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M. Kronfellner Grundbegriffe der Mathematik SS 2012 Juni 2012

der Mathematik - · PDF fileAus den Monotoniegesetzen (und anderen Axiomen) kann man folgern: Regularit at der Multiplikation: 8a;b;c2N;c6= 0 : ac= bc)a= b Modell f ur N (John von

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M. Kronfellner

Grundbegriffe der

Mathematik

SS 2012

Juni 2012

1 Zahlen, Zahlenbereichserweiterungen

1.1 Die naturlichen Zahlen

1. Zahlen hat einen Anfang (= 1 oder 0)

2. Zu jeder Zahl gibt es genau einen Nachfolger

3. 0 hat keinen Vorganger

4. Verschiedene Zahlen konnen nicht den selben Nachfolger haben

5. Jede von 0 verschiedene Zahl muss einen Vorganger haben

6. Das Ruckwartszahlen muss abbrechen

→ Axiomensystem fur N

1. 0 ∈ N

2. ∀x ∈ N ∃! v(x) (= x′ Nachfolger), ∈ N

3. ∀x ∈ N : x′ 6= 0

4. ∀x, y ∈ N : x 6= y ⇒ x′ 6= y′

m.a.W: x′ = y′ ⇒ x = y

5. ∀x ∈ N, x 6= 0 : ∃y ∈ N : y′ = x

6. ∀M ⊆ N,M 6= ∅ : ∃x ∈M : ∀y ∈M : y′ 6= x

(5) + (6)⇒ (3) + (4)

(1), (2), (5), (6) unabhangiges Axiomensystem(2. Ziel: Widerspruchsfreiheit; vergleiche spater)

(1), (2), (5), (6) ⇒Satz (von der vollstandigen Induktion)∀M ⊆ N gilt: (0 ∈M ∧ ∀x ∈ N : (x ∈M ⇒ x′ ∈M))⇒M = N

Axiomensystem von PEANO:

(1), (2), (3), (4) +”Satz“ von der vollstandigen Induktion

(hier: Axiom;”Induktionsaxiom“)

1

Rechnen mit naturlichen Zahlen

Definition: a+ b (a, b ∈ N) ist definiert durch:a+ 0 = aa+ b′ = (a+ b)′

Beispiel: a+ 1 = a+ 0′ = (a+ 0)′ = a′

a+ 2 = a+ 1′ = (a+ 1)′

usw.

Satz:

1. Regularitat: ∀a, b, c ∈ N:a+ c = b+ c⇒ a = b

2. Assoziativitat: ∀a, b, c ∈ N:(a+ b) + c = a+ (b+ c)

3. Kommutativitat: ∀a, b ∈ Na+ b = b+ a

Beweise: Ubung!

Definition: a, b ∈ N:a · b ist definiert durcha · 0 = 0a · b′ = a · b+ a

Satz:

1. Distributivgesetze:

∀a, b, c ∈ N: a · (b+ c) = a · b+ a · c(a+ b) · c = a · c+ b · c

2. Ass

3. Kom

4. 1 · x = x

Folgerung: (N,+) kommutative Halbgruppe(N∗, ·) kommutative Halbgruppe

Definition: Anordnung der naturlichen Zahlen(>,<,≥,≤, Monotoniegesetze: siehe Kap. 2 bzw. Literatur!)

2

Aus den Monotoniegesetzen (und anderen Axiomen) kann man folgern:Regularitat der Multiplikation:∀a, b, c ∈ N, c 6= 0 :a · c = b · c⇒ a = b

Modell fur N (John von Neumann)0 := ∅ 1 := 0′ = ∅ ∪ {∅} = {∅} = {0}

2 := 1′ = 1 ∪ {1} = {∅, {∅}} = {0, 1}

Darstellung der naturlichen Zahlen

5723 = 5 · 103 + 7 · 102 + 2 · 101 + 3 · 100

Statt 10 andere Basiszahl: p

N 3 n = akpk + ak−1p

k−1 + . . . + a2p2 + a1.p

1 + a0p0

p-adische Darstellung (p versch. Ziffern)(p = 2, p = 8, p = 16)

Vereinbarung: Ist in einem Produkt ein Faktor eine Variable, so muss derMultiplikationspunkt nicht geschrieben werden. (

”Konkatenation“).

1.2 Ganze und rationale Zahlen

Def: a, b ∈ N:wenn gilt: b+ x = a, dann schreibt man:

x =: a− b

Satz: a(b− c) = ab− ac

Definition: a, b ∈ Nwenn b · x = a, dann schreibt man:

x =: a : b = ab

Ziel: N so erweitern, dassb+ x = a soll b · x = a soll ∀b+ 0

stets losbar sein stets losbar sein⇔ a− b uneingeschrankt ⇔ a

b furausfuhrbar ∀b 6= 0 uneingeschrankt ausfuhrbar

d.h.:(M1,+) = Gruppe mit (M2\{0}, ·) = Gruppe(N,+) als mit (N\{0}, ·)alsUnterhalbgruppe UnterhalbgruppeM1 = Z M2\{0} = Q+

3

1.3 Konstruktion von Z aus NMotivation: 7− 3 = 8− 4 = 9− 5 = · · · ⇔ 7 + 4 = 3 + 8

Satz: Die Relation (a, b) ≈ (c, d) :⇔ a+ d = b+ c d.h. (a− b = c− d) ist eineAquivalenzrelation.

Folgerung: Diese Aquivalenzrelation induziert auf N× N eineKlasseneinteilung.Definition: Z = {(a, b)|(a, b) ∈ N× N} wobei (a, b) = {(x, y)|(x, y) ≈ (a, b)}

Rechnen in Z:

Da eine Aquivalenzrelation vorliegt, kann man anstatt mit Klassen zu rechnenauch mit einzelnen Reprasentanten der entsprechenden Klassen rechnen.

Definition: (a, b)⊕ (c, d) = (a+ c, b+ d)

Bzw. einfacher: (a, b)⊕ (c, d) = (a+ c, b+ d)

(⊕ entspricht einem neuen zu definierenden Symbol, + entspricht dem vertrau-ten

”+“ in N)

Satz: (Z,⊕) = kommutative Gruppe

Gilt: N ⊆ Z ??Eigentlich nein (noch nicht)

ϕ : (N,+)→ (Z,⊕)|n 7→ (n, 0) ist ein Halbgruppenmonomorphismus(d.h. injektiver Homomorphismus)

bzw.: ϕ : (N,+) → (Z+0 ,⊕)|n 7→ (n, 0) ist ein Halbgruppenisomorphismus, d.h.

man kann n ∈ N mit (n, 0) bzw. mit der Klasse (n, 0)”identifizieren“.

Dann kann man also schreiben: N = Z+0 und somit N ⊆ Z

Definition: (a, b)� (c, d) = (ac+ bd, ad+ bc)

Satz: (Z,�) kommutative Halbgruppe

Satz: Distributivgesetze ...

Folgerung: (Z,⊕,�) kommutativer Ring(sogar ein Integritatsring, d.h. a� b = 0⇒ a = 0 ∨ b = 0)

4

1.4 Konstruktion von Q aus Z

Motivation:5

3=

10

6︸ ︷︷ ︸5.6=3.10

= · · ·

Satz: Es seinen a, b, c, d ∈ Z und b, d 6= 0. Dann ist (a, b) ' (c, d)⇔ a · d = b · c(”Quotientengleichheit“) eine Aquivalenzrelation.

Da abermals eine Aquivalenzrelation vorliegt, kann man wieder anstatt mitKlassen zu rechnen auch mit einzelnen Reprasentanten der entsprechenden Klas-sen rechnen.

Definition: Q = {(a, b) | (a, b) ∈ Z × Z \ {0}}

Definition: (a, b) � (c, d) = (a · c, b · d)

(a, b) ⊕ (c, d) = (ad+ bc, bd)

Satz: (Q,⊕,�) ist Korper

Einbettung von Z in Q:

Q := {(x, y) ∈ Q | y = 1} ∼= Z(analog zur Einbettung von N in Z)

Darstellung rationaler Zahlen

z =∑ni=−∞ aip

i = anpn + an−1p

n−1 + . . .+ a2p2 + a1p+ a0 + a−1

p + a−2

p2 + . . .

(p=10 :”Dezimaldarstellung“)

x ∈ Q⇒ x entweder endliche Dezimalzahloder periodische Dezimalzahl(allg.: gilt auch fur andere Basis)

p = 10 : x = endl · Dezimalzahl, wennx = z

n und n = 2α · 5β

5

1.5 Reelle Zahlen

Griechen: 1 und√

2 bzw.√

5 sind nicht kommensurabel!

(Definition: a, b ∈ R heißen kommensurabel, wenn es ein m ∈ R und x, y ∈ Nderart gibt, dass a = x ·m und b = y ·m)

Satz:√

2 6∈ Q

Bew.: siehe Schulbucher!

Definition: Seien < αn >,< βn > Folgen mit

1. αn < βn∀n ∈ N

2. < αn > mon. w.< βn > mon. f.

3. limn→∞ βn − αn = 0

Dann heißt (< αn >,< βn >) eine Intervallschachtelung.

Satz: (< αn >,< βn >) ∼ (< γn >,< δn >) :⇐⇒ limn→∞ δn − αn = 0ist eine Aquivalenzrelation auf der Menge aller Intervallschachtelungen.

Definition: R = {(< αn >,< βn >)}

Definition: Addition in R:

x = (< αn >,< βn >) y = (< γn >,< δn >)

x⊕ y = (< αn + γn >,< βn + δn >)Multiplikation in R: analog (allerdings sind Fallunterscheidungennotwendig:x, y > 0; x > 0, y = 0; x > 0, y < 0; x = 0, y < 0; x < 0, y < 0)

Satz (R,⊕,�) = Korper

Alternativen:

1. Dedekind’scher Schnitt

Definition: Sei A,B ⊆ Q, A ∪B = Q, A ∩B = ∅.∀a ∈ A ∀b ∈ B gelte a < b

Dann nennt man das Paar (A, B) einen Dedekind’schen Schnitt.

Beispiel: A = {x ∈ Q+ | x2 ≤ 2}B = {x ∈ Q+ | x2 > 2}

Dann erfullen A und B die geforderten Bedingungen und es gilt:

(A,B) =:√

2 ∈ R

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Allgemein:

Definition: R := Menge aller Dedekind’schen Schnitte

Einbettung von Q in R:

Analog: A = {x ∈ Q | x ≤ q ∈ Q}B = {x ∈ Q | x > q ∈ Q}R := {(A,B) | A,B wie oben } ∼= Q

2. Alternative: Cauchyfolgen

Definition: Eine Folge < an > (mit an ∈ Q oder ∈ R oder . . . ) heißt Cauchyfolge,wenn gilt: ∀ε > 0 ∃ N ∈ N ∀m,n > N: | am − an |< ε

Motivation: Cauchy’sches Konvergenzkriterium fur Folgen in R:

Satz: Gilt fur eine Folge < an > die Eigenschaft:∀ε > 0 ∃ N ∈ N ∀m,n > N: | am − an |< ε,dann ist diese Folge konvergent in R (und umgekehrt)

Wahlt man nun eine Cauchyfolge < an > mit an ∈ Q und Grenzwert α ∈ R\Q,so hat diese Cauchyfolge in Q keinen Grenzwert.

→Idee: Nimmt man zu Q noch alle Cauchyfolgen hinzu, die in Q keinen Grenz-wert haben, so erhalt man R.

Zuvor noch notwendig:

Satz: < an >,< bn > Cauchyfolgen< an >∼< bn >:⇔ ∀ε > 0 ∃N ∈ N ∀m,n >N: | am − bn |< εdefiniert eine Aquivalenzrelation.

(Es genugt auch zu fordern:< an >∼< bn >⇔ ∀ε > 0 ∃N ∈ N ∀n >N: | an − bn |< εbzw. limn→∞(an − bn) = 0)

Die Relation∼ induziert eine Klasseneinteilung in der Menge aller Cauchyfolgen.

Definition: R := {< an > | an ∈ Q, < an >= Cauchyfolge}

Die Operationen ⊕ und � im R werden auf Addition und Multiplikation derentsprechenden Folgen (gliedweise) zuruckgefuhrt. Mit diesen Operationen bil-det R dann - wie nicht anders zu erwarten - einen Korper.

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Einbettung von Q in R:

Definition: R := {(< αn >,< βn >) | αn = βn = a ∈ Q} ∼= Qbzw. R := {< an > | an = a ∈ Q ∀n ∈ N} ∼= Q

Vollstandigkeitsaxiom, Vervollstandigung

Wenn R noch nicht vorliegt, sondern erst von Q ausgehend konstruiert wird,so bezeichnet man die angegebenen Konstruktionen als

”Vervollstandigung von

Q“.Wenn R bereits vorliegt, gilt das sogenannte

”Vollstandigkeitsaxiom“: R ist

vollstandig, d.h. jede Intervallschachtelung mit reellen Intervallgrenzen liefertgenau eine reelle Zahl, d.h. es gibt genau eine reelle Zahl, die in allen ∞ vielenIntervallen liegt.

Die Vollstandigkeit von R hat zur Folge, dass jeder Dedekind’sche Schnitt genaueine reelle Zahl darstellt, bzw. dass jede Cauchyfolge konvergent in R ist.

1.6 Einschub: Großenordnungen von unendlich

Definition: M1 heißt gleichmachtig zu M2, wenn ∃ϕ : M1 →M2 bijektiv (In Zeichen: M1 ∼M2)Definition: M heißt abzahlbar (unendlich), wenn M ∼ N ist.Satz: Z ∼ N

Bew.: N 0 1 2 3 4 5 6 7 . . .| | | | | | | |

Z 0 1 -1 2 -2 3 -3 4 . . .

(Anschaulich: M ist abzahlbar, wenn sich M als unendliche Folge (Liste,”Per-

lenkette“) anschreiben lasst.)

Satz: Q ist abzahlbar.

Bew.: 1. Cantor’sches Diagonalverfahren (betrachte vorerst Q+):

11 → 1

213 → 1

415 . . .

↙ ↗ ↙21

22

23

24

25 . . .

↓ ↗ ↙31

32

33

34 . . .

↙41...

Analog beweist man den folgendenSatz: Die Vereinigung abzahlbar vieler abzahlbarer Mengen ist abzahlbar.

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Definition: x ∈ R heißt algebraisch, wenn x eine Losung einer algebraischen Gleichungmit Koeffizienten ∈ Q ist.

Satz: A = {algebraische Zahlen} ist abzahlbar.

Bew.: Ai = {Losungen von Gleichungen vom Grad i} ist abzahlbar.

A =⋃∞i=1Ai ebenfalls abzahlbar.

⇒ Es gibt”viel mehr“ transzendente Zahlen (= nicht algebraische) als algebrai-

sche Zahlen, denn es gilt der folgende

Satz: [0,1] ist nicht abzahlbar.Bew.: indirekt: Annahme: [0,1] ware abzahlbar d.h. in einer Folge (Liste)vollstandig angebbar:

0, a11 a12 a13 a14 . . .0, a21 a22 a23 a24 . . .0, a31 a32 a33 a34 . . .

. . .0, an1 an2 an3 an4 . . .

. . .

Aber: 0, b1 b2 b3 b4 . . .mitbi 6= aii kommt nicht in der Liste vor.D.h. keine solche Liste kann jemals vollstandig sein.

(Dieses Verfahren nennt man 2. Cantor’sches Diagonalverfahren)

Bemerkung: In der obigen Liste muss vorausgesetzt werden, dass jede Zahlnur einmal vorkommt, insb. darf nicht 0, 10000 · · · und 0, 09999 · · · auftreten.Dies erreicht man, indem man voraussetzt, dass jede endliche Dezimalzahl mitHilfe einer Neunerperiode angeschrieben wird.

Ubungsaufgabe: 1) ∀a, b ∈ R, a < b gilt: [0; 1] ∼ [a, b]2) [a, b] ∼ R

Kardinalzahl einer Menge:a) endliche Menge: Kardinalzahl = Anzahl der Elementeb) unendliche Mengen:

| N |= | Q |= | A |= ℵ0 (”Aleph0“)

| [0, 1] |︸ ︷︷ ︸=:c

= | R |> ℵ0

Frage: ∃ Menge M mit

ℵ0 <|M |< c

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Kontinuumshypothese: 6 ∃ M mit ℵ0 <|M |< c1937 zeigte Kurt Godel: Die Kontinuumshypothese (

”KH“) ist mit der Mengen-

lehre (genauer mit Axiomensystem von Zermelo und Fraenkel) konsistent.

1964 Paul Cohen: ¬KH + ZF ist ebenfalls konsistent.

Definition: Q liegt dicht in R, d.h. jedes x ∈ R ist Beruhrungspunkt von Q, d.h. in jederUmgebung von x liegt ein von x verschiedenes Element ∈ Q

Insbesondere: Q liegt dicht in sich.

Umso erstaunlicher ist folgendes:

Sei < an > die Folge der rationalen Zahlen ∈ [0, 1] und ε > 0 (ε winzig!)betr.:

I1 = [a1 − ε22 , a1 + ε

22 ]. . .

In = [an − ε2n+1 , an + ε

2n+1 ]

Dann gilt:

{an} ⊆∞⋃n=1

In

aber:

|∞⋃n−1

In |≤∞∑n−1

| In |=∞∑n=1

ε

2n= ε

1.7 Komplexe Zahlen

Motivation fur die Erweiterung von R

x2 = −1⇒ x /∈ R

Frage: ∃ so ein x”außerhalb von R“?

