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AbstractThe worlds biggest war leading organization has a problem: It’s operation-driving intelligence machine is overloaded and rigid and there has been no measurable progress in recent months. In the International Security Assistance Forces (ISAF) highly complex environment and it’s multi-leveled tasks traditional military principles don’t work anymore. „We have been fighting eight separate wars in Afghanistan since 2001.“ General Stanley McChrystal recently commented the unexpected slow organizational progress.Following a two-stepped analysis we positively identified one of the main reasons for the lack of progression to be the short deployment periods of key personnel, mainly intelligence analysts.However, we think that by applying pattern of behaviour adopted by „High Reliability Organizations“ (HRO) (described by WEICK) and putting to use some of the proven management principles according to MALIK, the organisation could bypass the negative effects of their analysts short deployments by stimulating the rise of emergent attributes like organizational culture and therefore establishing a culture of understanding and developing „mindfulness“.KurzfassungDer Intelligence Apparat der größten Kriegführenden Organisation der Welt ist überlastet, unflexibel und bewegt sich einen Schritt nach Vor und zwei Schritte zurück. Militärische Führungsgrundsätze reichen nicht mehr aus, um die komplexe Struktur und vielfältigen Aufgaben der International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan zu bedienen. Der unerwartet langsame Fortschritt der Organisation veranlasste General Stanley McChrystal zu folgender Aussage: „We have been fighting eight separate wars in Afghanistan since 2001.“In einer Situations- und Problemanalyse wurde die kurze Nutzungsphase des Schlüsselpersonals, der Intelligence Analysten der Organisation, als eine der Ursachen für die Stagnation identifiziert. Jedoch können durch das Anwenden von Verhaltensmuster erfolgreicher „High Reliability Organizations“ (HROs) nach WEICK und bewährter Managementgrundsätze nach MALIK die Nachteile, welche aus den kurzen Einsatzzeiten der Analysten entstehen umgangen werden und emergente Eigenschaften wie Unternehmenskultur und Kommunikation so verbessert werden, dass auch trotz hoher Personalfluktuation effektiver Wissensaufbau und „Achtsamkeit“ in der Organisation entstehen können.
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>Risk Management & Corporate Security
Master-Studium
Favoritenstrasse 226, 1100 Wien, Austria
T: +43 1 6066977-2150, F: +43 1 6066977-2159
www.fh-campuswien.ac.at
Autor des
Dokuments Aldric F. Ludescher Erstellt am 14.10.2010
Dateiname CaseStudy_LUDESCHER_01
Seitenanzahl 23 Offen!
Der Verlust der Achtsamkeit
Warum der Fortschritt in Afghanistan auf sich warten lässt und was die
Organisation dagegen tun kann
Ludescher Aldric, c1010645031:
645.005 Unternehmensorganisation & Managementsysteme ILV,
Dr. Grabner Peter, WS 2010
Freigabe
Viele Organisationsstrukturen und Abläufe der NATO unterliegen
Geheimhaltungsvorschriften. Demnach wurden für diese Case Study ausschließlich
öffentlich zugängliche und unklassifizierte Information herangezogen.
Viele Aussagen beruhen auf den persönlichen Erfahrungen des Autors im Zeitraum von
Januar bis Oktober 2010.
Aus Gründen der Lesbarkeit wird in vorliegender Arbeit auf geschlechtsspezifische
Formulierungen (z. B. Wortendungen mit „Innen“) verzichtet. Es wird jedoch ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass sowohl weibliche als auch männliche Personen angesprochen
werden.
Seite | 3
Inhaltsverzeichnis
ABSTRACT ................................................................................................................ 4
1. EINLEITUNG – HANDWERKER DES KRIEGES ................................................ 6
2. PROBLEMAUFRISS – „MILITARY INTELLIGENCE“, EIN PARADOXON? ...... 8
2.1. SITUATIONSANALYSE .................................................................................................. 8
2.1.1. Die Organisation ................................................................................................ 8
2.1.2. Die Tätigkeit ....................................................................................................... 9
2.1.3. Das Umfeld .......................................................................................................11
2.2. IDENTIFIKATION DES PROBLEMS .................................................................................12
2.2.1. Ursachen der Primäreffekte ..............................................................................13
2.2.2. Ursachen der Sekundäreffekte ..........................................................................16
3. KOMBINIERTER LÖSUNGSANSATZ NACH MALIK UND WEICK ................. 17
3.1. ANWENDEN DER GRUNDREGELN DES FUNKTIONIERENS NACH MALIK ..........................18
4. CONCLUSIO ...................................................................................................... 20
QUELLENVERZEICHNIS ........................................................................................ 22
Seite | 4
Abstract
The worlds biggest war leading organization has a problem: It’s operation-driving intelligence
machine is overloaded and rigid and there has been no measurable progress in recent
months. In the International Security Assistance Forces (ISAF) highly complex environment
and it’s multi-leveled tasks traditional military principles don’t work anymore. „We have been
fighting eight separate wars in Afghanistan since 2001.“ General Stanley McChrystal recently
commented the unexpected slow organizational progress.
