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Der Mensch und das Monster

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Nr. 44Der Mensch und das MonsterDie Retortenwesen greifen an - und das Rätsel der Mooffs findet seine Lösung ...von K. H. Scheer

Die Geschichte der Dritten Macht in Stichworten:1971 - Die Rakete STARDUST erreicht den Mond, und Perry Rhodan entdeckt den gestrandetenForschungskreuzer der Arkoniden.1972 - Aufbau der Dritten Macht gegen den Widerstand der irdischen Großmächte und Abwehr außerirdischerInvasionsversuche.1975 - Die Dritte Macht greift erstmals in das galaktische Geschehen ein. Perry Rhodan stößt auf die Topsiderund versucht das »galaktische Rätsel« zu lösen.1976 - DIE STARDUST II entdeckt den Planeten Wanderer, und Perry Rhodan erlangt die relativeUnsterblichkeit.1980 - Perry Rhodans verspätete Rückkehr zur Erde und Kampf um die Venus.1981 - DER OVERHEAD greift an.1982 - Die Springer kommen, um die Erde als potentielle Konkurrenz im galaktischen Handel auszuschalten.1984 - Perry Rhodans erster Kontakt mit Arkon und Einsatz als Bevollmächtigter des regierendenRobotgehirns im Kugelsternhaufen M-13.Wenn man Wert darauf legt, auch weiterhin als Bevollmächtigter des arkonidischen Regenten anerkannt zuwerden, bleibt einem gar nichts anderes übrig, als Befehle eben dieses Regenten anzunehmen unddurchzuführen. Perry Rhodan ist sich dessen bewußt, und sein Robotpsychologe bestärkt ihn nur noch indiesem Wissen.Der Befehl des Regenten aber lautet, den Planeten der Mooffs anzufliegen, wo es zur Begegnung zwischenMENSCH UND MONSTER kommt ...

Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Kommandant der TITAN und Administrator der Erde.Gucky - Im Einsatz läßt er sich Leutnant Guck nennen.Admiral Vetron - Seine Flotte hat den Auftrag erhalten, die Heimatwelt der Mooffs zu vernichten.Major Swartz - Der Kommandeur eines gefährlichen Landungsunternehmens.Dr. Orson Certch - Sein Spezialgebiet sind Roboter und ihre Denktätigkeit.Trorth - Ein freundlicher Warner.Captain Marcus Everson - Der 1. Offizier der TITAN.

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Sie standen da mit hölzern wirkenden Gesichtern.Hinter ihnen drängten sich die kleinen, wieselflinkenRoboter der medizinischen Abteilung. Ab und zuklirrte eines ihrer Instrumente, die sie - getreu nachBefehlserteilung - zum außergewöhnlichenKatastropheneinsatz bereit hielten.

Auf den Brust- und Rückenplatten derhochwertigen Spezialmaschinen leuchtete dasSymbol des Medizinischen Dienstes. Sie, die niemalsVersagenden und niemals Müden, waren dazuerschaffen und konstruiert worden, um erkranktenMenschen zu helfen.

Ihre dünnen, vielgelenkigen Instrumentenarmewaren klar zum Einsatz. Sie warteten nur noch aufden Befehl.

Die Anweisung kam noch nicht. Sie, die Männermit den maskenhaften Gesichtern, beobachteten dasGrauen. Sie blickten durch die transparente Wand aus

Panzerplastik in den dahinterliegenden Messeraumhinein. Ein Ingenieur der Klima- undLuftreinigungszentrale war auf einem Bildschirmsichtbar geworden. Seine rechte Hand umklammerteeinen Schalter der Verteileranlage. Aus demgekuppelten Lautsprecher der Geräuschübertragungdrang das Singen und Pfeifen laufenderTurboumwälzer.

Alles war bereit zum entscheidenden Schritt, nureiner konnte sich noch nicht entschließen.

Perry Rhodan, Kommandant der Arkon-Expeditionund 1. Administrator der vereinten Erdenvölker, hattebeide Hände gegen die Trennwand gestützt; so, alswolle er seine Arme schützend um die siebenhundertvom Schicksal Verdammten legen.

Das, was sich hinter der Trennwand abspielte,wirkte aber weder komisch nochzwerchfellerschütternd. Kranke, hilflose Menschenkönnen infolge ihres Gebarens nur dann dennatürlichen Humor eines Zuschauers ansprechen,

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wenn dieser Betrachter nicht ahnt, daß er Leidendebeobachtet.

An Bord des Superschlachtschiffes TITAN gab esaber niemand, der über die Ursache desclowneriehaften Treibens nicht informiert gewesenwäre.

»Hypereuphorie«, sagten die Mediziner dazu;krankhaftes Wohlbefinden, rauschartigeEnthemmung unbewußtes, ungewolltes Hinabsinkenin den reißenden Strudel unkontrollierbarerHirnimpulse, die Arme und Beine zum irren Tanzenund klaffende Münder zum sinnlosen Babylallen undkreischenden Gesang zwangen.

Es wirkte wie eine selige Volltrunkenheit; aber eswar ein gefährliches Hinabplätschern in die endlosenAbgründe des Irrsinns.

Rhodan beobachtete das Tanzen. Singen undKreischen der Kranken mit einem Gefühl derHilflosigkeit. Ernsthafte Männer, klardenkendeGalaktonauten. Techniker und höchstqualifizierteWissenschaftler waren zu plappernden Irrengeworden. Siebenhundert an der Zahl hattendienstliche Pflichten vergessen. Etwas hatte sie zudem gemacht, was sie nun waren: zuerbarmungswürdig Hilflosen.

»Tun Sie etwas, tun Sie doch etwas!« hörte manRhodan stöhnen.

Der Biologe Janus van Orgter biß sich auf dieUnterlippe. Die Toxikologin Tina Sarbowna hatte allihre knochige, abweisende Bissigkeit verloren. Jetztwar sie nur noch Mensch, fühlende Frau und vomNichtwissen degradierte Wissenschaftlerin. Ihrehagere Gestalt schien sich unter der Last ihrer grauenHaarmähne gebeugt zu haben. Starr schaute sie in dieMesse hinein.

Der medizinische Chef auf der TITAN, daschirurgische As Prof. Kärner, verwarf für denBruchteil einer Sekunde den Gedanken an einenGehirneingriff. Es war sinnlos. Kärner konnte nichthelfen; niemand konnte helfen!

Rhodan dachte: Da tanzten, tobten und heultenseine besten Männer, weil sie sich nach der Landungauf dem Planeten Honur hatten verführen lassen,ganz entzückende und reizende Tierchen auf denArm zu nehmen, um sich an deren Geplapper zuerfreuen.

Aber wer hätte diese kleinen, kaum 30 Zentimeterhohen Geschöpfe mit der äußeren Gestalt niedlicherBärchen nicht sofort ins Herz schließen können. Eshatte niemand gegeben, der sich nicht darum gerissenhätte, den wunderlichen »Nonos« den weichen Pelzzu kraulen.

Das härteste Herz des unnachgiebigstenUnteroffiziers war butterweich geworden, wenn einsolches Bärchen die rosigen Pfoten ausstreckte unddie ulkige Nase runzelte. Die Nonos waren etwas zu

liebenswert gewesen. Sie konnten nichts dafür, daßihr zarter Pelz mikroskopisch feine Absonderungenausschied. Keine lebende Kreatur ist für dieEigenschaften, die die Natur ihr gab, verantwortlichzu machen.

Die siebenhundert Männer desSuperschlachtschiffes TITAN hatten eben Pechgehabt, das war alles. Sachlich betrachtet waren siean der Vergiftung oder Infizierung selbst schuld, daman auf freunden Welten nichts berühren oder garverspeisen soll, wenn man es vorher nicht sehr genauuntersucht hat.

Aber das war es auch, was Perry Rhodan zu seinerSelbstdiagnose zwang. Er machte sich schwereVorwürfe. Er, der Verantwortliche, hatte seinenMännern nicht verwehrt, einige der liebreizendenBärchen von den Eingeborenen des Planeten Honurzu erwerben; sozusagen als Glücksbringer. Mankonnte schon etwas Abwechslung an Bord eines1500 Meter durchmessenden Superschlachtschiffesmit den fürchterlichsten Vernichtungswaffen derGalaxis brauchen.

Aber die Maskottchen hatten das Gegenteilbewirkt. Sie, die völlig unschuldigen Bärchen, warenvon unbekannten Mächten mißbraucht worden.Jemand hatte größten Wert darauf gelegt, dieBesatzung der TITAN mit einem ungewöhnlichenMittel auszuschalten. Man hatte mit der Liebe desMenschen zum Tier gerechnet; man hatte dieharmlose Kreatur zur Waffe gemacht.

Rhodan war auf dieser fernen Welt imKugelsternhaufen M13 nur deshalb gelandet, umaußerhalb der vielen Raumschiffsrouten in aller Ruheauf das Schlachtschiff GANYMED zu warten, dessenKommandant den Befehl erhalten hatte, ausgeruhteMänner und Ausrüstungsgüter von der 32000Lichtjahre entfernten Erde abzuholen.

Die Situation im Großen Imperium, das neuerdingsnicht mehr von den Arkoniden, sondern von einemgigantischen Robotgehirn beherrscht wurde, hattevon selbst verboten, den Superriesen TITANweiterhin unterbesetzt zu lassen.

Rhodan hatte also gewartet, bis die stillen,primitiven Eingeborenen mit ihren entzückendenHaustierchen aufgetaucht waren. Erst später hatteman nach einem schweren Gefechtseinsatz auf Honurherausgefunden, daß die Tiere von unbekanntenIntelligenzen gezüchtet wurden. Das von ihnenproduzierte Gift wurde chemisch zu einem derfürchterlichsten Rauschgifte der Galaxis verarbeitet.

Dies war der erste Hinweis gewesen; ein Hinweisauf Intelligenzen, die der Arkonide Crest »Aras«genannt hatte. Man wußte bisher nur, daß dieseeigenartigen Geschöpfe ein noch seltsameresMonopol errichtet hatten.

Die Aras nannten sich die »Mediziner der

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Galaxis«. Nur ein paar Wesen dieser Spezies hatteman gefunden, aber sie konnten nicht mehr aussagen.

Rhodan erinnerte sich noch einmal an die letztenGeschehnisse.

Nachdem Oberst Freyt achthundert Männer an dieTITAN abgegeben hatte, war das Schiff wenigstenswieder flug- und gefechtsklar geworden, obwohl dievierzig Beiboote des Riesen wiederum nicht bemanntwerden konnten. Dazu kam noch die Tatsache, daßRhodans wertvollste Mitarbeiter ebenfalls erkranktwaren. Auch die Männer und Frauen desMutantenkorps hatten nicht ahnen können, wiegefährlich die kleinen Tiere waren. Nur Rhodan, derArkonide Crest, das Pelzwesen Gucky, der MutantWuriu Sengu und Leutnant Tifflor mit den Resteneines Stoßtrupps waren dem Unheil entgangen, da siesich zur Zeit der Vergiftung außerhalb des Schiffesauf einem Patrouillenflug befunden hatten. Damitwaren sie die letzten. Gesunden aus dem Gros deralten Besatzung.

Andere Männer, erfahren in den Schlachten desWegasektors, waren an Bord gekommen. Obwohl siealle eine arkonidische Hypnoschulung absolvierthatten, war es erforderlich gewesen, sie mit denEinrichtungen des neuen Superschlachtschiffesvertraut zu machen. Die TITAN war und blieb nuneinmal der letzte Flottenneubau des Imperiums.

Plötzlich löste sich in der großen Messe eineschwere Anrichte aus den Bodenverankerungen.Torkelnd stieg das stabile Einrichtungsstück in dieLuft empor, um kurz darauf donnerndherunterzustürzen. Ein Mann schrie gellend auf. Erwar am Fuß verletzt worden.

»Das ist das Ende«, stieß Professor Kärner verstörthervor. »Um Himmels willen, Sir, wenn dieMutanten ihre Kräfte einsetzen, kann größtes Unheilentstehen. Das war der Telekinet Tama Yokida. Ichhabe ihn bei seiner Konzentration beobachtet. GebenSie den Befehl!«

Rhodans Gesicht zuckte gequält. Seine hoheGestalt hatte sich in den letzten Tagen etwas gebeugt.Es war ihm aus tiefster Seele zuwider, was dieBordwissenschaftler als notwendig erkannt hatten.

»Muß es unbedingt sein?« flüsterte er. »Professor,ich kann doch nicht alle meine Männer ...«

»Sie können und müssen«, fiel Tina Sarbowna mitihrer tiefen, rauhen Stimme ein. Es war einrespektgebietendes Organ: die Stimme einer Frau diesich ihren Platz durch harte Arbeit und großesWissen erkämpft hatte.

»Ich behaupte nach wie vor, daß es sich um eineVergiftung handelt. Welche Nervenzentrenangesprochen werden, wissen wir nicht, oder nochnicht. Feststeht aber, daß die Leute Nahrung undGetränke verweigern. Die physische Auszehrungbeginnt bereits. Wollen Sie Ihre Freunde verhungern

lassen?«Rhodan löste die schweißfeuchten Hände von der

durchsichtigen Wand. Zwei langsam verdunstendeAbdrücke blieben zurück. »Stiller!«

Der auf dem Bildschirm erscheinende Ingenieurerhob den Kopf.

»Fangen Sie an! Aber ja nicht zuviel!«Das Knacken eines Schalters durchbrach die Stille.

Aus den Belüftern der großen Mannschaftsmesselösten sich weißliche Dämpfe. Verwehend undzerfetzend wurden sie von dem Frischluftstromdavongetragen, bis die ersten Schwaden zuckendeKöpfe und schreiende Männer umwoben.

Das völlig unschädliche, aber rasch wirksameBetäubungsgas blieb im Raum hängen. Die Entlüfterder im Alarm aufheulenden Klimaautomatik warenvon Stiller abgeschaltet worden.

Das Jauchzen und Brüllen mäßigte sich. Immerschneller fielen die Kranken in einen wohltuendenSchlaf. Reginald Bull, Rhodans Stellvertreter, schienkurz vor dem Absinken einen lichten Augenblick zuhaben. Fast war es, als begehre der untrüglicheGefahreninstinkt des untersetzten Mannes auf.

Er torkelte auf die transparente Wand zu, öffnetedie Lippen und sank dann mit einem verwundertenAusdruck in den blauen Augen zu Boden.

Es wurde still im Messeraum der TITAN. Ebensogeschah es in den anderen Abteilungen, in denen mandie Kranken eingeschlossen hatte. Die Frauen derBesatzung lagen in Thoras großräumiger Kabine.Auch dort war das sinnlose Lachen verstummt.

Die Entlüfter liefen wieder an. Innerhalb vonwenigen Augenblicken waren die Gasschwadenabgesaugt. Frischer Sauerstoff strömte ein.

Rhodan wandte sich mit hängenden Schultern ab.Weiter hinten öffneten Techniker die verschlossenenSicherheitsschotte. Die ersten Medoroboter flitzten inden Raum. Männer der neuen Besatzung hasteten mitaufblasbaren Notbetten heran. Die große Klinik desSchiffes reichte nicht aus, um alle Erkranktenaufzunehmen.

Auf den Kontrollbildschirmen derAußenbordaufnahme flimmerte die öde, trostloseLandschaft des Planeten Honur. Ein Ausschnittseiner kleinen, roten Sonne war am oberen Rande desSchirmes zu sehen. Draußen war alles still. Das großeLabor unbekannter Intelligenzen war längstausgehoben worden.

Die freigelassenen Nonos hatten sich in alle Windezerstreut. Von den in die Primitivität zurückfallendenEingeborenen war auch nichts mehr zu bemerken. Eswar, als hätte Honur niemals Leben getragen.

»Und jetzt?« fragte Rhodan tonlos. »Nun habenSie Ihren Willen. Und jetzt?«

Der Arkonide Crest schob sich in denVordergrund. Sein altes und doch so seltsam junges

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Gesicht war zerfurcht. Seine weißen Haareschimmerten im Licht der diffusen Beleuchtung.

»Springen Sie zurück ins Arkon-System, Perry«,empfahl er ruhig. »Wenn es Hilfe gibt, dann nur dort.Es wäre sinnlos, die Erde anzufliegen. IhreWissenschaftler besitzen bereits das medizinischeWissen meiner Rasse. Sie können nicht helfen. Alsobleibt uns nur zu hoffen übrig, daß man auf Arkonmittlerweile zu neuen Erkenntnissen gekommen ist.«

In Rhodans Gesicht sah man die innere Abwehr.»Arkon!« wiederholte er gepreßt. »Sie träumen,

mein Freund! Ihre degenerierte, lebensuntauglichgewordene Art wird alles andere getan haben, alsnach neuen Heilmitteln zu suchen. Der Wille zur Tatfehlt, verstehen Sie!«

»Versuchen Sie es trotzdem«, entgegnete Crestausdruckslos.

»Damit uns von dem Robotgehirn die so mühevollerrungene TITAN wieder abgenommen wird?« fragteRhodan. »Noch gilt mein Abkommen mit demAutomaten. Damit gehört das von Arkon III entführteSuperschlachtschiff uns, da wir schließlich etwasdafür getan haben. Was wird aber geschehen, wennwir uns in den unmittelbaren Machtbereich desGehirns wagen? Können Sie für die Handlungeneiner Maschine garantieren? Sind Sie fähig, einefundierte Prognose aufzustellen? Ich glaube nicht!«

»Werden Sie nicht bitter«, antwortete Crest. »DieTITAN gehört Ihnen. Ich habe eine Situationsstatistikaufstellen lassen.«

»Sehr schön! Wohl darüber, wie stark man hustenmuß, um einen Schub von 0,003 Gramm zuerzeugen?«

Die Wissenschaftler sahen sich stumm an. DerChef war am Ende seiner Nervenkraft. Plötzlich sehrruhig werdend, sagte er: »Was wollen Sie nun tun?«Kärner atmete auf und meinte: »Wir werden sofortdie künstliche Ernährung einleiten und durchInjektionen dafür sorgen, daß, die Erkrankten imTiefschlaf verweilen. Damit ist die akute Gefahrgebannt. Mittlerweile werden wir alles tun, um dieSymptome näher zu identifizieren. Die chemischenund biologischen Analysen laufen. Es wird sichfeststellen lassen, ob das Argono-Hexylamin wie einnormales Toxikum oder mehr wie die giftigenStoffwechselprodukte von Erregern wirkt. Wenn wires wissen, können wir besser ansetzen. Seien Sievorerst damit zufrieden, daß die Leute schlafen.«

Rhodan nickte, denn mehr war in diesem Stadiumnicht zu sagen. Dann blickte er nochmals in denMesseraum hinein. Die Mannschaften und Roboterwaren dabei, die Notbetten aufzustellen.

»Doktor Certch möchte Sie dringend sprechen,Sir«, quäkte eine Lautsprecherstimme.

Rhodan sah auf. Der Bildschirm zeigte dasschmale, abgespannte Gesicht eines jungen Mannes.

Leutnant Julian Tifflor hätte noch vor wenigenMonaten nicht im Traume damit gerechnet,demnächst zum galaktonautischen Führungsstabeines Superschlachtschiffes zu gehören. Er hatte denverträumten Blick verloren. Die Belastung machteauch einen Zwanzigjährigen zumverantwortungsbewußten Offizier.

»Certch?« fragte Rhodan zerstreut an. »Certch...?!«

»Unser neuer Robotpsychologe, Sir«, half Tiff aus.»Genau gesagt, handelt es sich um kybernetischeLogik.«

»Ah! Ich komme nach oben. Er soll in der Zentralewarten.«

Die Mediziner waren verschwunden. Rhodan, dersich plötzlich verlassen fühlte, warf noch einen Blickauf die besinnungslosen Gefährten. Wahrscheinlichgab es keinen besseren Weg, um sie vorVerletzungen zu bewahren.

Müde ging Rhodan auf den nächsten Antigravliftzu. Als er den Messegang verließ, war er unvermitteltallein. In diesem riesenhaften Raumschiff fielenachthundert Männer kaum auf. Sie hätten sich in der1500 Meter durchmessenden Kugelzelle mit ihrenzahllosen Räumen bequem verstecken können.

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Eversons riesiger, schwergebauter Körper nahmsich in dem hochlehnigen Pilotensitz etwasunglücklich aus. Schließlich war der Sessel für einenArkoniden konstruiert worden, was zur Folge hatte,daß die Konturen mit Captain EversonsHerkulesfigur nicht ganz übereinstimmten.

Er sah erst auf die Uhr, anschließend auf dieeingeschalteten Riesenbildschirme derRundumgalerie und - auf die nagelneuenRangabzeichen seiner Uniform.

*

Der ehemalige Leutnant Everson war erst voreinigen Stunden zum Captain befördert worden;wahrlich Grund genug für ein gelegentliches undmöglichst unauffälliges Hinabblinzeln auf dieRangabzeichen.

Hüstelnd sah er den hastenden Männern derZentralbesatzung nach. Die TITAN war klar zumStart. Tief unter ihnen wummerten bereits dieHochleistungskonverter der Kraftwerke inLeerlaufschaltung. Die Triebwerke schwiegen noch.

Man kann mich doch nicht einfach so sitzenlassen! sinnierte Everson laut. Leutnant Tanner,schmal, dunkel, lebhaft und begabt mit einemskurrilen Humor, erlaubte sich ein flüchtiges Grinsen.Marcus Everson war ein phlegmatisches Ungeheuer

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in Menschengestalt. Die Männer der Besatzungbehaupteten ernsthaft, man könne den Captain nurdurch den totalen Entzug der Essenrationen etwaslebhafter machen.

Wie sehr das den Tatsachen nicht entsprach, hatteBaby Everson beim letzten Einsatz bewiesen. Dersoeben von Perry Rhodan zum 1. Offizier ernannteGalaktonaut konnte sich bei angemessenenUmständen in die Abart einer brüllenden Sturmflutverwandeln; aber das war eine andere Sache!

»Aaaahachtung!« schrie jemand sehr rauh und sehrgedehnt.

Männer fuhren herum und nahmen Haltung an.Everson kniff schmerzhaft die Augen zusammen,griff mit seinen dicken Zeigefingern ostentativ an dieOhren, gönnte dem Schreier einen vorwurfsvollenBlick; und dann ging die Welt unter.

Eversons Klarmeldung kam mit der donnerndenGeräuschentwicklung einer davonsausenden Rakete.Perry Rhodan, der die Zentrale soeben betreten hatte,schaute zu seinem neuen I.O. hinüber.

»Vielen Dank, machen Sie nur weiter«, sagte er.Everson ließ sich schnaufend in den Sessel

zurückfallen.»Das war Klasse, Junge«, lobte er sich flüsternd.»Der Alte wedelt jetzt noch mit den Ohren«, fiel

Tanner ironisch ein.»Ich bin fertig mit der Programmierung. Nun will

ich sehen, wie dieser Riesenkahn vom Boden abhebt.Unvorstellbar, daß so etwas überhaupt fliegt.«

»Ich kann das«, behauptete Everson in ruhigerBescheidenheit. »Ich kann es wenigstensveranlassen.«

»Er hat sich anscheinend gefangen«, flüsterteTanner rasch.

Da wurden Eversons Augen hellwach. Sein Blickwar kurz, aber alles erfassend.

»Okay, das war auch notwendig. Es hat ihn Nervengekostet. Was will Dr. Certch?«

Prüfend sah Tanner zu dem exzentrischveranlagten Männlein mit dem riesigen Kahlkopfhinüber.

Dr. Orson Certch hatte den seltsamsten Beruf derneuen Wissenschaft ausgewählt. Psychologen hattees schon immer gegeben; aber diese Leute waren umdas Innenleben des Menschen besorgt gewesen.

Certch war auch ein Psychologe, aber erbeschäftigte sich mit dem fragwürdigen »Gedanken-und Gefühlsgut« von Robotern.

Everson schüttelte verwundert den schweren Kopf.Seine fleischigen Wangen gerieten dabei inBewegung.

»Nerven haben die Leute!« brummte er.Rhodan wich vor dem heranflitzenden Etwas

fluchtartig zur Seite. Dr. Certch machte auf demAbsatz kehrt, um den Kommandanten erneut mit

vorgerecktem Schädel und spitz ausgestrecktemZeigefinger anzugehen.

»Gut, daß ich Sie sehe, Sir«, schrillte seine hoheStimme. »Muß Sie unbedingt sprechen, sofort,unbedingt.«

Seine kleine, dürre Hand zuckte mitunwahrscheinlicher Schnelligkeit über diezahlreichen Außentaschen der Uniform hinweg.Schließlich fand Certch seine Unterlagen hinter dembreiten Kombigürtel. Der Robotpsychologe reichteRhodan bis zum Brustbein. Wenn aber jemand dieHandlungen einer seelenlosen Maschine mitBestimmtheit voraussagen konnte, dann war es daskleine Männlein mit dem gewaltigen Kahlschädel.

»Nun kommen Sie doch!« drängte Certch,nachdem er bereits dreimal Platz genommen hatte,um sofort wieder aufzustehen. Diesmal ließ sich auchRhodan auf einem Gliedersessel hinter der großenRechenmaschine des B-Sektors nieder.

Certch brachte seine Mitmenschen durch seineabgehackte Redeweise zur Verzweiflung.

Rhodan begann, unruhig zu würden. Certchgehörte zu den Leuten, die das Verhältnis zwischenKommandant und Mitarbeiter als eine Art vonstreitsüchtiger Freundschaft auslegten.

