenstarre“
Bei der Leichenstarre ist vor allem die Außentemperatur und die Kleidung
der Person von enormer Wichtigkeit. So beschleunigt Wärme den Pro-
zess, wohingegen Kälte ihn verlangsamt. Aufgrund dieser großen Abhän-
gigkeit von der Temperatur, ist die Totenstarre kein exaktes Mittel zur Lie-
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19
gezeitbestimmung. Allerdings ist der Faktor zu berücksichtigen, dass sich
die Starre nach gewaltsamen Brechen nur wieder neu bildet, wenn dies in
den ersten acht Stunden nach dem Tod vorgenommen wird.47 Entspre-
chend der Totenflecken, sind auch die Zeitangaben jeweils Normwerte,
die bei normaler Zimmertemperatur, normaler Kleidung und keinen extre-
men Wetterverhältnissen angenommen werden. Aus diesem Grund sind
die Feststellungen der Temperatur, des Wetters, der Kleidung der Leiche
u.a.* wichtige zu notierende Aspekte für den Rechtsmediziner. Nur an-
hand der genauen Zustände kann er auf den Todeszeitpunkt zurückrech-
nen.
Nachdem der Vorgang der frühen Todeszeichen abgeschlossen ist, be-
ginnt der Körper sich mehr und mehr zu zersetzen und es treten die spä-
ten Leichenerscheinungen ein. Die erste ist die Autolyse, die Selbstauflö-
sung. Sie beinhaltet den Zellverfall des Körpers selbst. Hierbei sind noch
keine Bakterien oder Tiere beteiligt, sondern nur körpereigene Enzyme.
Die Lösung der Totenstarre ist ebenfalls involviert. Der anschließende
Prozess ist die Verwesung, die von den Bakterien im Darm erwächst. Sie
beginnt in der ersten Todeswoche am Bauch und bringt eine grünliche bis
grün-schwarze Verfärbung der Haut wie auch der von außen sichtbaren
Venen mit sich. Aufgrund von Gasbildung bläht sich der Bauch der Leiche
in der zweiten Woche nach dem Tod auf, bis hin zum Austritt von Flüssig-
keiten aus Mund und Nase und der Entleerung der Harnblase und des
Enddarms. Es entstehen Fäulnisblasen und Haare, Finger- sowie Zehen-
nägel beginnen sich zu lösen.48 Für die Leichenliegezeitberechnung ist die
1-2-8-Regel nach Casper zu beachten. Ein toter Körper verwest an der
Luft am schnellsten, benötigt doppelt so lange unter der Erde und acht Mal
so lange unter Wasser.49 Für die Fäulniserscheinungen sind die oben ge-
nannten Zeitwerte wieder lediglich Normwerte. Bei sehr hoher Temperatur,
47
Vgl. Patscheider, Hubert; Hartmann, Hanspeter (1981). Leitfaden der Gerichtsmedizin. Verlag Hans Huber Bern, S. 34-39 48
Vgl. Patscheider, Hubert & Hartmann, Hanspeter (1981). Leitfaden der Gerichtsmedizin. Verlag Hans Huber Bern, S. 39-40 49
Vgl. Internetseite www.notfall-training.de (unbekannt)
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20
wie im Hochsommer, kann der Prozess wesentlich früher, mitunter auch
schon nach einem Tag, beginnen. Die weiteren Stadien sind die Vertrock-
nung und die Fettwachsbildung. Die Vertrocknung kann bei geöffneten
Augenlidern dort schon wenige Minuten nach dem Tod eintreten, bei un-
geöffneten dauert es bis zu einem Tag. Das Gewebe verengt sich und
wird hart. Wenn sich dieses Stadium über den Großteil des Körpers er-
streckt und er scheint, als besäße er eine ledrige braun-schwarze Haut,
wird dieser Zustand als Mumifizierung klassifiziert (Anlage 1 Bildanhang,
Abb. 2.2). Diese Form entspringt, wenn sich die Leiche an einem trocke-
nen Ort mit hoher Temperatur und viel Luftdurchzug befindet. Diese Vo-
raussetzungen benötigt der Prozess der Vertrocknung. Liegt die Leiche
hingegen an humiden* und wenig aeroben* Orten, begünstigt dies die
Zersetzung zu einer schmierigen grau-gelblichen Masse. Nach etwa drei
Monaten beginnt während dieses Prozesses die Fettwachsbildung, die
den Körper in ihrer Statur erhält und konserviert.50 Nachdem die zuvor
genannten Vorgänge erfolgt sind, wurde dadurch das Gewebe vom Körper
abgesondert und das Stadium der Skelettierung ist erreicht. Bis das Ske-
lett vollständig freigelegt ist, können Jahre vergehen.51 Der Prozess der
Verwesung wird durch Tierfraß und Insektenbefall beschleunigt. Wie sich
die Leichenliegezeit anhand dieser Geschöpfe feststellen lässt, wird im
Weiteren erläutert.
2.1.2.4 Tabellarische Übersicht zur Todeszeitberechnung
Folglich gibt es eine Zusammenfassung der wesentlichen Möglichkeiten
der Leichenliegezeitberechnung anhand der Zersetzungsstadien:
Merkmal an der Leiche
Charakteristika Leichenliegezeit
Totenflecken Umlagerbar = Zu-rück- und Neubil-
Ca. 6 Stunden
50
Vgl. Patscheider, Hubert & Hartmann, Hanspeter (1981). Leitfaden der Gerichtsmedizin. Verlag Hans Huber Bern, S. 40-41 51
Vgl. Internetseite www.sowa.de (2003)
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21
dung
Teilweise Zurück- und Neubildung
Obwohl umgela-gert, keine Neubil-dung
Flecken sind weg-drückbar
Ca. 6-12 Stunden
Ca. 12 Stunden
Nicht länger als 20-30 Stunden
Totenstarre Am Kiefergelenk erkennbar
Völlig ausgeprägt
Intensität bleibt gleich
Vollständige Rück-bildung
Bildet sich nach gewaltsamen Bre-chen neu
Prozess verlang-samt sich bei Kälte und beschleunigt sich bei Wärme
Ca. 2-3 Stunden Ca. 6-12 Stunden
Ca. 24 Stunden
Ca. 2-3 Tage
Innerhalb der ers-
ten 8 Stunden p.m.52
Stunden dazu re-chen oder abzie-hen
Autolyse Selbstauflösung durch körpereigene Enzyme
Schließt mit der Rückbildung der Totenstarre ab: Ca. 2-3 Tage
Verwesung Im Bauchraum, grün-schwarze Färbung
Gasbildung, Bauch bläht sich auf
In der ersten Wo-che p.m.
In der zweiten Wo-che p.m.
Fäulnis Blasen bilden sich, Flüssigkeiten treten aus Körperöffnun-gen
Geht mit der Ver-wesung einher, im Hochsommer auch schon nach einem Tag leicht erkenn-bar
Vertrocknung Zuerst an den Au-gen erkennbar
Vollständig = Mu-mifizierung
Geöffnet: 1Tag Geschlossen: 2
Tage Starke Abhängig-
keit von der Umge-
52
Post mortem
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22
bungstemperatur und der Luftfeuch-tigkeit ab
Mumifizierung Lederartige Haut-bildung, schrump-fen des Körpers
Starke Abhängig-keit von der Luft-feuchtigkeit
Fettwachsbildung Lagerung ohne Sauerstoffzufuhr, schmierige, grau-gelbe Masse
Ca. 3 Monate
Skelettierung Gewebe vom Kör-per entfernt durch Verwesung oder Tierfraß
Über Jahre
Quelle: eigene
Zudem gibt es weitere Verfahren zur konventionellen Liegezeitbestim-
mung. Zu diesen zählt das Abkühlen der Leiche, wie schon in auf Kapitel
2.1.2.2 unter dem Aspekt der unsicheren Todeszeichen erläutert. Ein wei-
teres Verfahren ist das Erfassen des Verdauungszustandes, der bei der
Obduktion untersucht wird. Allerdings ist der Vorgang der Verdauung bei
jedem Menschen unterschiedlich, sodass es eher problematisch ist, in ei-
ne Norm zu klassifizieren. Hier hängt zu viel von der Größe, dem Gewicht,
den Lebensumständen, Krankheiten und dem genauen Zeitpunkt der letz-
ten Nahrungsaufnahme der zu untersuchenden Person ab. Nur wenn alle
benötigten Informationen detailliert vorliegen, kann die Leichenliegezeit
berechnet werden. Dies ist schwer zu handhaben und aus diesem Grund
kein praktikables Mittel. Ein letztes bekanntes Verfahren ist die elektrische
Reizung der Muskulatur. Liegt die Umgebungstemperatur zwischen 10°C
und 25°C, kann anhand der elektrischen Leitfähigkeit der Muskeln auf den
erst kurzzeitig zurückliegenden Todeszeitpunkt zurückgerechnet werden.
Diese Maßnahme ist allerdings nicht weit verbreitet und kann auch nur
vonseiten eines Rechtsmediziners mit entsprechender Apparatur realisiert
werden.53
53
Weihmann, Robert (2000). Kriminalistik. Ein Grundriss für Studium und Praxis. Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH Buchvertrieb, 5. Auflage, 2000, S. 260
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
23
2.1.3 Moderne Möglichkeit der Leichenliegezeitbestimmung
Um der gesamten Kriminalistik, die ein Fall fordert gerecht zu werden, dür-
fen sich die Ermittlungen und rechtsmedizinischen Möglichkeiten für die
Todeszeitbestimmung nicht nur auf stereotype Methoden beschränken.
Eine Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen, beispielsweise der
Chemie oder Biologie, muss erfolgen, um eine ausgeprägte Sichtweise
auf die sich bietende Optionen der Fallbearbeitung sowie der Falllösung
zu erhalten. Eine in den letzten Jahren stets bekannter gewordene An-
wendung ist die forensische Entomologie, bei der die Möglichkeit besteht,
anhand von Insektenfunden auf, neben oder in der Leiche den relativ
exakten Todeszeitpunkt eines Menschen zu bestimmen. Das entspre-
chende Lebensstadium eines Insekts sagt mittels der Art oder Größe et-
was über den Todeszeitpunkt und teilweise auch über die Todesursache
aus.
Wird in diesem Zusammenhang ein Gutachter oder Sachverständiger her-
angezogen werden soll, sind einige formale und notwendige Elemente zu
beachten. Zunächst obliegt das Privileg der Einholung eines Gutachtens
nur dem zuständigen Sachbearbeiter des Fachkommissariats, wobei
ebenso eine Zustimmung der Staatsanwaltschaft erfolgen muss. Alle er-
teilten Aufträge werden in Tabellen registriert, um den Überblick zu behal-
ten. Die Frage nach der „sachlichen Notwendigkeit“54 ist infolge der ge-
samten Ermittlungen abermals zu stellen und bei neuen Ermittlungser-
gebnissen beizubehalten, zu verändern oder aufzuheben. Unter die Sach-
verständigen fallen auch die Kriminalbiologen, die anhand von Insekten
die Leichenliegezeit bestimmen können. In den folgenden Punkten werden
ihre Arbeitsmethoden erläutert.55 Eine wissenswerte Bemerkung in diesem
Zusammenhang erlaubt die erklärende Unterscheidung zwischen
54
Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim; Parzeller, Dr. med. Markus: Die Bearbeitung von Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag, 2006, S. 58 55
Vgl. Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans Joachim; Parzeller, Dr. med. Markus: Die Bearbeitung von Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag, 2006, S. 58
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24
Rechtsmedizinern, Pathologen und den amerikanischen forensic patholo-
gists (forensische Pathologen). Um sich einen Rechtsmediziner zu nen-
nen, bedarf es einer langjährigen und spezialisierten Ausbildung zum
Facharzt, wie es auch in dem Berufszweig des Pathologen der Fall ist. Der
Rechtsmediziner befasst sich dann „mit unnatürlichen Todesursachen und
Gewalteinwirkung wie Erhängen, Ertrinken, Erwürgen oder einer Überdo-
sis Drogen“56, der Pathologe hingegen nimmt die Unterscheidung eines
gutartigen von einem bösartigen Tumors vor, also der „krankhaften Ver-
änderungen von Zellen“57. Die amerikanischen forensic pathologists de-
mentgegen genießen vorerst eine Ausbildung in der Erkennung eines bös-
und eines gutartigen Tumors und angrenzend eine Weiterbildung in der
Beurteilungsfähigkeit, ob ein natürlicher oder unnatürlicher Tod vorliegt.
Durch die deutsche Übersetzung in forensische Pathologen kommt es in
diesem Punkt häufig zu Irritationen und Verwechslungen.58
2.1.3.1 Geschichtliche Einführung in die forensische Entomologie
Seit über 100 Jahren wird die forensische Entomologie bereits angewandt,
die sich vor allem mit der Verbreitung von Insekten auf Leichen beschäf-
tigt. Da auch hier der Fortschritt keine Unterbrechung aufzeigt, ist diese
Wissenschaft heute so weit ausgeprägt, dass sich mittels der Untersu-
chungen die Liegezeit von Leichen zuverlässig präzisieren lässt.59 Da In-
sekten die größte Gruppe von Lebewesen auf der Erde sind, lässt die
Vermutung zu, dass Forscher schon vor einigen Jahrhunderten die „Freß-
lust“(sic!)60 der kleinen Zersetzungshelfer erkannten. Es sind bereits Nie-
56
Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 15 57
Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 15 58
Vgl. Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 15 59
Vgl. Walder, Prof. em. Dr. iur. Hans (Hrsg.); Hansjakob, Dr. iur. Thomas (Bearbeiter), Kriminalis-tisches Denken. Kriminalistik Verlag Heidelberg, 7. Auflage, 2006, S. 63 60
Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Ausführungen zum besseren Verständnis. Anregungen zum Nachdenken. Verlagsgruppe Lübbe, Imprint BLT, Mensch & Wissen Band 25, S. 22
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
25
derschriften aus dem 18. Jahrhundert bekannt, in denen aufgeführt ist, wie
Insekten Tierleichen befallen. Zudem wurden Grabplatten aus dem 16.
Jahrhundert gefunden, auf denen von Maden befallene Leichen abgebildet
sind.
Abb. 1.5 „Insekten bilden die größte Gruppe von Lebewesen auf der Erde.“
Bis allerdings die ersten Wissenschaftler und Forscher auf die Idee ka-
men, die Insekten als Helfer im Hinblick auf die Todeszeitpunkteingren-
zung zu nutzen, dauerte es noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Hier trat
das Manifest in Erscheinung, eine anhand von Insekten untersuchte Baby-
leiche aus Frankreich, sei länger verstorben als anfangs angenommen, da
die gefundenen Maden in einem Stadium waren, zudem sie mehrere Wo-
chen benötigen. Der erste Wissenschaftler, der die Bedeutung diese klei-
nen Helfer in Bezug auf die Bearbeitung von Tötungsdelikten erkannte,
war Dr. Reinhard, ein Dresdener Arzt, in Zusammenarbeit mit dem Insek-
tenkundler Brauer. Nebenher begann der Franzose Mégnin die Besied-
lungswellen für Leichen zu einzuteilen. In dieser Auflistung zeigte er die
verschiedenen Gruppen von u.a.* Fliegen und Käfern auf, die unterschied-
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26
liche Zersetzungsstadien (Verwesung, Vertrocknung, u.a.) einer Leiche
bevorzugen. Diesen Anfängen in Deutschland und Frankreich folgten eine
Reihe weiterer Fallberichte, die anhand dieser Methode gelöst wurden.
Grundbausteine für die moderne Weise der forensischen Entomologie leg-
ten dann aber die in der Einleitung bereits erwähnten Belgier Leclercq und
Lambert, die den Fall des Mordes im Reisfeld aus dem 13. Jahrhundert
neu untersuchten und konzedierten. Durch ihr Werk rückte die Arbeit der
forensischen Entomologen in den Fokus der Öffentlichkeit und mit dem
Aufblühen der Arbeit auf der Body Farm (Punkt 2.1.3.2) gab es mehr und
mehr Interessenten, die sich diesem Thema annahmen.61
2.1.3.2 Die „Body Farm“
250 South Stadium Hall, University of Tennessee, Knoxville: hier liegt die
„Anthropological Research Facility“ (ARF), deren Umgangsname die „Bo-
dy Farm“62 ist. Die Anthropologische Forschungseinrichtung einige Kilo-
meter südlich von Knoxville, im Bundesstaat Tennessee, wurde im Jahr
1971 von dem amerikanischen Anthropologen William M. Bass (*1928 in
Staunten, Virginia63) gegründet. Das heutige Gebiet umfasst eine Größe
von ca. „12.000 qm“64.65 Die Arbeit eines Anthropologen beschäftigt sich
mit der „Lehre vom Menschen in natur- und geisteswissenschaftlicher
Sicht in Geschichte und Gegenwart“66. Anthropologische Untersuchungen
beziehen sich in weiter Form auf die unterschiedlichsten Nutzungsgebiete
des menschlichen Lebens, die für die Rechtspflege von Bedeutung sind,
unter denen die Völkerkunde, die Humanbiologie sowie ein Teil der Philo-
sophie fallen. Ein Teilgebiet der Anthropologie, die wiederum eine eigene
61
Vgl. Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Ausführungen zum besseren Verständnis. Anre-gungen zum Nachdenken. Verlagsgruppe Lübbe, Imprint BLT, Mensch & Wissen Band 25, S. 22-29 62
Dieser Name war dem Verantwortlichen Prof. Dr. Jantz und seiner Frau für die freiwilligen Körperspender nicht angemessen und sollte durch die Bezeichnung als Anthropologische For-schungseinrichtung diesen gegenüber mehr Respekt repräsentieren 63
Vgl. Internetseite www.google.de/imgres?imgurl=http://www.nndb.com/people (unbekannt) 64
Vgl. Internetseite: www.abenteuerwissen.zdf.de (2006) 65
Vgl. Benecke, Mark: Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. Gustav Lübbe Verlag, 2002, S. 33-35 66
Internetseite www.sign-lang.uni-hamburg.de (unbekannt)
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27
Wissenschaft darstellt ist die Osteologie (Knochenkunde), mittels derer
eine Leiche durch bestimmte Merkmale im Knochenbau identifiziert wer-
den kann.67 Auch die forensische Entomologie, die sich mit der Insekten-
kunde und der Leichenliegezeitbestimmung anhand dieser Tiere beschäf-
tigt ist eine Teildisziplin der Anthropologie.