Following a two-stepped analysis we positively identified one of the main reasons for the lack
of progression to be the short deployment periods of key personnel, mainly intelligence
analysts.
However, we think that by applying pattern of behaviour adopted by „High Reliability
Organizations“ (HRO) (described by WEICK) and putting to use some of the proven
management principles according to MALIK, the organisation could bypass the negative
effects of their analysts short deployments by stimulating the rise of emergent attributes like
organizational culture and therefore establishing a culture of understanding and developing
„mindfulness“.
Kurzfassung
Der Intelligence Apparat der größten Kriegführenden Organisation der Welt ist überlastet,
unflexibel und bewegt sich einen Schritt nach Vor und zwei Schritte zurück. Militärische
Führungsgrundsätze reichen nicht mehr aus, um die komplexe Struktur und vielfältigen
Aufgaben der International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan zu bedienen.
Der unerwartet langsame Fortschritt der Organisation veranlasste General Stanley
McChrystal zu folgender Aussage: „We have been fighting eight separate wars in
Afghanistan since 2001.“
In einer Situations- und Problemanalyse wurde die kurze Nutzungsphase des
Schlüsselpersonals, der Intelligence Analysten der Organisation, als eine der Ursachen für
die Stagnation identifiziert.
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Jedoch können durch das Anwenden von Verhaltensmuster erfolgreicher „High Reliability
Organizations“ (HROs) nach WEICK und bewährter Managementgrundsätze nach MALIK
die Nachteile, welche aus den kurzen Einsatzzeiten der Analysten entstehen umgangen
werden und emergente Eigenschaften wie Unternehmenskultur und Kommunikation so
verbessert werden, dass auch trotz hoher Personalfluktuation effektiver Wissensaufbau und
„Achtsamkeit“ in der Organisation entstehen können.
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1. Einleitung – Handwerker des Krieges
„We have been fighting eight separate wars in Afghanistan since 2001.“ (Gen. Stanley
A. McChrystal, 2010)
Stellen Sie sich vor, sie bauen ein Haus.
Sie haben alles was Sie brauchen: Finanzielle Mittel, Skizzen, Zeitpläne und natürlich
Handwerker. Viele verschiedene Handwerker, alles Fachmänner in ihrem Bereich: Maurer,
Installateur, Maler, Tischler, usw. Diese Handwerker kommen teils alleine, oft aber mit ihren
Gehilfen und Lehrlingen. Weil Ihnen der Bauerfolg und die Qualität Ihres Hauses ein
Anliegen sind, nehmen Sie sich für jeden Handwerker ausführlichste Zeit um ihm Ihre
Vorstellungen zu vermitteln. Im Laufe dieser Gespräche werden die Pläne die Sie hatten
angepasst, da jeder Handwerker seine eigene, fachspezifische und persönliche Erfahrung in
diese Gespräche einbringt. Dies ist zwar Zeitaufwendig aber Sie wissen, dass es eine gute
Investition Ihrer knappen Zeit ist. Mit Freude beobachten Sie, wie die Arbeit beginnt und
erste Resultate sichtbar werden.
Eines Tages kommen Sie auf die Baustelle und bemerken, dass einige Arbeitsfortschritte bei
den Rohrleitungen wieder rückgängig gemacht wurden. Sie suchen den Installateur auf,
finden aber stattdessen eine Ihnen völlig fremde Person vor. Mit Müh und Not, denn er
spricht kaum Ihre Sprache, gibt er Ihnen zu verstehen, dass er nun „der Neue“ ist und das
alles was sein Vorgänger hier produziert hat neu und vor allem anders gemacht werden
muss. Verärgert nehmen Sie diesen Rückschlag zur Kenntnis. Zwei Wochen später
widerfährt Ihnen das Selbe mit dem Maurer. Und wieder zwei Wochen später wechselt der
Elektriker. Abgesehen davon, dass Sie nun Alles von neuem erklären müssen, sollten auch
die Handwerker sich untereinander wieder abstimmen, da z.B. der Maurer wissen sollte wo
die Neuen Rohrleitungen des Installateurs verlaufen werden. Dort wo sie vor einigen
Wochen noch Fortschritte sahen, herrscht durch den nun ständig stattfindenden
Handwerkerwechsel Stillstand oder gar Rückschritt.