»Crest gab einen Berechnungsauftrag durch«,schrillte Certchs Stimme. »Interessant! Gefährlichobendrein. Hören Sie, Sir - wenn Sie Arkon wiegeplant anfliegen, werden wir das Wundern lernen.Der Robot wird zuschlagen, und zwar schneller undschmerzhafter, als wir es uns vorstellen können!«

Rhodans flüchtiges Lächeln verging. Er warplötzlich hellwach. Nur seine Augen fragten. Certchsenkte verwirrt den Blick, um danach ruckhaft denSchädel in den Nacken zu werfen. Wieder schoß seinZeigefinger vor. /

»Wieso, wollen Sie wissen? Okay, relativ einfach,sogar für einen Laien. Wir haben siebenhundertKranke an Bord, darunter die Mutanten. EineHeilung ist vorerst unmöglich. UnterBerücksichtigung der Tatsache, daß es auf Arkonauch kein Gegenmittel gibt, ist die Reaktion derMaschine mit hundertprozentiger Gewißheitabsehbar. Das Gehirn weiß, daß Ihre Erfolgegrößtenteils auf dem Einsatz der Mutanten beruhen.Schlachtschiffe vom Range der TITAN hat der Robotselbst. Die mechanische, rein mathematisch fundierteLogik wird dem Automaten sagen, daß Sie, Sir,unbrauchbar, zumindest aber weniger wertvollgeworden sind. Ohne Ihre besonderen Hilfsmittelzählen Sie nur noch als normal anzusehende Kraft.Ist das klar?«

Certch zwinkerte nervös mit den Augen. Rhodanentgegnete wieder nichts.

»Okay, also klar. Ihre Pluspunkte im Schema derpositronischen Berechnung liegen nur noch in Ihrer

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schnellen Entschlußfähigkeit. Geheime Waffenwerden von dem Robot vermutet. Eine Vermutungwird er aber nicht als positives Wertzeichen in seineAuswertung bringen. Also bleibt nur Ihre Tatkraft.Damit stehen Sie gerade noch etwas über derEinstufungsschablone eines Naat oder einer anderenIntelligenz. Das ist verzweifelt zu wenig, um esriskieren zu können, den direkten Machtbereich desRobotgehirns anzufliegen. Das wäre alles! Lassen Siedie Finger davon. Ich kann nur sehr dringendwarnen.«

Certch hüpfte mit einer flinken Bewegung aus demGliedersessel. Die Brille verschwand von seinergroßen Nase. »Einen Augenblick!« DerRobotpsychologe verhielt im Schritt.

Everson und Tanner sahen schweigend zu denbeiden ungleichen Männern hinüber. Tiff standbleichen Gesichts abseits. In der großen Zentraleherrschte plötzlich eine angespannte Atmosphäre.

Rhodan ging langsam auf den Wissenschaftler zu.Dicht vor ihm blieb er stehen.

»Da ich auch etwas von positronischer Logikverstehe, Doktor, nehme ich an, daß Ihre Auswertungüber das Verhalten des Riesenautomaten einzig undallein auf der Annahme fußt, daß auf Arkon keinHeilmittel vorhanden ist.«

»Stimmt!« bestätigte das Männlein knapp.»Was geschieht, wenn die Krankheit doch geheilt

werden kann? Wenn sie dem Robot bekannt ist?«»Situationsänderung um hundertachtzig Grad zu

unseren Gunsten.«»Danke sehr, Doktor. Natürlich wissen Sie genau,

daß man auf Arkon kein Serum kennt. In Ordnung,darüber brauchen wir nicht zu streiten. Nehmen wirdie schwärzeste Seite des Falles als gegeben an. Siekennen das Ulterman-Gesetz über dieHandlungsbewertung kybernetischerRechenergebnisse?«

Certch wurde argwöhnisch. Er wurde noch etwaskleiner.

»Ich kenne es auch, also handeln wir danach.Captain Everson!«

Der Riese fuhr aus dem Pilotensessel hoch. SeinGesicht war nicht mehr weich.

»Befehl an den Chefarzt durchgeben. Thora, Bullyund sechs andere Männer aus der erkranktenBesatzung dürfen nur in einen leichten Schlafversetzt werden. Ich möchte, daß die acht Personenjederzeit aufgeweckt werden können. Das ist alles.«

Everson wandte sich dem Bordsprechgerät zu. Dr.Certch staunte.

»Was haben Sie vor?« fragte er kehlig.»Nach dem Ulterman-Gesetz handeln«, wurde er

von Rhodan belehrt. »Wir zeigen acht Kranke vor.Die anderen Leute werden versteckt. Gucky undSengu werden dafür sorgen, daß der Robot einige

Beweise ihrer außerordentlichen Fähigkeiten erhält.Der Robot weiß nicht, daß wir achthundert neueLeute übernommen haben. Freyts kurzer Ausflug zurErde ist infolge des abschirmendenStruktur-Kompensators unbekannt geblieben, dankden Galaktischen Händlern, die dieses wunderbareGerät entwickelt haben. Wir sind mit siebenhundertMännern gestartet, mit siebenhundert kommen wirzurück. Eine klare Sache, oder? Acht Kranke weisenwir vor. Sie sind zu unerheblich, um als Minuspunktfür die Gesamtbewertung unserer Hilfeleistung zugelten. Zugleich erfahren wir, ob ein Heilmittelvorhanden ist. Zeigen Sie mir einen Haken, den ichübersehen haben könnte, Dr. Certch!«

Der Wissenschaftler zögerte - und dann kam seineFrage:

»Sie sind absolut sicher, daß die GANYMED nichtgeortet worden ist? Hyperraumsprünge können durchdie erforderlichen Strukturverschiebungenangemessen werden.«

»Bekannt! Der Kompensator verhindert eineOrtung absolut. Wo ist der Haken?«

»Keiner da«, knurrte Certch. »Nicht unter denVoraussetzungen. Sorgen Sie aber ja dafür, daß dieTITAN nicht inspiziert wird. Die acht Krankenspielen keine wesentliche Rolle. Ein nur kleinerFaktor! Okay, wenn ich ein Robot wäre, möchte ichSie nicht zum Gegner haben. Ich rechne die Sachenochmals durch.«

Rhodan schaute dem davonhastenden Männleinnach und sagte:

»Vielen Dank auch für die Warnung, Doktor!«Certch zeigte ein flüchtiges Lachen. Dann

verschwand er.»Start in zehn Minuten, Everson, Sie heben das

Schiff ab. Tiff, Nachricht an Freyt. Er soll eineMinute vorher starten.«

Rhodan blieb hinter dem Sessel des ErstenOffiziers stehen und überwachte EversonsAnweisungen. Chefing. Garand erschien kurz aufdem Bildschirm. Sein pausbäckiges Gesicht warschweißüberströmt.

Die Klarmeldungen der einzelnen Stationen liefenein. Freyts Bestätigung kam durch.

Neun Minuten später erwachte die auf denBildschirmen erkennbare GANYMED zum Leben.Das 840 Meter hohe und 200 Meter durchmessendeSchlachtschiff stand auf seinen riesigen Heckflossenknapp drei Kilometer entfernt.

Der aus den Heckdüsen brechende Feuerorkanverwandelte die staubtrockene Geröllwüste in einenkochenden Krater. Freyt hatte auf die Einschaltungder Partikel-Ablenkfelder verzichtet. Auf Honur gabes nichts zu verderben.

Aus den Lautsprechern der Geräuschaufnahmedröhnte das Inferno eines Weltuntergangs. Die

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mächtige Walze hob bedächtig ab. Der weißlicheImpulsstrom der Triebwerke wurde bläulich, umdann violett und schließlich fast unsichtbar zuwerden.

Anruckend wie ein springendes Ungeheuer zucktedie GANYMED in den Himmel. TiefesDonnergrollen erschütterte die trostlose Landschaft.Glühende, seltsam fluoreszierende Luftmassenkrachten in das Vakuum hinein, das die GANYMEDbei ihrem Gewaltstart hinterlassen hatte. Einheulender Orkan entstand aus heiterem Himmel. Erriß verflüssigtes Gestein mit sich, um es inunmäßiger Turbulenz irgendwo auf den Boden zuschmettern.

Das Schlachtschiff war verschwunden.Der Start der vielfach größeren TITAN war eine

Steigerung der entfesselten Gewalten ins Maßlose.Die 18 Riesentriebwerke im äquatorialen Ringwulstder 1500 Meter durchmessenden Kugel verwandeltendie flache Wüste in ein kochendes Lavameer.

Die Menschen verließen den Planeten einerfremden Zwergsonne mit dem stürmischen Eifersorgloser Götter. Sie starteten mitBeschleunigungswerten, die sie im Zeitraum vonwenigen Sekunden in den Weltraum brachten.

Zurück blieben aufgewühlte Luftmassen undblasenwerfende Bodenformationen. Zurück bliebenauch die possierlichen Tiere, die man Nonos genannthatte.

Mitgenommen hatten die Menschen nur ihreSorgen und Nöte. Knapp zehn Minuten nach demEintauchen in den leeren Raum erreichten die beidenSchiffe die einfache Lichtgeschwindigkeit. DieProgrammierung der Sprungautomatik war beendet.Arkon, Zentralgestirn des Großen Imperiums, lag nur47 Lichtjahre entfernt.

Perry Rhodan hatte die Anweisung erteilt, dieTransition durch den fünfdimensionalen Überraum>normal< auszuführen. Dies bedeutete eine deutlichanmeßbare Strukturerschütterung.

»Wenn das nur nicht ins Auge geht!« murmelteMarcus Everson vor sich hin, ehe er von den Kräftendes Entmaterialisierungsfeldes erfaßt und zurstofflichen Unwirklichkeit verformt wurde.

Die rote Zwergsonne Thatrel wurde zurflimmernden Scheibe. Dann verschwand sie.

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Arkon - Sinnbild der Macht, Keimzelle des GroßenImperiums und Heimatwelt der menschenähnlichenArkoniden; Arkon war durch die unerhört harte undzweckgebundene Initiative eines riesenhaftenRobotgehirns wieder zu dem geworden, was esimmer gewesen war: zum beherrschendenMittelpunkt der bekannten Galaxis.

Das Eintauchen der beiden Schiffsriesen in denNormalraum war für arkonidische Verhältnissealltäglich und selbstverständlich gewesen. Hier, wosich der Ballungspunkt des kosmischen Handelsherauskristallisiert hatte, herrschte ein nahezuwidersinniger Verkehr.

Dennoch waren Rhodans Schiffe sofortangemessen worden. Die fünftausend Raumfestungendes äußeren Abwehrgürtels hatten das gültigeKodezeichen verlangt. Rhodan hatte nur mit demveralteten Schlüssel antworten können, worauf sichdas Robotgehirn auf Arkon II direkt eingeschaltethatte.

Die erste Überraschung war sofort nach Aufnahmeder Funkverbindung gekommen. Der Automat, dersich selbst »Großer Koordinator« oder »Regent«nannte, hatte den Einflug der beiden Schlachtschiffein das innere System bewilligt. Dazu hatte Rhodanerfahren, daß seit fünf Tagen gültiger StandardzeitArkon II, die für den galaktischen Warenaustauschbestimmte Weit, wieder freigegeben worden war.

Das war eine Nachricht, die an Bord der TITANschlagartig zu den wildesten Vermutungen geführthatte. Als Perry Rhodan zum ersten Male in dasArkon-System eindrang, hatte der befehlendeGroßrobot noch eifersüchtig darüber gewacht, daßdie drei Arkonwelten ja nicht angeflogen wurden.Mittlerweile schien man die bedenklichenZerfallserscheinungen der arkonidischen Dekadenzaber so weit vertuscht zu haben, daß es die Maschineohne Prestigeverlust wagen konnte, den zahllosenraumfahrenden Völkern der Milchstraße erneut diealtgewohnte Landeerlaubnis zu erteilen.

Die Bahn des fünften Planeten der Sonne Arkonwurde überschritten. Wieder wurde ein Kodezeichenverlangt. Die beiden Schlachtschiffe wurden in dieinterplanetarische Anflugschneise 32-17eingewiesen; eine Maßnahme, die bei dem hierherrschenden Raumschiffsverkehr ohne weiteresangebracht war.

»Ortung in grün, zweiundneunzig Grad«, dröhntees aus den Lautsprechern. »Große Fahrzeuge,Schlachtschiffe der Imperiumklasse, drei Einheiten.«

Marcus Everson, zur Zeit als II. Pilot fungierend,riß den Schädel herum. Argwöhnisch suchte erRhodans Blick.

»Imperiumklasse?!« schnaufte der Captain.»Unser Geleitschutz. Ruhe an Bord, keine

Aufregung. Achtung, an alle Mitglieder der neuenBesatzung: Lassen Sie sich nicht zu vorschnellenHandlungen verleiten! Als wir hier zum ersten Maleauftauchten, sah die Situation wesentlich schlimmeraus. Wir wurden praktisch zur Landung auf demfünften Planeten gezwungen. Mittlerweile haben wirmit dem Robotgehirn ein Abkommen getroffen.Kümmern Sie sich nicht um die drei Einheiten der

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Arkonflotte! Hier kann kein bewaffnetes Schiffeinfliegen, ohne nicht sofort eskortiert zu würden.Reiner Selbsterhaltungstrieb des Automaten,verstehen Sie!«

Man hörte Rhodans Auflachen aus denLautsprechern brechen. Nervöse Männer sahen sichbeunruhigt an. Tanner, der augenblicklich als 1.Feuer-Offizier fungierte, nahm zögernd die Fingervon den Knöpfen der Waffenschaltungen.

»Keine Dummheiten!« mahnte Rhodan nochmals.»Schiffe schließen auf, fahren

Anpassungsmanöver«, gab Leutnant Tifflor aus derOrtungszentrale durch.

Die Automatik schaltete um. Die drei leuchtendenKörper wurden auf den Bildschirmen desGrünsektors erkennbar.

»Junge, drei Raumer der Imperiumklasse!«flüsterte Everson. »Sind die robotbemannt, Sir?«

»Nicht mehr ausschließlich. Vor einigen Monatenwar das Gehirn noch auf reine Fernsteuerungangewiesen. Das war unser Glück. Hätte der Regentschon damals fähige, wirklich denkende Besatzungengehabt, wären wir mit der gestohlenen TITAN wohlkaum entkommen.«

Everson verschluckte sich. Ein unsicherer Blickstreifte das Gesicht des Kommandanten.

Rhodan achtete nicht mehr auf die dreiSchiffsriesen, die man noch vor einiger Zeit als diegrößten ihrer Art angesehen hatte. Mittlerweile warendie Flottenneubauten der Universumklasse mit 1500Metern Durchmesser entstanden. Die TITAN gehörtedazu.

Rhodan fühlte eine leichte Beklommenheit, als ersich an sein Wahnsinnsunternehmen erinnerte.

Mit der für arkonidische Maßstäbe recht kleinenGANYMED waren sie fröhlich und alles riskierendin ein Sonnensystem eingeflogen, dessen Bewohnerbereits die überlichtschnelle Raumfahrt kannten, alsder Mensch noch in Höhlen hauste.

Rhodan hatte sich zu dem Arkonflug entschlossen,da er hier Hilfe gegen die akut gewordeneSpringergefahr zu finden glaubte. Nicht zuletzt hatteer auch dem Drängen von Crest und Thoranachgegeben, die nach 13 jähriger Abwesenheitendlich nach Hause gewollt hatten. Niemand hattedamit rechnen können, daß nur sechs Jahre zuvor derarkonidische Imperator gestürzt worden war. Nochferner hatte die Vermutung gelegen, das gigantischeRobotgehirn hätte die Verwaltung desArkonidenreiches übernehmen können.

Rhodan war zur Landung auf dem unwirtlichen 5.Planeten gezwungen worden, den er gegen dieAnweisungen des Gehirns mit einem Fernaufklärerverlassen hatte.

Auf Arkon I, der Kristallwelt, hatte er keine Hilfefinden können. So war er durch einen noch geistig

regsamen Admiral des gestürzten Imperators mitsamtseiner 50köpfigen Einsatzgruppe nach Arkon IIIgebracht worden, wo er als, »Hilfskraft«aufgenommen worden war.

Die Flucht mit der nagelneuen TITAN war ein Fallfür sich gewesen. Der Sprung über drei Lichtjahrehinweg hatte das Entkommen gesichert. Dann wardie ungewollte Landung auf dem Planeten Zaliterfolgt, dessen diktatorischer Herrscher der Meinunggewesen war, Perry Rhodan als Verbündeten gegendas allmächtig werdende Robotgehirn gewinnen zukönnen.

Rhodan hatte gedanklich umgeschaltet, als ererkannt hatte, daß die Bewohner des Planeten Zalitunter der geistigen Kontrolle von quallenartigen,telepathisch und suggestiv begabten Lebewesenstanden, die Crest als »Mooffs« bezeichnet hatte.

Ein harter Kampf war ausgebrochen, derschließlich infolge seines günstigen Ausgangs zuRhodans Anerkennung durch das Robotgehirngeführt hatte. Der Robot hatte in klarer Konsequenzversucht, Rhodan als Verbündeten zu gewinnen. Eswar eine recht logische Handlung gewesen, da dieMaschine kaum über organisch lebende Hilfskräfteverfügte. Rhodan hatte die Mooff-Gefahr gebanntund dafür als Entgelt das entführteSuperschlachtschiff TITAN erhalten.

Das war die Ausgangssituation gewesen dieRhodan schließlich dazu verleitet hatte, Oberst Freytmit der GANYMED zur Erde zu schicken, da derneuerworbene Schiffsriese mit nur siebenhundertMann unterbesetzt gewesen war.

Auf der Welt Honur, auf der man in Ruhe auf dieneuen Männer von Terra hatte warten wollen, warschließlich durch die geheimnisvollen Lebewesen dieVergiftung erfolgt.

Jetzt flog man zum zweiten Male in dasArkon-System hinein. Aber Rhodan war zutiefstbeunruhigt, denn seine besten und erfahrensten Leutewaren erkrankt. Die Handlungen des Robotgehirnskonnten sich zur Katastrophe auswirken, sobald eserkannte, daß die Mutanten nicht mehr einsatzfähigwaren. Rhodan setzte alles auf eine Karte.

Als auf den Bildschirmen des überlichtschnellarbeitenden Ultraorters zwei Arkonweltenauftauchten, wurde er an die monströsen Mooffserinnert. Das war eine Angelegenheit, die maninfolge der überraschenden Geschehnisse auf Honurtotal vernachlässigt hatte.

Als Rhodan eben darüber nachdachte, meldete sichder Robotpsychologe Dr. Certch über Bildsprech.

»Certch spricht«, erklärte er überflüssigerweise.»Neue Daten, Sir. Sind Sie sich darüber klar, daß derAutomat unsere Erlebnisse als geringfügig einstufenwird? Er täte es natürlich nicht, wenn er über dieExistenz von rund siebenhundert Kranken informiert

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wäre. Da Sie jedoch nur mit acht Leuten aufwartenwollen, wird das Gehirn zu dem Ergebnis kommen,daß allerhöchste Anstrengungen zur Erlangung einesHeilmittels überflüssig sind. Es ist ihm gleichgültig,ob acht unbedeutende Menschen sterben oder nicht.Sehen Sie das ein?«

»Ich hatte mich soeben damit beschäftigt.«»Ah, großartig! Da war jedoch die Sache mit den

Mooffs. Das Gehirn wird die Beseitigung dieserGefahr sehr hoch einstufen. Schließlich haben Sieden Nachweis erbracht, daß der Aufstand der Zaliternur auf das unheimliche Wirken der Mooffszurückzuführen war.«

»Richtig und doch falsch«, entgegnete Rhodan.»Ich habe das Gehirn darüber belehrt, daß die Mooffsniemals aus freiem Willen gehandelt haben. Dieseintelligente Art ist schon durch ihre körperliche Formungeeignet, entscheidend in die galaktische Politikeinzugreifen. Hinter den Mooffs stecken andereIntelligenzen, von denen die Quallen praktischmißbraucht wurden.«

»Darauf will ich hinaus. Glauben Sie nur nicht, derRobot hätte das nicht auch erkannt. Wir sindüberraschend schnell eingelassen worden. Manerteilte uns Landeerlaubnis. Das heißt, daß manetwas von Ihnen will. Da Sie eine kampfkräftigeBesatzung an Bord des stärksten Schiffes aller Zeitenvorweisen können, wird man Sie, das heißt uns, inden Einsatz schicken, denn Sie haben sichverpflichtet, die Interessen des Großen Imperiums zuwahren. Bereiten Sie sich darauf vor, daß der Robotmit einer kurzen Bemerkung über die Krankheithinweggehen wird. Er wird die acht Menschenabschreiben. Bedauerlich, aber nicht zu ändern! Dasliegt in der positronischen Logik, die keine Gefühleberücksichtigt. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen,daß man uns postwendend aussenden wird, um dieMooff-Gefahr endgültig zu bannen. Schließlich istdas Gehirn davon überzeugt, daß wir nach wie vorüber das Mutantenkorps verfügen. Ich schätze, daßman uns zur Heimatwelt der Mooffsabkommandieren wird. Nun kommen Sie inmittendieser gigantischen Weltraumfestung nur nicht aufdie Idee, den Befehl zu verweigern. Ihr damaligesEntkommen war ein Überraschungsschlag. Einzweites Mal wird es nicht gelingen.«

»Ich habe verstanden, Dr. Certch!« sagte Rhodan.»Vielen Dank. Ich dachte an ähnliche Dinge.Übrigens: Was würden Sie sagen, wenn ich dieAbsicht hätte, die Heimatwelt der Mooffsanzufliegen?«

»Das wäre eine Überraschung!« ließ sich Certchverblüfft hören.

»Erscheint Ihnen das nicht logisch? Wir habenkeine Anhaltspunkte über die Tätigkeit dieser Aras,wie sie von Crest genannt werden. Ich vermute

jedoch, daß sie für alles verantwortlich sind; auch fürdie Revolution auf Zalit. Was liegt also näher, als aufdem Heimatplaneten der Mooffs zu versuchen, dieEreignisse aufzuschlüsseln? Schließlich kann ichinfolge unseres Täuschungsmanövers das Gehirnnicht zwingend davon überzeugen, daß wir unseigentlich zuerst um diese galaktischen Mediziner zukümmern hätten. Dazu müßte ich siebenhundertKranke vorweisen und nicht nur acht an der Zahl.«

Certch antwortete: »Um Gottes willen nichts vonden siebenhundert erwähnen. Das wäre unserUntergang. Aber wenn Sie selbst meinen, auf demMooff-Planeten nähere Hinweise finden zu können,dann fliegen Sie getrost los. Jetzt frage ich mich nurnoch, warum Sie unter diesen Gesichtspunktenüberhaupt nach Arkon gegangen sind? Dann hättenwir ja gleich in die rechte Richtung fliegen können,oder?«

»Zufälligerweise brauche ich aber Daten über dieHeimat der Mooffs, Sie kleiner Alleswisser«,antwortete Rhodan.

»Verzeihung«, grinste Certch. »Ich will meinGenie nur etwas bestätigt sehen, wissen Sie. Dazumuß man Einwände machen.«

Rhodans fürchterliche Verwünschung verhallte inabgestellten Mikrophonen.

Die beiden Schlachtschiffe flogen befehlsgemäßmit 10 Prozent Unterlichtgeschwindigkeit. HöhereWerte waren innerhalb des Arkon-Systems nichterlaubt.

Dennoch reichte die Fahrt aus, um die beidensichtbaren Planeten der Vereinten Synchronweltenrasch näher rücken zu lassen.

Arkon, die ursprüngliche Heimatwelt derArkoniden, war im Laufe der Entwicklung zu kleingeworden. So hatten die hochaktiven Vorfahren derheutigen Arkonbewohner mit Hilfe ihrerphänomenalen Technik die ehemaligen Planeten IIund IV aus ihren natürlichen Umlaufbahnen gezerrt,um die beiden Himmelskörper praktisch der drittenWelt anzugliedern.

So war ein Dreiersystem im System entstanden!Drei Planeten, zwei davon künstlich herbeigeschafft,umliefen seit 15000 Jahren irdischer Zeitrechnungdie Sonne Arkon auf genau gleichen Kreisbahnen,mit genau gleichen Achsenneigungen undBahngeschwindigkeiten.

Es war Arkon! Nummer eins, die Kristallwelt,diente nur zu Wohnzwecken. Nummer zwei war demgalaktischen Handel und der Industrie desSternenreiches vorbehalten. Nummer drei war derPlanet des Krieges, der gigantischsten Raumflottealler Zeiten und der Sitz des Robotgehirns. Die altenArkoniden hatten offenbar für die Ewigkeit gebaut.Nichts hatte sich in ihrem interstellaren Arrangementverändert, bis auf ihre späten Nachkommen, deren

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kulturelle, geistige und auch wirtschaftlicheÜbersättigung zur völligen Dekadenz geführt hatte.

Entschlußlosigkeit und Sittenverfall hattenschließlich dafür gesorgt, daß der vor vielen tausendJahren programmierte Riesenroboter die Geschickedes Imperiums übernommen hatte. Anscheinendhatten die alten Arkoniden geahnt, daß eine imÜberfluß und Wohlstand schwelgende Rasse demkörperlichen Siechtum verfallen mußte.

*

In diesen galaktischen Hexenkessel waren nun dieMenschen eingetaucht, ohne zu ahnen, daß sie sichdamit indirekt der zweckgebundenen Gesetzgebungeines positronischen Robotgehirns unterwarfen.