Vgl.: 1 : 2 /∈ Z→Erweiternung von Z zu Q1 : 0 /∈ R→ Erweiterung von R zu ??1 : 0 = x⇒ 0 · x = 1⇒ ein solches x kann es nicht geben, so dass man

sinnvoll damit rechnen konnte.

(In anderen Gebieten der Mathematik kann es aber sinnvoll sein, ein Element∞ zu R hinzuzunehmen →

”Einpunktkompaktifizierung“ von R; vgl. auch pro-

jektive Geometrie.)

Also: mit 1 : 0 kann man nicht rechnen. Kann man mit√−1 sinnvoll rechnen?

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Beispiel: a) Gesucht: Zahlen x, y mit x+ y = 10 und x · y = 24Losung: x · (10− x) = 24⇒ · · · ⇒ x = 4 ∨ x = 6

⇒ y = 6 ∨ y = 4b) analog: x+ y = 10 und x · y = 30⇒ x(10− x) = 30⇒ x2 − 10x+ 30 = 0x = 5±

√−5

x = 5 +√−5, y = 5−

√−5

(bzw. x = 5−√−5, y = 5 +

√−5)

Sind das sinnvolle Zahlen?

Wir machen die Probe:

x+ y = 5 +√−5 + 5−

√−5 = 5 + 5 = 10

x.y = (5+√−5).(5−

√−5) = 5.5−5.

√−5+5.

√−5−

√−5.√−5 = 25−(−5) = 30

Stimmt!

Man kann also mit diesen Zahlen sinnvoll rechnen!→ Motivation zur Erweiterung von R. Wir suchen eine Menge M mit folgenden

Eigenschaften:

1. M ⊇ R

2. ∃i ∈M mit i2 = −1

3. in M soll man addieren (⊕) und multiplizieren (�) konnen, und fur dieseOperationen soll (Ass ⊕), (Kom ⊕), (Ass �), (Kom �), (Dist) gelten.(”Permanenzprinzip“!)

4. Die Einschrankung dieser Rechenoperationen auf Elemente ∈ R ⊆M solldie ubliche Addition bzw. Multiplikation in R liefern.

Wir beginnen:

a ∈ R ⊆M ⇒ a ∈Mb ∈ R ⊆M ⇒ b� i ∈M

}⇒ a⊕ b� i ∈M

Also: M muss zumindest alle Elemente der Gestalt a⊕b�i (a, b ∈ R) enthalten.

”Kuhner Versuch“: Leistet vielleicht die Menge

C := {a⊕ b� i | a, b ∈ R}

schon alles Gewunschte?

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1. Wenn man R mit {a⊕ 0� i | a ∈ R} ⊆ C identifiziert, dann gilt: R ⊆ C

2. i = 0⊕ 1� i ∈ C

3. Definition von Addition und Multiplikation in C:

Sei a⊕ b� i, c⊕ d� i ∈ C⇒ a, b, c, d ∈ R ⊆ C, i ∈ C⇒ b� i, d� i ∈ CDaher kann man (a⊕ b� i)⊕ (c⊕ d� i) auffassen als Summe der 4 kom-plexen Zahlen a, b� i, c, d� i :(a⊕ b� i)⊕ (c⊕ d� i) = (a⊕ b� i)⊕ (c⊕ d� i)Da fur die zu definierende Operation ⊕ das Assoziativgesetz gelten soll= a⊕ (b� i⊕ c)⊕ d� i =wegen (Kom⊕)= a⊕ (c⊕ b� i)⊕ d� i = (Ass⊕)= (a⊕ c)⊕ (b� i⊕ d� i) = (Dist)= (a⊕ c)⊕ (b⊕ d)� i = wegen Eigenschaft 4= (a+ c)⊕ (b+ d)� iWenn also all diese Gesetze gultig bleiben sollen, dann mussen wirdefinieren:

Definition: (a⊕ b� i)⊕ (c⊕ d� i) = (a⊕ c)⊕ (b⊕ d)� i

Genauso uberlegt man sich:Definition: (a⊕b� i)�(c⊕d� i) = (a�b⊕(-1)�c�d)⊕(a�d⊕b�c)� i

Die Einschrankung von ⊕ und � auf R liefert wieder die gewohnlicheAddition und Multiplikation in R:

a+ b = (a⊕ 0� i)⊕ (b⊕ 0� i) = (a+ b)⊕ (0 + 0)� i

a� b = (a⊕ 0� i)� (b⊕ 0� i) = (a� b⊕(-1)�0� 0)⊕ (a� 0⊕ 0� b)� i

Jetzt ware nachzuweisen, dass in C bzgl. ⊕ und � tatsachlich (Ass⊕),(Kom⊕), (Ass�), (Kom�), (Dist) gilt. (Beweis: Ubung.)

Wir schreiben der Einfachheit halber ab sofort wieder + und · statt ⊕ und �.

Zusammenfassung:

Satz: 1) (C,+, ·) ist ein Korper2) (R,+, ·) ist in (C,+, ·) isomorph eingebettet, d.h.ϕ : R→ C | x→ x+ 0 · i ist ein injektiver Korperhomomorphimus(kurz: R ⊆ C)

Der Fundamentalsatz der Algebra

Durch die Erweiterung von R zu C ist jede quadratische Gleichung mit reellenKoeffizienten in C losbar.

Was passiert, wenn man auch Koeffizienten aus C zulasst? Braucht man danneine noch großer Menge? NEIN!

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Was passiert, wenn man daruber hinaus auch Gleichungen vom Grad n > 2betrachtet?

Es gilt der Fundamentalsatz der Algebra:

Jede algebraische Gleichung mit Koeffizienten ∈ C besitzt in C mindestens eineLosung.

Durch Abspalten eines Linearfaktors (x − α), wobei α eine solche Losung ist,erhalt man eine Gleichung vom Grad n − 1, darauf wendet man wieder obigenSatz an →abspalten → Gleichung vom Grad n− 2→ u.s.w.

Insgesamt: Jede algebraische Gleichung vom Grad n uber C besitzt in C genaun Losungen

anxn + an−1x

n−1 + . . . a2x2 + a1x+ a0 = 0

= an(x− α1)(x− α2) . . . (x− αn)

wobei die αi nicht alle von einander verschieden sein mussen.

(Fasst man gleiche Klammern zusammen: an(x− β1)e1 .(x− β2)e2 . . . (x− βr)ermit βi 6= βj∀i 6= J , so nennt man βi eine ei-fache Losung. Vgl. spater!)

Vom Standpunkt des Auflosens algebraischer Gleichungen mit Koeffizienten ausC ist keine weitere Erweiterung von C notig. Man sagt auch: C ist algebraischabgeschlossen.

”Existiert“ C ? Existiert i?

(Vgl. Zitat aus Robert Musils”Verwirrungen des Zogling Torless“, Seite , aus

Gotz/Reichel/Muller/Hanisch: Mathematik 7, obvhpt, Wien 2006, S. 38)

Wir betrachten die Menge

M = {(a, b) | a, b ∈ R} = R× R

und definieren:

(a, b)⊕ (c, d) = (a+ c, b+ d)

(a, b)� (c, d) = (ac− bd, ad+ bc)

Dann ist (M,⊕,�) ein Korper.

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(R,+, .) ist isomorph eingebettet durch

ϕ : R→M | a 7→ (a, 0)

Und in M ist die Gleichung x2 + 1 = 0 losbar; eine Losung ist (0,1), denn

(0, 1)2 = (0, 1)� (0, 1) = (0.0− 1.1, 0.1 + 1.0) = (−1, 0) = −1

also (0, 1)2 = (−1, 0)bzw. i2 = −1 mit i = (0, 1) ∈M

Die Existenz von i bzw. C ist also genauso”sicher“ wie die Existenz von R×R.

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2.2 Mathematischer Hintergrund

Lege R zugrunde, genauer:

1. (R,+, .) ist Korper

2. R ist vollstandig

3. (R,+, .,≤) ist ein angeordneter Korper, d.h.:

(a) (R,≤) ist eine angeordnete Menge:

- reflexiv: ∀a ∈ R : a ≤ a- antisymmetrisch: ∀a, b ∈ R:a ≤ b ∧ b ≤ a⇒ a = b

- transitiv: ∀a, b, c ∈ R :a ≤ b ∧ b ≤ c⇒ a ≤ c

(b) ≤ ist vertraglich mit + und · :(Mon +) : ∀a, b, c ∈ R : a ≤ b⇒ a+ c ≤ b+ c(Mon · pos) : ∀a, b, c,∈ R, c ≥ 0 : a ≤ b⇒ a · c ≤ b · c(Mon · neg) : ∀a, b, c ∈ R, c ≤ 0 : a ≤ b⇒ b · c ≤ a · c

4. R ist archimedisch angeordnet, d.h.:∀0 ≤ x ≤ y ∃n ∈ N : y ≤ n · x

Alternative zu 3:

Sei P ⊆ R eine Menge mitα) x, y ∈ P ⇒ x+ y ∈ P

x · y ∈ Px−1 ∈ P

β) 0 /∈ P, 1 ∈ Pγ) ∀x 6= 0 : x ∈ P ∨ −x ∈ P

Dann heißt P”positiver Kegel“ (in unserem Fall: P = R+)

Dann kann man definieren:

Definition: x < y :⇔ y − x ∈ Px ≤ y :⇔ x < y ∨ x = y

Anschließend kann man die Eigenschaften 3a, 3b, 4, beweisen.

(Beweise: Ubungsaufgabe!)

In (R,≤) gilt das Dichotomiegesetz: ∀a, b ∈ R gilt: a ≤ b ∨ b ≤ a

bzw. das Trichotomiegesetz: ∀a, b ∈ R gilt: a < b ∨ a = b ∨ a > b

Man spricht daher auch von einer”Totalordnung“.

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Beispiele fur Ordnungen, die keine Totalordnung sind:

1. (P (M),⊆)

2. M = {Zerlegung eines Intervalls [a, b]}Z1 ≺ Z2 :⇔ Menge der Teilungspunkte von Z1 ⊆ Menge der Teilungs-punkte von Z2. (

”Z2 ist feiner als Z1“)

Bemerkung: Statt der axiomatischen Festlegung der Ordnungsrelation in Rhatte man diese auch im Zuge der Zahlenbereichserweiterung - von N ausge-hend - bis R

”heraufziehen“ konnen:

in N: a ≤ b :⇔ ∃n ∈ N : a+ n = b

in Z: (a, b) ≤ (c, d) :⇔ a+ d ≤ b+ cinsb.: (a, b) heißt positiv, wenn b ≤ a

in Q: (a, b) ≤ (c, d) :⇔ ad ≤ bc

in R: je nach Zugang. (Eine saubere und vollstandige Schreibweise ist etwasmuhsam, sollte aber im Prinzip klar sein.)

In C kann man zwar auch Ordnung definieren, z.B. die”lexikographische Ordnung“:

a+ bi < c+ di :⇔ a < c odera = c ∧ b < d

Diese ist sogar eine Totalordnung auf C, aber sie ist nicht mit + und · vertraglich.Es gilt sogar: Es gibt keine Ordnungsrelation auf C, die mit + und · vertraglichist.Bew: Annahme ≺ ware eine solche Ordnungsrealtion.

Annahme 1 : 0 ≺ i | ·i (Mon · pos)0 = 0 · i ≺ i · i = −1Wid.

Annahme 2 : i ≺ 0 | ·i (Mon · neg)−1 = i · i � 0 · i = 0Wid.

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3 Funktionen

3.1 . . . in der Schule

Genetischer Zugang!

Historische Entwicklung:

impliziter Funktionsbegriff: seit Antike (Kurven, Tabellen, . . . )

expliziter Funktionsbegriff: erste Definition etwa um 1700 (Leibniz, Johann Ber-noulli)

Verbreitung durch Euler (Bernoullis Schuler):Funktion =

”analytischer Ausdruck“ (= Term, Formel)

Funktion =”im freien Zug der Hand gezeichnete Kurve“

Man unterscheidet (bis ca. Ende 19. Jht.) zwischen eindeutigen und mehrdeu-tigen Funktionen.Anfangs Definitionsmenge, Zielmenge nicht thematisiert, meist R oder ein Teil-intervall von R. Zwischen Funktion und Funktionswert wurde noch nicht un-terschieden. (Vgl. Dirichlet’scher Funktionsbegriff: Eine Veranderliche y heißtFunktion einer Veranderlichen x, wenn . . . )

Richard DEDEKIND (1911)

Definition: Unter einer Abbildung ϕ eines Systems S wird ein Gesetz verstan-den, nach welchem zu jedem bestimmten Element s von S ein bestimmtes Dinggehort, welches Bild von s heißt und mit ϕ (s) bezeichnet wird.

Heute:Definition: Unter einer Funktion f : A→ B versteht man eine Zuordnung, diejedem Element x ∈ A ein eindeutig bestimmtes Element y ∈ B zuordnet.

”Zuordnung“ = ?? Wie ist

”Zuordnung“ definiert?

S. Pierce: Zuordnung = RelationEine Relation kann beschrieben werden durch (A, B, G) mit G ⊆ A×B

. . . kann beschrieben werden durch . . . ok

ABER: Was ist eine Relation?

→ Definition: Eine Relation i s t wie ein Tripel (A, B, G) mit G ⊆ A × B.

30

3.2 Relationen

Definition: Es seien A, B beliebige Mengen, G ⊆ A × B und r=(A, B, G) eine Relation.Dann nennt man:A = Qu(r) Quelle von rB = Zi(r) Ziel von rG = Gr(r) Graph von rDe(r) = {a ∈ A | ∃b ∈ B : (a, b) ∈ G} Defintionsmenge von rBi(r) = Im(r) = {b ∈ B | ∃a ∈ A : (a, b) ∈ G} Bildmenge von r

Fur (a, b) ∈ Gr(r) schreibt man auch arb (”a steht in Relation r zu b“)

Beispiel: '

&

$

%

�uuuuuuu

-

��������

������1

-((((((((

((((((

De(r)������

Im(r)

'

&

$

%

��

��

��uuuuuuu

A B

Spezielle Relationen:

1. (A, B, G) mit G = A× B (”Allrelation“)

2. (A, B, G) mit G = Ø (”leere Relation“)

3. (A, A, G) mit G = {(a, a) | a ∈ A}(”identische Relation“)

4. A = B = {1, 2, 3}, G = {(1, 2), (1, 3), (2, 3)}(Welche Relation ist das?)

Definition: Eine Funktion ist eine Relation r: = (A, B, G) mit(i) ∀a ∈ A ∃b ∈ B : (a, b) ∈ G (

”linkstotal“)

(ii) (a, b1) ∈ G ∧ (a, b2) ∈ G⇒ b1 = b2 (”rechtseindeutig“)

Definition: r1 = (A,B,G1), r2 = (A,B,G2)r1 heißt feiner als r2 (r1 � r2), wenn G1 ⊆ G2

Beispiel: leere Rel. = feinste Rel.All-Rel. = grobste Rel.

31

Verkettung von Relationen

Definition: r1 = (A,B,G1), r2 = (C,D,G2) und B ⊆ C

r2 ◦ r1 := (A,D,G) mit

G = {(x, z) | ∃ y ∈ B : (x, y) ∈ G1 ∧ (y, z) ∈ G2}

(StattB ⊆ C wurde auch die schwachere Voraussetzung Im(r1) ⊆ C genugen.)

Satz: r1, r2 wie oben; r3 = (E,F,G3), D ⊆ E

Dann gilt:

1. r3 ◦ (r2 ◦ r1) = (r3 ◦ r2) ◦ r1

2. De(r2 ◦ r1) ⊆ De(r1)

3. Im(r2 ◦ r1) ⊆ Im(r2)

Definition: Gegeben sei die Relation r = (A,B,G). Die Relation r∗ = (B,A,G∗)heißt Umkehrrelation oder inverse Relation von r, wenn gilt:br∗a⇔ arb

Satz: r, r∗ wie oben; dann gilt:

1. r∗ ◦ r = idDe(r)

2. r ◦ r∗ = idIm(r)

3. (r2 ◦ r1)∗ = r∗1 ◦ r∗2

Bew: Ubungsaufgabe!

32

3.3 Darstellung von Funktionen

1. graphische Darstellungsformen

(a) Pfeildiagramm�

�uuu -

������

������

��1

-

�uuuu

(b) Leiterdiagramm

0 -

1 -

PPPPPPPPPPPPPq

0

(c) Funktionenmaschine (Blackbox)x �

?AA ��

?

f

f (x)

(d) (Kartes.) Graph

2. Symbolische Darstellungsformen

(a) y = 3x2 + 2 bzw. f(x) = 3x2 + 2”Funktionsgleichung“

(b) 3x2 + 2”Funktionsterm“

(c) f(a) “Funktionswert von f an der Stelle a“

(d) {(x, y) | y = f(x), x ∈ A}”Graph von f“

(e) f : x 7→ 3x2 + 2f : A→ B | x 7→ 3x2 + 2

33

3.4 Einteilung von (reellen) Funktionen

(a) nach der Definitionsmenge: insb.”reelle Funktionen“ (wenn A,B ⊆

R), Funktionen in mehreren Variablen, Funktionale, Operatoren, ...

(b) nach”Bauart“

(c) nach Eigenschaften

reelle Funktionen reelle Funktionen���

algebraische F.

��Wurzelfunktionen

rationale F.

@@indir. Prop.

Polynomf.

��

lineare F.

@@

Potenzf.

dir. Prop.

HHHtranszendente F.

��

Exponentialf.

@@

trigon. F.

��

���

stetige F. monotone F.

QQQQQ

beschrankte F.