Und nun stellen Sie sich vor, Sie bauen kein Haus sondern Sie führen einen Krieg…
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Diese Case Study befasst sich mit der Situation des ständig wechselnden Personals im
Rahmen der multinationalen International Security Assistance Force (ISAF) im Afghanistan-
Krieg und den daraus resultierenden Problemen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den
Wissensbereich der Organisation gelegt, da sich in diesem die Problematik am stärksten
bemerkbar macht. Lösungsansätze und Handlungsalternativen wurden von den
Managementtheorien von MALIK („Das A und O des Managements“) und
WEICK/SUTCLIFFE („Das Unerwartete managen“) abgeleitet.
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2. Problemaufriss – „Military Intelligence“, ein Paradoxon?
Im Folgenden sollen die Ursachen, Bedeutung und Folgen der hohen Personalfluktuation
der ISAF Organisation dargestellt werden. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf den
Bereich des Wissensmanagement gelegt, da die negativen Auswirkungen dort am stärksten
ausgeprägt sind.
2.1. Situationsanalyse
Die Situationsanalyse betrachtet die Organisation, die Tätigkeit und das Umfeld.
2.1.1. Die Organisation
Zum heutigen Tag stellen 47 Nationen Personal für die ISAF Mission in Afghanistan ab. Die
Höhe der Beteiligung der einzelnen Nationen variiert dabei stark und erstreckt sich von 3
(Österreich) bis zu knapp 80.000 (USA). Insgesamt befanden sich im August 2010 knapp
130.000 Personen im Dienst der ISAF in Afghanistan (NATO/ISAF (2010), Troop Numbers &
Contribution; Auf: http://www.isaf.nato.int/troop-numbers-and-contributions/index.php
(letzter Zugriff: 12 10 10); Inhaltsverantwortlich: NATO).
Die Organisation definiert ihre Mission folgendermaßen:
„ISAF, in support of the Government of the Islamic Republic of Afghanistan, conducts operations in Afghanistan to reduce the capability and will of the insurgency, support the growth in capacity and capability of the Afghan National Security Forces (ANSF), and facilitate improvements in governance and socio-economic development, in order to provide a secure environment for sustainable stability that is observable to the population.“
(NATO/ISAG (2010), Mission; Auf: http://www.isaf.nato.int/mission.html (letzter Zugriff: 12 10 10), Inhaltsverantwortlich: NATO),
wobei ISAF dabei auf die Pfeiler „Security“, „Reconstruction and development“ und
„Governance“ aufbaut. Diese Diversifikation hat nur noch wenig mit einem klassischen
Militäreinsatz gemeinsam und erhöht die Komplexität und Dynamik wesentlich. ISAF sieht
sich somit als Militärorganisation mit einer Unmenge an Stakeholdern konfrontiert: Die
beteiligten 47 Nationen, andere staatliche und nicht staatliche Akteure, und nicht zuletzt die
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immer präsenten Medien, welche oft nicht bestätigte Informationen innerhalb kürzester Zeit
über den Globus verteilen.
In dieser Case Study soll davon ausgegangen werden, dass es sich bei ISAF um eine „High
Reliability Organization“ (HRO) nach Karl WEICK handelt, das heißt eine Organisation mit
hoher Zuverlässigkeit, in der jeder Mangel an Zuverlässigkeit fatale Folgen haben kann (vgl.
WEICK/SUTCLIFFE, 2003, S.9).
2.1.2. Die Tätigkeit
CAPTAIN MATTHEW GARTH (Charlton Heston): „Joe, you’re guessing!“
INTELLIGENCE OFFICER JOSEPH ROCHEFORT (Hal Holbrooke): „Sir, we like to call it analysis.“
(Midway, the movie, 1976)
Wie alle militärischen Organisationen ist auch ISAF streng hierarchisch gegliedert. Auf jeder
dieser hierarchischen Ebenen finden sich, im Fachjargon oft als „Intelligence1“ bezeichnete,
Wissensgenerierende und Wissensverarbeitende Einheiten. Diese kleinen Einheiten und
Zellen bilden das Informationsrückgrat der Organisation und sind das entscheidende
Werkzeug für die Entscheidungsfindung der militärischen Entscheidungsträger. Die folgende
Abbildung zeigt den Intelligence Kreislauf in einer sehr einfachen Form:
1 Da es im Deutschen keine passendes Wort dafür gibt, wird in dieser Case Study im Folgenden der englische Begriff
„Intelligence“ verwendet.