Rhodan riß sich von dem atemberaubendenAnblick der beiden erkennbaren Welten los. ArkonNr. 1 war vom Standort der TITAN aus nicht zusehen. Es wurde von der flammenden Sonneverdeckt.

Ein Schalter knackte. Tifflors Gesicht erschien aufdem Kontrollbildschirm. Rhodan befahl: »Tiff, rufenSie den Regenten auf der bekannten Hyperfrequenzan. Dringendzeichen durchgeben. Ich bitte um eineUnterredung noch vor der Landung. Schalten Sie umauf die Zentralschirme! Danke.«

Drüben, jenseits der durchsichtigen Trennwand ausPanzerplastik, begannen die mächtigenHyperkomaggregate des Superschlachtschiffes zuarbeiten. Die Männer der Zentralebesatzung sahensich bedeutungsvoll an. Der Augenblick schiengekommen zu sein.

»Verbindung klar, ich lege um«, kam Tiffs Stimmedurch.

Rhodan drehte bedächtig den hochlehnigenPilotensessel nach rechts. Auf einem Sektor derRundumbildflächen erschien das Verworrene in sichzerlaufende Farbmuster der eingehenden Sendung.Sekunden später entwirrten sich die Linien. Diegebuckelte Panzerschale inmitten der großen Halleerschien. Es war ein nur winziger Ausschnitt desGehirns; aber es schien ein wichtiger zu sein.

»Rhodan von Terra an den Großen Koordinator«,sprach Perry in das Mikrophon. Sein Gesicht warunbewegt.

»Ich höre!« kam die kühle, unmodulierte Antwort.Neugierde schien der Robot nicht zu kennen. Erfragte auch nicht nach dem Grund des Anrufs.

»Ich bitte um die sofortige Bereitstellung einesarkonidischen Ärzte-Teams. Ich habe acht Kranke anBord.«

»Welcher Art ist die Erkrankung?«»Unbekannt. Anscheinend eine Vergiftung. Ich bin

nach dem abgeschlossenen Einsatz auf Zalit auf derWelt Honur gelandet, um dort meine Besatzung in

aller Ruhe zu schulen. Kleine Tiere tauchten auf. Wirerkannten zu spät, daß sie giftige Stoffeausschieden.«

»Warten Sie!«Schlagartig kamen die flimmernden Linien zurück.

Rhodan fuhr unter der Berührung durch eine zartePfote zusammen. Gucky, das Pelzwesen, warplötzlich neben dem Sitz erschienen.

Die großen grauen Augen des Mausbibers fragten.Kaum einen Meter hoch, saß das fähigste Lebewesenan Bord des Schiffes auf seinem verdicktenHinterteil, das Gucky das eigentlich Komischeverlieh.

»Schwierigkeiten?« fragte die vergrößerteMickymaus.

Rhodan winkte unmerklich ab. Guckys rosigePfoten blieben auf der Lehne des Sessels liegen.Plötzlich war die stählerne Sektorkuppel wieder zusehen.

»Angaben überprüft. Planet Honur ist seit vierJahrtausenden gesperrt. Giftträger sind bekannt. DasHautsekret der niederen Intelligenzen bewirkt inungereinigter Form die Zerstörung organischerNervenzellen. Chemisch aufbereitet dient das Gift alsGrundstoff des bekannten Rauschmittels Kan'or. Dergalaktische Handelsring ist vor achthundert Jahrenvon der Arkonflotte zerschlagen worden. NochFragen?«

Rhodan hatte sich etwas verfärbt. Weit hintenstürzte der Biologe Janus van Orgter in die Zentrale.Schwer atmend rannte er näher.

»Wir ahnten nichts von der Gefahr«, gab er raschzurück. »Acht meiner Leute sind mit den Tierendirekt in Berührung gekommen. Der Zustand istbeängstigend. Thora, aus der Dynastie der Zoltral, istebenfalls unter den Vergifteten. Ich habe dasKommando über die TITAN erhalten. Ich bittedringend um Hilfe.«

Das Gehirn schaltete schnell. Überflüssige Fragenkamen nicht aus dem Lautsprecher. Es wußte bereits,warum Rhodan angeblich auf Honur gelandet war.

»Die Symptome sind nur bekannt. Sie warenunvorsichtig. Landen Sie auf Arkon zwei. Ich werdeeine Hilfeleistung versuchen. Warum bezeichnetenSie Ihren Anruf als dringend?«

Rhodan hielt eine Verwünschung zurück. Dr.Certch war nun auch erschienen. Er wedeltebeschwörend mit beiden Armen. Er wollte sagen, daßder Robot das Ersuchen um Heilung der Krankenniemals als dringend ansehen würde. Rhodanverstand. Es schien ungeheuer kompliziert zu sein,gefühlbedingtes, organisches Denken auf die eiskalteLogik einer monströsen Rechenmaschineumzustellen.

»Ich habe Hinweise über die wahren Urheber desZalit-Aufstandes entdeckt. Die Mooffs sind selbst

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beeinflußt worden. Die Vergiftung geschahplanmäßig. Genauere Daten später, Regent. Wirentdeckten eine getarnte Zentrale der GalaktischenMediziner, die von Crest aus der Familie der Zoltralmit dem Namen Aras bezeichnet wurden.«

»Welcher Art war die Zentrale?«»Ein Großlabor, in dem die von uns Nonos

genannten Tiere gezüchtet wurden. Das Körpersekretwurde zu Rauschgiften verarbeitet. Ich bin davonüberzeugt, daß die Lösung des Rätsels bei diesenAras liegt. Ich bitte um genaue Daten. Wo sind dieLeute anzutreffen? Unsere Bordkartei sagt nur aus,daß die Aras dasmedizinisch-biologisch-pharmazeutische Monopol inder Galaxis besitzen. Wo sind sie zu finden?«

Der Bildschirm wurde von einer fluoreszierendenLichtfülle überflutet.

»Antwort negativ, passen Sie auf!« sagte Dr.Certch.

Dann kam das Bild der Stahlkuppel zurück. DasGehirn hatte in schneller Reaktion das Wesentlicheder Anfrage erkannt. Es lehnte ab, ohne dasWörtchen »Ablehnung« auszusprechen.

»Überall und nirgends! Unser Abkommen siehtnicht vor, wertvolle Zeit zu vergeuden. Es muß alswidersinnig betrachtet werden, das Mooff-Problemzurückzustellen. Ich halte es für zwecklos Ihnenfragwürdige Daten über die Rasse der Aras zugeben.«

»Sind sie denn fragwürdig?« fiel Rhodan ein. »Ja.Meine Unterlagen geben keine genauen Aufschlüsse.Wenn die Heilung Ihrer erkrankten Leute nichtgelingt, müssen die Leute aufgegeben werden. Ichschlage Ihnen folgendes vor, Rhodan von Terra!Wenn Ihre Vermutung, die Mooffs wären von denAras vorgeschickt worden, richtig ist, besteht dieWahrscheinlichkeit, daß Sie auf Mooff Sechs nähereHinweise erhalten. Aber Sie müssen sich beeilen, daeine teilweise robotgesteuerte Flotte unter demKommando von Admiral Vetron ausgeschickt wurde,um den sechsten Planeten des Sternes Mooff zuvernichten. Ich sah keine andere Lösung. Sie habenes versäumt, mich zeitgemäß über Ihre neuenEntdeckungen zu informieren.«

»Ziehen Sie den Befehl zurück!« forderte Rhodanin höchster Erregung. »Sie vernichten die wenigenSpuren.«

»Der Angriff hat noch nicht begonnen. Landen Siesofort und führen Sie Ihre Kranken vor. Es wird sichinnerhalb kürzester Zeit erweisen, ob ich helfen kannoder nicht. Ende.«

Rhodan schrie noch einige Fragen hinaus, bis ererkannte, daß die Maschine abgeschaltet hatte. Blaßdrehte sich der Kommandant um.

Sogar Certch schwieg. Crest, der arkonidischeWissenschaftler, kam bedächtig näher. Auf den

Schirmen der Rundumerfassung leuchteten diesichtbaren Arkonplaneten schon apfelgroß.

Ein Warnimpuls der drei Begleitschiffe kam durch.Everson sagte leise:

»Bremsmanöver in zwei Minuten, Sir!«»Landen Sie ruhig«, fiel Crest ablenkend ein.

»Wenn das Gehirn erklärt, die Untersuchungbeanspruche nur kürzeste Zeit, so ist damitbestenfalls eine halbe Stunde gemeint. Ist bis dahinkein Gegenmittel in dem vorhandenenMedikamentenvorrat entdeckt worden, können wirsofort wieder starten. Weiteres Warten wäre sinnlos.Der Robot wird keine besonderen Anstrengungenwegen einiger Menschen unternehmen.«

»So ist die Sachlage«, rief Certch. »Wir solltenüberhaupt nicht landen.«

Gucky folgte dem auf und abschreitendenKommandanten mit den Blicken. Tiefe Melancholieschimmerte in den großen Augen des Pelzwesens. Esspürte Rhodans Seelennot.

»Wer ist dieser Admiral Vetron, Crest? KennenSie ihn?«

»Dem Namen nach. Ein jüngerer Raumoffizier. Erwird die Befehle des Gehirns fraglos ausführen.«

»Der Bursche zerschlägt uns alle Hoffnungen«,sagte Rhodan. »Doktor Certch, was empfehlen Sie?«Doktor Certch antwortete: »Landen, Untersuchungabwarten, die Kranken wieder an Bord nehmen unddem Robot die Vollmacht abringen, dieMooff-Angelegenheit selbst erledigen zu dürfen.Wenn wir vor dem Mooff-Planeten ankommen,müssen Sie in der Lage sein, den Angriff sofortabzubrechen.«

Rhodan ging auf seinen Kontrollsitz zu. DieAutomatik gab bereits Rotwert. Die dreiBegleitschiffe hatten mit dem Bremsmanöverbegonnen. Die beiden Planeten waren zurKürbisgröße angewachsen.

Augenblicke später begannen die Triebwerke derTITAN zu dröhnen. Die hohe Fahrt wurde mitGegenschub von 500 Kilometern proSekundenquadrat abgebremst. Die Fernsteuerzentraledes II. Arkonplaneten meldete sich.

Während das Superschlachtschiff mitaufbrüllenden Korrekturtriebwerken eingeschwenktwurde, erklärte Rhodan über die Bordverbindung:

»Kommandant an alle! Die Landung erfolgt inetwa fünfzehn Minuten. Sorgen Sie dafür, daß dieKranken unter keinen Umständen gefunden werdenkönnen. Die Mediziner bitte auf den Alarmpostenbleiben. Notfalls Betäubungsgas anwenden. Esdürfen keine Schreie oder verfängliche Rufedurchkommen, da es ungewiß ist, ob wir Besucherhalten oder nicht. Achtung, Professor Kärner -bringen Sie Thora, Bully und die sechs anderenMänner in das Bordlazarett. Sie dürften dort

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vermutlich von Robotern abgeholt werden.Verwischen Sie die Spuren der erfolgtenKlinikbenutzung. Alles muß einwandfrei sauber sein.Notbetten verschwinden lassen. Klinikbetten frischbeziehen. Wir werden wahrscheinlich nach kurzemAufenthalt erneut starten. Ich werde auf denVorschlag des Robots eingehen, um damit ernsthafteVerwicklungen von vornherein zu beseitigen.Außerdem haben wir keine andere Wahl, als aufMooff Sechs zu versuchen, Klarheit in dieGeschehnisse zu bringen. Das wäre alles für denAugenblick. Vorläufige Gefechtsbereitschaftherstellen, Ende.«

Rhodan schaltete ab, als der Superriese dröhnendin die oberen Luftschichten von Arkon II eintauchte.

*

Arkon II - ein etwa erdgroßer Himmelskörper miteiner Schwerkraft von 0,7 Gravos; technifiziertes,industrialisiertes Gebilde von vollendeterFugenlosigkeit - die Welt der robotgesteuertenMammutfabriken, der riesenhaften Raumhäfen.Außerdem war er der Umschlagplatz für denintergalaktischen Handel.

Die weißflammende Arkonsonne hing in einemleicht dunstigen, wolkenlosen Himmel. Dieser zweitePlanet der synchronisierten Dreiergruppe war diewirtschaftliche Großmacht in der Milchstraße. Diehier fabrizierten Güter waren nicht nur qualitativhochwertig, sondern auch quantitativ ausreichend,um mit ihnen sämtliche Kolonialweltenüberschwemmen zu können; Es gab kaum etwas, wasauf Arkon II nicht hergestellt wurde.

Der Raumhafen von Olp'Duor wimmelte vonHandelsschiffen aller Art. Rhodan erhieltGelegenheit, die Konstruktionen menschenähnlicherund Fremder Lebewesen zu bewundern.

Seltsame Gebilde ragten hier und da vom Bodenauf. Noch seltsamere Geschöpfe verließen mit mehroder weniger schweren Schutzanzügen die Pfortenihrer Raumfahrzeuge.

Die vollautomatischen Verladeanlagen des Hafensarbeiteten mit Hochdruck. Crest schätzte den Wertder tagtäglich auf Olp'Duor umgeschlagenen Warenauf etwa 8 Milliarden Solar irdischer Währung. Aberdies war nur ein Raumhafen von 300.

Schwerfällig wirkende Frachter dröhntenunablässig in den Himmel. Andere kamen mitwildem Getöse an. Es war unvorstellbar, welcheTriebwerke und sonstige Maschinen auf diesemGelände angehäuft waren.

Die Kugelform herrschte nur bei arkonidischenRaumern vor. Zumeist sah man walzenartige odersehr schlanke Konstruktionen. Hier landeten dieSendboten fremder Völker, die in den meisten Fällen

aus ehemaligen Arkonauswanderern hervorgegangenwaren.

Sie glichen ihren Vorfahren in nichts mehr. DieJahrtausende und Jahrzehntausende hatten einenSchlußstrich unter die arkonbedingte biologischeEntwicklung gezogen.

Die sehr späten Nachkommen früherer Kolonistenhatten sich längst den jeweiligenUmweltbedingungen angepaßt. MannigfaltigeEinflüsse hatten dabei eine entscheidende Rollegespielt. Angefangen mit den vorherrschendenSchwereeinflüssen anderer Himmelskörper bis hinaufzur kosmischen Strahlung, den Temperaturen,atmosphärischen Zusammensetzungen undbiochemischen Gegebenheiten waren körperliche undauch geistige Verformungen entstanden, die mit denalten Arkoniden oftmals kaum noch Arme und Beinegemein hatten.

Alle aber dachten sie, lebten sie und arbeiteten sie.Rhodan hatte Arkon II als kosmischenAmeisenhaufen bezeichnet.

Arkoniden waren nur sehr wenige zu sehen. Wennsie aber auftauchten, geschah, es mit dercharakteristischen Müdigkeit ihrer Rasse. DasRobotgehirn hatte zu zwangsweisenHypnoschulungen gegriffen, jedoch hatte es sichherausgestellt, daß der nach uraltenProgrammierungen handelnde Automat die BegriffeWissen und körperliche Leistungsfähigkeitverwechselt hatte.

Die nach anderen Idealen strebenden Gehirne derArkoniden waren kaum noch aufzurütteln. Geschahes aber, so machte der anfällig gewordeneOrganismus nicht mehr mit.

Genau betrachtet, war Arkon jedoch am Ende. Dieentscheidende Initiative ging von den Schaltungeneines Großrobots aus, an dem Dutzende vonTechniker- und Wissenschaftlergenerationen gebauthatten. Rhodan wußte, daß die Maschine mit all ihrenzahllosen Nebenschaltungen eine Bodenfläche vonetwa 10000 Quadratkilometern beanspruchte.

Das Superschlachtschiff - TITAN war nahe deröstlichen Platzbegrenzung fernsteuertechnischgelandet.

Die von der TITAN verkörperte Machtfülle ließsich erst dann abmessen, wenn man aus größererEntfernung näher kam. Das gelandeteSuperschlachtschiff sah aus wie ein kugelrunder Bergvon 1500 Metern Höhe, in der Mitte umgeben voneinem reifenartigen Ringwulst, in dem die meistender auf Olp'Duor gelandeten Handelsraumer bequemPlatz gefunden hätten. Ein jedes der 18Titantriebwerke hatte durchschnittlich dieAbmessungen kleinerer Raumschiffe.

In diesem Gebilde aus Arkonstahl und geballter,spielerisch gebändigter Energie warteten 800

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gesunde Männer. Die 700 Erkrankten ahnten nichtsvon der Zwischenlandung auf Arkon II.

Leutnant Tanner saß seit einer knappen Stunde vorder Feuerorgel, wie man das Waffen-Hauptleitgerätnannte. Impulsgeschütze und Desintegrator-Kanonenlauerten mit summenden Gleichrichtungs- undAbstrahlungs-Kraftfeldern hinter den nochgeschlossenen Klappen der Panzertürme.

Die TITAN war klar zum Gefecht, die nur knapp1000 Meter entfernt gelandete GANYMED ebenfalls.

Das Gelände war für den Verkehr hermetischabgeriegelt worden. Dennoch tauchten auf denBildschirmen der Vergrößerungsautomatik immermehr fremdartige Lebewesen auf, die mit Neugierdeund Angst in den Gesichtern zu dem Gigantenhinüberstarrten.

Es gab erst zwei Flottenneubauten derUniversumklasse. Die TITAN gehörte dazu.Nirgends konnte daher ein Universumriese mehrBeachtung finden, als auf einem Raumhafen des 2.Arkonplaneten.

Rhodan sah auf die Uhr. Die mächtigenBildschirme der Panoramagalerie zeigten dasGelände so, wie es war: überschwemmt von allenmöglichen Raumschiffen, Roboterkommandos undschweren Verladeeinrichtungen.

»Sie haben sich getäuscht, mein Freund«, meinteRhodan zu Crest. »Die Untersuchung dauert längerals nur dreißig Minuten.«

In diesem Augenblick kam der Mausbiber vonseinem dritten »Ausflug« zurück. Das mit derEigenschaft der Teleportation begabte Lebewesenmaterialisierte mitten in der Zentrale. CaptainEverson fuhr daher fluchend zurück, als der einMeter hohe Mausbiber plötzlich vor ihm entstand.

Gucky grinste mit seinem riesigen Nagezahn.Dann tippelte er auf seinen kurzen Hinterbeinen zurHauptkontrolle hinüber.

»Und ...?« fragte Rhodan kurz. Gucky schwangsich ächzend auf den nächsten Sitz. Seine rundenMauseohren lauschten zu den anderen Männernhinüber.

»Schlecht, Chef. Sie sind noch immer in dieserKlinik. Vier Arkoniden untersuchen sie, dazu einigeRobotmaschinen. Es sieht nicht so aus, als wollteman ihnen etwas antun. Ich habe mich für einigeAugenblicke gezeigt. Die Leute sind vielleichttürmen gegangen, ha!«

Gucky lachte laut und schrill. Die zarten Haareseines rotbraunen Pelzes richteten sich in derNackengegend steil auf.

»Du sollst nicht Bullys schlechten Wortschatzübernehmen«, knurrte Rhodan. »Türmen gehen - soetwas!«

»Okay, sie sind also mit Tempo zwanzigabgezittert«, pfiff Gucky. »Das war ein Spielchen!«

»Crest, kümmern Sie sich bitte um dievernachlässigten Manieren dieses Offiziers«, befahlRhodan.

»Leutnant Guck«, zwitscherte der Mausbiberbegeistert. »Das bin ich! So ist es richtig, wenn ichim Dienst bin, soll mich ja niemand Gucky nennen«Rhodan verbiß ein Lächeln. Plötzlich fuhr derMausbiber zusammen. Seine großen Samtaugenwurden starr.

»Thora kommt«, sagte er tonlos. »Ich spüre ihreImpulse. Sie ist noch immer krank.«

Wieder schaute Rhodan auf die Uhr. Die achtKranken waren noch immer nicht zurückgekommen.Vor einer Stunde hatte ein Robotkommando sieabgeholt.

Die Glocke des normal lichtschnellen Telekomssprach an. Oberst Freyt, Kommandant desSchlachtschiffes GANYMED erschien auf demBildschirm.

»Sir, wir haben ein großes Fahrzeug auf denSchirmen. Die Kranken kommen zurück. Außerdemnähert sich uns ein riesenhaftes Ding mit Greifarmen.Sieht aus wie eine Beladungsmaschine. Ich bitte umAnweisungen, Sir?«

»Warten Sie. Das Gehirn wird sich meiden. Ichhabe Frischwasser und Lebensmittel angefordert.Eine Auffüllung der Magazine vor dem Einsatz istunbedingt notwendig. Sie benötigen für 500 MannVerpflegung. Nehmen Sie alles, was Sie kriegenkönnen. Das Gehirn versprach, eineVerproviantierungsliste aufzustellen. Bei derungeheuren Präzision dieser Maschine dürfte allesangeschleppt werden, was eine große Besatzungbenötigt.«

Freyt verzog die Lippen. Etwas wie Ekelschimmerte in seinen Augen.

»Aber synthetische Lebensmittel. Gerade nichtmein Fall, Sir.«

»Fremde Völker, fremde Sitten. Sie werden kaumeine Vorstellung davon haben, was die arkonidischeChemie mit Hilfe einer erstklassig funktionierendenPhotosynthese herzustellen vermag! Warum soll manden Umweg über das pflanzenfressende Schlachttierwählen, wenn man besseres, reineres und humanergewonnenes Fleisch in Direktherstellung beziehenkann? Glauben Sie nur nicht, daß man Ihnenwiderlich aussehende Nahrungsmittel anbieten wird.Auf Arkon versteht man zu leben; und dort ernährtman sich seit Jahrtausenden mit Hilfe derkünstlichen. Photosynthese. Also machen Sie IhreLuken auf und kommandieren Sie dieVerladungsroboter ab.«

Freyt legte die Hand an die Mütze. Der Bildschirmverblaßte. Zehn Minuten später meldete sich vorSchleuse 28 das Robotbegleitkommando. Thora,Bully und die sechs anderen Männer wurden

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kommentarlos abgeliefert.Rhodan lief nach unten. Schwer atmend beugte er

sich über das blasse, abgezehrte Gesicht der jungenArkonidin. Thora wirkte rührend hilflos, aber sieatmete ruhig und gleichmäßig.

»Tiefschlaf!« stellte Professor Kärner fest. »Alsowar die Untersuchung negativ. Was nun?«

Wortlos nahm Rhodan den leichten Körper vonThora auf seine Arme. Ebenso schweigsam legte erThora auf einem bequemen Pneumatiklager derSchiffsklinik nieder. Sie hatte gleich den anderenFrauen einen Einzelraum erhalten. Nebenan schliefenAnne Sloane, Ishy Matsu und das Mädchen BettyToufry.

Hier waren ständige Ärztewachen postiert worden.Wenn die fähigen Mutanten ihre Kräfte spielenließen, konnte das Schiff vernichtet werden.

»Kümmern Sie sich bitte um Thora«, sagte Perryleise und niedergeschlagen.

Die Toxikologin Tina Sarbowna musterte ihn miteinem prüfenden Blick.

»Ihnen täten einige Stunden der Ruhe gut«, sagtedie grobknochige Frau. »Müssen Sie sich unbedingtzu einem Nervenbündel machen? Damit ist niemandgedient.«

»Sie haben recht, ich werde mir eine kleine PortionSchlaf gönnen!« murmelte Rhodan abwesend.

Fünf Minuten später kamen vor denBodenschleusen der TITAN ebenfallsVerlademaschinen an. Ein hektisches Treibenbegann. Tifflors schrilles Brüllen war überall zuhören. Er war als Proviantoffizier abkommandiertworden.

Große Mengen von Nahrungsmitteln aller Artkamen an Bord. Ersatzteile, Medikamente,Spezialraumanzüge. Kampfroboter, Bodenfahrzeugeund Antigravpanzer folgten. Die TITAN wurde vonunermüdlichen Maschinen vollgestopft, als ginge esdarum, ein Sternenreich zu erobern.

Die Ausrüstung dauerte vier Stunden Bordzeit.Aber das Gehirn hatte inzwischen nichts von sichhören lassen. Rhodan wurde bereits ungeduldig.

Die GANYMED meldete klar. Freyt meldeteweiterhin:

»Man hat mir mehr als zweihundert unheimlicheDinger an Bord gebracht. Betriebsanweisungenwurden gleich mitgeliefert. Es handelt sich umSchwebepanzer, die auf einem Kraftfeld knappmeterhoch über dem jeweiligen Gelände operieren.Strahlgeschütze sind eingebaut. Dazu kommen nochfünfzehnhundert Kampfroboter. Die gleichen Dinger,Sir, mit denen wir nach Ihrer Flucht zu tun hatten.Sonst bin ich startklar.«

Rhodan antwortete: »Wir werden zu echtenVerbündeten. Ich bin neugierig, wie die Endrechnungaussieht. Warten Sie auf meine weiteren

Anweisungen. Ich hoffe, bald einige Nachrichten zuerhalten. Ende.«

Rhodan schaltete eben ab, als sich der Robotregentmeldete. Auf dem Spezialschirm der Interkomanlageerschien das sinnverwirrende Farbmuster. DieStahlkuppel mit dem Hauptschaltelement derMaschine wurde wenig später erkennbar.

Der Automat kam übergangslos auf die Sachlagezu sprechen.