XXXXXXXX

. . .

differenzierbare F.

3.5 Lineare Funktionen,Exponential- und Winkelfunktionen

3.5.1 Lineare Funktionen

6f(x)

��������������� f

- x

�+1

I

+1

+k

I+k

f(x+ 1) = f(x) + k

f(x+ a) = f(x) + a · k

34

f(1) = f(0) + kf(2) = f(1) + k = f(0) + 2k. . .

f(x) = f(0) + xk x ∈ Nf( 1

2 ) = f(0) + 12k

. . .

f(mn ) = f(0) + mn k

f(x) = f(0) + xk = kx+ d (eigentlich nur fur x ∈ Q!)

f(x+ a) = f(x) + ak ⇔ f(x) = kx+ d

↖ Definition?↗

Grundvorstellungen zu linearen Funktionen

Grundvorstellung 1:

lin. Wachsen/ Abnehmen bedeutet: Gleiche Zunahme der Argumente bewirktgleiche Zunahme (Abnahme) der Funktionswerte

x

������������������

x+h

f(x+ h) = f(x) +K

↗hangt nur von h ab

speziell:

f(x+ 1) = f(x) + k

⇒ f(x+ h) = f(x) + k.h

GV2: lineare Funktion besitzt die Termdarstellung f(x) = kx+ d

GV3: Graph einer linearen Funktion ist eine Gerade

GV4: f(0) = d (+ graph. Deutung)

GV5: k = Verhaltnis der Anderung der Funktionswerte zur Anderungder Argumente

(k =f(x+ h)− f(x)

h=f(b)− f(a)

b− a)

35

GV6: k = f(x+ 1)− f(x)

GV7: k = jener Faktor mit

4f(x) = k · 4x

f(x)− f(b) = k · (x− b)

GV8: k > 0⇒ f streng monoton steigendk = 0⇒ f konstantk < 0⇒ f streng monoton fallend

Spezialfall: Direkte Proportionalitat

f(x) = k · x⇔ f(a · x) = a · f(x)

f(x+ y) = f(x) + f(y)

y = k · x⇔ yx = k = konstant (

”Quotientengleichheit“)

Analog: (gehort naturlich nicht hierher!): Indirekte Proportionalitat

f(x) = cx ⇔ f(a · x) = 1

a · f(x)

y = cx ⇔ y · x = c = konstant (

”Produktgleichheit“)

36

3.5.2 Exponentialfunktionen

Beschreibe einen Prozess (z.B. organisches Wachstum), bei dem eine be-stimmte Große pro Zeiteinheit stets um den selben Faktor wachst.

A(1) = A(0) · aA(2) = A(1) · a = A(0) · a2

. . .A(n) = A(0) · an n ∈ NA( 1

2 ) =?

A( 12 ) = A(0) · q

A(1) = A( 12 ) · q

}⇒ A(1) = A(0) · q2

= A(0) · a

⇒ q2 = a⇒ q =√a = a

12

⇒ A( 12 ) = A(0) · a 1

2

. . .⇒ A(mn ) = A(0) · amn

A(x) =? (x ∈ R\Q)

Definition: ax, x ∈ R\Q, kann dadurch definiert werden, dass ax zwi-schen ar1 und ar2 mit r1 < x < r2(r1, r2 ∈ Q)

”hineinpasst“.

Damit ist A(x) = A(0) · ax fur alle x ∈ R definiert. Es gilt folgenderSatz:

A(x) = A(0) · ax ⇒ A(x+ h) = A(x) ·K(h)

(K(h) = ah;”in gleichen Zeiten gleicher Wachstumsfaktor

bzw. Abnahmefaktor“, unabhangig von x!)

Die Umkehrung dieses Satzes gilt nur unter zusatzlichen Voraussetzungenfur A (z.B. stetig, monoton, . . . ), was in der Praxis meist gegeben ist. Esgibt nun zwei Moglichkeiten, Exponentialfunktionen zu definieren.

Variante 1:

Definition: Eine Funktion f mit f(x) = c · ax heißt Exponentialfunktion.(c ∈ R, a ∈ R+, a 6= 1)

Satz: Es sei f eine Exponentialfunktion. Dann gilt:

f(x+ h) = f(x) · k

bzw.:

f(x+ h)− f(x) = f(x) · k′

37

bzw.:

f(x+ h)− f(x)

f(x)= k′

Variante 2:Definition: Eine Funktion f mit f(x + h) = f(x) · k heißt Exponential-funktion (wobei k nur von h, nicht von x abhangt)

Satz: Es sei f eine Exponentialfunktion. Unter bestimmten zusatzlichenVoraussetzungen (vgl. oben) gilt dann:

f(x) = c · ax (c ∈ R, a ∈ R+, a 6= 1)

f(x+h)−f(x)h = k ⇒ f(x+h)−f(x)

f(x) = ah − 1⇒

f(x+ h)− f(x) = k · h f(x+ h)− f(x) = f(x) · (ah − 1)

Die Anderung der Funktionswerte hangt Das bedeutet: Bei gleichem Zuwachs dernur von h, nicht aber vom Ausgangs- Argumente (um h) ist die Anderung derargument x ab. Funktionswerte stets der gleiche BruchteilMit anderen Worten: Gleicher Zuwachs (ah − 1) und damit auch der gleicheder Argumente (um h) ergibt immer Prozentsatz vom Ausganswert.gleiche Anderung der Funktionswerte(um k · h).

6

-

���������������f

f(x)

x

f(x+h)

x+h

h

k.h

f(x’)

x’

f(x’+h)k.h

h

x’+h

6

-

f

f(x)

x

f(x+h)

x+h

h

v. f(x)p %

f(x’)

x’

f(x’+h)

p % von f(x’)

h

x’+h

6

?

f(x’)

38

Grundvorstellung zur Exponentialfunktion

GV1 In gleichen Zeiten gleicher Wachstumsfaktor/AbnahmefaktorN(t+ h) = N(t) · ah

GV2 a = Wachstums-/Abnahmefaktor bei h = 1(vgl. jahrlicher Zinssatz, . . . )

GV3 a > 1 Wachstum0 < a < 1 Abnahme

∃ viele realistische Anwendungen!

⇒ daher”Verbot“ unsinnige Aufgaben wie die folgende zu behandeln

24x+1 · 52x+5 = 103x+3

= 23x+3 · 53x+3

⇒ 24x+1−3x−3 = 53x+3−2x−5

⇒ 2x−2 = 5x−2

⇒ ( 25 )x−2 = 1 ⇒ x = 2

↑?

Bzw: . . .

2x+3 = 25x−1 ⇒ x+ 3 = 5x− 1↑?

Genau die mit ? gekennzeichneten Implikationen waren interessant, wer-den aber meist nicht thematisiert. (Warum gelten sie?)

Logarithmus

2x = 16⇒ x = 42x = 20⇒ x =?

Bsp: N(t) = N0 · 0, 9tWann sind nur mehr 20% vorhanden?

0, 2 ·N0 = N0 · 0, 9t

⇒ 0, 9t = 0, 2

39

t 0, 9t

1 0,9...

10 0,34 . . .14 0,22. . .15 0,205 . . .16 0,18 . . .

15,1 0,203 . . .15,2 0,2015 . . .15,3 0,1994 . . . ⇒ t zw. 15,2 und 15,3 (naher bei 15,3) ⇒ t ≈ 15,3

Definition:ax = b⇔ x = a log b (loga b)(a ∈ R+, b ∈ R+; warum?)

3.6 Winkelfunktionen (trigonometrischeFunktionen, Kreisfunktionen)

Mogliche Zugange:

(a) rw4→ Erweiterung auf [0; 2π[ (oder besser auf ]− π, π])→Erweiterung auf R (Motiv: periodische Vorgange, z.B. Schwingungen)

(b) Gleich mit [0; 2π[bzw. ]− π, π] beginnen

Motivation: Landvermessung. Umrechnung Polarkoord. ↔ Kartes-Ko., Einheitskreis nachtraglich als Veranschaulichung und Hilfe furUmformungen

(rw4 nachtraglich als Spezialfall), danach : R(c) Definition via Einheitskreis (technisch einfach, aber Motivation?)

ad a) rw4

���������

b

ca

α�p ��

���

���

����

b’

c’a’

α�p

geg: c, α geg: c′, α (wie links)

aus Zeichnung durch Messung:

→ a, b - a′ = ac .c′

XXXz

b′ = bc .c′

Definition:

40

sinα = ac cosα = b

c tanα = ab

(cscα = ca secα = c

b cotα = ba )

Eigentlich wurde eine Funktion genugen!

(z. B.: sinα; dann: cosα = sin(π2 − α)tanα = sinα

cosα = . . .)

sin, cos : ]0◦, 90◦[→ R

”entartetes 4“ :→ sin 0◦ = 0 = cos 90◦

sin 90◦ = 1 = cos 0◦

tan : ]0◦, 90◦[→ Rentartetes 4→ tan 0◦ = 0

tan 90◦ nicht Definition!

Erweiterung auf [0◦, 360◦[Vermessung: mit bisheriger Definition moglich, aber in allen Quadrantenverschiedene Formeln fur Umrechnung von Polarkoordinaten auf Kartesi-sche Koordinaten.

1. Quadrant: a = r. cos γ[r, γ]→ (a, b) b = r. sin γ

In anderen Quadranten?sin, cos(u. tan) fur γ > 90◦ noch nicht definiert.Noch nicht! →

Definition:

@@@@@@

x1

r P x2 γ

Sei P = [r, γ] = (x1, x2)

Dann setzen wir:

sin γ = x2

r

cos γ = x1

r

tan γ = x2

x1

sin, cos : [0◦, 360◦[→ Rtan : [0◦, 360◦[\{90◦, 270◦} → R

41

(wegen TR auch ]− 180◦, 180◦] als Alternative besprechen!)

Veranschaulichung am Einheitskreis(r = 1, bei tan : x1 = 1)

Anwendung: sin γ = 0, 7→ γ =?u.s.w.

sin(−γ) = − sin γ, cos(−γ) = cos γsin γ = sin(180◦ − γ) . . . u.s.w.

Einschub: Winkelmaße

(a) Gradmaß

(b) Neugrad: in Vermessung!�p = 100g → Dezimalsystem!

Nachteil: gls M hat ) = 66, 66 . . .g��HH

(c) Bogenmaß:Motivation: dimensionslose Große!α◦ ↔ a

360◦=2π 1◦= 2π360

1= 360◦

Beachte: sin : [0◦, 360◦[→ R ist streng genommen eine andere Funktionals sin : [0; 2π[→ R!In Differentialrechnung stets Bogenmaß! (Anderenfalls hatte sin′ x die Di-mension Grad−1!)

Erweiterung auf R

Motivation: Drehbewegung (→ Schwingung)

Definition: Sei a ∈ R beliebig.sin a := sin(a± 2kπ), wobei k so, dass a± 2kπ ∈ [0; 2π[

Grundvorstellungen zu trigonometr. Funktionen

GV1 sin, cos, tan sind (vom Winkel abh.) Umrechnungsfaktoren fur rw. M

GV2 sin, cos, tan sind Umrechnunsfaktoren fur Polarkoord. ↔ Kartes. Koord.

42

GV3 sin, cos sind period. Funktionen → Beschreibung periodischer Vorgange(Schwingungen, Wellen, Drehbewegungen, . . . )

3.7”Rechnen“ mit Funktionen

Funktionen als Rechenobjekte

Beispiel (vgl. Differentialrechnung!)

f(x) = 3x2 − 5x+ 2

⇒ f = 3� p2 ⊕ (−5)� p1 ⊕ 2� p0

mit p2 : x 7→ x2

p1 : x 7→ x (p1 = id)p0 : x 7→ 1 (fur x 6= 0 gilt p0(x) = x◦ = 1)

Dabei:

Definition: f1 ⊕ f2 ist jene Funktion mitx 7→ f1(x) + f2(x)analog ,�, . . .Spezialfall bei �:f1 = c : x 7→ c

↑ ↖= Funktion! ∈ R

c� f : x 7→ c · f(x)

3.8 Eigenschaften von Funktionen

Aufgabe: Wiederholen Sie die Definitionen von (streng) monoton wach-send/abnehmend.

Definition: f : A→ B,M ⊆ Ap ∈M heißt Maximumstelle von f in M, wenn f(p) ≥ f(x) ∀x ∈M(p heißt Maximumstelle von f, wenn f(p) ≥ f(x) ∀x ∈ A)

Fragen: Warum f(p) ≥ f(x) (statt >)?Warum M?

(Max./Min. schon VOR Differentialrechnung behandeln!)

Definition: f : A→ B. Eine Stelle p in A heißt lokale Maximumstelle von f, wenn es eineUmgebung U von p (etwa ]p− ε; p+ ε[) mit U ⊆ A gibt, so dass p Maximumstelle indieser Umgebung ist.

Fragen: offene / abgeschlossene Umgebung?

43

Wo hat folgende Funktion- lok. Maximumstellen ?- lok. Minimumstellen ?

-

6

��� @

@@

����

a b

f

Unterscheide: - Maximumstelle- Maximum- Hochpunkt

stetig, differenzierbar, . . . siehe Analysis bzw. Diff.-Int. im Schulunterricht

Existenz von Umkehrfunktionenvgl. Kapitel

”Relationen“: Die Umkehrrelation einer Funktion muss keine

Funktion sein!

z.B.: f1 : R→ R | x 7→ x2 nicht umkehrbarf2 : R→ R+

0 | −“− -“-f3 : R+

0 → R | −“− -“-f4 : R+

0 → R+0 | −“− umkehrbar

Definition:f : A→ B, g : C → B mit C ⊇ AWenn gilt: g(x) = f(x) ∀x ∈ A, dann heißt f Einschrankung (Restriktion)von g auf A und umgekehrt g Fortsetzung von f (von A auf C).

Definition: f : A→ B- surjektiv, wenn ∀y ∈ B ∃x ∈ A : f(x) = y- injektiv, wenn ∀x, y ∈ A : x 6= y ⇒ f(x) 6= f(y) 1

- bijektiv = injektiv + surjektiv

1logisch, aquivalent dazu, aber technisch einfacher: f injektiv, wenn f(x) = f(y) ⇒ x = y(vgl. Logik: (A⇒ B)⇔ (¬B ⇒ ¬A) !)

44

Satz: f : A → B bijektiv ⇔ f umkehrbar (d.h. die Umkehrrelation istsogar eine Funktion =: f−1oderf∗)

Achtung: f−1 bedeutet in diesem Zusammenhang nicht 1f !

f4 : R+0 → R+

0 | x 7→ x2 bijektiv ⇒⇒ ∃Umkehrfunktionf−1

4 : R+0 → R+

0 | x 7→√x

Fortsetzung des obigen Satzes:Es gilt: (f−1 ◦ f) = idA (f ◦ f−1) = idB

Bsp: f4 : x 7→ x2 y = x2 ⇒ x =√y

6

-

y

x2

x

6

-

y

x =√y

x

6

-

x

x =√y

y

6

-

y

y =√x

x

Die Ermittlung der Umkehrfunktion ist auch schon bei linearen Funktionen moglich:y = kx+ d⇒ kx = y − d⇒ x = y

k −dk

x↔ y : y = xk −

dk

Sinn? Ggf. Nachfragefunktion:

n(x) = −p x+ p0

↗ ↖Verkaufs- Mengepreis/ME

(analog: Angebotsfunktion)

Exp. ↔ logf = exp : R→ R | x 7→ ax

zwar injektiv, aber nicht surjektiv

→ betr: f : R→ R+ | x 7→ ax

bijektiv ⇒ ∃ f−1 =: a log

f−1 ◦ f = idA ⇒ a log ax = xf ◦ f−1 = idB ⇒ a

a log x = x

45

sin, cos, . . .

sin : R→ R weder injektiv noch surjektivsin : R→ [−1; 1] surj., aber nicht injektivsin : [0; 2π[→ [−1; 1] auch sin : [0;π]→ [0; 1] nicht injektiv

→ Mehrdeutigkeiten bei stumpfwinkeligem 4 !sin : ]− π

2 ; π2 ]→ [−1; 1] bijektiv ⇒ sin−1 eindeutigcos : [0;π]→ [−1; 1] bijektiv ! ⇒ cos−1 eindeutig!

3.9 Familien

f : I →M( = bel. Menge, etwa R, aber auch C[a, b], . . .]

I = 1, . . . , n,M = R : f = n− tupel : (f(1), f(2), . . . , f(n))I = N(bzw.N∗),M = R : reelle ZahlenfolgeI = Z : DoppelfolgeI = N∗,M = C[a, b] : FunktionenfolgeI = andere Indexmenge, auch uberabzahlbar, zB.: Menge aller Zerlegungen von

[a, b]→ Integralrechnung!

Allgemein: Ist I = gerichtete Menge, dh. Menge mit einer Relation R, diereflexiv und transitiv ist und die Eigenschaft ∀x, y ∈ I∃z ∈ I : xRz∧yRzbesitzt, dann nennt man diese Familie eine

”Moore-Smith-Folge“.

3.10 Induzierte Funktionen auf Potenzmenge

Geg: f : A→ Binduziert fp : P (A)→ P (B) | X 7→ fp(X)wobei fp(X) = {b ∈ B | ∃x ∈ X ⊆ A : f(x) = b}

(Meist schreibt man f(X) statt fp(X).)Konfusionsgefahr!

Analog:f−1(Y ) = {a ∈ A | ∃y ∈ Y : f(a) = y}↑auch dann, wenn f nicht umkehrbar

46

3.11 Funktion als fundamentale Idee

J. Bruner:Der Unterricht ist in jedem Fach in erster Linie an den fundamentalen Ideender jeweiligen Fachwissenschaft auszurichten.