William Bass bekam von der ansässigen Universität (University of Ten-
nessee - UT) den Auftrag, ein Forschungsareal für universitäre Knochen-
kunde aufzubauen. Er sollte folglich eine Einrichtung konstruieren, mittels
derer die Knochenfunde einer dortig aufgespürten Indianersiedlung unter-
sucht werden konnten. Die Universität interessierte die Entwicklung des
menschlichen Skelettes von beispielsweise den damaligen Einwanderern
aus Europa mit den heutigen Amerikanern. Es gab natürlich auch schon
vor Bass‘ Untersuchungen jahrzehntelange universelle Vermessungen
von Schädeln, doch er baute das Gebiet weiter aus und erneuerte teilwei-
se veraltete Zahlen, da sich unter anderem die starken Veränderungen
des Menschen im Gegensatz zum 18. oder 19. Jahrhundert herausstell-
ten. Wir sind größer und korpulenter geworden, infolgedessen Aufzeich-
nungen und Tabellen aus früherer Zeit somit eher unbrauchbar für heutige
Ermittlungen an Leichen sind.68 Ende der 1970er Jahre wuchs das Inte-
resse von Bass hin zu den Verwesungsprozessen des Menschen in freier
Natur. Sein Fokus fiel dabei auf die Möglichkeit der Leichenliegezeitbe-
stimmung, die durch die unterschiedlichen Verwesungsstadien erkannt
werden kann.69 Mittels der dann stattgefundenen Untersuchungen konnte
er zudem beispielsweise die Einwirkung von Krankheiten, dem Alter und
dem Geschlecht bei Personen nach dem Tod erforschen, um Merkmale
herauszuarbeiten, die bei einer Leiche Aufschluss auf beispielsweise einer
Diabetes zu Lebzeiten geben können. Die Methode bestand darin, die
Fäulnisstadien und die Skelettierung der Körper, bei unterschiedlicher Wit-
terung und in ihren Geschwindigkeiten zu untersuchen und Normalitäten
67
Vgl. Internetseite www.aerzteblatt.lnsdata.de (2006) 68
Vgl. Internetseite www.benecke.com (2002) 69
Vgl. Internetseite wiki.benecke.com (2008)
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
28
sowie Besonderheiten herauszuarbeiten. (In der Anlage 1 Bildanhang,
geben die Abbildungen 3.1 bis 3.5 einen anschaulichen Eindruck der Body
Farm)
Bass war als Professor an der UT* stets darauf bedacht, seine StudentIn-
nen mit in seine Forschungen einzubeziehen. Als Arbeitsgebiet stand ih-
nen vorerst ein abgelegener Bauernhof zur Verfügung, auf dem ihre Expe-
rimente ungestört reifen/verwesen und beobachtet werden konnten. Ein
Hindernis bestand allerdings darin, dass der Hof und die UT* eine Weg-
stecke von drei Stunden trennte, dass im Hinblick auf Unterfangen die
mehrmals täglich überprüft werden mussten, ein großes Problem darbot.
Bass stellte somit die Anforderung an seinen Dekan, dass er ein Gebiet
nahe der Universität benötigte, um sein Vorhaben der Wissenschaft ge-
recht durchführen zu können. Dank des Verbotes Anfang der 1980er Jah-
re, in den USA im Freien Müll zu verbrennen, wurde das Gelände, auf
dem zuvor der Universitätsmüll vernichtet wurde frei und Bass zur Verfü-
gung gestellt. Hier konnte er seine Studien nun effizienter entwickeln und
verwirklichen und dies war der Beginn der Body Farm.70 Die unterirdi-
schen Kellerräume des an die University of Tennessee angrenzenden
Footballstadiums dienten zu der Zeit sowie auch heute weiterhin als Ar-
beitsraum, in dem sowohl Dokumente lagern, als auch Untersuchungen
durchgeführt werden, für die diese Räumlichkeiten von Nutzen sind. In-
nerhalb der Footballsaison befinden sich an jedem Wochenende rund
100.000 Menschen in dem Stadion, unter dem zugleich Experimente mit
Leichen zelebriert werden.71
Auch wenn sich die Gründung der ARF* sehr reibungslos anzuhören ver-
mag, gab es indes natürlich auch Probleme. Anwohner beschwerten sich
unter anderem, dass sie von Fliegenschwärmen angegriffen wurden und
es ist bewundernswert, wie sich Menschen von Unbekanntem, wie dem
Tod, anziehen lassen. Um eine Zerstörung der Arbeit auf dem Areal durch
70
Vgl. Benecke, Mark: Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. Gustav Lübbe Verlag, 2002, S. 36f. 71
Vgl. Internetseite www.benecke.com/pdf-files/bodyfarm (2002)
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29
unbefugte Schaulustige oder wutentbrannte religiöse Eiferer zu verhin-
dern, ließ der damalige Dekan einen Zaun um die Farm ziehen. Somit war
ein unbefugtes Eindringen erschwert und durch weitere hinzugekommene
Vorkehrungsmaßnahmen so gut wie unmöglich.72 (Anlage 1 Bildanhang,
Abbildung 3.4)
Bass wurde mittlerweile von seinem Amt als Leiter der Body Farm von
seinem Nachfolger Dr. Murray Marks abgelöst.73 Aus heutiger Sicht, sind
die Erforschungen der Verwesungsprozesse und -stadien sowie Insekten-
besiedlungen für die Leichenliegezeit abgeschlossen, sodass annähernd
alle Verbrechensszenarien auf der Body Farm bereits nachgestellt und
untersucht wurden – ob eine Leiche in einem halben Meter oder in zwei
Metern vergraben wurde, ob sie in einem Kofferraum verweste, auf dem
Grund eines Sees lag oder unter einer Betonplatte im Wald zerdrückt und
von Tieren zerfressen. In den letzten Jahren lag das Hauptaugenmerk
somit verstärkt auf einer neuen Möglichkeit, die Liegezeit noch weiter zu
präzisieren. Hier stehen die „biochemischen Zerfallsprozesse der Orga-
ne“74 im Vordergrund, anhand derer die inneren unterschiedlichen Kon-
zentrationen der Fäulnisgase eine noch genauere Feststellung in Stun-
denangaben liefern sollen. Zudem besteht der Wunschgedanke Messge-
räte zu erfinden oder erfinden zu lassen, die diese Vorstellung umsetzen
werden.75
Woher stammen die Leichen auf der Body Farm? Anfangs, als William
Bass sein Forschungsareal aufbaute, musste er sich eigens darum küm-
mern Leichen zu organisieren. Er schrieb knapp 100 amtliche medizini-
sche Sachverständige und Bestattungshäuser an. So kam er zu seiner
ersten gespendeten Leiche aus dem Burris Funeral Home in Crossville,
72
Vgl. Benecke, Mark: Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. Gustav Lübbe Verlag, 2002, S. 36f. 73
Vgl. Benecke, Mark: Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. Gustav Lübbe Verlag, 2002, S. 33-39 74
Internetseite www.zeit.de (1999) 75
Vgl. Internetseite www.zeit.de (1999)
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
30
Tennessee, die die Nummer 1-81 erhielt.76 Heute sind die dortigen Körper
allesamt freiwillig von den Verstorbenen gespendet, entweder direkt an die
Body Farm oder aber zum Zwecke der Wissenschaft zur Verfügung ge-
stellt. Letztere lassen sich beispielsweise auch in der Ausstellung Körper-
welten (siehe hierzu www.koerperwelten.de) wiederfinden. Zudem können
Verstorbene ohne Angehörige, die aus der Pathologie nicht abgeholt wer-
den auf die Farm gelangen.77 Es besteht die Möglichkeit für einen Spen-
der sich vor seinem Entschluss das Territorial eigens anzuschauen und
sich einen Platz oder eine Art der Liegemöglichkeit (unter der Erde, ent-
gegen der Sonne) auszuwählen.78 Einmal jährlich wird eine so genannte
Clean up party vollzogen, bei der die Körper, die ihren Untersuchungs-
zweck erfüllt haben von der Farm geholt werden, um Platz für neue zu
schaffen.79 Doch auch das Gedenken an die Toten ist ein Bestandteil der
Arbeit dort. Sie werden zwar als Untersuchungsobjekte in Experimenten
eingesetzt, aber jeder der dort arbeitet und forscht, ob ausgebildeter Wis-
senschaftler oder noch Student, ist sich bewusst, dass hinter dem toten
Körper einmal eine lebendige Persönlichkeit gehörte.80
Was geschieht, nachdem eine Leiche platziert wurde? Das Gebiet der Bo-
dy Farm besitzt verschiedenartige Territorien. Ein Teil liegt an einem
Fluss, eines an einem Berg, eines in einer eher ariden Gegend und ein
letztes besteht aus einem Waldstück.81 Fast alle Leichen liegen hier auf
dem Bauch gedreht, da ein „Anthropologen-Aberglaube“82 besagt, dass
sie so schneller verwesen und sich die Anthropologen eher für das Skelett
oder einzelne Knochen interessieren, als für die Gliedertierkunde an ver-
wesendem Gewebe.83 Ebenso erhält jede Leiche für den genauen Über-
76
Vgl. Bass, Bill & Jefferson, Jon (2006). Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm erzählt. 2. Auflage, Wilhelm Goldmann Verlag, München, S. 131 77
Vgl. Internetseite www.zeit.de (1999) 78
Vgl. Internetseite www.portal.gmx.net (2009) 79
Vgl. Internetseite www.benecke.com (2002) 80
Vgl. Benecke, Mark (2002): Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. Gustav Lübbe Verlag, S. 43 81
Vgl. Internetseite www.portal.gmx.net (2009) 82
Internetseite www.benecke.com (2002) 83
Vgl. Internetseite www.benecke.com (2002)
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31
blick wie oben bereits erwähnt eine Nummer und wird mit dieser in allen
Unterlagen registriert.84 Da die Sommermonate in Tennessee mit sehr
hohen Temperaturen bestückt sind, muss darauf geachtet werden, dass
die Leichen nicht direkt der Sonne ausgesetzt werden, außer es dient ei-
ner Untersuchung, da sie sonst zu schnell vertrocknen und mumifizieren.
Aus diesem Grund liegen viele der Körper unter der Erde, im Wald oder
unter Betonplatten.85 Jedem, der befugten Zutritt zum Areal der ARF* be-
sitzt, ist auch der Zugang zu jeder sich dort befindlichen Leiche erlaubt. Er
kann sich tagelang zuseiten setzen, um verschiedenartige Lebewesen zu
beobachten, die in einer eingespielten Reihenfolge der Natur zu diesem
Schauplatz gelangen oder freigelegte Knochen sowie Zersetzungsstadien
bei jeglicher Witterung untersuchen.86
„Wie lange liegt die Leiche schon dort?“ War stets die erste Frage, die
Bass gestellt bekam, wenn er an einem Leichenfundort auf einen Polizei-
beamten traf.87 Da Tennessee (ca. 6,1 Mio. Einwohner auf ca. 109.160km²
Fläche) dichter besiedelt ist, als beispielsweise Kansas (ca. 2,8 Mio. Ein-
wohner auf ca. 213.096 km² Fläche), wird eine verstorbene Person hier in
den meisten Fällen binnen kürzester Zeit gefunden. Bass‘ Untersuchun-
gen in Beziehung auf die Verwesungsstadien, waren dann eine gut zu
nutzende Quelle für die Ermittler, um die Leichenliegezeit im frühen Stadi-
um bestimmen zu können.88 In dieser Phase spielte der Student William
Rodriguez in den Anfängen der 1980er Jahre auf der ARF* eine wichtige
Rolle. Er begann die, sich auf den Leichen befindenden, Insekten zu er-
forschen. Rodriguez entwickelte Versuche, in denen er beispielsweise
Leichen in Käfige und anschließend auf wenig erhöhte Pflöcke legte, um
84
Vgl. Bass, Bill & Jefferson, Jon (2006). Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm erzählt. 2. Auflage, Wilhelm Goldmann Verlag, München, S. 131f. 85
Vgl. Benecke, Mark: Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. Gustav Lübbe Verlag, 2002, S. 39 86
Vgl. Bass, Bill & Jefferson, Jon (2006). Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm erzählt. 2. Auflage, Wilhelm Goldmann Verlag, München, S. 176 87
Vgl. Benecke, Mark: Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. Gustav Lübbe Verlag, 2002, S. 44 88
Vgl. Bass, Bill & Jefferson, Jon (2006). Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm erzählt. 2. Auflage, Wilhelm Goldmann Verlag, München, S. 124
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32
sie vor größeren Tieren zu schützen. Durch diese Maßnahme konnte er
nicht nur die Insekten auf den Leichen, sondern auch solche, die sich da-
runter befanden aufspüren, untersuchen, analysieren und dokumentieren.
Diese Methode wird heute allerdings abgelehnt, da festgestellt wurde,
dass Maden nicht aufwärts klettern können und sie somit unnatürlicher
Weise auf der Leiche fehlten.89 Rodriguez war der Vorreiter, der die „Pa-
rade der Insekten entschlüsselte[…], die in festgelegter Choreographie
zum Schauplatz eines Toten ziehen.“90
2.1.3.3 Die Arbeit eines forensischen Entomologen
Die forensische Entomologie ist ein Instrument der Kriminalbiologie, die
sich eben in die Arbeit der „Biologen (aus den Fachrichtungen Entomolo-
gie, Genetik und Morphologie), Chemiker[…] (Toxikologie) und Physi-
ker[…]“91 teilt.92 Was benötigt man, um Kriminalbiologe zu werden? Laut
dem Experten auf diesem Fachgebiet Mark Benecke (Punkt 3.2) sind
„Gleichmut gegen Widerstände und Verbissenheit in der Sache […] und
[…] viel Spaß an der Freud“93 die Grundsätze. Ferner sollte sich ein Wis-
senschaftler immer bewusst sein, dass seine Untersuchungsvorgänge
noch so plausibel erscheinen können, aber eventuell auf einer falschen
Ausgangsannahme beruhen könnten. Um diesem Umstand zu entgehen,
hat Mark Benecke in seinem Buch „Dem Täter auf der Spur. So arbeitet
die moderne Kriminalbiologie“ aus dem Jahr 2006 vier Leitsätze aufge-
stellt, anhand derer ein solcher Fehlentschluss größtenteils vermieden
werden kann: „1. Vertraue niemandem, vor allem nicht deinen eigenen
Annahmen. 2. Versteht ein zehnjähriges Kind deine Annahme nicht, dann
ist sie vielleicht nicht richtig. 3. Führe Experimente durch, die deine An-
89
Vgl. Benecke, Mark: Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. Gustav Lübbe Verlag, 2002, S. 38f. 90
Internetseite www.zeit.de (1999) 91
Internetseite www.wiki.benecke.com/index.php?title=2009_Facharbeit (2009) 92
Vgl. Internetseite www.wiki.benecke.com/index.php?title=2009_Facharbeit (2009) 93
Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 11
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33
nahmen sinnvoll prüfen. 4. Nach Ausschluss aller sachlich falschen Mög-
lichkeiten, muss diejenige Begründung stimmen, die übrig bleibt – egal,
wie unwahrscheinlich sie klingt.“94 Die forensische Entomologie als Wis-
senschaft birgt die Insektenkunde.
Abb. 1.6 „Herausstechendes Merkmal der Insekten sind ihre sechs Beine“
Es gibt zur jetzigen Zeit knapp eine Million beschriebene Insektenarten,
mit der allerdings eine Bilanz einhergeht, die eine Zahl zwischen einer und
80 Millionen bisher unbeschriebenen Arten misst. Von den erst genannten
einer Million Tiere, leben etwa 40.000 Arten im mitteleuropäischen Raum.
