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98 Ärzteblatt Sachsen 3/2000 Zusammenfassung Bei einer Abrasio werden in 30 - 40 % der Fälle intrauterine Befunde wie Polypen oder submuköse Myomknoten nicht erfasst, da die Kürette blind im Cavum uteri bewegt wird. Des- halb ist generell vor jeder Abrasio eine diagnostische Hyste- roskopie zu fordern. Bei übersichtlichem Befund mit atrophen Endometrium in der Postmenopause kann auf eine anschlie- ßende Abrasio verzichtet werden. Vorteile der Hysteroskopie sind die direkte Betrachtung des Cavum uteri mit der Möglichkeit, gezielter Biopsien suspekter Areale und optisch kontrollierter vollständiger Resektionen in- trauteriner Befunde. Dadurch können wiederholte Abrasiones und gegebenenfalls die Uterus-Exstirpation vermieden wer- den. Bei korrekter Handhabung ist das Perforationsrisiko ge- ringer als bei einer Abrasio. Seit 1994 wurden an der gynäko- logischen Abteilung der Collm Klinik Oschatz 1.641 Hysteros- kopien durchgeführt. Dabei konnte jedes Jahr der Anteil der operativen Eingriffe gesteigert werden und diese nehmen ge- genwärtig 20,5 % der Gesamthysteroskopien ein. P. Meyer; M. Schollmeyer Der Wert der Hysteroskopie bei der Diagnostik und Therapie uteriner Erkrankungen Collm Klinik Oschatz, Gynäkologisch- geburtshilfliche Abteilung

Der Wert der Hysteroskopie bei der Diagnostik und Therapie ... · PDF filezur operativen HSK nichtleitende, apola-re, verdünnte Purisolelösung empfohlen. Die operative Hysteroskopie

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Originalien

98 Ärzteblatt Sachsen 3/2000

einem funktionell intakten Organ durch-geführt wird. Diese spezifischen Kom-plikationen können Stenosen durch einzu enges Band, insbesondere bei soforti-ger Bandlockerung (5 bis 12,9 Prozent),Pouchitis (4,3 Prozent), Retentionsoeso-phagitis (4,5 Prozent), Pouchdilatation,wenn Patienten postoperativ über das„Sättigungsgefühl“ weiteressen (10 Pro-zent) und Portkomplikationen (7 Pro-zent) sein. Daraus ergibt sich, dass eswünschenswert ist, diese Patienten ineiner ambulanten Sprechstunde nachzu-betreuen. Unsere Patienten werden der-zeit in der Bavaria-Klinik in Kreischaund später in der Stoffwechselambulanzdes Universitätsklinikums Carl GustavCarus der Technischen Universität Dres-den nachbehandelt. Eine entsprechendechirurgische Kontrolle erscheint aberdringend erforderlich.

Eigene ErgebnisseVom 26. Oktober 1998 bis 18. Juni 1999wurden am Krankenhaus Freital GmbHsechs Patienten mit einem Gastric ban-ding operiert. Das Durchschnittsalter be-trug 40,2 Jahre. Es waren fünf Frauenund ein Mann.Der mittlere BMI betrug 43,7 kg/m2. Diemittlere Operationszeit betrug 144 Mi-

nuten. Bei einer Patientin kam es post-operativ zum Magenslipping, was eineRe-Operation mit Bandentfernung erfor-derte.Der Gewichtsverlust nach vier Wochen,also zum Zeitpunkt der ersten Bandblo-ckung, betrug im Durchschnitt 10,5 kg.Nach sechs Monaten (zwei Patientinnen)18,4 kg.Eine Patientin konnte bei extremer Adi-positas (180 kg bei 1,63 m BMI = 67,7)technisch nicht operiert werden. Bei ihrmuss im Vorfeld eine Magenballonbe-handlung erfolgen.Alle Patienten fühlen sich postoperativwohl, bei drei Patienten konnten die An-tihypertonika und Antidiabetika wegenNormalisierung abgesetzt werden.

