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DER ZERFALL JUGOSLAWIENS - politikundunterricht.de · 2 Geleitwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Als 1991 der Jugoslawienkonflikt ausbrach, wurden viele von uns sehr

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311997 l 3. Quartal . 23. Jahrgang

,,Politik und Unterricht“ wird von der Landeszentrale fürpolitische Bildung Baden-Württemberg herausgegeben.

Werkstattseminare 2

Neu im RedaktionsteamHerausgeber und Chefredakteur:

Siegfried Schiele, Direktor der Landeszentrale für politischeBildung Baden-Württemberg

Redaktionsteam:Unterrichtsvorschläge

Otto Bauschert, M.A., Oberregierungsrat, Landeszentrale fürpolitische Bildung, Stuttgart (geschäftsführender Redakteur)

Ernst-Reinhard Beck, Oberstudiendirektor, Direktor desFriedrich-List-Gymnasiums Reutlingen

Judith Ernst-Schmidt, Studienrätin, Werner-Siemens-Schule(Gewerbliche Schule für Elektrotechnik), Stuttgart

Ulrich Manz, Rektor der Schiller-Schule Esslingen

Horst Neumann, Ministerialrat,Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg,Stuttgart

Einleitung(Hugo Eckert)

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Baustein AZur jugoslawischen Geschichte(Hugo Eckert)

Angelika Schober-Penz, Ministerium für Umweit und VerkehrBaden-Württemberg, Stuttgart

Baustein BDie neuen Balkankriege(Dietmar Herz)

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Baustein CKarin Schröer, Reallehrerin, Eichendorff-Realschule Die Umsetzung des Friedens von DaytonReutlingen (Dietmar Herz)Anschrift der Redaktion:70184 Stuttgart, Stafflenbergstraße 38,Tel. (0711) 2371-388/-378, Telefax (0711) 2371-496

Baustein DNachfolgestaaten und Perspektiven(Hugo Eckert)

Politik und Unterrichterscheint vierteljährlich

Preis dieser Nummer: DM 5,-

Jahresbezugspreis DM 20,-. Unregelmäßig erscheinendeSonderhefte werden zusätzlich mit je DM 5,- in Rechnunggestellt.

Verlag: Neckar-Verlag GmbH78050 Villingen-Schwenningen, Klosterring 1

Druck: Baur-Offset GmbH & Co.78056 Villingen-SchwenningenLichtensteinstraße 76

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt dieMeinung des Herausgebers und der Redaktion wieder.

Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion.

I N H A L T

DER ZERFALLJUGOSLAWIENS

Vorwort des Herausgebers 1

Geleitwort des Ministeriumsfür Kultus, Jugend und Sport 2

Mitarbeit an diesem Heft 2

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AV-Medien zum Thema 21

Literaturhinweise(Hugo Eckert)

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40. Schülerwettbewerb des Landtags

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voIwortdesHerausgebers

Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg feiert indiesem Jahr ihr 25jähriges Bestehen. Unsere vierteljährlich erschei-nende Zeitschrift ,,Politik und Unterricht“ ist zwar zwei Jahre jünger alsdie Landeszentrale, und doch ist das Heft, das Sie jetzt in Händenhalten, schon die hundertste Ausgabe der Reihe. Herausgeber undRedaktion erfüllt dieses Jubiläum, zu dem einige Sonderhefte beigetra-gen haben, mit Freude und Stolz. Zur Beständigkeit und zum Erfolg derPublikation hat es nicht zuletzt beigetragen, daß zwei der Gründerväterdem Team bis heute die Treue gehalten haben. Andererseits - Siekönnen es auch in diesem Heft lesen - hat sich die Redaktion immerwieder personell erneuert und verjüngt.

Es ist nicht selbstverständlich, daß eine Zeitschrift, die mit ihren Bei-trägen die Praxis des politischen Unterrichts verbessern will, sich überso lange Zeit behauptet, überdies Ansehen erwirbt und es sich erhält.Dazu genügt es nicht, daß die Initiatoren von ihrer Aufgabe und von derNotwendigkeit des Produkts überzeugt sind. Sie müssen sich darüberhinaus wechselnden Herausforderungen stellen und brauchen einegroße Zahl einfallsreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zum Etfolgs-rezept gehört auch, daß die Redaktion konsequent den Dialog mit denLeserinnen und Lesern gesucht und geführt hat. Häufige Gespräche mitFachleuten, zahlreiche Werkstattseminare, viele Zuschriften und meh-rere Befragungen der Leserschaft - die umfangreichste erst vor zweiJahren - haben uns grundsätzlich in unserem Kurs bestärkt und mitge-holfen, unsere Hefte ständig zu verbessern. Allen, die daran mitgewirkthaben, danke ich herzlich.

Das vorliegende Heft ist typisch für die Reihe ,,Politik und Unterricht“. Esgreift ein Thema auf, das wegen seiner Aktualität noch nicht in Schul-büchern zu finden ist; in einem zeitgemäßen Politikunterricht aber nichtfehlen sollte. Von der Vielzahl tagesaktueller Veröffentlichungen unter-scheidet es sich dadurch, daß es den Lehrenden didaktisch begründeteUnterrichtsvorschläge anbietet und eine Auswahl geeigneter Texte undMaterialien bereitstellt.

Wer die historischen Ursachen des für viele überraschenden Zerfalls desehemaligen Jugoslawien untersuchen will, findet dazu im ersten Bau-stein qualifizierte Grundlagen. Die Balkankriege der neunziger Jahre undder Friedensschluß von Dayton bilden zwei weitere Schwerpunkte desHeftes. Der Redaktion war es wichtig, nicht mit der Beschreibung einerausweglos erscheinenden Lage zu schließen, sondern im letzten Bau-stein auch ermutigende Perspektiven zu zeigen. Trotz aller Schreckens-meldungen - das jüngste Beispiel der erfolgreich verlaufenenKommunalwahlen in Bosnien zeigt, daß Hoffnungen auch bei gegen-teiligen Prognosen nicht zwangsläufig enttäuscht werden müssen.

Siegfried SchieleDirektor der Landeszentrale für politische BildungBaden-Württemberg

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Geleitwortdes Ministeriumsfür Kultus, Jugendund Sport

Als 1991 der Jugoslawienkonflikt ausbrach, wurden viele von uns sehr un-sanft aus der Utopie gerissen, wenigstens in Kerneuropa sei am Ende des 20.Jahrhunderts ein friedliches Zusammenleben der Völker möglich. Die weit-verbreitete Unkenntnis über die langfristigen historischen Prozesse auf demBalkan und über ihre Nachwirkungen mag dazu beigetragen haben, auch fürdiese Region genügend Vernunft vorauszusetzen, um Lehren aus einer zer-störerischen Vergangenheit zu ziehen. Statt dessen haben wir inzwischenfassungslos ein Lehrstück des Hasses, der Gewalt, der Intoleranz, aber auchdes Versagens der Völkergemeinschaft erlebt, so daß sich Fragen aufdrän-gen, wie es zu dieser Eruption von Unmenschlichkeit kommen konnte undwie man ihr begegnen kann.

Das vorliegende Heft versucht sie mit nüchternen Informationen zu beant-worten und unsere Schülerinnen und Schüler mit Gegebenheiten in einemGebiet Europas vertraut zu machen, das üblicherweise nicht im Mittelpunktdes Unterrichts steht. Genügt es aber, lediglich Ursachen für eine Völker-katastrophe zu begreifen oder einen aufgezwungenen Frieden zu verstehen?Wie trügerisch und labil jeder Frieden sein kann, der sich nicht auf Toleranzgründet, sollte sich uns allen am Beispiel Jugoslawien tief einprägen. Ge-meint ist eine Toleranz, die den anderen in seinem Anderssein nicht nur dul-det, sondern anerkennt und ihm ein Recht auf ethnische kulturelle Identitätzubilligt.

Es wäre ein wichtiges erzieherisches Ziel, wenn die Materialien dieses Heftesüber das Anliegen hinaus, die Unwissenheit über die Völker des Balkans zuvermindern, unsere Schülerinnen und Schüler dazu anhalten könnten, denFremden zu achten und damit ein friedliches Zusammenleben zu gewährlei-sten. Die Landeszentrale schließt mit dieser Publikation eine bedauerliche In-formationslücke, zumal Unwissenheit zur Mitschuld führen kann. Das Mini-sterium für Kultus, Jugend und Sport wünscht dem Heft die ihm gebührendeBeachtung an den Schulen.

Rudolf PfeilGymnasialprofessorMinisterium für Kultus, Jugend und SportBaden-Württemberg

Mitarbeit an diesem Heft Werkstattseminare

Federführung: Dr. Hugo Eckert

Dr. Hugo Eckert: Studiendirektor i. R., Wertheim(Federführung, Einleitung, Bausteine A und D, Lite-raturhinweise)

Dr. Dietmar Herz: Gymnasiallehrer, Studienasses-sor, Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium Wertheim(Bausteine B und C)

Der Zerfall JugoslawiensStaatsarchiv Wertheim-Bronnbach7. bis 8. Dezember 1996 und 12. bis 13. April 1997

Teilnehmer:Jost Cramer, LichtenwaldDr. Hugo Eckert, WertheimDr. Dietmar Herz, WertheimDr. Volker Rödel, Wertheim-BronnbachGünther Seitter, Esslingen

Leitung: Dr. Hugo Eckert, Wertheim

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Neu im Redaktionsteam unserer Zeitschrift

I Judith Ernst-Schmidt

Judith Ernst-Schmidt wurde am 20.2.1954 in Karls-ruhe geboren und besuchte dort das GymnasiumSt. Dominikus. Nach dem Abitur 1973 kam sie nachStuttgart, wo sie 1975 an der WürttembergischenLandesbibliothek eine Ausbildung zur Bibliothekarinmit dem Diplom abschloß.

Das Studium der Germanistik und Geschichte ander Universität Stuttgart beendete sie 1980 mit demersten, das Referendariat 1982 mit dem zweitenStaatsexamen. Die anschließende Zeit der ,,Lehrer-schwemme“ und der damit verbundenen Arbeits-losigkeit war erfüllt mit der Erziehung ihrer 1982 und1984 geborenen Kinder; ab 1984 widmete sie sichdaneben ausländischen Mitbürgern und Asylbewer-bern, die sie am Institut für Auslandsbeziehungenund an der Volkshochschule Stuttgart in Deutsch alsFremdsprache unterrichtete.

Seit Februar 1991 ist Frau Ernst-Schmidt an derWerner-Siemens-Schule in Stuttgart, einer Gewerb-lichen Schule für Elektrotechnik, tätig. Sie unterrich-tet dort die Fächer Deutsch, Geschichte, Gemein-schaftskunde und Wirtschaftskunde an derBerufsschule und am Technischen Gymnasium.

Vor einem Jahr wurde die Studienrätin zur Frauen-vertreterin gewählt.

Angelika Schober-Penz

Angelika Schober-Penz, verheiratet, ein Kind, wurdeam 7.7.1960 in Lauffen a. N. geboren und besuchtedas dortige Hölderlin-Gymnasium bis zum Abitur1979. Danach studierte sie an der Albet-t-Ludwigs-Universität in Freiburg/Breisgau die Fächer Germa-nistik sowie Geographie und legte das 1. Staats-examen für das Lehramt an Gymnasien ab. DasReferendariat absolvierte sie am Staatlichen Semi-nar für Schulpädagogik in Heilbronn mit schulprak-tischer Ausbildung am Mönchsee-Gymnasium Heil-bronn und am Gymnasium Besigheim und beendetedieses 1987 mit dem 2. Staatsexamen.Anschließend unterrichtete sie Deutsch für Erwach-sene an einer Schule für Weiterbildung in Ludwigs-burg. 1988 begann sie ihre Tätigkeit als Pädagogi-sche Mitarbeiterin bei der Akademie für Natur- undUmweltschutz des Umweltministeriums Baden-Württemberg. Dort befaßte sie sich u. a. mit derOrganisation und Leitung von Seminaren und Ex-kursionen für Schüler und Jugendliche; außerdembetreute sie didaktische Publikationen zur Umwelt-erziehung. 1992 wechselte sie in den BereichKommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des heu-tigen Ministeriums für Umwelt und Verkehr. Ehren-amtlich arbeitet sie als Pressereferentin beim Turn-verein Lauffen.

Wir begrüßen Frau Ernst-Schmidt und Frau Schober-Penz herzlich in der Redaktion und sind sicher, daß wirvon ihrem reichhaltigen Erfahrungsspektrum großen Nutzen haben werden. Siegfried Schiele

Das Lernspiel Weltpuzzle 2000ist kein Puzzle im üblichen Sinn. Es hat 139 Teile, bedeckt aber eineFläche von 190 x 120 cm. Das Spiel eignet sich für Gruppen mitzwanzig oder mehr Personen. Dazu gehören: Staatenübersicht,Staatenkartei, Flaggensammlung und ein Beiheft.

Preis: 50,OO DM zzgl. Versandkosten

Bestellung an: Landeszentrale für politische Bildung, Haus auf der Alb,Ref. Arbeitshilfen, Hanner Steige 1, 72574 Bad Urach, Fax (0 71 25) 15 21 00

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DER ZERFALL JUGOS~WI~NS

Jahrelang beherrschte der Krieg auf dem Balkan dieMedien. Per Fernsehen konnte man das Geschehenim Wohnzimmer ,,live“ verfolgen: Bombardierungen,Heckenschützen und die Tötung von Zivilisten, auchKindern, sogenannte ,,ethnische Säuberungen“, dieVertreibung oder Flucht von Tausenden: Kroaten,Bosniaken und Serben. Gerade auch in Deutsch-land saß der Schock tief. Bestürzt sah man die Be-schießung des Weltkulturerbes Dubrovnik und an-derer Küstenstädte in Dalmatien - Ferienorte, dieviele mit unbeschwerten Urlaubserinnerungen ver-binden.

Internationale Verflechtungen

In Europa nahm man den Krieg mit besonderer Er-schütterung auf. Nach dem Ende des Kalten Kriegesund dem Zusammenbruch des Ostblocks glaubteman, eine sichere, friedvolle Zukunft vor sich zu ha-ben. Der säkulare Prozeß der Einigung ganz Euro-pas, der Bau eines gemeinsamen europäischenHauses, schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein.Aber während die Europäische Union dabei war,Grenzen zu überwinden, den Nationalismus zurück-zudrängen und sogar auf bestimmte Souveränitäts-rechte zu verzichten, geschah im zerfallenden Ju-goslawien genau das Gegenteil.

Über den Balkan und Europa hinaus bekam derKrieg eine weltweite Dimension. Die Vereinten Na-tionen nahmen sich engagiert der Krise auf demBalkan an. Durch rege Reisediplomatie, unzähligeGespräche, vorläufige Waffenstillstände und Verein-barungen wurde versucht, den Kriegsherd auszulö-schen. Aber die Kontrahenten hatten ihre konkretennationalen Ziele vor Augen. Die einen argumentier-ten mit dem Recht auf Selbstbestimmung der Natio-nen, die anderen mit der völkerrechtlichen Gültigkeiteines von der UN0 anerkannten Staates und der ge-meinsamen Verfassung der Einzelnationen. Hinzukam, daß alte Kriegskonstellationen wieder sichtbarwurden. Rußland, die ,,Schutzmacht” Serbiensschon im 19. Jahrhundert, verteidigte die InteressenJugoslawiens. Frankreich und Großbritannien erin-nerten sich der Waffenbrüderschaft mit Serbien inbeiden Weltkriegen, Deutschland andererseits un-terstützte Kroatien und Slowenien.

Die Lage in Bosnien-Herzegowina

Waffenstillstände gab es zuhauf, aber lange Zeit kei-nen Frieden. Erst als die UN0 vom Grundsatz desPeacekeeping zum Peacemaking überging und inihrem Auftrag die NATO militärisch eingriff, war dieZeit der Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit vorbei. Mit

Verantwortung für den Kriegsausbruch?

Aus einem Interview mit dem amerikanischen Chef-unterhändler Holbrooke, dem ,,Architekten“ des Dayton-Vertrages (Der Spiegel 3 111996)

Der Spiegel: Trifft die Deutschen Ihrer Meinung nacheine besondere Verantwortung für den Kriegsausbruchdurch die schnelle Anerkennung Kroatiens und Sloweni-ens im Dezember 1991?

Holbrooke: Es war eine unglückliche Entscheidung, dieich bedaure und von der ich mir wünschte, sie wärenicht getroffen worden. Aber daß sie für das Blutver-gießen auf dem Balkan sozusagen verantwortlich war -nein, an eine solche Kausalität glaube ich nicht. Späterspielten die Deutschen übrigens die positivste Rolle al-ler Europäer.

dem Abkommen von Dayton wurde ein dauerhafterWaffenstillstand geschaffen; die Weichen für die Zu-kunft waren gestellt. Allerdings steckt der Teufel imDetail; die politische Umsetzung des Abkommensstößt immer von neuem auf große Hindernisse, dieoft unüberwindbar scheinen. Die Nachfolgestaatender ehemaligen ,,Sozialistischen Föderativen Repu-blik” Jugoslawien betonen mit Nachdruck ihre na-tionale Eigenstaatlichkeit, richten strenge Grenzkon-trollen ein, schaffen je eigene Währungen undverwenden sogar innerhalb von Bosnien-Herzego-wina drei verschiedene Autokennzeichen.

Die Einflußmöglichkeiten von Europäischer Unionund OSZE sind begrenzt. Ohne die USA (mit ihremChefunterhändler Holbrooke) scheint es in Bosnien-Herzegowina kaum Fortschritte zu geben. Währendsich Slowenien konsolidiert, Makedonien einenfriedlichen Ausgleich mit Bulgarien und Griechen-land erzielt, sogar Kroatien und Serbien wieder ko-operieren, kommt es bei der Rückführung der nachHunderttausenden zählenden Flüchtlinge immerwieder zu Konfrontationen. Die Kluft zwischen bos-nischen Serben, Kroaten und Bosniaken scheintunüberbrückbar zu sein. Dies ist um so weniger ver-ständlich, als Bosnien-Herzegowina einst ein Eu-ropa im kleinen gewesen ist: eine multi-ethnische,multireligiöse und multikulturelle Einheit (wenn auchfrüher nicht ganz frei von Konflikten). Es sieht soaus, als ob Bosnien-Herzegowina für Europa eineDaueraufgabe bliebe.

Der Balkan und die Deutschen

Es sind nicht nur Urlaubserinnerungen, die Deut-sche mit Jugoslawien verbinden. Auch sonst sinddie Verflechtungen zwischen Deutschen, Kroaten,Serben und Bosniaken eng. Unzählige Arbeitskräfteaus dem ehemaligen Jugoslawien sind in Deutsch-land heimisch geworden, leben Tür an Tür mit deut-

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sehen Nachbarn. Serbische, kroatische, bosnischeund deutsche Schüler gehen gemeinsam in deut-sche Schulen. Fußballvereine mit den Namen Sara-jewo, Kosova, Makedonia, Groatia und Beograd tra-gen Verbandsspiele zusammen mit deutschenVereinen aus. Viele Deutsche sind mit Familien vomBalkan und auf dem Balkan befreundet. In Baden-Württemberg leben ständig über 300 000 Menschenaus dem ehemaligen Jugoslawien (aus Serbien170 000, Kroatien 75 000 und 60 000 aus Bosnien-Herzegowina). Tausende von Kriegsflüchtlingenwurden von ihren Verwandten aufgenommen.

Internationale Kreisliga

Tausende von Mitbürgern aus dem ehemaligen Jugosla-wien, die unter uns leben, haben noch immer enge Bin-dungen an ihre Heimat. Das zeigt ein Blick auf die Fuß-balltabellen der Kreisliga B von Stuttgart. Hier spielenauch Mannschaften aus Serbien, Kosovo, Kroatien, Ma-kedonien und Bosnien mit: Beograd, Croatia, ZagrebStuttgart, Sarajewo Stuttgart, Kosova Bernhausen, Ma-kedonia Stuttgart, Slaven Möhringen, Zvezda (= Stern)Stuttgart.

Kreisliga B, Staffel 5: Omonia Vaihingen - SV Rot II 2:l;TSV Zuffenhausen II - SpVgg Giebel II 3:l; SKG Bot-nang II -TV Zuffenhausen lI2:O; C. Zagreb Stgt. // -TSVSteinhaldenf. II 3:2, SV Prag Stgt. II - MlV Stgt. II 1:2

TSV Zuffenh. II 9 3O:lO 23Omonia 9 21:7 21Giebel II 10 20:17 14Rot II 8 19:ll 13Croatia // 8 18:12 13Beograd 8 1514 11Steinhaldenfeld II 8 16:30 10MTV II 8 18:23 9TV Zuffenh. II 9 9:16 7Prag Stgt. II 8 12:21 7Botnang II 8 14:24 7Mühlhausen II 8 8:15 5Prag II 0 0:o 0

Stuttgarter Zeitung, 11.11.1996 (hbelle)

Zum erstenmal in der Geschichte der Bundesrepu-blik wurden Bundeswehrsoldaten, auch freiwilligeWehrpflichtige, in Europa eingesetzt, zunächst alsIFOR-Soldaten in Kroatien, dann als Teil der SFORbei Sarajewo. Auf breiter Basis arbeiten internatio-nale, nationale und private Institutionen, auch Pri-vatpersonen, für den Frieden in Bosnien-Herzego-wina, auch wenn manche Prognosen für die Zukunfteher negativ sind. Der Wiederaufbau Mostars solltebeispielhaft sein für ganz Bosnien-Herzegowina.Das Modell ist gescheitert. Der Hohe Repräsentantder Europäischen Union in Sarajewo hat einenschweren Stand, weil sich die drei Vertragsparteiengegenseitig nicht trauen.

Es gibt aber auch ermutigende Zeichen. Viele Staa-ten leisten finanzielle und andere Aufbauhilfen; auchin Deutschland und vor Ort wirken prominente Mitt-ler des Friedens. Der Papst wirbt für Versöhnungund Frieden, Hans Koschnick plädiert unentwegt fürVerständnis und Hilfen. Über hundert große private

deutsche Organisationen sind beim Friedensprozeßin Bosnien-Herzegowina engagiert, nicht nur mitSachgütern und Geld, sondern auch mit unei-gennützigen Helfern vor Ort. Die Verantwortung vonEuropa ist groß, die Herausforderung auf dem Bal-kan zu bestehen. Allerdings werden Friedens-truppen noch für längere Zeit erforderlich sein, umein erneutes Aufbrechen von Konflikten zu unterbin-den.

Zur Gliederung des Heftes

Die Hintergründe des Zerfalls des ehemaligen Staa-tes Jugoslawien sind so komplex, daß es kaummöglich erscheint, sie in einem schmalen Heft fürSchülerinnen und Schüler verständlich darzustellen.Die Autoren zeigen deshalb an aussagekräftigenBeispielen wichtige Faktoren auf.

Im ersten Baustein werden Stationen aus der jugo-slawischen Geschichte, vor allem des 20. Jahrhun-derts, beleuchtet, die zur Erklärung der heutigenSituation beitragen können. Deutlich wird, daß dieGroßmächte auf dem Balkan stets ihre eigenen Zieleverfolgten und die Wünsche nach Wahrung der kul-turellen Identität einzelner Völker oft zurücktretenmußten. Nach der Beschäftigung mit den Quellenkönnen die Schüler verstehen, daß wichtige Ur-sachen der aktuellen Konflikte in der Geschichte derBalkanvölker zu suchen sind.

Der genaue Verlauf der neuen Balkankriege seit1991 soll eine geringe Rolle spielen. Die Dokumentedes Bausteins B zeigen die Ausgangslage und mög-liche Motive der Beteiligten; vor allem kommt esaber darauf an, die konkreten Auswirkungen derKriege für die Menschen in der Region zu schildern.In einem eigenen Baustein (C) wird der Friedens-schluß von Dayton ausführlich behandelt. DieSchwierigkeiten der Umsetzung des Friedensver-trags werden vorgestellt, um einsichtig zu machen,daß es noch ein langer Weg zu einem dauerhaftenFrieden sein kann.

Im Baustein D sollen die Schülerinnen und Schülerzunächst einen gerafften Überblick über die fünfNachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien er-halten. Die Daten eignen sich nicht nur für interes-sante Vergleiche, sie bieten auch Grundlagen, umgegenwärtige innenpolitische Herausforderungendieser Staaten zu erklären.

