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8. MAI BIS 16. SEPTEMBER 2018 DER VERGESSENE PAPYRUS Die aktuelle Sonderausstellung handelt von einer Papyrusrolle, von deren Existenz das Museum lange Zeit nichts wusste. Entdeckt wurde der Papyrus erst 2013 durch Zufall bei Arbeiten im Depot der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung. Der spannende Fund wirft verschiedene Fragen auf. Ein Zwischenstand der bisherigen intensiven Forschungsarbeit wird nun im Rahmen dieser Kabinettausstellung präsentiert. Videos geben u.a. Einblick in die fachgerechte Öffnung der Papyrusrolle, die umfangreicher Vorarbeiten bedurfte, da die passende Methode zur schonenden Ausrollung erst erarbeitet werden musste. Im Jahre 2013 wurden die Tiermumien der Wiener Sammlung einer gründlichen Untersuchung unterzogen. Dazu zählten auch die sogenannten Ibis-Tonkegel – tönerne, kegelförmige Gefäße, die als Särge für Ibis-Mumien fungierten. Die Ägyptisch-Orientalische Sammlung besitzt 29 Ibis-Tonkegel, die alle bereits im 19. Jahrhundert in die Sammlung gelangt sind. Mehrere Beispiele stammen aus der sogenannten Sammlung Miramar von Erzherzog Ferdinand Maximilian, dem späteren Kaiser Maximilian von Mexiko; benannt ist die Sammlung nach seiner Residenz: Schloss Miramar bei Triest. Die Aegyptiaca wurden bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Ägypten erworben und gelangten schließlich 1883 nach Wien in die kaiserliche Sammlung.

DER VERGESSENE PAPYRUS 16. SEPTEMBER 2018fertig ausgerollte Papyrus (inklusive aller Fragmente) weist eine Gesamtlänge von 250 cm auf. Auch der zerknitterte äußere Leinenstoff wurde

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8. MAI BIS 16. SEPTEMBER 2018

DER VERGESSENE PAPYRUS

Die aktuelle Sonderausstellung handelt von einer Papyrusrolle, von deren Existenz das Museum lange Zeit nichts wusste. Entdeckt wurde der Papyrus erst 2013 durch Zufall bei Arbeiten im Depot der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung. Der spannende Fund wirft verschiedene Fragen auf. Ein Zwischenstand der bisherigen intensiven Forschungsarbeit wird nun im Rahmen dieser Kabinettausstellung präsentiert. Videos geben u.a. Einblick in die fachgerechte Öffnung der Papyrusrolle, die umfangreicher Vorarbeiten bedurfte, da die passende Methode zur schonenden Ausrollung erst erarbeitet werden musste. Im Jahre 2013 wurden die Tiermumien der Wiener Sammlung einer gründlichen Untersuchung unterzogen. Dazu zählten auch die sogenannten Ibis-Tonkegel – tönerne, kegelförmige Gefäße, die als Särge für Ibis-Mumien fungierten. Die Ägyptisch-Orientalische Sammlung besitzt 29 Ibis-Tonkegel, die alle bereits im 19. Jahrhundert in die Sammlung gelangt sind. Mehrere Beispiele stammen aus der sogenannten Sammlung Miramar von Erzherzog Ferdinand Maximilian, dem späteren Kaiser Maximilian von Mexiko; benannt ist die Sammlung nach seiner Residenz: Schloss Miramar bei Triest. Die Aegyptiaca wurden bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Ägypten erworben und gelangten schließlich 1883 nach Wien in die kaiserliche Sammlung.