»Eine Heilung der erkrankten Personen ist nichtmöglich«, dröhnte es aus den Lautsprechern. »DerGiftstoff kann nicht neutralisiert werden. VorhandeneHeilmittel haben versagt, da es sich nicht um eineerregerbedingte Schädigung handelt. Versuchen Sie,auf Mooff Sechs nähere Hinweise zu finden. StartenSie sofort. Die Sprungkoordinaten werden Ihnenübermittelt. Die Sonne Mooff ist sechsunddreißigLichtjahre entfernt. Achtung, Klarstellung:

Ich habe die Zerstörung des Planeten angeordnet,da es nicht in meiner Macht liegt, übersinnlichbegabte, organisch lebende Wesen in zweckvollerForm zu unterwerfen. Ihre neuen Daten ändern dieSachlage. Sie erhalten hiermit die Vollmacht, nacheigenem Ermessen eingreifen zu dürfen. Starten Sieund schicken Sie Admiral Vetron unter Hinweis aufIhre Befehlsgewalt zurück. Der Angriff der Flotte hatbereits begonnen!«

»Verrückt!« stöhnte Rhodan in das Mikrophon.»Zweckvoll unter den alten Voraussetzungen,

weniger sinnvoll nach Ihrem erneuten Erscheinen.Geben Sie Lagebericht durch. Ich verlange dievöllige Unterwerfung der Mooffs. Sollten dieseIntelligenzen mit den Aras in Verbindung stehen,überlasse ich es Ihrer Entscheidung, entsprechendeMaßnahmen zu treffen. Beeilen Sie sich, Ende!«

»Und meine Kranken?« schrie Rhodan zurück.»Die Kranken müssen aufgegeben werden!«Das Gehirn schaltete ab. Kein Wort über die

kostspielige Sonderausrüstung, kein Wort über dieplanetarischen Daten; nichts war gesagt worden, wasRhodan den Entschluß erleichtert hätte.

»Junge!« staunte Everson fassungslos. »Das nenneich Kurzfassung. Über diese Dinge hätte ichschätzungsweise zwanzig Lage- undEinsatzbesprechungen abgehalten. Ich ...«

»Programmierung läuft ein«, knallte Tiffs Stimmeaus den Lautsprechern. Er hatte die Kontrolle desHauptrechengehirns übernommen.

Die Sprungdaten kamen an. Es war ein Impuls vonnur 8 Sekunden Dauer. Dann nochmals ein kurzesZirpen. Schaltstation III sprach an. Auf einemBildschirm erschien das getreue Abbild einesPlaneten. Farbig und dreidimensional leuchtete erinmitten einer funkelnden Sternenwelt.

»Da haben Sie Ihre Planetendaten«, sagte Rhodanerbittert. »Ich fürchte, das Ding wird mir eines Tages

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auf die Nerven gehen. Klar zum Startmanöver,Everson. Gefechtsbereitschaft aufheben.«

Oberst Freyt meldete sich nochmals. Er meldete,die Daten ebenfalls erhalten zu haben.

Fünf Minuten später wurde der riesige Raumhafenvon Olp'Duor durch orkanartige Druckwellenerschüttert. Obwohl weit entfernt, begannen großeHandelsraumschiffe in ihren Halterungen zu beben.

Die TITAN startete mit äußerst vorsichtigenMinimalwerten. Aufregend langsam schraubte sichder Koloß in den Himmel, doch reichte die Gewaltder dazu erforderlichen Triebwerksleistung bereitsaus, um auf dem Hafen eineWeltuntergangsstimmung hervorzurufen.

Erst in 100 Kilometer Höhe ging dasSuperschlachtschiff mit aufbrüllenden Maschinen aufFahrt.

Die GANYMED folgte eine Minute Standardzeitspäter. Auch sie war ein Ungetüm, nur wirkte sieneben der TITAN gnomenhaft klein. Das änderteaber nichts daran, daß die scharfen Waffenzähne derGANYMED ausreichten, um jedem Gegner mehr alsernsthaft Paroli zu bieten.

Die Antigravitationsgeneratoren zurNeutralisierung der planetarischen Schwerkraft liefenaus. Zurück blieb ein künstliches Gravofeld von 0,9g, was fast irdischen Bedingungen entsprach.

Die Robotbegleitschiffe tauchten wieder auf, dochdiesmal hielten sie sich in respektvoller Entfernung.

Die von dem Gehirn übermitteltenTransitionsdaten sahen den Sprungbeginn nochinnerhalb des großen Arkon-Systems vor; einZeichen dafür, wie wichtig der Robot den Einsatznahm. Normalerweise hütete sich jeder Befehlshaber,im Bereich der verworrenen Gravitations- undKraftlinien eines Sonnensystems eineStrukturerschütterung zu erzeugen.

In zehn Minuten kamen die beiden Riesen aufeinfache Lichtgeschwindigkeit. Die Programmierungder fünfdimensionalen Sprungautomatik war beendet.

Wenn die Raumer wieder aus dem zeitlosenHyperraum mit seinen extrem andersartigenGesetzgebungen auftauchten, mußten sie dicht voreiner mittelgroßen, gelben Sonne stehen, die auf denKatalogen als »Mooff« eingetragen war.

Rhodan schloß die Augen vor denunwahrscheinlichen Irrlichtern der zahllosen, aufengstem Räume konzentrierten Sonnen. DerKugelsternhaufen M 13 durchmaß rund 230Lichtjahre, doch enthielt er ungefähr 100000 Sterne.

Es war ein Funkeln und Flimmern vonunwahrscheinlicher Großartigkeit. Das bekannteBand der Milchstraße war verschwunden. Hier gab esnichts mehr, was das suchende Auge an dennormalen, von der Erde aus betrachtetenSternenhimmel erinnerte.

Lichtkaskaden überfluteten die Bildschirme.Nirgendwo war die galaktonautische Navigationschwieriger als inmitten dieser kosmischenBallungsgruppe. Ein klarer Überblick war nahezuunmöglich. Doppelsterne, bedeckungsveränderlicheund andere Konstellationen dieser Art waren unterkeinen Umständen erkennbar. Hier bedeutete dieTransition ein nahezu blindes Hineinhüpfen in dieenergievollen Wunderwerke der Schöpfung.

Ehe Rhodan den Sprungimpuls gab und dasmachtvolle Strukturfeld zur totalen Abschirmungvierdimensionaler Energieeinflüsse entstand,versuchte er nochmals, den Zielstern ausfindig zumachen.

Seine Augen versagten kläglich. Das, was in der»offenen« Galaxis selbstverständlich war, wurde hierzur sinnestäuschenden Unwirklichkeit. Die SonneMooff war vor diesem Hintergrund einfach nicht zuerkennen. Da half nur noch die komplizierteHypermathematik einer Zivilisation, derenHeimatwelt im Zentrum des Sternhaufens M13 lag.Die beiden Schlachtschiffe verschwanden in einerflimmernden Leuchterscheinung. Ihr gewaltsamer,maschinell bedingter Eintritt in den Hyperraum hobdie physikalischen Gesetze des Normaluniversumsauf; aber er verursachte auch die typischen Störungenim Krümmungsgefüge der bekannten Dimensionen.

Das Robotgehirn auf Arkon III registrierte denAbsprung. In den Begleitschiffen rumorten dieStrukturtaster. Sekunden später kamen dieErschütterungen des Eintauchmanövers durch. Diebeiden Schlachtschiffe hatten in wenigenAugenblicken 36 Lichtjahre überwunden.

Die Fernsteuerschaltung der drei Robotschiffe gingauf Bremswert. Es gab nun nichts mehr zueskortieren.

4.

Seine Erhabenheit, Vetron aus der Familie derTatstran, Admiral des Großen Imperiums, Chef desRaumflottenverbandes ZL-ARK-86, gehörte zu denwenigen jüngeren Arkoniden, die noch einige Spurenjener Tatkraft besaßen, die für die Pioniere derExpansionszeit selbstverständlich gewesen war.

Dennoch neigte auch Vetron zu dem Simultanspielund den gelockerten Sitten, wie sie nicht nur am Hofedes Imperators gebräuchlich waren. Aber sonst warer ein für arkonidische Begriffe äußerst harter Mannmit scharfgezeichneten Zügen und einem scharfenVerstand.

Vetron hatte die leicht durchsichtige Art deröffentlichen Eigendiskriminierung übernommen.Neuerdings fand man auf der Kristallwelt Gefallendaran, die eigene Unzulänglichkeit in möglichsteleganter und sprachlich geschliffener Form durch

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die Mühle der geistvollen Ironie zu drehen.Der Flottenverband ZL-ARK-86 stand auf

konzentrischen Kreisbahnen über dem sechstenPlaneten der Sonne Mooff.

Zweihundert kleinere, mittelgroße und schwereRaumschiffe hatten vor dem System materialisiert,um genau nach Planung und nur wenig spätervorzustoßen.

Der Stern Mooff besaß nur 7 Planeten. Nummersechs, die Heimat der unförmigen, quallenartigenIntelligenzen mit den guten telepathischenFähigkeiten und der wesentlich schwächerausgeprägten Gabe der geistigen Suggestivkraft, warein rötlich leuchtender Planetriese mit einer grausampressenden Methan-Ammoniak-Atmosphäre. SeinDurchmesser betrug 148000 Kilometer, die auf ihmherrschende Schwerkraft 2,8 Gravos.

Es war kalt auf dieser Welt. Riesige Meere ausreinem Ammoniak bedeckten die Oberfläche. Diegeringen Bodenerhebungen waren kaum als Gebirgeansprechbar. Hier hatte sich die gewaltigeSchwerkraft zwangsläufig ausgewirkt. FürchterlicheOrkane tobten innerhalb dieser giftigen Gashülle, inder chemische Prozesse abliefen, die menschlicheWesen sonst nur in Speziallabors erzeugen konnten.Dies war ein Planet der natürlichenHochdruckchemie und der ebenso natürlichenUnterkühlung.

Der befohlene Angriff hatte vor einer StundeStandardzeit begonnen. Dem gefühllosen Robot aufArkon III hatte diese für Humanoiden ohnehinunbrauchbare Riesenwelt lediglich alsRechenexempel gedient.

Die dort heimischen Mooffs, ausgesprocheneMethan-Ammoniak-Atmer mitHochdruckausgleichsorganen und einem völligwesensfremden Stoffwechsel, waren für die Belangedes Imperiums unbrauchbar. Zur Unterwerfung imSinne einer längst überholten Kolonisierung warendiese Intelligenzen infolge ihrer parapsychischenFähigkeiten auch nicht geeignet. Dagegen aber hattensie sich in gefährlicher Art in die politischen Belangedes Sternenreiches eingeschaltet.

Das waren der Gründe genug, um den Robot zurVernichtung dieser Welt zu bewegen. Es war hartund grausam »gedacht«, absolut ungerecht undmenschenunwürdig. Der Robotregent war aber keinMensch!

Der Angriff lief seit einer guten Stunde. Diekleineren Einheiten waren bis zu den oberenLuftschichten vorgestoßen. Dort hatten sie vorerstdas Feuer aus den Impulskanonen eröffnet.

Die sonnenhellen Energiefinger peitschtendröhnend durch die hochkomprimierten Gase, ehe siebreit streuend auf den Boden trafen, wo sie glühendeSeen erzeugten.

Admiral Vetron hatte Zeit. Außerdem war diessein erstes Kommando, das er nicht durch denüberhasteten Einsatz wirklicher Vernichtungswaffenvorzeitig zu beenden gedachte.

Vorerst gedachte Vetron, ein Flottenmanöver mitkonventionellen Energiewaffen abzuhalten, wobei ergleichzeitig die Reaktionsschnelligkeit der einzelnenKommandanten und Verbandsführer zu testengedachte.

Über der dichten Giftgasatmosphäre von Mooff VIhing die Vernichtung in der Form kugelrunderRaumschiffe, unter denen auch drei Raumer der 800Meter durchmessenden Imperiumsklasse waren.Vetrons organisch lebende Besatzung kam aus demKolonialhilfsvolk der dreiäugigen, zyklopenhaftenNaats.

Ihre arkonidische Hypnoeinsatzschulung warbeendet.

Dann war vor drei Minuten die gewaltigeStrukturerschütterung gekommen. Gefährlich nahewaren zwei Schiffsriesen aus dem Hyperraumgestoßen und mit Höchstfahrt auf den langsamkreisenden Verband zugerast.

Bevor Vetron sich von seiner Überraschungerholen konnte, war auf den Bildschirmen seinesFlaggschiffes bereits das schmale, kantige Gesichteines Fremden erschienen.

Am allerwenigsten gefielen Vetron in diesemGesicht die eisgrauen Augen unter der hohen Stirn.Der Fremde sprach ein einwandfreies akzentlosesArkonidisch.

»Sie haben richtig verstanden, das war einBefehl!« knallte es hart und eisig aus denLautsprechern des Imperiumschlachtschiffes. Einescharfe Falte hatte sich zwischen den Augenbrauendes fremden Kommandanten gebildet.

»Feuer einstellen, abdrehen, sammeln undverschwinden! Haben Sie verstanden?«

»Ich werde dich vernichten lassen, Barbar!« schrieVetron. »Ich ...«

Der Admiral verstummte. Ihm stockte die Sprachebei denn ungeheuren Feuerorkan, der sich aus dersichtbaren Breitseite des Superschlachtschiffes löste.

Lichtschnelle Energiebahnen, heiß wie eine Sonneund dick wie große Fernsteuertürme, hiebenmörderisch krachend in die hochgespanntenSchutzschirme eines robotgesteuerten KleinenKreuzers aus Vetrons Verband hinein.

Das hundert Meter durchmessende Kugelschiffverging im grellweißen Inferno entfesselterAtomgewalt. Zurück blieb ein wirbelnder Gasball,vor dem andere Raumschiffe fluchtartigzurückwichen.

»Das war eine Warnung, Vetron«, meldete sich derFremde erneut. »Ziehen Sie sich sofort zurück. Ichhabe die Vollmacht erhalten, Ihren Einsatz abbrechen

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zu dürfen. Verschwinden Sie mit Ihrer Flotte.«Zehn Sekunden später erhielt Vetron die

Bestätigung durch das Robotgehirn. Der Automathatte sich jetzt erst gemeldet.

Der Arkonide gab den Rückzugsbefehl - er gabsich geschlagen.

Zweihundert Einheiten nahmen Fahrt auf undverschwanden von den so sorgsam errechnetenKreisbahnen. Vetron hielt es für unter seiner Würde,den so plötzlich aufgetauchten Fremden nochmalsanzurufen.

Die führenden Offiziere der beiden irdischenSchlachtschiffe sahen dem abziehenden Verbandschweigend nach. Die vielen Pünktchen wurden zueinem einzigen Tasterecho. Admiral Vetron hielt sichgenau an die ergangenen Befehle. Minuten später warer im Nichts untergetaucht. Rhodan hüstelte in diehohle Hand. »Respekt hat er ja!« meinte er gedehnt.»Zuviel Respekt vor einer Maschine. Etwas ist faulim Reich der Arkoniden!«

Captain Brian winkte aus der Funkzentraleherüber. Es schien alles in Ordnung zu sein. Daskleine System des Sternes Mooff war wieausgestorben; so, als hätte es niemals einebeachtliche große Flotte innerhalb seinerplanetarischen Kreisbahnen geborgen.

Nur auf der Oberfläche des rötlich leuchtendenHimmelskörpers Nr. VI brodelte und kochte es. Dieabgeworfenen Normalbomben, gewöhnlicheFusionssprengkörper mit einer Energieentwicklungvon höchstens 50 Megatonnen TNT, waren aufdiesem Riesen sinnlos verpufft. Die überhohenGravitationskräfte hatten die emporgerissenenMateriemassen längst wieder zurückgeholt. Diegewohnten Pilze atomarer Spontanreaktionen hatteninnerhalb dieser Hochdruckatmosphäre zu einer nurkläglichen Entfaltung kommen können.

Geblieben waren glasierend erstarrende Krater,deren Anfangsglut ungeheuer schnell abgestrahltwurde. Die Energiewaffen der angreifendenRaumschiffe hatten mächtige Schluchten in denBoden eingebrannt. Die Elementtaster registriertendichte Ammoniakgas-Schwaden, die inverschwenderischer Fülle aus den von Strahlschüssengetroffenen Seen aufstiegen.

»Eine Höllenwelt!« schluckte Everson.Ahnungsschwer starrte er auf die großenRundumbildschirme des Superschlachtschiffes.

Die Triebwerke des Raumers liefen seit 8 Minutenmit voller Bremsschubleistung.

Nach weiteren fünf Minuten schwenkte diePositronik sauber und exakt auf die berechneteKreisbahn ein. Die GANYMED folgte im Abstandvon nur 2000 Kilometern. Letzte Korrekturenregelten den Kurs, ehe beide Schiffe in den freienFall übergingen.

Die rumorenden Reaktoren im Außenwulst derTITAN erstarben. Es wurde recht still an Bord desmächtigsten Schiffes, das jemals die Milchstraßedurchkreuzt hatte.

Rhodans Blick galt den beiden übersinnlichbegabten Lebewesen, die als einzige aus demsogenannten Mutantenkorps nicht erkrankt waren.

Gucky saß reglos auf seinem verdickten Hinterteilund spähte zu den Bildschirmen hinüber. Das pfiffigeGesicht des Mausbibers hatte sich gewandelt. EineSpur von verhaltener Unruhe glomm in den großenBraunaugen.

Wuriu Sengu, schmächtig von Gestalt und etwasrauh in seinen Sitten, fingerte unbewußt an keinembreiten Waffengürtel herum. Er starrte durch dieelektronischen Fenster des Schiffes hindurch und eswar, als blicke der Mutant in wesenlose Fernen.

Die Klarmeldungen der einzelnen Stationen liefenein. Die Kranken verhielten sich ruhig. DieTiefschlaftherapie schien die einzig richtige zu sein.

Eine halbe Stunde nach dem Einschwenkmanöverbegann die Einsatzbesprechung zwischen denführenden Wissenschaftlern und Offizieren derbeiden Schlachtschiffe.

Rhodan erklärte die Planung in aller Ruhe. Nachdem Abzug der halbautomatischen Arkonidenflottegab es keine Eile mehr, zumal es feststand, daß vonnun an niemand mehr ungesehen den Planetenriesenvor lassen oder ihn gar anfliegen konnte.

Sie waren alle da, die Kämpen aus dem schwerenHonureinsatz. Nur die vertrauten Männer fehlten; diemit den größten Erfahrungen und die mit denparapsychischen Fähigkeiten.

»Niemand übersieht die Schwierigkeiten«,beendete Rhodan die ausgedehnte Besprechung.

»Freyt bleibt mit der GANYMED auf derKreisbahn zurück. Halten Sie mir den Rücken frei.«

Der hochgewachsene Colonel nickte wortlos.Dr. Haywards riesige Gestalt tauchte aus dem

Hintergrund auf. Er hatte bis jetzt im Großlabor desSchiffes gearbeitet. Die Köpfe ruckten herum. Es warHayward gewesen, der das unbekannte Gift isolierthatte. Damit war aber noch lange keinwirkungsabsorbierender Gegenstoff gefunden.

»Nichts!« beantwortete Hayward dieunausgesprochene Frage. »Der BegriffArgono-Hexylamin ist schon eine kleineUnmöglichkeit für sich. Ich weiß dafür aber ganzgenau, daß die empfindlichen Nervenzellen derKranken nicht mehr lange durchhalten. Dasblutbildende Mark wird ebenfalls vom Argoninangegriffen. Die Blutbilder sehen durchweg übel aus.Zusätzlich zur Hypereuphorie wird es in spätestensdrei bis vier Wochen noch zu einer symptomatischäußerst eigenartigen Leukämie kommen. HaggardsSerum dürfte wirkungslos sein.«

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Hayward setzte sich auf die Kante einesMessetischs. Tiefes Schweigen lag über dem großenRaum.

»Das ist ja eine sehr beruhigende Mitteilung«,sagte Rhodan in bitterer Ironie. »Es muß doch eineMöglichkeit geben, diesen Giftstoff zu binden.«

»Gibt es auch, nur kennen wir diese nicht«,antwortete Tina Sarbowna. »Das ist eine Sache, dieschätzungsweise eine drei- bis vierjährigeForschungsarbeit verlangt.«

Rhodan wandte sich resigniert ab; es war sinnlos,die Diskussion über diese Angelegenheitfortzusetzen.

Und dann nahm er ein neues Thema auf:»Klären Sie Ihre Leute in schonungsloser

Offenheit darüber auf, daß wir gegen parapsychischbegabte Lebewesen anzugehen haben. DieZivilisation der Mooffs wird niemals fähig sein, eineganz gewöhnliche Schraube oder gar Raumschiffeherzustellen. Daran ändert auch die fraglosvorhandene Intelligenz nichts. Diese Wesen leben indem Luftozean einer eisigen Überdruckwelt. Ihrenatürliche Nachrichtenverbindung ist die Telepathie.Dazu besitzen sie suggestive Kräfte, die ein Menschaber nur als sehr schwach bezeichnen kann. Dennochhaben wir erlebt, daß der gedanklicheZusammenschluß mehrerer Mooffs ebenfallsausreicht, um einen geistig gesunden Mann um deneigenen Willen zu bringen. Sie haben daher diegenerelle Anweisung an alle Einsatzkommandos zugeben, daß sich die Männer nur in Gruppen vonwenigstens fünf Personen aus dem Schiff wagendürfen. Sollten bei jemand suggestive Einflüssebemerkt werden, haben sich die Begleiter sofortdarum zu kümmern. Auf alle Fälle erteilen Sie IhrenLeuten Feuerbefehl. Bedenken Sie, daß wir einernichtmenschlichen Spezies gegenüberstehen.Erinnern Sie sich an das unheilvolle Wirken derMooffs während der letzten Einsätze. Warten Siekeine Sekunde länger als erforderlich.«

»Sie übersehen das Primäre«, warf Dr. Certch ein.Rhodan: »Und wo ist bei Ihnen das Primäre?«»Auf zwei verschiedenen Ebenen. Mathematiker

scheinen anders zu denken. Einmal müssen wir dieseQuallen überhaupt finden, ehe wir etwasunternehmen können. Haben wir sie aber entdeckt,steht die Frage offen, ob sie etwas von denGalaktischen Medizinern wissen, die im Endeffektfür die Vergiftung verantwortlich sind. Ich möchteIhnen raten, nicht zu großes Gewicht auf dieparapsychischen Fähigkeiten der Mooffs zu legen.Wir werden in ihnen erbitterte Feinde finden; sogarwahrhaft unmenschliche Feinde, möchte ich sagen.Sie werden alles instinktiv hassen, was nicht in ihrDaseinsschema paßt. Ein natürlicher Effekt!Kümmern Sie sich von vornherein um diese Aras!

Nur sie können unsere Kranken heilen.«»Der Weg führt über die Mooffs«, rief Gucky

schrill und erregt aus. Seine kurzen Arme gerieten ingestikulierende Tätigkeit. »Nur über die Mooffs! Ichkenne sie. Ich nehme es mit hundert Stück zugleichauf.«

»Es werden Millionen sein«, beharrte Dr. Certchauf seiner Meinung. »Laßt sie links liegen. DieAuswertung beweist mit größter Sicherheit, daß esauf dieser Welt einen Stützpunkt der Aras gibt. Siesind die Leute im Hintergrund.«

Rhodan winkte ab. Die Tatsachen waren bekanntund längst berücksichtigt worden. Er dachte nichtdaran, die Quallen im Sinne des Robotgehirns zuunterjochen. An der galaktischen Kolonialpolitik desImperiums lag ihm nichts.

Dagegen ahnte er, daß der Weg zu einemwahrscheinlich vorhandenen Stützpunkt derGalaktischen Mediziner nur über dieNichtmenschlichen führen konnte.

Rhodan löste die Versammlung auf.Oberst Freyt kehrte mit einem Verbindungsboot zu

seiner GANYMED zurück. An Bord der riesigenTITAN begann das hektische Treiben derEinsatzvorbereitung.

Robotkommandos wurden vorprogrammiert. Dieneuen Schwebepanzer aus den Fabrikationsstättendes II. Arkonplaneten wurden klargemacht. Siesollten die alten Shifts ersetzen, da die mächtigenFahrzeuge wesentlich bessere Möglichkeiten boten.Ihre Maschinen wurden mit der vorherrschendenSchwerkraft von 2,8 Gravos leicht fertig, und ihreBewaffnung hätte ausgereicht, um einekonventionelle irdische Armee aufzureiben.

Siebenhundert hochspezialisierte Männer, darunterauch jene, die das Schiff nicht verlassen sollten,wurden mit arkonidischen Einsatzanzügenausgerüstet. Rettungsmannschaften inHochdruckraumpanzern aus Arkonstahl standen mitAntigravfluggeräten bereit.

Acht Stunden nach der Ankunft im Mooff-Systemzuckten grelle Leuchterscheinungen aus denUmlenkkraftfelddüsen des Superschlachtschiffes. Mitrasch absinkender Fahrt folgte es dem merkbarwerdenden Zug der Gravitation. Mit dumpfaufbrüllenden Prallfeldprojektoren raste die TITANin die obersten Schichten einer Atmosphäre hinein,deren giftige Gase allein ausgereicht hätten, um einenMenschen sofort zu töten.

Dazu kam noch der extrem hohe Druck auf demGrunde dieses Meeres aus hochverdichtetenSchwaden. Es war ein Höllenplanet; zu groß, zumächtig und zu fremd, um jemals als echterStützpunkt einer sauerstoffatmenden Art dienen zukönnen.