Ein wichtiger Abschnitt dieses Bausteins untersuchtabschließend die Frage, was getan werden kann,um zum Frieden in diesem umkämpften Land beizu-tragen. Die vielen positiven Beispiele sollen nichttrügerisch leichte Lösupgen vorgaukeln. Sie sollenvielmehr helfen, bei den Schülerinnen und Schülernnicht allein das Gefühl der Ausweglosigkeit zurück-zulassen. Schließlich gibt es auch bei Politikern undWissenschaftlern die Hoffnung, daß das friedlicheMiteinander von Muslimen, Juden und katholischenwie orthodoxen Christen in der Vergangenheit auchein Modell für die Zukunft in einem zwar dreigeteil-ten, aber doch vereinten Bosnien-Herzegowina seinkann. Hugo Eckert

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Zur jugoslawischenGeschichte

,,Nur die Vergangenheitkann die Gegenwart erklären“

Macht und Last der Geschichte

Zu den Ursachen des Balkankrieges zählen natio-nale, kulturelle, religiöse, wirtschaftliche und andereGründe, die im wesentlichen in der hochkomplizier-ten Geschichte der südslawischen Völker wurzeln.Man kann sich ihr auf mehreren Wegen nähern. Diewenigen wissenschaftlichen Darstellungen ausdeutscher Sicht sind so vorsichtig abgewogen (z. B.bei Gotthold Rhode und Peter Bartl), daß der soscheinbar plötzlich aufgebrochene Haß beim jüng-sten Balkankrieg kaum verständlich wird (Aus-nahme: Holm Sundhaussen).

Eine zweite, ergänzende Annäherung kann man mitdem berühmten Roman ,,Die Brücke über die Drina“(und anderen die Historie charakterisierendenSchriften) von Ivo Andric versuchen. Der Nobel-preisträger für Literatur verkörpert selbst in seinerPerson den ungeheuren Zwiespalt zwischen Bos-niaken, Serben und Kroaten, um deren Aussöhnunger sich zeitlebens bemühte.

Den Haß und die Grausamkeiten des Balkankriegeskann man in gewisser Weise nachvollziehen, wennman, drittens, die Erlebnisse von Zeitzeugen vor Ortheranzieht (z. B. in Kroatien oder Bosnien-Herzego-wina), die handelnd und leidend die wechselvolleGeschichte vom Ende des Ersten Weltkrieges bis indie neunziger Jahre miterlebten. Die spektakulärenMorde von 1928 und 1934 werden in Gesprächenkaum erwähnt. Die traumatischen Ereignisse imZweiten Weltkrieg in Jugoslawien aber sind nichtnur bei den Zeitzeugen, sondern in zahlreichen Ein-zelheiten auch bei den Nachgeborenen unmittelbarpräsent. Hinzu kommt, daß innerhalb eines Dorfes(z. B. bei Dubrovnik oder in der Herzegowina) schonbald nach 1945 Feinde von damals zusammenleb-ten: Kroaten, die bei der deutschen Wehrmacht ge-dient hatten, ehemalige Ustaschen und Partisanen,oft auch muslimische Bosniaken. Spannungen gabes zudem zwischen glaubenstreuen Katholiken undkirchenfeindlichen Kommunisten. Vorbehalte ge-genüber der jeweils anderen Religion waren schonimmer vorhanden. Andererseits wird auch vomfriedlichen Zusammenleben von Katholiken, Ortho-doxen und Muslimen berichtet, besonders seit derZeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Während derkommunistischen Ara hatte die Gläubigkeit bis ge-gen Ende der achtziger Jahre stark nachgelassen.

Bei den Kroaten galten noch 53 Prozent als gläubig,bei den Muslimen 37 und bei den Serben 34 Pro-zent.

Die Erosion des Tito-Staates nahm seit Ende derachtziger Jahre gefährliche Formen an, nicht zuletztdurch die Sensationspresse, die aggressiv die Ver-gangenheit im nationalistischen Geist interpretierte(Sundhaussen). EU-Koordinator Bildt stellte 1995resigniert fest, jede Seite in Bosnien-Herzegowinasehe sich in der Rolle des Opfers und suche solange nach Beispielen in der Geschichte, bis sichdie These vom unterdrückten Volk untermauernlasse. Diese Auffassung wurde durch demagogi-sche Wahlkampfparolen 1996 bestätigt, bei denenoft genug auch weit zurückliegende Ereignisse derGeschichte als Argumente herangezogen wurden.

Nach der These des Harvard-Professors Samuel P.Huntington wird die Zukunft nicht mehr von wider-streitenden Ideologien, sondern vom ,,Kampf derKulturen“ bestimmt. Er sieht seine These auch inBosnien bestätigt, ,,wo die orthodox-christlichenSerben auf die moslemischen Bosnier trafen“. DieBalkanspezialistin Marie-Janine Calic sieht dies dif-ferenzierter. Sie widerspricht Huntington mit der Be-gründung, daß der Balkankrieg keineswegs alsKampf der Kulturen oder Religionskrieg zu wertensei, weil die Grenzen zwischen den Kulturen und Re-ligionen auf dem Balkan nirgends hermetisch abge-schlossen gewesen seien. Sie verweist darauf, daßsich im Laufe von Jahrhunderten multi-ethnisch,multikonfessionell und multikulturell geprägte regio-nale Identitäten entwickelt hätten. HuntingtonsThese und Calics Widerspruch werden gerade inden Balkanstaaten weiter diskutiert werden. DieSerbisch-Orthodoxe Kirche sprach (1995) von den,,gekreuzigten Brüdern“ in Bosnien. Deschner undPetrovic gaben ihrem Buch gar den Titel: ,,Weltkriegder Religionen“. Es gibt deutliche Hinweise dafür,daß die amerikanische Außenpolitik in Bosnien vonHuntingtons These stark beeinflußt ist (so PeterKrapf, Ulm/Bihac).

Die für das Verständnis der heutigen Situation aufdem Balkan so wichtige Geschichte der südslawi-schen Völker muß wegen Platzmangels auf wesent-liche Strukturen und Ereignisse, die direkt oder indi-rekt auf den Krieg im ehemaligen Jugoslawieneinwirkten, beschränkt werden. Ausführliche Mate-rialien stellen die verworrenen Jahre zwischen 1941und 1945 vor. Diese Kriegszeit hat nicht nur zu Ver-werfungen innerhalb der einzelnen Nationen, son-dern durch den verhängnisvollen Bürgerkrieg auchzu tiefen Rissen und zur Verfeindung der Nationenuntereinander getiht-t, die das Bewußtsein bis heuteprägen.

Grenzland und Durchgangsland

Südslawien ist über lange Jahrhunderte hinweg einGrenzland. Bereits in der Spätantike verläuft hier ander Drina die wichtige Grenze zwischen dem west-und oströmischen Reich, zwischen dem römisch-katholischen und dem orthodoxen Christentum. Die

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Drina bildet in der Osmanenzeit auch die Scheide-linie zwischen dem Christentum und dem Islam.,,Die Brücke über die Drina“ ist, wie die alte Brückein Mostar, zugleich aber auch eine Brücke zwischenunterschiedlichen Kulturen.Südslawien ist zudem ein Durchgangsland, obwohles von der Landesnatur her eher unzugänglich undvon fremder Macht nur schwer zu beherrschen ist.Die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg zumBeispiel bekommt das Land nicht in den Griff. ImLauf der Geschichte kommt es immer wieder zugrößeren Bevölkerungsverschiebungen. So weichenzum Beispiel die Serben in der frühen Neuzeit ausihrem Stammland, dem heutigen Kosovo, nach Nor-den aus, und Albaner rücken nach.In einem langen historischen Prozeß wird Süd-slawien zu einem ethnisch so stark gemischtenLand, daß man es mit einem Leopardenfell ver-gleicht. Auf engem Raum wohnen in den Städtenund vielen hundert Dörfern mehrere Nationalitätenzusammen. Es kommt nicht nur zu multikulturellenBegegnungen, sondern über lange Zeiten auch zueiner funktionierenden multikulturellen Gesellschaft,beispielsweise in Sarajewo. Vier Religionen, die imGrunde dem gleichen Gott huldigen, unterscheidensich durch ihre Gotteshäuser, durch ihre religiösenFeste und Gebräuche, sogar durch je eigene Zeit-rechnungen, durch eigene Kalender.

Vom Mittelalter zur NeuzeitSowohl die Kroaten wie auch die Serben und Bos-nier begründen ihre staatliche Eigenständigkeit mitgroßen, selbständigen Königreichen im Mittelalter.Im 20. Jahrhundert dienen diese als Legitimation,um eigene Nationalstaaten zu errichten - die diemittelalterlichen Reiche nie gewesen sind.Grundlegende Veränderungen geschehen auf demBalkan durch die osmanischen Eroberungen. Nachder Entscheidungsschlacht 1389 auf dem Amselfeldim Kosovo stehen die Serben unter osmanischerHerrschaft. Dieses Jahr gilt für die Serben bis heuteals Schicksalsjahr. Vier Jahre später nehmen die Os-manen Bosnien in Besitz. Ein Großteil der Bosnier(die Bogumilen, mit einer eigenen Kirche, seit Jahr-hunderten von Katholiken wie von Orthodoxen an-gefeindet und verfolgt) nimmt den muslimischenGlauben an. Die Bosnier sind Südslawen wie dieKroaten und Serben und sprechen die gleiche Spra-che.Nach der Niederlage der Ungarn bei Mohacs imJahre 1526 werden Ungarn und Kroatien zweigeteilt:die östlichen Gebiete gehören von nun an den Os-manen, die anderen den Habsburgern. Das Habs-burgerreich baut in der Folgezeit als Abwehr gegendie Türken eine lange Militärgrenze auf, in KroatienKrajina genannt und überwiegend von Serben be-siedelt.Aufstände gegen die Türkenherrschaft unternehmendie Serben mit wechselnden Erfolgen: 1689/90,1804 und 1815. 1878 erreicht Serbien die völker-rechtliche Unabhängigkeit, ebenso Montenegro.

Slowenen und Kroaten gehören bis 1918 zum Reichder Habsburger. Fast ganz Kroatien und Slawonienwird 1699 von den Habsburgern erobert. Nur dieKroaten in der Herzegowina bleiben weiterhin unterosmanischer Herrschaft - bis 1878. (Die besondersnationale Einstellung der herzegowinischen Kroa-ten, z. B. in Mostar, hat wohl darin ihren Ursprung;die Erinnerung an die Unterdrückung durch die Os-manen ist dort bis heute noch lebendig.)

Seit dem 15. Jahrhundert bis zur napoleonischenZeit besitzen die Venezianer die dalmatinischeKüste. Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis19120 4 ändern sich die politischen Verhältnisse aufdem Balkan grundlegend. (Vgl. dazu historischeKarten, z. B. in: Völker, Staaten und Kulturen, Braun-schweig: Schroedel 1979, S. 72 f. u. 80 f.)

Vom 19. Jahrhundert bis 1918In beiden großen Balkanvölkern - Kroaten und Ser-ben - entsteht im 19. Jahrhundert die Idee, allesüdslawischen Völker, die sich ihrer ethnischen, kul-turellen und sprachlichen Verwandtschaft bewußtsind, in einem Staat zu einen.1 878 wird Serbien un-abhängig. Nun wird angestrebt, alle auf dem Balkanlebenden Serben - z. B. in Kroatien, Slawonien undSüdungarn - in einem großserbischen Reich zu ver-einigen und weitere südslawische Völker zu integrie-ren. Dies weist voraus auf den Staat von 1918 und1945, auch auf das serbische Ziel in den Jahren von1991 bis 1995, alle Serben in einem Staat zusam-menzufassen (siehe Krajina und bosnische Serben).

In den Balkankriegen von 1912/13 gelingt es densüdslawischen Staaten, die Türken aus Europa hin-auszudrängen. Damit ist der Weg frei für eine Neu-ordnung Südosteuropas, doch der Streit um dastürkische Erbe führt zum zweiten Balkankrieg. DerSieg über die Türken wird auch als Befreiung derchristlichen Religionen gesehen.

Der Zusammenschluß zu einem südslawischenStaat wird während des Ersten Weltkrieges aktuell.Die österreichischen Truppen erleiden 1914 in Ser-bien vernichtende Niederlagen mit hohen Verlusten.Im Oktober 1915 wird Serbien mit Hilfe deutscherund bulgarischer Truppen erobert. Nach dem Todvon Kaiser Franz Joseph (1916) fordern habsburgi-sehe Südslawen zunächst die Vereinigung aller vonSlowenen, Kroaten und Serben bewohnten Länderder Monarchie zu einem autonomen Staat. 1917einigen sich die serbische Regierung und derkroatisch-slowenische ,,Südslawische Ausschuß“grundsätzlich, ohne wesentliche Details zu fixieren,auf die Gründung eines Königreiches der Serben,Kroaten und Slowenen: Im Jahr 1918 vertreiben dieSerben die Mittelmächte aus ihrem Land. Der neuesüdslawische Staat entsteht am 1.12.1918 - unterenormem Zeitdruck - und wird von den Sieger-mächten auf der Pariser Friedenskonferenz aner-kannt.

Die Italiener nehmen wichtige Gebiete von Slowe-nien und Kroatien an der Adriaküste in Besitz. DieKroaten, die zu den Verlierern des Krieges gehören,

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hoffen auf die Hilfe des intakten serbischen Heeres.Im neuen Staat dominieren die Serben, die in derFolgezeit ihre starke Machtstellung in Regierung,Verwaltung und im Heer durchsetzen und alle fö-deralistischen Bestrebungen verhindern. Die Verlie-rerstaaten von 1919, Ungarn und Bulgarien, sinnenauf Revision der jugoslawischen Grenzen; zusam-men mit deutschen und italienischen Truppen er-obern sie 1941 Jugoslawien.

Das Königreich von 1918 bis 1941

Der neue Vielvölkerstaat von 1918 umfaßt außer denSerben, Kroaten und Slowenen auch die weiterensüdslawischen Völker der Bosniaken, Montenegri-ner und Makedonen, zusammen etwa zehn Millio-nen Menschen. Zu den weiteren zwei MillionenStaatsbürgern (ohne besondere Minderheitenrechte)gehören Deutsche, Ungarn, Albaner, Rumänen, Tür-ken, Slowaken, Italiener, Bulgaren, Walachen, Romaund andere Nationalitäten. Die ,,chaotische ethni-sche Landkarte“ ist ein Produkt der überaus kompli-zierten Geschichte des Balkans.

In den Anfangsjahren des großen Balkanstaateswerden von unterschiedlichen Parteien vier Modellefavorisiert. Die vier Modelle bestimmen die Diskus-sion in der Folgezeit bis zum Krieg in den neunzigerJahren.

Das integrative Modell hat als Vision zum Ziel, dieEinzelnationalismen der Serben, Kroaten und Slo-wenen zu überwinden.Im föderativen Modell sollen alle südslawischenNationen gleichberechtigt sein.Das großserbische Modell zielt auf eine Auswei-tung des serbischen Staatsverständnisses vor1918 auf den neuen Staat.

l Das separatistische Modell bevorzugt die völligestaatliche Trennung der einzelnen Nationen.

Die umstrittene Verfassung von 1921 entscheidetüber den weiteren Weg des Staates. Sie wird, amserbischen Nationalfeiertag, dem 28. Juni, mit nureinfacher Mehrheit im Parlament verabschiedet. Diemeisten Abgeordneten aus Kroatien und Slowenienvotieren mit Nein oder bleiben aus Protest der Ab-stimmung fern. Mit der zentralistischen Verfassungist die Chance einer Integration verspielt. ,,Die ,Wei-chen‘ waren falsch gestellt, und der ,Zug‘ fuhr in diefalsche Richtung“ (Sundhaussen). Verschärft wer-den die nationalen Gegensätze durch ein sichtbaresWirtschaftsgefälle von Norden nach Süden, von Slo-wenien und Kroatien nach Montenegro, Kosovo undMakedonien. Seit der Staatsgründung, so der Füh-rer der einflußreichen Kroatischen Bauernpartei,Stjepan Radic, betrachte sich das kroatische Volkals ,,unterdrückt wie nie zuvor in seiner Geschichte“(1921). Er möchte das Königreich in eine Konföde-ration umwandeln. 1928 wird Radic im Parlamentdas Opfer eines Mordanschlags. Die Gegensätzezwischen Kroaten und Serben erreichen einenHöhepunkt. 1929 wird der Staat in Jugoslawien um-benannt. Der König übernimmt, gestützt auf dieArmee, selbst die Regierungsgeschäfte.

1934 wird, nicht zuletzt als Reaktion auf die Ermor-dung von Radic, der serbische König Alexander vonmakedonischen und kroatischen Nationalisten er-mordet. 1939 kommt es aufgrund der gefährlichenaußenpolitischen Zuspitzung in Europa zu einer Ver-ständigung (sporazurn) zwischen den beiden großenrivalisierenden Nationen

OSTERREICH

Saupe
Keine Rechte
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Deutsche und Serben im 20. Jahrhundert

1914 wird Serbien in der deutschen Öffentlichkeitals Drahtzieher für den Mord am österreichischenThronfolger angesehen. ,,Serbien muß sterbien“ istin den hektischen ersten Kriegswochen in Oster-reich wie in Deutschland eine gängige Straßen-parole. 1915 marschieren deutsche Truppen in Bel-grad ein.

Nach der Gründung des Königreichs im Jahre 1918haben die über 500 000 Volksdeutschen in Jugosla-wien (die meisten in der Batschka) nur wenig Chan-cen, Minderheitenrechte wahrzunehmen. Erst nachder Weltwirtschaftskrise entspannt sich dasdeutsch-serbische Verhältnis. Mit weitreichendenHandelsverträgen seit 1933 kommt es zu einem re-gen Güteraustausch. Deutschland wird der besteKunde Jugoslawiens und ist mit 54 Prozent an Ju-goslawiens Importen beteiligt. Mit dem ,,Anschluß”Osterreichs im Jahre 1938 entsteht eine gemein-same Grenze zwischen Deutschland und Jugosla-wien.

1941 tritt Jugoslawien auf Drängen Hitlers demDreimächtepakt bei. Hitler will die Südostflanke fürden Fall eines Angriffs auf die Sowjetunion ab-sichern. Nach einem Militärputsch in Belgrad wirddie Hauptstadt von deutschen Stukafliegern ohneKriegserklärung angegriffen und zum Teil schwerzerstört. Tausende von Zivilisten werden getötet.Kurze Zeit darauf erobern deutsche Truppen Bel-grad. Der Staat wird unter zahlreichen Interessentenaufgeteilt. Nie zuvor sind auf südslawischem Bodenso viele Menschen umgekommen wie in den vierKriegsjahren.

Der totale Bürgerkrieg von 1941 bis 1945

Noch komplizierter als vor dem Zweiten Weltkriegwerden jetzt die Verhältnisse zwischen den einzel-nen Nationalitäten und Interessengruppen. Die Be-ziehungen einzelner Nationen und Gruppierungenzu den Besatzungsmächten führen zu Vet-feindun-gen innerhalb der Nationen (z. B. kroatische Usta-sehen und kroatische Partisanen) und zu Polarisie-rungen zwischen einigen Nationen, so zwischenSerben und Kroaten. Deutsche (in Serbien), Italiener(in Montenegro und Teilen von Slowenien und Dal-matien), Bulgaren (in Makedonien) und Ungarn (inder Woiwodina) halten das Land besetzt.

Verhängnisvoll ist, daß die neue kroatische Regie-rung ein ,,serbenfreies“ Kroatien anstrebt. (Fast einDrittel der etwa sechs Millionen Einwohner Kroa-tiens sind Serben.) Nach dem Bericht eines deut-schen Offiziers sind Hunderttausende von SerbenOpfer der von Hitler ermunterten Exzesse der Usta-sehen geworden; Tausende sind im Massenvernich-tungslager Jasenovac ums Leben gekommen, an-dere an Ort und Stelle getötet oder aus ihrer Heimatvertrieben worden.

In Bosnien fühlt sich ein Teil der Muslime den Kroa-ten zugehörig, andere verstehen sich eigenständig

als Muslime, und ein dritter (kleinerer) Teil neigt denSerben zu. Serbische Freischärler ,,rächen“ sich inOstbosnien und der Herzegowina an solchen Mus-limen, die sich für die kroatische und deutsche Seiteentschieden haben. Auch die Ustaschen verfolgenund töten Muslime, wenn sie sich nicht für die Kroa-ten entscheiden. Durch den Bürgerkrieg befindensich in Bosnien über 200 000 Muslime auf derFlucht. Manche Muslime hoffen auf deutsche Unter-stützung, um einen eigenen Staat gründen zu kön-nen. Rund 20 000 treten der muslimischen SS-Division Handschar bei, die meist gegen die Tito-Partisanen eingesetzt werden. Im Bürgerkriegbekämpfen sich kroatische Ustaschen und ser-bisch-nationale Tschetniks; Ustaschen und (kom-munistische) Partisanen; Tschetniks und Partisanen.Der von den Deutschen in Belgrad eingesetzte ser-bische General Nedic kämpft mit seinen Truppengegen die Tschetniks, verfolgt aber auch die Parti-sanen. Den drei Besatzungsmächten machen dieimmer stärker und zahlreicher werdenden Tito-Par-tisanen zu schaffen. Der große Erfolg der Partisanengründet darauf, daß der Befreiungskampf nicht zu-erst unter kommunistischen, sondern unter gesamt-jugoslawischen Vorzeichen geführt wird. Anderer-seits gibt es auch Kontakte zwischen denDeutschen und den Tschetniks, ebenso zwischenDeutschen und Partisanen (Gefangenenaustausch).Der Keitel-Befehl, daß für jeden erschossenen deut-schen Soldaten 100 und für jeden Verwundeten 50Geiseln zu erschießen seien, hat verheerende Fol-gen für das deutsch-serbische Verhältnis.

Jugoslawien unter Tito (1945-1991)

Titos Jugoslawien beginnt mit hoffnungsvollen Per-spektiven. Außer den beiden großen Nationalitätender Serben und Kroaten werden auch anderen Völ-kerschaften eigene Teilrepubliken gewährt: den Slo-wenen, Montenegrinern, Makedonen und den Be-wohnern von Bosnien-Herzegowina; die zu Serbiengehörenden Provinzen Woiwodina und Kosovo er-halten einen autonomen Status.

Schon 1943 gründet Tito in Jajce mit dem Antifa-schistischen Rat der Volksbefreiung Jugoslawiensgegenüber der königlichen Exilregierung in Londoneine Art Gegenregierung. Im November 1945 ent-steht die Sozialistische Föderative Republik Jugo-slawien, bei der jedoch die kommunistische Parteidominiert. Titos Absicht, die Interessen der einzel-nen Nationalitäten zugunsten einer einigenden ju-goslawischen Idee zurückzudrängen, scheitert.Auch wenn in dem atheistischen Staat die Religio-nen an Bedeutung verlieren, bleiben altes Brauch-tum und die den Lebenslauf begleitende religiöseKultur bestehen. Das Bestreben der Regierung, denLebensstandard in den unterentwickelten Provinzenanzuheben, führt bei Kroaten und Slowenen zumVorwurf, die Finanzierung geschehe zu ihren Lasten.

Einer Versöhnung stehen auch die Traumata desKrieges und Bürgerkrieges im Wege. Die Kroatenkönnen nicht vergessen, daß Zehntausende von

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Josip Broz Tito (1892-1980)Tito gilt als eine der erfolgreichsten und schillerndsten Politi-kerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Als Josip Brozwurde er als siebtes von 15 Kindern einer Bauernfamilie ge-boren. Tito - wie er sich später nennt - ist einer seiner Deck-namen aus seiner Zeit als kommunistischer Funktionär. Der le-gendäre Partisanenführer wird zum Begründer des zweitenjugoslawischen Staates und der Blockfreien-Bewegung.Durch seine Reise- und Besuchspolitik in alle Weit seit 1956gewinnt er eine weit größere Bedeutung, als es der Größe,Wirtschaftskraft und militärischen Macht seines Landes ent-spricht (Rhode). Tito zählt zusammen mit Nehru (Indien) undNasser (Ägypten) zu den Wortführern der blockfreien Staatenund verficht die Politik der friedlichen Koexistenz. Er will nichtnur zwischen den Blöcken in Ost und West politisch eine,,Dritte Kraft” etablieren; in der Wirtschaft versucht er einen,,Dritten Weg“ zwischen Marktwirtschaft und Zentralverwal-tungswirtschaft. Tito genießt mehr als drei Jahrzehnte langgroßes Ansehen in der Welt und Popularität in seinem Land.Er besucht und empfängt die Großen der Welt, Stalin undChurchill, Chruschtschow und Breschnew, Hua Kuo Feng so-wie Kennedy und Carter. Obwohl er als Atheist die katholischeKirche in seinem Land unterdrückt, Priester verfolgt und ein-sperrt, trifft er auch mit Papst Paul VI. zusammen. Titos Bildist zu seinen Lebzeiten nicht nur in allen Schulen und öffentli-chen Gebäuden gegenwärtig, sondern auch in den Privathäu-sern, in Kroatien oft neben dem des Papstes.