Da Insekten in ihrer Quantität bereits eine beträchtliche Zahl aufweisen, ist
es nicht überraschend, dass auch ihre äußere Erscheinung von einer sol-
chen Vielfalt geprägt ist – u.a. flügellos, mit Flügeln bestückt, auffällige
Farbenpracht, unauffälliges Farbschema oder weite Größenunterschiede.
Ein Insekt ist im Groben wie folgt aufgebaut:
- Kopf (Caput): Er ist eine Kapsel und trägt die Mundwerkzeuge, die
Antennen und die Augen mit sich. Innerlich lassen sich dann das
94
Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 12f.
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34
Gehirn, das Unterschlundganglion*, der Schlund sowie essentielle
Drüsen und Muskeln wiederfinden.
- Brust (Thorax): Zusammensetzung aus drei Teilstücken, der Vor-
derbrust (Prothorax), der Mittelbrust (Mesothorax) und der Hinter-
brust (Metathorax) genannt.
- Beine (Abbildung 3.7, im Bildanhang Seite 6): Die Bestandteile der
Beine sind die Hüfte (Coxa), der Schenkelring (Trochanter), der
Schenkel (Femur), die Schiene (Tibia) und der Fuß (Tarsus).
- Hinterleib (Abdomen): Dieser besitzt einerseits an der Stelle die
Geschlechtsorgane und andererseits die Eigenschaft, hauptsäch-
lich beinlos zu sein, in der Region eine Legeröhre zu besitzen oder
aber einen Stachel zugegen entdecken zu lassen.
- Verdauungskanal: Er vollstreckt sich in einem Vorder-, Mittel- und
Hinterdarm.
- Nervensystem(Abbildung 3.8, im Bildanhang Seite 6): Deren Ele-
mente ziehen sich durch alle drei Körperabschnitte (Kopf, Rumpf
und Beine) und dienen der Koordinierung der Funktionen. Dieses
Schema organisiert sich in dem Gehirn, dem Bauchmark, dem peri-
pheren* und dem vegetativen* Nervensystem.
- Blutkreislauf: Das Blut der Insekten fließt nicht wie bei größeren Le-
bewesen bekannt durch Adern, sondern allein durch Gewebslücken
und Höhlen im Körper.
- Atmungsorgane: Sie bilden sich aus so genannten Tracheen, die
vielsträngige Verzweigungen und Verästelungen aufzeigen. Sie fin-
den sich sowohl im Rumpfbereich, als auch in den Fühlern oder
Flügeln. Der Sauerstoff gelangt durch vorhandene Atemlöcher von
außen in das Tracheennetzwerk.95
Jedes Lebewesen hat seinen bevorzugten Lebensraum, seine bevorzugte
Lebensweise, ein optimales Klima zum Leben oder Fortpflanzen oder aber
natürliche Feinde, aufgrund dessen sie nicht an jedem Ort anzutreffen
sind. Die Insekten begannen vor etwa 400 Millionen Jahren unseren Pla- 95
Vgl. Internetseite www.insektenbox.de (2007-2010)
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
35
neten zu besiedeln und beherrschen es hervorragend, sich Umweltbedin-
gungen und –veränderungen anzupassen. Aufgrund dessen überlebten
sie außergewöhnliche Zeiten, während derer andere Gruppen wie die Di-
nosaurier, ausstarben.96
Die Entomologen auf der ARF* sind dem Wissen der Artenvielfalt, Anpas-
sungsfähigkeit und aber auch der Witterungsabhängigkeit nach, auf Er-
kenntnisse gestoßen, in welcher Form, wann, wo und wie eine bestimmte
Art von Insekt auf einer Leiche zu finden ist. Ein verstorbener Körper be-
ginnt direkt nach Todeseintritt mit der eigenen Zersetzung. Vorerst durch
eigene Enzyme, anschließend durch Bakterien und Tiere, wie zum Bei-
spiel Einzeller, mehrzellige Pilze und Insekten, die sich von dem verblie-
benen Zellmaterial ernähren. Die Elterngeneration eines Insektes ist ver-
antwortlich dafür, dass ihre Nachkommen direkt nach dem Schlüpfen eine
Nahrungsquelle zur Verfügung haben. Als Quelle dient hier der verstorbe-
ne Mensch, nicht in seiner Gesamtheit, aber in seinen Einzelteilen. Einige
Tiere bevorzugen die Augen, andere eher die Haut oder Organe. Dazu ist
es unbedeutend, ob die Leiche im Wasser, im Wald oder in einer Woh-
nung liegt. Es gibt immer Insektenarten, die sich diesem Umstand ange-
passt haben und hier zu finden sind. Da sie allerdings nicht in der Lage
sind, ihre Körpertemperatur eigens zu regulieren, ist ihr Auftreten und ihr
Überleben hauptsächlich von für sie optimalen Umweltbedingungen ab-
hängig. Somit können einige der kleinen Helfer nicht bei zu hoher oder zu
niedriger Temperatur überleben, welcher Aspekt bei einer Todeszeitbe-
rechnung einzubinden ist, falls eine bestimmte Fliegen- oder Käferart auf
dem Toten nicht anzutreffen ist, die jedoch vermutet wird. Dazu wurden
Versuche praktiziert, in denen ein Schweinekadaver vorab im Sommer
unter einem Draht abgelegt wurde (Vorrichtungen wie Drähte oder Käfige
dienen dazu, dass die Mensch- oder Tierleichen nicht von größerem Ge-
tier, wie Füchsen gefressen werden, sondern lediglich die Arbeitsabläufe
der Insekten zu beobachten sind). Der Schweinekadaver wurde innerhalb
der ersten Stunde mit Eipaketen von Schmeißfliegen bestückt und nach
96
Vgl. Internetseite www.dschungelparadies.de (unbekannt)
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
36
zwei Wochen war das Skelett komplett abgefressen. Bei einem Versuch
hingegen, der im Winter stattfand, dauerte die Freilegung bis zu einem
Jahr.97 Es gibt eine Grenze, die bei etwa 10°C liegt, unterhalb derer viele
„mitteleuropäische Insekten“98 sich nicht mehr fortpflanzen und nicht mehr
fliegen. Die Kälte hält die Fliegen am Boden. Befindet sich ein Tier dabei
noch in einem Entwicklungsstadium und tritt eine Kälte unter der oben ge-
nannten Gradzahl ein, überwintert sie diese in dem jeweiligen Zustand.
Die Fliegenarten, die bereits erwachsen sind können vielerseits auch bei
diesen Temperaturen weiterleben. Unter diesen Umständen, kann der Fall
eintreten, dass eine Leiche bereits komplett vertrocknet und nicht ein ein-
ziger Insektenfraß nachweisbar ist.99 Dadurch, dass solche Vorgänge aber
bekannt sind, wird dies in die Berechnung der Leichenliegezeitbestim-
mung einbezogen und es kann trotzdem eine sehr genaue Benennung
erfolgen.100 Als die Bestimmung der Todeszeit anhand von Insekten noch
nicht erforscht und bekannt war, galt je stärker die Leiche zersetzt war,
umso schwieriger war ihre Todeszeitbestimmung, da alle Stadien, anhand
derer Stunden- oder Tagesangaben gemacht werden konnten (Totenfle-
cken, Fäulnisblasen) bereits vollendet waren. Heute lässt sich teilweise
auch nur anhand der Insekten die Feststellung treffen, ob es sich bei ge-
funden Überresten um menschliche oder tierische handelt.101
Die Insekten dienen nicht allein der Liegezeitbestimmung, denn in einer
Ermittlung soll der eine Beweis einen anderen wiederum untermalen. Hier
wird dann beispielsweise ein Täteralibi mit der untersuchten Liegezeitbe-
stimmung und weiteren erfolgten Ermittlungen verglichen und daraufhin
bestätigt oder widerlegt. Ebenso können sie in manchen Fällen Aufschluss
97
Vgl. Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Verlagsgruppe Lübbe GmbH Bergisch Gladbach, S. 31 98
Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Verlagsgruppe Lübbe GmbH Bergisch Gladbach, S. 12-17 99
Vgl. Bass, Bill & Jefferson, Jon (2006). Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm erzählt. 2. Auflage, Wilhelm Goldmann Verlag, München, S. 138 100
Vgl. Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Verlagsgruppe Lübbe GmbH Bergisch Gladbach, S. 1-26 101
Vgl. Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Verlagsgruppe Lübbe GmbH Bergisch Gladbach, S. 31
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
37
über die Ursache des Todes geben, da einige von ihnen, nachdem sie an
einer vergifteten Leiche gefressen haben, diese Stoffe in ihrem Körper
speichern oder aber ein wichtiges Indiz für die essentielle Unterscheidung
des Tat- und des Fundortes sein (siehe Punkt 2.1.1.3). Denn falls an ei-
nem toten Körper Insekten gefunden werden, die in der Region eigentlich
gar nicht vorkommen, kann dies ein Indiz dafür sein, dass die Leiche nach
ihrem Tod verlagert wurde und an einer anderen Stelle zu Tode gekom-
men ist.
Hierzu gibt die Fallbeschreibung der Leiche in der Ostsee aus dem Buch
„Kriminalbiologie. Ausführungen zum besseren Verständnis. Anregungen
zum Nachdenken.“ von Mark Benecke einen guten Einblick. Die Leiche
wurde Anfang Juni dort bereits teilskelettiert und die Weichteile in Fett-
wachsbildung übergegangen, aufgefunden. Im skelettierten Brustbereich
ließ sich die Seetangfliege Coelopa frigida (Anlage 1 Bildanhang, Abbil-
dung 3.12) wiederfinden, die eine Länge von 10 bis 11 Millimetern auf-
wies. Ihr Stadium zu der Zeit wurde auf etwa zwei Wochen berechnet. Da
die Fettwachsbildung bei einer Leiche allerdings wesentlich länger als
zwei Wochen benötigt, muss sich die Leiche woanders als in Küstennähe
zum vorherigen Zeitraum befunden haben. Die Seetangfliege bevorzugt
den Lebensraum in Strandnähe, fliegen allerdings nicht auf das offene
Meer hinaus. Wenn eine Person nun verstirbt, befinden sich eigentlich als
erstes jeweils die Schmeißfliegen auf dem Körper und bilden ihre Primär-
generation. Die Schmeißfliegen sind zudem durchsetzungsstark genug,
dass sie beispielsweise die Coelopa frigida vertreiben würden. Da nun auf
der Leiche in der Ostsee keine Schmeißfliegen gefunden wurden, muss
ein Umstand geherrscht haben, der dies verhinderte. Der Faktor bildete
sich aus den Lebensumständen der Schmeißfliegen, die nur vom Frühjahr
bis Anfang Winter leben (Richtwerte, wenn es einen kalten Winter und ei-
nen milden Frühling gibt). Somit muss der Tod der Person im vorigen Win-
ter oder im diesjährigen Frühjahr eingetreten sein. Die Zeitspanne passt
ebenfalls in die grobe Errechnung des Todeszeitpunktes anhand der Fett-
wachsbildung. Weitere Ermittlungen ergaben dann, dass am 14. Januar
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
38
ein Schiff gesunken sei und darauf folgende Ermittlungen ergaben, dass
der Tote ein Seemann dieses Schiffes war.102
Es gibt die Unterscheidung der primären und der sekundären Leichenbe-
siedler. Unter die primären fallen hauptsächlich Fliegen, die einen Körper
bereits wenige Minuten nach Todeseintritt aufspüren können und ihn als
Brut- und Nahrungsquelle nutzen. Die sekundären Besiedler sind die da-
rauffolgend eintreffenden Käfer und Spinnentiere, die sich von der Primär-
generation ernähren.103 Diese unterschiedlichen Ansiedlungszeiträume
werden Besiedlungswellen (siehe Punkt 2.1.3.1) genannt. Nachfolgend
werden die am häufigsten anzutreffenden Insekten aufgeführt, ihre Eigen-
heiten und Vorzüge begutachtet und in vielen Punkten an Beispielfällen
und –rechnungen verdeutlicht, wie anhand ihres Daseins die Leichenlie-
gezeit berechnet wird. Da es eine beträchtliche Anzahl von Insektenfami-
lien mit Unterarten und dazu jeweils unterschiedliche Lebensweisen gibt,
wird in Punkt 2.1.4.3 eine ausführliche Darstellung über das Leben der
Schmeißfliegen dargeboten, um anhand dieses Musters einen möglichst
tiefgehenden Einblick in die Biologie zu erhalten. Die weiter aufgeführten
Insektenbeschreibungen beschränken sich daraufhin auf die thematisch
essentiellen Aspekte zur Liegezeitbestimmung, da die Eingrenzungen der
Seitenanzahlen keine weiteren Ausführungen zulassen.
2.1.3.4 Die Schmeißfliege (Calliphora vicina)
Diese Art der Fliege gehört zu der Familie der Zweiflügler (Diptera) und
ihre Gattung nennt sich Brachyptera (Fliege). Ihr Artenreichtum bildet sich
aus etwa 1000 bekannten und davon 45 in Deutschland lebenden Flie-
gengattungen.104 Unter den Begriff der Schmeißfliege fallen jedoch zudem
die Familien der Fleischfliegen (Sarcophagidae) und die Hausfliegen
102
Vgl. Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Verlagsgruppe Lübbe GmbH Bergisch Gladbach, S. 34f. 103
Vgl. Internetseite www.wiki.benecke.com/index.php?title=2009_Facharbeit (2009) 104
Vgl. Internetseite www.uni-protokolle.de (unbekannt)
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
39
(Muscidae). Schmeißfliege ein umgangssprachlicher Begriff für die Arten,
die sich von verwesender Gewebsmaterie ernähren.105 Das erwachsene
Tier umfasst eine Körperlänge von 9 bis 13 mm, wobei der mittige Körper-
abschnitt dunkel erscheint, aber meistens mit einem blaugrünen und
manchmal auch dunkel-blauen Schimmer einher geht. Nicht nur der Kör-
per allein, sondern auch die Flügel sind mit Haaren umfasst. Die Weib-
chen der Calliphora vicina erzeugen im Laufe ihres Lebens eine etwaige
Anzahl von 700 Eiern, wobei sie beim Ablegen derer keine einzelnen Lar-
veneier niederlegen, sondern dies stets in Paketen, die mit bis zu 150
Fragmenten gefüllt sind. Das schwangere Fliegenweibchen besitzt den
Instinkt, ihre Nachkommen an eine Örtlichkeit abzulegen, an der sie sofort
eine Nahrungsquelle vorfinden. Zu diesem Postament zählen die organi-
schen Stoffe, unter die auch menschliche Überreste fallen. Die aus den
Eiern lebendig geborenen Fliegenmaden können in ihrem derzeitigen Sta-
dium eine Länge von bis zu 18 mm erlangen. Ihre Hülle umgibt sich mit
einer elfenbeinartigen Farbe. 106 Das schwarze Ende der Larve (Anlage 1
Bildanhang, Abbildung 1.8) zeigt die Mundwerkzeuge, mit denen die klei-
nen Tierchen ihre Nahrung aufnehmen und den Speichel absondern, der
bei lebendigen Menschen mit entzündeten Wunden desinfizierend wirkt.107
Das andere und dickere Ende ist das Hinterteil, an dem ihre Atemorgane
sitzen (Anlage 1 Bildanhang, Abb. 3.10). Durch diese Erscheinung besit-
zen sie die Fähigkeit ununterbrochen mit ihren Mundwerkzeugen zu fres-
sen und nebenbei durch ihre Tracheen im hinteren Teil Luft zu schöpfen.
Eine Larve häutet sich während ihrer Verweildauer zwei Mal, bis sie sich
zu einer erwachsenen Fliege verwandelt (Metamorphose). Ihr Vorverpup-
pungsstadium lässt sich daran erkennen, dass die Tiere in dieser Zeit rela-
tiv groß sind und ihr Darm vollkommen entleert ist (Anlage 1 Bildanhang,
105
Vgl. Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 314f. 106
Vgl. Internetseite www.lexikon-der-schaedlinge.de (unbekannt) 107
Vgl. Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Ausführungen zum besseren Verständnis. Anre-gungen zum Nachdenken. Verlagsgruppe Lübbe, Imprint BLT, Mensch & Wissen Band 25, S. 34
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
40
Abbildung 3.15).108 Aus der Larve entwickeln sich Tönnchen oder Puppen,
wobei sich die Larve mit einem Kokon, einer Hülle, umgibt. Sobald die Me-
tamorphose, also die vollständige Verwandlung abgeschlossen ist, ver-
lässt das Tier seine Verkleidung und wird zur ausgewachsenen Fliege.