Fundamentale Ideen sind ein Bundel von Handlungen, Strategien, Techni-ken, die

• in der historischen Entwicklung der Mathematik aufzeigbar sind,

• tragfahig erscheinen, curriculare Entwurfe vertikal zu gliedern, dh. Ideetritt in mehreren verschiedenen Teilen der Mathematik auf → neues Ord-nungsprinzip, Vereinheitlichung verschiedener Konzepte unter einem Ge-sichtspunkt

• als Ideen zur Frage, was ist Mathematik uberhaupt, zum Sprechen uberMathematik, geeignet erscheinen,

• den mathematischen Unterricht beweglicher und zugleich durchsichtigermachen konnen.

Vereinheitlichung verschiedener mathematischer Konzepte unter ei-nem gemeinsamen Gesichtspunkt mit Hilfe des Funktionsbegriffs:

Folgen: Funktionen mit der Definitionsmenge N*

dabei Ubertragung der Konzepte”linear“,

”exponentiell“,

”(streng) monoton“,

”beschrankt“

Monotonie

6

-

M

f

Definition: f : A→ B heißt streng monoton wachsend in M ⊆ A, wenn

∀x1, x2 ∈M : x1 < x2 ⇒ f(x1) < f(x2)

Aufgabe: streng monoton abnehmend

47

Spezialfall: Monotonie von Folgen

”Def“: Eine Folge 〈an〉 heißt streng monoton wachsend, wenn∀m,n,∈ N*: m < n⇒ am < anFur Folgen ist das bekanntlich gleichbedeutend mit:∀n ∈ N*: an+1 > an

(Warum nicht in der Form auf Funktionen ubertragbar?)

Definitionsmenge = {1,2,. . . , n}: endliche Folgen, n-Tupel, Vektor

Permutationen: f : M →M, bijektiv

geometrische Abbildungen (Geraden-, Punktspiegelung, Translation, Drehung)

Betrag(sfunktion)

algebraische Operation z.B: + :(a, b) 7→ a+ bR× R 7→ R

Differentialoperator, Integraloperator: D : f 7→ f ′

I : f 7→b∫a

fdx

charakteristische Funktion → Fuzzy-Mengen u.v.a.

XA : x 7→{

1 x ∈ A0 x /∈ A

A

-

A

Losen von Gleichungen

gesucht: jene Stelle x, fur die gilt:

f(x) = 0bzw. : f(x) = cbzw. : f(x) = g(x)

48

x2 + 1 = 2x+ 4 x2 − 3 = 2x x2 − 2x− 3 = 0x-Achse wandert um Der Graph von g1 wird

”in die x-Achse gedreht“

4 Einheiten hinauf (in einem erweiterten Sinn des Wortes!)

-

6

����������������������

0

1

4

f(x

)=x

2+

1

g(x)

=2x

+4

-

-

6

����������������������

f 1(x

)=x

2−

3

g 1(x

)=

2x

0-

g2(x) = 0

3

6

f 2(x

)=x

2−

2x−

3

������������������������������

?6-1

Aquivalenz von Termen

Stellen 2 verschiedene Terme dieselbe Funktion dar?Was heißt eigentlich: Zwei Funktionen sind gleich?

Gilt:z2 − x2

z − x= z + x ?

Deutung von Rechenregeln fur Ungleichungen als Monotonieeigen-schaften bestimmter Funktionen

a) (Mon +)a < b⇒ a+ c < b+ ckann auch so interpretiert werden:Die Funktion f : x 7→ x+ c ist strengmonoton wachsend

-

6

a b

������������

0

c

a+ c < b+ c

f : x 7→ x+ c

49

b) (Mon · pos)a < bc > 0

}⇒ a · c < b · c

Interpretation: Die Funktion f : x 7→ c · x (c > 0)ist streng monoton wachsend

-

6

������������

a b<

c · a < c · b

f : x 7→ cx(c > 0)

Analog: (Mon · neg) c < 0⇒ x 7→ cxstreng monoton abnehmend -6H

HHHHHH

HHHHH

a b<

c · a < c · b

f : x 7→ cx(c < 0)

c) 0 ≤ a < b⇒ a2 < b2 (bzw. an < bn)

Interpretation:f : R+

o → R | x 7→ x2 (bzw. xn) iststreng monoton wachsend

-

6

f: x7→xn

a b<

an < bn

50

Rechenregeln und FunktionalgleichungenViele bekannte Rechengesetze konnen als Funktionalgleichungen bestimmterFunktionen gedeutet werden.

f(x) = k · x + d

k = f(x+a)−f(x)a = f(z)−f(x)

z−x = 4f4x

4f = k · 4x

f(x) = k · xf(x+ y) = f(x) + f(y) k(x+ y) = kx+ kyf(a · x) = a · f(x) k(ax) = a(kx)

bzw: f(x) = x · k ⇒ (ax)k = a(xk)

f(x) = k · 1xf(a · x) = 1

a · f(x)

f(x) = xn

f(x · y) = f(x) · f(y) (x · y)n = xn · ynf(a · x) = an · f(x) 1

x·y = 1x ·

1y

n√x · y = n

√x · n√y

f(x) = c · ax

f(x+ h) = f(x) · kf(x+ h)− f(x) = f(x) · k′f(x+h)−f(x)

f(x) = k′

f(x) = ax

f(x+ y) = f(x) · f(y) ax+y = ax · ay

f(x) =a log xf(x · y) = f(x) + f(y) a log x · y =a log x+a log y

Eine zusammenfassende Aufgabe zum Erkennen von Funktionstypen: Ordnejedem der folgenden Graphen eine der nachstehenden Termdarstellungen zu!

f1 : x 7→ c · ax; 0 < a < 1, c > 0 f4 : x 7→ c · ax; a > 1, c > 0 f7 : x 7→a log x; a > 1f2 : x 7→ c · xr; 0 < r < 1, c > 0 f5 : x 7→ xr; r > 1 f8 : x 7→ c · xr; r < 0, c > 0f3 : x 7→ k · x+ d; k < 0, d > 0 f6 : x 7→ c · ax; a > 1, c < 0 f9 : x 7→ c · xr; r > 0, c < 0

51

-

6

Fig. a

0

-

6

Fig. d

0 -

6

Fig. g

0

-

6

Fig. b

0

-

6

Fig. e

0-

6

QQQQQQQQQQQQ

Fig. h0

-

6

Fig. c

0-

6

Fig. f

0

-6

Fig. i

0

52

53

4 Ein bisschen Logik . . .

Aussagen sind sprachliche (schriftliche)”Gebilde“, von denen man eindeutig

sagen kann, ob sie wahr oder falsch sind, d.h. denen man eindeutig den Wahr-heitswert

”wahr“ (w) oder den Wahrheitswert

”falsch“ (f) zuordnen kann.

Aussagen konnen durch Bindeworter wie”und“ bzw.

”oder“ zu komplexeren

Aussagen zusammengesetzt werden.

A B A ∧ B

w w w

w f f

f w f

f f f

A B A ∨ B

w w w

w f w

f w w

f f f

Es seien A, B Aussagen. Fur”A und B“ schreibt man: A ∧ B

A∧ B ist genau dann wahr, wenn sowohl A als auch B wahr ist.

Dies lasst sich auch durch eine”Wahrheitstafel“ ausdrucken:

Fur”A oder B“ schreibt man: A ∨ B

In der Mathematik wird”oder“ im nicht ausschließenden Sinn

verwendet.

Bei genauer Betrachtung sind auch ⇒ und ⇔”Bindeworter“:

A B A ⇔ B

w w w

w f f

f w f

f f w

A B A ⇒ B

w w w

w f f

f w w

f f w

Die dritte und vierte Zeile in der Wahrheitstafel fur ⇒ mag Anfangeruberraschen. Machen Sie sich die gesamte Tabelle anhand des folgenden Satzesklar:

”Wenn Tante Amalie kommt, gibt es Rosinenkuchen.“

A ¬A

w f

f w

Schließlich ist noch die Negation (=Verneinung), d.h. dasWort

”nicht“ (in

Zeichen: ¬), von großer Bedeutung:

Noch zwei haufig verwendete Zeichen:

∀ . . .”fur alle“

∃ . . .”es gibt mindestens ein“ bzw.

”es existiert mindestens ein“

54

Beispiele: ∀x ∈ R : x2 ≥ 0 (”Allaussage“) bzw.

∃x ∈ R+ : 3 + x < 5 (”Existenzaussage“)

Schwierigkeiten bereiten oft die Negation von All- bzw. Existenzaussagen:Beispiel: Herr A sagt:

”Alle Wiener sind Raunzer.“ Herr B entgegnet:

”Das

stimmt nicht.“ Wie kann Herr B beweisen, dass er recht hat?Losung: ¬(∀x ∈W : R)⇔ (∃x ∈W : ¬R)Finden Sie selbst ein Beispiel fur eine Verneinung einer Existenzaussage undschreiben Sie die entsprechende logische Regl mit mathematischen Symbolenan!

Naive Mengenlehre

Eine Menge ist - nach Georg Cantor -”eine Zusammenfassung von bestimm-

ten, wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkenszu einem Ganzen. Die Objekte heißen Elemente der Menge“.

(Ist - streng genommen - keine Definition. Warum?)

Fur uns wird die”Mengenlehre“ nur eine

”Kurzschrift“ sein; Ihre Bedeutung

fur die Mathematik liegt vor allem darin, dass alle mathematischen Objekte(Zahlen, Funktionen, Relationen, usw. ) letztlich als Mengen aufgefasst werdenkonnen.

Einige grundlegende Bezeichnungen (Definitionen):

x ∈ A . . .”x ist ein Element der Menge A“ oder

”x liegt in A“

A ⊆ B . . .”A ist Teilmenge von B“ gilt genau dann, wenn jedes Element von

A auch Element von B ist. Kurz: A ⊆ B ⇔(x ∈ A ⇒ x ∈ B)

Zwei Mengen sind gleich, wenn jede eine Teilmenge der anderen ist:A = B ⇔ (A ⊆ B und B ⊆ A)

Dieser Satz wird vor allem zum Beweis der Gleichheit zweier Mengen verwendet.

Die leere Menge, in Zeichen � (manchmal auch {}), ist Teilmenge jeder Men-ge; dh.:

Satz: Fur alle Mengen M gilt: � ⊆ M

Satz: Es gibt genau eine leere Menge.

A ∩ B . . .”Durchschnitt(smenge)von A und B“ oder

”A geschnitten mit B“:

A ∩B = {x | x ∈ A und x ∈ B}

A ∪B . . .”Vereinigung(smenge) von A und B“ oder

”A vereinigt mit B“:

A ∪B = {x | x ∈ A oder x ∈ B}

55

A \B . . .”Differenzmenge von A und B“ oder

”A ohne B“:

A \B = {x | x ∈ A und x /∈ B}

Wenn B ⊆ A, so bezeichnet man A \B als Komplementarmenge von B in A.

A×B . . .”Produktmenge von A und B“ oder

”A kreuz B“:

A×B = {(x,y) | x ∈ A und x ∈ B}

Antinomien: Z.B.: Menge aller Mengen, die sich selbst nicht als Element ent-halten.

Antinomien werden in der naiven Mengenlehre ignoriert; diesen Problemen ver-sucht man in der axiomatischen Mengenlehre zu begegnen.

56

5 POTENZEN

(Fur eine ausfuhrlichere Darstellung siehe Kronfellner/Peschek: AngewandteMathematik 1.)

5.1 Wiederholung: Rechnen mit Potenzen mitExponenten ∈ N∗(n ≥ 2)

Definition: an = a · a · · · · · a (a ∈ R, n ∈ N∗(n ≥ 2))

Satz:

1. ak · an = ak+n (a ∈ R, k, n ∈ N∗)

2. (ak)n = ak·n (a ∈ R, k, n ∈ N∗)

3. (a · b)n = an · bn (a, b ∈ R, n ∈ N∗)

4. ak

an =

ak−n wenn k > n1 wenn k = n

1an−k

wenn k < n

(a ∈ R, a 6= 0 k, n ∈ N∗)

Aus 4. ergibt sich die Motivation zur Erweiterung der Definition:

5.2 Potenzen mit Exponenten aus Z

Definition: a1 = a (a ∈ R)a0 = 1 (a ∈ R, a 6= 0)a−n = 1

an (a ∈ R\{0}, n ∈ N∗)

(Konnte diese Definition auch anders aussehen?)

Satz (1) ak · an = ak+n (a ∈ R\{0}, k, n ∈ Z)(2) (ak)n = ak·n -“-(3) (a · b)n = an · bn (a, b ∈ R\{0}, n ∈ Z)

Weiters gilt:a−n = 1

an (a ∈ R\{0}, n ∈ Z)(Worin besteht der Unterschied zur Definition?)

Aufgabe: Berechnen Sie ak

an = ak−n (k, n ∈ N) ausschließlich mit Hilfe derobigen Definition und der Regeln (1) - (3).

57

5.3 Wurzeln

Definition: n√a = x⇔ xn = a (a ∈ R+

0 , x ∈ R+0 , n ∈ N, n ≥ 2)

(n = 1 ist nicht verboten, bringt aber nichts. Warum?)

Gilt√

4 = ±2 ?

Unterscheide:√

4 = 2↔ x2 = 4⇒ x = ±2↓x2 − 4 = 0(x− 2)(x+ 2) = 0x = 2 ∨ x = −2

analog: x2 = 5x2 − 5 = 0

(x−√

5)(x+√

5) = 0

x =√

5 ∨x = −√

5

aber:√

5 = 2, 23 · · · ∈ R+0 !!

Rechenregeln fur Wurzeln

n√ak = ( n

√a)k (a ∈ R+, n ∈ N∗, k ∈ Z)

n√a · n√b = n√a.b (a, b ∈ R+

0 , n ∈ N∗)k√

n√a = k·n

√a (a ∈ R+

0 , k, n ∈ N∗)

5.4 Potenzen mit rationalen Exponenten

3√a12 = a4 = a

123

3√a11 =?

n√ak =

{akn wenn n | k

(noch) nicht definiert., wenn n 6 | k↙↙

Definition: Sei a ∈ R+, k ∈ Z und n ∈ N∗. Dann setzt man: akn =

n√ak

Ist dieser Begriff”wohldefiniert“? D.h. enthalt er keinen Widerspruch in sich ?

z.B.: 32 = 6

4 , aber gilt: a32 = a

64 ? (d.h.

2√a3 =

4√a6 ?)

zu zeigen: kn = k′

n′ ⇒ akn = a

k′n′

58

Beweis:

??AC

HT

UN

G!

Das

ist

kei

nB

ewei

s

nu

rd

ie”Id

een

fin

du

ng“

n√ak =

n′√ak′

(n√ak)n·n

′= (

n′√ak′)n·n

[(n√ak)n]n

′= [(

n′√ak′)n

′]n

[ak]n′

= [ak′]n

ak·n′

= ak′·n

k · n′ = k′ · n

kn = k′

n′

66nach

oben

!D

erB

eweis

verlauft

vonu

nten

Satz:

1. ak · an = ak+n (a ∈ R+, k, n ∈ Q)

2. (ak)n = ak·n (a ∈ R+, k, n ∈ Q)

3. (a · b)n = an · bn (a, b ∈ R+, k, n ∈ Q)

Beweis: Ubungen!

5.5 Potenzen mit Exponenten aus RIn den vorangegangenen Abschnitten dieses Kapitels haben wir den Begriff derPotenz mit naturlichem Exponenten zuerst auf Potenzen mit ganzzahligen, dannauf Potenzen mit rationalen Hochzahlen erweitert. Es fehlt also nur noch derFall der Potenzen mit irrationalen Exponenten.

Fur welche Zahl x gilt 3x = 5?

Wir probieren mit Intervallschachtelung:

x = 1 : 31 = 3x = 2 : 32 = 9

}⇒ x ∈ [1; 2]

x = 1, 5 : 31,5 = 332 =√

33 = 5, 196 · · ·x = 1, 4 : 31,4 = 3

75 =

5√

37 = 4, 655 · · ·

}⇒ x ∈ [1, 4; 1, 5]

Als einen ersten Naherungswert fur x erhalten wir also: x ≈ 1, 5

Aufgabe: Berechne die Zahl x, fur die 3x = 5 gilt, mittels Intervallschach-telung auf zwei Nachkommastellen!

? Gibt es eine Zahl x, fur die 3x = 5 exakt gilt?Wir haben bisher nur Potenzen mit rationalen Exponenten betrachtet. Kanndie gesuchte Hochzahl - falls sie existiert - uberhaupt rational sein?

59

Wir nehmen an, es gabe eine rationale Zahl x = kn mit 3r = 3

kn = 5 (k, n ∈ N∗).

Dann ware aber 3k = 5n, also

3 · 3 · 3 · 3 · · · 3︸ ︷︷ ︸k mal

= 5 · 5 · 5 · 5 · · · 5︸ ︷︷ ︸n mal

D.h., die rechtsstehende Zahl musste durch 3 teilbar sein (bzw. die linksstehen-de durch 5); das ist aber nicht moglich. Wenn es also eine Zahl x mit 3x = 5gibt, so muss sie irrational sein.Bevor wir weitere Uberlegungen durchfuhren konnen, mussen wir einmal Poten-zen mit irrationalen Exponenten definieren.