Als einziger Führer eines mit Hilfe der Sowjetarmee 1944/45befreiten Landes kann es Tito durchsetzen, daß nach derdeutschen Kapitulation alle Sowjetsoldaten das Land verlas-sen. Der überraschende Ausschluß aus der Kominform am28.6.1948 durch Stalin kann ihn nicht in die Knie zwingen. Erbringt in der Folgezeit das Kunststück fertig, daß sowohl dieWestmächte wie auch der Kreml jahrzehntelang um politi-schen, militärischen und wirtschaftlichen Einfluß im strate-gisch bedeutsamen Jugoslawien kämpfen.

Aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur erzielt Tito große Er-folge. Unbeirrbar, taktisch geschickt, mit feinem Gespür fürMacht und Gefahr, verfolgt er seine Ziele. In den dreißiger Jah-ren steigt er zum Führer der in Jugoslawien verbotenen kom-munistischen Partei auf. International bekannt wird er durchden mit Härte und Ausdauer geführten Partisanenkrieg gegendie deutschen und italienischen Besatzer. Seine Landsleuteverleihen ihm den Titel eines Marschalls, die Alliierten den ei-nes selbständigen alliierten Befehlshabers.

Er begründet den neuen jugoslawischen Staat (1943/45) aufder Basis der großen Nationalitäten im Land unter der Parole,,Brüderlichkeit und Einheit”. Es gelingt ihm - so hat es denAnschein -, die durch Besatzungspolitik und Bürgerkrieg tiefverfeindeten Nationalitäten und Gruppierungen zu integrieren.Daß er nicht in nationalen Kategorien denkt, zeigt die Heiratmit einer Russin in Sibirien. Nach der Trennung lebt er mit ei-nem volksdeutschen Mädchen zusammen, 1952 heiratet ereine Serbin. Titos Vater war Kroate, seine Mutter Slowenin.

Titos Biographie hat aber auch dunkle Stellen. Seine Vergan-genheit als KP-Funktionär in Moskau in den dreißiger Jahrenist undurchsichtig; nach Kriegsende rächt er sich grausam anden politischen Feinden. Eine Vergangenheitsbewältigung fin-det nicht statt; rechtsstaatliche Prozesse gegenüber den in-nenpolitischen Gegnern gibt es nicht.

Nach seinem Tod gilt Tito bald nicht mehr als einigende Klam-mer. National gesinnte Kroaten möchten den ,,größten Politi-ker, den ihre Nation je hervorbrachte“, von seinem Mausoleumin Belgrad in die Heimat heimholen. Die großserbischen Na-tionalisten dagegen wollen ihn lieber heute als morgen los ha-ben, weil er die serbische Idee verraten habe.

Ustaschen und Mitgliedern der kroatischen Land-wehr ermordet worden sind. Über 100 000 von ih-nen sind nach Kriegsende in Kärnten von den Britenan die Partisanen übergeben worden; Massener-schießungen bei Bleiburg folgen. Tito verfolgt mitseinen Partisanen alle politischen Gegner; erschla-gen oder erschossen werden slowenische ,,Weiß-gardisten”, königstreue Tschetniks, muslimischeTschetnikeinheiten und muslimische SS-Soldaten,Vertreter des katholischen Klerus, Mitglieder der mitden Deutschen kollaborierenden Nedie-Truppen, dieder Kollektivschuld und Kollaboration angeklagtenVolksdeutschen und Ungarn in der Woiwodina, Ko-sovo-Albaner und deutsche Kriegsgefangene.

Diese Art der Abrechnung trägt nicht dazu bei, zwi-schen den Nationalitäten des Vielvölkerstaates einGefühl der Zusammengehörigkeit entstehen zu las-sen. Hier liegt eine der Ursachen, daß anfangs derneunziger Jahre Slowenen, Kroaten, Bosniaken undMakedonen bestrebt sind, eigene Staaten zu grün-den und sich von der serbischen Dominanz zu be-freien.

Warum ist auch Titos Jugoslawien gescheitert?

Trotz einer erstaunlichen Dynamik seit 1945 gelingtes nicht auf Dauer, die Wirtschaft zu stabilisieren.Die strukturellen Unterschiede in den einzelnen Re-gionen, Fehlinvestitionen, Mißwirtschaft und Büro-kratisierung beim System der selbstverwalteten Be-triebe nach dem Modell einer sozialistischenMarktwirtschaft führen seit der Mitte der sechzigerJahre zu ersten Einbrüchen und zu einer permanen-ten Schuldenkrise bis zum Ende der Republik.

Als die Einzelrepubliken vermehrt um Macht undEinfluß kämpfen, gesteht Tito ihnen seit 1969 zu,daß alle zentralen Machtorgane des Bundes pa-ritätisch mit Repräsentanten der Einzelrepublikenbesetzt werden und daß Führungsposten jährlichmit Repräsentanten rotieren. Durch Verfassungsän-derungen (1971 und 1974) werden wesentliche Bun-deskompetenzen auf die Einzelrepubliken übertra-gen. Nach Titos Tod im Jahre 1980 ,,erwachten inallen Landesteilen nationalistische Bewegungen“(Calic). Ein Jahr später fordern die Albaner im Ko-sovo eine eigene Republik; umgekehrt verurteilendie Serben die (angebliche) albanische Unter-drückungspolitik gegenüber den im Kosovo leben-den Serben. Als Milo5evie seit 1986 eine Politik dernationalen Einheit forciert, provoziert er dadurchnoch größere Spannungen, erst recht, als er die Au-tonomierechte der Provinzen Kosovo und Woiwo-dina aufhebt. D& nationalistischen Stimmungenwerden zusätzlich angeheizt, als MiloSeviC 1989 inErinnerung an die legendäre Schlacht von 1389 vorHunderttausenden von nationalistischen Serben aufdem Amselfeld im Kosovo der großserbischen Ideeneuen Auftrieb gibt. Das provoziert die nach Selb-ständigkeit und Unabhängigkeit strebenden Slowe-nen, Kroaten, Bosniaken und Makedonen. Währendviele ,,Jugoslawen“ lange Zeit mit den sozialen undwirtschaftlichen Fortschritten ihres Landes zufrieden

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gewesen sind, beschleunigt ein massiver Vertrau-ensverlust in den Gesamtstaat den schleichendenZerfall. Die eigene Sprache, Kultur und Geschichtegewinnen bei den einzelnen Nationen wiedergrößere Bedeutung, und 1990 sieht nur noch eineMinderheit die nationale Vielfalt im Vielvölkerstaatals eine Bereicherung.

Unterrichtspraktische Hinweise

Zur Geschichte und Geographie des Balkans

Der Baustein A soll zeigen, welch enorme Bedeu-tung die Geschichte für die südslawischen Völkerhatte und bis zum heutigen Tag hat. Sichtbar wirddies nicht zuletzt an Symbolen der einzelnen Völker.Makedonien hatte den Stern von Vergina in derFlagge, das Sonnensymbol Alexanders des Großen,und entfachte dadurch einen heftigen Streit mitGriechenland. Die Bosniaken führen das königlicheLilienwappen - in Erinnerung an das bosnischeKönigreich im Mittelalter. Das kroatische Wappenzeigt das historische weißrote Schachbrettmuster(das auch die Ustaschen verwendeten). Ein Beispielfür die besonders enge Verknüpfung der Serben mitder Geschichte ist die im Bau befindliche St.-Sava-Kathedrale in Belgrad, demnächst die größte christ-lich-orthodoxe Kirche auf dem Balkan. Sie entstehtgenau an der Stelle, wo die Türken vor 400 Jahrendie Uberreste des heiligen Sava, des Schutzpatronsder Serben, verbrannten.

A 1: Es ist zweckmäßig, bei der Behandlung desBalkanproblems mit der Arbeit an einer Landkartezu beginnen. Die Karte sollte nicht nur die physisch-geographischen Gegebenheiten zeigen, sondernauch die Lage und die Grenzen der Nachbarstaaten.Auffallen werden den Schülern die vielen Gebirgsre-gionen mit hohen Bergen und die Tatsache, daß nurwenige Flüsse zur Adria hin durchbrechen; z. B. dieNeretva (Mostar); andererseits die Bosna (Sara-jewo), die in Richtung Donau nach Norden fließt. DieUnzugänglichkeit und Verkehrsfeindlichkeit desLandes werden die Schüler leicht erkennen. Diedeutschen Truppen sind 1941-45 bei der Partisa-nenbekämpfung daran gescheitert. Das Zögern desWestens, im ehemaligen Jugoslawien militärischfrüher einzugreifen, hat auch mit solchen Etfahrun-gen im Zweiten Weltkrieg zu tun.

Vom Mittelalter bis zu den beiden Balkankriegen(1912/13)

A 2: Anhand der Zeittafel bekommen die Schülereinen Einblick in die wechselvolle Geschichte desBalkans (Lehrervortrag oder Schülerreferat). EinÜberblick über die Zeit von 1389 bis 1912 soll deut-lich machen, welch große Bedeutung die mehrhun-dertjährige Osmanenherrschaft für die Südslawenhatte. Die Zitate ,,Halbmond siegt über das Kreuz“

und umgekehrt (1912: A 4) zeigen die Frontstellungzwischen Muslimen einerseits und Katholiken undOrthodoxen andererseits. Die Furcht vor einem isla-mischen Staat, einem ,,grünen Band“ zwischen denStaaten mit christlicher Kulturtradition, ist beiSerben und Kroaten präsent. Welche Auswirkungendie Balkankriege 1912/13 für die Siegerstaaten,aber auch für die Türken hatten, zeigt ein Blickauf die Karte: Die türkische Grenze wurde um ca.1000 km nach Osten hin zurückgedrängt.

Der 28. Juni, ein symbolträchtiges Datum

A 3: Am Beispiel der Daten zum 28. Juni (Vidovdan,Tag des hl. Veit) sollten die Schüler erkennen, wasdas Ursprungsdatum von 1389 für die Serben be-deutet. Das Bild des Mädchens vom Amselfeld, wel-ches sterbende Serben labt, schmückt bis heuteserbische Wohnungen und ist in öffentlichen Ge-bäuden ebenfalls zu sehen, bis zu den Amtsräumenvon Milosevic , Karadiic und MladiC Über die Be-deutung des Amselfeldes im Kosovo für die Serbensagte MiloSevii: dort am 28.6.1989 vor etwa einerMillion Serben pathetisch: ,,Hier befindet sich heutedie Seele eines jeden Serben!“ Am gleichen Tagwurde die großserbische Idee proklamiert: Serbiensei überall dort, wo Serben wohnen und wohnten,Als die Serben 1996 aus Vororten von Sarajewo ab-zogen, nahmen viele nicht nur ihren Hausrat, son-dern auch ihre Toten mit. Es ist wichtig, auf das unsoft nicht verständliche serbische Denken undFühlen aufmerksam zu machen.

Der Zweite Weltkrieg auf dem Balkan

A 6 bis A 10: Der wechsel- und leidvollen Ge-schichte Jugoslawiens von 1941 bis 1945 sollte be-sondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, weilhier wichtige Ursprünge für die tiefen Feindschaftenzwischen Serben, Kroaten und Bosniaken zu findensind. Das Land wurde besetzt und zerstückelt. DieKarte A 6 zeigt auch die Zentren der Partisanen:z. B. Uiice, FoCa, Jajce, Bihac, Montenegro. Ausdem Schaubild A 7 geht hervor, wie verworren dieSituation damals war: wer gegen wen kämpfte undaus welchen Gründen, z. B. Serben gegen Serbenund Kroaten gegen Kroaten. Nationalsozialistische,faschistische, großserbische, nationalistische undkommunistische Ideologien prallten aufeinander.Der mörderische Bruderkampf säte Zwietracht inder eigenen Nation und steigerte den Haß auf dieanderen. Der Geheimbefehl von 1941 (A 8) ist einZeugnis der Brutalität bei der Bekämpfung der Par-tisanengruppen. Der Katalog zur umstrittenen Aus-stellung ,,Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehr-macht 1941-1944“ (Hamburg 1996) dokumentiertmit zahlreichen Fotos die Geiselerschießungen. DieGrundlage war der berüchtigte Keitel-Befehl, füreinen getöteten deutschen Soldaten 100 Geiseln zuerschießen. Brutalitäten gab es auch bei den Usta-scher-r, Tschetniks, Muslimen (SS-Division Hand-schar) und Partisanen (A 9, AIO).

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Titos Staat und sein Zerfall

A 11 bis A 18: Tito wurde von Stalin wie Churchillunterschätzt (A 13). Mit Hilfe des Lehrers können dieSchüler die Aufteilung des Balkans in Interessen-sphären mittels der handschriftlichen Notizen her-ausfinden. Ein dunkles Kapitel in Titos Biographie istdie blutige Abrechnung der Partisanen an ihrenHauptgegnern in Bleiburg in Kärnten und auchsonst im Land, die vor allem bei den Kroaten unver-gessen ist. Titos neuer Staat berücksichtigte formaldie Interessen der größeren Nationen; in Wirklichkeitherrschte die Partei, die eine Einheitsnation verwirk-lichen wollte. Anhand der Karte A 15 können dieSchüler die sechs Teilrepubliken (mit den beidenehemals autonomen Gebieten), jeweils mit denHauptstädten, zusammenstellen und mit der heuti-gen Gliederung vergleichen (siehe D 2). Der Lehrersollte auf die so stark vermischte ethnische Zusam-mensetzung (vgl. wiederum D 2) in den neuen Repu-bliken (,,LeopardenfelI“) und bereits hier auf dieFlüchtlingsproblematik hinweisen (vor allem inBosnien-Herzegowina).

Nach Titos Tod brachen alte Gegensätze wieder auf.Der Text A 14 ist die Grundlage für eine Diskussionüber die Frage, welche Bedeutung die Erinnerungenan die Zeit des Zweiten Weltkriegs für den Zerfalldes Staates hatten. Weitere Informationen über dieHintergründe des Zerfalls enthalten die MaterialienA 18 bis A 18. Titos griffiger Ausspruch (A 17) solltan der Tafel schriftlich fixiert werden.

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Erläuterungen zu A 17

Drei Sprachen: serbokroatisch, slowenisch und make-donisch

Vier Religionen: serbisch-orthodox, katholisch, musli-misch und jüdisch

Fünf Nationalitäten: SerbenlMontenegriner, Kroaten,Slowenen, (nationale) Muslime und Makedonen

Sechs Republiken: Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herze-gowina, Makedonien, Serbien und Montenegro als je ei-gene Republik

Sieben Nachbarn: Italien, Österreich, Ungarn, Rumä-nien, Bulgarien, Griechenland und Albanien

Acht Minderheiten: Albaner, Ungarn, Türken, Roma, Ita-liener, Tschechen, Walachen und Bulgaren (in Wirklich-keit sind es noch mehr)

Weitere wichtige Faktoren für den Zerfall nennt Ca-lit (A 18). Zusammenfassend könnte man als Uber-leitung zum Baustein B die wesentlichen Gründe fürdas Zusammenbrechen des Tito-Staates auflisten(u. a. Autoritätsschwund des Staates nach TitosTod, Legendenbildungen über die Zeit nach 1941,die Mystik der großen Zahl der Opfer, fehlende Ver-gangenheitsbewältigung, enorme Probleme desVielvölkerstaates und nationale und wirtschaftlicheGründe).

Die neuen Balkan kriege

Die Auflösung Jugoslawiens ab Mitte der achtzigerJahre hatte im wesentlichen drei Ursachen: Slobo-dan Milosevic verfolgte nach seiner Wahl zum Vor-sitzenden der serbischen KP das Ziel, die Entschei-dungsprozesse im Staats- und Parteiapparatzugunsten der Serben zu zentralisieren. Ausdruckdafür war die schrittweise Rücknahme der Autono-mie des Kosovo und der Woiwodina, die bis 1990serbischer Direktverwaltung unterstellt wurden.

Der Zusammenbruch der sozialistischen Systeme inOsteuropa nahm auch Jugoslawien nicht aus. DasMonopol der jugoslawischen KP wurde zunehmendin Frage gestellt. Es zeigte sich nun, daß die Herr-schaft Titos eine Klammer gewesen war, die ausein-anderstrebende ethnische Identitäten zusammen-gehalten hatte. Die wirtschaftlichen ProblemeJugoslawiens wurden durch regionale Entwick-lungsunterschiede zwischen dem besser entwickel-ten Norden (Slowenien und Kroatien) und den ärme-ren Teilrepubliken, besonders Serbien, verschärft.

Diese Faktoren begünstigten die Bildung von Oppo-sitionsgruppen außerhalb Serbiens, die die serbi-schen Herrschaftsansprüche ebenso ablehnten wiedie kommunistische Ideologie. Sie erzwangen freieWahlen, bei denen sich 1990 in Slowenien undKroatien bürgerlich-nationalistische Parteien durch-setzten. Nur in Serbien und Montenegro konnte dieKP eine Dreiviertelmehrheit, in Makedonien eine re-lative Mehrheit erreichen. In Bosnien-Herzegowinaerhielten die ethnischen Parteien rund drei Viertel al-ler Stimmen. Mit der Unabhängigkeitserklärung Slo-weniens und Kroatiens im Sommer 1991 wurde dieAuflösung Jugoslawiens besiegelt. Der National-staatsgedanke feierte in diesem Teil Europas Wie-derauferstehung. Andernorts wurde die Idee einesVereinten Europa gestärkt, so durch die Maastricht-Akte und die Beitrittswünsche vieler postkommuni-stischer Staaten.

Slowenien und Kroatien

Da sich die von Serben beherrschten politischen In-stitutionen Jugoslawiens der Unabhängigkeit wider-setzten, kam es im Juni 1991 zu einem zweiwöchi-gen Krieg mit Slowenien, der mit einem von derEuropäischen Union vermittelten Abzug der Jugo-slawischen Volksarmee im Juli 1991 endete. Erleich-tert wurde diese Lösung, da der serbische Bevölke-rungsanteil (mit etwa drei Prozent) in Sloweniengering war und die Serben nicht in geschlossenenSiedlungsgebieten lebten. Anders war es in Kroa-tien, wo die Serben ihre Siedlungsgebiete entlangder bosnischen Grenze schon 1990 in der ,,Autono-men Republik Krajina“ zusammengeschlossen hat-ten und sich der Unabhängigkeit Kroatiens gewalt-

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sam widersetzten. Die kroatische Regierung unterPräsident Franjo Tudjman hatte sich zuvor gewei-gert, den ca. 13 Prozent Serben im Land Autono-mierechte zu gewähren. Unterstützt von der Bun-desarmee, führten serbische Freischärler ab Juli1991 Krieg gegen die kroatische Territorialverteidi-gung und hielten zeitweise fast 40 Prozent des kroa-tischen Territoriums besetzt. Streitpunkt war dieGrenzziehung Kroatiens. Kroatien bestand auf derBeibehaltung der alten Republikgrenze als nationa-ler Außengrenze, die kroatischen Serben fordertendie Möglichkeit, sich aus dem kroatischen Staatherauslösen und sich mit Serbien und Montenegrosowie den serbischen Gebieten in Bosnien-Herze-gowina zusammenschließen zu können.

Bei ihren Vermittlungsversuchen stand die Europä-ische Union vor einem Dilemma. Uberrascht von derHeftigkeit des Konflikts - und vor dem Hintergrunddes Zusammenbruchs der Sowjetunion - fordertesie zunächst, die Grenzen Jugoslawiens, die ein Be-standteil der europäischen Nachkriegsordnung wa-ren, zu erhalten - und stützte so die Position Bel-grads. Einige Staaten, Deutschland vor allem,wollten den Kroaten jedoch nach dem Selbstbe-stimmungsrecht der Völker das Recht auf Unabhän-gigkeit einräumen, ungeachtet der Tatsache, daßdies der serbischen Minderheit in Kroatien vorent-halten worden wäre. Diese Uneinigkeit, gepaart mitder fehlenden Möglichkeit, Zwangsmaßnahmen zuverhängen, erschwerten die Vermittlung der Eu-ropäischen Union. Zudem schienen alte Kriegs-allianzen wieder zum Vorschein zu kommen:Deutschland unterstützte eher die Kroaten; Frank-reich und andere Staaten mehr die Serben. Es magauch sein, daß Deutschland wegen seiner föderali-stischen Tradition den Autonomiebestrebungen derKroaten und Slowenen eher zuneigte, währendFrankreich und Großbritannien mit ihrer zentralisti-schen Tradition dem serbischen Ziel näherstanden,Jugoslawien als Staat zu erhalten. Die Unfähigkeitder Europäer, eine gemeinsame Politik zu formulie-ren und entschlossen zu vertreten, lähmte ihre Ver-mittlungsversuche. Erst nachdem die kroatischenSerben ihre Kriegsziele erreicht hatten, gelang es,einen Waffenstillstand auszuhandeln, zu dessenÜberwachung im Januar 1992 die Blauhelme derUNPROFOR entsandt wurden.

Bosnien-Herzegowina

Nach der Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiensstanden die bosnischen Muslime (Eigenbezeich-nung: Bosniaken) vor der Frage, sich im verbleiben-den Jugoslawien der serbischen Minderheit zu un-terwerfen oder selbst die Unabhängigkeit zuerklären. In einer Volksabstimmung, die von denbosnischen Serben boykottiert wurde, entschiedensie sich für die Unabhängigkeit. Die bosnischen Ser-ben strebten in einen großserbischen Staat. Aufdem Territorium der neuen Republik Bosnien-Herze-gowina bildeten sich die halbstaatlichen Gebilde derserbischen ,,Republika Srpska” und der ,,Kroa-tischen Gemeinschaft Herceg-Bosna”. Damit setzte

sich der Konflikt um ethnische und territoriale Gren-zen innerhalb des jungen Staates fort. War der Zu-sammenschluß ethnischer Gebiete in Kroatien nochvergleichsweise einfach gewesen, so siedelten inBosnien-Herzegowina die Bevölkerungsgruppenzumeist in gemischten Siedlungsgebieten, in deneneine Gruppe oft nur die relative Mehrheit stellte.Diese Siedlungsstruktur nach der Art eines ,,Leopar-denfells” (Adolf Karger) erschwerte die Suche nachLösungen. Die Bosniaken hielten zunächst an derIdee einer multiethnischen Gesellschaft fest, unter-stützt von UN und EU, die ,,ethnische Säuberungen“nicht hinnehmen wollten. Dagegen setzten sich Ser-ben und Kroaten mit brutaler Gewalt (die später vonallen Seiten angewandt wurde) für die Schaffungethnisch einheitlicher Gebiete ein.

Die Vereinten Nationen und die Europäische Unionwollten als Vermittler den Einsatz von Bodentruppenvermeiden und beschränkten sich deshalb auf dreiMaßnahmen zur Eindämmung des Konflikts:

1. Humanitäre Hilfe2. Diplomatische Vermittlung; als Druckmittel diente

ein Embargo gegen die Bundesrepublik Jugosla-wien (noch bestehend aus Serbien und Monte-negro) und ein Flugverbot für Maschinen der Ju-goslawischen Volksarmee über Bosnien-Herze-gowina.

3. Die Einrichtung von Sicherheitszonen durch dieVereinten Nationen (Sarajewo, Tuzla, Bihac, Sre-brenica, Goraide und Zepa) zum Schutz der Zivil-bevölkerung.

Minderheiten in den jeweiligen Siedlungsgebietenwurden gezielt getötet oder vertrieben, um die ei-gene Verhandlungsposition zu verbessern. Die vonden Vermittlern UN und EU entwickelten Friedens-pläne nahmen in zunehmendem Maße die Ergeb-nisse dieser sogenannten ,,ethnischen Säuberun-gen“ hin. Das Mandat der UN-Truppen wurdeständig erweitert, ohne daß Handlungsspielraumund Ausrüstung der Truppen angepaßt wurden - be-ginnend beim Schutz des Flughafens von Sarajewoüber die Sicherung von Hilfstransporten bis zumSchutz der Sicherheitszonen. Das Schicksal derBlauhelme, die zuletzt von den bosnischen Serbenals Geiseln mißbraucht wurden, zeigte die Unfähig-keit der internationalen Staatengemeinschaft, ihrenVermittlungsversuchen durch angemessene Sank-tionen Nachdruck zu verleihen.

Im November 1995 vereinbarten die PräsidentenSerbiens (MiloSeviC), Kroatiens (Tudjman) und Bos-niens (IzetbegoviC) unter Vermittlung der USA aufdem Luftwaffenstützpt?nkt Dayton in Ohio ein Ab-kommen, das den Krieg beendete. Der Krieg inBosnien-Herzegowina hatte 200 000 Tote gefordert,25 000 Menschen werden vermißt, mehr als zweiMillionen flohen oder wurden vertrieben.