SchlussfolgerungenDie vorgestellte Operationsmethodestellt einerseits das Ende eines bishererfolglos beschrittenen Weges der kon-servativen Therapie der extremen Adi-positas bei Patienten mit oftmals vorhan-denem Leidensdruck und gesellschaft-licher Isolierung dar, andererseits ist sieder Anfang einer erfolgreichen Adipo-sitastherapie, wenn anerkannt wird, dasssie eine Hilfsmaßnahme im Rahmeneiner komplexen Therapie mit den Kom-

ponenten fettreduzierte Ernährung, Be-wegungstherapie und Verhaltensmana-gement ist.Die beigefügte Abbildung stellt das Mo-dell einer langfristig angelegten (lebens-langen) Stufentherapie der Adipositasdar. Im Zentrum des Modells wird das inGründung befindliche ambulante Adipo-sitaszentrum Dresden stehen, das wichti-ge Steuerungs-, Beratungs- und Thera-piefunktionen für die Vielzahl der adipö-sen Patienten haben wird.

Literatur bei den Verfassern

Anschrift der Verfasser:Dr. med. Matthias Becker

Oberarzt der Chirurgischen KlinikKrankenhaus Freital GmbH

Bürgerstraße 701705 Freital

Tel. (03 51) 6 46 72 10

Dr. med. habil. Matthias WeckChefarzt der Abteilung Stoffwechsel,

Diabetes und EndokrinologieKlinik Bavaria Kreischa

Zur Wolfsschlucht 1-201731 Kreischa

Tel. (03 52 06) 6 29 70

Artikel eingegangen: 4. 1. 1999Artikel nach Revision angenommen: 26. 7. 1999

ZusammenfassungBei einer Abrasio werden in 30 - 40 % der Fälle intrauterineBefunde wie Polypen oder submuköse Myomknoten nichterfasst, da die Kürette blind im Cavum uteri bewegt wird. Des-halb ist generell vor jeder Abrasio eine diagnostische Hyste-roskopie zu fordern. Bei übersichtlichem Befund mit atrophenEndometrium in der Postmenopause kann auf eine anschlie-ßende Abrasio verzichtet werden.Vorteile der Hysteroskopie sind die direkte Betrachtung desCavum uteri mit der Möglichkeit, gezielter Biopsien suspekter

Areale und optisch kontrollierter vollständiger Resektionen in-trauteriner Befunde. Dadurch können wiederholte Abrasionesund gegebenenfalls die Uterus-Exstirpation vermieden wer-den. Bei korrekter Handhabung ist das Perforationsrisiko ge-ringer als bei einer Abrasio. Seit 1994 wurden an der gynäko-logischen Abteilung der Collm Klinik Oschatz 1.641 Hysteros-kopien durchgeführt. Dabei konnte jedes Jahr der Anteil deroperativen Eingriffe gesteigert werden und diese nehmen ge-genwärtig 20,5 % der Gesamthysteroskopien ein.

P. Meyer; M. Schollmeyer

Der Wert der Hysteroskopie bei derDiagnostik und Therapie uterinerErkrankungen

Collm Klinik Oschatz,Gynäkologisch-

geburtshilfliche Abteilung

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Ärzteblatt Sachsen 3/2000 99

GeschichtlichesDie Geschichte der Endoskopie begannim Jahr 1807, als der Frankfurter ArztBOZZINI erstmals einen Lichtleiter vor-stellte, wodurch die Betrachtung vonKörperhöhlen möglich war. 62 Jahrespäter (1869) führte PANTALEONIwegen therapieresistenten Blutungsstö-rungen bei einer 60jährigen Frau die ers-te Hysteroskopie (HSK) durch. Dabeifand er Endometriumpolypen, die er ver-äzte. Während die endoskopischen Un-tersuchungen anderer Organe, wie derBlase oder des Darmes schnell akzep-tiert und etabliert waren, konnte sich dieHysteroskopie zunächst nicht durchset-zen. Die Schwierigkeit dieser Methodeim Vergleich zu anderen Endoskopienbestand in der mangelnden Entfaltungdes schmalen Cavum uteri und derSichtbehinderung durch artefizielle undpräexistente Blutungen.Durch die Einführung eines Dilatations-mediums – anfänglich mit CO2 - Gas (RU-BIN, 1925), später mit hochkolloidalenLösungen (MENKEN et al., 1969) - ge-lang eine deutliche Sichtverbesserung.Einen entscheidenden Aufschwungbrachte die von LINDEMANN 1971weiterentwickelte und verbesserte Tech-nik der CO2 - Gasinsufflation, wodurcheine sogenannte Panoramasicht des Ca-vum uteri zur genauen diagnostischenAbklärung intrauteriner Veränderungenmöglich war. Gegenwärtig stellt dieFlüssigkeitshysteroskopie die Methode