? Was bedeutet etwa 10√

2 ?Wir versuchen, den Wert 10

√2 durch Intervallschachtelung einzugrenzen:√

2 ∈ [1, 2]⇒ 1 ≤√

2 ≤ 2⇒ 101 ≤ 10√

2 ≤ 102 ⇒ 10√

2 ∈ [10; 100]√2 ∈ [1, 4; 1, 5]⇒ 1, 4 ≤

√2 ≤ 1, 5⇒ 101,4 ≤ 10

√2 ≤ 101,5 ⇒ 10

√2 ∈ [25; 32]√

2 ∈ [1, 41; 1, 42]⇒ 101,41 ≤ 10√

2 ≤ 101,42 ⇒ 10√

2 ∈ [25, 7; 26, 3]√2 ∈ [1, 4142; 1, 4143]⇒ 10

√2 ∈ [101,414; 101,415 ≈ [25, 94; 26, 01]√

2 ∈ [1, 4142; 1, 4143]⇒ 10√

2 ∈ [101,4142; 101,4143] ≈ [25, 95; 25, 96]

Es liegt nun nahe, 10√

2 als jene Zahl zu definieren, die in allen (unendlichvielen) ineinandergeschachtelten Intervallen liegt.

Wir uberlegen nun allgemein: Jede reelle Zahl und insbesondere jede irratio-nale Zahl x kann durch eine Intervallschachtelung

[r1; s1] ⊇ [r2; s2] ⊇ [r3; s3] ⊇ · · · ⊇ [rn; sn] ⊇ · · ·

festgelegt werden, wobei die Intervallendpunkte rn und sn rationale Zahlen sind.(Eine solche Interballschachtelung kann man erhalten, wenn man von der Dezi-maldarstellung von x ausgeht, wie zuvor im Falle von

√2.)

Man bildet nun alle Intervalle [arn ; asn ], falls a > 1, bzw. [asn ; arn ], falls 0 < a <1 ist. Man kann zeigen, dass diese Intervalle eine Intervallschachtelung bilden,d.h., jedes Intervall enthalt das folgende als Teilmenge, und die Intervalle

”zie-

hen sich auf einen Punkt zusammen“. Diesen Punkt bzw. dies Zahl bezeichnetman mit ax. Dadurch ist ax fur jede reelle Zahl x definiert.(Die Tatsache, dass jede Folge ineinandergeschachtelter abgeschlossener Inter-valle, deren Langen gegen Null streben, genau eine gemeinsame Zahl enthalt,bezeichnet man auch als

”Vollstandigkeit der reellen Zahlen“.)

? Ist diese Definition von ax eindeutig?

Man kann zu einer Zahl x verschiedene Intervallschachtelungen angeben, diex als innersten Punkt haben. Liefern diese alle dasselbe Ergebnis fur ax? Diesist tatsachlich der Fall, allerdings ist der Beweis etwas kompliziert, sodass wirdarauf verzichten.

Wir haben damit den Begriff der Potenz auf reelle Exponenten erweitert. Auch

60

fur diesen Potenzgegriff gelten wieder die schon vertrauten Rechenregeln:

Satz: Es seien a, b ∈ R+. Dann gilt fur alle x, y ∈ R:(0)a−x = 1

ax (1)ax · ay = ax+y (2)(ax)y = ax·y (3)(a · b)x = axbx

Diese Beweise sind etwas kompliziert, sodass wir darauf verzichten.

Leichter hingegen ist es, darauf aufbauend weitere, fur irrationale Exponen-ten langst vertraute Regeln abzuleiten.

Aufgabe: Zeige, dass fur alle a, b ∈ R+ und fur alle x, y ∈ R gilt:

a) ax

ay = ax−y b) (ab )x = ax

bx c) ( 1a )x = 1

ax

Potenzen: bottom up und top down

Wir haben die Definition von an schrittweise erweitert:

n ∈ N, n ≥ 2;n = 1n = 0n ∈ Z−n ∈ Qn ∈ R \Q (

”bottom up“)

Danach kann man Exponentialfunktionen definieren:x 7→ ax; speziell: x 7→ ex

Diese Funktionen sind bijektive Funktionen R→ R+; daher ∃ die Umkehrfunk-tionen

x 7→ loga x bzw. x 7→ loge x =: ln xRegel: loga x

b = b · loga xWeiters kann man von einer Basis auf eine andere umrechnen, insb.:

ax = ex·lna

Man kann aber bei der Definition von Potenzen auch”top down“ vorgehen:

Sobald an fur n ∈ N definiert ist, kann man uber die Definition

ex :=

∞∑k=0

xk

k!

definieren: ax := ex·lna

(Davor muss naturlich gezeigt werden: x 7→ ex ist eine bijektive FunktionR→ R+, ⇒ umkehrbar ⇒ ∃ Umkehrfunktion =: ln)

Ausgehend von der Definition ax := ex·lna kann man nun (naturlich) alle be-kannten Rechenregeln fur Potenzen ableiten (→ Ubungsaufgabe!)

61

Komplexe Exponentialfunktion

Definition: z ∈ C, ez =∞∑k=0

zk

k!

Diese komplexe Exponentialfunktion hat folgende Eigenschaften:

Satz: ez+w = ez · ewez = ex+iy = ex · eiy = ex · (cos y + i sin y)(insb. e2πi = 1!ez+w = ez ⇔ ∃k ∈ Z mit w = k · 2πi(insb. ez = 1⇔ ∃k ∈ Z mit z = k · 2πi)

(Aus der vorletzten Zeile folgt insbesondere, dass diese Exponentialfunktion kei-ne injektive Funktion C→ C ist!)

Verbluffendes”Ergbnis“:

Sei z beliebig ∈ C. ez = (e2πi)·z

2πi = 1z

2πi = 1∀z ∈ C!!

Erklarung: Es gelten zwar viele Regeln analog wie in R,aber eben nicht:ex·y = (ex)y fur beliebige x, y ∈ C→ Saubere Losung: fur die komplexe Exponentialfunktion ein eigenes Symbol

verwenden:

exp(z) :=

∞∑k=0

zk

k!

und die Bezeichnung ez nur fur z ∈ R verwenden, um nicht”versehentlich“ Re-

geln von R auf C zu ubertragen.

62

6 (Algebraische) Gleichungen

6.1 Quadratische Gleichungen (uber R)

6.1.1 Reinquadratische Gleichungen, Wurzeln

(Vgl. voriges Kapitel!)

x2 = 4 ⇒ x =?? x = 2? x = ±2?↘↘

x =√

4√

4 = 2?√

4 = ±2?

Definition: Es sei a ∈ R+0 . Unter

√a versteht man jene nichtnegative Zahl x,

fur die gilt: x2 = a

Also:√

4 = 2 (seit rund 100 Jahren)Fruher:

√4 = ±2

Beachte:√

4 = 2, aber x2 = 4⇒ x = 2 ∨ x = −2Denn: x2 = 4⇔ x2 − 4 = 0⇔ (x− 2) · (x+ 2) = 0

⇔ x− 2 = 0 ∨ x+ 2 = 0⇔ x = 2 ∨ x = −2↗

”Produkt-Null-Satz“: a · b = 0⇔ a = 0 ∨ b = 0

Rechenregeln:

√a2 = | a | (a ∈ R)

√a · b =

√a ·√b (a, b ∈ R+

0 )

√ak = (

√a)k (a ∈ R+

0 , k ∈ Z)

Beweis: Ubung!

6.1.2 Quadratische Gleichungen (uber R)

Quadratische Gleichungen wurden bereits in der Antike gelost. Die erste syste-matische Untersuchung dieser Gleichung wurde von AL-KHWARIZMI (780? -850?) in dem Buch

”al-jabr wa’l muqabalah“ durchgefuhrt. (Auf diesn Buchtitel

geht die Bezeichnung”Algebra“ zuruck.) AL-KHWARIZMI behandelt in diesem

Buch unter anderem auch die Aufgabe:

63

?

6

?

6

� -� -

x2

5x

5.x

5.x

x 5

Fig. 6.3a

”Welches Quadrat gibt zusammen mit zehnseiner Wurzeln eine Summe von 39?“

Wir wurden heute dafur x2 + 10x = 39 schreiben.AL-KHWARIZMI hat die linke Seite dieser Gleichung durchein Quadrat und zwei Rechtecke veranschaulicht (Fig. 6.3a).Diese Figur hat er dann durch Hinzufugen eines Quadratsmit der Seitenlange 5 zu einem Quadrat erganzt (Fig. 6.3b).

?

6

?

6

� -� -

5x

25

x 5

Fig. 6.3b

Als Gleichung wurden wir heute schreiben:

x2 + 10x+ 25 = 39 + 25

(Erganzung auf ein vollstandiges Quadrat)

Das vervollstandigte Quadrat ergibt 64, die Seitenlange ist daher 8.Diese Seitenlange ist andererseits aber auch x+ 5 (vgl. Fig. 6.3b).Somit gilt

x+ 5 = 8bzw. x = 3

Durch diese geometrische Argumentation blieb die zweite,hier negative Losung x = −13 unbeachtet.Negative Zahlen wurden ja uberhaupt lange Zeitnicht als Zahlen akzeptiert.Dies machte - aus heutiger Sicht - viele Uberlegungenrecht kompliziert. So musste AL-KHWARIZMI etwa dieGleichungen

ax2 + bx = cax2 + c = bxax2 = bx+ c

getrennt untersuchen und gelangte dabei auch zu unterschiedlichen Losungsver-fahren. Wir werden im folgenden versuchen, ein Losungsverfahren (eine Formel)zu entwickeln, das auf beliebige quadratische Gleichungen angewendet werdenkann.

Allgemeine Losung, Losungsfalle

Aufgabe: Lose die quadratische Gleichung x2 + px + q = 0 (p, q ∈ R) allge-mein!

Losung: Wie bei konkreten Werten fur p und q fuhren wir hier die entspre-chenden Aquivalenzumformungen fur den allgemeinen Fall durch:

64

x2 + px+ q = 0 ⇔ x2 + px = −q ⇔⇔ x2 + px+ (p2 )2 = (p2 )2 − q ⇔⇔ (x+ p

2 )2 = (p2 )2 − q ⇔⇔ | x+ p

2 |=√

(p2 )2 − q ⇔⇔ x+ p

2 =√

(p2 )2 − q ∨ −x+ p2 =

√(p2 )2 − q ⇔

⇔ x = −p2 +√

(p2 )2 − q ∨ x = −p2 −√

(p2 )2 − q

kurz:x = −p2 ±

√(p2 )2 − q

Dabei sind folgende Falle zu unterscheiden:

Fall 1: (p2 )2 − q > 0 Die quadratische Gleichung hat zwei reelle Losungen.

Fall 2: (p2 )2 − q = 0 Die quadratische Gleichung hat genau eine reelle Losung.

Fall 3: (p2 )2 − q < 0 Die Wurzel aus einer negativen Zahl ist (in den reellen Zahlen)nicht definiert, strenggenommen hatten wir also

| x+ p2 |=

√(p2 )2 − q fur (p2 )2 − q < 0

gar nicht anschreiben durfen! Die quadratische Gleichung hat

keine reelle Losung.

Satz: Die Gleichung x2 + px+ q = 0 mit p, q ∈ R hat

1. zwei reelle Losungen x = - p2 ±

√(p2 )2 − q, wenn (p2 )2 − q > 0

2. eine reelle Losung x = - p2 , wenn (p2 )2 − q = 0

3. keine reelle Zahl als Losung, wenn (p2 )2 − q < 0

Die Zahl D = (p2 )2−q nennt man Diskriminante der Gleichung x2+px+q = 0.

Bemerkung: Die obige Formel gilt - wie wir spater sehen werden - auch, wenn(p2 )2 − q < 0, nur sind dann diese Losungen keine reellen Zahlen.

Aufgabe: Ermittle die Losung(en) folgender Gleichung:

a) x2 − 3x+ 4 = 0 b) x2 = 6x− 9

Losung:

a) x2 − 3x+ 4 = 0⇔ x = 32 ±

√94 − 4

Da 94 − 4 negativ ist, hatten wir hier die Losungsformel gar nicht verwenden

durfen, da die Wurzel aus einer negativen Zahl nicht definiert ist. Es gibt also

65

kein x ∈ R, das die Gleichung x2 − 3x+ 4 = 0 erfullt.

b) x2 = 6x− 9⇔ x2 − 6x+ 9 = 0⇔ x = 3±√

9− 9⇔ x = 3

Einfacherer Losungsweg:

x2 − 6x+ 9 = 0⇔ (x− 3)2 = 0⇔ x = 3

Aufgabe: Lose folgende Gleichung:

a) (x− 5) · (x− 1) = 0 b) (x+ 7) · (x+ 4) = 0 c) (x− 23 )(x+ 1

2 ) = 0

Man sieht: Ist eine quadratische Gleichung in der Form (x− α1) · (x− α2) = 0gegeben, so lassen sich die Losungen dieser Gleichung unmittelbar ablesen:x = α1 ∨ x = α2

Die Aufgaben zeigen: Hat eine quadratische Gleichung x2 + px + q = 0 dieLosungen α1 und α2 so ist auch (x−α1) · (x−α2) = 0 eine Gleichung mit den-selben Losungen. Daraus kann x2 +px+q = (x−α1) ·(x−α2) vermutet werden.

Satz von VIETA: Hat die quadratische Gleichung x2 + px + q = 0 dieLosungen α1 und α2, so gilt fur alle x ∈ R:

x2 + px + q = (x− α1) · (x− α2)

Dabei ist α1 + α2 = −p und α1 · α2 = q.

Hat die quadratische Gleichung x2 + px + q = 0 genau eine Losung α,so gilt α1 = α2 = α, und es ist 2α = −p und α2 = q.

Der Beweis folgt als Spezialfall aus dem Identitatssatz fur Polynome; vgl. Kap.6.2.3.1.

Aufgabe: Versuchen Sie, die Losung der Gleichung x2 − 5x + 6 = 0 unterAnwendung des Satzes von VIETA (ohne Verwendug der Losungsformel furquadratische Gleichungen) zu finden!

Losung: Die Summe α1 + α2 der gesuchten Zahlen muss −p, also 5, sein, ihrProdukt α1 · α2 muss q sein, in diesem Beispiel also 6. Dies gilt genau fur dieZahlen 2 und 3, denn 2 + 3 = 5 und 2 · 3 = 6. Das heißt: x = 2 ∨ x = 3

Probe: Einsetzen! Stimmt!

66

Aufgabe: Zerlegen Sie den Ausdruck x2 − 4x+ 1 in ein Produkt der Form(x− a) · (x− b) mit a, b ∈ R!

Losung: Es gibt keine ganzen Zahlen a, b, fur die gilt: a+b = 4 und a·b = 1; wirmussen also versuchen, uber die Losungsformel zu den gesuchten Zahlenwertenzu kommen:

x2 − 4x+ 1 = 0⇔ x = 2±√

4− 1⇔ x = 2±√

3

Wie man leicht nachrechnet ist (2+√

3)+(2−√

3) = 4 und (2+√

3)·(2−√

3) = 1.Somit gilt: x2 − 4x+ 1 = (x− 2−

√3)(x− 2 +

√3)

Aufgabe: Zerlegen Sie den folgenden Ausdruck in ein Produkt der Form c ·(x− a) · (x− b) mit a, b ∈ R!a) 2x2 − 5x+ 2 b) −x2 + 6x+ 55 c) −4x2 + 4x+ 3

6.1.3 Quadratische Gleichungen (uber C)

6.1.3.1. Komplexe Zahlen (WH)

(Fur eine ausfuhrlichere Darstellung siehe Skriptum”Komplexe Zahlen“.)

x2 + 4x+ 5 = 0 x = −2±√

4− 5 = −2±√−1 /∈ R

Die”Probe“ zeigt: Mit

√−1“ kann man sinnvoll rechnen!

→ Motivation zur Erweiterung von R :

Gesucht: Menge M mit folgenden Eigenschaften:

1. M ⊇ R

2. ∃i ∈M : i2 = −1

3. In M soll eine Addition und Multiplikation definiert sein, deren Ein-schrankung auf R mit der ublichen Add. bzw. Mult. in R ubereinstimmt

4. In M sollen die”ublichen“ Rechengesetze gelten, d.h. (M, +, .) soll ein

Korper sein

∃M? Woraus besteht M, falls ∃?

b ∈ R⇒ b ∈Mi ∈M

}⇒ b · i ∈M

a ∈ R⇒ a ∈M

⇒ a+ b · i ∈M

{a + bi | a, b ∈ R} = : C (Menge der komplexen Zahlen) erfullt bereits 1.- 4.,wenn man Addition und Multiplikation auf folgende Weise definiert:

67

(a+ bi) + (c+ di) = (a+ c) + (b+ d)i

(a+ bi) · (c+ di) = (ac− bd) + (ad+ bc)i

∃ C ?

Jeder komplexen Zahl a+ bi ist umkehrbar eindeutig das Zahlenpaar (a, b) zu-geordnet.

Aufgabe: a) Formulieren Sie sebst die Definitionen der Addition bzw. der Mul-tiplikation komplexer Zahlen in der Paarschreibweise.

b) Zeigen Sie, dass C = {(a, b) | a, b ∈ R} mit den so definierten Rechenopera-tionen einen Korper bildet.

c) Begrunden Sie, dass auch die obigen Forderungen 1. - 3. erfullt sind.

Somit ist die Existenz von C genau so”sicher“ wie die Existenz von Zahlenpaa-

ren.