Die Voraussetzungen, die das Dayton-Abkommenschließlich ermöglichten, waren:l Die Vertreiburigen hatten den Zusammenschluß

ethnischer Gebiete möglich gemacht.

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Im Mai und August 1995 hatte die kroatische Ar-mee die serbischen Gebiete Krajina und Westsla-wonien überrannt und mehr als 170 000 Serbenaus Kroatien vertrieben. Dadurch wurde einedirekte Verbindung zwischen Kroatien und denkroatischen Gebieten in Bosnien-Herzegowinageschaffen. Außerdem wurden die serbischenVerbände militärisch geschwächt.Die Einnahme der bosniakischen Sicherheitszo-nen Srebrenica und Zepa durch bosnisch-serbi-sehe Streitkräfte im August 1995 beantwortetedie NATO mit massiven Luftschlägen auf Stellun-gen der bosnischen Serben. Damit hatte dieinternationale Staatengemeinschaft erstmalsglaubwürdig Sanktionen angewandt.Die Vermittlungsstrategie der USA anerkannteserbische Interessen wie den Wunsch der bosni-schen Serben, sich dem serbischen Mutterlandanzuschließen, und bot den Serben Gelegenheit,ihnen unangenehme Punkte wegzuverhandeln(Calic, 1996, S. 248).Zuvor hatten die USA dazu beigetragen, daß sichBosniaken und bosnische Kroaten gegen diebosnischen Serben verbündeten. So wurde einannäherndes militärisches Gleichgewicht ge-schaffen, das es beiden Seiten erschwerte, ent-scheidende Gebietsgewinne zu erzielen.Wie zuvor bereits in Kroatien, war auch in Bos-nien-Herzegowina eine Voraussetzung für denFriedensschluß, daß Serben und Kroaten ihreKriegsziele erreichen konnten (hier auf Kosten derBosniaken).

Unterrichtspraktische HinweiseBaustein B soll die Ursachen des Krieges veran-schaulichen und die Ziele der Kriegsparteien deut-lich machen. Er ist so aufgebaut, daß ein Einstieg indas Thema auch ohne großen historischen Rückgriffmöglich ist.B 1 und B 2 zeigen am Beispiel einer Familie, wievielschichtig ethnische Beziehungen im ehemaligenJugoslawien sein können. Die Schüler können dieunterschiedlichen Nationalitäten nennen und an-hand des Schaubilds die Kriegskonstellationen erar-beiten. Die Karte B 3 zeigt die Teilrepubliken desfrüheren Jugoslawien und ihre ethnische Zusam-mensetzung. Dabei ist zu erkennen, daß Slowenienals ethnisch relativ einheitliche Republik den Serbenkaum Anlaß bot, die Republik für einen serbischenStaat zu beanspruchen. In Kroatien hingegen gab esmit der Krajina (B 7) und Ostslawonien relativ ge-schlossene serbische Siedlungsgebiete, die den An-schluß an einen serbischen Gesamtstaat fordernkonnten. Eine solche Abspaltung, die 1990/91tatsächlich erfolgte, hatte Konsequenzen für Bos-nien-Herzegowina (B 11). Weiter kann man mit derKarte B 3 erkennen, daß nicht nur Bosnien-Herze-gowina ein Völkergemisch aufweist, sondern daßauch Serbien selbst (in der Woiwodina und im Ko-sovo) ethnische Minderheiten einschließt und damitalles andere als ein rein serbischer Staat ist. Mit Ma-kedonien findet sich eine weitere Teilrepublik, die

eine starke nationale Minderheit hat (die Albaner),die jedoch wegen ihres geringen Anteils an Serbennicht zum Ziel großserbischer Ansprüche wurde.

Die Tabelle B 4 kann dazu dienen, den unterschied-lichen wirtschaftlichen Entwicklungsstand vor demKrieg als eine der Konfliktursachen zu erkennen. Dienördlichen Republiken wiesen vor Kriegsbeginn weitgünstigere wirtschaftliche Daten auf als der Rest Ju-goslawiens. Das wirtschaftliche Nord-Süd-Gefälleist deutlich; vor diesem Hintergrund können dieneuen Balkankriege auch als ein Verteilungskonflikt,z. B. um den Zugang zum europäischen Markt, in-terpretiert werden. Wichtig ist aber, die wirtschaftli-chen Verhältnisse als ein zusätzliches, nicht als daskonfliktauslösende Element zu benennen. Die Kari-katur B 5 bietet ein anschauliches Bild der Auflö-sung des jugoslawischen Staatsverbands, das dieFrage nahelegt, weshalb sich die Lämmer vom Mut-terschaf abwenden. Zum Verhalten Montenegros istzu erklären, daß die Montenegriner sich als ethni-sche Slawen den Serben verbunden fühlen.

Mit Hilfe des Textes B 7 kann erstmals nach der Be-rechtigung der politischen Ziele gefragt werden. DerKonflikt zwischen den widerstreitenden Elementendes Völkerrechts (Selbstbestimmungsrecht der Völ-ker versus Unverletzlichkeit staatlicher Grenzen)kann erörtert werden. Mit den Karikaturen B 6 (a, b)werden die serbischen und die kroatischen Angstebeschrieben. Bei Wössners Zeichnung und bei Hait-zinger (B 8) wird die Rolle der internationalen Staa-tengemeinschaft zum Thema: EU und UN bemühensich zwar, die Kriegsparteien zur Räson zu bringen,aber die von ihnen angewandten Mittel sind derLage nicht angemessen. Mit den Texten B 9 undB 10 kann ein prononciet-ter serbischer Standpunkterarbeitet werden. Die in den Texten zum Ausdruckkommende Selbsteinschätzung der Serben sollteaber kritisch hinterfragt werden.

Der Text B 13 liefert einen Rückblick auf die multi-ethnische Realität im ,,alten“ Bosnien-Herzegowinaund zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiedewährend der Zeit der verordneten Zusammenarbeitzwischen den Völkern. Mit den Texten kann man dieFrage der bosnischen Identität untersuchen und dieIdee eines multi-ethnischen Staates Bosnien-Herze-gowina (wie sie die Bosniaken verfolgen) dem Kon-zept ethnisch ,,reiner“ Staaten (das Serben und Kro-aten propagieren) gegenüberstellen.

B 15 bis B 18: Hier stehen die Auswirkungen desKrieges auf die Menschen im Mittelpunkt. B 15,B 16 und B 17 zeigen, ausgehend von einem Plandes belagerten Sarajewo, die Grausamkeit des Krie-ges für die Zivilbevölkerung, wenn Bombardementsund Heckenschützen (,,Snipers“) den Alltag in derStadt bestimmen. Die Karikatur B 18 verweist aufdie Konsequenzen der ,,ethnischen Säuberungen“:Flüchtlingstrecks auf dem Balkan. Die KarikaturB 19 und der Text von Butros Ghali (B 20) thema-tisieren die Mitverantwortung der internationalenGemeinschaft und leiten damit zum nächsten Bau-stein über.

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Die Umsetzung des Friedensvon Dayton

Das Dayton-Abkommen besteht aus einem militäri-schen Teil, den die NATO unter Beteiligung andererStaaten, darunter Rußland, durchsetzt, und einempolitischen Teil, für dessen Umsetzung die OSZEverantwortlich ist.

Die Durchsetzung des militärischen Teils erfolgte zü-gig und weitgehend erfolgreich. Der Einsatz einerschwerbewaffneten Truppe mit weitreichendenKompetenzen (IFOR) diente der Truppenentflech-tung und Demobilisierung, der Einrichtung entmilita-risierter Zonen und der Einlagerung schwerer Waf-fen. Die Aufhebung des Waffenembargos auf Druckder USA sollte ein militärisches Gleichgewicht in derRegion schaffen und den Bosniaken die Möglichkeitder Selbstverteidigung eröffnen. Nach Ablauf desIFOR-Mandats Ende 1996 wurde eine ausgedünnteStabilisierungstruppe (SFOR) mit der Durchsetzungdes Mandats betraut.

Als weitaus schwieriger erwies sich die Umsetzungdes politischen Teils. Hierzu gehört der Aufbau poli-tischer Institutionen der Republik Bosnien-Herzego-wina und die Klärung des Verhältnisses der beidenTeilgebiete ,,Föderation Bosnien-Herzegowina“(dem Zusammenschluß des kroatischen und desbosniakischen Territoriums) und der ,,SerbischenRepublik“ zum Gesamtstaat. Außerdem umfaßt siedie Rückführung der Flüchtlinge, die Durchführungfairer Wahlen und, damit verbunden, Wahlrechtsfra-gen, sowie den Aufbau einer gemeinsamen Verwal-tung für die in einen kroatischen und einen bosnia-kischen Teil getrennte Stadt Mostar und dasProblem des Brcko-Korridors. Es zeigt sich als Pro-blem, daß der erzwungene Frieden von Dayton zu-sammenführen will, was nach Meinung von Serbenund Kroaten nicht zusammengehört. Diese setzenlangfristig auf die im Abkommen vorhandene Mög-lichkeit, ihre bosnischen Teilgebiete mit dem jeweili-gen ,,Mutterland“ zu vereinen und sehen ihre Mitar-beit in der Republik Bosnien-Herzegowina alsUbergangslösung an.

Die Frage des nur wenige Kilometer breiten BrSko-Korridors, der die Gebiete der ,,Serbischen Repu-blik“ verbindet, aber im Norden von Kroatien, im Sü-

Internationale Streitkräfte im ehemaligen Jugosla-wien

UNPROFOR UN Protection Forte (Schutztruppe)

IFOR Implementation Forte (Truppe zur Umsetzung desFriedens)

SFOR Stabilization Forte (Stabilisierungstruppe)

den von bosniakischem Gebiet begrenzt wird, er-wies sich als so kompliziert, daß sie im Dayton-Ab-kommen ausgeklammert und einer Schiedskommis-sion übergeben wurde, die im Februar 1997 denStatus quo für ein weiteres Jahr festschrieb. Brckobleibt unter internationaler Kontrolle. Derzeit lebenin BrCko Serben, die Stadt wird aber von den Bos-niaken beansprucht.

Der von der EU geleitete und finanzierte Versuch,eine gemeinsame Verwaltung für die geteilte StadtMostar aufzubauen, ist gescheitert. Multi-ethnischeKonzepte werden in der Republik derzeit nur vonden Bosniaken akzeptiert, während Serben undKroaten auf Trennung setzen. Auch die Lebens-fähigkeit der Korridorlösungen ist fraglich. Nebendem serbischen Korridor Brcko handelt es sich umden bosniakischen Korridor von Goraide, der sichtief in serbisches Gebiet schiebt und leicht durch-trennt werden kann.

Die Rückführung von Flüchtlingen bleibt unvollkom-men. Der Aufbau der Infrastruktur sowie die Bereit-stellung von Wohnungen und Arbeit geht langsamvoran, und die im Abkommen garantierte Freizügig-keit wurde innerhalb der Republik bislang nicht ver-wirklicht. Keine Seite ist gewillt, den Zuzug eineranderen ethnischen Gruppe in ihr Gebiet hinzuneh-men, so daß für viele Flüchtlinge nicht klar ist, wohinsie gehen sollen.

Widersprüchlich verläuft auch die in Dayton verein-barte Verurteilung von Kriegsverbrechern vor demHaager UN-Gerichtshof, solange manche der mut-maßlichen Kriegsverbrecher - wie z. B. der politi-sche Führer der bosnischen Serben, Karadiic, undsein militärischer Befehlshaber Mladic - aus Grün-den politischer Opportunität von einer Ergreifungverschont bleiben. Mit dem Zugriff der SFOR aufzwei verdächtige Serben in Prijedor im Juli 1997scheinen die Garantiemächte des Abkommens je-doch deutlich zu machen, daß sie diesen Punkt desAbkommens auch umsetzen wollen.

Der Aufbau politischer Institutionen gelingt nur an-satzweise. Die Republik Bosnien-Herzegowina be-steht aus einem serbischen und einem kroatisch-bosniakischen Teilstaat. Der Gesamtstaat mit derHauptstadt Sarajewo bleibt zuständig für Außenpo-litik, Außenhandel, Zoll- und Geldpolitik, andere Be-reiche fallen in die Zuständigkeit der Teilstaaten.Wahlen für das Staatspräsidium und für das natio-nale Parlament fanden inzwischen statt. Hierzu hat-ten sich die Wahlberechtigten, z.T. unter Aufsichtder IFOR, an dem Ort zur Stimmabgabe einzufin-den, an dem sie 19!$/ registriert waren. Das Staats-präsidium besteht nun aus dem Bosniaken AlijaIzetbegovic, dem Kroaten KreSmir Zubak und demSerben MomSilo Krajisnik. Das Präsidium hat inzwi-schen einen Ministerrat ernannt. Besonders Kroatenund Serben sind jedoch mehr auf Abgrenzung alsauf Zusammenarbeit bedacht. Die Zusammenarbeitder Institutionen der beiden Teilstaaten funktioniertdenn auch nicht. Die Kommunalwahlen mußten ver-schoben werden, da es zu Unregelmäßigkeiten bei

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der Wählerregistrierung auf Seiten der bosnischenSerben gekommen war.

Offen bleibt, ob ein so kompliziertes Verfassungsge-bilde mit seinen Kontroll- und Vetomechanismenüberhaupt funktionsfähig ist oder ob es sich nichtselbst blockiert und an ethnischen Spannungen zer-bricht. Schließlich herrscht keine Ubereinstimmungüber die Staatsziele. Kroaten und Serben sind demGesamtstaat gegenüber nicht loyal und werden eherfrüher als später den Beitritt ihrer Gebiete zum je-weiligen ,,Mutterland” betreiben. Ein bosniakischerRumpfstaat aber wäre nicht lebensfähig.

Unterrichtspraktische Hinweise

Karte C 1 zeigt die Republik Bosnien-Herzegowina,wie sie im Dayton-Abkommen festgelegt wurde. ImZusammenhang mit dem Text des Dayton-Abkom-mens (C 2) wird die Frage nach dem ,,Sieger“ ge-stellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß dieSerben zwar 49 Prozent des Territoriums erhaltenhaben, daß aber die wichtigsten Städte und daslandwirtschaftlich ertragreichere Land an die Föde-ration fielen. Mit Hilfe der Karte kann auch die Be-deutung des Brcko-Korridors für die Serben erarbei-tet werden. Ebenso kann verdeutlicht werden, daßder alte serbische Wunsch nach einem Zugang zurAdria weiterhin unerfüllt bleibt, sieht man davon ab,daß Montenegro Adria-Anlieger ist. Anhand derKarte und des Textes können die Schülerinnen undSchüler die Problemfelder erarbeiten, die das Ab-kommen beinhaltet, z. B. die Rückführung derFlüchtlinge und die Korridorlösungen.

Das Dokument C 3 verweist darauf, daß der Friedenvon Dayton durch den massiven Einsatz einer Viel-zahl von Staaten ermöglicht wurde und der Krieg inBosnien-Herzegowina kein innerjugoslawischesProblem war. Die Karikatur C 4 problematisiert dieseEinsicht. Dem provisorisch, vielleicht hastig undhandwerklich unzulänglich errichteten Friedens-engel fehlt das Fundament, das ihn stabilisiert (dieVersöhnung zwischen den ethnischen Gruppen, diewirtschaftliche Grundlage), so daß seine Zukunft aufwackligen Beinen steht.

C 5 bis C 10 zeigen die Probleme bei der Umset-zung des Dayton-Abkommens am Beispiel derStadt Mostar. Diese von den herzegowinischenKroaten beanspruchte Stadt besteht aus einemkroatischen West- und einem bosniakischen Ostteil(C 6). Im Krieg wurde die symbolträchtige AlteBrücke (,,Stari Most“) durch kroatischen Beschußzerstört (C 7). In Dayton wurde die EuropäischeUnion mit dem Aufbau einer gemeinsamen Verwal-tung beauftragt, mit dem Ziel, die verfeindetenGruppen wieder zusammenzuführen. In den TextenC 8 und C 9 schildern Jens Schneider und derdeutsche EU-Administrator Hans Koschnick diepsychologische Situation und die politischen Zieleder beiden Gruppen. Im Fall Mostar können exem-plarisch zwei Modelle studiert werden: das derethnischen ,,Reinheit“ und Trennung, wie es Kroaten

und Serben verfolgen, und das eines multi-ethni-sehen Staates, wie er von den Bosniaken ange-strebt wird. Im Zeitungsausschnitt C 10 wird dasScheitern des Projekts anschaulich zusammenge-faßt.

Mit der Hilfe der Texte C 11 bis C 13 kann auf aus-gewählte Probleme des Abkommens eingegangenwerden. C 12 zeigt die Schwierigkeiten bei derRückführung der Flüchtlinge und kann Ausgangs-punkt einer Diskussion über den Zeitpunkt und dieVoraussetzungen der Rückführung von Bosnien-Flüchtlingen sein.

Das Schaubild C 14 und die Zeichnung C 15 ver-deutlichen das Problem der politischen Strukturen,die durch das Abkommen geschaffen wurden. C 15verweist auf die Distanz zwischen den Bevölke-rungsgruppen, die nach wie vor unüberbrückbar er-scheint. Eine Verständigung zwischen den politi-schen Vertretern von Bosniaken, Serben undKroaten ist schwierig.

C 16 und C 17 bieten Material zur Entstehung undZusammensetzung des Haager Gerichtshofes. MitC 16 können Vergleiche zum Nürnberger Gerichts-hof der vier Alliierten gezogen und die Schwierigkei-ten gezeigt werden, unter denen der Gerichtshof ar-beitet. Karikatur C 17 veranschaulicht dies, indemnicht nur der Stuhl der angeklagten Serben leerbleibt, sondern auch Stühle für Kriegsverbrechervon bosniakischer oder kroatischer Seite fehlen.

Die abschließende Karikatur C 18 ermöglicht eineBewertung des Dayton-Abkommens und einen Aus-blick auf die Zukunft. Mit Fragen wie ,,Wer ist bereitsgescheitert?“, ,,Warum wird die IFOR (SFOR)bemüht?“ und ,,Was geschieht, wenn auch die IFOR(SFOR) scheitert?“ können die Schülerinnen undSchüler am anschaulichen Bild der Sisyphus-Sym-bolik zu einer eigenen Bewertung des Abkommensgelangen.

Kriegsfolgen:Ein bosnischerJunge humpeltdurch dieStraßen BihaCs(8. August 1995)

Bild: Reuters

Saupe
Keine Rechte
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Nachfolgestaaten undPerspektiven

Alle Nachfolgestaaten standen nach dem Zusam-menbruch des kommunistischen Systems vor derpolitischen Herausforderung, demokratische Struk-turen einzuführen, z. B. freie Wahlen und Presse-und Meinungsfreiheit. Außerdem galt es, eine weit-gehend vom Staat gelenkte Wirtschaft in eine freieMarktwirtschaft umzuwandeln. Die Bewältigung derKriegsfolgen sowie die politische Umsetzung desDayton-Friedens zählen jedoch zu den größten Her-ausforderungen (D 1).

Die Folgen des Krieges

Die größten Schäden durch den Krieg sind in Bos-nien-Herzegowina und im östlichen Teil Kroatiensentstanden, z. B. in den Regionen um Sarajewo undBihac, in der Krajina und in Ostslawonien (Vukovar).Die Schäden durch unmittelbare Kriegseinwirkun-gen waren in Slowenien (Zehntagekrieg) relativ ge-ring; in Serbien, Montenegro und Makedonien gabes keine. Doch hatten die Wirtschaftssanktionen derUN0 gegen die Bundesrepublik Jugoslawien unddie Abschottung der Grenzen von Seiten Griechen-lands gegenüber dem bis 1995 nicht akzeptiertenneuen Staat Makedonien folgenschwere Auswirkun-gen auf die jeweilige Wirtschaft. In den vom Kriegbetroffenen Gebieten ist die Infrastruktur noch nichtwieder funktionsfähig. Viele Fabrik- und Wohnge-bäude sind noch zerstört. Die Unterbringung undVersorgung von Hunderttausenden von Flüchtlingenund Vertriebenen belasten schwer die öffentlichenHaushalte in Bosnien-Herzegowina, Kroatien undSerbien. Die Arbeitslosigkeit ist enorm hoch. Meh-rere Millionen Landminen beeinträchtigen die Si-cherheit der Bevölkerung, besonders der Kinder,und erschweren den Wiederaufbau.

Die Rückführung der Flüchtlinge und Vertriebenenist im Vertrag von Dayton garantiert, aber nur an-satzweise gelungen. Die meisten Vertriebenen undFlüchtlinge haben in absehbarer Zeit kaum eineChance, in die Heimat bzw. in ihre Häuser zurück-zukehren, entweder weil sie aus ethnischen Grün-den nicht erwünscht sind oder weil ihre Flucht als,,Verrat” an der Nation angesehen wird. Erforderlichist also auch ein innerer Frieden, d. h., die Bereit-schaft, die Zurückkehrenden zu integrieren und ih-nen die Chance zu geben, gleichberechtigt beimNeuanfang mitzuwirken.

Die Frage, wer als Rechtsnachfolger des ehemali-gen Jugoslawien gelten kann, ist noch nicht geklärt:Welcher Staat oder welche Staaten? Es wirdschwierig sein, die zwischenstaatlichen Beziehun-

gen der Nachfolgestaaten wieder zu normalisieren.Bereits geschlossene bilaterale Verträge (etwa zwi-schen Kroatien und der Bundesrepublik Jugosla-wien) erleichtern die Zusammenarbeit, weil in vielenBereichen an frühere wirtschaftliche Verflechtungenangeknüpft werden kann.

Für Europa bleibt es eine Aufgabe auf lange Sicht,den Balkanstaaten wieder den Weg zu einer siche-ren Zukunft zu öffnen. Allerdings bestehen auf bei-den Seiten hohe Erwartungen. Während Bosnien-Herzegowina, Kroatien und die BR Jugoslawien aufkonkrete und großzügige Unterstützung bei der Be-wältigung der wirtschaftlichen und sozialen Pro-bleme hoffen, erwartet die EU die zügige politischeUmsetzung des Dayton-Friedens. Wegen der hohenAnforderungen für den Beitritt haben die Nachfolge-staaten auf absehbare Zeit kaum eine Chance, sichder EU anzuschließen (Ausnahme: Slowenien).

Daß die Menschen, vor allem in den ehemaligenKriegsgebieten, den Frieden zu bewahren wün-schen und sich am Wiederaufbau engagiert beteili-gen, wird vielfach bezeugt, z. B. auch von KlausVack, der zwischen 1991 und 1997 im Auftrag desKomitees für Grundrechte und Demokratie bei über60 Fahrten mit Hilfsgütern die politische Situationund die Stimmungslage vor Ort in Kroatien und Bos-nien-Herzegowina kennengelernt hat.

Die besondere Situation in denNachfolgestaaten

Bundesrepublik Jugoslawien

Das neue Jugoslawien ist international isoliert; esbesitzt derzeit weder die Mitgliedschaft bei der UN0noch bei der Blockfreien-Bewegung. Trotz einerstarken Opposition und vieler Vorbehalte (z. B. sei-tens der UN0 und der EU) wird Milosevic auf inter-nationaler Ebene doch als ein Garant für Stabilitätauf dem Balkan angesehen. Ende 1996 protestier-ten Hunderttausende seiner Landsleute viele Wo-chen lang täglich, weil Milosevicdie Kommunalwah-len zu seinen Gunsten manipuliert hatte. DasOppositionsbündnis Zajedno war in den meistenStädten als Sieger hervorgegangen. Erst nach lan-gem Hinhalten erkannte Milosevic die Wahlergeb-nisse an. Die Pressefreiheit ist allerdings noch nichtgewährleistet. Die Exponenten der Opposition, VukDraSkovic und der eloquente Zoran Djindjic, sindsich nur in ihrer Gegnerschaft zu Milosevic einig.

Das Problem der et@ischen Minderheiten wurdeeinstweilen in den Hintergrund gedrängt. Neben denUngarn in der Woiwodina und den Muslimen imSandschak (Novi Pazar) handelt es sich hierbei vorallem um die Albaner im Kosovo, die die serbischeHerrschaft in der Provinz ablehnen und eine Unter-grundregierung mit dem Schriftsteller Ibrahim Ru-gova als Präsidenten gebildet haben. Seit die Uni-versität in Pristina und die Schulen von den Serbengeschlossen wurden, richteten die Kosovo-Albaner

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neue Schulen in privaten Häusern ein. Seit kurzemoperiert eine ,,Befreiungsarmee Kosovo”, die Ser-bien den ,,offenen Krieg” erklärt hat und den An-schluß an Albanien sucht.