Der Lebenszyklus derer ist aus menschlicher Sicht betrachtet nicht sehr
lang, er beträgt nur Wochen oder Tage, wobei die Tiere die meiste Zeit als
Maden verbringen.109 Die Schmeißfliege lebt lediglich von Frühjahr bis
Winter, übersteht die Monate dazwischen allerdings im gerade erlangten
Entwicklungsstadium. Wie in Punkt 2.1.3.3 bereits erwähnt, fliegen diese
Tiere unterhalb von 10°C nicht mehr und überwintern die kalten Monate in
ihrem derzeitigen Stadium. Wenn eine Person somit in den Wintermona-
ten verstirbt und sie in den darauffolgenden Sommermonaten gefunden
wird, lassen sich auf der Leiche kaum Puppenhüllen finden, da sie in dem
Anfangszeitraum eben nicht aktiv sind und im Frühjahr der Zerfallsprozess
der Leiche so weit vorangeschritten, sodass sie für die Schmeißfliegen
nicht mehr attraktiv als Nahrung dient110 (Anlage 1 Bildanhang, Abbildun-
gen 3.13 und 3.14 zeigen hinzufügend, einerseits die Vorkommnisse von
erwachsenen Insekten auf Leichen und andererseits die der Larven).
Durch Versuche wurde herausgestellt, dass die Fliegen eine verletzte Lei-
che einer unversehrten vorziehen, da sie eher von Blut als von bloßem
Fleisch angezogen werden.111 Das Anziehen erfolgt über Geruchssub-
stanzen, die ein verwesender Körper durch den Eiweißabbau freisetzt. Da
der Körper direkt nach Todeseintritt mit diesem Abbau beginnt, lassen sich
schon nach kürzester Zeit Eipakete auf ihm finden, da die Fliegen ihn
durch ihre „Geruchssinnesorgane an den Antennen“112 aufspüren konnten.
Der ausgestoßene Geruch ist allerdings nicht bei jedem Menschen
108
Vgl. Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 33 109
Vgl. Internetseite www.insektoid.info (unbekannt) 110
Vgl. Bass, Bill & Jefferson, Jon (2006). Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm erzählt. 2. Auflage, Wilhelm Goldmann Verlag, München, S. 140 111
Vgl. Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 33 112
Internetseite www.uni-protokolle.de (unbekannt)
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
41
(Krankheiten, Vergiftungen) identisch und auch die unterschiedlichen Zer-
setzungsstadien haben ihr individuelles Odeur. Wie auch der Mensch
nicht stets den selbigen Geruch als annehmlich deklariert, haben auch die
verschiedenen Fliegenarten ihre bevorzugten Gerüche und jene, auf die
sie gar nicht reagieren.113 Dies ist eine entscheidende Erkenntnis zur Lei-
chenliegezeitbestimmung anhand dieser Tiere. Mittels dieser Grundan-
nahme hat der damalige Student William Rodriguez auf der Body Farm
begonnen, die verschiedensten Insektenarten zu erforschen, die sich auf
Leichen befinden und zu dokumentieren, welches Tier welches Stadium
bevorzugt. Ebenso gehörten zu seinen Aufzeichnungen die Erkenntnisse
über die Dauer bis zur Verpuppung bei unterschiedlichen Temperaturen
oder welche Art von einer anderen verdrängt wird, weil sie diese bei-
spielsweise auffrisst.
Die Merkmale der Schmeißfliege zur Bestimmung der Todeszeit sind so-
mit wie folgt:
Ein schwangeres Weibchen, kann bereits nach wenigen Stunden den ver-
storbenen Körper riechen und fliegt ihn unverzüglich an, um ihre Eipakete
abzulegen. Die Leiche ist somit frisch und es lassen sich im Sommer in-
nerhalb des ersten Tages die primär geschlüpften Maden finden. Eine er-
wachsene Fliege (Dauer bis dahin im Sommer etwa 12 - 21 Tage114) ist
demnach auf einer Leiche zu finden, deren Zersetzungsprozess bereits
bis in das Fäulnisstadium und der Gasblähung übergegangen ist.115 Las-
sen sich hingegen bereits Puppenhüllen und Maden wiederfinden, ist dies
ein Indiz, dass hier bereits die zweite Generation des Tieres lebt und die
Leiche sodann seit mehreren Wochen verstorben ist. Maden weichen vor
allem Licht, Wind, Kälte und Trockenheit aus, da sie als Larven schnell
vertrocknen und sich unterhalb der 10°C nicht mehr fortpflanzen kön-
113
Vgl. Internetseite www.uni-protokolle.de (unbekannt) 114
Vgl. www.wiki.benecke.com (2001) 115
Vgl. Karl, Vanessa (Autor) & Dekan des Fachbereichs 3 (Hrsg.) (2008). Welchen kriminalisti-schen Wert haben Insekten für die Bestimmung der Todeszeit? Hausarbeit im Fach Rechtsmedi-zin. Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin, Fachbereich 3 Polizeivollzugsdienst, S. 24
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42
nen.116 Die Schmeißfliegen als Vorreiter der Insekten, in der ersten bis
zweiten Todeswoche, bevorzugen wie bereits erwähnt das Gesicht als
Nahrungs- und Brutstätte. Wird eine frische Leiche gefunden, bei der an
anderen Körperabschnitten ein ähnlich vielfältiger Fraß erkennbar ist, soll-
ten diese Gegend auf mögliche Stich- oder Schussverletzungen unter-
sucht werden, da davon ausgegangen werden kann, dass hier Blut entwi-
chen ist. Dieses ziehen die Tiere anderem Gewebe vor.117 Bei heißen
Temperaturen und vielen Regenfällen, sodann warm und feucht, finden
die Fliegen die Optimalbedingungen vor, um eine Leiche oder einen Ka-
daver innerhalb von zwei Wochen komplett frei zu skelettieren. Wenn die
Made nun den Zustand erreicht hat, in dem sie sich verpuppt, bewegt sie
sich von der Leiche weg, um sich vor Widersachern zu verbergen. In die-
ser Phase lassen sich neben der Leiche Kriechspuren finden, an denen
flüssige Leichensubstanz, die sie mit sich ziehen, vorfinden ist. Aus der
Puppe schlüpft wenig später eine erwachsene Fliege, die nach wiederum
wenigen Tagen fortpflanzungsfähig ist und auf Partnersuche geht. Hin-
sichtlich dieses Vorganges beginnt nun die sekundäre Eiablage auf der
Leiche.118
Eine Bemerkung sei zum Schluss noch erlaubt. Wenn Ermittler an einen
Tatort gelangen, an denen eine frische Leiche liegt, an der sich noch viele
Maden finden lassen, ist in der Stille ein rascheln zu vernehmen. Das liegt
daran, dass die Maden aus den Eipaketen, auf einem Haufen existieren,
denn sie können sowohl auf- als auch untereinander leben. Bei der stän-
digen Bewegung der Tiere reiben sich ihre äußerlichen recht harten Hüllen
aneinander und der Madenteppich bildet ein Geräusch. Wenn man sich
116
Vgl. Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 26 117
Vgl. Bass, Bill & Jefferson, Jon (2006). Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm erzählt. 2. Auflage, Wilhelm Goldmann Verlag, München, S. 146f. 118
Karl, Vanessa (Autor) & Dekan des Fachbereichs 3 (Hrsg.) (2008). Welchen kriminalistischen Wert haben Insekten für die Bestimmung der Todeszeit? Hausarbeit im Fach Rechtsmedizin. Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin, Fachbereich 3 Polizeivollzugsdienst, S. 25f.
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43
ganz nach an diesen Teppich heranwagt, ist ebenso die Wärme zu spü-
ren, die durch den Reibungseffekt erzeugt wird.119
2.1.3.5 Die Käsefliege (Piophila casei)
Diese Fliegenart gehört zu der Familie der Piophilidae. Sie erwächst zu
einer Größe von etwa 5 mm heran und besitzt eine schwarz glänzende
Farbe. Sie erinnern an die Fruchtfliege, kommt jedoch eher spärlich im
Haushalt vor, da sie Molkereien und Käsereien bevorzugen. Ein Weibchen
legt Pakete mit bis zu 500 Eiern ab, deren anschließende Entwicklung
nach etwa drei Wochen vollendet ist. Das Leben einer erwachsenen Pio-
phila casei überdauert rund zwei Wochen.120 Die Besiedlung einer Leiche
erfolgt, wenn diese beginnt flüssig zu werden und sich somit in eine breii-
ge Substanz verwandelt. Dieser Zustand lässt sich bei Normalbedingun-
gen nach etwa drei Monaten vorfinden. In dieser Phase beginnt eine
menschliche Leiche stark zu riechen und der übliche käsige Geruch ist zu
vernehmen. Eben dieses käsige Aroma ist der Anziehungsgrund für die
Piophila casei. In der kalten Jahreszeit, im November, benötigen Käseflie-
genmaden etwa 11 bis 19 Tage, um erwachsen zu werden.
Ein Beispielfall verdeutlicht die Leichenliegezeitbestimmung mittels der
Käsefliege und anhand der vorgefundenen Verhältnisse am Fundort. Auf
einer Bahngleise wurde im November ein skelettierter Körper mit abge-
trenntem Kopf aufgefunden. Unter dem Haarschopf, der noch bedingt un-
beschädigt war, wurden Käfer und Fliegenpuppen gefunden. Die restliche
Gestalt war mit tausenden von springenden Käsefliegenmaden und einem
kompakten Teppich aus den Eiern sowie leeren Hüllen der Piophila casei
bestückt. Die Berechnung sah nun wie folgt aus:
1. Erste Besiedlung durch Käsefliegenmaden: etwa 90 Tage
119
Vgl. Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 32 120
Vgl. Internetseite www.schaedlingshotline.de (unbekannt)
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44
2. Sekundärgeneration lebt auf der Leiche, da Fliegenmaden sowie
bereits leere Hüllen vorgefunden wurden. Bei Temperaturen im No-
vember beträgt Entwicklungszeit 11-19 Tage. Bei zwei Generatio-
nen somit 22-38 Tage.
3. Ergebnis: Etwa 112 bis 128 Tage Leigezeit.
Die spätere Aufklärung des Falles bestätigte dies, da der Körper einer
jungen Frau gehörte, die seit vier Monaten als vermisst galt.121 Es soll je-
doch durch diese simpel erscheinende Rechnung, nicht der Eindruck ent-
stehen, es sei eine einfache Aufgabe, die Liegezeit zu berechnen. Es
herrschen keine reglementierten Leitsätze vor, wenn der forensische En-
tomologe nicht eigens am Fundort gewesen ist oder keine detailgetreue
Darbietung durch Fotos und exakte Aufzeichnungen der Ermittler, erhält.
Denn nur mit genauer Beschreibung des Leichenfundortes, können Be-
rechnungen aufgestellt werden. Hier spielen zudem alle trainierten Sinne
des Biologen eine Rolle, genauso wie vielfältige subjektive Erfahrungen.122
2.1.3.6 Weitere Fliegenarten
Ein weitere Gattung aus der der Familie der Schmeißfliegen ist die 5 bis
11 mm große Lucilia sericata, die Goldfliege (Abb. 3.11 Seite 8 im Bildan-
hang), die ihren Namen aus ihrem äußeren Schimmer in metallischen
grün- und gelbtönen erhält. Die Eier werden auch auf verwesendes Ge-
webe gelegt, welches nach dem Schlüpfen als Nahrungsquelle dient. Die
Made, die sich aus dem Ei entwickelt wird im Fachjargon als Pinky Made
bezeichnet, aufgrund ihrer häufigen derartigen Färbung. Sie besitzen ei-
nen Rüssel, mit dem sie flüssige und breiige Substanzen aufsaugen kön-
nen.123 Ihre Entwicklung verläuft ähnlich der oben genannten Schmeißflie-
ge. Aus den Eiern können bei guten Bedingungen schon innerhalb der
121
Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Ausführungen zum besseren Verständnis. Anregun-gen zum Nachdenken. Verlagsgruppe Lübbe, Imprint BLT, Mensch & Wissen Band 25, S. 29-31 122
Vgl. Benecke, Mark (2002): Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. Gustav Lübbe Verlag, S. 39f. 123
Vgl. Internetseite www.insektoid.info (unbekannt)
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
45
ersten 24 Stunden die ersten Maden schlüpfen und nach weiteren fünf
Tagen suchen sie sich Verpuppungsplätze, an denen sie vor Feinen ge-
schützt sind. Bei wiederum guten Bedingungen sind die erwachsenen Tie-
re nach weiteren vier bis sieben Tagen geschlüpft. Ihre Lebensdauer nach
dem Schlüpfen liegt bei rund drei Wochen, innerhalb der Monate von Mai
bis Oktober.124
Die Fleischfliegen, Sarcophaga haemorrhoidalis (Abbildung, 3.18 im Bild-
anhang Seite 11) gehören außerdem zu der Familie der Schmeißfliegen,
hier der Sarcophagiden und somit den Zweiflüglern an. Sie besitzen die
Eigenheit keine Eier abzulegen, sondern in sporadischer Form ihre Lar-
ven. Äußerlich sind sie an ihrem karierten Abdomen* zu erkennen, wobei
es zudem Unterscheidungen zwischen den seltenen blauen und den in
Deutschland am meisten vorkommenden grauen Fliegen gibt.125 Die Ent-
wicklung vom Ei zur ausgewachsenen Fliege verläuft ebenfalls über die
Stadien der Larven und der Puppen. Weltweit sind etwa 2500 Arten be-
kannt. Ihre Mundwerkzeuge sind so ausgerichtet, dass sie damit Nahrung
auflecken und ansaugen können. Somit sind diese Arten auf einer Leiche
zu finden, die bereits in eine breiige Masse übergeht.
2.1.3.7 Der gemeine Speckkäfer (Dermestes lardarius)
Bei den Käfern gibt es Unterscheidungen zwischen denen, die sich einer
Leiche nähern, um an ihrem Körper eine Brutstätte für ihre Nachkommen
zu finden (nekrophag) und derer, die dorthin gelangen, um sich von den
Fliegenmaden zu ernähren. Ihre Entwicklungsstadien bestreiten Käfer
ähnlich wie die Fliegen. Ein schwangeres Weibchen legt ihre Eier ab, aus
denen anschließend die Larven schlüpfen. Im Larvenstadium häutet sich
ein Käfer mehrmals, bevor er daraufhin das Verpuppungsstadium erreicht.
Die Larven sind nicht nur Aasfresser, sondern ernähren sich ebenso von
menschlichen Nahrungsmitteln oder auch Textilien. Da sich ihr Lebens- 124
Vgl. Internetseite www.lexikon-der-schaedlinge.de (unbekannt) 125
Vgl. Internetseite www.insektoid.info (unbekannt)
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46
raum hauptsächlich in morschem Holz oder im Erdreich befindet, ist dies
eine gute Möglichkeit, ungefährliche Plätze für ihr Puppenstadium zu ent-
decken. In dieser Phase ruhen die Käfer und es findet keinerlei Bewegung
statt. Ihr Lebenszyklus im ausgewachsenen Stadium beträgt meistens
wenige Wochen.126 Anhand von Käfern lassen sich allerdings keine so
genauen Liegezeitbestimmungen ablesen, wie anhand der Fliegenmaden,
denn ihre Merkmale geben eher Aufschluss über die Höchst- und Mindest-
liegezeit. Ihr Vorkommnis auf einer Leiche zeigen die Tabellen 3.13 und
3.14 in der Anlage 1 Bildanhang. Hier ist ersichtlich, dass sie eher die spä-
ten Zerfallsstadien bevorzugen und somit nicht allzu früh auf einem toten
Körper zu finden sind. Maden kann man in diesem Zusammenhang als
„Sekundenzeiger der postmortalen Uhr“127 und die Käfer als „Stundenzei-
ger“128 deklarieren.
Am häufigsten anzutreffen ist von der Gattung der Speckkäfer, der Schäd-
ling Dermestes lardarius, der Gemeine Speckkäfer. Er befällt vorzugswei-
se Materialen aus unseren Häusern. Weitere Familien sind der Dorn-
speckkäfer (Dermestes maculatus), der Dornlose Speckkäfer (Dermestes
frischi) und der Peruvianische Speckkäfer (Dermestes peruvianus). Das
Weibchen des Dermestes lardarius verbringt ihre Eier auf geeignete Nah-
rungsquellen, an denen sie direkt nach dem Schlüpfen fressen können.
Ein Eipaket kann hier mit bis zu 500 Fragmenten gefüllt sein. Ihre Entwick-
lung zum erwachsenen Tier dauert bei optimalen Bedingungen (20-23°C)
etwa zwei Monate, in der sie mehrmals die Phase des Häutens durchle-
ben.129 Der ausgewachsene Käfer wird etwa 10 mm groß. An einer Leiche
lassen sich diese Dermestiden auf eingetrockneter Haut und den Haaren
lokalisieren.130
126
Vgl. Internetseite www.insektenwelt-bitterfeld.de (2006) 127
Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 23 128
Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 23 129
Vgl. Internetseite www.schaedlingshotline.de (unbekannt) 130
Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 21f.
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
47
2.1.3.8 Weitere Käferarten
Kurz zu erwähnen sind weitere häufig anzutreffende Käferarten auf Lei-
chen. Darunter fallen der Teppichkäfer (bevorzugen ähnlich dem Speckkä-
fer eingetrocknete Haut und Haare131), der Totengräberkäfer (graben
Kam-mern in eine Leiche, können hörbar fauchen und zirpen, erkennbar
an orangefarbenen Streifen auf ihren Flügeln132) oder der Mistkäfer (auch
Pillendreher genannt, drehen abgesonderten Kot und Leichengewebe zu
runden Objekten oder „Pillen“133).