Unter diesen Voraussetzungen erschien es beinahe

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verständlich, daß das Robotgehirn die totaleVernichtung von Mooff VI beschlossen hatte; abernur beinahe!

Auch hier lebten Wesen, deren äußerlichabschreckende Körperform nicht darüberhinwegtäuschen konnte, daß ihnen die SchöpfungGeist und Verstand verliehen hatte.

Kommandanten vom Range eines Perry Rhodanmußten zwangsläufig in Gewissensnöte geraten,sobald sie gezwungen wurden, auf solchen Welten zulanden. Das absolut Nichtmenschliche undWesensfremde des Gegners beherrschte denVerstand, der da in folgerichtiger Konzeption befahl,keine humanen Gefühle aufkommen zu lassen.

Rhodan erkannte in tiefster Besorgnis, daß dieseAufgabe nahezu unlösbar sein mußte. Zu oft hatte ererlebt, wie unüberwindlich die rein geistigen Waffenwaren. Praktisch alle Mutanten, Gegenpole zu denparapsychischen Eigenschaften der Mooffs, warenausgefallen. Zum ersten Male in der Geschichte derDritten Macht standen Menschen fast schutzlosübersinnlich begabten Intelligenzen gegenüber;Lebewesen, die auf dem Planeten Zalit bewiesenhatten, wie grausam und andersdenkend sie waren.

Dabei sah sich Rhodan noch gezwungen, denBegriff »Grausamkeit« aus dieser gedanklichenVerbindung herauszunehmen. Eine absolut natürlicheVeranlagung konnte wohl nicht mit einem Wort ausdem menschlichen Sprachschatz identifiziert werden.

Gucky, das letzte gesunde Lebewesen mithervorragenden telepathischen Eigenschaften,lauschte mit geschlossenen Augen. Diequallenartigen Mooffs hatten Intelligenz entwickelnkönnen, jedoch sagten die verfügbaren Unterlagenüber diese Spezies einwandfrei aus, daß man mitBauwerken und anderen Zeugnissenhochentwickelter Technik nicht rechnen durfte.

Diese Individuen waren niemals fähig gewesen,die einfachsten Dinge zu schaffen, da es ihneneinfach an den körperlichen Voraussetzungenmangelte. Die Hand des Menschen, das schönste undbeste Werkzeug der Natur, war den Mooffs niemalsverliehen worden.

Vor dem Bugschirm der mit hoher Fahrtfliegenden TITAN ballten sich aufglühende Gase.Infolge der natürlichen Luftverdichtung war es einnur kurzer Weg bis zur Komprimierung derMoleküle.

Die automatisch arbeitendenGravitationsneutralisatoren hoben den auf die TITANeinwirkenden Schwerezug restlos auf. Die mitNulleistung laufenden Triebwerke hatten lediglichdie Masse der Schiffszelle zu halten und zu bewegen.Die Überwindung des Luftwiderstandes war eineSache, die ein einziges der achtzehn Triebwerke mitAnlaufwert bewältigte.

»Echoortung negativ«, gab Captain Brian aus derFunkzentrale durch. »Keine technische Anpeilung,Sir. Kein Funkverkehr und nichts. Spurentasterebenfalls negativ. Nur natürlich vorkommendeElemente, keine Kunststoffe oder Legierungen.«

In Rhodans Gesicht zuckte kein Muskel. Stummsah er auf die mächtigen Bildschirme derPanoramagalerie.

Zur Zeit durchquerte das Superschlachtschiff eineSturmfront von erschreckender Turbulenz. In denhöheren Luftschichten von Mooff VI schienendämonische Mächte gegen jene Spuren echtenLebens zu kämpfen, das sich auf dem Grund desLuftmeers langsam entwickelt hatte.

»Sektor P drei abgeflogen, umschwenken aufSuchzone P vier«, gab die Automatik plärrendbekannt.

Die TITAN begann mit der zweiten Umkreisungdes Planeten, diesmal aber näher der Äquatorzone.Reliefkarten der erkennbaren Oberfläche wurden iminfraroten und elektronischen Tasterverfahrenaufgezeichnet, sinngemäß programmiert und in derForm millionenfältiger Impulse an denSpritzgußformer weitergeleitet. Breite Plastikstreifenglitten aus dem dampfenden Auswerfer deshochwertigen Kartographieautomaten. Diedreidimensionale Formung berücksichtigteToleranzwerte von plusminus 0,001 Prozent.

Nach der zwölften Umkreisung war das Kartenbildder nördlichen Halbkugel vollendet. Zehn Minutenspäter kamen die ersten Impulse durch. Es geschah soüberraschend und übergangslos, daß der Mausbiberheftig zusammenfuhr.

»Eben ...«, kam es schrill aus Guckys Mund. Seinegroßen Augen glänzten irrlichternd.

Rhodan sprang zu dem offensichtlich verstörtenPelzwesen hinüber. Kleine, rosige Händeumklammerten Rhodans Arm.

»Was ist?« forschte der Späher Wuriu Senguerregt. Angespannt beugte er sich über das zitterndePelzwesen.

»Kleiner, rede doch!« flüsterte Rhodanbeschwörend. »Was hast du?«

Weiter hinten wurde Eversons mächtige Figur zumwirbelnden Etwas. Seine Finger zuckten über dieSchalter der Direktautomatik. Dumpfes Aufbrüllen inden beiden vorderen Triebwerken des Ringwulstes -dunkles Grollen aus den Hallen derAndruckneutralisatoren.

Die TITAN hob im Bruchteil einer Sekunde ihrehohe Fahrt auf. Nachhallendes Rumoren aus denMaschinenräumen kam durch. ZartfingrigeFiligranbündel hochverdichteter Korpuskularstrahlenhielten das Schiff in der Schwebe. BrummendeHilfskreisel reagierten unter der automatischenStabilisierungsschaltung.

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Die Männer an der Feuerorgel desGroßkampfschiffes ruckten herum, ehe sich ihreBlicke auf die kleinen Bildschirme der Zielortungkonzentrierten.

Es war nichts zu bemerken. Nirgends zeichnetensich Gegenstände ab, die man als störend oder garbedrohlich hätte ansehen können.

Major Swartz, Kommandant desBodeneinsatzkommandos, stieß eine rauheVerwünschung aus. Das war der Augenblick, in demauch Perry Rhodan in eine gewisse Starre versank.

Sein mentales Training wurde zum ersten Malenutzbringend verwendet. Er hob jede geistige Sperreauf.

Seine brachliegenden Gehirnzentren wurden zufeinfühligen Organen und Tastern, die sich willigdem pulsierenden Strom übergeordneter Impulseunterwarfen.

Gucky mußte es noch viel stärker und intensiverspüren. Die TITAN hing schwebend in derturbulenten Luft. Die Eindrücke wurden stärker, bisRhodan einen klaren Sinn herauslesen konnte.

Jemand rief! Er rief in heller Not undtiefgreifender Besorgnis so eindringlich, so lautstarkund so konzentriert, daß der Mausbiber zu wimmernbegann.

»Nicht landen - bleibt wo ihr seid - nicht landen.Gefahr - nicht landen. Sie erwarten euch. Geht,woher ihr gekommen seid, Gefahr - nicht landen.«

Rhodan murmelte leise vor sich hin. Dr. Certchkauerte vor dem verkrümmt stehendenKommandanten auf dem Boden. Es war eineunwirkliche, zermürbende Situation.

Es waren auch immer wieder die gleichenNachrichten, die Unbekannte durchgaben. Plötzlichwurden die Impulse so stark, daß Rhodan schleunigsteinen abschirmenden Willensblock vorlegte. Vonstechenden Kopfschmerzen geplagt, richtete er sichauf.

Da erst vernahm er das helle Schreien. Guckywand sich in höchsten Qualen auf dem Boden.

»Hayward, schnell!« brüllte jemand in vollsterLautstärke. Der Mediziner war schon da. Unter demhellen Zischen der Hochdruckspritze nahm GuckysGewebe das Narkotikum auf. Es dauerte noch eineknappe Minute, bis sich das Pelzwesen beruhigte.Dann lag es still auf dem Pilotensitz.

Rhodans Gesicht war schmerzverzerrt. Aus trübenAugen starrte er zu Haywards Händen hinauf.

»Lassen Sie«, brach es rauh über Rhodans Lippen.»Keine Betäubung, ich halte es so aus. Rufen SieKärner an, schnell. Die Telepathen des Korps doppeltbeobachten. Wenn sie aus ihrem Tiefschlaf erwachen...«

Er unterbrach sich, um das Gesicht in beide Händezu betten. Es wurde ruhig in der riesigen Zentrale des

Superschlachtschiffes. Nur die Männer an denWaffenschaltungen flüsterten sich hastigInformationen zu. Es war aber nichts da, was manhätte angreifen können.

»Da haben wir es!« sagte Dr. Certch. »Eingeistiger Überfall, der zu allem Überfluß noch soklingt, als gäbe es da unten nur gute Freunde. Solldas eine Warnung sein?«

»Es klang echt. Sie haben es nicht hören können.«»So echt wie meine altmodische Nickeluhr«,

nickte Certch. »Nehmen wir an, die Warnung wäreehrlich gemeint: Wer sollte sie wohl ausgestrahlthaben?«

»Certch, wahre Freunde werden ihreparapsychische Sendung wohl nicht mit derartbrutaler Geistesgewalt ausstrahlen, daß ein guterEmpfänger wie Gucky darunter zusammenbricht.Wohlwollende Telepathen erkennen sofort, wenn derEmpfänger überlastet wird. Weshalb hat man nichtaufgehört, als der Mausbiber zu wimmern begann?«

»Ihr Argument kann einen überzeugen, Rhodan.Glauben Sie ernsthaft, es gäbe außer den Quallennoch andere, ebenfalls telepathisch begabteLebewesen? Wenn ja, weshalb wollten sie uns dannwarnen? Unter der Voraussetzung, daß dieUnbekannten mit den Mooffs in erbitterterFeindschaft leben, wäre eine Warnungwahrscheinlich. Dann wäre aber zu klären, wie dieWesen zu raumfahrttechnischen Begriffen kommen.Sie sagten doch, wir sollten nicht landen, oder? DenBegriff >landen< wollen wir doch einmal festhalten.Was wissen Methan-Ammoniak-Atmer ohne eigeneTechnik über eine Raumschifflandung? Ist es nichtviel eher wahrscheinlich, daß sie überhaupt nichtsdavon ahnen? Wer also hat die telepathischeNachricht durchgegeben? Tatsächlich unbekannteFreunde?«

»Und Ihre Schlußfolgerung?« fragte Rhodan.»Ein Trick, was soll es sonst sein! Jemand hat

Angst. Es gibt nur eine Entscheidung! Landen Sieund drücken Sie schneller auf die Knöpfe, als dieandere Seite handeln kann.«

Augenblicke später begannen dieProgrammierungstasten des kleinen Computers zuklacken. Der Robotpsychologe schien auch etwasvon natürlicher Psychologie zu verstehen.Möglicherweise waren die Handlungennichtmenschlicher Wesen mit denen einer reinenMaschine annähernd identisch.

»Dr. Certch hat recht. Was soll es sonst sein, einjämmerlicher Trick!«

Rhodan war der gleichen Meinung wie der kleineDoktor. Und dann befahl er:

»Everson, Feuerbereitschaft. Swartz-Kommandoklar zum Ausschleusen. Brian, Nachricht an dieGANYMED absetzen. Die kartographische

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Erfassung der südlichen Halbkugel soll aus demRaum fortgesetzt werden. Sofort damit beginnen.Freyt soll ferngesteuerte Meßsonden in dieAtmosphäre schicken. Nur auf Materietastung StufeA einstellen. Ich will wissen, ob es hier etwas gibt,was nicht natürlich entstanden ist. Da ist nämlichnoch ein kleiner Haken, Doktor Certch!«

Diesmal zeigte Rhodan ein bissiges Grinsen.Doktor Certch stieß seine riesige Brille auf denNasenrücken.

Der ausgestreckte Zeigefinger blieb in der Lufthängen.

»Sie haben übersehen, daß wir die Aras suchen.Die Nachricht kann von ihnen stammen. Oderkönnen Sie nachweisen, daß diese Burschen nichttelepathisch begabt sind?«

Certch begann schrill und falsch zu pfeifen. Seinehellen Äuglein zwinkerten. Im gleichen Augenblickbegann das Landemanöver der TITAN.

Das Ungeheuer aus Arkonstahl preßte sich durchdie dichter werdende Atmosphäre. Weit unter demSuperriesen warteten andere Ungeheuer. Sie warennicht so groß, dafür aber stark. Und - es waren vielean der Zahl!

Unter dem Gluthauch der Triebwerksstrahlungbegann ein ganzes Gebirge aus Ammoniaksalzen zuverdampfen. Ein wütender Sturm zerrte an denausgefahrenen Waffenkuppeln desGroßkampfschiffes.

Landeteller von beängstigender Größe senkten sichin den nachgebenden Boden. Es wurde finster überdem Superschlachtschiff. Die Sonne Mooff zeigtesich noch als blasse Scheibe hinter dichtenWolkenschichten.

Salze und flüssige Ammoniakpfützen reagiertenunter den entstehenden Temperaturen und demvorherrschenden Außendruck in verblüffender Form.Die vorhandenen Spurenelemente Stickstoff undWasserstoff schienen die TITAN als Katalysatoranzusehen. Unter der enormen Triebwerkshitze unddem vorherrschenden Luftdruck begannen sieebenfalls zu reagieren. Es waren chemische Prozesse,wie sie normalerweise kaum in einem Labor erzeugtwerden konnten.

Die aus der TITAN hervorschießendeEnergieglocke entfachte in der Giftatmosphäre einenwütenden Wirbelsturm. Es war, als wäre maninmitten der Unterwelt gelandet. Der freie Raumschien unendlich weit entfernt zu sein. FreytsFunkmeldungen kamen nur unter schwerenStörungen durch.

Man war angekommen; aber man wußte nochnicht, weshalb man eigentlich die erste Treppenstufezur Hölle betreten hatte.

Siebenhundert Männer sahen sich mehr oderweniger gelassen an. Die Ingenieure in den

Energiezentralen dankten ihrem Herrgott, daß sienicht in diese Hochdruckgiftküche hinausgeschicktwurden.

Die Männer der Bodenkommandos überprüftenwieder und wieder die einwandfrei funktionierendenMikrogeneratoren ihrer Arkonidenanzüge. DieWissenschaftler dachten darüber nach, was beimAusfall der Körperschutzschirme mit einemMenschen geschehen müsse. Eigentlich brauchten sienicht darüber nachzudenken. Sie wußten sehr genau,was Druck, Schwerkraft und Giftgase bewirkenmußten.

Im Interesse einer uneingeschränktenBewegungsfreiheit war es unmöglich, unter denarkonidischen Einsatzanzügen noch schwere,ungefüge Raumpanzer für Sonderunternehmen zutragen. Außerdem hätten diese unförmigenRüstungen auch nur die giftigen Gase und den hohenDruck abwehren können. Gegen eine Schwerkraftvon 2,8 Gravos halfen sie auch nicht.

Draußen tobte ein Orkan. DieWindgeschwindigkeit wurde mit 480 km/h gemessen.

5.

»Wie verhalten sie sich?« fragte Crest.»Sie«, das waren die Mooffs, die kurz nach der

Landung aufgetaucht waren. Zu Tausenden,wahrscheinlich aber zu Zehntausenden, umlagertensie in respektvollem Abstand das gelandeteSchlachtschiff.

Sie waren viel größer als man sie in derErinnerung hatte. Etwa 2,5 Meter hoch, mehr als 1,5Meter breit, lasteten sie in ihrer glockenförmigenQuallengestalt auf dem Boden. Oben, wo man dasKörperende vermutete, schoben sich runde Köpfe mitweit hervortretenden Knopfaugen aus dem farblosenSchwammkörper, dessen unwahrscheinlicheElastizität unverhoffte Orkanböen unter starkenVerformungs- und Abflachungserscheinungenabsorbierte.

Sie waren von der Natur so eingerichtet, daß sieden heftigen Winden immer die Schmalseitezudrehen konnten; gleichgültig, wie sie nun auf demGrund kauerten.

Mehr als ein Kauern schien es nicht zu sein, unddoch hatte man unglaublich rasche und flinkeBewegungen beobachtet. Aus dem unteren Rand desaufgewölbten Quallenleibes ragten zahllose,stummelartige Gehwerkzeuge hervor. NatürlicheGreifmechanismen schienen die Mooffs nicht zuhaben. Wenigstens hatte man noch nie welchebemerken können.

Gucky war kurz nach der Landung aus seinerKurznarkose erwacht. Nun hockte der Mausbiber vorden Bildschirmen und belauerte die Geistesimpulse

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der Nichtmenschlichen.Sie waren natürliche Telepathen, was Gucky

erneut registrieren konnte. Ein normales,menschenähnliches Sprechen wäre imGeräuschinferno der ewigen Orkane auch kaummöglich gewesen. Die Natur hatte einen glänzendenAusweg gefunden.

Seit 10 Minuten trug jeder Mann der Besatzungeinen arkonidischen Einsatzanzug; aber Rhodan hatteden Ausschleusungsbefehl noch nicht gegeben. Erwartete auf etwas, was er als selbstverständlichvoraussetzte.

Wenn jemand die Zentrale betrat, tat er es niemalsallein. Nach dem telepathischen Überfall hatteRhodan die einzelnen Kommandos auf zumindestzehn Mann verstärkt. Jeder hatte jeden zubeobachten, ob er sich auch noch normal benahm.

So stand die TITAN auf ihren turmstarkenLandebeinen inmitten einer weiten, von Schluchtenzerrissenen Ebene. Weit entfernt ragte ein flachesGebirge in den wolkenverhangenen Himmel. VomOrkan gepeitschte Ammoniakkristalle zuckten inununterbrochener Folge in den hochgespanntenSchutzschirm des Schiffes hinein. Es sah aus, alsveranstalte ein Unsichtbarer ein gewaltigesFeuerwerk.

An der der Windrichtung zugekehrten Seiteleuchtete und blitzte es ohne Unterlaß auf. DieKristalle verglühten unter Entwicklung hochgiftigerDämpfe.

»Warum greifen sie nicht an? Warum nicht?«fragte Rhodan vor sich hin. Sein fragender Blickstreifte die führenden Offiziere des Riesenschiffes.

Everson saß vor den Vergrößerungsschaltungender Infrarotortung. Die Körper der Mooffsentwickelten ein hervorragendes Wärmeecho,obwohl sie in dieser unterkühlten Atmosphäreebenfalls lebenden Eisschränken gleichen mußten.Etwas Körperwärme besaßen sie aber doch. DieI-Erfassung war besser als die rein optischeBeobachtung, die immer wieder von stiebendenMateriewolken getrübt wurde.

»Taktik, Sir«, meinte Everson unruhig. »Siewerden einige Zeit brauchen, um sich in genügenderAnzahl zu versammeln. Schließlich haben sie keineFlugzeuge.«

»Denen erginge es auch schlecht bei diesenOrkanen«, sagte Tanner. Er saß zusammen mit JulianTifflor vor der zentralen Feuerorgel desSuperschlachtschiffes.

»Wann bekommen wir Feuererlaubnis, Sir?« fügteer hinzu. Rhodan fuhr herum. »Hier wird erst danngeschossen, wenn ein klarer Fall von Notwehrvorliegt«, rief er. »Zum Teufel, wie oft muß ich dasnoch sagen. Meine Herren, Ihre raumakademischeAusbildung sieht nicht vor, ohne jeden Grund fremde

Intelligenzen zu töten! Stellen Sie sich vor, daß Sie inder Tat als ungebetene Gäste kommen. Noch liegtdas Recht auf der anderen Seite.«

»Aber nur das moralische«, warf Crest ein.»Freund, wie wollen Sie jemals ein Imperiumerobern? Was glauben Sie wohl, wie meineVorfahren das Sternenreich gegründet haben?«

»Ihre Sache«, wehrte Rhodan ab. »Ich bin einMensch von Terra. Ich will noch einmal festhalten:Wenn einer ohne Grund schießt, steht er zehnMinuten später unter meinem Vorsitz vor einemBordgericht.«

Der Biologe Janus van Orgter warf ein: »Es istLeben, aber es ist doch kein menschliches Leben!«

»Aber intelligentes Leben!« belehrte Rhodanscharf. »Erst wenn es sich trotz seiner hohenIntelligenz zu einem ernsten Angriff auf unshinreißen läßt, habe ich eine Begründung vor denMenschen und meinem Gewissen, wenn ich ausNotwehr zurückschlage. Echte Intelligenz sollte ebenwissen, daß ein ungewöhnliches Vorgehen auchungewöhnliche Folgen nach sich ziehen kann. Alsowarten Sie ab Major Swartz!« Der Kommandant derBodentruppe meldete sich über Telekom. Neben ihmdrängten sich die schwerbewaffneten Männer desEinsatzkommandos in der großen Bodenschleuse derTITAN.

»Swartz, wenn in genau fünfzehn Minuten nochnichts geschehen ist, stoßen Sie in einemBlitzunternehmen vor. Nehmen Sie Schwebepanzerund setzen Sie die Traktorstrahler ein. Fangen Siewenigstens zehn dieser erstaunlich großen Mooffsein. Sonst bleibt kaum etwas zu tun. Nur von ihnenkönnen wir erfahren, wo es hier einen Stützpunkt derAras gibt. In fünfzehn Minuten also. Die Zeit läuft.«

Swartz bestätigte knapp. In den Rückentornisternder arkonidischen Einsatzanzüge begannen dieMikroreaktoren zu summen. Kurze Kontrollenbestätigten die Betriebsbereitschaft der einzelnenFelderzeuger.

Von der vorherrschenden Schwerkraft, fast genau2,8 Gravos, mußten 1,8 neutralisiert werden, wenndie gewohnte irdische Schwere von nur einem Gravokonstant gehalten werden sollte.

Das bedeutete eine erhebliche Schwächung derEnergiereserven, die dem erzeugten Energieschirmzur Abwehr des hohen Luftdrucks entzogen werdenmußten. Immerhin reichte die Reaktorleistung aus,um sowohl Antigravneutralisatoren als auchSchutzschirmprojektoren noch unterhalb derHöchstwerte zu halten.

Wenn man jedoch starkes Feuer auf dieSchutzschirme erhalten sollte, würde dieSicherheitsautomatik alle Kräfte auf die Felderumschalten. So konnte es leicht geschehen, daß manurplötzlich der vollen und natürlich vorhandenen

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Schwerkraft ausgesetzt war. Der Gedanke, mit einemfast verdreifachten Körpergewicht hilflos auf demBoden liegen zu müssen, verursachte beinahekörperliche Schmerzen.

Swartz sah auf die Uhr. Fünf Minuten warenbereits vorüber. Die Mooffs griffen noch immer nichtan, obwohl sie von der unfehlbaren Tasterautomatikzu Tausenden eingefangen wurden. Sie hielten sichweit entfernt, wenigstens zwei Kilometer jenseits derEnergieschirmgrenzen.

Da stieß Gucky einen hellen Warnruf aus.Aber diese Monstren dachten nicht daran, auch nur

einen Schritt näher an das Schiff zu kommen, um esanzugreifen.

»Die Gedankenimpulse werden ruhiger, siefließen, gehen ineinander über«, schrie Gucky.»Vorsicht, eben geschieht eine körperlicheKontaktverbindung. Wenn sie jetzt denken, denkenZehntausende in der gleichen Richtung. Sie werdenzu einem Ganzen. Vorsicht!«

»Tifflor - Tanner, klarhalten«, schrie Rhodan zuden Offizieren an der Feuerorgel hinüber. »Dr.Garand, Schutzschirme verstärken. Ich ...«

Rhodan unterbrach sich. Eine nur im Bewußtseinaufkommende Fremdgewalt machte sich bemerkbar.Es begann mit einem zarten Ziehen in derNackengegend, bis ein plötzlich aufzuckenderSchmerz entlang der Schädeldecke das Gehirntraktierte.

Rhodan kämpfte mit aller Willenskraft seinerparapsychischen Schulung dagegen an. AndereMänner taten es ebenfalls, denn es gab niemand anBord des Schiffes, der eine solche Ausbildung nichterhalten hätte.

Es war jedoch eine titanische Sturmflut, die überalles Lebende und Denkende hereinbrach. DieÜberschwemmung geschah in Sekunden. Mit jedemverstreichenden Augenblick steigerte sie sich umsVielfache, bis der suggestive Charakter dieser Gewaltnicht mehr verkannt werden konnte.

Es war ein Mahlen und Rütteln an den Grundfestendes Verstandes. Marcus Everson tappte bereits aufdie Hauptkontrollen zu. Tifflor und Tanner erhobensich ruckhaft aus ihren drehbaren Kommandositzenvor der Feuerorgel.

Rhodan spürte nur das grauenhafte Ziehen inseinem Hirn. Die Mooffs waren dabei, die gesamteBesatzung auf einen Schlag lahmzulegen.

»Gucky!« röchelte er verzweifelt. Er taumelte nachvorn, alle Willenskraft auf das Feuerleitgerätgerichtet. Er versuchte abzublocken, zu neutralisierenund die unerhörte geistige Gewalt als gegenstandslosanzusehen.