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Abbildung 1 - Klassischer Intelligence Kreislauf; Quelle: http://www.faq.co.za/bic/index.shtm (letzter Zugriff:
12 10 10)
In diesem Kreislauf bildet vor allem der Intelligence Analyst den Angelpunkt zwischen den
Produzenten „roher“ Informationen und dem Kunden (Entscheidungsträger, Policy-maker,
etc.) (vgl. GEORGE/BRUCE, 2008, S.12). Auch SVEIBY stellte 1986 bereits fest, dass der
wichtigste Vermögenswert eines Unternehmen, das Wissen von Experten sei (vgl.
GEORGE/BRUCE, 2008, S.64).
Weil sich militärische Intelligence aus naheliegenden Gründen oft speziell mit Angriffszielen
beschäftigt, kommt in den entsprechenden ISAF Zellen ein mehr „Ziel-fokussierter“
Intelligence Kreislauf zur Anwendung (vgl. CLARK, 2010, S.14) insbesondere für die in
Afghanistan agierenden Spezialeinsatzkräfte, deren Aufgabe unter anderem das Entfernen
von feindlichen Anführern ist. Die dazu notwendigen Netzwerkanalysen müssen extrem
detailliert sein, um Irrtümer auszuschließen. Weil es trotz der technologischen Überlegenheit
von ISAF oft nicht möglich ist, Informationen2 mit ausreichend hohem Detailierungsgrad zu
einem bestimmten Netzwerk zu erhalten, ist es eine der wichtigsten Aufgaben eines „Target-
2 Sogenannte „actionable intelligence“
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Analysten“ kleinste Indikatoren und Muster rechtzeitig zu erkennen und die richtigen
Ableitungen daraus für eine Netzwerk / eine Zielperson zu ziehen. Dementsprechend ist ein
Analyst ein hoch spezialisierter und langjährig ausgebildeter Experte und wird in der Literatur
mit Juristen, Mediziner oder Bibliothekaren verglichen (vgl. GEORGE/BRUCE, 2008, S.55ff.).
2.1.3. Das Umfeld
Der ISAF Analyst sieht sich vom ersten Tag seiner Tätigkeit an mit einer Flut an
Informationen konfrontiert: Über 10.000 verschieden Unterorganisationen sammeln
produzieren und verteilen Informationen aus dem Einsatzraum auf täglicher Basis. Zusätzlich
kommen Schnittstellen zu sprichwörtlich tausenden von außer-militärischen Organisationen
wie Other Governmental Agencies (OGAs), Non Governmental Organizations (NGOs),
Private Military Companies (PMCs), United Nations (UN) und viele mehr. Die folgende
Grafik3 zeigt eine vereinfacht Darstellung der Interessensgruppen und Informationsströme in
Afghanistan und soll vor allem die Komplexität des Umfeldes verdeutlichen.
3 “When we understand that slide, we’ll have won the war,” soll die erste Reaktion des damaligen Kommandanten von ISAF,
General Stanley McChrystal, beim Anblick dieser Grafik gewesen sein. (New York Times (2010); Auf:
http://www.nytimes.com/2010/04/27/world/27powerpoint.html?_r=1&no_interstitial (letzter Aufruf: 12 10 10))
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Abbildung 2 - Umfeld ISAF, Quelle: http://www.wired.com/images_blogs/dangerroom/2010/08/powerpoint-
spaghetti1.jpg, (letzter Zugriff: 12 10 10)
2.2. Identifikation des Problems
Die kurzen Einsatzzeiträume von Intelligence Analysten der Organisation, können zu
strategischen Fehlentscheidungen führen.
Die direkten Folgen (primäre Effekte) der hohen Personalfluktuation sind:
Fehlende Kohärenz
Mangelnde Identifikation mit der Aufgabe
Die dadurch entstehenden sekundären Effekte sind:
Seite | 13
Verlust der „Achtsamkeit“
Wissensverlust
Fehlendes Verständnis für die Situation und das Umfeld
Vertrauensverlust bei afghanischen Gegenübern
Mangelhafte Beratung von Entscheidungsträgern
welche zu tertiären Effekten von strategischer Relevanz führen können:
Fehlentscheidungen durch Entscheidungsträger.