Ein Beispielfall aus dem Rheinland beschreibt eine ungewöhnliche Auffin-
desituation einer Leiche, die in einer alten Wohnung ohne anfänglich er-
sichtlichen Grund mumifizierte. Der Mann bewohnte zwar diese Räume,
allerdings in keinem reinlichen Zustand. Nachbarn erklärten, dass schon
immer seltsame Gerüche von dort in den Hausflur strömten. Somit nah-
men sie den Leichengeruch nicht als diesen wahr. Auch der Vermieter zog
es nicht vor, die Miete durch einen abgestatteten Besuch einzufordern und
der Stromanbieter stellte ihm nach uneingegangenen Zahlungen diesen
ab. Er lebte allein und wurde sodann nicht vermisst. Die Frage, die sich
nun allerdings aufdrängt, ist die, warum sich kein Nachbar über sich um-
her kriechenden Maden beschwerte hat? Oder gab es keine Maden? Bei
jeder normal verstorbenen Leiche, sind die Schmeißfliegen die ersten, die
dies riechen und sich auf dem toten Gewebe ansiedeln. Wie oben be-
schrieben hält sich die Anzahl der abgelegten Eier dabei nicht bei einzel-
nen, sondern bei hunderten. Wohnungsleichen werden im Regelfall nicht
aufgrund ihres Gestankes gefunden, sondern eben aufgrund der Maden
die unter Haustüren und manchmal auch durch Zimmerdecken hindurch
kriechen. Bei dieser Leiche fiel zudem auf, dass in den Bereichen, in de-
131
Vgl. Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 20 132
Vgl. Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 72-74 133
Vgl. Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 73
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48
nen feuchtes und weiches Gewebe zu finden ist, eben in den Mund- und
Augenpartien, Fressspuren von Käfern vorlagen. In den Augen- und der
Mundhöhle wurde deren Kot aufgefunden. Dieser Umstand ist äußerst
selten und eigentlich nur zu finden, wenn Maden keinen Zugang zu der
Leiche haben, entweder durch einen undurchdringlichen und luftdichten
Raum oder aber wenn die Temperatur unter 10°C fällt. Beides war im
Rheinland nicht zutreffend. Also blieb nur der Schluss übrig, dass die Lei-
che so rasant vertrocknet sein musste, dass die Maden keine Möglichkeit
zum Überleben hatten, denn ihnen war das Gewebe der mumifizierten
Person zu hart. Durch polizeiliche Fotos, die in diesem Zusammenhang
gefertigt wurden, war neben dem Kopf der Leiche ein Heizstrahler aufge-
fallen. Bei näherer Betrachtung war erkennbar, dass dieser eingeschaltet
war. Selbstredend nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Strom für die
Wohnung abgestellt wurde. Der Heizstrahler hat den Körper rasant ver-
trocknen lassen, dass er in diesem Zustand lediglich für Käferarten als
attraktive Nahrungsquelle und Brutstelle für ihre Nachkommen diente.
Dieser Fall soll aufzeigen, dass von allen Blickwinkeln her ein Fall begut-
achtet werden muss, um alle erdenklichen Möglichkeiten und Variationen
zu überprüfen. Die polizeilichen Fotos, sind dem Kriminalbiologen Mark
Benecke, der an diesem Fall arbeitete, nur durch eine gute Ermittlerin zu-
geführt worden. Während einiger Ermittlungszeit, arbeiteten die Biologen
mit ihren eigenen Aufzeichnungen und Detailfotografien von den Maden
und Fressstellen und die Polizei mit ihrem Bildmaterial des „Ersten An-
griffs“(Punkt 2.1.1.1), die unter anderem Übersichtsaufnahmen der Woh-
nung enthielten. Die erwähnte Ermittlerin gab dem Herrn Benecke die po-
lizeilichen Bilder, da beiden Instanzen keine weiteren Ermittlungsansätze
anwandelten. Erst auf der Übersichtsaufnahme, ist dem Kriminalbiologen
der Heizstrahler und die Lösung des Problems in den Sinn gekommen.
Dies ist nur ein kleines Beispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit, die
zu einer Lösung des Falles beitrug. Wie sich allerdings vorstellbar ist, füh-
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
49
ren solche Kommunikationsvorgänge eher zu einer Lösung eines Todes-
falles, als zu dessen Kreuz auf dem Totenschein, an der Stelle: ungelöst.
2.1.3.9 Ein Bremer Fall
Um aus polizeilicher Sicht aufzuzeigen, wie ein solcher Fall in der Praxis
behandelt wird, ist in der Anlage 2 Textanhang ein Bremer Sachverhalt
aufgeführt, der anhand der forensischen Entomologie gelöst wurde. Es
werden die Berechnungen deutlich, die ermittelt wurden, um diese in die
Ermittlungen einfließen lassen zu können. Wie läuft so etwas ab? Wird ein
Kriminalbiologe oder ein anderer Sachverständige an einen Fund- oder
Tatort gerufen, hat er eigens vor Ort die Variabilität, geeignetes Beweis-
und Untersuchungsmaterial in Form von Tieren, Puppenhüllen, Kot, Bo-
den- oder Gewebeproben einzusammeln und zu sichern. Kann aus ir-
gendwelchen Umständen kein Sachverständige an der Örtlichkeit erschei-
nen, wird dies von den Ermittlern vorgenommen, vorausgesetzt sie besit-
zen die Kenntnis über dieses Verfahren. Nachdem die Tiere nun gesichert
wurden, ist wie auch in dem Bremer Fall erfolgt, alle relevanten Begleit-
umstände genauestens zu notieren. Jede viertel Stunde muss die Tempe-
ratur gemessen und Informationen eingeholt werden wie u.a.*: Lag die
Person in freier Natur oder in einem Gebäude, hat es geregnet, schien die
Sonne, lag sie auf feuchter Erde oder einem trockenen Bett? Vor Ort kann
ein Anfangsverdacht eines Sachverständigen angedeutet werden, welcher
zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht gerichtsfest ist. Diese Form er-
hält eine Aussage erst, wenn sie auf fundierten Beweisen beruht. Dazu
müssen, die am Fundort aufgesuchten Tiere, weiter gezüchtet werden.
Besagtes muss unter den Umständen, wie sie am Ort der Leiche ge-
herrscht haben, vollzogen werden. Die Auffindesituation wird anhand des-
sen durch technisches Material in einem Labor nachgestellt. Je länger ei-
ne Leiche bereits liegt, umso umfassender muss auch die Weiterzüchtung
erfolgen. Das Ergebnis zeigt schließlich auf, wie sich die Generation des
gefundenen Tieres, bei den örtlichen Bedingungen entwickelte und wie
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50
lange es dauerte, bis sie das Stadium erreichten, indem sie aufgefunden
wurde. Es werden zweifellos keine jahrelangen Züchtungen durchgeführt,
da ein verwester Körper gefunden wurde, der schätzungsweise bereits
über 12 Monate verstorben ist. Subjektive Erfahrungen, repräsentative
Erfahrungsberichte anderer Kollegen sowie wissenschaftliche Richtwerte
(eine Made der Gattung Calliphora vicina benötigt in der Regel im Som-
mer eine Entwicklungszeit zur erwachsenen Fliege von 12 bis 21 Tagen)
setzen ein Gutachten schlussendlich zusammen. Eine derartige Berech-
nung eines Sachverständigen der Kriminalbiologie, benötigt somit einige
Wochen. Somit sind kurzfristige Ergebnisse hier nicht erlangbar.
Ist es somit unproblematischer für den alltäglichen Dienst eines Kriminal-
beamten die Leichenliegezeit anhand der sicheren und unsicheren Todes-
zeichen (Punkt 2.1.2.2 und 2 2.1.2.3) zu ermitteln oder sind die Insekten-
berechnungen ein unabdingbares Hilfsmittel? Die folgenden Interviews
geben Aufschluss über die Meinung eines Kriminalbiologen und die An-
sicht eines Kriminalbeamten in dieser Hinsicht.
3. Interviews unter der Fragestellung der Relevanz dieser Thematik
als Lerninhalt dem Studiengang des Polizeivollzugsdienstes
Bremen
„Eine polizeiliche Organisationsform, wie die Mordkommission orientiert
sich an der jeweils geforderten Aufgabenstellung, die ihr zuteil wird. Das
Personal bilden die Sacharbeiter, das Team selber, die Ermittlungs- und
Arbeitsgruppen, die Sonderkommission und die Besondere Aufbauorgani-
sation.“ In Bremen bezeichnet man diesen Arbeitsstrang als K3, der im
Allgemeinen für Gewaltdelikte zuständig ist und zudem aber eine Untertei-
lung in K31 „Zentrale Dienste K3, Kriminaldauerdienst (KDD), Raub, Er-
pressung, Auswertung/ Analyse K3“ und K32 „Sexualdelikte/ Pornogra-
phie“ und in K33 „Kapitaldelikte“ führt.134 Die weitere Aufteilung des Zwei-
134
Vgl. Informationsblatt POLIZEI BREMEN, FP 12 Personal/ Organisation – Stand 01.08.09
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
51
ges der Kapitaldelikte, eben der Mordkommission, besteht aus vier Blö-
cken. Der erste unterhält in der Regel sieben Sachbearbeiter und einen
Teamleiter mit seinem Vertreter. Ihre Aufgaben liegen in der Leichensach-
bearbeitung sowie den Bereichen der Schweren Körperverletzung*. Der
zweite Block teilt sich in lediglich zwei Sachbearbeitern und einem Team-
leiter. Ihre Pflicht setzt sich aus der Leichensachbearbeitung, der Einrich-
tung einer Vermisstenstelle und die Bewältigung „Großer Schadensereig-
nisse“* zusammen. Der nächste Abschnitt bildet sich aus zwei Sachbear-
beitern und einem Teamleiter in den Aufträgen der Leichensachbearbei-
tung, der Bearbeitung von Geisellagen, Produkterpressungen und der
qualifizierten Entführung*. Der letzte Block setzt sich aus sechs Sachbe-
arbeitern und einem Teamleiter zusammen, die in der Leichensachbear-
beitung, den Branddelikten, tödlichen Betriebsunfällen und Sprengstoffde-
likten eingreifen. Die verschiedenen Instanzen besitzen jeweils ihre eige-
nen Aufgaben, allerdings ist es durchaus möglich, bei Ausfällen in einem
anderen Zweig auszuhelfen. Ihre Aufgabenbereiche erstrecken sich über
die Ermittlungen (es werden Aufträge verteilt und erarbeitet, in welche
Richtung weiterermittelt wird), nicht die Spurensuche. Dafür gibt es eine
eigene Abteilung, die Kriminaltechnische Untersuchung (KTU).
Für einige Fragen im Bezug auf die Arbeit der Mordkommission mit dem
Blick auf mögliche Überschneidungen mit der forensischen Entomologie,
und dessen Relevanz in seiner täglichen Arbeit, hat sich der Leiter der
Mordkommission Bremen Helmut Mojen zu einem Interview bereit erklärt.
3.1 Interview mit dem Sachgebietsleiter der Bremer Mordkommissi-
on Helmut Mojen
(Das vollständige Interview befindet sich in Anlage 2 Textanhang)
Helmut Mojen ist der Sachgebietsleiter der Bremer Mordkommission,
nachdem er zuvor einige Jahre in dem Bereich der Branddelikte tätig war.
Er wirkte bereits an unzähligen Fällen mit und erlangte aufgrund dessen
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52
einen tiefgreifenden Einblick in die Arbeit und Zusammenarbeit verschie-
dener Instanzen. In dem Interview erläutert Herr Mojen, dass es für ein
Gutachten der Biologie externe Gutachter für das Land Bremen gäbe, de-
rer sich bedient werden kann. Es gäbe keinen Sachverständigen, der ex-
plizit nur für Bremen zuständig sei, sondern fortdauernd in der gesamten
Bundesrepublik beauftragt werden könne. Die Ermittler geben nach Ein-
treffen des Sachverständigen am Fundort die Anordnung, welche Sub-
stanzen oder Gegenstände begutachtet und untersucht werden sollen,
wodurch das Fachkommissariat den Auftraggeber darstelle. Ein Sachver-
ständigen-Gutachten für daktyloskopische* Erhebungen gäbe es zu Hauf,
jedoch für die forensische Entomologie bestehe dies nur etwa alle drei
Jahre. Es werde in der alltäglichen Arbeit bei Leichensachen auf her-
kömmliche Feststellungsverfahren der Liegezeitbestimmung zurückgegrif-
fen (u.a. die Totenstarre oder die Gasbildung bei Leichen). Das Verfahren
anhand der Insekten, sei eine ideale Methode, allerdings für eine schnelle
Aufklärung eher schwer nutzbar, da die Züchtungen im Labor viel Zeit in
Anspruch nehmen.
Aus diesen Erhebungen zog Herr Mojen während unseres Gespräches
ebenso den Schluss, dass es anhand der wenigen Fallzahlen keinen Sinn
ergeben würde, direkt für das Bundesland oder auch das Land Bremen
einen eigenen forensischen Entomologen zu beschäftigen. Es sei obligat,
dass diese Fachrichtung und die Möglichkeit bestehen, innerhalb Deutsch-
lands auf diese zurückgreifen zu können, doch für eine zu große Anzahl
von Kriminalbiologen reichen die Fallzahlen eindeutig nicht aus. Ebenso
bestätigte er die Anfrage, ob in dem Zweig des K3 die Wissenschaft der
forensischen Entomologie weitestgehend bekannt sei, sodass bei einem
Fall, der dies fordert davon ausgegangen werden kann, dass die Kriminal-
biologen auch beauftragt werden. Anders wären die kriminalistischen und
kriminaltechnischen Möglichkeiten begrenzt und der Fall würde als unge-
löst deklariert werden. Sodann ist es essentiell, dass verschiedene Verfah-
rensweisen und -möglichkeiten bekannt sind und von den Ermittlern ange-
fordert und genutzt werden.
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
53
3.2 Interview mit dem Kriminalbiologen Mark Benecke
Dr. Mark Benecke (Anlage 1 Bildanhang, Abbildung 3.20) ist ein Mann,
der aufgrund seines hierzulande außergewöhnlichen Berufszweiges als
forensischer Entomologe vielerlei Länder durchquert. Er ist beispielsweise
als Gastdozent und -professor an Lehranstalten in „England, auf den Phi-
lippinen, in China, Vietnam, den USA und Kolumbien sowie Ausbilder an
Polizeiakademien und Gast u.a. an der FBI-Akademie und der Body
Farm.“135 Sein kriminalbiologisches Know-how lässt sich weiterhin in Fern-
sehserien wie Medical Detectives* wiederfinden, in denen er als wissen-
schaftlicher Berater fungiert oder in deutschen Zeitschriften wie Die Zeit
oder die Süddeutsche Zeitung.136 Bevor er diese umfangreiche Aufgabe
jedoch annahm, durchlief Mark Benecke das Biologiestudium, mit den
Teilbereichen der Zoologie und der Psychologie, an der Universität Köln
und bildete sich anschließend in den Bereichen der Rechtsmedizin in den
USA weiter.137 In dem Interview (Anlage 2 Textanhang) wurde vorerst der
Fragestellung nachgegangen, wie er mit dieser Arbeit umgeht, mit den
Tieren, den Leichen, all den Dingen, die nicht zum alltäglichen Dasein ei-
nes normalen Menschen gehören und sich somit auf den ersten Blick in
Kuriositäten und Merkwürdigkeiten erstrecken. Abschließend verfolgten
meine Erkundungen das Ziel, zu erforschen, wie seine Einschätzung, im
Hinblick auf die Relevanz der Thematik, der forensischen Entomologie, in
den Kriminalpolizeien der Länder und den Studiengängen für angehende
Polizeibeamte ist. Seine Äußerungen enthielten einerseits die Argumenta-
tion, es könne nie genug forensische Entomologen oder Kriminalbiologen
geben, denn je mehr es aus diesem Fach gäbe, umso größer sei auch das
Wissen und mögliche Ansätze die zur Falllösung beitragen könnten. Wei-
terhin relativierte er die Nachfrage, ob ein Studiengang, der den Beruf des
135
Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 2 136
Vgl. Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag, S. 2 137
Vgl. Internetseite www.wikipedia.org (letzte Bearbeitung 2010)
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
54
forensischen Entomologen zum Ziel hat, in Deutschland eingeführt werden
sollte. Seiner Ansicht nach, könne sich jegliche Person derartig nennen,
wenn sie Begeisterung an der Materie besitzt.