Darstellung komplexer Zahlen

a+ bi↔ (a, b) bzw. (ab ) · · · darstellbar als Punkt bzw. Vektor in einem kartesi-schen Koordinatensystem: Gauß’sche ZahlenebeneUmrechnung zwischen kartesischen Koordinaten und Polarkoordinaten:

-

6

@@@@b �a

rb

ϕ (a, b) ↔ [r, ϕ]

(6= 0, 0) (nur eindeutig wenn r > 0)

a = r · cosϕ

b = r · sinϕ

a+ bi = r · (cosϕ+ i sinϕ)

r =√a2 + b2

ϕ =

arctan ba wenn a > 0

arctan ba + π wenn a < 0

Was gilt fur a = 0?

68

Aufgabe: Versuchen Sie Formeln fur ϕ mit Hilfe von arccos bzw. arcsin anzu-geben!

Rechnen mit komplexen Zahlen in Polardarstellung:

[r, ϕ] · [s, ψ] = [r ·s, ϕ+ψ−k ·2π] (k = 0, 1 derart, dass ϕ+ψ−k ·2π ∈ [0; 2π[)

Aufgabe: Beweisen Sie diese Formel (Vgl. Skriptum”Komplexe Zahlen“!)

Folgerungen:

1) [r, ϕ]n = [rn, n · ϕ− k · 2π](k = 0, 1, · · · , n− 1 derart, dass nϕ− k · 2π ∈ [0, 2π[)

2) (cosϕ+ i · sinϕ)n = (cosnϕ+ i · sinnϕ) (n ∈ N∗) Moivre’sche Formel

Aufgabe: Beweisen Sie diese Formeln!

6.1.3.2 Reinquadratische Gleichungen uber C; Erweiterung des Wur-zelbegriffs

x2 = −4 x2 + 4︸ ︷︷ ︸ = 0

uber R nicht zerlegbaruber C : (x+ 2i) · (x− 2i) = 0⇔ x+ 2i = 0 ∨ x− 2i = 0x = −2i ∨ x = 2i

Kann man schreiben:√−4 = 2i ? Noch nicht!

Definition: Sei a ∈ R+. Wir definieren:√−a := i ·

√a

bzw. fur b ∈ R− :√b := i ·

√−b = i ·

√| b |

Insbesondere konnen wir jetzt schreiben: i =√−1

Beispiel: x2 = −5⇔ x2 + 5 = 0⇔ x2 − (−5) = x2 − (√−5)2

⇔ (x+ i√

5) · (x− i√

5) = 0⇔ x+ i

√5 = 0 ∨ x− i

√5 = 0⇔ x = −i

√5 ∨ x = i

√5

Wir wissen (vgl. Kapitel 1.3): Satz: n√a · n√b = n√a · b (a, b ∈ R+

0 , n ∈ N∗)

Man kann nun obigen Satz verallgemeinern (zumindest fur n = 2):Satz: Seien a ∈ R+

0 und b ∈ R−. Dann gilt:

√a · b =

√a ·√b

69

Beweis: Da a · b < 0, gilt nach obiger Definition:

√a · b = i

√| a · b | = i ·

√| a | · | b | = i ·

√a ·√| b | =

√a · (i ·

√| b |) =

√a ·√b

Dass diese Verallgemeinderung nicht selbstverstandlich ist, erkennt man am fol-genden

”Beispiel“:

−1 = i2 = i · i =√−1 ·√−1 =

√(−1) · (−1) =

√1 = 1 !?

Erklarung: Der obige Satz gilt nicht mehr, wenn sowohl a als auch b negativsind!Allgemein: Man kann zeigen, dass es eine Funktion f : C→ C mit (f(z))2 = z

mit f(z1 · z2) = f(z1) · f(z2) nicht geben kann!

Beweis indirekt:f(1) = f(1 · 1) = f(1) · f(1) = (f(1))2 = 1Andererseits:f(1) = f((−1) · (−1)) = f(−1) · f(−1) = (f(−1))2 = −1 Widerspruch

6.1.3.3. Quadratische Gleichungen uber C mit reellen Koeffizienten

x2 + x+ 2 = 0 x = − 12 ±

√14 − 2 =

= − 12 ±

√− 7

4

= − 12 ± i

√74

Darf die Losungsformel hier schon angewendet werden? Man kann zeigen, dasssie auch im Falle einer negativen Diskriminante gilt. Beweis: Ubung! (Rekapitu-lieren Sie den Beweis aus 6.1.2. und begrunden Sie, dass dieser auch fur D < 0gultig ist!)

6.1.3.4. Quadratische Gleichungen mit Koeffizineten aus C

x2 = 4i = [4; π2 ]x = [r, ϕ]⇒ x2 = [r2, 2ϕ] ∨ [r2, 2ϕ− 2π]r2 = 4⇒ r = 2 2ϕ = π

2 ⇒ ϕ = π4

2ϕ− 2π = π2 ⇒ ϕ = 5π

4⇒ x = [2, π4 ] ∨ x = [2, 5π

4 ]∨ ⇒ x = 2(cos(π4 ) + i · sin(π4 )) = · · ·bzw. ⇒ x = 2(cos( 5π

4 ) + i · sin( 5π4 )) = · · ·

2. Methode: Sei x2 = −5− 12iAnsatz: x = a+ bi⇒ x2 = a2 + 2abi− b2 = −5− 12i⇒ a2 − b2 = −5 ∧ 2ab = −12⇒ b = −6

a ⇒ a2 −(−6a

)2= −5

⇒ · · · a2 = − 52 ±√· · ·

−√· · · kommt nicht in Frage (warum?) b = · · ·

70

Allgemein:

ax2 + bx+ c = 0, a, b, c ∈ C(a 6= 0⇒)x2 + px+ q = 0, p, q ∈ Cx2 + px+ (p2 )2 = −q + (p2 )2

(x+p

2)2︸ ︷︷ ︸

y2

= (p

2)2 − q︸ ︷︷ ︸∈C

Nach den zuvor behandelten Methoden losbar.∃ Losungsformel? (wie im Reellen?)

** Fortsetzung nach EINSCHUB

EINSCHUB: Ist (p2 )2 − q ∈ R−, also: (p2 )2 − q = −a (a ∈ R+), so konnenwir mit Hilfe der Definition aus 6.1.3.2. schreiben:

(x+p

2)2 = −a⇒

⇒ x+p

2= i√a ∨ x+

p

2= −i

√a

Fur (p2 )2 − q ∈ C\R ist eine solche Formel erst moglich, wenn wir die Defi-nition der Wurzel auch auf komplexe Radikanden erweitern:

Definition: Sei a ∈ C. Unter√a versteht man eine der (beiden) Zahlen z

mit z2 = a

Bemerkung: Dieser Wurzelbegriff ist also im Gegensatz zu den fruheren Defi-nitionen fur a ∈ R+

0 und a ∈ R− nicht mehr eindeutig!

Zum Vergleich der Definitionen bezeichnen wir vorubergehend die Wurzelbe-griffe aus 6.1.1 (a ∈ R+

0 ) und 6.1.3.2 (a ∈ R−) mit R√a, den obigen (fur a ∈ C)

mit C√a. Da jede Zahl a ∈ R auch eine komplexe Zahl ist, ist C

√a auch auf reelle

Radikanden anwendbar:es gilt: C

√4 = ±2, aber R

√4 = 2

↗+2 nennt man dann den Hauptwert von C

√4

Aufgabe: Wie liegen der Hauptwert und der 2. Wurzelwert in der Gauß’schenZahlenebene? (Fur beliebige komplexe Radikanden!)

——–ENDE EINSCHUB

71

Wir setzten fort bei **

(x+ p2 )2 = (p2 )2 − q ∈ C

⇒ x+ p2 = C

√(p2 )2 − q (= 2 Werte!)

⇓⇒ x = −p2 + C

√(p2 )2 − q (=2 Losungen)

Bezeichnet man einen der beiden Werte von C√

(p2 )2 − q mit z1, den anderen mitz2, so gilt: z2 = −z1. Daher konnen wir auch schreiben:

x = −p2±√

(p

2)2 − q

und brauchen fur C√∼ nur einen Wert einzusetzten; der andere ergibt sich dann

aus dem”±“.

Entsprechend der in der Mathematik ublichen Schreibweise werden wir kunftigdie Zusatze

”R“,

”C“ bei

√weglassen. Die Unterscheidung der beiden Wurzel-

begriffe (hinsichtlich der Eindeutigkeit) bleibt aber aufrecht, je nachdem, ob derRadikand ∈ R oder ∈ C ist.

6.1.4 Quadratische Gleichungen (uber R) und quadratische Funktio-nen

6.1.4.1. Losungen / Nullstellen

Losungen von sind Nullstellen vonx2 − 6x− 7 = 0 f1(x) = x2 − 6x− 7x2 − 6x+ 9 = 0 · · · f2(x) = x2 − 6x+ 9

x1 = x2 = 3 f2(3) = 0x2 − 6x+ 12 = 0 f3(x) = x2 − 6x+ 12hat keine Losung in R hat keine Nullstellen (in R)

-20

-15

-10

-5

5

10

15

y

f3

f2

f1

-4 -2 2 3 4 6 8 10

x

72

6.1.4.2. Zerlegung in Grundparabel und Gerade

x2 + x− 6︸ ︷︷ ︸=f(x)

= 0

x2︸︷︷︸=h(x)

= −x+ 6︸ ︷︷ ︸g(x)

Nullstellen von f sind die Schnittstellen der Graphen von g und h.

f h

g

-15

-10

-5

5

10

15

20y

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX-6 -4 -2 2 4 6 8

x

6.1.4.3. Scheitelbestimmungen

Die Hohe eines nach oben geworfener Korpers mit der Anfangsgeschwindigkeitv0 = 30m/s) ist gegeben durch:

h(t) = v0 · t− g2 t

2 g ≈ 10m/s2

h(t) = 30t− 5t2 (t ∈ [0; 6])

Wann erreicht der Korper die großte Hohe?

h(t) = −5t2 + 30t = −5 · (t2 − 6t) == −5 · (t2 − 6t+ 9− 9) == −5 · (t2 − 6t+ 9) + 45 == −5 · (t− 3)2︸ ︷︷ ︸

≥0︸ ︷︷ ︸≤0

+45

︸ ︷︷ ︸≤45

h(t) ≤ 45; h(t) = 45 ⇔ (t− 3)2 = 0⇔ t = 3

73

6.1.4.4. Koordinatentransformation(oder: Sehen alle Funktionen x 7→ x2 + px+ q gleich aus?)

f(x) = x2 g(x) = x2 − 4x+ 3

Graph von f : Graph von g :

Gf = {(x, y) | y = x2} Gg = {(x, y) | y = x2 − 4x+ 3}= {(x, y) | y = x2 − 4x+ 4− 1}= {(x, y) | y + 1 = x2 − 4x+ 4}= {(x, y) | y + 1︸ ︷︷ ︸

=y

= (| x− 2︸ ︷︷ ︸x

|)2}

{x = x− 2y = y + 1

⇔{x = x+ 2y = y − 1

Der Graph von g hat im x-y-Koordinatensystem die Gleichung y = x2− 4x+ 3und im x-y-System die Gleichung y = x2.Gg entsteht aus Gf durch Verschiebung jedes Punktes um (2

−1) oder durch

Verschiebung der Koordinatenachsen um (−21 ).

-2 -1 1 2 3 4 5

x

?

-q q

q -

?q

-2

-1

1

2

3

4

5y

f g

p = (xy)↘ 2

-1 p = (xy)

p = p + (2−1)

(xy) = (xy) + (2−1)

-2 -1 1 2 3 4 5

x

6y

-x

-2

-1

1

2

3

4

5y

g: y = x2

g: y = x2 − 4x + 3

74

6.2 Gleichungen vom GRAD ≥ 3

6.2.1 n-te Wurzeln uber R

-

6

-2 -1

1 2

s

s

-8

1

8x 7→ x4

x 7→ x3

x3 = 8 ⇒ x = 2x3 = −8 ⇒ x = −2x4 = 16 ⇒ x = 2x4 = −16: keine Losung in R

allgemein:

x2k = a nur fur a ∈ R+0

losbar in R

x2k+1 = a fur alle a ∈ Rlosbar in R

Definition: Sei a ≥ 0. Unter n√a versteht man jene Zahl x ≥ 0 mit xn = a.

Kurz: n√a = x⇔ xn = a (a, x ∈ R+

0 )

Folgerung: 3√

8 = 2, 3√−8 ist nicht definiert!

(Eine allgemeinere Definition, so dass 3√−8 = −2 ware, ware moglich, aber

nur durch Fallunterscheidungen n gerade/n ungerade; auch bei allen folgendenSatzen und Beweisen!)

außerdem:−2 = 3

√−8 = (−8)

13 = (−8)

26 = ((−8)2)

16 = 64

16 = 6√

64 = 2

⇒ Wurde man 3√−8 = −2 zulassen, dann musste man entweder die Potenz-

schreibweise”verbieten“ oder das Bruchrechnen im Exponenten

”einschranken“!

6.2.2 n-te Wurzel uber CMultiplikation komplexer Zahlen in Polarform (vgl. 6.1.3.1):

z1 = a+ bi = [r, ϕ]z2 = c+ di = [s, ψ]

}

⇒ zi · z2 = [r, ϕ] · [s, ψ] =

{[r · s, ϕ+ ψ] falls ϕ+ ψ < 360◦

[r · s, ϕ+ ψ − 360◦] falls ϕ+ ψ > 360◦

Speziell:[r, ϕ]n = [rn, n·ϕ−k·360◦] wobei k ∈ N so zu wahlen ist, dass nϕ−k·360◦ < 360◦

ist.

75

Umkehrung: Gegeben: c = [s, ψ] ∈ C. Gesucht: jene z ∈ C mit zn = c (n ∈ N∗)

Ansatz: z = [r, ϕ]⇒ zn = [rn, n · ϕ− k · 2π] (k = 0, 1, · · · , n− 1)⇒ rn = s⇒ r = n

√s und nϕ− k · 2π = ψ ⇒ ϕ = ψ+k·2π

n

Ergebnis: zn = c = [s, ψ] ⇒ zk = [ n√s, ψn + k · 2π

n ], k = 0, 1, · · · , n− 1

Definition: Jede Losung von zn = c heißt”n-te Wurzel aus c“

Ist c = 1, so nennt man die Losungen”n-te Einheitswurzeln“:

z0 = 1, z1 =: ζn, · · · zn−1 = ζn−1n

Bemerkung: Wenn man z = n√c schreibt, so ist dieser Wurzelbegriff nicht

mehr eindeutig! Aber [ n√s, ψn ], also die Zahl mit dem kleinsten Polarwinkel,

wird als Hauptwert bezeichnet.

in R in C

4√

16 = 2 4√

16 =

[2, 0] = 2[2, π2 ] = 2i[2, π] = −2[2, 3π

2 ] = −2i

3√

1 = 1 3√

1 =

[1, 0] = 1[1, 2π

3 ] = ζ3[1, 4π

3 ] = ζ23

1, ζ3, ζ23 · · · = ”

3. Einheitswurzel“

Aufgabe: Rechnen Sie ζ3 und ζ23 in die kartesische Darstellung um.

6.2.3 Polynome, algebraische Gleichungen hoheren Grades (uber R)

Definition: anxn + an−1x

n−1 + · · · + a2x2 + a1x + a0 =

n∑i=0

aixi heißt

Polynomai · · · Koeffizienten. (Vorerst: ai ∈ R) Falls an 6= 0, so heißt n (also der hochsteauftretende Exponent) der Grad des Polynoms.

Kurzschreibweise furn∑i=0

aixi: Pn(x) (od. ahnl.)

Jedes Polymon kann auch als Funktion interpretiert werden:

Pn : x 7−→ Pn(x) =n∑i=0

aixi heißt Polynomfunktion (vom Grad n).

n∑i=0

aixi = 0 heißt algebraische Gleichung vom Grad n.

Zusammenhang:

α = Losung der Gleichungn∑i=0

aixi = 0⇐⇒ α = Nullstelle der Funktion Pn

76

6.2.3.1 Abspalten eines Linearfaktors

Gegeben: f(x) = x3 + 2x2 − 13x+ 10

Durch Probieren findet man eine Nullstelle: x = 1(Wie man

”okonomisch“ durch Probieren Nullstellen ermittelt: siehe Kapitel

6.2.3.3!)

Wir bilden:

f(1) = 13 + 2 · 12 − 13 · 1 + 10 = 0f(x) = f(x)− f(1) = x3 + 2x2 − 13x+ 10− 13 − 2 · 12 + 13 · 1− 10 =

= (x3 − 13)︸ ︷︷ ︸(x−1)(x2+x+1)

+2 (x2 − 12)︸ ︷︷ ︸(x−1)(x+1)

−13(x− 1) + 10− 10

= (x− 1) · ((x2 + x+ 1) + 2 · (x+ 1)− 13)= (x− 1) · (x2 + 3x− 10)

f(x) = 0⇔ (x− 1) · (x2 + 3x− 10) = 0

Satz (Abspalten eines Linearfaktors): Ist Pn eine Polynomfunktion n-ten Gra-des und α eine Nullstelle von Pn, dann gilt: Pn(x) = (x − α) · Pn−1(x), wobeiPn−1 eine Polynomfunktion vom Grad n− 1 ist.

Beweis: Sei Pn(x) =n∑i=0

aixi und Pn(α) = 0

⇒ Pn(x) = Pn(x)− Pn(α) =n∑i=0

aixi −

n∑i=0

aiαi =

n∑i=0

ai(xi − αi) =

n∑i=1

ai(xi − αi) = (x− α) ·

n∑i=1

ai(xi−1 + · · · )︸ ︷︷ ︸

Pn−1(x)

↑a0 − a0 fallt weg!