Das Verhältnis zur Republik Srpska war wegenMiloSeviEs Anerkennung des Dayton-Vertrags ge-spannt. Der Vertrag über ,,besondere Beziehungen“zwischen der Republik Srpska und Belgrad ist je-doch ein sichtbares Zeichen der Annäherung. SeitDayton vollzog die Serbisch-Orthodoxe Kirche einenKurswechsel gegenüber Milosevic, weil dieser diebosnischen Serben verraten habe. Die massiveKritik ist deshalb bemerkenswert, weil die Kirchetraditionell staatsnah (und nationalistisch) eingestelltist. Patriarch Pavle von Belgrad verurteilte offen dieKriegsverbrechen; allerdings weist er die Schuld ,,al-len drei Seiten“ zu.

Schwierig ist auch die wirtschaftliche Situation, vorallem durch die hohen Kriegsausgaben und das jah-relange Wirtschaftsembargo. Mit der Einführung des,,Super-Dinars“ 1994 wurde die ausgeuferte Inflationgestoppt.

Kroatien

Im Vergleich aller Nachfolgestaaten Jugoslawiens istKroatien aus den Kriegen gestärkt hervorgegangen.Hilfreich waren die traditionell guten deutsch-kroati-schen Beziehungen, auch die Unterstützung derUSA bei der Rückeroberung der (kroatischen) Kra-jina. Wegen der geostrategischen Lage und der mi-litärischen Stärke sieht Washington Kroatien alsGleichgewicht gegenüber Serbien und als Patro-natsmacht für den Friedensvertrag für Bosnien-Her-zegowina. Kroatien wurde 1996 in den Europarataufgenommen, allerdings erst nach der Zusage, be-stimmte Auflagen, z. B. die Rückkehr von 200 000Serben zu ermöglichen und die Ergebnisse derKommunalwahlen von 1995 anzuerkennen. Zagrebhofft auch auf baldige Aufnahme in die EU. Noch istOstslawonien mit den angrenzenden Gebieten Ba-ranja und Westsyrmien von den Serben besetzt.5000 UNO-Soldaten entmilitarisierten die Regionund bereiteten die Ubergabe an Kroatien vor.

Das kroatische Versprechen, mit dem Internationa-len Tribunal in Den Haag zusammenzuarbeiten, wirdnur zögerlich umgesetzt. (Auch bei den Serben undBosniaken kann von einer Zusammenarbeit mit DenHaag kaum die Rede sein.)

Mit Ungeduld verfolgen die Kroaten das ungelösteProblem des Brcko-Korridors, den die bosnischenSerben als unverzichtbares Bindeglied zwischenden beiden weit auseinanderliegenden Gebieten derRepublik Srpska ansehen. Wenn die UN-Schieds-kommission den Korridor den Kroaten zusprechenwürde, wäre die Republik Srpska zweigeteilt, wasvermutlich Krieg bedeuten würde.

Die Wirtschaft kommt langsam wieder voran. Derbedeutsame Sektor des Fremdenverkehrs an deradriatischen Küste bringt in der Zeit zwischen Kriegund Frieden nur wenig Devisen ins Land.

Bosnien-Herzegowina

Das Staatsgebilde wird von über 30 000 SFOR-Sol-daten im Auftrag der Vereinten Nationen geschützt.Die militärische Entflechtung und die Schaffung ei-ner neutralen Pufferzone entlang der Grenzen sindabgeschlossen, aber die politische Umsetzung desDayton-Abkommens macht kaum Fortschritte. Dieim Friedensvertrag festgeschriebene Bewegungs-freiheit und Freizügigkeit steht nur auf dem Papier.Hunderttausenden von Flüchtlingen ist die Rück-kehr verwehrt, entweder weil sie aus ethnischenGründen nicht erwünscht sind oder weil ihre Fluchtals ,,Verrat“ an der Nation angesehen wird (D 4 undD 5). Ein Augenzeuge charakterisiert die Bosnisch-Kroatische Föderation so: ,,Zwei Völker leben hiernebeneinander, dort gegeneinander, in einigen Ge-genden sogar miteinander“ (D 6). Zur Umsetzungdes Friedens von Dayton gehört es auch, die meh-rere Millionen verlegten Landminen zu räumen. Siesind eine große Gefahr vor allem für die Zivilbevöl-kerung, aber auch für die Infrastruktur (D 7).

Große Schwierigkeiten bereitet die Aufteilung vonBosnien-Herzegowina in zwei autonome Gebiete,die Bosnisch-Kroatische Föderation und die Repu-blik Srpska. Die meisten in der Herzegowina leben-den Kroaten möchten sich dem kroatischen Staatund die bosnischen Serben der Bundesrepublik Ju-goslawien anschließen. Insider behaupten, derTrend gehe dahin, daß der Staat eines Tages in dreiethnisch weitgehend homogene Territorien aufge-teilt werde (D 9). Da die politischen Strukturen(noch) nicht gefestigt sind, können auch keine dau-erhaften wirtschaftlichen Strukturen aufgebaut wer-den (D 8). Wegen des schleppenden Wiederauf-baus, bedingt durch die mangelnde Bereitschaft,den Dayton-Vertrag politisch umzusetzen, ist jetztKritik laut geworden (D 10). Die Kritik wirkt sich auchauf Zusagen internationaler finanzieller Hilfen aus.Die Geberländer machten bei ihrer dritten Konferenzim Juli 1997 deutlich, daß die Geldleistungen für denWiederaufbau vom Grad der Umsetzung des Frie-densabkommens abhängen werden, zum Beispiel vonder Aufnahme der Flüchtlinge und der Zusammenar-beit mit dem Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag(D 11). Bei Serben und Kroaten, aber auch in derwestlichen Welt, werden fundamentalistische Strö-mungen bei den Moslems mit Mißtrauen beobachtet.

Makedonien

Es war der einzige Staat, dessen Loslösung von Ju-goslawien keinen Krieg nach sich zog. Als eigen-ständige Nation wurden die Makedonen zuerst vonTito anerkannt. B

Makedonien hat sich dank einer klugen Staats-führung mittlerweile innen- und außenpolitisch sta-bilisiert, aber nicht alle Probleme sind gelöst. Nochimmer führt es den umständlichen Namen ,,Ehema-lige Jugoslawische Republik Makedonien“. Grie-chenland fordert den Verzicht auf den Namen Ma-kedonien, da daraus ein Anspruch Skopjes auf diegriechische Region gleichen Namens in Nordgrie-

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chenland abgeleitet werden könnte. Im Flaggen-streit einigten sich die beiden Staaten; Makedonienverzichtet auf den1 Gzackigen Stern von Vergina, dasSymbol Alexanders des Großen, und übernimmtstatt dessen ein stilisiertes Staatssymbol mit achtbreiten Strahlen.

Als Schutz gegenüber Serben (und Albanern) wur-den 1991 über tausend amerikanische UN-Soldatenin Makedonien stationiert. Bulgarien bestreitet dieExistenz einer eigenständigen makedonischenSprache, die dem Bulgarischen gleicht. Aber Bulga-rien erkannte den neuen Staat an. Seit der Un-abhängigkeit ist die politisch führende Kraft deralbanischen Minderheit an allen Regierungen Make-doniens beteiligt. Die Siedlungsgebiete der Albanerliegen an den Grenzen des Mutterlandes Albaniensowie an der Grenze zum Kosovo.

Die Wirtschaft kommt nur schwer in Schwung. DieArbeitslosenrate ist hoch. Wahrscheinlich lebt dieMehrheit der Makedonier unter der Armutsgrenze.

Slowenien

Das Land stabilisierte sich nach der Unabhängigkeitinnen- und außenpolitisch ziemlich rasch und profi-liert sich wirtschaftlich so vielversprechend, daßdemnächst Beitrittsverhandlungen mit der Europäi-schen Union geführt werden. Für 1997 werden er-wartet: ein hohes Bruttoinlandsprodukt mit über16 000 DM pro Einwohner, ein Durchschnittslohnvon 972 DM, ein Wirtschaftswachstum von 4, eineInflation von 8 und eine Arbeitslosigkeit von 14,lProzent (Angaben: Focus 30/1997).

Engagements für Frieden und Wiederaufbau

Viele Prognosen für die Zukunft Bosnien-Herzego-winas sind eher düster. Sie halten die politische Um-setzung des Dayton-Friedens für eine Illusion, weilkeine der Konfliktparteien ernsthaft gewillt sei, denVertrag zu erfüllen. Wenn die Amerikaner ihre Trup-pen fristgerecht Mitte 1998 abziehen, ist ein neuerKrieg wahrscheinlich, wenn die europäischen Staa-ten die Lücke nicht schließen können. Es ist be-denklich, wenn die Minenräumung nicht voran-kommt und Berichte stimmen, daß sogar neueMinenfelder angelegt worden sind.

Andererseits gibt es ein weltweites Engagement fürBosnien-Herzegowina, auch von islamischer Seite.Anlaß zu Optimismus geben die zahlreichenBemühungen um Hilfen für Bosnien-Herzegowina:von internationalen Organisationen, der Europäi-schen Union und über 50 Geberländern, 170 deut-schen Hilfsorganisationen und zahlreichen Privat-initiativen. Das Land benötigt nicht nur materielleHilfen. Es geht auch darum, den Menschen in Bos-nien-Herzegowina Mut zu machen, den Wiederauf-bau anzupacken sowie Frieden und Aussöhnunganzustreben.

Die Europäische Union hatte für die einst von Mus-limen, Kroaten und Serben bewohnte Stadt Mostarein Modellprojekt konzipiert, das zeigen sollte, daß

nach dem Krieg das Zusammenleben bei gutemWillen aller Beteiligten wieder möglich sei. Das Pro-jekt, mit Elan vorangetrieben von EU-AdministratorKoschnick, ist gescheitert. Dennoch engagiert sichHans Koschnick unentwegt für den Frieden auf demBalkan. Er sagt, es sei sinnvoller (und billiger), fürden Frieden zu bezahlen als für einen weiteren Krieg(D 12). Papst Johannes Paul II. setzte mit seinerReise nach Sarajewo ein Zeichen, das auch dieMuslime, voran Izetbegovic, zu würdigen wußten.Der Papst rief insbesondere auch die katholischenBischöfe und Geistlichen auf, weder Gewalt nochUnrecht zu dulden und den Friedensprozeß zu för-dern (D 13 a, b). Die Ordensgemeinschaft der Fran-ziskaner hielt während der osmanischen Herrschaftin Bosnien-Herzegowina bis 1878 das katholisch-religiöse Leben aufrecht, zum Teil in heimlichen Zir-keln. Die Mönche mußten über Jahrhunderte hinwegKompromisse mit der muslimischen Obrigkeit ak-zeptieren. Auf dem Hintergrund dieser Erfahrungenwidmen sich die Franziskaner heute der Friedenser-ziehung in den Schulen (D 13 c).

Die Künstlerin Bärbel Bohley setzt sich in Sarajewofür die baldige Rückkehr der Flüchtlinge ein und ver-sucht, das verkrustete Freund-Feind-Denken aufzu-brechen (D 14). Unter den deutschen Soldaten, diebei SFOR Friedensarbeit vor Ort leisten, sind auchWehrpflichtige, die sich freiwillig für diese Aufgabegemeldet haben. Der Bericht von Dirk Pohl zeigt dieBeweggründe eines 21 jährigen Soldaten aus Bran-denburg (D 15). Weniger bekannt ist das Engage-ment von 170 deutschen Hilfsorganisationen, dasvon allen Parteien des Bundestages unterstütztwird. Im Vordergrund steht nicht nur die finanzielleHilfe, sondern auch das Bemühen, den schwierigenProzeß der Versöhnung und ,,Entfeindung” in Bos-nien zu unterstützen (D 16). Auf Hans Koschnickmachte das Engagement der Freiwilligen von ,,PaxChristi” und ,,Aktion Sühnezeichen“ besonderenEindruck. Beispielhafte Projekte werden auch vonKlaus Vack in Gang gesetzt, dem führenden Vertre-ter des Komitees für Grundrechte und Demokratie inSensbachtal (D 17). Auch Schulen beteiligen sich ander Bosnienhilfe, wie das Beispiel der Riemen-Schneider-Realschule in Tauberbischofsheim zeigt(D 18). Als Teilnehmer des vom Europarat rnrtrrertenCivitas-Sommer-Seminars in Bihac im Jahr 1996schloß Studienrat Peter Krapf aus Ulm zahlreicheFreundschaften mit bosnischen Kollegen. Er berich-tete, daß das Interesse, mit deutschen Schülern,Kollegien und Schulen Kontakte aufzunehmen, sehrgroß sei. Aus Sicherheitsgründen könne man abereine Schulpartnerschaft oder einen Schüleraus-tausch derzeit noch nycht realisieren. Die Landes-zentrale für politische Bildung in Baden-Württem-berg startete 1992, initiiert von Direktor SiegfriedSchiele, in Stuttgart das ,,Forum ehemaliges Jugo-slawien“. Dessen Vortragsabende und Seminare er-möglichen Begegnungen zwischen Kroaten, Serbenund Bosniaken, die schon lange in Deutschlandleben, und tragen zum gegenseitigen Verstehen bei(D 19).

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Unterrichtspraktische Hinweise

Die Zeitungsüberschriften aus den Jahren 1996/97vermitteln einen Überblick, welche Probleme auchnach dem Friedensabkommen von Dayton. noch zubewältigen sind (D 1). Die komprimierte Ubersichtüber die wichtigsten Daten zu den Nachfolgestaaten(D 2) eignet sich gut für Vergleiche (z. B. mittelsKurzreferaten und Landkarte). Anhand der Flächen-größen, Einwohnerzahlen und Wirtschaftsdatenkann man z. B. die politische Bedeutung und dasWirtschaftspotential erkennen. Serben, Montenegri-ner, Kroaten und Bosniaken hatten bis zum Zerfalldes Tito-Staates im wesentlichen die gleiche Spra-che. Mit den Schülern könnte man darüber diskutie-ren, weshalb die einzelnen Nationen großen Wertauf eine je eigene Sprache legen, die, auch wegender Eigenmächtigkeiten in der Rechtschreibung, dieNationen eher trennen als verbinden. Hinzu kommtnoch die Schriftbarriere. An einen Arbeitsauftrag,welche Staaten große Minderheiten aufweisen, kanndie Frage anschließen, welche Bedeutung dies so-wohl innen- wie außenpolitisch im einzelnen für diebetreffenden Staaten hat. Den Schülern wird ein-leuchten, daß die Eigenbezeichnung ,,Jugoslawen”z. B. von Mischehen bevorzugt wurde.Die Frage, welche Hauptprobleme Serben, Kroatenund Bosniaken vordringlich zu lösen haben, lassensich mit den Materialien D 3 bis D 5 beantworten.Die Schüler sollten erfahren, daß 1941-45 in derKrajina von kroatischen Ustaschen einige hundertserbisch-orthodoxe Kirchen und Klöster zerstörtwurden. Man sollte ihnen die Frage vorlegen, in wel-chem Dilemma die meisten Flüchtlinge leben (D 4)und wie man das Vertriebenen- und Flüchtlingspro-blem gerecht und menschenwürdig lösen könnte(Überlegungen von Landesbischof Engelhardt beiD 5). Spannend könnte sich ein Rollenspiel gestal-ten: ein Gespräch zwischen einem zurückkehrendenFlüchtling im wehrfähigen Alter und einem Soldaten,der seine Heimat, sein Land verteidigte (Argumentefür Flucht; Gegenargumente). Der Vorschlag desdeutschen Diplomaten Steiner, daß alle Flüchtlingemöglichst am gleichen Tag in ihre Heimat zurück-kehren sollten, bleibt eine Illusion. ,,ln Bosnien eintdie Furcht vor den Rückkehrern die Menschen“ ti-telte die Frankfurter Allgemeine Zeitung am10.3.1997. Tausende von Flüchtlingen haben einepanische Angst vor der Rückkehr, solange auchschwere Kriegsverbrechen ungesühnt bleiben.Auf die Frage, warum die politische Umsetzung desDayton-Abkommens nur schleppend oder gar nichtvorankommt, geben die Materialien von D 6 bisD 11 Auskunft. Warum ist die Räumung von überdrei Millionen Landminen so vorrangig? Tausendevon Schulkindern sind auf dem Weg zur Schule ge-fährdet, desgleichen Bauern auf ihren Feldern.Minen behindern auch den Ausbau der Infrastruktur(D 7). Die politische Zukunft von Bosnien-Herzego-wina wird von deutschen Diplomaten sehr skeptischbeurteilt. Die von der Balkan-Expertin Calic vorge-stellten Szenarien eignen sich, auch unter Einbezie-

hung geostrategischer Gesichtspunkte, für eine in-teressante Diskussion (D 9), desgleichen die Stör-faktoren für ein friedliches Zusammenleben sowiedie Verbesserungsvorschläge (D 10). Die Schülerkönnten sich mit der Frage befassen, ob sie diestrengen Auflagen für die Vergabe von Wiederauf-bauhilfen für richtig halten (D 11). Anhand desFocus-Artikels (D 8) kann man Gründe auflisten, dieden Wiederaufbau behindern (Lösungen z.T. beiD 10). Im Zusammenhang mit den Beschlüss,en derGeberkonferenz sollte man die Schüler zur Uberle-gung auffordern, wie man den Anteil an Bosnien-flüchtlingen in Deutschland (Ende 1996: 320 000)und damit die Kosten reduzieren könnte, und zwarauf eine humane Weise (z. B. durch Rückkehrer-Hil-fen, Wiederaufbauhilfen, Hilfe zur Selbsthife etc.).

Angesichts der schwierigen Wirtschaftslage inDeutschland ist es nicht einfach, breite Zustimmungder Bevölkerung für umfangreiche Bosnien-Hilfen zuerhalten. Deshalb sind Appelle von bekannten Poli-tikerpersönlichkeiten wie Hans Koschnick unent-behrlich. Folgende Fragen könnte man mit denSchülern besprechen: Welche Zusammenhängesieht Koschnick zwischen dem Zweiten Weltkriegund dem Balkankrieg? Warum überzeugt Koschnickmit seinem Grundsatz, daß nur derjenige Hilfe bean-spruchen kann, der selbst jemandem Hilfe geleistethat? Wie stehen die Jugendlichen zu dem Vor-schlag, eine Zeitlang im europäischen Ausland ,,amBrennpunkt der Gesellschaft“ mitzuarbeiten? (D 12)Trotz Attentatswarnungen reiste der von Alter undKrankheit gebeugte Papst nach Sarajewo, um kraftseiner Autorität für Frieden und Versöhnung zu wer-ben (D 13). Mit folgenden Fragen könnte man eineDiskussion führen: Wie steht der Papst zu den an-deren Religionen in Bosnien? Kann die ErinnerungIzetbegovics an die multireligiöse und multikulturelleGemeinschaft in Sarajewo auch in die Zukunft wei-sen? Wie stehen Sie zu dem Appell des Papstes inSarajewo, ,,zu vergeben und um Vergebung zu bit-ten“? (Siehe hierzu auch D 13 c.) Die folgenden Ma-terialien (D 14 bis D 18) eignen sich für Kurzreferatemit anschließendem Gespräch über die Frage, auswelchen Gründen sich die Menschen aus den unter-schiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen (z. B.Politik, Kirchen, Rotes Kreuz, THW, Friedensbewe-gung) für Bosnien engagieren. Auf den Bericht einesWehrpflichtigen (D 15) sei besonders hingewiesen,weil hier ein Jugendlicher von seinen Erfahrungenvor Ort in Bosnien berichtet.

Das Projekt der Landeszentrale für politische Bil-dung Baden-Württemberg (D 19) sollte der Lehrerselbst vorstellen und dazu ermuntern, daß man mitSchülern und Jugendlichen (von Eltern) aus demehemaligen Jugoslawien über die Probleme in Bos-nien-Herzegowina sprechen und überhaupt mit aus-ländischen Schülern Kontakt aufnehmen sollte.

Den Abschluß bildet das Gedicht einer Schülerin(D 20), das die Sehnsucht nach einer heilen Welt wi-derspiegelt. Ob der ,,Traum von besseren Dingen“durch persönliches Engagement zu realisieren ist?

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AWMedien zum ThemaZusammengestellt von Hanns-Georg Helwerth,

Landesbildstelle Württemberg

Jugoslawien, die Ursachen des Kon-flikts

Video, 27 Min., flsw, 1992Adressaten: S8, Sll

Das jähe Aufbrechen des jugoslawischenNationalitätenkonflikts wurde vor allem inden europäischen Ländern mit Betroffen-heit und Sorge registriert. Der Film ver-sucht, die Jahrhunderte zurückliegendenWurzeln und den Verlauf des Konflikts zuanalysieren. 42 07488

Liebe und Tod in SarajewoDie tragische Geschichte von Admiraund Bosko

Video, 63 Min., f, 1995Adressaten: S9, Sl 1, B, J14, E

In Interviews und Fotomontagen erzähltder Film, wie die ausweglose Liebesge-schichte eines jungen Paares unter-schiedlicher nationaler bzw. religiöser Zu-gehörigkeit in den Wirren des bosnischenBürgerkrieges im gemeinsamen gewalt-samen Tod endet. Diese sehr persönlicheErzählung läßt ahnen, welches Leid sichhinter den zur Gewohnheit gewordenenSchreckensmeldungen über diesen Bru-derkrieg verbirgt. 42 02006

Bruderkrieg, der Kampf um TitosErbe, Teil 1: Der Sprengsatz

Video, 45 Min., f, 1996Adressaten: S9, Sl 1, EDie Filmserie über den jugoslawischenBruderkrieg 1986-1995 besteht aussechs Teilen. Der erste Teil dokumentiertdie Ereignisse nach Titos Tod, die Ko-sovo-Unruhen und die Abspaltungsten-denzen Sloweniens von Jugoslawien.

42 02087

Bruderkrieg, der Kampf um TitosErbe, Teil 2: Die Lunte brennt

Video, 45 Min., f, 1996Adressaten: S9, Sll, E

Teil 2 untersucht die Folgen der WahlTudjmans zum kroatischen Präsidenten,den Konflikt Kroatiens mit den Krajina-Serben und den Beginn des Krieges inKroatien. 42 02082

Bruderkrieg, der Kampf um TitosErbe, Teil 3: Explosion

Video, 45 Min., f, 1996Adressaten: S9, Sll, ETeil 3 zeigt Krieg und Unabhängigkeit inSlowenien, den Abfall der Krajina vonKroatien und den Krieg im kroatischenOstslawonien mit dem Kampf um Vuko-var. 42 02083

Bruderkrieg, der Kampf um TitosErbe, Teil 4: Flächenbrand

Video, 45 Min., f, 1996Adressaten: S9, Sl 1, E

Teil 4 dokumentiert den Kriegsbeginn inBosnien, die ,,ethnischen Säuberungen“in Ostbosnien sowie die Teilung Saraje-wos und den Kampf um die geteilteStadt. 42 02084

Bruderkrieg, der Kampf um TitosErbe, Teil 5: Sicherheitszonen

Video, 45 Min., f, 1996Adressaten: S9, Sll , E

Teil 5 schildert die Verhandlungen umden Vance-Owen-Plan, die Auseinander-setzung zwischen Kroaten und Moslems,das militärische Eingreifen der NATO undden folgenden Waffenstillstand.

42 02085

Bruderkrieg, der Kampf um TitosErbe, Teil 6: Der kalte Friede

Video, 45 Min., f, 1996Adressaten: S9, Sll, E

Der letzte Teil befaßt sich mit dem Frie-den von Dayton. Im Sommer 1995 voll-ziehen sich auf dem Balkan Veränderun-gen, die den Friedensprozeß überhaupterst ermöglichen. 42 02132

Leben und Sterben in Sarajevo

Les vivants et Les morts de Sarajevo

Video, 75 Min., f, 1993Adressaten: Sll, J16, EEindrucksvolle, an persönlichen Schick-salen und Lebenssituationen orientierte

Dokumentation über die Situation derMenschen in der von Serben eingekes-selten Stadt Sarajewo, über das müh-same Überleben und das alltäglicheSterben von Menschen in der einge-schlossenen Stadt. Eine erschütterndeAnklage gegen den Wahnsinn des Bür-gerkriegs im ehemaligen Jugoslawien.

42 56791

Die neuen Turnschuhe

Video, 28 Min., f, 1994Adressaten: P3, S5, EDamir, mit seinen Eltern aus Bosniendem Krieg entflohen, feiert seinen 10.Geburtstag in einem Flüchtlingslager inBerlin. Geschenkt werden ihm neue Turn-schuhe - sein Herzenswunsch geht in Er-füllung. Als er die Schuhe seinem mosle-mischen Freund Sanjin zeigen will, mußer sie vor der Wohnung stehen lassen,denn nach islamischer Sitte dürfenSchuhe nicht mit in die Wohnung genom-men werden. Am nächsten Morgen abersind die Schuhe verschwunden.