„ … denn man kann es ja auch ohne Studiengang einfach machen. Wer
sich für was begeistert (egal ob Oboe spielen oder forensische Entomolo-
gie) kriegt das schon hin. Man verdient halt nichts und alle finden einen
komisch, das ist aber beides nicht unbedingt das Schlechteste, was einem
passieren kann.“138
Um die bereits mehrfach genannte interdisziplinäre Zusammenarbeit wie-
derum aufzugreifen, ist auch Dr. Beneckes Ansichtspunkt der, dass die
differierenden Instanzen die Arbeit ihrer Kollegen besser verstehen soll-
ten. Bei der Bearbeitung eines Todesfalles, solle es kein Konkurrenzden-
ken geben, welches zur Folge, die fehlende Kommunikation und somit das
mangelnde Verständnis der Arbeitsmöglichkeiten anderer Wissenschaft-
ler, habe. Es solle vielmehr ein reger Austausch von Ideen und Eventuali-
täten stattfinden. Ein Beamter der Kriminalpolizei solle Beneckes Auffas-
sung nach versuchen, einen besseren Einblick in das Handwerk anderer
zu erlangen,
„wie die anderen arbeiten und denken, also die SpurenkundlerInnen, die
JuristInnen, die PsychologInnen, die NaturwissenschaftlerInnen usw. --
Mehr Reden ist immer gut und hilft immer.“139
1. Fazit
In den vorausgegangenen Kapiteln wurde eindringlich das Thema der Lei-
chenliegezeitbestimmung anhand konventioneller und moderner Metho-
138
Email- Interview mit dem Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke vom 15.03.2010 bis 09.05.2010, Anlage 2 Textanhang 139
Email- Interview mit dem Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke vom 15.03.2010 bis 09.05.2010, Anlage 2 Textanhang
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55
den insoweit vertieft, in dem Umfang, wie es eine begrenzte Seitenanzahl
hergibt. Allein die Tatsache, dass Herr Dr. Benecke, um sich forensischer
Entomologe nennen zu können, mehrere Studiengänge, Ausbildungen
und Weiterbildungen absolviert hat, lässt den Schluss zu, dass es sich
hier um eine Wissenschaft handelt, die nicht lediglich auf einer stets an-
wendbaren Formel beruht, sondern sich aus weitreichenden Komponen-
ten erschließt. Diese können alleinig erfasst werden, wenn diesem Thema
jahrelange Begeisterung geschenkt wird. Aus dem Interview mit Herrn Mo-
jen ging indes hervor, dass die Arbeit der forensischen Entomologen bei
den Ermittlern der Kriminalpolizei durchaus bekannt sei. Eine Fallbearbei-
tung sei keine Einzelleistung, sondern eine Teamarbeit der Kriminalbeam-
ten. Aus diesem Grund werden zahlreiche Besprechungen im K33 abge-
halten, in denen Ideen und Erkenntnisse zusammengetragen werden. Hier
entstehe dementsprechend die Konzeption, in welcher Weise an einen
Fall herangegangen wird. Wurde an einer Leiche die Feststellung getrof-
fen, die Liegezeit beträgt einen solch erheblich langen Zeitraum, der an-
hand konventioneller Todeszeitbestimmungsmaßnahmen nicht mehr ge-
troffen werden kann, liege es an den Ermittlern, die Idee hervorzubringen,
einen Insektenkundler heranzuziehen. Das weitere Interview mit Herrn
Mojen zeigt gleichwohl, dass die Kriminalbeamten die Möglichkeit besit-
zen, mittels zu besuchender Seminare, einen Einblick in diese Forschung
zu erlangen. Er verdeutlicht allerdings ebenso, dass ein tief greifendes
Eintauchen nicht von Nöten sei, da die Ermittler lediglich die Auftraggeber
für weitere Untersuchung seien und dies nicht eigens hervorbringen müss-
ten. Desweiteren werde die konventionelle Methode der Liegezeitbestim-
mung beibehalten, soweit ein toter Körper dies erlaubt, da das moderne
Verfahren mittels der Insekten zwar ein vortreffliches sei, die Zeitspanne,
die es jedoch in Anspruch nehme, eine zu immense darstelle. Eine An-
schauung dessen, sollten zudem die Polizeihochschüler erhalten, damit
sie zumindest bei ihrem abgeschlossenen Studiengang, über den Begriff
der Leicheninsekten in ihren Hinterköpfen verfügen. Es wurde unter die-
sem Gesichtspunkt ferner die Seltenheit der Anforderung eines forensi-
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
56
schen Entomologen in Bremen dargestellt. Dies lässt den Schluss zu,
dass keine Notwendigkeit besteht, dieses Fach als Unterrichtseinheit mit
in den Modulplan einzubauen. Lediglich in einer zwei- bis dreistündigen
Seminarform, wäre es in meinen Augen ein zu überdenkender und inte-
ressanter Faktor.
Ob es sich bei dem Themenaspekt der forensischen Entomologie in ihrer
Aktualität derzeit um eine Modeerscheinung handelt, bleibt abzuwarten.
Allerdings konnte ich während meiner Recherchen einen Verlauf entde-
cken, der den Inhalt einer Modeerscheinung möglicherweise widerlegt. Die
Geschichte der forensischen Entomologie findet ihren Anfang bereits in
den letzten Jahrhunderten, allerdings ohne die Option der Leichenliege-
zeitbestimmung. Diese keimte erst Mitte des 19. Jahrhunderts in unter-
schiedlichen Bereichen Europas sowie Nordamerikas auf. Anhand erster
Untersuchungen wurden die Möglichkeiten eröffnet, mittels an Leichen
gefundener Insekten, eine annähernde Todeszeit bestimmen zu können.
Die Gelegenheit, diese Erkenntnisse in eine Forschung umzuwandeln und
an menschlichen Leichen zu untersuchen, bot sich daraufhin erst mithilfe
der Body Farm und William Bass. Er richtete ein Territorial ein, auf dem
sich nicht nur wissenschaftliche Forschungen vollzogen, sondern ebenso
Lehr- oder Studiengänge abgehalten werden konnten. Diese Phase entwi-
ckelte sich Ende der 1980er Jahre. Da William Bass der erste forensische
Anthropologe des Bundesstaates Tennessee war, ist es nachvollziehbar,
dass einige Zeit verstrich, bis sich eine große Anzahl von Studenten hier
einfanden und die Wissenschaft dadurch an Popularität gewann. Durch
die Veröffentlichungen der Aufzeichnungen des William Rodriguez, erhiel-
ten dieser Forschungszweig und einige zurückliegende cold cases* neue
Aufklärungsmöglichkeiten. Dieser Umstand wurde in der 1996 anlaufen-
den amerikanischen Serie Forensic Files* aufgegriffen und brachte die
Leicheninsekten zu dem Zeitpunkt dort und später durch Medical Detecti-
ves* in unsere Fernsehgeräte. Wieder gewann dieser Forschungszweig
neue Interessenten. Durch die Serien und deren Wiederholungen, die
auch heute noch auf unseren Bildschirmen anzuschauen sind, kann täg-
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
57
lich die Aufmerksamkeit neuer Personen geweckt werden, die sich diesen
Berufszweig daraufhin annehmen wollen. Da auf der Body Farm aus heu-
tiger Sicht die Insektenkunde als abgeschlossen gilt, keimt hier der Ver-
dacht, damit vermindere sich die Beachtung wiederum. Retrospektiv liegt
dennoch eine immense Aufgabe vor denjenigen, die versuchen werden,
die Millionen unbekannter Insektenarten aufzuspüren und zu beschreiben.
Dadurch können jederzeit neue Erkenntnisse über eine Art entstehen, die
einen weiteren entscheidenden Faktor in der Leichenliegezeitbestimmung
innehaben. Ebenso bestehen auf der Body Farm momentan Untersu-
chungen, im Hinblick auf die Hilfe biochemischer Stoffe, bei der Todes-
zeitbestimmung. Auf diese Weise verweilt die Farm weiterhin im Fokus der
Öffentlichkeit und es könnte auf ihr in den nächsten Jahrzehnten mögli-
cherweise weitere revolutionäre Dinge geschehen werden. Anhand dieser
Zusammenschlüsse denke ich nicht, dass die Body Farm sowie die Lei-
cheninsekten in nächstgelegener Zeit aus dem Augenmerk der Bevölke-
rung verschwinden werden, da eine zahlreiche mediale Aufrechterhaltung
dessen momentan besteht (Internet, Fernsehen, Zeitschriften, Bücher).
Ob es sich bewahrheitet muss abgewartet werden.
Die Entwicklung meiner Thematik fand über die Tatortarbeit bei einem
Leichenfund, hin zu den sicheren und unsicheren Todeszeichen und an-
schließend zu der konventionellen Methode der Leichenliegezeitbestim-
mung, statt. Hier ließen sich vergleichsweise genaue Angaben herausar-
beiten, bei welchen Faktoren von einer bestimmten Leichenliegezeit aus-
gegangen werden kann und dies in einer eigens erstellten Tabelle, unter
dem Punkt 2.1.2.4, niederlegen. Die konventionelle Methode ist schon seit
vielen Jahren bekannt und in unzähligen Fachbüchern und -zeitschriften
aufgeführt. Es existieren keine Formeln oder Normwerte, mittels derer
stets ein einwandfreies Ergebnis berechnet werden kann, da jeder neue
Tat- oder Fundort neue Begebenheit umfasst und somit kein Fall einem
anderen gleicht. Wie bei der konventionellen Methode, ist dieser Umstand
auch in der modernen Variation nicht vorzufinden. Eine Überlegung muss
ebenso beinhalten, ob sich die vorgefundenen Insekten in ihrer richtigen
Hochschule für öffentliche Verwaltung Bremen Rabea Berstermann A-2007
58
„Choreographie“140 befinden und dadurch das Zusammenspiel mit den
anderen vorgefundenen Gattungen passt (Beispielfall unter Punkt 2.1.3.7
Eigentlich Maden zu erwarten, stattdessen lassen sich Käfergattungen
vorfinden).
Ich habe mit meiner Arbeit den Entschluss verfolgt, möglichst viele Facet-
ten der Thematik der Leichenliegezeitbestimmung aufzeigen zu können –
u.a. die herkömmliche mit der modernen Vorgehensweise verglichen, die
Arbeit in Europa und die in Nordamerika angerissen und den Blickwinkel
eines Kriminalbeamten, dem eines Kriminalbiologen entgegengestellt. An-
hand dieser Ausgangerläuterungen, wären weitere Seiten mit den Thema-
tiken der Osteologie (Knochenkunde), der Daktyloskopie (Fingerabdruck-
verfahren) und der Blutspritzeranalyse (Zur Rekonstruktion eines Tather-
ganges) zu füllen, die weitere Aufgabenfelder der Kriminalbiologie darstel-
len.
Ein positiver Ausblick, auf die forensische Entomologie in den folgenden
Jahrzehnten, hängt von hoffentlich zahlreich folgenden Studenten und
Interessenten ab, die diesen Berufszweig hoffentlich einschlagen werden.
Zweifellos ist ebenso aussichtsreich, auf die zukünftigen Bemühungen im
Bereich der biochemischen Stoffe zu spähen, die in einem Körper gemes-
sen werden und anhand derer eine weitaus präzisere Todeszeiteingren-
zung erfolgen soll, als mittels der Insekten möglich ist. Wie sich dieses
Verfahren entwickeln wird, bleibt eine zukünftig zu verfolgende und span-
nende Angelegenheit.
140
Internetseite www.zeit.de (1999)
Anlage 1
Bildanhang
Abb. 2.0 „Identifizierungsmöglichkeit anhand einer gefundenen und
behandelten Tätowierung auf der Haut einer verkohlten Leiche“
Abb. 2.1 „Wegdrückbarkeit der Totenflecken.“
Abb. 2.2 „Bild einer Mumifizierten Leiche.“
The Body Farm
Abb. 3.1 „Abgedeckte Körperspenden auf dem Gelände der Body Farm in
Tennessee.“
Abb. 3.2 „Das FBI bei einer Ausgrabung“ Ein Kurs der von der FBI-
Academy in Quantico auf das Areal der Body Farm gelegt wurde und hier
mithilfe der Anthropologen durchgeführt wird.1
Abb. 3.3 „Leichenzersetzungen am Waldesrand auf der Body Farm in
Tennessee.“
1 Vgl. Benecke, Mark (2002): Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen
der Welt. Gustav Lübbe Verlag, S. 41
Abb. 3.4 „Umzäunung der Body Farm in Tennessee“
Abb. 3.5 „Markierungen die kennzeichnen, wo eine Leiche vergraben liegt“
Abb. 3.6 „Der Gründer der Body Farm William Bass“
Abb. 3.7 „Das Bein eines Insekts“
Abb. 3.8 „Nervensystem eines Insektes“
Abb. 3.9 „Atmungsorgane eines Insekts“
Abb. 3.10 „Atemöffnungen am Hinterleib der Fliegenlarve“
Abb. 3.11 „Die Goldfliege (Lucilia sericata)“
Abb. 3.12 „Die Seetangfliege Coelopa frigida“
Abb. 3.13 „Das Vorkommen der Tiere in einer ganz bestimmten und immer
wiederkehrenden Reihenfolge, die Faunenfolge, im Bezug auf
erwachsene Tiere“
Abb. 3.14 „Faunenfolge der Insekten im Larvenstadium am Beispiel
Tennessee/USA im Frühjahr/ Sommer“
Abb. 3.15 „Das Wachstum einer Schmeißfliege“
Abb. 3.16 „Entwicklungsstadien einer Fliege“ Quelle: eigene
Abb. 3.17 „Die Käsefliege, Piophila casei“
Abb. 3.18 „Die Fleischfliege, Sarcophagide“
Abb. 3.19 „Der Speckkäfer, Dermestes lardarius“
Abb. 3.20 „Der Kriminalbiologe Dr. Mark
Benecke“
Anlage 2
Textanhang
Das Gutachten des Bremer Falles mit einigem Bildmaterial
Quelle: Polizei Bremen, Direktion Kriminalpolizei / LKA, K33, zur
Verfügung gestellt durch Helmut Mojen
„Die aufgefundene Leiche“
„Sichergestellte Maden“
„Die Arbeit der Spurensicherung“
„Auch kleinste gefundene Blutpartikel werden markiert und fotografiert“
Interview mit dem Sachgebietsleiter der Bremer Mord-
kommission Helmut Mojen vom 27.04.2010, Bremen
1. Was sollte jemand mitbringen, der sich für die Arbeit bei der
Kriminalpolizei interessiert? Oder auch speziell für den Zweig
K3?
Am wichtigsten ist, dass der Beamte die Fähigkeit eines Teamplayers
mitbringt. Die Ermittlungen funktionieren durch Besprechungen und das
Zusammentragen von Ideen und das ständige Kommunizieren
untereinander. Wenn da jemand nur für sich arbeitet, funktioniert das
nicht. Und natürlich darf die Begeisterung an der Sache nicht fehlen.
2. Wie viele Beamte werden in etwa im Jahr bei der
Kriminalpolizei eingestellt?
Das gestaltet sich sehr unterschiedlich, es gibt keine feste Anzahl. Es
hängt zum einen von den abgehenden Beamten im Jahr ab und zum
anderen von der Verteilung oder dem Bedarf der Direktionen generell. Es
wird dann balanciert zwischen den Neueinstellungen und den Fehlstellen
bei z.B. der Schutzpolizei, Wasserschutzpolizei oder eben auch der
Kriminalpolizei. Die Zahlen variieren hier. In diesem Jahr waren es bei K*
15 bis 20 und im letzten Jahr in etwa 10. Es gab auch Jahre in denen
keiner eingestellt wurde.
3. Wer trifft die Entscheidung, dass ein Sachverständiger in
einem Fall hinzugezogen wird?
Grundsätzlich wird es in dem Kommissariat entschieden, in dem die
Ermittlungen geführt werden, gegebenenfalls auch noch in Absprache mit
dem zuständigen Staatsanwalt. Im Bereich des K33* bedienen wir uns
vieler externer Gutachter, die auf die ganze Bundesrepublik verteilt sind,
z.B. mit dem Institut für Rechtsmedizin in Hamburg, natürlich auch mit
dem Bremer, mit der Charité in Berlin u.a.
Es kommt immer auf das Delikt an und auf das, was ich untersucht haben
möchte. Dann wird bei den Landeskriminalämtern angefragt, wer eine
Kapazität auf dem Gebiet hat. Dann bekommen die Gutachter eine
Fragestellung, die man dann beantwortet haben möchte und das ist dann
deren Aufgabe.
4. Wer ist in Bremen der Ansprechpartner, wenn ein Spezialist für
Kriminalbiologie benötigt wird?
Zwei studierte Biologen, verfügen über entsprechende Kompetenz in dem
Bereich. Wichtig ist hier darauf zu achten, ob sie in Bremen auch als
Sachverständige ausgebildet sind, sodass ihre Aussagen vor Gericht
zugelassen werden. Beim BKA: interne Ausbildung zur Daktyloskopie, die
sie dann als Sachverständige ausüben dürfen. Die Biologen sind z.B.
Sachverständige im Bereich der DNA-Gutachten bei
Vergleichsuntersuchungen (diese Spur an dem Tatwerkzeug stimmt mit
der DNA des TV überein).
5. Wann kam es in Bremen vor, dass ein Kriminalbiologe
hinzugezogen wurde, der eine Leiche anhand der Insekten
untersuchen sollte. Eben die Tätigkeit eines forensischen
Entomologen ausführen sollte?