Nur der Mausbiber, der diesmal vorbereitet war,schien kaum etwas zu empfinden. Rhodan bemerkteeinen huschenden Körper. Er sah, wie das Pelzwesen

plötzlich vor den Feuerkontrollen auftauchte.Die Automatik war längst auf die verschiedensten

Zielgebiete einjustiert. Man hatte bisher nichtgeschossen, aber es mußte jetzt geschehen, dennsonst waren sie alle verloren.

Everson langte nach dem Hauptschalter derEigenkontrollen. Damit konnte er sämtlicheNebenstationen lahmlegen.

»Feuer, Gucky, Feuer«, rief Rhodan. Jeder seinerSchritte wurde zur Qual. Etwas Fremdes wollte ihndaran hindern. »Feuer!«

Guckys zarte Pfoten wurden zum ausführendenOrgan. Kleine Finger spielten mit Gewalten, diejenseits alles Erfaßbaren lagen. Die grünen, blauenund roten Knöpfe schwenkten nach unten, und damitbrach die Hölle los.

Die leichten Impulsgeschütze der TITANeröffneten das Feuer. Schwere bis schwersteEinheiten fielen ein. Schenkelstarke Energiebahnenbis hinauf zu den atomaren Mammutgebilden derPolgeschütze dröhnten aus den Schirmfeldern derWaffenmündungen.

Zwei Sekunden nach der Feuereröffnung aus allenBatterien war der parapsychische Spuk vorbei.

Dann kam unverhofft die Entlastung der Gehirne.Everson fuhr ruckartig von den Kontrollen zurück.Tifflor, und Tanner stürzten sich auf die Feuerorgel.

Rhodan wurde erneut von quälendenKopfschmerzen geplagt. »Ungewohnter Einsatzbrachliegender und zu rasch aktivierterNervenbahnen«, sagten die Parapsychologen dazu.

Lediglich zwei Sekunden lang hatten dieWaffenkuppeln der TITAN Unheil und Verderbengespien. Jetzt schwiegen sie wieder. Nur dieFeldmündungen der thermisch wirksamenImpulsgeschütze glühten nach.

Draußen, jenseits der Energieglocke, war einringförmiger Vulkan entstanden. Der Kreis warmehrere Kilometer stark. In sich barg er dieunversehrte TITAN. Mooffs wurden nicht mehrgeortet. Sie konnten auch nicht mehr ausgemachtwerden. Ihre geringfügige Wärmestrahlung wurdeums Milliardenfache überlagert.

»Weg von hier«, stöhnte Rhodan. Vor seinenAugen wirbelten rote Feuerräder. »Schiff anheben,zwanzig Kilometer entfernt aufsetzen. Vor denBergen. Ausführung!«

Sein Kopf sank auf die Armaturen nieder. Guckysandte beruhigende, schmerzlindernde Impulse aus.Die Männer handelten rasch und sicher. Sie fühltennur noch einen leichten Druck im Schädel. Dröhnendhob der 1500 Meter durchmessende Riesenberg ausArkonstahl vom Boden ab.

In nur hundert Metern Höhe strich das Schiff mitgeringer Fahrt über die Zone der Vernichtunghinweg.

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»Professor Kärner spricht«, klang es aus denLautsprechern der drahtlosen Bordsprechverbindung.»Die Kranken sind unruhig. Sie scheinen unbewußtdie Nähe des Gegners zu fühlen. Wollen Sie denEinsatz auf Mooff Sechs fortsetzen?«

»Ja, warum?« fragte Rhodan. »Dann bin ichgezwungen, die Kranken anzuschnallen und dieMutanten zusätzlich in Tiefnarkose auf der Basiseines totallähmenden Narkotikums nach Kurare-Artzu versetzen. Ich kann sonst für nichts garantieren.Sind Sie einverstanden? Die hochempfindlichenNervenzentren der Mutanten reagierten auf denAngriff trotz des Tiefschlafes. Es muß sein.«

»Sie sind der Arzt. Veranlassen Sie es.«Sofort danach setzte die TITAN erneut auf.

Diesmal dicht vor dem knapp 1500 Meter hohenGebirge, dessen höchste Gipfel von dem Riesenschiffnoch überragt wurden.

»Die sind ja schon wieder da!« staunte CaptainBrian mit einem hilflosen Blick in dieErfassungsoptik der Bildsprechverbindung. »Sir, dieUngeheuer haben auf uns gewartet.«

6.

»Wenn das Mooffs sind, schlucke ich zehnKilogramm Bartcreme«, sagte Marcus Everson, alsein Mann im Maschinenleitstand III gellend zuschreien begann.

Das dumpfe Tosen eines tragbaren Impulsstrahlersmarterte Mikrophone und Lautsprecher derallgemeinen Übertragungsanlage. Auf demautomatisch einblendenden Bildschirm wurde derMann sichtbar.

Er trug einen arkonidischen Schutzanzug, dochwar er nicht mehr dazu gekommen, sein Körperfeldeinzuschalten.

Ein pulsierendes Etwas, grau, farblos, gummiartigund anscheinend erbarmungslos, hatte den Ingenieurumfangen. Es sah aus, als lege das unbekannte Dinggrößten Wert darauf, sein Opfer in sich aufzusaugen.

Es trug keine Waffen, aber es setzte etwas ein, wasman wohl als Waffe ansprechen konnte. Seine Kräftewaren unmenschlich, sowohl körperlich als auchgeistig.

Die aus dem Körper hervorzuckenden Greifarmeumklammerten den hilflosen Menschen mitatemberaubender Gewalt. Zugleich geschah etwas,was Gucky in blitzschneller Reaktion eingreifen ließ.

Das Pelzwesen, begabt mit der Fähigkeit derTeleportation, verschwand in einer flimmerndenLeuchterscheinung aus der Zentrale. Fast im gleichenAugenblick materialisierte Gucky imMaschinenleitstand.

Wabernde Hitze, hervorgerufen von zweiplanlosen Strahlschüssen eines völlig verstörten

Technikers, griff schmerzhaft den zarten Pelz an.Guckys schrilles Stöhnen verlor sich imaufklingenden Tosen anderer Energiewaffen. ImSchiff war plötzlich die Hölle los.

Aus mehr als 20 Stationen kamenPanikmeldungen. Ungeheuer der gleichen Art warenplötzlich aufgetaucht, aber es waren keine Mooffs.Niemals zuvor hatten menschliche Augen solcheGebilde gesehen. Sie erschienen so unvermittelt, alswären die meterstarken Stahlwände desSchlachtschiffes flüchtige Nebelschwaden, die miteinem Schritt durchdrungen werden konnten.

Gucky sah nur noch das pulsierende Ding vor sich.Hastig in einen geschützten Winkel zurückweichend,setzte der Mausbiber all seine telekinetischenFähigkeiten ein.

Der besinnungslos gewordene Ingenieur wurdevon unsichtbaren Gewalten aus der Umklammerunggerissen. Das augenlose Etwas fuhr herum.Wachsende Greifarme langten nach dem Mausbiber,der in diesen entscheidenden Momenten entdeckte,weshalb die Ungeheuer so überraschend erscheinenkonnten.

Es war still geworden in der Maschinenzentrale.Gucky erkannte zu seiner Überraschung, daß es kaumeiner größeren Anstrengung bedurfte, um das Dingzu bändigen. Schreiend glitt es vom Boden empor,ehe es gegen den gewölbten Stahl geschleudertwurde.

Hinter Gucky glitt ein Schott auf. Zwei Männerdes Einsatzkommandos stürmten mit eingeschaltetenSchutzschirmen herein. Wieder und wieder wurdedas seltsam tönende Gebilde durch Guckys Kräftegegen die Decke geschleudert. Als er es endlichfahren ließ, fiel es schnell zu Boden.

Der Mausbiber traute seinen Augen nicht.Fluchtartig wich er vor dem erneut angreifendenDing hinter eine Maschine zurück.

»Vorsicht!« schrillte Guckys hohe Stimme.Das fremde Lebewesen, eben noch so platt und

formlos wie ein Kuchenblech, wölbte sich zur Kugelauf, aus der zwei dünne, hochelastische Greifarmehervorzuckten.

Es war noch nicht einmal verletzt worden.Sergeant O'Keefe wartete ab. Breitbeinig stand er

inmitten der großen Zentrale. DieQuerschnittsverstellung seiner Waffenmündung standauf Wert 6.

Er drückte erst dann den Feuerknopf nieder, alsdas Unbegreifliche kaum noch zwei Meter von ihmentfernt war.

Ein breitfächernder. Energiestrahl verließ denLauf. Die aufgeblähte Kugel wurde erfaßt.

O'Keefe stand noch immer auf dem gleichenFleck, als der fünf Meter durchmessende Ball sichunter hohen, melodischen Tönen asymmetrisch

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verformte.Inmitten der zuckenden Strahlschußentladung

versuchte das Ding auf die gleiche Art zuentkommen, wie es erschienen war.

O'Keefe schoß ein zweites Mal. Nur ein winzigerTeil des Dings verschwand. Der Rest blieb zurück.Es geschah nichts mehr.

Die automatische Klimaanlage begann zuschrillen. Die Hitze im Maschinenleitstand III warüber den erlaubten Höchstwert angestiegen. O'Keefezog sich im Schutz seines Energieschirmes rasch zumSchott zurück. Schwelende Dämpfe gingen von demzerstörten Etwas aus.

Der angegriffene Ingenieur sah sich plötzlich voneinem flimmernden Kraftfeld umgeben, das dietödliche Glut von ihm abhielt. Gucky hatte es imletzten Augenblick geschafft, den Schalter desAnzugprojektors umzulegen.

»Verschwinde!« schrie O'Keefe zu dem Pelzwesenhinüber.

Im gleichen Moment spürte Gucky RhodansImpulse. Er war in Not. Ein schnellerTeleportersprung brachte Gucky aus dem Gluthauchder hocherhitzten Luft.

Als er in der riesigen Kommandozentrale derTITAN materialisierte, begann auch endlich derSchutzschirm seines kleinen Spezialanzuges zulaufen.

Zwei Ungeheuer der gleichen Art hatten sich aufEverson und Janus van Orgter gestürzt. Das Kraftfelddes Biologen lief. Everson war noch nicht geschützt.

Die körperlichen Kräfte des schweren Mannesversagten kläglich in der Umklammerung desUngeheuers.

Gucky hörte Rhodans Brüllen. Zur Hilflosigkeitverdammt, standen die Männer mit angeschlagenenWaffen vor den wirbelnden Massen farbloser Körper,unter denen nur hier und da die Glieder derÜberfallenen auftauchten.

Von van Orgters Schutzfeld gingen helle Blitzeaus. Das Ungeheuer kam immer wieder mit demSchirm in Berührung, und doch wurde es von ihmnicht abgetötet.

Everson war wesentlich übler dran. Sein Keuchenwar kaum noch vernehmbar. Als Gucky erschien ließRhodan eben die Strahlwaffe fallen, um mit demKappmesser der Einsatzkombination auf denfarblosen, schwammigen Gewebeberg loszugehen.

»Zurück!« schrillte Guckys Stimme. Rhodankonnte sich eben noch zur Seite werfen, als dasfremdartige Gebilde von telekinetischen Kräftenemporgerissen wurde. Der halb besinnungsloseEverson fiel aus zwei Metern Höhe zu Boden, wo erverkrümmt liegen blieb.

Glühende Strahlschüsse vernichteten das an derDecke klebende Etwas.

Das war der Augenblick, in dem Janus van Orgterunsichtbar wurde! Sie hörten sein verzweifeltesRufen in den Lautsprechern der Funksprechgeräte.Dort, wo er von dem Monstrum umklammert wurde,entstand ein helles Nebelgebilde, das sichunvermittelt verflüchtigte. Der Biologe war aus derZentrale verschwunden.

Im gleichen Moment begannen die Geschütze derTITAN zu arbeiten. Tifflor und Tanner hatten erfaßt,worum es hier ging. Guckys kurze Rufe waren wohlverstanden worden!

Diese gummiartigen Monster mußten Teleportersein; also Lebewesen, die es durch geistige Kräfteverstanden, ihren eigenen Körper über gewisseEntfernungen hinweg zu transportieren. Nur so warihr unverhofftes Auftauchen erklärbar; nur so ihrplötzliches Verschwinden.

Drüben in der Ortungszentrale begann Brian zubrüllen. Rhodan begriff! Ein harter Schlag seinerHandkante schaltete die automatischenFeuerkontrollen ab. Das dumpfe Tosen in denWaffenkuppeln der TITAN erlosch.

»Sir!« schrie Tifflor entsetzt, als seineKontrollämpchen plötzlich erloschen, »Sir!«

»Feuer einstellen, van Orgter ist draußen gelandet.Das Biest hat ihn mitgenommen«, brüllte Rhodanüber Bordsprech. »Swartz, schleusen Sie einRoboterkommando aus. Van Orgter ist knappfünfhundert Meter vom Schiff entfernt. Lassen Sieihn bergen. Heraus mit den Kampfmaschinen. Siesollen alles unter Feuer nehmen, was nicht wie einMensch aussieht. Diese Monster sind sehr schwacheTeleporter. Sie müssen bis dicht ans Schiffherankommen, ehe sie einen Sprung wagen können.Verhindern Sie, daß die Burschen das Energiefelddurchdringen.«

»Sie reagieren nicht darauf«, kam die Meldung ausder Energiezentrale des Schiffes. »Sie springen durchden Schirm, materialisieren in der innerenGlockenzone und setzen von dort aus zum zweitenSprung an.«

»So faßt sie innerhalb der Schutzzone. Einzelfeuer,jeder sucht sich sein Ziel. Tifflor, umschalten aufManuellbedienung. Laßt die schweren Waffen ruhen,oder wir vernichten uns selbst.«

Bereitstehende Kampfroboter begannen zustampfen. Janus van Orgter, der sich unvermittelt indie Hölle versetzt sah, bemerkte die aufgleitendeBodenschleuse.

Silbrig glänzende Titanen mit mächtigenWaffenarmen und unempfindlichenMechano-Organismen schwebten spielerisch leichtzum Boden nieder.

Sie waren noch weit entfernt, eigentlich zu weit,wie sich van Orgter eingestand.

Ringsum heulte der Orkan. Als er sich nach dem

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abklingenden Rematerialisierungsschmerz zu regenbegann, erwachte auch die gummiartige Masse desUngeheuers, das sich breit und fladenhaft über ihmausgebreitet hatte.

Janus stieß mit den Knien zu. Das Ding rührte sichkaum. Er wuchtete die Fäuste nach oben und brach inSchweiß aus, als die Automatik seines Schutzanzugesalle verfügbaren Energiereserven auf denAbwehrschirm schaltete.

Mit einem dumpfen Ächzen gab der Biologe auf.Die volle Schwerkraft von 2,8 Gravos sprang ihn anwie ein Raubtier.

Immer heftiger wurde die Blitzentwicklung. SeinMikroreaktor arbeitete mit Höchstwerten, um daskontaktsuchende Hindernis zu beseitigen. DasMonstrum reagierte aber nicht auf die normalerweisetödlichen Energien des Feldes.

Schwach pulsierend, offenbar zutiefst erschöpft,überdeckte es den Körper des Menschen mit einerdünnen, unglaublich zähen Decke. Da ahnte Janusvan Orgter, daß die Kampfroboter zu spät kommenwürden.

Die dichte Atmosphäre des Planeten Mooff VIschien ein guter Schalleiter zu sein.

Er hörte das Heulen des Sturmes, und er vernahmauch das melodische Singen im zuckenden Leib desMonstrums. Ihm war, als wäre es krampfhaft bemüht,neue Kraftreserven zu sammeln.

Janus glaubte zu ersticken. Die mörderischeSchwerkraft fesselte ihn nunmehr mit solcher Wuchtan den Boden, daß die nach Sauerstoff gierendenLungen den Dienst versagten.

»Aus!« gab er röchelnd über Sprechfunk durch.Rhodans Rufe trafen nur noch sein Ohr, aber nichtmehr sein Bewußtsein. Das Ding über ihm rührte sichnoch immer nicht.

Janus überlegte eben, daß er besser hätte schießensollen, als etwas im seltsamen Gewebe des Dingsgeschah.

Unvermittelt zog sich der flache Fladenzusammen. Es war, als griffe eine unsichtbare Gewaltein.

Schreiend fuhr das Ding auf, verformte sich zueiner Kugel, die sofort darauf in einer grellenLeuchterscheinung explodierte. Der harte Druck wichvon Orgters Lungen. Auf einmal konnte er wiederfrei und ungebunden atmen. Sein bösartigsummender Energiereaktor fiel in sein normalesArbeitsgeräusch zurück.

Andere Monstren, eben erst neu erschienen,explodierten ebenfalls. Es war, als wäre einUnbekannter zu Hilfe gekommen. Van Orgterrichtete sich taumelnd auf, um von der nächstenOrkanwelle umgeworfen und über den Bodengewirbelt zu werden. Das mächtige Schutzfeld derTITAN kam bedrohlich nahe.

Orgter schrie. Vom bisherigen Halt desUngeheuers entlastet, wurde er gleichsam zumwelken Blatt inmitten eines Sturmes.

Er hörte, daß die TITAN erneut das Feuereröffnete. Tosende Energiestrahlen fuhren über ihnhinweg. Weit entfernt entstanden glühende Krater.Für Augenblicke fand Orgter einen Halt an einerwandernden Düne aus massiertenAmmoniakkristallen. Als sie von seinem grellaufleuchtenden Schutzschirm berührt wurden,begannen sie sofort zu reagieren. Dicht vor OrgtersAugen bildeten sich giftige Dämpfe. Nach Sekundenwurde er durch die. Düne gewirbelt und weiter aufdie Energieglocke der TITAN zugerissen.

Weit hinten rasten schattenhafte Gestalten überden riesigen Boden. Doch wurden die Roboter immerwieder aufgehalten, da stetig neue Monstreninnerhalb der Energieglocke erschienen. Sie folgtenihrer Programmierung, die ihnen in erster Linievorschrieb, nichtmenschliche Ziele unter Feuer zunehmen.

Janus van Orgter sah sein Ende nahen. Vor ihmwuchs die leuchtende Feuerwand in den Himmel.

*

Major Swartz riskierte alles! Nachdem die»Schildkröte«, ein mächtiger Schwebepanzer aus derKriegsmaschinerie des Planeten Arkon, aus demBodenluk geglitten war, hatte er ohne Rücksicht aufdie Umgebung Fahrt aufgenommen.

Die breiten Raupenketten des Wagens ruhten. Erhing auf seinem energetischen Abstoßprallfeld, dasihn immer 50 bis 60 Zentimeter über dem jeweiligenUntergrund hielt. So ließen sich enormeGeschwindigkeiten erzielen. Swartz kümmerte sichauch nicht um die überall auftauchenden Ungeheuer,die nunmehr augenblicklich von den massiertausgeschleusten Kampfrobotern unter Feuergenommen wurden. Nur noch sehr wenigen gelanges, nach dem Durchqueren der Energiesperre zumzweiten Teleportersprung anzusetzen. Sie hatten eineReichweite von knapp einem Kilometer, was dieMänner des Mutantenkorps als äußerst beschränkteGabe bezeichnet hätten.

Für die Gesunden an Bord des Schlachtschiffesreichte es in höchstem Maße. Nunmehr, da sie aufdas jähe Auftauchen dieser Gummiwesen gefaßtwaren, kam es nicht mehr zu Entführungen. Es warimmer jemand da, der das Flimmern derMaterialisation rechtzeitig bemerkte.

Dann dröhnten die Strahlwaffen, ehe derungebetene Eindringling handeln konnte. Es war eineharte Abwehrschlacht in allen Räumen des Schiffes.

Seit einigen Minuten nannte man die Monstren»Meistersinger«. Jemand hatte den Namen einmal

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ausgesprochen, und schon war er in den bissigenSprachschatz der Männer aufgenommen worden. Diemelodische Geräuschentwicklung mochte dieUrsache für diese Bezeichnung sein.

Die Leute im Schiff hatten sich zuZehnmanntrupps zusammengeschlossen. SolangeOrgter noch nicht geborgen war, konnte an einenStart nicht gedacht werden. Also galt es, den Erfolgoder Mißerfolg des Kommandos abzuwarten.

Swartz und seine zehn Männer wußten, daß sie eseigentlich nicht hätten riskieren dürfen, den Schutzder Schiffswände zu verlassen. Wenn ein Monsterdirekt in den Wagen sprang, waren sie so gut wieverloren. Man hätte es nicht wagen können, innerhalbder engen Räumlichkeit thermische Strahlwaffeneinzusetzen. Die Zerstörung des Panzers wäre gewißgewesen.

Auf die sonst unfehlbaren Desintegratorstrahlenreagierten die Wesen überhaupt nicht. DieGewebestruktur ihrer Körper mußte einen äußerstseltsamen molekularen Aufbau haben.

Bisher hatten sie nur auf die gröbsten undgefährlichsten Waffen der Menschen angesprochen,nämlich auf die Glutbündel der Thermowaffen. Diesschien auch für jenen fremden Organismus zuviel zusein wenn es überhaupt ein Organismus im Sinne desWortes war!

So lauerten die Männer der Panzerbesatzung aufjeden Schatten. Wenn sich im Gelände etwas rührte,zuckte die drehbare Waffenkuppel herum. Sieschossen auf alles, was sich draußen im Dunstbewegte. Zwei Kampfroboter waren bereits denüberreizten Nerven der Schützen zum Opfer gefallen.

Swartz fluchte in allen Tonarten, denn OrgtersKörper war mit der optischen Bilderfassungüberhaupt nicht mehr auszumachen. Nur die I-Ortungzauberte ein klares Wärmeecho auf den Schirm.

Danach fuhr Swartz den Panzer über das Gelände.Seine Augen waren schweißverklebt. Jedermann anBord des Wagens hatte darauf verzichten müssen,den Körperschirm des jeweiligen Einsatzanzugeseinzuschalten. Es hätte bei der ständigen Berührungder Felder zur Selbstvernichtung geführt.

»Er treibt weiter ab«, schrie der Major insMikrophon. »Könnt ihr die Schirmglocke um einigehundert Meter vorverlegen?«

Rhodans Gesicht hing auf einem kleinenBildschirm. Er nickte nur. Sekunden später hatten dieIngenieure in der Kraftzentrale geschaltet. Dasriesenhafte Abwehrfeld begann zu wandern.

Draußen, weit vor ihm, ergriffen unförmige Wesendie Flucht. Die Mooffs waren natürlich auch da,obwohl sie diesmal auf einen direkten Angriffverzichtet hatten. Dafür hatten sie andere Wesen, diesicherlich unter der suggestiven Kontrolle der Mooffsstanden.

»Anhalten, zwei Sekunden«, dröhnte RhodansStimme aus dem Lautsprecher.

Swartz riß den Stufenschalter des kleinenStrahltriebwerkes nach hinten. Infolge des hohenAtmosphärenwiderstandes blieb der Wagen sofortauf der Stelle stehen.

»Zum Verrücktwerden!« ächzte ein Mann derBesatzung, als es in der riesenhaften Kugelwandungdes Schlachtschiffes zu flammen begann. Einungeheuerlicher Feuerorkan brauste über dieSchildkröte hinweg. Gleißende Helle stach von denBildschirmen in die Augen der Männer. Niemalszuvor hatten sie von außen erlebt, wie ein einzigerFeuerschlag des Schiffsriesen aussah.

Sofort danach nahm Swartz wieder Fahrt auf.Orgters Körper hing zur Zeit am Fuß einerirrlichternden Kristallsäule, die vor wenigenAugenblicken noch nicht da gewesen war.Verflüssigte Materie hatte sich bei denNiedertemperaturen zu eigenartigen Gebildenverformt.

Sie kamen mit dem Wagen an, als Orgter ebenerneut davongewirbelt wurde, doch diesmal zuckteein Traktorstrahl aus der Werfermündung. DerBiologe Wurde mitten im rasenden Davonwirbelnaufgehalten. Nur knapp 50 Meter entfernt wölbte sichder Energieschirm in den düsteren Himmel.

»Vorsichtig heranziehen«, schrie Swartz durch dasGetöse. »Zum Teufel, wer schießt da! Ich ...«

Das Dröhnen des eigenen Impulsgeschützes rißihm die Worte von den Lippen. Aus dem wirbelndenDunst tauchten gleichzeitig zwanzig und mehrMonstren auf.

Lohende Lichtfinger kamen aus dem Nichtsgeschossen. Die marschierenden Roboter feuerten sodicht an dem stillstehenden Panzer vorbei, daß dessenstarker Schutzschirm krachende Entladungen ausspie.

Swartz sah vier der Ungeheuer das Wagenfelddurchdringen. Als sie zu flimmern begannen, wußteer, daß dies der Beginn eines kurzenTeleportersprungs war, der sie in den Panzer bringenmußte.

»Feuer, O'Keefe!« schrie er entsetzt. In demAugenblick zerbarsten die vier Gebilde zu glühendenFeuerkugeln.

Swartz starrte noch mit weit aufgerissenen Augen,als seine Männer den besinnungslosen Biologenbereits in die Luftschleuse brachten. Der Majorschwieg auch noch, als das Fahrzeug mit hoher Fahrtauf die wartende TITAN zujagte.

Sie wurden von dem starken Antigravfeld derBodenschleuse aufgenommen. Ein letzterFeuerschlag brach aus den Waffentürmen desRiesenschiffes.