42 5942 1

Hoffnung nach dem Bürgerkrieg

SOS-Kinderdörfer in Kroatien

Video, 15 Min., f, 1994Adressaten: S5Filmbericht über die SOS-Kinderdörfer inLadimirevci und Lekenik in Bosnien.

42 62099

Kinder im Krieg

Zwischen den Schlagzeilen

Video, 15 Min., f, 1994Adressaten: S8, J12, EIn dieser Folge berichten vier Kinder ausdem ehemaligen Jugoslawien über dasLeben im Kriegsgebiet Bosnien und Ko-sovo. Sie wurden von Hilfsorganisationennach Deutschland geholt, um medizi-nisch betreut zu werden. 42 80776

Belma16-mm-Film, 80 Min., f, 1995Adressaten: S8, Sll, B, J12, E

Belma,+lalbwaise aus Bosnien, lebt mitihrem Vater auf einem Flüchtlingsschiff inKopenhagen. Ihre Begegnung mit Ras-mus, einem 15jährigen Computerfreak,führt zu einer behutsamen Annäherung.Als ein sadistischer Lagerkommandant,der auch Belmas Vater gequält hatte, aufdem Flüchtlingsschiff einquartiert wird,überstürzen sich die Ereignisse.

32 10358

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Literaturhinweise

Andric Ivo: Die Brücke über die Drina. Eine WischegraderChronik. Roman. FrankfurVMain: Büchergilde Gutenberg1995

Ders.: Wesire und Konsuln. Roman. München: Deutscher Ta-schenbuch Verlag 1978

Ders.: Sämtliche Erzählungen. 3 Bände. München: Hanser1962, 1963, 1964

Bartl, Peter: Grundzüge der jugoslawischen Geschichte.Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1985

Calic, Marie-Janine: Der Krieg in Bosnien-Herzegowina. Ur-sachen, Konfliktstrukturen, Internationale Lösungsver-suche. FrankfutiMain: Edition Suhrkamp, Neue FolgeBand 953, 1995

Dies.: Krieg und Frieden in Bosnien-Herzegowina. Erweit.Neuausgab. Frankfurt/Main: Edition Suhrkamp 1943, N.F. Bd. 943, 1996

Dies.: Das Ende Jugoslawiens. Informationen zur politischenBildung, Informationen aktuell, hg. von der Bundeszen-trale für politische Bildung, Bonn 1996

Calics Abhandlungen sind wissenschaftlich fundiert undbeziehen historische, politologische, soziologische undpsychologische Gesichtspunkte mit ein.

Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien. Hg. vom Bun-desministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegs-geschädigte. Dokumentation der Vertreibung der Deut-schen aus Mitteleuropa, Band V, Augsburg 1994.Sonderausgabe (1. Auflage 1961)

Dayton. Perspektiven europäischer Sicherheit. Hg.: StiftungWissenschaft und Politik. Forschungsinstitut für interna-tionale Politik und Sicherheit. Ebenhausen/lset-tal 1996(SWP-IP 2946, Februar 1996)

Der Fischer Weltalmanach ‘97. Hg. von M. v. Baratta, Frank-furVMain. November 1996(Informativ auch frühere Ausgaben)

Deschner, Karlheinz, Petrovic Milan: Weltkrieg der Religio-nen. Der ewige Kreuzzug auf dem Balkan. Stuttgart/Wien: Weitbrecht 1995

Das Buch von Deschner und Petrovie stellt eine pronon-eiert serbische Sicht der jüngsten Kriege und Hinter-gründe VOL Petrovie ist Professor für Politische Wissen-schaft in NiSISerbien. Das Buch ist dazu geeignet,Mentalität und Argumentation der Serben kennenzuler-nen. Besonders interessant z. B. die Vorgänge von 1914und die Beurteilung Titos.

Djilas, Milovan: Der Krieg der Partisanen. Jugoslawien1941-1945. Memoiren. Wien/München/Zürich/Inns-bruck: Molden 1978

Milovan Djilas war einer der engsten Vertrauten Titos.

Filipovic, Zoran; Koschnick, Hans; Leggewie, Claus: Entseel-tes Land. Über Bosnien, Kulturzerstörung und unsere Zu-kunft. Freiburg/Basel/Wien: Herder 1995

Fritzler, Marc: Stichwort Bosnien. München: Heyne (Sach-buch Nr. 19/4048) 1994

Fritzlers Taschenbuch ,,Stichwoti Bosnien“ stellt auf ca.100 Seiten Bosnien in übersichtlichec komprimierterForm vor: Geographie und Bevölkerungsstruktur Ge-schichte, den Krieg 7992 ff. und Resümee. Gut auch diezahlreichen Stichworte, deutlich vom fortlaufenden Textabgehoben.

Jugoslawien in der Zerreißprobe. Der Bürger im Staat 41. Jg.,Heft 3/1991

Koschnick, Hans; Jens Schneider: Brücke über die Neretva.Der Wiederaufbau von Mostar. München: Deutscher Ta-schenbuch Verlag 1995

Libal, Wolfgang: Das Ende Jugoslawiens, Selbstzerstörung,Krieg und Ohnmacht der Welt. Wien, Zürich: Europa-verlag, 2. Aufl. 1993

Maleolm, Noel: Geschichte Bosniens. Frankfurt/Main: Fi-scher 1996

Munzinger-Archiv. Internationales Handbuch, Länder aktuell.Ravensburg, 1995/96 (Artikel über Nachfolgestaaten desehemaligen Jugoslawien)

Osteuropa. Zeitschrift für Gegenwartsfragen des Ostens, hg.von der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde.Stuttgart, Jahrgänge 1989-1997

Rohde, Gotthold: Die südosteuropäischen Staaten von derNeuordnung nach dem 1. Weltkrieg bis zur Ära der Volks-demokratien. 11.: Jugoslawien 1918-1968. In: Handbuchder europäischen Geschichte, hg. von Th. Schieder, Bd7, 2. Teilband. Stuttgart: Union; Klett-Cotta 1979, S.1183-1240

Südost-Europa. Zeitschrift für Gegenwartsforschung; Mo-natsschrift der Abteilung Gegenwartsforschung desSüdost-Instituts München: Oldenbourg, Jg. 1997

Sundhaussen, Holm: Experiment Jugoslawien. Von derStaatsgründung bis zum Staatszerfall. Meyers Forum 10.MannheimlLeipzigNVien/Zürich: B. l.-Taschenbuchverlag1993

Ders.: Geschichte Jugoslawiens 1918-1980. Stuttgart: Kohl-hammer 1982

Das Buch ,,Experiment Jugoslawien“ des BalkanexpertenProfessor Sundhaussen ist übersichtlich, informativ undgut lesbar

Weithmann, Michael W.: Balkan-Chronik. 2000 Jahre zwi-schen Orient und Okzident. RegensburglGraz/Wien/Köln: Pustet 1997 (1. Aufl. 1995)

Weithmanns sehr umfangreiche Balkan-Chronik enthälteine Fülle von Faktemzur Balkangeschichte und stellt in-teressante Bezüge zwischen Völkern, Staaten, Nationa-litäten, Kulturen und Religionen heK

Hinweis für unsere Leserinnen und Leser: Nicht nur in Tageszeitungen und Zeitschriften, auch in wissenschaftlichen Publi-kationen finden sich unterschiedliche Schreibweisen für Orts- und Personennamen aus dem ehemaligen Jugoslawien (Beispiel:Sarajewo und Sarajevo). Autoren und Redaktion haben in den eigenen Texten einheitliche Schreibweisen verwandt, bei Zitatenund im Materialteil übernommenen Texten wurde die jeweilige Variante beibehalten. Die Redaktion

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Texte und Materialienfür Schülerinnen und Schüler 9 8

Landeszentrate für politische Bildung Baden-Württemberg

DER ZERFALLJUGOSLAWIENSBaustein A Zur jugoslawischen GeschichteA I-A 5 Zur Geographie und Geschichte des BalkansA 6-Al3 Der Zweite Weltkrieg in JugoslawienA14-Al8 Titos Staat und sein Zerfall

Baustein BB I-B 5B 6-BI0Bll-BI4B15-B20

Die neuen Balkan kriegeEin VielvölkerstaatKonfliktursachen und KriegszieleWas sind die Bosnier?Der Krieg um Sarajewo und die Folgen

Baustein C Die Umsetzung des Friedens von Daytonc I-C 4 Der Friedensvertrag von Daytonc 5-Cl0 Das gescheiterte Modell in Mostarc 11 -c 13 Weitere Herausforderungenc 14-c 15 Die politischen OrganeC 16-C 18 Sisyphusarbeit

Baustein D Nachfolgestaaten und PerspektivenD I-D 3 Die Situation in den NachfolgestaatenD 4-D 8 Bestandsaufnahme nach dem KriegD g-D11 Der schwierige WiederaufbauD12-D20 Friedensarbeit in Bosnien-Herzegowina

Neckar-Verlag GmbH

78050 ~l~jngen-SchwenningenKlosterring 1Postfach 1820

aus: Politik und Unterricht

Zeitschrift zur Gestaltung despolitischen UnterrichtsHeft 3,‘1997

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A24 Zur Geographie und Geschichte des Balkans

Al-Al8 Zur jugoslawischenGeschichte

m Schwer zugängliches Land

Flächenmäßig war das ehemalige Jugoslawien mit255 804 km2 das größte Balkanland. Der Raum istdabei vielfältig gegliedert - einem schwer zugängli-chen und verkehrsfeindlichen inneren Gebirgslandsteht eine Reihe von Landschaften gegenüber, diezu den Nachbarräumen hin offen sind (Slawonien,Syrmien, Banat). Das vom Landesinnern durch Ge-birgsketten abgetrennte istrisch-dalmatische Kü-stenland hat in Luftlinie eine Gesamtlänge von 628km; die reale Küstenlinie des Festlandes zusammenmit den Inseln zählt jedoch 6116 km.

Unterschiedlich in ihrer Struktur, Gestalt und Vertei-lung, nehmen die Bergländer etwa drei Viertel Ju-goslawiens ein: die Alpen im Nordwesten, die Dina-riden im Westen, die Ausläufer des Balkangebirgesund der Rhodopen im Osten.

Der Balkan war wegen des schwierigen Zugangs fürEroberer mehrfach in der Geschichte ein Rückzugs-gebiet für die Verteidiger, zuletzt im Zweiten Welt-krieg. Den Deutschen und Italienern ist es trotz mas-siver Angriffe nicht gelungen, Titos Partisanenarmeezu bezwingen. Das späte militärische Engagementvon UN0 und NATO 1995 beruhte z.T. auch auf denfür militärische Operationen schwierigen geographi-schen Verhältnissen.Hugo Eckert; nach Peter Bart/: Grundzüge der jugoslawi-schen Geschichte. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchge-sellschaff 1985, S. VII (1. Absatz); und: Die große Enzyklopä-die der Erde, Bd. 4, S. 268

DEI Zeittafel

7. bis 14. Jh. Alle Nachfolgestaaten Jugoslawiens (außerMontenegro) haben (zeitweise) eigene Reiche: die Slowe-nen, Kroaten, Serben und die Bosnier

28.8.1389 Schlacht auf dem Kosovo-Polje. Niederlage derSerben, aber auch Tötung des Sultans. Fortan nationalesGeschichtsereignis für Serben bis heute: ,,Halbmondsiegt über Kreuz” (vgl. 1912/13)

1483 bis 1878 Bosnien-Herzegowina Bestandteil des Osma-nischen Reiches (vgl. 1878; 1908)

1526 Ungarische Niederlage bei Mohacs gegen die Osma-nen

Seit 1538 Ausbau der Militärgrenze zur Türkenabwehr

1804, 1815 Serbische Aufstände gegen die Osmanen

1878 Völkerrechtliche Anerkennung Serbiens und Montene-gros; militärische Besetzung von Bosnien-Herzegowinadurch Österreich-Ungarn

1882 Serbien wird Königreich, Montenegro 1910

1908 Annexion von Bosnien-Herzegowina; Annexionskrise,weil viele Serben dort leben

1912/13 1. und 2. Balkankrieg. Ende der Türkenherrschaftauf dem Balkan: ,,Kreuz siegt über Halbmond”

28.6.1914 Mord in Sarajewo, Ausbruch des Ersten Welt-krieges

1.12.1918 Gründung von Jugoslawien I (Königreich derSerben, Kroaten und Slowenen; seit 1929: KönigreichJugoslawien)

28.6.1921 Veitstags-Verfassung (Vidovdan-V.): Ablehnungdurch Kroaten und Slowenen

1928 Ein Montenegriner ermordet mehrere kroatische Abge-ordnete im Parlament

1934 Mitglieder einer makedonischen Geheimorganisationund kroatische Ustaschen ermorden den jugoslawischenKönig in Marseille

1939 Ausgleich zwischen Kroaten und Serben

1941 Deutschlands Überfall auf Jugoslawien. Ziel Hitlers:Absicherung der Südostflanke bei Krieg gegen Sowjet-union; ,,unabhängiger” kroatischer Staat gegründet

Seit Juni 1941 Tito beginnt Partisanenkampf. Bürgerkrieg:Tschetniks gegen Deutsche und Partisanen

1943 Antifaschistischer Volksbefreiungsrat Jugoslawiens(AVNOJ) bildet provisorische Regierung in Jajce (Bos-nien)

1943 Konferenz von Teheran: Tito wird als selbständiger Be-fehlshaber von den Alliierten anerkannt; Militärhilfe durchBriten *

1945 Rache der Partisanen an allen Gegnern: Ustaschen,Tschetniks, Heimwehrmännern u. a.

1945 bis 1991 Jugoslawien 11, konzipiert von Tito. Prinzip:,,Einheit und Brüderlichkeit“. Sechs Teilrepubliken undzwei autonome Gebiete

1946 Neue Verfassung. Hauptnationen gleichberechtigt

28.6.1948 Jugoslawien aus Kominform ausgeschlossen

1958 Einführung der Arbeiterselbstverwaltung

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AZur Geographie und Geschichte des Balkans 25

1951 Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Bun-desrepublik Deutschland (trotz Belastungen durch Parti-sanenkämpfe und Vertreibung von Volksdeutschen)

1955 Chruschtschow erkennt Jugoslawiens eigenen Wegzum Sozialismus an

1956 Bandung-Konferenz fordert Ende des Kolonialismusund friedliche Zusammenarbeit; Tito, Nasser und Nehrubegründen die Politik der Blockfreien

1957 Jugoslawien nimmt diplomatische Beziehungen mit derDDR auf, die Bundesrepublik bricht sie ab (Wiederauf-nahme 1968)

1961 1. Gipfelkonferenz der Blockfreien in Belgrad. Ziel: Un-abhängigkeit von den Bündnissystemen in Ost und West

1980 Tod Titos. Nationale Bestrebungen in Teilrepublikenverstärken sich; Unruhen im Kosovo

1984 Olympische Winterspiele in Sarajewo: Sportler der Weltin Frieden vereint

1991 Kroatien und Slowenien erklären Unabhängigkeit. An-erkennung durch die Europäische Union 1992. Damit istdie Föderation Jugoslawien zerbrochen

Die neuen Balkankriege25. Juni bis 8. Juli 1991: ,,Kleiner Krieg“ in Slowenien zwi-schen der Jugoslawischen Volksarmee und den sloweni-sehen Territorialstreitkräften um die Unabhängigkeit Sloweni-ens; beendet durch einen von der EU vermitteltenWaffenstillstand (Brioni-Abkommen)

Juni 1991 bis Januar 1992: Krieg in Kroatien zwischenkroatischen Territorialstreitkräften und von der Jugoslawi-schen Volksarmee unterstützten serbischen Aufständischen;beendet durch UN-Vermittlung und durch den Einsatz vonUNPROFOR

April 1992 bis November 1995: Krieg in Bosnien-Her-zegowina; beendet durch das von den USA vermittelte Ab-kommen von Dayton und den Einsatz der IFOR-Truppe

Zusammenstellung: Hugo Eckert (bis 1991) und Dietmar Herz

Ein symbolträchtiges Datum

Der 28. Juni 1389 und seine Nachwirkungen

Am 28.6.1989 kommen über eine Million Serben aufdem Amselfeld zusammen, auf dem Kosovo-Poljebei Pristina, etwa 250 km südlich von Belgrad. Mangedenkt der heldenhaften, unglücklichen, schicksal-haften Schlacht gegen die Osmanen, die auf denTag genau vor 600 Jahren das Ende der damaligenserbischen Herrschaft bedeutete. (Nach dem da-mals gültigen julianischen Kalender war dieSchlacht am 15. Juni.) In der katholischen Liturgieerinnert man sich an diesem Tag an den heiligenVeit, einen Märtyrer zur Zeit des Kaisers Diokletian(vgl. auch Veitsdom in Prag).

Am Veitstag (Vidovdan) unterliegen die unter serbi-scher Führung vereinigten Südslawen mit rund

35 000 Mann einem übermächtigen Heer von etwa70 000 Türken; diese verlieren in dem Gemetzeletwa ein Drittel ihrer Soldaten. Auch der Sultan wirdvon einem Serben getötet. Der Veitstag ist seitdemder nationalserbische ,,Dies ater“ (schwarzer Tag).Das Jahr 1389 wird zum ,,Jahr der nationalen Tragö-die, zum mystifizierten Endpunkt der mittelalterli-chen Glanzzeit und der nationalen Eigenständigkeit”Serbiens (Weithmann, Balkan-Chronik, S. 124 f.).

Die Schlacht lebt in Liedern, Epen und Legendenweiter. In der Erinnerung an die Schlacht auf demAmselfeld beanspruchen die Serben, nachdem siezwischen 1804 und 1829 durch Aufstände undKriege gegen die Türken sich wieder einen Staat er-kämpften, die Vormachtstellung auf dem Balkan undhoffen auf ein ,,Großserbien”.

Der schicksalsträchtige Tag spielt in der Folgezeitfür die serbisch-jugoslawische Geschichte noch öf-ter eine große Rolle: Am 28.6.1878 wird auf demBerliner Kongreß den drei Balkanfürstentümern Ser-bien, Montenegro und Rumänien die Souveränitätzuerkannt; Österreich-Ungarn erhält das Recht,Bosnien-Herzegowina zu besetzen, das formal wei-terhin unter türkischer Herrschaft steht (und 1908annektiert wird).

Im Jahr 1914 begeht Serbien den Veitstag erstmalsals nationalen Feiertag. Der österreichisch-ungari-sche Thronfolger Franz Ferdinand will den großser-bischen Ansprüchen entgegentreten, besucht andiesem Tag Sarajewo und wird von Gavriel Princip,gesteuert vom serbischen Geheimbund SchwarzeHand”, ermordet. Das Attentat von Sarajewo führtzum Ersten Weltkrieg.

1919, auf den Tag genau fünf Jahre nach dem At-tentat, muß Deutschland den Friedensvertrag in Ver-sailles unterschreiben. Serbien ist als ,,Siegerstaat“auch dabei. Am Ende des Ersten Weltkrieges errei-chen die Serben mit der Gründung des Königrei-ches der Serben, Kroaten und Slowenen ihr Ziel derVorherrschaft auf dem Balkan. Am 28. Juni 1921wird, gegen starken kroatischen Protest, die Verfas-sung des ersten südslawischen Reiches verkündet.

Zur 600-Jahr-Feier 1989 bekräftigen die Serben miteiner Großdemonstration auf dem Amselfeld ihrenhistorischen Anspruch auf den Kosovo, das seitüber 300 Jahren zu 90 Prozent von Albanern be-wohnt ist.

Am Vorabend des 28.6.1991 beginnt der Jugosla-wienkrieg mit der Intervention der JugoslawischenBundesarmee gegen die UnabhängigkeitserklärungSloweniens. Genau ein Jahr später besucht derfranzösische Staatsprtisident Mitterand demonstra-tiv das von Serben belagerte Sarajewo. Doch seineFriedensbemühungen scheitern.Zusammenstellung: Hugo Eckert; zum Teil nach ImmanuelGeiss, Gabriele Intemann: Der Jugoslawienkrieg, 2. akt. u.erw. Aufl. FrankfutifMain: Diestenveg, S. 24

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A26 Zur Geographie und Geschichte des Balkans / Der Zweite Weltkrieg in Jugoslawien

1 A 4 1 Kreuz siegt über Halbmond

Diese französische Darstellung kommentiert den Sieg derchristlichen Balkanvölker im Feldzug von 1912 mit den Wor-ten: La croix chasse Ie Croissant hors I’Europe (Das Kreuzvertreibt den Halbmond aus Europa).

Abb. nach Peter Scholl-Latour: Im Fadenkreuz der Mächte.München: Goldmann 1995, S. 128 ff. (Roger Viollet)

Dia Die Aufteilung Jugoslawiens1941

L!!E_! Verfassung als Zankapfel

Feindschaft zwischen Serben und Kroaten durch dieVeitstag- Verfassung vom 28.6.192 1

Die Parteien im ersten Parlament des dreinamigenKönigreiches waren mit einer Ausnahme (Kommuni-sten) durch ihre nationale Herkunft aus Serbien,Kroatien, Slowenien, Montenegro, Mazedonien oderdurch ihre muslimische Glaubenszugehörigkeit ge-prägt . . . Aus der Arbeit der VerfassunggebendenVersammlung ging . . . eine stark zentralistische Ver-fassung hervor . . . (Durch Manipulation der Ge-schäftsordnung war dafür gesorgt, daß zur Verab-schiedung der Verfassung eine einfache Mehrheitgenügte. Die Serben machten den beiden muslimi-schen Gruppierungen - beheimatet in Bosnieneinerseits und in Kosovo und Mazedonien anderer-seits - besondere Konzessionen für deren Zustim-mung.) Die Abstimmung fand am Veitstag statt, andem von nationalen Gefühlen getränkten Jahrestagder Schlacht auf dem Amselfeld, was die Nichtser-ben als Provokation empfinden mußten. Die Kroatenund Slowenen sowie die Kommunisten blieben derAbstimmung fern. (Die Kroatische RepublikanischeBauernpartei hatte in Zagreb eine kroatische Ge-genverfassung verabschiedet.) Der separatistischeAkt schuf bei den serbischen RegierungsparteienVerbitterung und führte zu einer Konfrontation, ausder es keinen Ausweg zu geben schien.Christian Kind: Krieg auf dem Balkan. Zürich 1994, S. 62 ff.Verlag Neue Züricher Zeitung. Lizenzausgabe für Deutsch-land: Verlag Schöningh, Paderborn

R U M Ä N I E N

Serbien 1941: Abtretungen an Italien, Ungarn, Bulgarien, Montenegro, Albanien und an das Deutsche Reich

Abb. aus Christian Kind, a.a.O. (vgl. A 5), S. 80 f.

Haus auf der Alb
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Der Zweite Weitkrieg in Jugoslawien

Konstellationenim ZweitenWeltkrieg

1) Besatzungsmächte: \deutsche IJ. italien. Truppen(z. B. in Serbien u. Montenegro);ital. Truppen nach MussolinisSturz 1943 ausgeschieden

2) Milizverbände des v. Deutschenals Ministerpräsidenten einge-setzten serb. Generals Nedic

3) Kroatische Ustaschen

4) Muslim. SS-DivisionHandschar (mit deutschenOffizieren u. Ausbildern)

5) Slowenische Heimwehrverbände(vgl. auch bulgar. u. ungar. Trup-pen in annektierten Gebieten Woi-wodina u. Makedonien) /

Zusammenstellung: Hugo Eckert

Widerstandsgruppen:

G1) Tschetniks, großserbisch,

monarchistischFührung: Oberst Mihailovic; Mit-glied der Exilregierung in London.Anfangs zeitweiligZusammenarbeit mit Tito,bis 1943/44

Gegnerschaft seit 1943/44

2) Tito-Partisanen (kommunistisch)Anfangs: viele Serben u. Monte-

4 * negriner. Dann viele Muslimedazugekommen, auch Kroaten u.Slowenen

L!!!!A! Befehl zu GeiselerschießungenI 1 ,,Ethnische Säuberungen“

3?r BeVolls.K3mpandieren&ds Generaiin Serbien o.u.,*f?+% . . . 1941.- -

Abt. Q u Nr. 3Sg3 /41 Sek.G@k&R

Be3eSu3ulelMntmahmeL0% Dov.K~iOJn.i-.S./~II/Chef Bil.V/3u

Nr. 2848141 Geh. volrl 10.11.41.

Auf Grund des Eefehls Uber Zl3 Nlobemernwj der kommmioti-eoklen Au~et*0_eiw7o~ nerden fsr

Verluete 688 III./J.R.697

des Ebh.Kdo.~.b.V.m... . . . . . . ..I an 185 Geiseln'

zu vollstrecken.

BeP. Serbien - 'Jen.@4w+b=.

Stab etcllt die Gelsem bereit.