der Wahl – vor allem bei operativen Ein-griffen – dar. Zur diagnostischen HSKwerden isotonische Kochsalzlösung undzur operativen HSK nichtleitende, apola-re, verdünnte Purisolelösung empfohlen.Die operative Hysteroskopie ist eine derjüngsten operativen Methoden in derMedizin überhaupt. Vor zirka zehn Jah-ren wurde das Resektoskop aus der Uro-logie in die Gynäkologie überführt. Seit-dem wird die Methode der operativenHysteroskopie ständig mit einem sehrhohen technischen Aufwand vervoll-kommnet. Durch die Entwicklung im-mer dünnlumiger Optiken fällt dieschmerzhafte Dilatation der Cervix uteriund damit die Notwendigkeit einer Nar-kose zunehmend weg. Diese Tatsache er-möglicht einen breiten Einsatz der Hys-teroskopie in der Ambulanz. Heute giltdie Hysteroskopie als Standardverfahrenin der Diagnostik und Therapie intraute-riner Erkrankungen und sollte vor jederKürettage durchgeführt werden.

Vorgehensweise an der gynäkologisch-geburtshilf-lichen Abteilung der Collm Klinik OschatzDie erste Hysteroskopie am Kreiskran-kenhaus Oschatz wurde am 23. April1994 durchgeführt. Seitdem stellen wirjeder Abrasio eine diagnostische Hyste-roskopie voran. Insgesamt erfolgten biszum 31. Mai 1999 1.641 Eingriffe. Seit1996 wurde die Methode zur operativenHysteroskopie ausgebaut und deren An-teil an der Gesamteingriffzahl steigtständig an. Zum routinemäßigen Pro-gramm gehören Myom- und Polypre-sektionen, Endometriumablationen,Septumdissektionen und gezielte Endo-metriumbiopsien.Die Patientin wird wie zur üblichen gy-näkologischen Untersuchung in Vollnar-kose gelagert. Nach bimanueller Unter-suchung, Desinfektion von Vulva, Va-gina und Portio und Einsetzen des

Jahr HSK-Gesamtanzahl Anzahl diagnostischer HSK Anzahl operativer HSK

1994 89 89 -1995 198 194 41996 361 348 131997 389 358 311998 410 326 845/1999 194 141 53

Tabelle 1:Statistische Entwicklung der Hysteroskopien an der Collm Klinik Oschatz

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selbsthaltenden Spekulum wird die vor-dere Muttermundslippe mit einer Ku-gelklemme angehackt. Durch Zug an derKugelklemme wird der Uterus inStreckstellung gebracht und das Hys-teroskop unter Sicht in den sich unter dereinströmenden Flüssigkeit entfaltendenCervikalkanal bis in das Cavum uterivorgeschoben. Bei straffem Cervikal-kanal ist gegebenenfalls ein Prosta-glandinpriming erforderlich, um dienachfolgende Dilatation zu erleichtern.Es erfolgt zunächst eine Übersichts-Hys-teroskopie mit Darstellung eines soge-nannten Panoramablickes. Anschließendwerden der Fundus uteri, die Ostien unddie Cavumwände beurteilt. Durch Zu-rückziehen des Instrumentes erfolgt dieDarstellung und Beurteilung des Cervi-kalkanales. Das Ergebnis dieser diag-nostischen Hysteroskopie ist ausschlag-gebend für weitere therapeutische Maß-nahmen.

Instrumentarium undDistensionsmediumBei diagnostischen Eingriffen:1. Untersuchungshysteroskop, beste-

hend aus einer 30° Winkeloptik (nachHAMOU II), die nach Standard einenDurchmesser von 4 mm hat (an derOptik befindet sich der Ansatz für dasLichtleitkabel) und einem Schaft von5 - 6 mm ø, an dem die Ansätze fürZu- und Abflüsse des Distensions-mediums vorhanden sind.

2. Lichtquelle (250 Watt) mit flexiblemKaltlichtkabel

3. Distensionsmedium mit HysteromatMöglichkeit der CO2-Gas - Insuffla-tion, besser und gegenwärtig allge-mein üblich Flüssigkeits-HSK mitisotonischer NaCl - Lösung.