Swartz lauschte dem Röhren und Tosen mittaubwerdenden Ohren nach. Rhodan erschien im

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großen Materialhangar. Die Kampfroboter kamen derReihe nach emporgeschwebt. Draußen entwickeltesich ein Sturmwind, wie man ihn noch nicht erlebthatte. Irgendwo im Schiff dröhnten Thermostrahlerauf. Es mußte wieder ein Monster eingedrungen sein.

Als es stiller wurde und die Triebwerke mitStartleistung zu poltern begannen, fragte MajorSwartz tonlos:

»Immer wenn es am schlimmsten wurde und dieSituation nicht mehr zu retten war, flogen einige derBiester auseinander. Wieso? Wieso ausgerechnet insolchen Momenten? Wer hat da eingegriffen?Gucky?«

Swartz leerer Blick fand das Gesicht desKommandanten.

»Nein! Nicht Gucky. Er hatte hier genug zu tun,um unsere Leute aus den Umklammerungen zubefreien.« Swartz schien bestürzt. »Nein?! Ja aber,wer tat es nun wirklich? Die Dinger explodiertendoch nicht von selbst! Die waren doch gerade imbesten Zug, uns endgültig auszuschalten.«

»Nun kommen Sie nur nicht auf die telepathischeWarnung vor der Landung zu sprechen«, fiel Rhodanerschöpft ein. »Tun Sie es nur nicht, oder die Leutedrehen uns durch. Halten Sie den Mund!«

Rhodan drehte sich ruckartig um. Die TITAN hingbereits in der turbulenten Luft. Zurück blieben die»Meistersinger«.

Blicklos starrten sie dem unerreichbar gewordenenSchlachtriesen nach. Jenseits der bizarren Berge tatsich eine andere Ebene auf. Ein Ammoniakseegrößeren Ausmaßes schimmerte auf denBildschirmen.

Da kam die Meldung von der im Raum wartendenGANYMED. Auf der südlichen Halbkugel, mehr als90000 Kilometer vom jetzigen Standort der TITANentfernt, war etwas entdeckt worden, was nicht indiese Giftküche hineinpaßte.

Jedenfalls erschien es unwahrscheinlich, daß derPlanet Mooff VI erstklassigen Leichtstahl mitmolekülverdichteter Oberfläche erzeugt haben sollte.

Die TITAN ruckte ungestüm an. Hinter denKontrollen saß ein Mann mit brennenden, tiefeingesunkenen Augen.

Im Lazarett des Schiffes stöhnten die Kranken.

7.

Etwas war sicher: Ein kompliziertes Bauwerk aufMooff VI konnte weder von den Mooffs selbst nochvon den »Meistersingern« erbaut, worden sein.

Ebenso sicher war es, daß beide verschiedenartigeLebewesen in einer Art Symbiose lebten. Die Mooffsbeherrschten die Unwirklichen. Die Aras wiederumkontrollierten die Quallenwesen. Es war einungeheuerliches Dreigespann; eine geistige

Mißbildung auf der Ebene eines nichtmenschlichen,jedoch überragenden Intellekts.

Mediziner, Chemiker und Biologen der TITANwaren längst an der Arbeit. Die aufgefundenenÜberreste abgetöteter Monster wurden untersucht.Sie hatten kein Gehirn! Sie hatten überhaupt nichts,was sie zum selbständigen Denken befähigt hätte.

Dennoch lebten sie; dennoch griffen sie miterstaunlicher Folgerichtigkeit an. Es war nurerklärbar mit einer gewissen Fernsteuerung, die mitden telepathisch-suggestiven Fähigkeiten derhochintelligenten Mooffs einwandfrei in Verbindungstand.

Die Meistersinger selbst boten Rätsel über Rätsel.Ihr Gewebe schien nicht organisch zu sein. Orgterschüttelte nur noch den Kopf. Die Chemikermurmelten etwas von »lebensaktiven Kunststoffenunter Hinweis auf artfremde, unbekannteVerbindungen in einerMethan-Ammoniak-Hochdruckzone.« Damit warniemand gedient, am wenigsten aber derverantwortlichen Schiffsführung.

Auf den Bildschirmen der TITAN glänzte eineriesige, bläulich schimmernde Stahlkuppel. Sie warflach und nur wenig gewölbt. So ruhte sie mit einemDurchmesser auf einem sturmgepeitschten Ozean ausverflüssigtem Ammoniak.

Vor zehn Minuten war sie von der TITAN inEigenortung ausgemacht worden, nachdem die imRaum lauernde GANYMED vorher als übertragendeRelaisstation gedient hatte.

Mit langsamer Fahrt schob sich das Kugelschiffnäher. Die Energie aller Kraftwerke lag auf dendreifach gestaffelten Schutzschirmen. Nur 0,3Prozent der verfügbaren Leistung wurde von denlaufenden Schwerkraftabsorber beansprucht.

Neue Meldungen kamen durch. Oberst Freyt teiltemit, der planetarische Raum der Sonne Mooff sei wieausgestorben. Nirgends wäre ein Fremdkörperechoauszumachen.

»Berechnen Sie eine neue Kreisbahn«, befahlRhodan. »Bleiben Sie über dem Zielgebiet stehenund halten Sie Ihre Waffen klar. Achten Sie aufFunksendungen.«

Freyt bestätigte. Die Raumtaster der TITANzeigten an, daß das Schlachtschiff mit kurzanlaufenden Maschinen aus dem bisherigenUmlaufkurs wich.

»Damit dürften die da unten verloren haben«, sagteEverson. Ungewollt massierte er die blauen Fleckeund Quetschungen, die er bei der »Umarmung« durchdas Ungeheuer davongetragen hatte.

An Bord des Schiffes herrschte eine unwirklicheSpannung. Sie war aufreibend undnervenzermürbend. Diese gewaltige Stahlkuppelkonnte nur mit einem Bauwerk der Galaktischen

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Mediziner identisch sein. Gucky, dessenübergeordnete Sinne voll geöffnet waren, meldete dieAnwesenheit zahlloser »Meistersinger«, derenfremdartige Körperimpulse er einwandfreiempfangen konnte.

»Sie hätten den richtigen Moment abwartensollen«, meinte Dr. Certch. »Wenn man den Gegnerallzu früh mit besonderen Fähigkeiten vertraut macht,kann man ihn im Ernstfall nicht mehr damitüberraschen.«

Dicht unter der langsam fliegenden TITAN begannein Berggipfel zu verdampfen. Er war mit dengefächerten Schutzschirmen in Berührunggekommen.

Tifflor und Tanner saßen wieder vor derFeuerorgel. Die Berichte aus dem Lazarett lautetenzufriedenstellend. Seitdem man sich in der Luftbefand, hatte sich die Unruhe der Kranken gelegt.Die körperlichen Zerfallserscheinungen seien abernicht mehr zu übersehen, hatte Professor Kärnermitgeteilt. Rhodan wußte, daß es allerhöchste Zeitwar.

Die Ufer des gewaltigen Ammoniak-Ozeansnäherten sich. Der weite Horizont des riesigenPlaneten war nicht zu erkennen. Weit vor dem Punkt,wo sich Himmel und Boden berühren sollten, begannbereits die finstere Undurchsichtigkeit der wallendenGasschwaden.

Man näherte sich der Nachthalbkugel von MooffVI. Der gelbe Stern dieser Welt wurde vonsturmzerzausten Wolkenbänken verdeckt. Hiergeschah es nur äußerst selten, daß ein Sonnenstrahldie Oberfläche erreichte.

»Entfernung zur Kuppel zweiundfünfzigKilometer«, gab Captain Brian aus derOrtungsstation durch. »Vorsicht, Sir. DieEnergietaster zeichnen atomare Kraftwerke vonhoher Leistung aus. Die dürften da unten ganz schönbewaffnet sein, und der Durchmesser der Kuppel istgerade nicht gering. Wenn alles schiefgeht, haben SieMaschinenanlagen, die denen der TITAN ebenbürtigsind.«

Das waren die gleichen Gedanken undÜberlegungen, die Rhodan seit einer knappen halbenStunde hegte. Wenn es hier, auf dieserlebensfeindlichen Welt, einen Stützpunkt dertechnisch hochstehenden Aras gab, dann war er auchschwer bewaffnet.

Nahe der Küste, genau 50 Kilometer von derKuppel entfernt, wurde das Superschlachtschiffangehalten. Mit summenden Anti-Gravitatoren standes trotz des aufkommenden Sturmes reglos in derLuft.

Die mathematische und geologische Abteilungwaren mit den Berechnungen über dieses Phänomenbeauftragt worden. Für Rhodan war es unvorstellbar,

daß die relativ flache Stahlscheibe auf demAmmoniakmeer schwimmen sollte.

Das Gewicht der Kuppel mußte unter dervorherrschenden Schwerkraft so beträchtlich sein,daß sie trotz ihrer Ausdehnung kaum schwimmfähigerscheinen konnte. Natürlich mochte man sich überden entscheidenden Auftrieb des fraglos vorhandenenHohlraumes täuschen. Dennoch glaubte Rhodan nichtan eine flüssigkeitsgebundene Festung.

Die TITAN verfügte nach arkonidischerEinrichtungsplanung über ein komplettesForschungslabor. Es waren Geräte vorhanden, mitdenen man aus größten Entfernungen feststellenkonnte, woraus ein bestimmtes Landgebiet bestand.Die Spurentaster wiesen auch in diesem Falleeinwandfrei nach, daß sich um das mächtigeBauwerk herum fester Fels befand. Demnach war esauf einer stabilen Insel errichtet, die ringsum von denätzenden Ammoniakfluten umgeben wurde. Fragloswar der Stützpunkt vom Land her kaum zu erobern.

Wieder war es Dr. Certch, dessen Berechnungenzu einer bedeutsamen Meldung führten. Er kam indie Zentrale gestürmt.

»Haben Sie gehört, daß schwimmende Mooffserkannt worden sind?« erkundigte er sich. Mit einerraschen Handbewegung tat er seine eigene Frage ab.Natürlich war der Kommandant über Guckysübersinnliche Ortung orientiert worden.

»Vorsicht, Sir, etwas stimmt nicht. Es gibt mir zudenken, daß diese Ungeheuer nach dem beinahegeglückten Suggestivüberfall plötzlich überhauptnichts mehr von sich hören lassen. Es istunwahrscheinlich, daß sie bereit sind, auf ihre starkenKräfte zu verzichten. Wenn die Aktion mit denHalblebewesen endgültig fehlschlägt, dürften wireine katastrophale Überraschung erleben.«

Rhodan bestätigte nickend. Natürlich war esseltsam, daß die Quallen so ruhig geworden waren.Dafür aber schwammen sie in gewaltigen Mengen indem Ammoniak-Ozean. Everson zog fröstelnd dieSchultern hoch, als er daran dachte, in dieseGiftbrühe untertauchen zu müssen.

Janus van Orgter hatte sein Hauptquartier ebenfallsin die Zentrale verlegt. Er sah blaß und erschöpft aus.Nur seine Augen lebten in einem verhaltenen Zorn.Er gehörte zu jenen Männern an Bord der TITAN,die Rhodans Rücksichtnahme als sehr riskantansahen.

Wenigstens 80 Prozent aller Männer waren dafür,jeden erkennbaren Mooff schleunigst und mit allenMitteln unter Feuer zu nehmen.

»Energieecho«, dröhnten dieVerbindungslautsprecher zur Ortungsstation.»Lautstärke zwölf, jetzt vierzehn, geht hoch aufzwanzig. Sehr starke Maschinen laufen an. Achtung,Impulsecho geht ein. Wir werden angetastet.

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Überlichtschnelles Verfahren, offenbar Hypertaster,Ende.«

In allen Abteilungen des Schiffes waren die in derZentrale gesprochenen Worte vernehmbar. DieDaumen der Männer entfernten sich niemals weit vonden Schaltern der Körperfelder. Man rechnete mitdem plötzlichen Auftauchen weiterer»Meistersinger«, obwohl die Mediziner behaupteten,das in 10 Kilometern Höhe stehende Schlachtschiffwäre außerhalb des Aktionsbereiches.

Rhodans Blick suchte die Anzeigen derKraftfeldgeneratoren. Alle Werke hingen mit vollsterKapazität auf den Schutzschirmen. Es warundenkbar, eventuell von einem als normalanzusehenden Strahlschuß getroffen zu werden.

Die Vergrößerungsschaltung der Bilderfassungholte das seltsame Objekt noch näher heran. EinzelneAusschnitte der gewölbten Stahlkuppel erschienenauf den Bildschirmen.

»Sie haben keine Schutzglocke errichtet«, sagteRhodan vor sich hin. »Wieso nicht? Das technischeWissen haben sie, es sei denn, wir hatten ganz andereWesen als erwartet vor uns.«

Dr. Certch fuhr zusammen. Argwöhnisch musterteer den Kommandanten.

»Sir das sind Galaktische Mediziner!«»Woher wollen Sie das so genau wissen?«»Sie sind es«, fiel Gucky eigenartig tonlos ein.

»Ich spürte ihre Impulse aus der Kuppel. Ich kennesie genau von Honur her. Chef, ich fühle mich garnicht so wohl. Etwas Unheilvolles geschieht.Zahllose Mooffs sind vor der Insel. >Meistersinger<ebenfalls. Wenn wir da landen ...«

Der Mausbiber unterbrach sich. Rhodan blicktedirekt in seine großen Augen Unbewußt fuhr er demkleinen Burschen über das zarte Nackenfell.

»Sie warten ab! Sie glauben, uns in der Tasche zuhaben«, ließ sich Crest vernehmen. Seine hoheGestalt war heute etwas gebeugt. Tiefste Sorgezeichnete sich in seinem alten und doch so jungwirkenden Gesicht ab.

»Sie wissen, daß wir ihretwegen gekommen sind.Fraglos haben sie erfahren, daß wir es waren, die dievon ihnen ausgeschickten Mooffs auf dem PlanetenZalit vernichtet und damit einen Aufstand gegen dasImperium verhindert haben. Sie erkennen uns alleinan der gewaltigen TITAN. Außerdem werden sieüber unsere Kranken informiert sein. Die Galaxis hatOhren, Perry! Dabei können Sie sich gar nichtvorstellen, wie groß und scharf diese Ohren sind.Nachrichten gehen schnell von Stern zu Stern. DieseBurschen wissen, daß wir nicht einfach auf sieschießen dürfen, wenn wir jemals ein Heilmittelgegen die Kranken finden wollen.«

»Wenn dies ein gewöhnliches Panzerfort wäre,dann existierte es bereits nicht mehr«, entgegnete

Rhodan humorlos auflachend. »So hängen wir hier inder Luft, haben den Gegner gefunden, aber wirkönnen ihn nicht angreifen. Eine feine Situation,nicht wahr?«

»Möglicherweise ist die Inaktivität der Mooffs aufdiese Überlegung zurückzuführen«, warf Certcherregt ein. »Sie bringen mich da auf einen Gedanken.Entschuldigen Sie!«

Dr. Certch stürmte auf die Schotts der Zentrale zu.Im gleichen Augenblick begann Brian aus der

Ortungszentrale erregt zu schreien. Seine Worteverloren sich im allgemeinen Rufen. Unvermitteltwar über dem Arnmoniakmeer eine riesenhafteSeifenblase entstanden. Sie leuchtete erst weißblau,ehe sich ihr Licht zu einem milden Schimmernmäßigte. Von da an blieb es konstant, als wäre esschon immer vorhanden gewesen.

»Also doch eine Energiekuppel«, sagte Rhodanwenig beeindruckt. »Es wäre ja auch ein Wundergewesen! Tifflor, geben Sie mit Nummer siebzehneinen Probeschuß ab. Abwehrkapazität anmessen.«

Geschützkuppel 17 enthielt einen mittelschwerenThermostrahler. Die Zielortung lag längst fest.Augenblicke nach Rhodans Befehl brüllte es in deräußeren Kugelwandung der TITAN auf. AufglühendeLuftmassen wurden zur Seite gerissen. Der fünfMeter starke Impulsstrom war schneller da, als dasAuge folgen konnte.

Dumpfes Dröhnen lag über den zahllosen Räumendes Superschlachtschiffes. Weit voraus flammte esim soeben errichteten Energieschirm des Gegnersauf. Grauenhafte Entladungen zuckten in denHimmel. Die Abwehrglocke schien plötzlich vonleuchtenden Rissen und Schrunden überzogen zuwerden. Trotzdem wurde die auftreffende Energie imschrägen Winkel abgeleitet. Donnernd, kaskadenartigversprühend, zuckte es hinauf in die Wolken, derenblutrotes Aufleuchten das düstere Meer erhellte.

»Keine Wirkung«, gab Brian in lakonischer Kürzedurch. »Das Ding hält mehr aus. Die Schirme dürftenso stark sein wie die unseren. Da kommen wir aufnormalem Wege niemals hinein« Rhodan sah nocheinige Augenblicke auf die Bildschirme, ehe er sagte:

»Die wollen uns in aller Ruhe in der Luftverhungern lassen! Oh, man grüßt ebenfalls!«

Die Schußbahn war schneller da, als es derVerstand erfassen konnte. Ungerührt ließ Rhodan denTreffer in die eigenen Schirme rasen. Auch hiererfolgte eine totale Ablenkung der eingeschlagenenGewalten. Restenergien wurden absorbiert und dereigenen Abschirmung zugeführt. Die gewaltigeTITAN schüttelte sich kurz. Das war alles.

»Viel haben sie auch nicht, und unsereüberschweren Geschütze möchte ich nun doch nichteinsetzen«, murmelte Perry im Selbstgespräch.»Naturgemäß muß ein gleich großes Panzerfort

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jedem Raumschiff überlegen sein, da es keinerAntriebsmaschinen bedarf. Der freiwerdende Platznimmt noch einige Reservekraftwerke auf. Trotzdem,unseren dicken Brummern würden sie nichtstandhalten. Kleiner ...!«

Gucky fuhr zusammen. Dann kam er eilig zumPilotensitz herüber.

»Kleiner, würdest du dich in das Wespennesthineintrauen? Ein kurzes Spielchen machen?«

Der Mausbiber wurde schlagartig um einigeZentimeter größer. Das Spielen mit gefährlichenDingen war seine große Leidenschaft.

»Ich mache das Spiel, Chef«, schrillte er. »Wassoll's?«

»Du bist mein letzter Teleporter. UnsereWaffenmixer werden dir einenschwarzschimmernden Ball geben. Den legst du nachEinschaltung des Zünders dort nieder, wo die größtenGeneratoren stehen. Dann wollen wir einmal sehen,wo unsere Freunde mit ihrer schönen Abwehrglockebleiben.«

Gucky zeigte seinen Nagezahn. Es hätte ungeheuerlustig gewirkt, wenn es in seinen großen Braunaugennicht so seltsam geglitzert hätte.

Minuten später gingen die einzelnen Befehleheraus. Die marschbereiten Roboterkommandosschritten in die entstehenden Antigravfelder hinein.

Mammutpanzer mit fürchterlichen Strahlwaffenruckten an. Die Männer der Einsatztrupps formiertensich.

In der Zentrale wandte sich Rhodan an denMutanten Wuriu Sengu. Der wuchtig gebaute Japanerlauschte mit schiefgehaltenem Kopf.

»Ich werde die Kuppel überfliegen, damit du einenBlick hineinwerfen kannst. Weise Gucky die Stellean, wo er nach seinem Teleportersprung zumaterialisieren hat. Schätzungsweise gibt es dadrüben eine zentrale Reaktorhalle, die größer seindürfte, als fünf Kraftwerke der TITAN zusammen.Dort soll der Kleine landen.«

Der Späher, dessen besondere Gabe ein optischesDurchdringen fester Körper und Wände war, nicktewortlos. Augenblicke später ruckte dasGroßkampfschiff an.

Das war der Moment, in dem Rhodan die zweiteWarnung erhielt, nur waren die Impulse diesmalnicht so stark wie kurz vor der ersten Landung.

»Bleibt da, wo ihr seid, Gefahr. Wir können euchnicht mehr helfen. Fliegt nicht weiter, kehrt um.«

Klar und deutlich entstand der Sinn der Mitteilungin Rhodans Gehirn. Gucky verstand es noch besser.»Wer bist du?« gab das Pelzwesen rasch zurück.»Antworte, Freund. Du meinst es gut, oder?«

»Ich meine es gut«, kam die Antwort an. »Dies istmeine letzte Warnung. Ihr seid ungehorsam gegeneuch selbst. Fliegt wieder fort. Die Festung der

Fremden könnt ihr nicht einnehmen.«»Wer bist du?«»Trorth nenne ich mich, doch das, ist unwichtig.

Geht wieder! Fliegt nicht weiter. Das ist meine letzteWarnung.«

Gucky fragte weiter. Es erfolgte keinetelepathische Antwort mehr.

»Wir haben also doch Freunde!« sagte Rhodanerregt. »Kleiner, wie sah es im Gehirn desUnbekannten aus?«

Der Mausbiber breitete die kleinen Arme aus.»Keine Ahnung, Chef. Nicht hineinzukommen.

Das muß ein ganz komisches Etwas sein. Es war aberkein verborgener Haß in den Schwingungen.«

Rhodan gab es auf. Wer immer der Unbekanntesein mochte, er konnte nichts mehr an der Sachlageändern.

Die TITAN glitt gefährlich langsam über dieEnergiekuppel hinweg. Beinahe berührten sich dieAbwehrschirme. Der Gegner unternahm nichts.

»Die Energiestation liegt tief im Fels«, berichteteSengu. »Ein riesiger, anscheinend ausgebrannterHohlraum.«

Mehr wollte Rhodan nicht wissen. DreißigMinuten später meldete sich der Mausbiber. Er trugseinen speziellen Einsatzanzug, an dessen Gürtel einkleiner, kopfgroßer Metallball hing.

8.

Gucky sah sich noch einmal in dem hallenartigenRaum um, ehe er den Zünder niederdrückte. Es warsonst niemand da. Die Mammutmaschinen liefenvollautomatisch.

Gucky materialisierte wenig später an Bord derTITAN. Knapp zwanzig Sekunden nach dergeglückten Flucht begann die Bombe zu reagieren.Eine explodierende Atomwaffe hatte man nichteinsetzen können, wenn man nicht Gefahr laufenwollte, die gesamte Kuppel zu zerstören. Es genügtevöllig, wenn lediglich der Schutzschirmzusammenbrach.

Inmitten der Maschinenanlage entwickelte sich einfünfdimensionales Gravitationswirbelfeld, dessenEnergievolumen um so stärker wurde, je mehrreaktionsfreudige Hyperelemente davon erfaßtwurden. Hyperelemente aber waren in denImpulskonvertern der riesigen Kraftstation genügendvorhanden.

Der Alarm innerhalb der Kuppel kam zu spät. Erwäre auch zu spät gegeben worden, wenn man Guckywährend des Zündens beobachtet hätte.

Dumpfes Heulen kam aus den Tiefen der Felsinsel.Irrlichternde Leuchtspiralen schoben sich ausBelüftungsschächten und anderen Öffnungen. EinReaktor nach dem anderen stellte automatisch den

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Dienst ein, als die Hyperkatalysatoren derImpulskonverter in den angeregten Prozeßübergingen. Zerstörungen im Sinne des Worteswurden überhaupt keine angerichtet. Sobald daseinmal entstandene Feld keine Nahrung mehr fand,erstarb es von selbst.

Zurück blieb ein rätselhaftes Wallen und Raunenin der sauerstoffhaltigen Luft der Kuppel. Dazukamen noch auslaufende Hochleistungsmaschinen,deren thermisches Energievolumen infolge derausgefallenen Umformer keine Abnehmer mehr fand.In der ganzen Galaxis gab es keineAtomkraftmaschine, die sich beim Versagen desStromverbrauchers nicht von selbst stillgelegt hätte.Stromabnehmer war aber zu 99 Prozent dasEnergiefeld ringsum der Kuppel gewesen.

»Es war einfach«, behauptete Gucky enttäuscht,als die eben noch so unüberwindbar erscheinendeSchirmfeldwandung nach einem müden Aufleuchtenin sich zusammenbrach.

Rhodan wartete keine Sekunde länger als nötig.Das Superschlachtschiff ruckte an. In knapp einerSekunde hatte es die Distanz zwischen Küste undInselfestung überwunden. Nun kam es nur nochdarauf an, die schweren Waffen des mächtigenGebildes so schnell außer Gefecht zu setzen, daß dieLandungsmannschaften nicht in konzentriertes Feuergerieten. Das Schirmfeld eines arkonidischenEinsatzanzuges konnte wohl den Schuß aus einerHandwaffe neutralisieren, niemals aber dieenergievollen Todesbahnen größerer Geschütze.

Mit aufbrüllenden Triebwerken und unwilligbrummenden Andruck-Absorbern kam die TITANdirekt über der Festung zum Stillstand.

Die Geschützstellungen der Südseite waren längstdurch Energieortung ausgemacht und in dieZielautomatik der eigenen Batterien einprogrammiertworden.

Rhodan nickte wortlos zur Feuerorgel hinüber.Tifflor und Tanner drückten mit allen zehn Fingernauf die grünen Knöpfe der Desintegratoren.

Nur das dumpfe Jaulen der Strukturumformerklang auf. Dies war nicht das betäubende Donnernder Impulskanonen, deren sonnenheiße Strahlbündelbei diesem Unternehmen nicht mehr angebrachtwaren.