Ta6 und Ort der E;rnohieseun@" Abbolunz mder Z- derGeiseln eonia n3hcrc Einzclheitcn oind du_.z'c:~ dfe vslletrockcndonPmppentoile unm.?.tteZbnr mit Bef. Serbien - 7s~~. Stab 3ü PLTZPbaren.

riauptmem i.Genet.

Aus dem Katalog zur Ausstellung: Vernichtungskrieg. Verbrechen der deut-schen Wehrmacht 194 1 bis 1944, Hamburg 1996, S. 47

1 A9 1

Bericht eines SS-Gruppenführers über dieVertreibung von Serben aus Kroatien:,,Diese Menschen, die in ungezählten Fäl-len selbst Zeugen der bestialischen Hin-mordung ihrer Angehörigen waren, hattennichts mehr zu verlieren . . . und geselltensich darum zu den Kommunisten in dieWälder und Gebirge . . . Nach hier vorlie-genden Meldungen sind allein in Kroatienrund 200 000 Serben ermordet worden.Diese Ermordungen sind hier allgemeinbekannt und werden mit Rücksicht dar-auf, daß das kroatische Gebiet unter demSchutz des Deutschen Reiches seineSelbständigkeit erlangte, sowie mit Rück-sicht darauf, daß die in Kroatien liegendeTruppe diese Greueltaten nicht verhin-derte, letztlich den Deutschen zur Lastgelegt.“

In vielen von Serben bewohnten Dörfernkam es zu Zwangs- und Massentaufen,mit deren Hilfe die Re-Kroatisierung” derorthodoxen Bevölkerung durchgesetztwerden sollte. . . . Erzbischof . . Stepinacmeldete zwar wiederholt scharfe Kritik anden Zwangstaufen und Verfolgungen vonSerben und Juden an, aber alles in allemblieb die Haftung der Kirche zum neuenStaat ambivalent . . . Rund 300 (orthodoxe)Kirchen und Klöster wurden ausgeraubtund vernichtet, zahlreiche Priester . ver-schwanden in Gefängnissen und Konzen-trationslagern, viele für immer.

Holm Sundhaussen: Experiment Jugoslawien,Mannheim etc.: 6. l.-Taschenbuchverlag 1993,S. 74 f. (Reihe Meyers Forum)

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A28 Der Zweite Weltkrieg in Jugoslawien

A IO Bürgerkrieg ausPartisanensicht

Im Sommer 1941 hatten zuerst die Ustaschen (dar-unter auch Muslime, H. E.) die Serben gemordet;dann wurde das Städtchen (FoEa in Ostbosnien) vonden Tschetniks eingenommen, die als Fortsetzungnun die Moslems mordeten. Von den Berichten sindmir grauenvolle Einzelheiten im Gedächtnis geblie-ben . . . Die Tschetniks wieder brachten gruppen-weise gefesselte Moslems auf der Drina-Brücke um. . Den von den Tschetniks an den Moslems began-genen Massakern lagen zumindest anfangs Ele-mente der Rache und der Verbitterung zugrunde,zumindest bei den (serbischen) Bauern und jenen,deren Angehörige von den Ustaschas getötet wor-den waren . . .

Für uns Kommunisten waren die Ustaschas einefremde, feindliche Macht, während wir die Tschet-niks als Konglomerat serbischer liberaler Nationali-sten, empörter Bauernmassen sowie serbischerChauvinisten und Faschisten ansahen. Die Tschet-nik-Bewegung unterschied sich von Gebiet zu Ge-biet . . . Anfangs wurden von keiner Seite Gefangenegeschont, weder bei den Deutschen noch bei denTschetniks oder Partisanen. Zu einem Gefangenen-austausch fand man sich erst seit etwa 1943 bereit.

Milovan Djilas: Der Krieg der Partisanen, Jugoslawien1941-1945. Memoiren. Wien u. a.: Melden 1978, S. 187 f.und S. 176

A 11 Tito als Partisanenführer

Lange Zeit trug Titoschlichte soldatischeKleidung. Auffallendist die Mütze mit demSowjetstern, den allePartisanen trugen. Dji-las berichtet, daß Sta-lin damit nicht einver-standen war, und zwarmit Rücksicht auf dieAlliierten.

Abb. aus Peter Scholl-Latour: Im Fadenkreuz der Mächte,a.a.O. (vgl. A 4)

A 12 Tito aus einerserbischen Sicht

Über Tito gibt es eine ganze Reihe von Biographien.Dedijer und Djilas z.B., die zum engsten Partisanen-Zirkel gehörten, verherrlichen ihn - wie die meistenBiographen. Eine historisch-kritische Darstellungsteht noch aus. Die folgenden Auszüge sollen vorallem aufzeigen, mit welcher Skepsis Titos Rolle inbezug auf Serbien seit den dreißiger Jahren gesehenwird.

Josip Broz . . . ist einer der mysteriösesten Akteureder Zeitgeschichte. Denn er war nicht nur Revolu-tionsführer und Staatsmann, sondern auch ein Ge-heimagent größten Kalibers. Sein Leben wird relativdurchschaubar erst seit dem Jahr 1928, in dem erals kommunistischer Agitator und mutmaßlicher Ter-rorist verhaftet . . und in Zagreb zu fünf Jahren Ge-fängnis verurteilt wurde. Sein gesamtes vorherigesLeben ist in Dunkelheit gehüllt, selbst seine Identitätungewiß, . mysteriös ist sein Name: Er bedientesich . . . siebzig verschiedener Decknamen! Für dieKornintern war er . . ,,Genosse Walter“.

Es ist . . sehr wahrscheinlich, daß Titos kroatjscherVater kein Bauer war, sondern - wie man in Oster-reich behauptet - ein k.u.k.-Offizier . . Als die So-wjets im Oktober 1944 Serbien befreiten und Titodaselbst die Macht übernahm, begann er sich amserbischen Volk blutig zu rächen -wohl nicht nur für1941 (als Tito mit seinen Partisanen von deutschenund serbischen Nedie-Truppen aus Serbien vertrie-ben wurde, H. E.), sondern auch für 1914 (als Tito inder k.u.k. Armee kämpfte).

1944-45 (wurden) in Serbien zwischen 100 000 und150 000 Menschen umgebracht. . . Erst als HerrSerbiens konnte Tito regelrecht Krieg führen. Er mo-bilisierte dort ein Heer von etwa 250 000 Soldaten,das die Russen bewaffneten, und setzte es gegenPaveli6 in Marsch - in Wirklichkeit ein Krieg zwi-schen Serbien und Kroatien. Doch paradox genugkämpften die serbischen Soldaten - jetzt ,,jugosla-wische Armee“ genannt - nicht, um ihre Brüder undSchwestern zu rächen, zu befreien, sondern um Titoin Kroatien und Slowenien an die Macht zu bringen.Karlheinz DeschnerlMilan Petrovk?: Weltkrieg der Religionen.Der ewige Kreuzzug auf dem Balkan, StuttgatilWien: Weit-brecht 1995, S. 276 ff.

0 1995 by K. Thienemanns Verlag, StuttgatVWien/Bern

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Der Zweite Weltkrieg in Jugoslawien / Titos Staat und sein Zerfall

IA131

Schachbrett Balkan

Auf Initiative Churchills wurden die Ein-flußsphären auf dem Balkan für die Zeitnach dem Krieg aufgeteilt. Die beidenZettel mit den Handschriften von Stalinl inks (kyr i l l i sche Buchstaben) undChurchill rechts wurden während einesTreffens in Moskau am 9. Oktober 1944geschrieben. Aufteilung wie folgt (ersteZahl sowjetischer, zweite Zahl britischerEinfluß): Rumänien 90/10; Griechenland10/90; Jugoslawien 50/50; Ungarn 50/50und Bulgarien 75/25.

Le Monde, 21.1.1992: nach:Michael W. Weithmann: Balkan-Chronik.2000 Jahre zwischen Orient und Okzi-dent. RegensburglGraz/Wien/Köln: Pu-stet, 1995, S. 435

1 A 14 1 Zahlen über Opfer

Stalins Handschrift Churchills Handschrift

Die Mystik der großen Zahl wurde eingeleitet durcheine Bemerkung Titos vom Mai 1945, derzufolge Ju-goslawien 1,7 Millionen Kriegstote zu beklagenhatte . . . Ob man es gutheißt oder mißbilligt: Zahlenspielen im politischen und gesellschaftlichen Lebeneine Schlüsselrolle. Sie werden zu Fixpunkten fürGruppenschicksale und Gruppenidentitäten, fürOpfermythen und Feindbilder. Darauf beruht ihrefast magische Kraft. Das sozialistische Regime inJugoslawien war daher schlecht beraten, als es dieDiskussion über die Zahl der Kriegsopfer unterband.Denn die Tabuisierung schuf einen idealen Nährbo-den für Legendenbildungen aller Art. Und mit dereinsetzenden Erosion des Regimes in der zweitenHälfte der achtziger Jahre schossen auch die pseu-dowissenschaftlichen ,,Enthüllungen” über die Opferdes Zweiten Weltkrieges wie Pilze aus dem Boden.Die Sensationspresse tat das ihre, um die Vergan-genheit im nationalistischen Geist neu zu interpre-tieren und die Emotionen der Bevölkerung zuschüren. Jetzt ,,reichte“ es nicht mehr, daß im Kon-zentrationslager Jasenovac 600 000 bis 700 000Menschen ermordet worden waren (wie bisher be-hauptet), sondern nun mußten es mindestens 1,lMillionen sein. Und der Abrechnung bei Bleiburgwaren nicht ,,nur” einige zehntausend, sondernmehr als hunderttausend Kroaten zum Opfer gefal-len. Kurzum: Die Nationalisten aller Lager präsen-tierten ,,ihre“ Opfer (und zwar je mehr, desto besser)und klagten Vergeltung ein.

Obwohl über den Zweiten Weltkrieg in Jugoslawienweit mehr als 50 000 Artikel und Bücher währendder Tito-Ära geschrieben wurden, konnte von einerVergangenheitsbewältigung keine Rede sein. . . alleheiklen Themen blieben permanent tabuisiert. Unddie Saat der unbewältigten Vergangenheit ging ander Schwelle zu den neunziger Jahren in unerwartetblutiger Form auf.Holm Sundhaussen: Experiment Jugoslawien, a.a.0 (vgl.A 9), S. 94 f.

1 A 15 1 Titos Staat vor dem Zerfall

Globus 2882

Saupe
Keine Rechte
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30 Titos Staat und sein Zerfall

1~16) Das verschwundene Rezept

,,Aus dieser Vielfalt einen bekömmlichen Slibowitz zu brennen -dieses Rezept hat Meister Tito wohl mit ins Grabgenommen!“

Ein kompliziertes Gebilde

Josip Broz Tito soll die kompliziertesteStaatsschöpfung des 20. Jahrhundertsso charakterisiert haben:,,lch regiere ein Landmit zwei Alphabeten,drei Sprachen,vier Religionen und fünf Nationalitäten,die in sechs Republiken leben,von sieben Nachbarn umgeben sindund mit acht Minderheitenauskommen müssen.“

A 18 Der Zerfall Jugoslawiens

Durch den Austritt der slowenischen Mitglieder des,,Bundes der Kommunisten Jugoslawiens“ war dieEinheitspartei Anfang 1990 gesprengt. Slowenien

Zeichnung: Jupp Wolter

gestand sich selbst das Sezessionsrecht zu undverbat sich jede Einmischung der Bundesorgane. Inden Folgemonaten ,,erklärten sich Slowenien undKroatien und schließlich auch die übrigen Teilrepu-bliken für souverän. Lediglich Serbien und Montene-gro wollten im jugoslawischen Staatsverband blei-ben. Damit war die jugoslawische Verfassung außerKraft gesetzt . . .

Jugoslawien hatte im vorausgegangenen Jahrzehnteine tiefgreifende Wirtschaftskrise durchlitten, diesich in sinkender Produktion, wachsender Arbeitslo-sigkeit und einer rapiden Verschlechterung des Le-bensstandards äußerte. 1989 erreichte die Aus-landsverschuldung den Rekordwert von 16,5Milliarden US-Dollar, die Inflation stieg . . . auf 2700Prozent . . . Nacheinander gingen die Teilrepublikenzum gegenseitigen Wirtschaftskrieg über: Die Ein-führung separater Zahlungsmittel, Strafsteuern aufImporte aus anderenRepubliken sowie ein umfang-reicher Warenboykott führten zur endgültigen Spal-tung des jugoslawischen Wirtschaftsraums. Auf al-len Ebenen des öffentlichen Lebens (auch immilitärischen und außenpolitischen Bereich) gingendie Republiken zu einer vom Bund unabhängigenPolitik über.“Zitat: Marie-Janine Calic: Der Krieg in Bosnien-Herzegowina.0 Suhrkamp Verlag Frankfurt 1995, S. 36 f.

Haus auf der Alb
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Ein Vielvölkerstaat

BI-B20 Die neuen Balkan kriegel l

Familienverflechtungen

Ein 59jähriger fand nach vier Jahren seine Tochterwieder, die auf moslemischem Gebiet lebte

DOBOJ. Im minenverseuchten Niemandsland Bos-niens hat eine jugoslawische Familientragödie jetztein glückliches Ende gefunden. An einem Check-point schwedischer Friedenstruppen in der Näheder Serbenhochburg Doboj schließt ein 59jährigerMann zum ersten Mal nach vier Jahren seine Toch-ter wieder in die Arme, die während des Bosnien-krieges auf moslemischem Gebiet gelebt hat.

,,lch bin überglücklich, ich fühle mich wie neugebo-ren“, stammelt tränenüberströmt Jozef Zier; außerseiner Tochter NataSa hat er auch seine sechs-jährige Enkelin Amanda wiedergefunden. Auchseine Frau Dragana kann das Glück kaum fassen,das sich nur wenige Schritte neben einem tödlichenMinenfeld eingefunden hat.

Doch der Krieg auf dem Balkan hat der Familie Zierbis dahin nur Unheil gebracht. Ihr Schicksal ist fastidentisch mit dem Zerfall des Vielvölkerstaates Ju-goslawien. Jozef Zier, ein Angehöriger der tschechi-schen Minderheit in Serbien, war 1965 aus beruf-lichen Gründen zusammen mit seiner serbischen

Frau Dragana in den Norden Bosniens gezogen. IhrGlück und das der drei Kinder - zweier Söhne undeiner Tochter - wurde durch die tragische Entwick-lung auf dem Balkan zerschlagen.

,,Mein ältester Sohn hat eine Kroatin geheiratet undist nach Vukovar (im noch serbisch kontrollierten TeilOstslawoniens) gezogen”, erzählt Jozef Zier. Dorthat er in der kroatischen Armee gegen die Serbengekämpft und wurde schließlich 1991 während derBelagerung der Stadt zum hundertprozentigen Inva-liden. Der jüngere Sohn wiederum wurde Soldat inder Armee der bosnischen Serben; auch er kehrteals Schwerstinvalide zurück.

,,Zu guter Letzt hat es noch meinen SchwiegersohnSead erwischt, der als Moslem in der bosnischenRegierungsarmee kämpfen mußte“, sagt Jozef Zierverbittet-t. ,,Er ist vor etwa einem Jahr, nur wenigehundert Meter von dieser Stelle entfernt, gefallen“,zeigt Zier zu ausgebrannten Panzerwracks in denumliegenden Feldern. ,,Unsere Familie hat einfachdas Schicksal Jugoslawiens geteilt“, meint er. ,,Jetztkönnen wir nur noch warten, ob uns Gott noch et-was gibt.”

Wertheimer ZeitunglMain-Echo Aschaffenburg, 13.5.1996(Günther Chalupa, dpa)

tEl Ethnische Verflechtung einer jugoslawischen Familie

Jozef ZierVater (Tscheche)gehört zur tschechischenMinderheit in Serbien

00 Dragana ZierMutter (Serbin)

1. Sohn 00 Kroatin

Kämpfte in derkroatischen Armeegegen Serbien,Wohnung in Vukovar

100 % Invalide

2. Sohn Tochter NataSa ~0 Bosnier (Muslim)

Soldat bei den Soldat in derbosnischen Serben bosnischen Armee

ISchwerstinvalide Gefallen im Kampf

gegen bosnischeSerben

Vier Nationalitäten in einer Familie: Zwei Söhne und der Schwiegersohn kämpften in drei verschiedenenArmeen.

Zu B 1: Bericht von Günther Chalupa, Wertheimer Zeitung, 13.5.1996 (dpa)

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32 Ein Vielvölkerstaat

1831 Ethnische Landkarte um 1990

r B 4 1 Jugoslawiens Wirtschaft vordem Krieg

Bevölkerung Jährl. Index Export- Arbeits-des Pro-Kopf- quote losenquoteEinkommens

% % %(1990) (1990) (1990) (1981)

JugoslawienSlowenienKroatienSerbienWoiwodinaKosovoBosnien-HerzegowinaMontenegroMakedonien

100 100 100 14,9

8,1 212 28,8 1,519,8 123 20,5 5,624,6 93 20,8 14,9

8,6 119 8,3 12,5

893 31 1,3 27,718.9 74 14,4 14,l

28 78 16 15,0

899 66 4,l 22,3

Zusammenstellung: Dietmar Herz

Quellen: Alexandra Stiglmayer: Das Ende Jugoslawiens.Bonn, 1992, S. 10 (Informationen zur politischen Bildungaktuell). Statistisches Jahrbuch Jugoslawiens, Belgrad 1991

1 B 5 1 Fluchtbewegungen

Zeichnung: Fritz Behrendt, 7991

Saupe
Keine Rechte
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Konfliktursachen und Kriegsziele

I Ängste auf beiden Seiten

@ Der bedrohliche Norden . . .

So sehen die Serben die ,,kroatisch-slowenische Gefahr“ ausdem Norden. In der Mitte liegt, schutzlos, Bosnien und Her-zegowina.

Politika, 10.10.1990, nach: Osteuropa 4 1 (1991), S. A 281

B 7 Konflikte um die Krajina

Die habsburgische Verwaltung organisierte seit1535 zur Verteidigung gegen die Türken die kroati-sche Militärgrenze. Ein Gebietskorridor wurde voneinem System von Wachtürmen, Wehrdörfern undFestungen durchzogen. Kroaten und von den Tür-ken vertriebene Serben ließen sich dort nieder. DenSerben gewährten die Habsburger Privilegien wieSelbstverwaltung und eine eigene Rechtsprechung.Deshalb kam es immer wieder zu Auseinanderset-zungen mit den dort lebenden Kroaten. Staatsrecht-lich gehört der ca. 170 km lange Landstreifen zuKroatien.

Als 1990 die Unabhängigkeitsbewegung in Kroatienerstarkt, rufen die kroatischen Serben das ,,Auto-nome Gebiet Krajina“ aus, das sich im Dezember1990 von Kroatien lossagt, sich 1993 zum autono-men Staat erklärt und einseitig den Anschluß an dieRepublik Serbien beschließt. Die Krajina blockiertesämtliche Verbindungen zwischen Kroatiens Nordenund seiner dalmatinischen Küste. Im August 1995eroberte die kroatische Armee die Krajina. Einigehunderttausend Serben flüchteten in die RepublikSerbien oder in serbische Gebiete in Bosnien-Her-zegowina.

@ . . . und die Panzer der Serben

Zeichnung: Freimut Wössner, 1992

1 B 8 1 Internationale Reaktionen

Zeichnung: Horst Haitzingec 1992

I ,,Alle serbischen Länder eineinheitlicher Raum“

Erklärung des Kongresses serbischer Intellektuellervom 30. Märi! 1992

1. In Sorge über die grobe Zerstückelung alter eu-ropäischer Staaten macht der Kongreß serbischerIntellektueller Bosniens und Herzegowinas daraufaufmerksam, daß dies zu Konflikten führen kann, dieEuropa großen Schaden zufügen werden. Für alles,was sich daraus ergeben könnte, tragen die Serbenkeine geschichtliche Verantwortung.

2. Das serbische Volk akzeptiert keine staatlicheGemeinschaft, die von den Interessen der Groß-

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:j 34 Konfliktursachen und Kriegsziele / Was sind die Bosnier?

mächte, des europäischen katholischen Klerikalis-mus und des wiedererweckten Panslawismus be-stimmt wird . . .

3. Serben, Muslime und Kroaten müssen sich, an-gesichts geschichtlicher Erfahrungen und des ge-genwärtigen Zustands ihrer Beziehungen, möglichstgerecht trennen und abgrenzen, um die Gründe fürden Haß und das Töten zu beseitigen und um mor-gen in der Lage zu sein, . . . sich in allem, was für siealle vernünftig und nützlich ist, zu vereinigen.

4. Der Kongreß der serbischen Intellektuellenmacht auf die Tatsachen aufmerksam, daß dasSchicksal des Serbenturns unteilbar ist . . . . weil alleserbischen Länder ein einheitlicher Raum sind.

Zit. nach Osteuropa 45 (7995), S. A 645f.; Quelle: Republik&Nr. 91, l.-15. Mai 1994, S. 20

IB101 ,,Zur Selbstverteidigunggezwungen“

Resolution des Zweiten Kongresses serbischerIntellektueller über die serbische Frage heute, vom23. April 1994

Seit der Abspaltung Sloweniens, Kroatiens, Make-doniens sowie Bosniens und Herzegowinas von derSozialistischen Föderativen Republik Jugoslawienist die serbische Frage wieder offen, da die serbi-schen Länder unter den neuen Staaten aufgeteiltsind und das serbische Volk entrechtet und erneutdem Genozid ausgeliefert ist. Ausrottung serbischerFamilien, Vernichtung serbischer Häuser und allenEigentums, von Friedhöfen und Kirchen sind ein Be-standteil des Angriffs auf das serbische nationaleWesen . . .

Dies ist das dritte Mal in diesem Jahrhundert, daßdieselben alten Feinde, unterstützt von einigenneuen, den serbischen Volkskörper zu zerstückelnund ihn in naher Zukunft zu vernichten versuchen.Die internationale Gemeinschaft, verkörpert in derOrganisation der Vereinten Nationen und in der Eu-ropäischen Union, hat . . . dem serbischen Volk dasRecht auf Selbstbestimmung verweigert. Die serbi-schen Länder sind umschlossen von einer totalenBlockade. In der internationalen Öffentlichkeit wirdweiterhin ein wütender Propaganda-Krieg gegen dieSerben geführt, an dem, zu unserem Bedauern undzu deren Schande, auch einzelne serbische Intellek-tuelle teilnehmen. Dem serbischen Volk ist der Kriegaufgezwungen worden. Die Serben sind zur Selbst-verteidigung gezwungen worden. . . . Es gibt keineAlternative zum einheitlichen Staat des serbischenVolkes.Zit. n. Osteuropa 45 (1995), S. A 646 f.; Quelle: Republika, Nr.97, 1.-15. Mai 1994, S. 20

1 B 11 1 Dazwischen

Zeichnung: Burkhard Mohr, 7995

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1 B 12 1 Die bosnischen Muslime, 1993

Im gegenwärtigen Krieg in dieser Region, der durcheinen aggressiven serbischen Nationalismus aus-gelöst wurde, sind die bosnischen Muslime dieschwächste Partei. Ihre Allianz mit den einheimi-schen Kroaten wie auch mit der Republik Kroatienist brüchig. Ihr politisches Ziel, ein gemeinsamer,multinationaler, unabhängiger Staat Bosnien undHerzegowina, ist kaum mehr zu erreichen. Kroatienscheint sich mit Serbien über eine ethnische Kanto-nisierung . . . verständigt zu haben. Beide schaffendie Grundlage für ,,ethnisch reine“ Territorien: dieSerben mit brutaler Gewalt und Vertreibung, dieKroaten strukturell (zum Beispiel durch den Aus-schluß der Muslime von politischen Amtern in dersogenannten Kroatischen Republik Herceg-Bosna).Vor diesem Hintergrund kämpfen die bosnischenMuslime nicht nur um einen Platz zum Leben, son-dern buchstäblich um ihr Leben.Werner Weilguni, in Osteuropa 43 (1993), S. A 96

1 B 13 ) GradiSka

Seit 1991 versuchen alle Völker im ehemaligen Ju-goslawien, ihre Identität auch sprachlich zu begrün-den und geben Qigene Wörterbücher heraus. EineAugenzeugin schreibt über das bosnische Städt-chen Gradi5ka vor dem Zerfall Jugoslawiens:

,,Wir alle sprachen eine Sprache, Serbokroatisch ge-nannt, mit kleinen Unterschieden. Kroaten und Ser-ben sprachen gleich, es gab keine Unterschiede imAkzent oder in der Aussprache. So war es auch mitden Moslems, wenn sie gebildet waren und in derÖffentlichkeit sprachen. In ihrer Privatsphäre dage-

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Was sind die Bosnier? / Der Krieg um Sarajewo und die Folgen-

gen sprachen sie eine mit türkischen oder aus demtürkischen abgewandelten Wörtern gespickte Spra-che. Sie grüßten sich auch anstatt mit ,,Dobar dan”,zu deutsch Guten Tag, mit einem ,,Merhaba”. Außer-dem konnten sie kaum zwischen einem harten,,tsch” und einem weichen ,,c“ mit Accent aigu un-terscheiden. Die serbischen Bauern grüßten nochmit einem ,,Gotthelfe” und die kroatischen Bauernaus Preko, aus Slawonien über der Sawe mit einem,,Gelobt sei Jesus und Maria”.