Andere Rechenverfahren:2) Unbestimmter Ansatz und Koeffizienten-Vergleich:

f(x) = x3 + 2x2 − 13x+ 10f(1) = 0

}⇒

⇒ Ansatz: x3 + 2x2 − 13x+ 10 = (x− 1)(ax2 + bx+ c)= ax3 + bx2 + cx

−ax2 − bx− cax3 + (b− a)x2 + (c− b)x− c

Koeff. von x3 : 1 = aKann durch Ansatz (x− 1)(x2 + bx+ c) bereits vorweggenommen werden!

Koeff. von x2 : 2 = b− a = b− 1⇒ b = 3

Koeff. von x : −13 = c− b = c− 3⇒ c = −10Koeff. von x0 : 10 = −c ↗ stimmt

77

Was kann geschlossen werden, wenn Koeffizientenvergleich von x0 im Wider-spruch zur vorangegangenen Gleichungen steht?

3) Polynomdivision(x3 + 2x2 − 13x+ 10) : (x− 1) = · · ·

NUR DANN verwenden, wenn das Verfahren von Schulern verstanden wird!Evtl.: Divisionsalgorithmus mit Zahlen wieder aufgreifen und erklaren um we-nigstens nachtraglich Verstandnis zu erzeugen:

1273 : 38 = (1 · 103 + 2 · 102 + 7 · 10 + 3) : (3 · 10 + 8) = · · ·

Folgerung aus”Abspalten... “:

Pn(x) = (x− α) · Pn−1(x)︸ ︷︷ ︸=(x−β)·Pn−2(x)︸ ︷︷ ︸

=···

falls α = Nullstelle von Pn

falls β = Nullstelle von Pn−1

Grad wird immer um 1 kleiner!

Wenn jedes folgende Pn−k eine reelle Nullstelle hat:

Pn(x) = (x− α) · (x− β) · · · · (x− ζ)· an︸︷︷︸6= 0(Polynom vom Grad n!)↖ ↗ ↗

mussen nicht verschieden sein!

Satz: Eine Polynomfunktion vom Grad n kann hochstens n Nullstellen besitzen.

· · · kann aber (viel) weniger als n Nullstellen besitzen:P(x) = (x− 2)100 = x100 + · · ·Grad = 100, aber nur 1 Nullstelle!

Wenn nicht alle Nullstellen verschieden sind:Pn(x) = (x− α1)k1 · (x− α2)k2 · · · · · (x− αr)kr , (αi 6= αj)αi heißt ki − fache Nullstellen

Wenn NICHT alle Nullstellen von Pn reell sind:Es sei Pn(x) = (x− α1)k1 · · · · · (x− αr)kr · ps(x), αi ∈ R,und ps habe keine reellen Nullstellen.

Aufgabe: 1) Drucken Sie s durch n und ki aus!2) Begrunden Sie, dass s gerade ist!(Vgl. 2.2.3.4!)

78

Satz: Istn∑k=0

akxk = 0 eine algebraische Gleichung mit ai ∈ R; dann gilt:

Ist z = a + b · i eine Losung, so ist auch die konjugierte Zahl z = a − b · i eineLosung.

Warum”Gleichung“ und nicht Polynomfunktion?

Wenn man unter (Polynom-)Funktion nicht nur reelle Funktionen R → R ver-steht, sondern auch Funktionen C→ C, so kann man wie bisher formulieren:

Satz: Ist Pn eine Polynomfunktion mit reellen Koeffizienten und z = a + b · ieine Nullstelle, also Pn(a+ b · i) = 0, so ist auch Pn(a− b · i) = 0

Beweis: Pn(a+ b · i) =n∑k=0

ak(a+ b · i)k = U + V · i

↘ausrechnen

↗Pn(a− b · i) =

n∑k=0

ak(a− b · i)k = · · ·U − V · i

Pn(a+ b · i) = U + V · i = 0⇒ U = 0 ∧ V = 0↙ ↙

Pn(a− b · i) = U − V · i = 0

Frage: 1) Wo geht hier ai ∈ R ein?2) Warum funktioniert das fur ai /∈ R nicht?

(Wahlen Sie selbst ein einfaches Beispiel!)

Mathematischer Hintergrund zum Koeffizientenvergleich

Wir haben bereits mehrmals geschlossen:

Wennn∑i=0

aixi =

n∑i=0

bixi fur alle x ∈ R gilt, dann ist ai = bi ∀i = 0, 1, · · · , n

Bevor wir das beweisen, benotigen wir folgenden

Hilfssatz:Eine Polynomfunktion vom Grad n kann nicht mehr als n Nullstellen besitzen.

Beweis: Sei Pn(x) =n∑i=0

aixi eine Polynomfunktion vom Grad n (d.h. an 6= 0)

und α1, · · · , αn, αn+1 n+ 1 verschiedene Nullstellen.Durch n-maliges Abspalten eines Linearfaktors erhalt man:

Pn(x) = an ·n∏i=1

(x− αi)

Dieses Polynom hat offensichtlich die Nullstellen α1, α2, · · · , αn.Da nun αn+1 eine weitere (von α1, · · · , αn verschiedene) Nullstelle ist, erhalt

79

man:

0 = Pn(αn+1) = an ·n∏i=1

(αn+1 − αi︸ ︷︷ ︸6=0

)⇒ an = 0 Widerspruch

Folgerung: Wenn ein Polynomn∑i=0

aixi n+1 Nullstellen hat, dann muss es das

Nullpolynom sein, d.h.: an = an−1 = · · · = a1 = a0 = 0

Satz (Identitatssatz fur Polynome):

Es seien Pn(x) =n∑i=0

aixi und Pn(x) =

n∑i=0

bixi

zwei Polynome, die an n+ 1 Stellen den selben Wert annehmen, also

Pn(αk) =n∑i=0

aiαik = Pn(αk) =

n∑i=0

biαik ∀k = 1, 2, · · · , n+ 1

Dann ist Pn(x) ≡ Pn(x) (d.h. Pn(x) = Pn(x) ∀x ∈ R)und insbesondere ai = bi ∀i = 0, 1, · · · , n.Beweis: Betrachte Q(x) := Pn(x)− Pn(x) =

n∑i=0

(ai − bi)xi

Q(x) ist (hochstens) vom Grad n, hat aber n+ 1 Nullstellen α1, α2, · · · , αn+1.

Daher ist Q(x) das Nullpolynom, d.h. ai = bi∀i.

6.2.3.2 Satz von Vieta · · · fur Polynomfunktionen vom Grad ≥ 3

Sei P3(x) = x3 + bx2 + cx + d und α, β, γ seien Nullstellen von P3 (nicht not-wendig verschieden).

Dann gilt: P3(x) = (x− α)(x− β)(x− γ)= x3 − (α+ β + γ)x2 + (αβ + αγ + βγ)x− αβγ

⇒ b = −(α+ β + γ)c = (αβ + αγ + βγ)d = −αβγ

Aufgabe: Formulieren Sie selbst einen analogen Satz fur:

1. P3(x) = ax3 + bx2 + cx+ d

2. P4(x) = a4x4 + a3x

3 + a2x2 + a1x+ a0

(zuerst fur a4 = 1, dann allg.)

3. Pn(x) =n∑i=0

aixi

(zuerst fur an = 1, dann allg.)

80

6.2.3.3 Polynomfunktionen mit Koeffizienten ∈ Z

Wie findet man Nullstellen (z.B. zum Abspalten eines Linearfaktors)?

1. Graph → Schnitt mit x-Achse: liefert (zumindest) Naherungswerte furNullstellen

2. Im Falle einer Polynomfunktion Pn mit ai ∈ Z gibt es eine weitere Moglich-keit:

Satz: Pn(x) =n∑i=0

aixi, ai ∈ Z ∀i = 0, · · · , n

Ist α eine Nullstelle von Pn und α ∈ Z, so gilt: α | a0

Beweis: Pn(α) =n∑i=0

ai αi = 0

⇒n∑i=1

aiαi

︸ ︷︷ ︸α ·

n∑i=1

ai · αi−1

︸ ︷︷ ︸∈ Z

= −a0

= −a0

⇒ α | α0

Folgerung: Wenn eine Polynomfunktion Pn mit ai ∈ Z eine ganzzahlige Null-stelle besitzt, dann ist sie unter den (pos. od. neg.) Teilern von a0 zu finden. ⇒alle Teiler ausprobieren!Und wenn keine Nullstelle darunter ist?

Satz: Sei Pn eine Polynomfunktion mit ai ∈ Z ∀i = 0, · · · , n und an = 1 (d.h.

”normiertes Polynom“: Pn(x) = xn+an−1x

n−1 + · · · ), dann ist jede nicht ganz-zahlige Nullstelle irrational oder komplex.Beweis: indirekt: Ann: ∃ Nullstelle α = p

q ∈ Q \ZVoraussetzung: (o.B.d.A.*): ggT (p, q) = 1

(p

q)n + an−1(

p

q)n−1 + · · ·+ a2(

p

q)2 + a1(

p

q) + a0 = 0

⇒ (p

q)n = −an−1(

p

q)n−1 − · · · − a2(

p

q)2 − a1(

p

q)− a0 | ·qn−1

⇒ pn

q= −an−1 · pn−1 − an−2 · pn−2 · q − · · · − a2 · p2 · qn−3 − a1 · p · qn−2 − a0 · qn−1︸ ︷︷ ︸

∈Z

⇒ pn

q∈ Z→Widerspruch

81

Frage: Wo geht im Beweis ggT (p, q) = 1 ein?

*)”o.B.d.A.“ · · ·

”ohne Beschrankung der Allgemeinheit“: Versuchen Sie selbst

zu erklaren, was diese in der Mathematik haufig verwendete Floskel bedeutet!

Der erste Satz ist ein Spezialfall von:

Satz: Sei Pn eine Polynomfunktion mit ai ∈ Z ∀i = 0, 1, 2, · · · , n (also auchan beliebig ∈ Z).

Wenn α = pq mit ggT(p, q) = 1) eine Nullstelle von Pn ist, so gilt:

p | a0 ∧ q | an

Beweis: verlauft ahnlich wie der Beweis des vorigen Satzes. Aufgabe: FuhrenSie diesen Beweis aus.

Aufgabe:

1. Begrunden Sie, dass der erste Satz in diesem als Spezialfall enthalten ist!

2. Formulieren Sie alle Aussagen dieses Kapitels fur algebraische Gleichun-gen!

6.2.3.4 Algebraische Gleichungen, Polynomfunktionen mit Koeffizi-enten ∈ C Der Satz

”Abspalten eines Linearfaktors“ und der Satz von Vieta

gelten auch fur Gleichungen mit komplexen Koeffizienten.

Aufgabe: Begrunden Sie dies! (D.h. fuhren Sie die Beweise aus und begrundenSie, dass jeder Schritt auch fur komplexe Koeffizienten

”funktioniert“.)

Wir wissen: Eine algebraische Gleichung vom Grad n kann hochstens n Losun-gen besitzen. Wie viele besitzt sie mindestens?In R: u.U. keine! Vgl.: x2 + 1 = 0, x10 + 1 = 0

Fundamentalsatz der Algebra:

Jede algebraische Gleichung vom Grad ≥ 1 besitzt in C mindestens eine Losung.

Der Beweis ist schwierig und kann daher hier nicht gefuhrt werden.Zusammen mit dem Satz

”Abspalten eines Linearfaktors“ folgt daraus:

Pn(x) = 0 hat lt. Fundamentalsatz mind. 1 Losung: = α1

⇒ Pn(x) = (x− α1) · Pn−1(x)Pn(x) = 0⇔ x− α1 = 0 ∨ Pn−1(x) = 0︸ ︷︷ ︸

hat lt. FS mind. eine Losung=:α2

82

⇒ Pn−1(x) = (x− α2) · Pn−2(x)︸ ︷︷ ︸usw.···

⇒ Pn(x) = (x− α1) · (x− α2) · · · · · (x− αn) · an, wobei die αi nicht notwendigverschieden sind.

Fasst man gleiche Klammern zusammen:

→ Pn(x) = (x− β1)k1 · (x− β2)k2 · · · · · (x− βr)kr · an(nun sollen die βi verschieden sein!)

→ Satz: Jede algebraische Gleichung uber C besitzt in C genau n Losungen(wenn man jede Losung in ihrer Vielfachheit zahlt).

(β1, β1, · · · , β1)︸ ︷︷ ︸k1−mal

, (β2, β2, · · · , β2)︸ ︷︷ ︸k2−mal

, · · · , (βr, βr, · · · , βr)︸ ︷︷ ︸kr−mal︸ ︷︷ ︸

k1+k2+···+kn= n Losungen

Bemerkung zu * in 2.2.3.1.:Pn(x) = (x− α1)k1 · (x− α2)k2 · · · · · (x− αr)kr · Ps(x)wobei Ps(x) = 0 keine reellen Losungen besitzt. Dann besitzt aber Ps komplexeNullstellen (s nicht notw. verschiedene).Wenn die Koeff. von Pn reell sind, ist mit jeder komplexen Nullstelle z = a+ biauch z = a− bi Nullstelle

⇒ Ps(x) = (x− (a+ bi))(x− (a− bi))︸ ︷︷ ︸ ·(x− (c+ di)) · · ·

= x2−(a+ bi+ a− bi)︸ ︷︷ ︸−2a

x+ (a+ bi) · (a− bi)︸ ︷︷ ︸a2+b2

D.h.: Ps(x) lasst sich in ein Produkt von Polynomen vom Grad 2 mit reellenKoeffizienten zerlegen.

Insgesamt: Nachtrag zu Polynomen mit reellen Koeffizienten

Satz: Ist Pn(x) ein Polynom mit reellen Koeffizienten, so lasst sich Pn(x) inein Produkt von Polynomen mit reellen Koeffizienten vom Grad 1 oder 2 zerle-gen.

6.2.1 2.2.4 Spezielle Gleichungen

6.2.4.1 Biquadratische Gleichungen (u. A.)

x4 + px2 + q = 0 setze: y = x2

Allgemein:x2n + pxn + q = 0 setze: y = xn

6.2.4.2 Symmetrische Gleichungen

(i) Grad = 3

ax3 + bx2 + bx+ a = 0a · (x3 + 1)︸ ︷︷ ︸

(x+1)(x2−x+1)

+b · x · (x+ 1) = 0

83

⇒ (x+ 1) · [a · (x2 − x+ 1) + bx] = 0

(ii) Grad = 4

ax4 + bx3 + cx2 + bx+ a = 0 |: x2(6= 0! Warum?)ax2 + bx+ c+ b · 1

x + a · 1x2

a(x2 + 1x2 ) + b(x+ 1

x ) + c = 0setze :x+ 1

x = z ⇒ z2 = x2 + 1x2 + 2

a · (z2 − 2) + b · z + c = 0

6.2.4.3 KreisteilungsgleichungenDefinition: Unter einer Kreisteilungsgleichung vom Grad n versteht man

eine Gleichung der Formxn − a = 0

xn = [r, ϕ]⇒ x = [ n√r; ϕ+k·360◦

n ] mit k = 0, 1, · · · , n− 1⇒ n Losungen(vgl. 2.2.1) ⇒ alle n Losungen liegen auf dem Kreis mit Radius r und Mittel-

punkt (0;0) und bilden ein regelmaßiges n-Eck. (Warum?)

Sei nun speziell:xn − 1 = 0⇒ xn = 1 =(aufgefasst als komplexe Zahl)= [1; 0◦]⇒ x = [ n

√1; 0◦+k·360◦

n ] = [1; k · 360◦

n ] k = 0, 1, · · · , n− 1

Aufgabe: Losen Sie1) xn + a = 0 (a ∈ R)2) xn + c = 0 (c ∈ C)

und ermitteln Sie die Lage dieser Losungen in der Gauß’schen Zahlenebene!

6.3 Der Binomische Lehrsatz

(a+ b)n = · · ·

n = 0 (a+ b)0 = 1 1n = 1 (a+ b) = 1 · a+ 1b 1 1n = 2 (a+ b)2 = 1 · a2 + 2 · ab+ 1 · b2 1 2 1n = 3 (a+ b)3 = a3 + 3 · a2b+ 3 · ab2 + b3 1 3 3 1

3a2b entsteht aus 1 2 1\/

1 · a2 · b+ 2 · ab · a 1 3 3 1

84

Allgemein:

”Pascal’sches Dreieck“

11 1

1 2 11 3 3 1

1 4 6 4 11 5 10 10 5 1

usw.1︸︷︷︸

Definition : =: (n0 )

(n1 ) (n2 ) · · · (nk ) · · · (nn−1) 1︸︷︷︸=: (nn)

Mit diesen Symbolen (”Binominalkoeffizienten“) lasst sich der Binomische Lehr-

satz allgemein formulieren:

(a+ b)n =

n∑k=0

(nk ) · an−k · bk

Dabei gilt: (n

k

)=n · (n− 1) · · · · · (n− k + 1)

1 · 2 · · · · · k=

n!

k! · (n− k)!

Deutung:(nk

)= Anzahl der k-elementigen Teilmengen einer n-elementigen Menge

ODER:(nk

)gibt an, wie viele (ungeordnete) Stichproben vom Umfang k man aus einer

n-elementigen Grundgesamtheit ziehen kann

Aufgabe:

1. Zeigen Sie:(nk

)=(n

n−k)

Was bedeutet das im Pascal’schen Dreieck?