Lautlos, kaum erkennbar in der diesigen,turbulenten Luft zuckten die Wellenbündel aus dengleichrichtenden Schirmfeldern. Unten schien nichtszu geschehen. »Vorsicht!« schrie jemand gellendüber die Bordverbindung. Es wäre überflüssiggewesen. Bevor man den Ruf befolgen konnte, warendie grellweißen Glutbahnen schon da. Das Fort hattedas Feuer eröffnet, noch ehe man die Stellungen hattezerstören können.

Lohendes Atomfeuer hüllte die reglos in der Luft

hängende TITAN ein. Es war ein starkes,hochkonzentriertes Feuer. Es bestätigte RhodansTheorie über die gewaltige Schlagkraft einerstationären Festung.

Ein Dröhnen fuhr durch die Räume desSchiffsriesen. Die Zelle verwandelte sich zurschwingenden Glocke und sekundenlang sah es aus,als wollten die Abwehrschirme haltloszusammenbrechen.

Rhodans Daumen ruhte auf dem auffälligmarkierten Notleistungsknopf. Sogar dieReservestationen tief unten im Leib desRiesenschiffes waren eingefallen, um den jählingsemporschnellenden Energiebedarf der Schutzschirmedecken zu können. Die Defensivwaffen der TITANwaren noch niemals in dieser Weise beanspruchtworden.

Rhodan sah, wie sein Erster Offizier Everson vondem wilden Rucken des Schiffes nach vorngeschleudert wurde, bis ihn die vorsorglichumgeschnallten Haltegurte auffingen.

Dann schlug es unten ein. Es hatte ohnehin nur denBruchteil einer Sekunde gedauert. Die letztenEntladungen zuckten aus dem dreifach gestaffeltenAbwehrmantel der TITAN, als sich an genau 22Stellen der Festungskuppel gähnende Öffnungenauftaten.

Sie entstanden geisterhaft lautlos. Zuerst begannendie Ränder zu bröckeln, dann wurden sie glatt, bissich die Öffnungen im Zuge der blitzschnellenErweiterung zu sauber gestanzten Löchernumformten.

Es entstand keine Hitze und es kam auch keinGlühen auf. Dafür aber geschah etwas, was in dieserForm nur auf einem ausgesprochenenÜberdruckplaneten geschehen konnte.

Im leeren Raum wären nun allerlei Gegenständeaus den Löchern gerissen worden. Hier entstandjedoch keine explosive Dekompression, sondern einenicht minder explosive Implosion durch dasknallharte Eindringen der giftigen Atmosphäre.

Dann kamen die grellen Leuchterscheinungen, aufdie die Physiker der TITAN gewartet hatten. Diesauerstoffhaltige Luft der an 22 Stellenangeschlagenen Kuppel hatte sich mit denMethangasen zu einem chemisch explosivenGemisch verbunden, das an den nachglühendenEnergiegeschützen einen guten Zünder fand.

Riesige Feuerzungen schossen aus den gähnendenÖffnungen. Diesmal kamen die Bruchstücke nachaußen geflogen, was bewies, daß ein gewisserDruckausgleich erfolgt war. Es zeigte aber auch an,daß man auf schwere Sicherheitsschotts nichtverzichtet hatte. Die Kanonenstellungen mochtenrestlos zerstört sein, nicht aber die anderen Anlagender mächtigen Kuppel.

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Rhodan zögerte auch diesmal nicht. Direkt nachden erfolgten Treffern begannen die thermischenWaffen des Schlachtschiffes zu brüllen. Die vor demerkennbaren Inselufer liegende See wurde mitbreitfächernden Strahlbündeln abgestreut.

Das Wirkungsfeuer zur Absicherung derLandungsmannschaften gegen dieheranschwimmenden Mooffs entwickelte sich zueinem unablässigen Dröhnen. Von nun an biß dieTITAN mit all ihren fürchterlichen Zähnen zu.

Tiefer sank das Schiff. Genau 1200 Meter überdem kochenden und verdampfendenAmmoniak-Ozean blieb der Raumer erneut in derLuft stehen.

Damit war es noch außerhalb desTeleportationsbereiches der unheimlichenLebewesen, die man aus Galgenhumor»Meistersinger« genannt hatte.

Aus der strategischen Planung entwickelte sich dertaktische Angriff. In gewisser Weise wurdenklassische Richtlinien befolgt, nur setzte man andereund weitaus stärkere Waffen ein.

Rhodan vernahm die telepathisch erkennbarenSchwingungen fluchtartig zurückweichender Mooffs.Durch diese Feuerwand würden sie niemalshindurchkommen.

»Roboter absetzen, Sicherungsformation«, dröhnteRhodans Stimme über alle Lautsprecher.

Dreitausend arkonidische Kampfmaschinen,selbstdenkend, selbstlenkend, schwebten im Schutzihrer Antigravfelder aus den aufgleitendenSchiffsschleusen. Die robotgesteuerten Panzerfolgten.

Sie begannen noch im Niedergleiten zu feuern. AlsZielgebiete dienten die genau einprogrammiertenSchußöffnungen, die in erster Linie von»Meistersingern« freigehalten werden mußten.

Zwei Minuten nach dem Absetzen der vierarmigenWaffenroboter folgten die Männer derEinsatzkommandos. Als Chef fungierte MajorSwartz. Rhodan hatte sich ein Eingreifen beibesonderen Gelegenheiten vorbehalten.

Vierhundert Mann verließen die Schleusen desSuperschlachtschiffes. Sehr schnell sanken sie nachunten, wo die Robots längst in wildem Vorstürmendie Schußöffnungen gereinigt hatten. Dort gab esnichts mehr, was den Menschen hätte gefährlichwerden können.

»Everson, halten Sie mir das Schiff in sichererHöhe«, war Rhodans letzter Befehl, ehe er sprang.

In den Muscheln der Kopfhörer klangen dieBefehle der einzelnen Offiziere auf. DieEinschußöffnungen wurden von verschiedenenTrupps gestürmt. Rhodan stieß mit Gucky zuLeutnant Tifflor vor. Die 35 Männer seinesKommandos waren eben dabei, kopfüber im knapp

50 Meter durchmessenden Schußloch zuverschwinden.

Spezialroboter folgten, aber noch war niemand zusehen.

»Ich sehe mich um, Chef«, gab der Mausbiber überFunkspruch durch.

Rhodan erhob die Hand. Gucky verschwand zuseinem zweiten Teleportersprung.

Es war eine große, weite Halle mit völligzerstörten Waffenanlagen.

Zwei Schüsse aus den tragbaren D-Geschützen derRobots genügten, um auch die rückwärtigeSchleusenwand zu sprengen.

»Festhalten!« konnte Rhodan eben noch warnendschreien, ehe ein wilder Orkan entstand.

Die Überdruckatmosphäre des Riesenplanetenfauchte in die hinter den Schußöffnungen liegendenRäume hinein. Was nicht niet- und nagelfest war,wurde mitgerissen.

Rhodan fühlte, daß sich sein Griff lockerte. Dieschmerzenden Finger öffneten sich ruckweise, unddann war es soweit.

Zusammen mit anderen Männern wurde er überden Boden gewirbelt. Die Schlitterfahrt endete erst,als der Druckausgleich erfolgt war.

»Keine Hitzewaffen einsetzen«, schrie Tifflorschrill über Funk. »Explosionsgefahr. Hier ist einböses Gasgemisch entstanden.«

Rhodan blieb in der weitläufigen Halle zurück. DieEinrichtung, offenbar zu einem Großlabor gehörend,war schwer demoliert worden. Wieder wurden keineLebewesen angetroffen.

Er suchte sich eine stille Ecke und steuerte vondort aus die einzelnen Unternehmen. Dunkles Tosenund Donnern näherte sich. Die Männer derSpezialkommandos gingen vor.

»Kein Feuer, keine Gegenwehr«, gab MajorSwartz über Bildfunk durch. Sein vom Schutzschirmleicht verzerrtes Gesicht erschien auf der Bildflächedes tragbaren Gerätes.

»Stoßen Sie in Ihrem Sektor weiter vor. Halten SieVerbindung mit mir und den Nachbartrupps.«

Der Angriff lief. Er war nicht mehr aufzuhalten.Wenn hier Aras waren, dann mußten sie derungeheuren Tatkraft der Menschen rettungslosunterlegen sein.

Rhodan dachte an einen Ausspruch des ArkonidenCrest. Danach war der Mensch das einzige Geschöpfin der Milchstraße, das den arkonidischen Eroberernder Frühzeit in jeder Beziehung glich.

»Meistersinger!« schrillte ein Ruf aus denHörmuscheln. »Leutnant Hathome, Trupp sechzehnspricht. Wir dringen in eine Halle vor. Sie wimmeltvon Kunststoffmonstren. Sie greifen an.«

»Zurückziehen, irgendeinen Gang abriegeln.Grand, wie weit sind Sie mit Ihrer Entlüftung?«

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»Gebläse laufen. Luftanalyse zufriedenstellend.Methan-Sauerstoff-Gemisch in allen überflutetenRäumen ungefährlich geworden«, gab derChefingenieur des Schiffes durch.

Rhodan lauschte auf das helle Singen der rasendenTurbogebläse. Diese Spezialaggregate wurden sogarmit der Gasdichte des VI. Mooff-Planeten fertig.

Die Luftanalyse wurde von Spezialroboternvorgenommen.

Leutnant Hathome, bewährt im Honur-Einsatz,ließ das sinnlose Feuer mit denDesintegratorhandstrahlern einstellen. Die Ungeheuerreagierten nicht darauf. Als sich seine Männer ebenfluchtartig zurückzogen, gab Rhodan denentscheidenden Befehl durch:

»Feuererlaubnis mit Thermowaffen für alleEinsatzkommandos. Explosionsgefahr beseitigt. Wirpumpen Außenluft in alle Räume und saugen dasgefährliche Gemisch ab. Legen Sie los.«

Hathome war es, der sich im letzten Augenblickhinter ein tragbares Impulsgeschütz warf, um dasherankommende Ungetüm unter Feuer zu nehmen.

Es verging im lohenden Odem der Waffe. Weiterhinten schrie ein Mann in der Umklammerung eines»Meistersingers«. Es dauerte nur Augenblicke, bisGucky erschien. Von da an hatte das Ding keineChance mehr.

»Ruft mich über Funk, wenn einer gefaßt wird«,kam die Stimme des Mausbibers durch dasallgemeine Brüllen und Rufen. Es war die Hölle.Jeder Trupp war auf sich allein angewiesen. Diedraußen stehenden Kampfroboter befanden sich ineiner erbitterten Abwehrschlacht gegenteleportierende Monster, die der Gegner in Erwartungeiner Landung zu Tausenden auf der Insel abgesetzthatte.

Diese Maßnahme rächte sich nun. Sie kamen nichtmehr in die Festung hinein, da sie dazu erst einmaldie Sperre der Kampfmaschinen und in zweiter Linieden Feuervorhang der TITAN zu überwinden hatten.Rhodan wartete ab.

*

Es hatte zwei Stunden Bordzeit gedauert, bis siedie inneren Räumlichkeiten erreicht hatten. DieKuppel mit all ihren riesenhaften Sälen, Hallen undringförmigen Korridoren erschien äußerlichunbeschädigt. Von innen glich sie einemTrümmerhaufen.

Vor einer Minute war die erste wirklicheFeindberührung erfolgt. Man hatte ein dünnes,menschenähnliches Wesen von weißlicher Hautfarbeund zerbrechlichem Körperbau tot aufgefunden.

Rhodan beugte sich über das graue nichtssagendeGesicht mit den erstarrten Augen.

»Ein Ära«, gab er über Funk durch. »Die gleichenKerls, die wir auf Honur gefunden haben. Wo sinddie anderen?«

»Hinter jener Tür«, erklärte Tifflor erschöpft. SeinGesicht hinter dem leicht flimmernden Schutzschirmdes Einsatzanzuges glich einer geisterhaften Maske.

»Sir, es ist fürchterlich! Links von Ihnen, dasgroße Tor da, führt in eine Art Großlabor. Da liegenganze Stücke von jenen Monstren herum, mit denenwir es laufend zu tun haben.«

»Stücke?« wiederholte Rhodan stockend.»Jawohl, Sir. Die Biologen sind schon drin. Sie

sagen, dies wäre eine Großstation zur Erzeugungsynthetischen Lebens. In den Kesseln wallt und kochtes.«

Rhodan sprang sorglos in den anderen Raumhinein. Grauengeschüttelt blieb er stehen. Dievollautomatische Anlage lief noch. Es war wie ineiner Automobilfabrik, in der Einzelteile auf demEndband zusammengefügt werden. Nur handelte essich hier um pulsierendes, rätselhaftes Syntholeben,das ganz am Ende der Halle schlauchartig aus einerdampfenden Maschine kann. Das was auf denTransportbändern fortgeschafft wurde, lebte; aber esdachte nicht.

Der Biologe Janus van Orgter stellte fest: Fragloskönnen diese Monster nur dann handeln, wenn sievon einem starken Willen gesteuert werden.Wahrscheinlich werden sie von den GalaktischenMedizinern als irgendwelche Hilfskräfte verkauft.

Rhodan befahl: »Tifflor, schießen Sie die Bänderund Maschinen zusammen. Alles raus hier, auch dieWissenschaftler.«

In dem Augenblick kam Guckys Hilferuf durch.Jeder hörte die hohe Stimme in den Kopfhörern.

»Ich bin in den Wohnräumen. Schnell, beeilt euch.Die Aras fliehen in ein Raumschiff. Es steht dicht beimir. Ich - ich glaube, ich kann nicht mehr. Ich binerschöpft. Kommt.«

Dunkles Donnern übertönte die Geräusche derWaffen und Gebläsemaschinen. Das Geräuschsteigerte sich zum grellen Heulen, das sich nacheinem machtvollen Höhepunkt rasch entfernte.

Rhodan rief bereits die GANYMED an. Freyterschien auf dem Schirm.

»Okay, Sir, ich habe sie schon in der Ortung. Diekommen nicht weit«, gab er gelassen durch. »Habtihr unten welche gefangen?«

»Ich, ich halte drei Aras fest«, stöhnte Gucky. »Siewehren sich. So kommt doch.«

Rhodan schaltete ab. Während im freien Raum einkleines Schiff auftauchte und eine Breitseite derGANYMED dem bereits irrsinnig schnellenFlüchtling nacheilte, ging Tifflors Trupp erneut vor.Letzte Trennwände zerbröckelten unter arbeitendenDesintegratoren.

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In einem kleinen Raum stand Gucky vor dreilangen, pfahldünnen Wesen. Sie hingen an denstabilen Wänden des Raumes, als wären sie dortangeklebt worden. Sie trugen feste Raumanzüge, dieden hohen Gasdruck des Planeten wohl aushielten.

Zugreifende Männerfäuste rissen die Hilflosen ausdem telekinetischen Bann. Wenig später kam von.Wuriu Sengu die Meldung, er könne nirgends mehrAras sehen.

Es dauerte nochmals fünf Stunden, bis Roboterund Menschen die Kuppel durchsucht hatten.Unterdessen befanden sich die drei gefangenen Arasbereits auf der TITAN im Hypnoverhör. Dr.Hayward leitete die Untersuchung.

Als Rhodan oben ankam, lagen die Ergebnisse vor.Die Mediziner Hayward und Kärner zeigten starre

Gesichter. Rhodan stockte im Schritt.Langsam tastete er nach einem arkonidischen

Kontursessel, der sich sofort um seinen Körperschmiegte.

»Sie wollen doch hoffentlich nicht sagen, dasVerhör wäre ergebnislos verlaufen?« erkundigte ersich.

Professor Kärner räusperte sich. Seine Stirn warvon feinen Schweißperlen bedeckt.

»Es war ein Erfolg, Sir, jedoch ein für unsnegativer Erfolg, wenn ich so sagen darf. DieseWesen sind psychisch wenig widerstandsfähig. Wirdrangen mit dem Hypnoseverhör bis in die letztenWinkel ihres Geistes vor.« Und ...

»Negativ für uns, wie gesagt. Diese Station dientedazu, synthetisches Leben zu erzeugen. Diefabrizierten Monstren wurden regelmäßig vonSchiffen der Galaktischen Mediziner abgeholt. Mitden Vorfällen auf dem Planeten Honur haben diehiesigen Aras nicht das geringste zu tun. Sie ahnennoch nicht einmal, daß wir Kranke an Bord haben.Die Aussagen sind unbedingt glaubwürdig, wennman bedenkt, daß auch die Aras in zahlloseEinzelsippen gespalten sind.«

Rhodan hatte das Gesicht in den Händen geborgen.»Umsonst!« hämmerte es in seinem Gehirn. »Alles

umsonst!«Kärner sprach unbekümmert weiter:»Sir, das Unternehmen war ein Fehlschlag. Wir

gingen von falschen Voraussetzungen aus. Die hierlebenden Aras kannten uns wohl, aber nicht infolgeder Vergiftung, sondern lediglich durch dieEreignisse auf Zalit. Sie waren es, die die Mooffsnach dort brachten und ihnen befahlen, die Revoltedurch suggestive Beeinflussung zu veranlassen. Hiergibt es kein Heilmittel für unsere Kranken.«

Rhodans Hände sanken schlaff nach unten. SeineAugen waren blicklos in weite Ferne gerichtet. »Undjetzt?«

»Eine Aussage ist immerhin von Bedeutung, Sir«,

fiel Hayward mit einem unwilligen Seitenblick aufKärner ein. »Die Aras besitzen sogenannteZentralwelten, auf denen sich der Handel mit anderenVölkern abspielt. Wenn wir das Gegenmittelüberhaupt finden, dann nur auf einer Welt, die dieGefangenen Aralon nennen. Dort ist gewissermaßeneine medizinisch-pharmazeutische Verkaufszentrale,die alle möglichen Heilmittel vorrätig hat. Außerdemgibt es dort einige Araführer. Die Gefangenen sindsicher, daß wir Hilfe finden können. Wie, istnatürlich eine andere Frage.«

»Ich werde sie notfalls zwingen, mein Wortdarauf«, sagte Rhodan stockend. »Sperren Sie dieGefangenen ein und geben Sie ihnen Verpflegung.Die Kuppelstation wird vernichtet.«

»Die Mooffs?« erinnerte Everson. »Laßt sie leben,wie sie sind. Wen kümmert es noch, wenn dieDrahtzieher endgültig verschwunden sind.«

»Diese Monstren bedeuten eine Gefahr. Der Planetgehört vernichtet!« knurrte Dr. Certch.

Rhodans Gesicht wirkte eingefallen und zerfurcht.»Laßt den Mooffs ihre Welt. Sie sind harmlos. Sie

werden nie aus ihrem Ammoniaksumpf nach obenkommen, wenn sie von verbrecherischen Elementennicht dazu gebracht werden. Mögen sie nun sein wiesie wollen. Kümmern Sie sich bitte um dieBerechnungen über die voraussichtlichenHandlungen des Robotgehirns.«

»Sie wollen zurück, nach Arkon?« fragte Certchbestürzt.

»Wissen Sie etwa, wo dieser Araplanet mit demEigennamen Aralon zu finden ist?«

Rhodan stand müde auf, als Gucky in der Zentraleerschien.

»Unser Freund hat gerufen«, erklärte er, »dieserTrorth. Er möchte mit uns sprechen, ehe wirabfliegen. Wir müssen aber hinunter, Chef, er kann inunserer Luft nicht leben.«

»Trorth ...? O ja, natürlich Tifflor, Dr. Orgter,kommen Sie bitte mit. Tiff, zehn Mann als Wachenausschleusen. Ich möchte nicht von Mooffsüberrascht werden.«

»Der Teufel soll die Biester holen«, knirschteEverson. »Passen Sie nur auf, Sir.«

*

Sie waren mit den Antigravanzügen nach untengeschwebt, und dann hatten sie in heller Panik dieWaffen nach oben gerissen.

Die Thermostrahler waren noch immer imAnschlag. Nur Guckys schrillem Ausruf war es zuverdanken, daß sie nicht geschossen hatten.

Trorth war allein gekommen. Einsam undverlassen ruhte er mit seinen stummelartigenGehwerkzeugen auf dem kristallinen Boden. Sein

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quallenartiger Körper schaukelte im Wind, und diegroßen Knopfaugen inmitten des runden Kopfeswaren weit geöffnet. Zwei Meter hoch, eineinhalbMeter breit - so stand er vor den Menschen. Er hattekeine Waffe, so, wie er niemals eine besessen hatte.Gucky stieß wimmernde Laute aus. Seine rosigenPfoten lagen unterhalb des Energieschirms über dengroßen Ohren.»Nicht, nicht schon wieder schießen«, kam es alsleiser, telepathischer Impuls in Rhodans Hirn an. »Ihrhabt genug geschossen und genug von uns getötet.Warum nur? Meine Brüder weinen. Haben wir nichtversucht, euch mit unseren gemeinsamen Gaben zumStart zu zwingen, nachdem ihr trotz unserer Warnunggelandet wäret? Da habt ihr uns beschossen. Es warfürchterlich. Da taten wir nichts mehr. Nur nocheinmal wollte ich euch rufen, aber ihr habt wiederangegriffen.Wir halfen euch, wo wir konnten. Deine Freundewaren in Not. So haben wir die Nichtlebenden durchZusammenballung all unserer Kräfte zerstört. Sievergingen in hellen Feuerbällen.«»Aber euer niederträchtiges Wirken auf Zalit. - Wiesoll ich das verstehen?« fragte Rhodan. »Nur deshalbhielten wir euch Mooffs für erbitterte Gegner desImperiums.« Die Waffen der Männer waren längstnach unten gesunken. Gucky übersetzte dentelepathischen Wortwechsel in verständliche Laute.»Ja, ich weiß«, antwortete der Mooff. Der Sturmwurde stärker. Orgter erinnerte sich daran, wie er beider ersten Landung über den Boden gerissen wurde.»Wir sind beschämt«, erklärte Trorth. »Wir könnennur um euer Verständnis bitten, denn Kinder sindnicht weise. Ich weiß nicht, ob ihr auch Kinder habt;solche, die noch keinen eigenen Willen besitzen.«»Kinder?« stöhnte Rhodan. »Die Mooffs auf Zalit -das waren eure Kinder?«»Sie wurden von den Aras mißbraucht, die siewiederum uns entführten. Sie wußten nicht, was sietaten. Ich weiß, es gibt keine Entschuldigung dafür.Es liegt uns nicht an politischer Macht. Als ihr kamt,ahnten wir, daß ihr falsche Vorstellungen von unshattet. Wir haben euch längst verziehen. Es ist allesnicht schlimm, es ist alles vergessen. Wir sindglücklich, wenn wir mit Wesen von anderen Sternensprechen können. Ja, wir wissen, daß es einImperium gibt, obwohl wir niemals Sterne gesehenhaben. Viele Fremde landeten schon bei uns, bis

eines Tages die Aras kamen und die Kreaturenzüchteten. Sie waren unsere erbitterten Feinde. Wirstdu noch auf mich schießen?«Das fremde Wesen erkannte die Impulse derVerzweiflung und der Selbstvorwürfe. Unbeholfenkam es auf den Menschen zu.»Ich bedaure aus tiefstem Herzen was geschehenist!« flüsterte Rhodan tonlos.»Können wir euch helfen?« fiel der Mooffbegütigend ein. »Vergiß es, vergiß alles, was hiergeschah. Wir machten alle Fehler. Ich konnte michjedoch nicht früher melden, da du mir nicht geglaubthättest. Wir beschlossen, euch so lange Zeichenunserer Hilfe zu geben, bis euer Verstand unserVorhaben recht erfaßt. Auch jetzt benötigst du Hilfe.Ich sehe in deinem Geist, daß viele deiner Brüderkrank sind!«

*

Mensch und »Ungeheuer« trennten sich nach zweiStunden; Rhodan und seine Begleiter innerlichzerschlagen und von Selbstvorwürfen gequält, dieMooffs voll freudiger Erwartung. Fünfzig von ihnenwollten an Bord der TITAN kommen, um dieMenschen bei ihrer Suche nach dem Heilmittel zuunterstützen. Die telepathischen und suggestivenFähigkeiten dieser Lebewesen konnten vonunschätzbarem Vorteil sein.»Dr. Garand, richten Sie bitte einige geeigneteRäume des Schiffes als Hochdruckkammern her«,ordnete Rhodan an, als er wieder auf dem Schifferschien.»Schaffen Sie Lebensbedingungen, in denen dieMooffs existieren können. Nein, staunen Sie nicht,ich meine es ernsthaft. Kümmern Sie sich bitte umdie Druckräume. Unsere Freunde kommen sofortnach Fertigstellung an Bord. Unsere Freunde, habenSie das verstanden?«Sie blickten dem davonschreitenden Kommandantennach.Draußen heulte der Orkan. Dicht vor dem Schiffwiegten sich die verformbaren Körper der Mooffs imRhythmus der turbulenten Böen.

E N D E

Selbst bei der Begegnung zwischen Menschen, die die gleiche Sprache sprechen, sind Irrtümer, die zutragischen Konflikten führen, manchmal nicht zu vermeiden.Bei der ersten Begegnung zwischen Mensch und Monster ist naturgemäß die Wahrscheinlichkeit eines solchentragischen Konfliktes, der aus gegenseitiger Unkenntnis erwächst, viel größer! Die Menschen jedenfalls, die

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auf dem Planeten der Mooffs landeten, hatten eine bittere Lehre einstecken müssen. Anders ist es im nächstenAbenteuer! Dort sind es die Terraner, die ihrerseits den Aras eine Lehre erteilen!

SEUCHENHERD ARALON

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