2004: ein 27-jähriger Mann wurde im Studentenwohnheim in seinem
Bettkasten aufgefunden. Der Bewohner unter dem Zimmer rief die Polizei,
da die Fäulnisflüssigkeit durch die Decke sickerte, ebenso Madenballen.
Fäulnis- und Verwesungszustand ziemlich weit fortgeschritten.
Zur Feststellung der Todeszeit wurde entomologisch verfahren. Wurde als
Abgleich für Ermittlungsergebnisse, die die Kripo bis dahin hatte genutzt
und stimmte überein.
Bericht und Fotos in diesem Anhang ab Seite 1
6. Wie häufig kommt eine Anfrage für einen Kriminalbiologen, der
Sachverständige auf dem Gebiet der Insektenkunde ist, in
Bremen vor?
In etwa alle drei Jahre. Es wird vorerst versucht, die Todeszeit auf
anderer, herkömmlicher Weise zu bestimmen und erst wenn das nicht
mehr möglich ist, wird die Insektenkunde herangezogen. Das liegt
hauptsächlich an der Aufwendigkeit des Verfahrens, da vor Ort nicht viele
Aussagen getroffen werden können, da erst entsprechendes Material
mitgenommen wird, um es im Labor anzusetzen. Aus dieser erneuten
Züchtung werden dann erst die Schlüsse gezogen.
7. Fänden sie es unter diesen Umständen sinnvoll, wenn direkt
für Bremen ein Kriminalbiologe beschäftig werden würde?
Nein, das geben die Fallzahlen in diesem Bereich nicht her. So wie es
momentan ist, dass Sachverständige über das gesamte Bundesgebiet
tätig sind und reisen, das genügt. Das macht Sinn.
8. Ist der Bereich der forensischen Entomologie bei den
Neueingängen im K33* bekannt?
Ja das glaube ich schon, dass der Bereich soweit bekannt ist. Allerdings
geht es bei unserer Arbeit wie oben bereits genannt über Teamarbeit. Das
bedeutet, wenn wir einen Fall bearbeiten, setzen wir uns in unseren
Besprechungsraum und diskutieren Möglichkeiten und Ideen, unter
anderem wird dann die Frage der Todeszeitbestimmung fallen. Der
Beamte, der sich nun etwas in diesem Bereich auskennt, wird diese
Möglichkeit in den Raum werfen und für den Beamten, dem diese
Methode unbekannt ist erläutern.
9. Wie sind Seminarbesuche bei ihnen geregelt? Gibt es
Pflichtveranstaltungen?
Nein, das fällt unter „eigene Fortbildung“. Es wird über die
Landeskriminalämter eingeladen und aufgerufen. Man kann sich dann ein
Thema für sich heraussuchen und sich fortbilden.
10. Wie viele Seminare kann man pro Jahr besuchen?
Der Rahmen ist bei unser breiter als bei der Schutzpolizei. Es muss
allerdings fachlich begründet sein und eine gewisse Notwendigkeit muss
bestehen. Man muss kein Spezialist auf einem Gebiet sein, beispielsweise
auf dem der Entomologie, es genügt, dass sich einige Beamte damit im
Groben auskennen und für Weiteres werden dann Sachverständige
herangezogen. Wenn ein Kollege an einem Seminar teilgenommen hat,
trifft man sich in der Regel hier und er referiert kur über Neuerungen. So
werden Grundinformationen weitergegeben.
11. Werden Seminarangebote gut angenommen? Und wie ist das
Angebot von Bremer Seite?
Ja, das Angebot wird von unseren Beamten gut aufgenommen.
Es läuft viel über das BKA* oder das LKA* Hannover und Hamburg. Das
Programm, welches die Hochschule hier anbietet, ist für uns leider zu
allgemein.
12. Wenn Beamte von der Schutzpolizei den Übernahmelehrgang
zu Kriminalpolizei absolvieren, durchlaufen sie ein Jahr lang
zwei Praktika und einen 4-wöchigen Lehrgang an der
Hochschule für öffentliche Verwaltung und können dann
anfangen. Sind sie ihrer Meinung nach dann schon genügend
geschult, um den Alltag dort zu bewältigen?
Für mich ist das in Ordnung. Der Grundstock wird gut gelegt. Einige fügen
sich besser ein und andere haben eben ihre Schwierigkeiten, das kann an
mangelnder Fachkompetenz, aber eben auch an der Person selbst liegen.
Sie sollten innerhalb eines Deliktes in der Sachbearbeitung mit dem
Staatsanwalt und mit Rechtsanwälten umgehen können, es müssen
Absprachen getroffen werden und eine gewisse Gerichtserfahrung vor
dem Landgericht sollte vorhanden sein.
13. Könnte sich ein Beamter von der Arbeit freistellen lassen, um
z.B. Schulungen in der Richtung nachzugehen, z.B. mit dem
Inhalt auf der „Body Farm“ in Tennessee zu arbeiten?
Nein, weil das würde ein Arbeiten in einem anderen Teilbereich bedeuten.
Denn jemand, der in einem Kommissariat arbeitet ist Ermittler und kein
Sachverständiger. Uns reicht es, wenn wir beispielsweise die Personen
wie den Herrn Benecke kennen. Wenn wir Sachverständige benötigen,
rufen wir diese an und machen die Arbeit nicht eigens. Ich muss das alles
nicht selbst wissen. Wenn man sich allerdings qualifizieren will, dann
müsste man auch im Bereich der KTU* arbeiten. Hier macht man dann die
entsprechende Ausbildung und kann anschließend auch von anderen
LKAs angefordert werden. Aber eben nicht, wenn man im Zweig des K33
tätig sein will. Denn wir sind eben die Taktik in einem Fall und die KTU ist
die Technik. So setzt sich so etwas zusammen.
14. Herr Benecke beteuerte in seinem Interview, dass mehr Reden
eine gute Methode ist, um zu verstehen, wie die Juristen, die
Naturwissenschaftler etc. arbeiten. Wie ist ihre Meinung? Wird
genug besprochen und erklärt oder gibt es da Bedarf?
So wie ein Fall bei uns abgehandelt wird, ist meine Meinung, dass es im
Großen nur über Kommunikation stattfindet. Wir besprechen uns im Team
und wenn ein Sachverständiger herangezogen wird, geht man mit ihm
zusammen zum Tatort, um ihm das Geschehen größtmöglich zu erklären
und ihm seinen Auftrag zu erteilen. Wenn der Sachverständige diesen nun
abgearbeitet hat, wird uns seine Herangehensweise und Arbeitsweise in
der Regel erklärt. So bekommt man einen guten Einblick und weiß in etwa
was möglich ist und was nicht. Das genügt mir. Ich finde es allerdings sehr
positiv, dass Sachverständige unterschiedlicher Themenbereiche ihre
Arbeitsweise und Fälle in Artikeln in Fachzeitschriften darlegen oder eben
Bücher darüber schreiben. Da kopiert man sich dann mal etwas heraus
und hat dies für ähnliche Fälle im Hinterkopf. Das hilft schon viel. Diese
Leute müssen auch publizieren, denn das, was sie wissenschaftlich neu in
die Kriminalistik einbringen wollen, dass kommt dann so erst unter die
Menschen.
Email- Interview mit dem Kriminalbiologen Dr. Mark
Benecke vom 15.03.2010 bis 09.05.2010
Da Herr Benecke bereits viele Interviews geführt hat, die über sein Leben
und seine Arbeit berichten, hat er in diesem Email- Interview die Chance
genutzt, einige Verweise einzugliedern, die hin zu einer ausführliche
Antwort auf die gestellten Fragen leiten. Die Verweise sind blau unterlegt.
1. Wie lautet deine vollständige Berufsbezeichnung?
Mark Benecke, M.Sc., Ph.D., Certified & Sworn In Forensic
Biologist, Dipl.-Biol. Dr. rer. medic. Mark Benecke, Öffentl. bestellter
u. vereid. Sachverständiger für kriminaltechnische Sicherung,
Untersuchung u. Auswertung von biolog. Spuren (IHK Köln)
2. Wie lange braucht man, um sich forensischer Entomologe
nennen zu können und was sollte man an Voraussetzungen für
diesen Zweig mitbringen?
Jeder kann sich praktisch so nennen, der Interesse an der Materie
hat. Die Voraussetzungen dafür kann ich nicht nennen, den jeder
Mensch hat andere Gründe, warum er einen Berufszweig wählt und
andere Charakterzüge, die ihn zu einem guten oder schlechte
Mitarbeiter machen. Ich bin es beispielsweise so geworden:
http://wiki.benecke.com/index.php?title=1999-01-
15_Sience_Nextwave:_How_to_become_a_Forensic_Entomologist
Es gibt aber auch andere Leute, die aus den Forstwissenschaften
kommen oder der Taxonomie oder so. Man sollte sehr kleine Dinge,
Biologie, systematische Variationen (Experimente) und kritische
Einzelfallbetrachtungen sehr gerne machen.
3. Was genau gehört zu deinen Arbeitsfeldern?
Die kriminaltechnische Sicherung, Untersuchung u. Auswertung
von biologischen Spuren. Beispiele dazu liefern:
http://wiki.benecke.com/index.php?title=DNA
http://wiki.benecke.com/index.php?title=Forensic_Entomology
http://wiki.benecke.com/index.php?title=Blood
4. Als du dich entschieden hast mit dem Biologiestudium
anzufangen, was war dein Ziel? Hat dich die Biologie im
Ganzen gelockt oder wolltest du schon immer Todesfälle
anhand von Insekten lösen?
Nein, ich wollte erst einmal verstehen, was LEBEN ist -- Ergebnis hier:
http://wiki.benecke.com/index.php?title=Der_Traum_vom_Ewigen_Leb
en
Danach hab ich mit Tintenfischen gearbeitet, siehe hier:
http://www.peta.de/markbenecke
Und dann bin ich in dieses Gebiet hineingerutscht. Meine Großeltern
erzählten allerdings neulich, dass ich schon als Kind aus dem Plastik-
Plantschbecken zum Aufblasen im Garten die kleinen Fliegen
rausgesucht und sortiert habe anstatt zu plantschen…
5. Bist du der einzige deutsche forensische Entomologe?
Nein, beispielsweise Saskia Reibe (Uni Bonn, hat ihre Doktorarbeit
gerade abgegeben) und Kristina Baumjohann (Uni Köln, arbeitet an
der Doktorarbeit) und eine Arbeitsgruppe in Frankfurt und einige
rechtsmedizinische KollegInnen wie Heike Klotzbach, Christian
Reiter, Martin Grassberger usw. sind auch dabei, außerdem alle
Kooperateure.
6. Da die Arbeit eines forensischen Entomologen in Deutschland
sehr unbekannt ist, wie bist du dazu gekommen, hier als ein
solcher angesehen und eingesetzt zu werden?
Wenn ich das wüsste. Am Anfang verfasste ich einen Artikel für
eine Illustrierte und anschließend war ich in den USA in der
Rechtsmedizin in Manhattan angestellt und bekam den deutschen
(!) Fall anhand dessen ich eine Frauenleiche auf ihre
Leichenliegezeit hin untersuchen sollte. Ausführlich unter:
http://wiki.benecke.com/index.php?title=Forensische_Entomologie_
am_Beispiel_eines_Tötungsdeliktes
Dieser Fall bekam daraufhin unheimlich viel Aufmerksamkeit und es
entstand eine Art „Hype“ durch die Fernsehserien wie u.a. ‚medical
detectives„ und ,Autopsie„. Im Fach selber lief das immer gleich
ruhig ab, Kongresse, Veröffentlichungen, Fälle, alles ganz
entspannt und normal und ohne „Hype“...
7. Was war die spektakulärste Entdeckung/ Aufklärung, die dir
mithilfe der Insekten gelungen ist?
Keine, ich mag die kleinen Racker aber von Tag zu Tag lieber, die
sind sowas von cool programmiert...Wenn ich doch auch nur so gut
programmieren könnte wie die Evolution...das wär was...
8. Glaubst du, dass es das perfekte Verbrechen gibt?
Klar, jedes, das nicht entdeckt wird, oder?
9. Ekelst du dich vor manchen Leichen oder vor dem, was von
ihnen übrig geblieben ist?
Antworten hier:
http://wiki.benecke.com/index.php?title=2005-04-
16_Wilhelmshavener_Zeitung:_Leichen_sind_gar_nicht_ekelig
http://wiki.benecke.com/index.php?title=Kriminalbiologie_(Book)
http://wiki.benecke.com/index.php?title=2004-12-
03_Berliner_Zeitung:_Auf_den_Tod_folgt_Leben_-
_das_krabbelt_auf_der_Leiche
http://wiki.benecke.com/index.php?title=2004_QVEST:_In_manche
n_Morden_steckt_der_Wurm
10. Hast du Angst vor einer Art von Tier?
Manchmal vor Hermine, dem Farbzwerg (Kaninchen), wenn sie
nicht unterm Sofa raus kommen will...
Mit schlecht gelaunten Leoparden, Schwarzbären, Schlangen usw.
würde ich auch nur ungern in Berührung kommen.
11. Hattest du schon einmal das Gefühl mit dem Beruf aufhören zu
wollen, um etwas anderes zu machen?
Ja, gestern. Da hat mir eine Kollegin einen Fall aus Kolumbien
gezeigt, wo Drogendealer einen Kollegen von Geiern auffressen
ließen. Mir ist immer noch schlecht -- ernst gemeint. Und bei einer
Schulung in New York, wo wir gelernt haben, Opfer von
Sexualdelikten zu überzeugen, dass wir Abstriche nehmen müssen,
um die objektiven Beweise zu erhalten.
12. Interessierst du dich für den Ausgang deiner bearbeiteten Fälle
vor Gericht?
Nein, das ist unprofessionell. Wir sind für Spuren zuständig, nicht
für Schicksale oder Gerechtigkeit, gibt es beides sowieso nicht!
13. Wer darf auf der Body Farm arbeiten, bzw. wer bekommt
Zugang dorthin?
Meistens Bachelor-Studentinnen oder Masters-Studentinnen.
Männer finden es in der Regel zu ekelig.
14. Wann warst du das erste Mal dort und was waren deine
Eindrücke? Sollte es solch eine Forschungseinrichtung
ebenfalls in der Größe in Deutschland geben?
Antworten hier:
http://wiki.benecke.com/index.php?title=2002_SeroNews:_Ein_Bes
uch_auf_der_%22Body_Farm%22
http://wiki.benecke.com/index.php?title=2003-03-
17_FBI_Training:_Human_Remains_Recovery_School
http://wiki.benecke.com/index.php?title=2008-
07_Peter_Moosleitners_Magazin:_Wer_hier_liegt,_hilft_dem_FBI
15. Würdest du sagen, dass es deine Arbeit erleichtern würde,
bzw. die Aufklärung von Mordfällen, wenn es in Deutschland
vermehrt forensische Entomologen gäbe?
Es kann nicht genug geben! Es würde mich sehr freuen.
16. Würdest du es bejahen, dass jedes Bundesland/ jede
Mordkommission einen forensischen Entomologen
beschäftigen sollte?
Es würde schon reichen, wenn die KollegInnen einmal
grundsätzlich auf der FH zwei, drei Veranstaltungen zu dem Thema
hören dürften. Das würde schon reichen. Den Rest können auch
die Spurensucher der Polizei machen, die das dann ggf. an einen
externen Experten weiter geben. Hat so bisher immer gut geklappt.
Leider lernen die jungen PolizistInnen vor allem Gesetze und wie
man sich benimmt. Das ist super, aber bisschen Kriminalistik wäre
auch nicht schlecht...
17. Gibt es deiner Meinung nach grundlegende/essentielle Dinge,
die ein Kripobeamter bei der Mordkommission wissen sollte?
Wie die anderen arbeiten und denken, also die
SpurenkundlerInnen, die JuristInnen, die PsychologInnen, die
NaturwissenschaftlerInnen usw. -- Mehr Reden ist immer gut und
hilft immer.
Früher war es alles viel lockerer und vertrauter und auch in der
Sache viel besser ("zielführender" im Beamtendeutsch). Jetzt
kommen die ganzen bescheuerten Juristen, die keine Ahnung von
der Spurenarbeit haben, und verbieten eine Sache nach der
anderen, da sie unerwünscht seien.
18. Würdest du es bejahen, dass ein Studiengang in Deutschland
eingeführt würde, der den Beruf des forensischen
Entomologen und somit die Aufklärung von Todesfällen zum
Ziel hat?
Das ist mir egal, denn man kann es ja auch ohne Studiengang
einfach machen. Wer sich für was begeistert (egal ob Oboe spielen
oder forensische Entomologie) kriegt das schon hin. Man verdient
halt nichts und alle finden einen komisch, das ist aber beides nicht
unbedingt das Schlechteste, was einem passieren kann.