4. Videodokumentation, bestehend ausder Videokamera mit Steuergerät,Bildschirm, Printer und Videorekor-der

5. Zusatzinstrumente wie selbsthaltendeSpekula, Kugelzangen, Sonden

Bei therapeutischen Eingriffen:1. Hysteroresektoskop, bestehend aus ei-

ner 12° Winkeloptik (4 mm ø), ver-

schiedenen Elektroden (Schlinge,Rollerball, Resektionshacken) undeinem Außen- und Innenschaft(Außendurchmesser 8 mm) mit Zu-und Ablauf für das Distensionsme-dium

2. Lichtquelle (250 Watt) mit flexiblemKaltlichtkabel

3. Distensionsmedium mit Hysteromat,elektrolytfreie, apolare Lösung, Puri-sole verdünnt

4. Videodokumentation, bestehend ausder Videokamera - Hysterocam (frei-hängend) mit Steuergerät, Bildschirm,Printer und Videorekorder

5. Hochfrequenzgerät

Indikationen zurdiagnostischen HSK

Blutungsstörungen aller Art in derPrämenopause - Sicherung vonPolypen und submukösenMyomknoten als Hauptursache vonBlutungsstörungen (bei einer Abrasiowerden in 30 - 40 % der FälleEndometriumpolypen nicht erfasst!)

Therapieresistente Hypermenorrhoeohne anatomisches Korrelat

Postmenopauseblutung, sonogra-phisch suspekter EndometriumbefundOptische Sicherung

Möglichkeit des hysteroskopischenStaging des Endometriumkarzinoms

Sterilität und InfertilitätErfassung von intrauterinen Sterilitäts-und Abortursachen (Adhäsionen,Septen, Uterusmissbildungen)Möglichkeit der Beurteilung derTubenostien

Kontrolle nach intrauterinen Eingriffen

Kontrolle nach medikamentöserProphylaxe und Therapie vonEndometriumveränderungen

Lost - IUP (verlorene Spirale)

Indikationen zuroperativen HSK

Resektoskopische Entfernung derPolypen/Myomknoten- sichere und vollständige Entfernung

möglich- Vermeidung wiederholter Abrasiones- Möglichkeit der Organerhaltung

Endometriumablation beziehungsweise-resektionAbschwächung der Blutungsstärkebeziehungsweise Amenorrhoe,Möglichkeit der Organerhaltung

Gezielte Biopsie suspekter ArealeHistologische Sicherung

Gezielte Resektion von Adhäsionen,Septen

Möglichkeit einer weiteren operativenIntervention

Entfernung der Spirale unter Sicht

6. Zusatzinstrumente.

Der optimale Untersuchungszeitpunkt –für diagnostische und therapeutischeEingriffe – liegt in der ersten Zyklushälf-te, da die zu diesem Zeitpunkt vorhande-ne schmale Schleimhaut den Eingriff er-leichtert. Vor geplanten Resektionengrößerer Myomknoten beziehungsweisevor Endometriumablationes ist eine hor-monelle Vorbehandlung empfehlens-wert.

Die Abbildungen 1 bis 10 auf den Seiten101 und 102 zeigen typische hys-teroskopische Bilder.

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Ärzteblatt Sachsen 3/2000 101

Abb. 1: Blick in den Cervicalkanal mit intracavitär gelegenen Polypen

Abb. 2: Übersichtsblick in das Cavum uteri - „Panoramablick“

Abb. 3:Intracavitäre Synechien zwischen Uterusvorder- und hinterwand

Abb. 6:Großer intracavitärer Myomknoten

Abb.5: Breitbasig aufsitzender, von der Uterushinterwand ausgehen-der intracavitärer Myomknoten

Abb. 4: Suspektes Areal an der Uterusvorderwand

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102 Ärzteblatt Sachsen 3/2000

Abb. 7: Corpuspolyp

Abb. 8: Endometriumresektion mit der Resektionsschlinge Abb.10: Uterus subseptus – das Septum reicht bis in die Nähe des inneren Muttermundes

Abb. 9: Zustand nach Endometriumablation mit dem „Roller-Ball“

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:Dr. med. Petra MeyerCollm Klinik Oschatz

Parkstraße 104758 Oschatz

Artikel eingegangen: 4. 6. 1999Artikel angenommen: 9. 7. 1999