2.2.1. Ursachen der Primäreffekte
Stakeholder, Spielbälle und tote Ziegen
Im Kapitel „Das Umfeld“ wurden bereits die verschiedensten Interessensgruppierungen
aufgezählt, welche die Tätigkeiten von ISAF als Organisation passiv verfolgen oder aktiv
beeinflussen. ISAF kann es sich aufgrund der
Abhängigkeit der Truppen stellenden ISAF-Nationen
ständigen Medienpräsenz und
dem Interesse der Öffentlichkeit
nicht leisten, die Interessen der Beteiligten Parteien zu ignorieren. Dies führt dazu, dass
ISAF, eine Kriegsführende Organisation, einen Stakeholder ähnlichen Ansatz verfolgen
muss. Jedoch, eine Strategie, „die Interessensgruppen ins Zentrum stellt, gleichgültig […]
wie viele es davon gibt, macht das Unternehmen zum Spielball wechselnder
Machtverhältnisse, zwischen eben diesen Interessensgruppen.“ (MALIK, 2007, S.156).
In einer ironischen Art gleicht ISAF dabei Afghanistan als „Spielball der Mächte“
(SCHETTER, 2007, S.13), welches von den Einheimischen selbst oft als „kopflose Ziege“
dargestellt wird, die als Spielball beim afghanischen Nationalsport „Buzkashi“ dient.
Seite | 14
Abbildung 3 - Afghanistan als Spielball der Mächte, ISAF als Spielball der Stakeholder? Traditionelles
Buzkashi Spiel; Quelle: http://newsimg.bbc.co.uk/media/images/41467000/jpg/_41467672_buzkashi416.jpg;
(letzter Aufruf: 12 10 10)
Zeit und Verständnis
Ein vom leitenden Intelligence Offizier im Stab des ISAF Hauptquartiers verfasster Bericht
fordert von Analysten, „to methodically identify everyone who collects valuable information,
visit them in the field, build mutually beneficial relationships with them, and bring back
information to share with everyone who needs it.“ (FLYNN, 2010, S.17).
Hintergrund dieser Aussage ist die schlechte Qualität der für ISAF verfügbaren Intelligence4.
Vom Analysten wird mehr als nur Wissen über sein Themengebiet verlangt. Um seine Arbeit
effizient durchführen zu können, und Entscheidungsträger auf allen Ebenen zu beraten,
muss ein Analyst verstehen. Der Grundlegende Unterschied zwischen Wissen und
Verständnis wird von ULMER wie folgt definiert: „Understanding is very different from
knowledge, even though it is actually made from knowledge. Understanding is a process
that takes time [Hervorh. nicht im Original] and requires energy.“ (ULMER J., 2006; Auf:
4 Nicht umsonst ist der Titel des Berichts: „Fixing Intel: A Blueprint for Making Intelligence Relevant in Afghanistan“
Seite | 15
http://www.vias.org/beyinfoage/beyinfoage_09_01.html (letzter Aufruf: 12 10 10),
Inhaltsverantwortlich: VIAS – Virtual Institute of Applied Science).
Die von ULMER geforderte Zeit, ist etwas was vielen ISAF Analysten versagt bleibt. Die
Dauer der Entsendungen nach Afghanistan ist abhängig von entsendender Nation, Einheit,
Art der Verwendung, persönlichen Lebensumständen des Entsendeten und vielen anderen
Faktoren. Hochrangige militärische Führer, welche Positionen innehaben die in einem
wirtschaftlichen Betrieb auf Ebene Aufsichtsrat oder Vorstand angesiedelt wären, werden
aber im Regelfall ein bis zwei Jahre entsandt. Entsendungszeiträume von zwei oder drei
Monaten sind bei Analysten keine Seltenheit. Die Gründe dafür sind vielfältig, doch fallen bei
genauerer Betrachtung starke nationale Unterschiede auf: Während die Normeinsatzdauer
eines US Bediensteten5 ein Jahr beträgt, weilt der durchschnittliche italienische oder
deutsche Soldat knappe vier Monate in Afghanistan. Gerade „europäische Regierungen
stehen massiv unter Druck, weil der Krieg bei der Wählerschaft immer mehr an Rückhalt
verliert.“ (Wiener Zeitung (2010), Auf:
http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=4375&Alias=wzo&cob=508
116 (letzter Aufruf: 12 10 10)).