19. Woran arbeitest du gerade?
Sehr viele Fälle, sehr viele talks, siehe http://benecke.com/
Anlage 3
Quellen- verzeichnis
Anders, Dieter; Bratzke, Prof. Dr. med. Hansjürgen; Gotthardt, Hans
Joachim & Parzeller, Dr. med. Markus (2006). Die Bearbeitung von
Tötungsdelikten. Ein praxisorientiertes Handbuch für das
staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren. Richard Boorberg Verlag
Anthropologenkontor (unbekannt). Anthropologie ist die Wissenschaft vom
Menschen. In: Willkommen beim anthropologenkontor. Online im
Internet: URL: http://www.anthropologen.de/index.html [Stand:
15.05.2010]
Ärztekammer Bremen, Körperschaft des Öffentlichen Rechts (2002).
Gesetz über das Leichenwesen. In: Ärztekammer Bremen. Online
im Internet: URL: http://www.aekhb.de/pdf/HBLeichen.pdf [Stand:
15.05.2010]
Bass, Bill & Jefferson, Jon (2006). Der Knochenleser. Der Gründer der
legendären Body Farm erzählt. 2. Auflage, Wilhelm Goldmann
Verlag, München
Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne
Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch Verlag
Benecke, Mark (2002). Ein Besuch auf der Body Farm. In: Sero News.
Online im Internet: URL: http://www.benecke.com/pdf-
files/bodyfarm.pdf [Stand: 15.05.2010]
Benecke, Mark (1979-2001). Enzyklopädie der Naturwissenschaft und
Technik. In: International Forensic Research & Consulting. Online
im Internet: URL: http://www.benecke.com/pdf-files/enzyklop.pdf
[Stand: 15.05.2010]
Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Ausführungen zum besseren
Verständnis. Anregungen zum Nachdenken. Verlagsgruppe Lübbe,
Imprint BLT, Mensch & Wissen Band 25
Benecke, Mark (2002): Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten
Kriminalbiologen der Welt. Gustav Lübbe Verlag
Benecke, Mark (1999): Rechtsmedizin. In: 1999 Rechtsmedizin:
Ursprünge der modern angewandten rechtsmedizinisch-
kriminalistischen Gliedertierkunde bis zur Wende zum 20.
Jahrhundert (Foundations of modern Forensic Entomology until the
turn of the century). Online im Internet: URL:
http://wiki.benecke.com/index.php?title=1999_Rechtsmedizin:_Ursp
r%C3%BCnge_der_modern_angewandten_rechtsmedizinisch-
_kriminalistischen_Gliedertierkunde_bis_zur_Wende_zum_20._Jah
rhundert_%28Foundations_of_modern_Forensic_Entomology_until
_the_turn_of_the_century%29 [Stand: 15.05.2010]
Benecke, Mark (2008). Wie Polizisten auf der "Body Farm" in Knoxville
(USA) lernen, Verbrechen mit den neuesten Methoden aufzuklären.
In: 2008-07 Peter Moosleitners Magazin: Wer hier liegt, hilft dem
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07_Peter_Moosleitners_Magazin:_Wer_hier_liegt,_hilft_dem_FBI
Eberle, Ute (1999). Im Wald der Leichen. In: Zeit online, Wissen. Online im
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=74&prev=/images%3Fq%3Dwilliam%2Bbass&hl=de&usg=__DyFtf
3NFWimDWIW5mz8OS55veik=&ei=yY3lS8v8DJKvOIDR3NsN&sa=
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Weihmann, Robert (2000): Kriminalistik. Ein Grundriss für Studium und
Praxis. Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH Buchvertrieb, 5.
Auflage
Anlage 4
Abbildungs-verzeichnis
Abbildungen im Text:
Abb. 1.: „Deckblatt“
Unbekannt (2005). Centrum Censeo. URL:
http://www.krambox.de/media/1/20040830-kaefer2.jpg [Stand:
15.05.2010]
Abb. 1.2: „Zeitlicher Ablauf des Sterbevorganges“
Patscheider, Hubert & Hartmann, Hanspeter (1981): Leitfaden der
Gerichtsmedizin. Verlag Hans Huber Bern, S. 31
Abb. 1.3: „Umlagerbarkeit = Wandern der Totenflecke“
Patscheider, Hubert & Hartmann, Hanspeter (1981): Leitfaden der
Gerichtsmedizin. Verlag Hans Huber Bern, S. 36
Abb. 1.4: „Ausbildung der Totenstarre“
Ritz-Timme, Prof. Dr. med. Stefanie; Barz, Prof. Dr. med. Jürgen;
Daldrup, Prof. Dr. rer.nat. Thomas; Graß, Priv.-Doz. Dr. med.
Hildegard & Huckenbeck, Priv.-Doz. Dr. med. Wolfgang (2006).
Skriptum Rechtsmedizin für Studierende der Medizin. Online im
Internet: URL: http://www.uniklinik-
duesseldorf.de/img/ejbfile/Skript_komplett.pdf?id=9390 [Stand:
15.05.2010]
Abb. 1.5: „Insekten bilden die größte Gruppe der Lebewesen auf der Erde“
Benecke, Mark (1999). Kriminalbiologie. Ausführungen zum
besseren Verständnis. Anregungen zum Nachdenken.
Verlagsgruppe Lübbe, Imprint BLT, Mensch & Wissen Band 25, S.
22
Abb. 1.6: „Herausstechendes Merkmal der Insekten sind ihre sechs Beine“
Unbekannt (unbekannt). Planet der Insekten. Online im Internet:
URL: http://www.schmetterlingspark.de/fotos/Insekten.jpg [Stand:
15.05.2010]
Abb. 1.7 „Calliphora vicina“
Unbekannt (2008). Ich, die Fliegenmörderin. In:
Doppelpunktklammerzu. Online im Internet: URL:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/e0/Callipho
ra_vicina.jpg/800px-Calliphora_vicina.jpg [Stand: 15.05.2010]
Abb. 1.8: „Eine Fliegenlarve“
Unbekannt (Letzte Bearbeitung: 2009) Category:Musca domestica.
In: Wikimedia commons. Online im Internet: URL:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/ea/Fliegenl
arve.jpg/120px-Fliegenlarve.jpg [Stand: 15.05.2010]
Abbildungen aus dem Bildanhang:
Abb. 3.1: „Gelände der Body Farm in Tennessee“.
Hilary, Hylton (2007). Abgedeckte Körperspenden auf dem. CSI
Too Close to Home. In: Time. Online im Internet: URL:
http://img.timeinc.net/time/daily/2007/0705/body_farm_0522.jpg
[Stand: 15.05.2010]
Abb. 3.2: „Das FBI bei einer Ausgrabung”.
Information courtesy of the Department of Justice (2004). Forensic
Anthropology in The Real World. In: Forensic Anthropology. Online
im Internet: URL: http://www.all-about-forensic-
science.com/images/the-body-farm-tennessee.jpg [Stand:
15.05.2010]
Abb. 3.3: „Leichenzersetzungen am Waldesrand auf der Body Farm in
Tennessee“.
Schneider, Stefan (2001). Im Garten des Todes - Die Leichen des
Dr. Bass. In: Transhuman. Online im Internet: URL:
http://www.transhuman.de/bodyfarm1.jpg [Stand: 15.05.2010]
Abb. 3.4: “Umzäunung der Body Farm in Tennessee.”
Cook, Alan (2009). The Body Farm. In: Famous Last Words. Online
im Internet: URL:
http://alancook.files.wordpress.com/2009/09/340x.jpg [Stand:
15.05.2010]
Abb. 3.5: „Markierungen, die zeigen, wo eine Leiche vergraben liegt“.
Unbekannt (2009). Bodies of Evidence. In: Headline Archives.
Online im Internet: URL: http://www.fbi.gov/headlines/body-farm-
2/DSC_0164.JPG [Stand: 15.05.2010]
Abb. 3.6: „Der Gründer der Body Farm William Bass“.
Unbekannt (unbekannt). Bill Bass. In: NNDB tracking the entire
world. Online im Internet: URL:
http://www.nndb.com/people/714/000031621/bill-bass.jpg [Stand:
15.05.2010]
Abb. 3.7: „Das Bein eines Insekts“
Unbekannt (2007-2010). Brust. In: Insektenfibel. Online im Internet:
URL: http://www.insektenbox.de/fibel/bau/brust.htm [Stand:
15.05.2010]
Abb. 3.8: „Nervensystem eines Insekts“
Unbekannt (2007-2010). Schnittzeichnung. In: Insektenfibel. Online
im Internet: URL: http://www.insektenbox.de/fibel/bau/schnitt.htm
[Stand: 15.05.2010]
Abb. 3.9: „Atmungsorgan eines Insekts“
Unbekannt (2007-2010). Atmungsorgane. In: Insektenfibel. Online
im Internet: URL: http://www.insektenbox.de/fibel/bau/schnitt.htm
[Stand: 15.05.2010]
Abb. 3.10: „Atemöffnungen am Hinterleib der Fliegenlarve“
Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die
moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch
Verlag, S. 33
Abb. 3.11: „Die Goldfliege (Lucilia sericata)“
Felke, Martin (unbekannt). Goldfliege. In: Institut für
Schädlingskunde. Online im Internet: URL:
http://www.schaedlingskunde.de/Steckbriefe/htm_Seiten/Goldfliege-
Lucilia-sericata.htm [Stand: 15.05.2010]
Abb. 3.12: „Die Seetangfliege Coelopa frigida“
Username Nils (2007). Coelopa frigida. In: Zoologie.de. Online im
Internet: URL: http://www.zoologie.de/grzimek/bild-coelopa-frigida-
38.html [Stand: 15.05.2010]
Abb. 3.13: „Das Vorkommen der Tiere in einer ganz bestimmten und
immer wiederkehrenden Reihenfolge, die Faunenfolge, im Bezug
auf erwachsene Tiere“
Benecke, Mark (1979-2001). Enzyklopädie der Naturwissenschaft
und Technik. In: International Forensic Research & Consulting.
Online im Internet: URL: http://www.benecke.com/pdf-
files/enzyklop.pdf [Stand: 15.05.2010]
Abb. 3.14 „Faunenfolge der Insekten im Larvenstadium am Beispiel
Tennessee/USA im Frühjahr/ Sommer“
Benecke, Mark (1979-2001). Enzyklopädie der Naturwissenschaft
und Technik. In: International Forensic Research & Consulting.
Online im Internet: URL: http://www.benecke.com/pdf-
files/enzyklop.pdf [Stand: 15.05.2010]
Abb. 3.15 „Das Wachstum einer Schmeißfliege“
Benecke, Mark (1979-2001). Enzyklopädie der Naturwissenschaft
und Technik. In: International Forensic Research & Consulting.
Online im Internet: URL: http://www.benecke.com/pdf-
files/enzyklop.pdf [Stand: 15.05.2010]
Abb. 3.17 „Die Käsefliege“
Unbekannt (unbekannt). Käsefliege. In: Wilfrieds Schädlings Forum.
Online im Internet: URL:
http://www.schaedlingshotline.de/site/pests/img/kaesefliege.jpg
[Stand: 15.05.2010]
Abb. 3.18 „Die Fleischfliege, Sarcophagide“
Benecke, Mark (2006). Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die
moderne Kriminalbiologie. 2. Auflage, Bastei Lübbe Taschenbuch
Verlag, S. 25
Abb. 3.19 „Der Speckkäfer, Dermestes lardarius“
Unbekannt (unbekannt). Gemeiner Speckkäfer. In: Wilfrieds
Schädlings Forum. Online im Internet: URL:
http://www.schaedlingshotline.de/site/pests/img/speckkaefer_gemei
ner.jpg [15.05.2010]
Abb. 3.20 „Der Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke“
Unbekannt (unbekannt). Mark Benecke – Lachende Wissenschaft.
In: ARCHIV: Kultur im Lÿz. Online im Internet: URL:
http://www.siwikultur.de/lyz/prog07/bilder/benecke_mark.jpg [Stand:
15.05.2010]
___
Anlage 5
Abkürzungs-verzeichnis
Begriff/ Abkürzung Erläuterung
Abdomen Hinterleib eines Insekts
Aerob Sauerstoffreich ≠ anaerob
ARF Anthropological Research Facility –“Body Farm”
ÄBD Ärztlicher Beweissicherungsdienst; es besteht
eine vertragliche Bindung, dass er zu einem
Todesfall, der auch den Polizeieinsatz fordert,
erscheint oder wenn Blutproben durchgeführt
werden sollen, da bei einer Person beispiels-
weise der Verdacht auf Alkohol am Steuer be-
steht.
BKA Bundeskriminalamt
Cold case Ein ungelöster Fall
CSI Eine Fernsehserie, über die „amerikanische“
Art, Ermittlungen zu leiten sowie Beweise und
Spuren zu sichern und auszuwerten. Siehe
Online im Internet: www.RTL.de
Daktyloskopie Verfahren zum Abnehmen von
Fingerabdrücken für kriminologische oder
gerichtsmedizinische Untersuchungen2
Forensic Files siehe Medical Detectives
Forensische Entomologie Rechtsmedizinisch-kriminalistisch angewandte
Insekten- und Gliedertierkunde3
2 Internetseite: www.de.thefreedictionary.com (2010)
3 Internetseite: www.benecke.com (1999)
Große
Schadensereignisse Eine polizeiliche Lage, in der die Möglichkeit
eines großen Schadenseintrittes für Umwelt
oder Mensch besteht - Amok- Lagen, Flug-
zeugabstürze
Humid feuchtes Klima
Individualtod Hirntod, irreversibles Ende der Hirnfunktion4
Intermediäres Leben Phase, die sich dem Individualtod anschließt5
Leichensachen Fälle mit mindestens einer toten Person
LKA Landeskriminalamt
K Kriminalpolizei
KDD Kriminaldauerdienst:
Konstatieren Eine Feststellung treffen
KTU Kriminaltechnische Untersuchungen (DNA-
Analysen u.a.)
K33 Mordkommission bei der Kriminalpolizei
Medical Detectives Deutsche Version der amerikanischen
Dokumentationsserie Forensic Files. Hier
werden Fälle präsentiert, deren Aufklärung
mithilfe wissenschaftlicher Methoden oder zu
dem Zeitpunkt neuester Technik gelang.
Peripheres
4 Vgl. Internetseite: www.de.wikipedia.org (unbekannt)
5 Vgl. Patscheider, Hubert & Hartmann, Hanspeter (1981): Leitfaden der Gerichtsmedizin. Verlag
Hans Huber Bern, S. 31
Nervensystem Verbindung zwischen Gehirn und Bauchmark
zur Bewegungssteuerung anhand von
Sensoren und Muskeln6
Postmortal nach dem Tod eingetreten
Qualifizierte Entführung Entführung (Aufenthaltsort des Opfers ist unbe-
kannt) ≠ Geiselnahme (Aufenthaltsort des Op-
fers ist bekannt); Qualifiziert: Dauer länger als
10 Tage
Schwere Körperverletzung § 226 StGB: „(1) Hat die
Körperverletzung zur Folge, dass die verletzte
Person 1. das Sehvermögen auf einem Auge
oder beiden Augen, das Gehör, das
Sprechvermögen oder die
Fortpflanzungsfähigkeit verliert, 2. ein wichtiges
Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht
mehr gebrauchen kann oder 3. in erheblicher
Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum,
Lähmung oder geistige Krankheit oder
Behinderung verfällt, so ist die Strafe
Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn
Jahren. (2) Verursacht der Täter eine der in
Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder
wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht
unter drei Jahren. (3) In minder schweren
Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von
sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder
schweren Fällen des Absatzes 2 auf
6 Vgl. Internetseite www.insektenbox.de (2007-2010)
Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn
Jahren zu erkennen.“7
Supravitale Reaktionen sind auch noch in der Phase des Intermediären
Lebens auszulösen – aufgrund überlebenden
Gewebes
u.a. unter anderem
Unterschlundganglion Knotenförmige Ansammlung von Nervenzellen8
UT University of Tennessee
Vegetatives
Nervensystem Die Verbindung zwischen Gehirn und Bauch-
mark mit den inneren Organen, um deren Tätig-
keit zu steuern9
Vitale Reaktionen Reaktion des lebenden Gewebes, bei voller
Kreislauf- und Atmungstätigkeit10
7 Strafgesetzbuch (2007). Strafrecht. Nomos Gesetze, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden,
16. Auflage, Stand 10.08.2007, §226 StGB 8 Vgl. Internetseite www.l0hmr.wordpress.com (2008)
9 Vgl. Internetseite www.insektenbox.de (2007-2010)
10 Vgl. Patscheider, Hubert & Hartmann, Hanspeter (1981): Leitfaden der Gerichtsmedizin. Verlag
Hans Huber Bern, S. 31
Anlage 6
Versicherung
Versicherung
"Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und
ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt
habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten und
nicht veröffentlichten Schriften entnommen sind, sind als solche kenntlich
gemacht. Die Arbeit habe ich in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner
anderen Prüfungsbehörde vorgelegt. Mir ist bekannt, dass ein Verstoß
gegen die vorstehende Erklärung als Täuschungsversuch nach der
Ausbildungs- und Prüfungsordnung gewertet und dass als Folge die
Prüfungsleistung mit der Note „nicht ausreichend“ bewertet oder sogar die
Prüfung für nicht bestanden erklärt werden kann.“
Bremen, den 15.05.2010
_____________________________________________
Unterschrift