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In einem der Tonkegel der Miramar-Sammlung (Inv.-Nr. ÄS 5174) fand sich unterhalb der Ibis-Mumie ein kleines Päckchen. Dieses entpuppte sich als eine noch ungeöffnete Papyrusrolle, die in zwei Stoffstücke einwickelt war. Die Papyrusrolle war in ihren äußeren Wicklungen aufgebrochen, und daher konnte man einige hieratische Schriftzeichen erkennen, die auf eine Datierung der Schriftrolle in das späte Neue Reich (um 1100 v. Chr.) hindeuteten. Auch die innere Leinenbinde, in die die Rolle eingewickelt war, war in gutem Zustand; der äußere Leinenstoff war dagegen sehr zerknittert und beschädigt, wies aber eine vorerst unklare skizzenhafte Darstellung auf. Im Frühjahr 2014 wurde gemeinsam mit einem externen Papyrusrestaurator begonnen, die Papyrusrolle behutsam auszurollen. Um die Papyrusfasern wieder geschmeidig zu machen, mussten sie in einer Feuchtkammer aus Plexiglas befeuchtet werden. Die notwendige Luftfeuchtigkeit lieferten zwei in Wasser/Ethanol getränkte Löschkartons. Abschnitt für Abschnitt wurde der ausgerollte Papyrus sodann ausgerollt und auf einem Saugtisch mit einem Cellulose-Derivat regeneriert und leicht geglättet. Die Ausrollung der Papyrusrolle dauerte insgesamt nur vier Tage. Der fertig ausgerollte Papyrus (inklusive aller Fragmente) weist eine Gesamtlänge von 250 cm auf. Auch der zerknitterte äußere Leinenstoff wurde auf dieselbe Weise behandelt. Durch die Glättung des Stoffes konnte die skizzenhafte Darstellung identifiziert werden: Es handelt sich um die fragmentarische Darstellung eines Mannes, hinter dem ein auf dem Schwanz stehendes Krokodil abgebildet ist. Der Papyrus ist beidseitig beschriftet; an manchen Stellen sind noch Spuren einer früheren Beschriftung zu erkennen. Die Schrift ist Hieratisch und erlaubt aufgrund der Zeichenform eine Datierung in die späte Ramessidenzeit (um 1100 v. Chr.). Darüber hinaus sind im Text mehrere Datumsangaben zu finden, die diese Datierung bestätigen. Der Verfasser des Textes war ein Schreiber namens Thutmose, der aus zahlreichen weiteren Dokumenten jener Zeit bekannt ist. Bei dem Papyrus handelt es sich um sein privates Kassa- oder Notizbuch, das neben Ein- und Ausgabenlisten auch Inventare sowie einen Bericht über einen Diebstahl enthält. Tiermumien sind hauptsächlich ab der Spätzeit (7. Jh. v. Chr.) bezeugt. Dies wurde auch durch eine 14C-Untersuchung der Binden

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der Ibis-Mumie aus dem Tonkegel Inv.-Nr. ÄS 5174 sowie der beiden Leinenstoffe, in die der Papyrus eingewickelt war, bestätigt. Demnach datiert der äußere Leinenstoff mit der Skizze in die gleiche Zeit wie die Tiermumie und zwar an das Ende der Spätzeit bzw. in die Ptolemäische Zeit (um 380-300 v. Chr.). Die innere Leinenbinde ist hingegen nur wenig jünger als die Papyrusrolle selbst und dürfte aus der 21. oder frühen 22. Dynastie (spätes 11. bis Mitte 9. Jh. v. Chr.) stammen. Der Papyrus und die innere Leinenbinde sind somit ca. 700 Jahre älter als die Ibis-Mumie und der äußere Leinenstoff. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Päckchen bereits im Altertum im Ibis-Tonkegel untergebracht wurde, wobei die antike Papyrusrolle ungeachtet ihres Inhalts als symbolische Beigabe für den Gott Thot gedient haben könnte. Dieser galt ja als Erfinder der Schrift und wurde zudem menschengestaltig mit Ibis-Kopf dargestellt. Solange nicht noch andere Belege für die Beigabe eines schriftlichen Dokumentes zu einer Tiermumie gefunden werden, kann allerdings auch die Zusammenstellung des Fundensembles im 19. Jahrhundert nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Die weiteren Forschungen konzentrieren sich daher auf die Suche nach vergleichbaren Belegen, wobei hier vor allem die zahlreichen noch original verschlossenen Ibis-Tonkegel im Zentrum des Interesses stehen, deren Inhalt mit Hilfe von Röntgen- bzw. CT-Untersuchungen erschlossen werden soll.

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PRESSEFOTOS

Pressefotos zur aktuellen Berichterstattung stehen zum Download auf unserer Website http://press.khm.at bereit.