Dieser Druck wird oft noch verstärkt durch Medienberichte über das zerrüttete Seelenheil
von Afghanistan „Veteranen“, welche die oben genannte Wählerschaft auf emotionaler
Ebene anspricht. Um die Beteiligung der ISAF Nationen nicht zu gefährden, lockt die NATO
mit kurzen und „leicht verdaulichen“ Einsatzzeiträumen.
Wie in Kapitel 1.a.i. „Die Organisation“ beschrieben, handelt es sich um ISAF um eine
komplizierte, sehr dynamische Organisation. Aus eigener Erfahrung kann der Autor sagen,
dass es trotz fünf Wochen intensiver Vorbereitung einer Einarbeitungszeit von mindestens
vier Wochen bedarf, um erste Ergebnisse zu erzielen. Eine dementsprechend lange Zeit
nimmt auch die Vorbereitung der Übergabe an den Nachfolger in Anspruch, als Anhalt kann
man zwei Wochen dafür berechnen. Die Nutzungsphase eines Analysten wird noch
zusätzlich durch Urlaubsansprüche, meist in der Dauer von zwei Wochen verkürzt, sodass
5 Unabhängig davon, ob dieser Soldat oder Zivilist ist
Seite | 16
am Ende von einer vier monatigen Tour, knappe 2 Monate Nettozeit verbleiben. Nicht
eingerechnet ist hier die Einarbeitungszeit in die politische/strategische/operative oder
taktische Lage, je nach Betätigungsfeld des Analysten. Hinzu kommt ein chronischer Mangel
an erfahrenen Analysten, welche oft keine Soldaten sind und somit keiner Verpflichtung
unterliegen, in Kriegsgebiete zu reisen.
Motivation und Sinn
Trotz aller politischen Hintergründe über Entsendungszeiträume, steht es jedem Analysten
frei, seine Einsatzdauer für ISAF zu verlängern. Dies geschieht aber so gut wie nie. Auf den
ersten Blick mag dies einleuchtend erscheinen: Wer meldet sich schon gern freiwillig, um
länger in einem Kriegsgebiet zu bleiben, bei einer 7-Tage Arbeitswoche und einer
durchschnittlichen Tagesarbeitszeit von 15 Stunden? Zu diesem Thema verweist MALIK in
seinen Büchern auf Viktor FRANKL und fasst dessen Kernauffassung folgendermaßen
zusammen: „Der Mensch ist ein Wesen auf der Suche nach dem Sinn. Die Sinnsuche ist die
bewegende Kraft schlechthin. Sinn kann aber von niemanden gegeben oder gemacht
werden. Jeder muss ihn selbst suchen.“ (MALIK, 2007, S.255)
Nach FRANKL finden Menschen Sinn vor allem durch den Dienst an einer Sache und die
Erbringung einer Leistung. MALIK sieht darin den „Schlüssel zur Motivation im
Zusammenhang mit Management“ (MALIK, 2007, S.256). Auch hier finden sich große
nationale Unterschiede: Während viele US Amerikaner in Afghanistan sind um „den Krieg
gegen den Terror zu gewinnen“, sind die nach eigener Erfahrung des Autors die Motivatoren
vieler europäischer ISAF Angehöriger das bessere Gehalt während des Einsatzes und die
Karrieremöglichkeiten innerhalb der Heimatorganisation.
2.2.2. Ursachen der Sekundäreffekte
„Even an ass will not fall twice in the same quicksand.“ (engl. Sprichwort) - ISAF als
„learning organization“?
Durch die hohe Frequenz der Personalrotationen und den oben genannten Primäreffekten
(v.a. „mangelnde Identifikation mit der Aufgabe“) kommt es zu einem Verlust der
„Achtsamkeit“ (vgl. GEORGE/BRUCE, 2008, S.64f.). Nach WEICK entsteht Achtsamkeit aus
Seite | 17
dem Zusammenspiel jener fünf Verhaltensmuster, welche HROs charakterisieren:
Aufmerksamkeit auf Fehler, keine vereinfachenden Interpretationen, feines Gespür für
betriebliche Abläufe, Streben nach Flexibilität und Respekt vor fachlichem Wissen und
Können (vgl. WEICK/SUTCLIFFE, 2007, S.55). Analog dazu beschreibt SENGE in seinem
Buch The Fifth Discipline: The Art and Practice of the Learning Organization die Eigenschaft
von „learning organizations“ als Umgebung, in welcher „people continually expand their
capacity to create the results they truly desire, […] and where people are continually learning
to see the whole together.“ (SENGE, 1990, S.3). Die Wichtigkeit für analytisch tätige
Organisationen eine „learning organization“ zu sein, ist für GEORGE/BRUCE nicht zu
verleugnen (vgl. GEORGE/BRUCE, 2008, S.64), da gerade Analysten diejenigen sind, die
Indikatoren und Warnzeichen, so unbedeutend sie auch sein mögen, richtig interpretieren
müssen, um der Organisation zu ermöglichen entsprechend darauf zu reagieren (vgl.