2. Zeigen Sie:(nk−1

)+(nk

)=(n+1k

)”Anwendung“: Wie viele Teilmengen hat eine n-elementige Menge?(n0

)+(n1

)+ · · ·+

(nn

)=

n∑k=0

(nk

)=

n∑k=0

(nk

)1n−k · 1k = (1 + 1)n = 2n

85

6.4 Die Formel von Cardano

y3 + ay2 + by + c = 0

Substitution: y = (x− a3 )

(x− a3 )

3 + a · (x− a

3)2︸ ︷︷ ︸+b(x− a

3 ) + c = 0

︷ ︸︸ ︷x3 − 3x2 · a

3+ · · ·

︷ ︸︸ ︷+a(x2 − 2x

a

3+ · · · )︸ ︷︷ ︸ ︸︷︷︸

−x2 · a + x2 · a︸ ︷︷ ︸hebt sich weg

=⇒ Man kann jede Gleichung 3. Grades auf die Form x3 + px + q = 0 bzw.x3 + px = q bringen.

Sei x3 + px = q gegeben.Ansatz: Gesucht u, v mit:

1. u3 − v3 = q

2. u · v = p3

Behauptung: Dann ist x = u− v eine Losung

x3 + px = (u− v)3 + p(u− v) = u3 − 3u2v + 3uv2 − v3 + p(u− v) =u3 − v3 −3 uv︸︷︷︸

p3

(u− v) + p · (u− v)

︸ ︷︷ ︸=0

= u3 − v3 = q

Wie findet man u, v?

3uv = p u3 − v3 = q⇓ ↗

v = p3u ⇒ u3 − ( p3u )

3 = q | · u3⇒ u6 − q · u3 − (p3 )

3 = 0

⇒ u3 =q

2±√(q

2)2 + (

p

3)3

Wir beschranken uns auf 1 Losung fur u3

⇒ u3 =q

2+

√(q

2)2 + (

p

3)3

⇒ v3 = u3 − q = −q2+

√(q

2)2 + (

p

3)3

⇒ x = u− v =3

√q

2+

√(q

2)2 + (

p

3)3 − 3

√−q

2+

√(q

2)2 + (

p

3)3

”Formel von Cardano“

Fur x3 + px = q x3 + q = px x3 = px + q leitete man fruher jeweils

eigene Formeln ab. (Die Darstellung x3 + px+ q = 0 bedarf negativer Koeffizi-enten und /oder negativer Losungen!)

Beispiel 1: x3 + 6x = 20

x = 3√

10 +√

100 + 8− 3√−10 +

√108

= (√

3 + 1)− (√

3− 1) = 2

Beispiel 2: (”Casus irreducibilis“)

x3 = 15x+ 4 → Wir formen um zu:

x3 − 15x = 4

x = 3

√2 +

√4 + (−5)3 − 3

√−2 +

√4 + (−5)3

= 3√

2 +√−121− 3

√−2 +

√−121

= (2 +√−1)︸ ︷︷ ︸− (−2 +

√−1)︸ ︷︷ ︸ = 4

Der”Umweg“ uber C liefert eine reelle Losung - und eine richtige, wie man

aus der Probe sieht! Daraus erkannte man, dass man mit komplexen Zahlen zurichtigen Resultaten kommt. Das war wieder ein weiterer Schritt, die komplexenZahlen als etwas mathematisch Vernunftiges zu erkennen.

6.5 Auflosung der Gleichung 4. Grades

x4 + px2 + q2 = rx

x4 + 2qx2 + q2 = rx− px2 + 2qx2

(x2 + q)2 = (2q − p)x2 + rx (∗)

Gesucht ist eine Zahl k derart, dass die rechte Seite zu einem vollstandigenQuadrat wird:

(x2 + (q + k))2 = x4 + 2(q + k)x2 + (q + k)2

= x4 + 2qx2 + 2kx2 + q2 + 2qk + k2

Diese 3 Glieder kommen links durch Einfuhrungenvon k dazu → in (∗) auch rechts erganzen!

87

(x2 + q + k)2 = (2q − p)x2 + rx+ 2kx2 + 2qk + k2

= (2q − p+ 2k)x2 + rx+ 2qk + k2

rechts soll ein vollstandiges Quadrat stehen ⇒ Diskriminante = 0 :

r2 − 4(2q − p+ 2k) · (2qk + k2) = 0

· · · ist eine Gleichung 3. Grades in k → Cardano → · · ·

6.6 Auflosbarkeit von algebraischen Gleichungen vom Grad≥ 5

Man kann zeigen, dass es fur eine Losung einer algebraischen Gleichung vomGrad ≥ 5 KEINE FORMEL GEBEN KANN, die nur aus

- den Koeffizienten der Gleichung,

- den 4 Grundrechnungsarten

- und Wurzelzeichen

besteht. (”Auflosung durch Radikale“)

(Der Beweis geht im Wesentlichen auf Niels Henrick ABEL (1802–1829) undEvariste GALOIS (1811–1832;

”Galois-Theorie“) zuruck.)

6.7 Transzendente Gleichungen

Jede Gleichung, die nicht algebraisch ist, heißt transzendent.(2 · 3√x+ 5x ·

√x = 0 und ahnl. sind auch algebraisch; setzte x = y6!)

Beispiel:

1. log(x+ 1) = 2x2

2. 2x = 3

3. sin(x+ π3 ) = x+ cosx

4. 2 gleiche Munzen sollen so ubereinander gelegt werden, dass der uberdeck-te Teil einer Munze gleich groß ist wie der Rest.

Transzendente Gleichungen sind – von Sonderfallen abgesehen – nur naherungs-weise losbar.

6.8 Naherungsmethoden zum Losen von (algebraischenund transzendenten) Gleichungen

6.8.1 Bisektion

soll an folgendem Satz demonstriert werden:Satz von der Nullstelle: Gegeben sei eine stetige Funktion f : A→ R, [a, b] ⊆A und sgnf(a) 6= sgnf(b). Dann gibt es mindestens eine Stelle z ∈ [a, b] mitf(z) = 0.

Beweis: Betrachte Intervallmittelpunkt m

88

1. Fall: f(m) = 0→ fertig

2. Fall: sgnf(m) 6= sgnf(a)→ betr.: [a,m]

3. Fall: sgnf(m) 6= sgnf(b)→ betr.: [m, b]

usw.

Verfahren forsetzen a) bis entweder nach endlich vielen Schritten der Teilungs-punkt die gesuchte Nullstelle ist,oderb) das Verfahren bricht nie ab → man erhalt eine unendliche Folge von inein-ander geschachtelten Intervallen. Die Lange des n-ten Intervalls ist b−a

2n

Laut Vollstandigkeitsaxiom der reellen Zahlen gib es zu jeder Intervallschachte-lung J1 ⊇ J2 ⊇ · · · ⊇ Jn ⊇ · · · (mit lim

n→∞| Jn |= 0) genau eine Zahl z ∈ R mit

z ∈ Jn ∀n ∈ N∗, d.h. {z} = ∩∞n=1Jn

Behauptung: f(z) = 0

Annahme: f(z) =: y 6= 0, o.B.d.A.: y > 0

betr: ε = y2 ⇒ ∃δ > 0 : | y − f(x) |< ε ∀ | z − x |< δ

Wahle n so, dass Jn ⊆ ]z − δ, z + δ [(d.h. so, dass b−a

2n < δ)

Jn = [Un, Vn] mit sgnf(Un) 6= sgnf(Vn)Sei f(Un) > 0⇒ f(Vn) < 0Wegen Jn ⊆ ]z− δ, z+ δ[ ist Vn ∈]z− δ, z+ δ[⇒| y− f(Vn) |< ε. Dann gilt aber:0 < y < y − f(Vn) =| y − f(Vn) |< ε = y

2 Wid.

Eine weitere typische Anwendung: Beweis des Haufungsstellenprinzips von Bolzano Weierstraß:Jede unendliche beschrankte Menge reeller Zahlen besitzt mindestens eine Haufung-stelle.

Beweis: Ubung!

Das Bisektionsverfahren ist hauptsachlich fur Beweise zweckmaßig. Fur numeri-sche Berechnungen ist es eher ungunstig; da gibt es eine zweckmaßigere Variante:

6.8.2 Verfahren der dezimalen Schritte

Beispiel: 2x = 31 ≤ x ≤ 2⇒ 21 ≤ 3 ≤ 22 ⇒ x ∈ [1; 2](eigentlich: x ∈]1; 2[; aber wir wollen eine Intervallschachtelung konstruieren,und dafur brauchen wir abgeschlossene Intervalle!)

Wir probieren weiter:21,1 = 2, 14 · · · ; 21,2 = 2, 29 · · · ; 21,3 = 2, 46 · · · ; 21,4 = 2, 63 · · · ;

89

21,5 = 2, 82 · · ·21,6 = 3, 03 · · ·

}⇒ 21,5 ≤ 3 ≤ 21,6 ⇒ x ∈ [1, 5; 1, 6]

21,51 = · · · ; 21,52 = · · · ; · · ·

21,58 = 2, 9897 · · ·21,59 = 3, 010 · · ·

}⇒ 21,58 ≤ 3 ≤ 21,59 ⇒ x ∈ [1, 58; 1, 59]

usw.

6.8.3 Regula falsi

Wir nehmen wieder an, dass f(a) und f(b) verschiedenes Vorzeichen haben,legen eine Gerade durch die Punkte (a; f(a)) und (b; f(b)) des Graphen von fund schneiden diese Gerade mit der x-Achse. Dieser Schnittpunkt an der Stellex1 ist dann ein erster Naherungswert fur eine Nullstelle von f

6y

-xa

b�������������

b

b (b; f(b))

x1

(a; f(a))Regula falsi

Die Gleichung der Geraden lautet (Zweipunktform)

y − f(a) =f(b)− f(a)

b− a· (x− a)

Um die Stelle x1 zu erhalten, an der die Gerade die x-Achse schneidet, mussenwir y = 0 setzen; damit ergibt sich fur x1 der Wert

x1 = a +f(a)

f(a)− f(b)· (b− a)

Ist f(x1) = 0, so ist man fertig.

Andernfalls wendet man das Verfahren auf jenes der Teilintervalle [a;x1] bzw.[x1; b] an, an dessen Randpunkten die Funktion f verschiedenes Vorzeichen hat,u.s.w.

90

6.8.4 Newton’sches Naherungsverfahren

Es sei f eine reelle Funktion, gesucht sei eine Nullstelle von f (d.h. eine Losungder Gleichung f(x) = 0).

Wir beginnen mit den Startwert α1 und legen im Punkt P1(α1; f(α1)) die Tan-gente t1 an den Graphen von f :

t1 : y − f(α1) = f ′(α1) · (x− α1)⇒ y = f ′(α1) · (x− α1) + f(α1)

6f(x)

0-x

Fig. 2.20

αr����

���

��

t3

α4��������

t2

α3

rP3(α3; f(α3))

���������������

t1

α2

rP2(α2; f(α2))

α1

r P1(α1; f(α1))

Nun schneiden wir t1 mit der ersten Achse, d.h. wir setzten y = 0:f ′(α1) · (x− α1) + f(α1) = 0

⇒ x = α1 − f(α1)f ′(α1)

Diesen Naherungswert bezeichnen wir mit α2.

Nun legen wir im Punkt P2(α2; f(α2)) die Tangente t2 schneiden sie mit derersten Achse und erhalten so α3. Wir erhalten also α3 aus α2 auf dieselbe Art,wie wir α2 aus α1 erhalten haben:

α3 = α2 −f(α2)

f ′(α2)

Ebenso erhalten wir α4 aus α3:

α4 = α3 −f(α3)

f ′(α3)usw.

Allgemein: Haben wir bereits αn berechnet, so erhalten wir den nachsten (bes-seren) Naherungswert αn+1 durch

αn+1 = αn −f(αn)

f ′(αn)(n = 1,2,3, · · · ) NEWTON’sches Verfahren

91

Beispiel: Auf Heron von Alexandria (3. Jhd.n.Chr.), geht folgendes Verfahrenzuruck:

Gesucht:√

2

Betrachte Rechteck: A = 2

2

1

Gesucht: Lange der Seite eines Quadrats mit A = 2. Die gesuchte Seite musszwischen 1 und 2 liegen:

Ansatz: a1 = 1+22 = 1, 5

Damit der Flacheninhalt = 2 ist, muss die 2. Seite des Rechteckes b1 = 21,5 sein,

also b1 = 2a1

Usw: a2 = a1+b12 = 1

2 (a1 + 2a1

) · · ·· · · an+1 = 1

2 (an + 2an

)

——————————————-

Diese Rekursionsformel erhalt man auch, wenn man das Newton-Verfahren aufdie Funktion f : x→ x2 − 2 anwendet:

an+1 = an −a2n − 2

2an=

1

2

(2a2n − a2

n + 2

an

)=

1

2

(an +

2

an

)

7 Vektoren

∃ mehrere gangige Auffassungen:Vektor = PfeilVektor = PfeilklasseVektor = n-tupelVektor = Element eines Vektorraumes

7.1 Vektor = Pfeil

Motivation: Physik: Kraftvektor, · · ·in Mathematik: 2 Pfeile sind gleich, wenn sie gleich lang, parallel und gleichorientiert sind (spezielle Gleichheitsrelation, genauer: Aquivalenzrelation).Motivation: Translation der Ebene: jeder dieser Pfeile beschreibt die selbe Trans-lation.

r�����*br�����*b

r�����*b

92

In der Physik gilt diese Gleichheit im Allgemeinen nicht! Beispiel:

C

B

D

Ar -F

C

B

D

A

C

B

D

Ar -F

���

@@@

D

C A���

@@@

B

r

Kraftvektor darf nur langs der Wirkungslinie verschoben werden (”linienfluchti-

ger Vektor“); bei anderen Verschiebungen andere Wirkungen.(Es gibt zwar die Moglichkeit auch dies durch einen entsprechenden Vektorbe-griff zu berucksichtigen, aber dieser hat im R3 nicht 3 Koordinaten, sondernwird durch 12 Zahlen beschrieben.)

7.2 Vektor = Pfeilklasse

Definition: Vektor = Klasse aller gleich langen, parallelen und gleich orientier-ten Pfeile. Jeder einzelne Pfeil heißt dann Reprasentant des Vektors

Vektor im Sinne von 7.2 entspricht Aquivalenzklasse im Sinne von 7.1.

Probleme: Addition von 2 Klassen:zu zeigen: bei Addition von 2 Reprasentanten ist das Ergebnis unabhangig vonder Wahl der Reprasentanten

Analog: Multiplikation mit einem Skalar.} muhsam!

7.3 Vektor = n-tupel

(Arithmetische Vektoren)

Motivation: Listen (EDV), Matrizen, · · · nicht auf 2 bzw. 3 Dimensionen (An-schauungsraum) beschrankt.

Beispiel: Ausgaben fur A, B, C, D:

A · · ·B · · ·C · · ·D· · ·

a1

a2

a3

a4

; im nachsten Monat:

b1b2b3b4

fur beide Monate zusammen:

a1+b1a2+b2a3+b3a4+b4

Anschließend:

Geometrische Deutung fur n = 2 bzw. n = 3: zwei Deutungsmoglichkeiten:(a1

a2

)↔ Punkt

(a1

a2

)↔ Pfeil

93

Deutung der RechenoperationenDefinition: s. oben!geometrische Deutung:

6

-p p p p p p p Aqp p p p pp p Bq q

A+Ba) Punkt-Punkt-Addition

(Deutung nicht von besonderemInteresse)

6

-����qBqA~a

b) Punkt-Pfeil-AdditionA+ ~a = B

(fur analytische Geometriegunstig!)

c) Pfeil-Pfeil-Addition

6

-���1

�����

����

bzw.

6

-���1

����

�����p p p p pp pp p p p p p p

Krafteparallelogramm!

Problem:Darf man einen Punkt und einen Pfeil addieren?Einfache Rechtfertigung (fur Schule): Ich addiere Paare (Tripel) und deute sienur unterschiedlich!Ahnliches tritt bereits bei der geometrischen Deutung der Addition auf derZahlgeraden auf:

3+40

q3q4

q7

0q3

q7

- -3 4

0q3

q7

-4

(”ich stehe am Punkt 3 und gehe 4 Schritte︸ ︷︷ ︸ nach rechts“)

Pfeil

94

Anwendung: Parameterform der Geraden:

g = {X | ~PX = t · ~PQ︸ ︷︷ ︸}⇔ X = P + t · ~PQ

(”Ausweg:“ X = P + t · ~PQ↔ ~OX = ~OP + t · ~PQ)

↘ ↙

”Ortsvektoren“

Analog: Normalvektorform: ~n ·X = ~n · P(~n · ~OX = ~n · ~OP )

Das Addieren von Punkten und Pfeilen kann”exaktifiziert“ werden mit Hilfe

des Begriffs”affiner Raum“ (nicht zu verwechseln mit affiner Teilraum eines

Vektorraumes.)

Definition: Ein affiner Raum A uber K besteht aus einer Menge (ebenfalls mit Abezeichnet) und einem Vektorraum VA uber K und einer Zuordnung, die jedem

(P,Q) ∈ A × A eindeutig einen Vektor aus VA zuordnet. (Dieser wird mir ~PQbezeichnet.) Dabei muss gelten:

1) ∀P ∈ A ∀v ∈ VA ∃Q ∈ A : v = ~PQ

2) ~PQ+ ~QR = ~PR

7.4 Vektor = Element eines Vektorraumes

Damit sind nicht nur Elemente ∈ Rn (bzw. Cn bzw. Kn) Vektoren, sondernauch Folgen, Funktionen, Matrizen, · · ·

95