Plakatsujet © KHM-Museumsverband

Tonkegel mit Deckelschale und Ibis-Mumie, Inv.-Nr. ÄS 5174 Spätzeit, 30. Dynastie bis Ptolemäische Zeit, ca. 380‒300 v. Chr. Rot gebrannter Ton; Kegel: L 28 cm, max. Dm 13 cm; Deckel: H 4,5 cm, max. Dm 10,6 cm Leinen, Ibis-Mumie: L 26 cm, B 9,5 cm, H 6 cm 1878 aus der Sammlung Miramar übernommen © KHM-Museumsverband

Erste Aufnahme nach der Entdeckung der Papyrusrolle im Keller © KHM-Museumsverband

Das noch ungeöffnete Päckchen mit der Papyrusrolle © KHM-Museumsverband

Der Papyrus mit dem aufgebrochenen fragmentierten Anfang der Rolle © KHM-Museumsverband

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Der noch eingerollte Papyrus © KHM-Museumsverband, Foto: Vanessa Novak

Innere Leinenhülle des Papyrus © KHM-Museumsverband

Entrollen des Papyrus und Behandlung mit flüssiger Zellulose © KHM-Museumsverband

Zeichnung auf dem äußeren Leinengewebe: Schreitender Mann (Kopf und Unterschenkel nicht erhalten) mit einem Krokodil entlang seines rechten Armes © KHM-Museumsverband

Datum (rechts) und Name des Schreibers Thutmose in Spalte zwei auf der Vorderseite des Papyrus © KHM-Museumsverband

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Verklebung von zwei Fragmenten unter dem Stereomikroskop © KHM-Museumsverband

Ibis-Mumie Spätzeit, 30. Dynastie bis Ptolemäische Zeit, ca. 380‒31 v. Chr. Ibis-Mumie, Leinen, L ca. 34 cm, B 9 cm, T 8,5 cm Alter Bestand, vor 1875 erworben © KHM-Museumsverband

Statue des Thot als Ibis Spätzeit 6. Jh. v. Chr. © KHM-Museumsverband

Affen-Scheinmumie Spätzeit bis Ptolemäische Zeit 4.- 1. Jh. v. Chr. © KHM-Museumsverband

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Aufgestapelte Ibis-Tonkegel in den unterirdischen Ibis-Galerien in Saqqara Foto: © Robert Demarée, Leiden

SYMPOSIUM

KATALOG

Wissenschaftliches Symposium im Rahmen der Sonderausstellung Der vergessene Papyrus Mittwoch, 13. Juni 2018, Kunsthistorisches Museum Wien Nähere Informationen sowie verbindliche Anmeldung unter [email protected].

Sabine Haag – Regina Hölzl (Hgg.) Der vergessene Papyrus Broschur, 96 Seiten Preis: € 14,95

KURATORiNNEN-FÜHRUNGEN

MI, 9.5. und MI, 23.5. Mit Regina Hölzl und Michael Neumann MI, 12.9. Mit Regina Hölzl Jeweils 16 Uhr, Dauer: ca. 60 min. Treffpunkt: Vestibül, Teilnahme frei mit gültigem Museumsticket, keine Anmeldung erforderlich

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ÖFFNUNGSZEITEN UND EINTRITTSPREISE

Kunsthistorisches Museum Erwachsene € 15,- Maria-Theresien-Platz Ermäßigt € 11,- 1010 Wien Wien-Karte € 14,- Gruppen ab 10 Personen € 11,- Di – So, 10 – 18 Uhr Jahreskarte € 44,- Do bis 21 Uhr Jahreskarte unter 25 € 25,- Jugendliche unter 19 frei Juni, Juli und August täglich geöffnet! Online-Tickets sind unter folgendem Link erhältlich: https://shop.khm.at/de/tickets/

VIDEO ZUR AUSSTELLUNG

Videos zu den aktuellen Ausstellungen sowie zu Vorträgen und Gesprächsreihen finden Sie auf unserem YouTube Channel https://www.youtube.com/user/KHMWien

PRESSEKONTAKT

Nina Auinger-Sutterlüty, MAS (Leitung) Mag. Sarah Aistleitner PR & Öffentlichkeitsarbeit KHM-Museumsverband Burgring 5, 1010 Wien T +43 1 525 24 – 4021 – 4025 E-mail: [email protected] www.khm.at