WEICK/SUTCLIFFE, 2007, S.15f.).
3. Kombinierter Lösungsansatz nach MALIK und WEICK
Der naheliegendste Lösungsansatz wäre die Einsatzzeiträume für alle Intelligence Analysten
der Organisation auf eine Mindestdauer von einem Jahr zu erhöhen.
Die Folge einer solchen Entscheidung sind leicht abzusehen: Der bereits seichte Pool an
qualifizierten Analysten würde noch seichter werden, der chronische Personalmangel würde
bald akut werden. Die Qualität der Entscheidungen auf allen Ebenen würde sich verringern,
was in einem Militäreinsatz meistens Menschenleben kostet. Die Akzeptanz in den
Wählerschaften der beteiligten Nationen würde sich noch mehr verringern, weitere
Kontingente würden abgezogen werden und der Personalmangel würde auch in anderen
Bereichen der Organisation akut werden, usw.
Ein Lösungsansatz für dieses Problem muss also tiefer greifen und nicht nur die
Symptomatik, sondern das Virus bekämpfen, in unserem Fall die Ursachen der Primär- und
Sekundäreffekte, welche in der Organisation zu finden sind. Die Organisation soll es dem
Analysten leicht machen Leistung zu erbringen (vgl. MALIK, 2007, S.219). Durch das
Wahrnehmen von Managementaufgaben (vgl. MALIK, 2007, S.73f.), das Anwenden der
Seite | 18
Grundsätze des Standardmodells der manageriellen Wirksamkeit (vgl. MALIK, 2007, S.80ff.)
und der Beachtung der Grundregeln des Funktionierens von Organisationen (vgl. MALIK,
2007, S.223) können erst richtige Kommunikation, Motivation und Kultur der Organisation
entstehen (vgl. MALIK, 2007, S.114).
3.1. Anwenden der Grundregeln des Funktionierens nach MALIK
Lösungsansätze aus dem wirtschaftlichen Bereich können auf eine multinationale, intra-
staatliche Organisation wie ISAF nur bedingt Anwendung finden. Grundregeln und Prinzipien
strategischen Managements sind jedoch unabhängig von Zweck und Größe der Organisation
und somit auch für Non-Profit-, Government- und Non-Government-Organisationen geeignet
(vgl. MALIK, 2007, S.101).
Bei genauerer Betrachtung der Organisation und dessen Umfeld, lassen sich vier der acht
Grundregeln nach Malik auf die Führung des Intelligence Apparat von ISAF umlegen (vgl.
MALIK, 2007, S.223f.):
„Dulde keine internen Monopole“
Strukturen einer Organisation, welche regelmäßigem Wettbewerb ausgesetzt sind bleiben
schlank und flexibel (MALIK, 2007, S.223). Das Streben nach Flexibilität ist außerdem auch
eines der charakteristischen Verhaltensmuster erfolgreicher HROs nach WEICK. „Flexibel
ist, wer fähig ist, Fehler frühzeitig zu erkennen und […] das System durch improvisierte
Methoden am Laufen zu halten.“ (WEICK/SUTCLIFFE, 2007, S.27). Dementsprechend
sollten Methoden zur vergleichende Analyse (competetive analysis) implementiert und
Analysten in leitender Position in die Verantwortung genommen werden. Dadurch könnte
bereits einem Großteil der primären und Sekundären Effekte entgegengewirkt werden.
„Dezentralisiere so weit wie möglich“
Bei einer Beibehaltung der kurzen Einsatzzeiten von Intelligence Analysten (3-6 Monate)
sollten sich Analysten auch auf ihrem Heimatsarbeitsplatz mit der Thematik/ihrem
Fachgebiet beschäftigen müssen und in der Verantwortung für ihre Produkte gehalten
werden. Voraussetzung dafür ist aber laut MALIK „kein grosses, sondern ein starkes
Seite | 19
Zentrum“ (MALIK, 2007, S.223) im Sinne einer kommandierenden, koordinierenden und
kontrollierenden Einrichtung.
„Minimiere die Schnittstellen“
Eine rigorose Analyse aller Informationsquellen mit anschließender Konzentration auf
Quellen ab einer bestimmten Informationsgüte Würde die Anzahl an Schnittstellen und somit
auch die Anzahl potenzieller Konflikte und Zeitverzögerungen deutlich reduzieren (vgl.
MALIK, 2007, S.223). Eine solche Analyse kann auch wesentlich dazu beitragen die
„Achtsamkeit“ der Organisation nach WEICK zu erhöhen, indem Erwartungen überprüft, und
neue Kontextdimensionen zur Verbesserung des Weitblicks ausgelotet werden (vgl.
WEICK/SUTCLIFFE, 2007, S.55).
„Die Organisation muss klar sein“
…aber nicht einfach, denn nur komplexe Systeme sind in der Lage mit komplexen
Situationen fertig zu werden. „Keep it simple […] but learn to cope with complexity“ (MALIK,
2007, S.52).
Seite | 20
4. Conclusio
Der Intelligence Apparat der größten Kriegführenden Organisation der Welt ist überlastet,
unflexibel und bewegt sich zurzeit einen Schritt nach Vor und zwei Schritte zurück. Die
Situationsanalyse hat die hohe Komplexität und Dynamik der Organisation aufgezeigt.
Als einer der prominentesten Gründe für die festgestellte mangelhafte Beratung von
Entscheidungsträgern wurde im Rahmen der Problemisolation die kurze Nutzungsphase
des Schlüsselpersonals, der Intelligence Analysten der Organisation, identifiziert. Die
Umfeldanalyse legte dar, dass die Gründe für die schnellen Rotationen vielfältig sind und
Großteils außerhalb des Wirkbereichs der Organisation liegen.
In einem weit gefassten Lösungsansatz, welcher die Grundsätze von MALIKs und
WEICK berücksichtigt wird aufgezeigt, dass durch das Anwenden von Verhaltensmuster
erfolgreicher „High Reliability Organizations“ (HROs) und bewährter
Managementgrundsätze die Nachteile, welche aus den kurzen Einsatzzeiten der
Analysten entstehen umgangen werden und emergente Eigenschaften wie
Unternehmenskultur und Kommunikation so verbessert werden könnten, dass auch trotz
hoher Personalfluktuation die vorhandenen Ressourcen effizient zu messbaren
Ergebnissen umgewandelt werden könnten.
Durch einen im Januar 2010 veröffentlichten kritischen Bericht des obersten Intelligence
Offiziers der Organisation zur Verbesserung der Intelligence Prozesse wurde bereits ein
wichtiger und, für eine militärische Organisation ungewöhnlicher Schritt nach „Außen“
getan. Eine genauere Betrachtung von in der Wirtschaft bewährten
Managementsystemen im Rahmen der ISAF Organisation ist somit nicht unmöglich.
Gerade im Hinblick auf die hohe zivile bzw. nicht militärische Komponente des Konflikts
(2 von 3 Pfeilern der Strategie!) wär dies eine wünschenswerte Entwicklung.
Seite | 21
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 - Klassischer Intelligence Kreislauf; Quelle: http://www.faq.co.za/bic/index.shtm
(letzter Zugriff: 12 10 10) ................................................................................................ 10
Abbildung 2 - Umfeld ISAF, Quelle:
http://www.wired.com/images_blogs/dangerroom/2010/08/powerpoint-spaghetti1.jpg,
(letzter Zugriff: 12 10 10) ................................................................................................ 12
Abbildung 3 - Afghanistan als Spielball der Mächte, ISAF als Spielball der Stakeholder?
Traditionelles Buzkashi Spiel; Quelle:
http://newsimg.bbc.co.uk/media/images/41467000/jpg/_41467672_buzkashi416.jpg;
(letzter Aufruf: 12 10 10) ................................................................................................ 14
Seite | 22
Quellenverzeichnis
Literatur
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Knowledge-Based Assets; San Francisco: Berrett Koehler
SCHETTER Conrad (2007): Kleine Geschichte Afghanistans, 2., aktualisierte Auflage; Berlin:
Beck Verlag
SENGE Peter (1990): The Fifth discipline: Mastering the Five Practices oft he Learning
Organization; New York: Doubleday
SUTCLIFFE Kathleen / WEICK Karl (2007: Das Unerwartete managen - Wie Unternehmen
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Nachfolger GmbH
Online Quellen
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ULMER David (2006): Beyond the Information Age;
http://www.vias.org/beyinfoage/index.html (letzter Zugriff: 12 10 10)
Andere Quellen:
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