Im Städtchen gab es regelmäßig auch eine politi-sche, horizontale Rotation: Marko, der Serbe, warder Bürgermeister, Zvonko, der Kroate, war der Di-rektor der Anstalt für Sozialversicherung, Hamdija,der Moslem, war Direktor der Möbelfabrik usw. Invier Jahren bekam Marko die Stelle des Direktorsder Anstalt für Sozialversicherung, Hamdija wurdeBürgermeister, Zvonko wurde Direktor der Möbelfa-brik. Und so ging es weiter, immer waren oben diegleichen Leute, Parteigenossen, die sich nach Na-tionalschlüssel, weil das Pflicht war, die Stellen teil-ten.”Sonja Skuin-Dinie: Bosnien - oder Über die Gerüche einesLandes, welches nicht mehr existiert. Typoskript 1997, o. S.

B 14 Was sind die Bosnier?

In Slowenien leben die Slowenen, in Kroatien dieKroaten, in Bosnien die . . . hier stockt man schon.Die ,,Bosnier” wissen nämlich nicht, ob es sie gibtoder nicht, sind sie Serben, Kroaten oder Türken?Man nennt sie oft Türken, aber das sind sie nicht.Daß sie Serben oder Kroaten sind, haben sie bei-nahe vergessen. Aber sie sprechen Serbokroatisch

Branko hat sich früher als Heckenschütze auf serbi-scher Seite betätigt. Er zeigt auf eines der Hoch-häuser unmittelbar am Flußufer. ,,Da oben hatte ichdas Holiday Inn im Visier. Das ungeschriebeneMotto hieß: Für jeden toten Serben zwei Moslems.“

Der 35jährige ist sich keiner Schuld bewußt, aber erfürchtet Vergeltung. ,,Die Moslems werden wieder-kehren und ihre Häuser und Wohnungen zurückfor-dern“, beschreibt er die vermeintlich ausweglose Si-tuation. ,,Alija Izetbegovic will alle Serben, die seinerMeinung nach Kriegsverbrecher sind, vor Gerichtstellen. Wer bleibt da noch übrig?“

. . . wie die Kroaten, verwenden aber meist das kyril- Renate Flottau: Beirut auf dem Balkan, Der Spiegel 49/ 1995,lische Alphabet wie die Serben und gebrauchen un- s. 759 ff.

zählige türkische Worte. . . . So heißt ,,Brücke“ allge-mein ,,most”, hier abercuprija, von einem türkischenWort ,,köprü”. Die Brücke über die Drina ist eineCuprija, kein most.Ernst Neumayr: Zwischen Adria und Karawanken, Stuttgart:Goverts 7964; zit. nach MiloS Okuka, Petra Rehder: Daszerrissene Herz; Reisen durch Bosnien-Herzegowina1530-1993, München: Beck 1994

IB16]

In einem StadtteilSarajewos

In Grbavica sollen 20 000 Serben leben, doch derStadtteil wirkt wie ausgestorben. Nahezu alle Fen-sterscheiben sind zerschlagen, die Wohnungen un-beheizt. Einige erfrorene Hunde liegen auf derStraße, die Temperatur sank bis auf minus 16 Grad.Niemand arbeitet, niemand bezieht Lohn . . . Zwi-schen den Straßenzügen sind Seile mit langenschwarzgrauen Decken gespannt - Schutz für Pas-santen vor moslemischen Scharfschützen.

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Die belagerteStadt Sarajewo

Der Spiegel 49f 1995,s. 159

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36 Der Krieg um Sarajewo und die Folgen

1 B 17 1 Sarajewo 1995/96

@ 1995: Unter dem Beschuß von serbischen Heckenschüt-zen rennen Zivilisten um ihr Leben.

Abb. aus dem Band: Zoran Filipovic Hans Koschnick; ClausLeggewie: Entseeltes Land, Freiburg, Basel, Wien: Herder1995, s. 57 0 Foto: Filipovic’

@ Ein Moslem auf denTrümmern einer zerstörtenMoschee im ehemals vonserbischen Rebellen be-setzten Sarajewo-Vorortllijas, aufgenommen am2.51996. Vor der Über-gabe der serbisch kontrol-lierten Stadtteile an diemoslemisch-kroatischeFöderation im März 1996haben abrückende Ser-ben einen Ort der Verwü-stung geschaffen.

Bild: dpa

1 B 18 1 Flüchtlingsströme

Zeichnung: Walter Hanel 1995

1 B 19 1 Internationale Beobachter

Was kreuzen wir denn heute an?

Zeichnung: Horst Haitzinger, 1994

1 B 20 1 Luftangriffe der NATO

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, ButrosGhali, begründet, warum die UN0 die NATO er-mächtigt hat, Luftangriffe gegen die Stellungen derbosnischen Serben zu fliegen:

,,Nachdem die Vereinten Nationen festgestellt ha-ben, daß der tödliche Angriff auf das Stadtzentrumvon Sarajewo am Montag von Stellungen der bosni-schen Serben ausging, haben sie die NATO gesterndazu ermächtigt, Luftangriffe auf militärische Stel-lungen der bosnischen Serben zu fliegen. Ziel die-ses Vorgehens ist es, in Ubereinstimmung mit derResolution 836 des Sicherheitsrats, von weiterenAngriffen auf Sarajewo und andere UNO-Schutzzo-nen abzuschrecken.

Die Luftoperationen wurden in Übereinstimmung mitVereinbarungen durchgeführt, die von den VereintenNationen und der NATO auf der Grundlage der Ent-scheidungen des Nordatlantik-Rats vom 25. Juliund 1. August getroffen wurden. Der Generalse-kretär der Vereinten Nationen hat diese gebilligt.

Es ist äußerst wichtig zu verdeutlichen, daß sich amZiel der Vereinten Nationen in Bosnien nichts geän-dert hat - zur Linderung des Leids der zivilen Opferbeizutragen und den Weg für eine Verhandlungslö-sung zu bereiten. Der einzige Feind der VereintenNationen ist der Krieg an sich.

Der Generalsekretär fordert die Beteiligten dazu auf,die jetzt bestehende Gelegenheit zu nutzen undendgültige Verhandlungen aufzunehmen. Es ist ander Zeit, dem Blutvergießen ein Ende zu setzen.”Süddeutsche Zeitung, 3 1. August 1995 (AP)

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Der Friedensvertrag von DaytonC

37

Cl-Cl8 Die Umsetzung desFriedens von Davton

m Bosnien und Herzegowina gemäß Dayton-Abkommen

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S E R B I E N

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Politische Gliederung von Bosnien und Herzegowina

0 Föderation Bosnien und Herzegowina 0 Serbische Republik (Republika Srpska)

Grundlage: Auswärtiges AmVGeographischer Dienst, Ref. 116-9. Bearbeitung: Hugo Eckert, Klaus Schube.

Mit den verwendeten Bezeichnungen und kartographischen Darstellungen wird nicht zum Rechtsstatus von Hoheitsgebieten Stellung genommen

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i:::iiic4:i;::i 38 Der Friedensvertrag von Dayton

Lw Das Friedensab-kommen von Dayton

Im militärischen Teil des Vertrages verpflichtetensich die Parteien, ihre Armeen binnen dreißig Tagenhinter die Waffenstillstandslinien zurückzuziehenund entlang dieser Linie eine etwa vier Kilometerbreite entmilitarisierte Zone einzurichten. Gleich-zeitig sicherten sie zu, alle externen militärischenKräfte sowie die schweren Waffen aus der Republikabzuziehen und die Kriegsgefangenen freizulassen.Eine 60 000 Mann starke internationale Armee(IFOR: Implementation Forte), die unter NATO-Kommando steht und den Friedensvertrag vonDayton umsetzen soll, löste die LJNO-Blauhelm-Soldaten ab.

Der politische Teil des Friedensabkommens be-sagt:

l Bosnien-Herzegowina bleibt als einheitlicherStaat in seinen international anerkannten Gren-zen erhalten;

l der Staat besteht aus zwei ,,Einheiten”, dermuslimisch-kroatischen Föderation, die 51 Pro-zent des Territoriums erhält, sowie aus derSerbischen Republik, die 49 Prozent verwaltensoll;

t die ostbosnischen Enklaven Srebrenica undZepa fallen der Serbischen Republik zu, Go-raide wird über einen Korridor mit der Födera-tion verbunden;

l das serbische Gebiet um Banja Luka wirdüber einen Korridor mit Ostbosnien verbunden;der Status der Stadt Brcko wird von einer inter-nationalen Schiedskommission bestimmt;

l Sarajewo bleibt die ungeteilte HauptstadtBosnien-Herzegowinas;

l gesamtstaatliche Institutionen sind ein Zwei-kammer-Parlament, ein dreiköpfiges Präsidiumund eine Zentralregierung, ein Verfassungs-gerichtshof und eine Zentralbank;

l die Kompetenzen der Bundesregierung um-fassen die Bereiche Außenpolitik, Außen-handel, Zollpolitik, Einwanderung und Staats-bürgerfragen, Transportwege und Geldpolitik(gemeinsame Währung)

l alle Flüchtlinge erhalten das Recht, in ihreHeimatorte zurückzukehren;

l Personen, die als Kriegsverbrecher verdäch-tigt werden, sind,,von politischen Funktionenund öffentlichen Amtern ausgeschlossen; dieUnterzeichnerstaaten verpflichten sich, dasKriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag beiseiner Arbeit zu unterstützen;

l innerhalb von sechs bis neun Monatenwerden demokratische Wahlen abgehalten;

l die Parteien verpflichten sich, die internatio-nalen Menschenrechtsstandards zu wahren undMenschenrechtsbeobachter zuzulassen. EineMenschenrechtskommission und eine Ombuds-person sollen die Einhaltung der Menschen-rechte überwachen:

l die Nachfolgestaaten Jugoslawiens werden sich gegenseitig anerken-nen, dafür werden im Gegenzug die Sanktionen gegen die Bundesrepu-blik Jugoslawien ausgesetzt.

Marie-Janine Calic: Das Ende Jugoslawiens: in: Informationen zur ooliti-sehen Bildung (aktuell) 253 (1996), S. 12 f

1 C 3 1 Partner und Garanten des Vertrages

Potpisano u Parizu. 14. decembra 1995. na bosanskom. hrvaükom.cnglcskom i srpskom jcziku, pri tcmu je svaki tckst jednako auvnri&n.

Sklopljcno u Ptiu. dne 14. prosinca 1995. na bosanrkom. hwatskom. englcskom isrpskom jcziku. s time da je svaki rekst jcdnako vjemdostojan.

Donc at Paris, this 14th day of deccmbx. 1995. in thc Bosnien. Croatian. English andSerbian languagcs, each text bang equally authcntic.

IIom~ca~o y IIapiuy, ~2 nah 14. ncue~6pa 1995. da ~OC~HCKOM. xpaarc~o~,enmuxoM iI cpncux junlcy, c TUM um je cran TcKcT jeiwan ayretmmw.

ZaRcpubliku Bosnu iHenxgovinu

Za RepubWcu Bosnu iHcrcegovinu

FortheRepublic of Bosniaand Herzegovina

3a Pcnyomocy Focxy HXepucmsluIy

Zz. Republiiu Hrvatrku

Za RepubWcu Hrvatsku

For tie Rcpublic of Cmatia

3a PcrryoJixKy XpeaxKy

Za Savc.mu Rcpubl i iJugoslaviju

Za Savcmu RepublikuJugoslaviju

For the Federal Rcpublic ofYugoslavia

3a Caxxry Pcnyommy

Svjedoce. Witnessed b y , Csenose

Z.a PrcdsjcdniitvoEvropskc Unijc

Za PrcdsjcdniitvoEumpskc Unijc

For thc Prcsidcncy ofthe Eumpcan Union3a npence~o

EBpOnCKC Ytmje

Za Francusku Rcpubliku

Za Francusku Repubhku

For tbc French Rcpublic

3a PcnyOnn~y 4pawycw

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Za Savcmu RepublikuNjcmaEku

Za Savcmu RepublikuNjemaCku

For the Federai Rcpublic ofGcnnany

3.3 c?.Fx.3liy PenyamucyHM.%uKy

Za Ruku Federaciju Za UjAliijeno KraljevstvoVelike Britaniic i Sievemc Irske

’ Za Rusku Fedcrxiju

For thc Russian Fedention

7.a UjedtijLu I&aljevinuVeliie Briranije i Sjevemc Irske

For the United Kingdom of

3a Pycq Q>cnepalllijyGreat Britain and Northem Ireland

3a YjennracHo KpamcscmoBcnvu<c Kp-je II Cesep~e Mpc~e

Za Sjedinjene GeriCkeD&VC

Za Sjedinjcnc AmeriEkeD&vc

For the United States of

Das im November ausgehandelte Abkommen von Dayton wurde am 14.Dezember 1995 in Paris von den Vertragspartnern und den Vertretern derBosnien-Kontaktgruppe unterzeichnet. Die Urkunde ist in bosnischer, kroa-tischer, englischer sowie serbischer Sprache abgefaßt und trägt die Unter-schriften von Izetbegovic (Bosnien-Herzegowina), Tudjman (Kroatien) undMiloSeviC (BR Jugoslawien). Als Paten und Garanten des Vertrages habenunterschrieben: Felipe Gonzalez (Europäische Union), Jacques Chirac(Frankreich), Helmut Kohl (Deutschland), Wiktor St. Tschernomyrdin (Ruß-land), John Major (Großbritannien) und William J. Clinton (Vereinigte Staa-ten). erb-he-ob

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Der Friedensvertrag von Dayton / Das gescheiterte Modell in Mostar

1 C 4 1 Geschafft, der Friede steht

Die vier Architekten des Bosnien-Abkommens:v. 1. n. r.: MiloSevi6, Clinton, Tudjman und IzetbegoviC.

Zeichnung: Horst Haitzinger, 1995

m Mostar und die EU

3.7.1992: Kroaten rufen die kroatische RepublikHerzeg-Bosna mit Mostar als Hauptstadt aus. AlsFolge flieht ein Teil der moslemischen Bevölkerungaus der Stadt.

1.3.1994: Moslems und Kroaten aus Bosnien-Her-zegowina unterzeichnen in Washington eine Rah-menvereinbarung über die Bildung eines gemeinsa-men Staates.

23.7.1994: Der frühere Bremer Bürgermeister HansKoschnick tritt in Mostar sein Amt als EU-Admini-strator an.

11.9.1994: Koschnick entgeht knapp einem An-schlag mit einer Panzerfaust.

10.11.1995: Auf der Bosnien-Friedenskonferenz inDayton wird ein Abkommen über die FöderationBosnien-Herzegowina geschlossen, das auch dieVereinigung der geteilten Stadt Mostar vorsieht.

7.2.1996: Koschnick legt per Dekret die Grenzen dersechs neuen Verwaltungsbezirke Mostars fest. Da-nach entgeht er knapp einem Angriff aufgebrachterKroaten.

2.4.1996: Koschnick scheidet vorzeitig aus demAmt als EU-Verwalter. Nachfolger wird der SpanierRicardo Perez Casado.

30.6.1996: Bei den Kommunalwahlen in Mostar be-haupten die national orientierten Parteien von Mos-lems und Kroaten ihre politische Vormacht.

157.1996: Die EU verlängert ihr Verwaltungsmandatin der geteilten Stadt um sechs Monate bis Ende1996.

23.7.1996: Die Kroaten boykottieren die konstitu-ierende Sitzung des neugewählten Stadtparlamentsund blockieren die Wahl eines gemeinsamen Bür-germeisters. Perez Casado beendet vorzeitig seinAmt. Die EU setzt den Briten Sir Martin Garrold alsSondergesandten ein.

24.7.1996: Die EU setzt eine letzte Frist zur Zusam-menarbeit bis zum 4. August und droht ein vorzeiti-ges Ende ihres Engagements an. Die Kroaten lassendas Ultimatum verstreichen, ohne einzulenken.

31.12.1996: Die EU gibt ihre Vermittlungsbemühun-gen auf und zieht ihre Verwaltung zurück.Nach: Wertheimer Zeitung, 5.8.1996 (dpa)

IDie aufgeteilteHauptstadt

MostarherzegowinischeGebietshauptstadt,im Bürgerkrieg geteilt,von 1994 bis 1996von der EU verwaltet.

Anmerkung: Der von der EU ge-plante zentrale Bezirk ließ sichnicht verwirk l ichen und be-schränkte die Zugangsmöglich-keiten zur EU-Verwaltung für Bos-niaken

50 km

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: : 40 Das gescheiterte Modell in Mostar

mDie Alte Brücke

Oben: Badende im Fluß Neretva nahe der historischen Brücke, die den kroatischen mit dem mosle-mischen Teil der herzegowinischen Stadt Mostar verbindet. Die Alte Brücke (Stari most), eine derSehenswürdigkeiten der Stadt, wurde 1556 von den Türken gebaut und 1993 im Bürgerkriegzwischen Kroaten und Moslems zerstört.

Unten: Bosniens Flagge weht 1994 auf der Behelfsbrücke, die über die Neretva führt. Westlich desFlusses leben vorwiegend Kroaten, östlich die Muslime. Die Brücke soll mit internationaler Hilfeoriginalgetreu wieder aufgerichtet werden.

Bilder: dpa

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Das gescheiterte Modell in Mostar 41

1 C 8 1 Schwierige Vermittlung

Ein Bericht des EU-Administrators

Der Grund für die Schwierigkeiten ist offenkundig:Es gibt auf der kroatischen Seite eine gewisseFührungsschicht, die immer noch die Hoffnung hat,daß es hier eine kroatische Lösung für Mostar ge-ben kann, daß also zumindest der Westteil rein kroa-tisch bleiben kann.

Diese Leute halten sich im Hintergrund, ich kenneihre Namen, aber selbst zum Gespräch mit mir sindsie nicht bereit - den wohl wichtigsten unter ihnenhabe ich nur einmal, nämlich unmittelbar nach demAttentat*, gesprochen. Aber wir spüren sehr genau,wann sie sich wieder eingeschaltet haben. Gernmöchte man sagen: Liebe Leute, Ihr habt hier einenVertrag über eine gemeinsame Stadt unterschrie-ben, lest ihn noch einmal und haltet Euch daran.Aber so geht es hier eben nicht: Was Papier anbe-langt, die Verträge, die Unterschriften - auf dem Bal-kan darf man auf so etwas nicht viel geben.

Wir müssen auch verstehen, weshalb gerade einigeKroaten so sehr blockieren, während die Muslimestets kooperationsbereit sind: Besonders die Hard-liner unter den Kroaten fühlen sich als Verlierer. Siewollten Mostar als kroatische Stadt für sich, amEnde zumindest die westliche Hälfte. Und nun müs-sen sie sich langsam an den Gedanken gewöhnen,daß sie ihr Ziel nicht erreichen werden. Das multi-kulturelle Konzept, das wir hier im Auftrag der Eu-ropäischen Union vertreten, entspricht doch nichtihren Vorstellungen, es ist für manche von ihnen dasabsolute Feindbild. Sie fragen sich nun: Wofür ha-ben wir denn gekämpft?

Das ist gewiß eine schwierigere Situation als die derMuslime. Die haben unter großen Opfern widerstan-den, fühlen sich also ein wenig als Gewinner, dennihr Konzept einer multikulturellen Stadt, für das sieausgeharrt und gelitten haben, soll jetzt von uns um-gesetzt werden. Da herrscht also - bei aller Trauer -bei den einen eine gewisse Befriedigung, die auf deranderen Seite sind deprimiert, sie müssen ihr Zielaufgeben und sich ein neues suchen.Hans Koschnick: Wir rennen gegen Wände, in: Hans Kosch-nickiJens Schneider: Brücke über die Neretva. München,1995, S. 126 ff.0 Deutscher Taschenbuch Verlag, München

* Attentat: Granatenanschlag auf das Büro von Hans Kosch-nick durch Mostarer Kroaten am 11. September 1994

1 C g 1 Die Positionen

Schon nach wenigen Wochen zeichnet sich für dieEU-Administration deutlich ab, wie die beiden Sei-ten zur Wiedervereinigung Mostars stehen. DieMuslime identifizieren sich vollkommen mit allenVorschlägen der Administration, die Kroaten brem-sen . . . Die Hardliner im Westteil verhehlen nicht, daß

sie die Zusammenführung der Stadt ablehnen undauf die Anwesenheit der EU-Administration wenigWert legen . . . Mile Puljic, der zweite Mann in derMostarer Stadtverwaltung, . . erklärt deshalb Repor-tern erst einmal, wie oft seine Worte schon falschwiedergegeben worden seien, gibt sich einige Minu-ten weltmännisch und legt dann doch alle Zurück-haltung ab: ,,Die Muslime und Kroaten gehören zweiverschiedenen Zivilisationen an“, behauptet er. ,,DerWesten der Stadt ist der kroatische Korpus. Dasdarf uns niemand wegnehmen. Wir haben mit denanderen nie zusammengelebt, und jetzt besteht einepsychologische Mauer zwischen beiden Seiten.“Die Muslime dürften auf der Westseite leben, ,,abersie müssen hier nach unseren Regeln leben“.Jens Schneider: Warum klopfen sie nicht alle Steine? In:KoschnicklJens Schneider: Brücke über die Neretva. Mün-chen, 1995, S. 85 f.0 Deutscher Taschenbuch Verlag, München

1 C 10 1 Das Scheitern der EU inMostar

Sang- und klanglos ist in der Neujahrsnacht nachzweieinhalb Jahren das EU-Mandat für Mostar aus-gelaufen. Das Pilotprojekt für die weitere Entwick-lung Bosnien-Herzegowinas ist auf der ganzen Liniegescheitert. Trotz einer Finanzspritze in Höhe von264 Millionen Mark, davon ein Drittel aus Deutsch-land, hat sich die Spaltung der Stadt in einen mos-lemischen Ostteil und einen kroatischen Westteilwegen der systematischen Vertreibung der letztenmoslemischen Einwohner aus den kroatischen Be-zirken noch vertieft. Der im Juni gewählte Bürger-meister und die gemeinsame Verwaltung für Mostarsind wegen ständiger Behinderung durch die Kroa-ten machtlos . . .

Bereits seit einem Jahr soll der kroatische Separati-stenstaat Herceg-Bosna aufgelöst und in die kroa-tisch-moslemische Föderation eingegliedert wer-den, die neben der serbischen Teilrepublik diezweite Säule des Einheitsstaates bildet. DochMostar ist zum Musterbeispiel dafür geworden, daßsich die Kroaten aus Herzegowina weigern, mit denMoslems zusammenzuleben oder -zuarbeiten. Sowurde mit EU-Geldern an der Neretva zwar ein sehraufwendiger neuer Bahnhof errichtet, eine wichtigeStation für den Personen- und Güterverkehr zwi-schen Sarajewo und der Adriaküste. Doch es fahrenkeine Züge, weil sich beide Volksgruppen um dieStreckenhoheit für die Fernzüge streiten. Die Schie-nen verlaufen teils auf moslemisch, teils auf kroa-tisch kontrolliertem Gebiet. Auch das neue Kranken-haus und die Universität, die aus Platzgründen imkroatischen Westteil errichtet werden mußten, sindzu Symbolen der fortdauernden Teilung geworden.Sie sind für moslemische Patienten und Studentengesperrt.Wolfgang Kuballa, in: Badische Neueste Nachrichten,3. Januar 1997

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c42 Weitere Herausforderungen

1 C 11 1 Der Sonderfall BrCko

Vor Beginn des Krieges im Frühjahr 1992 war BrCkoein Spiegelbild Bosnien-Herzegowinas. Im Gemein-debezirk lebten 87 000 Einwohner. 44% warenMuslime, 25% Kroaten und 21 % Serben; der Restfiel unter die Kategorien ,,Jugoslawen” und ,,An-dere”. In der Gegend um BrCko soll es im Frühjahr1992 zu den ersten Massentötungen gekommensein; in einem Lager in der Nähe wurden nach Er-kenntnissen der bosnischen Regierung ca. 3000Muslime ermordet. Fast alle Kroaten und Bosniakenflohen damals aus der Stadt. Um BrCko gab es dievielleicht verlustreichsten Kämpfe des bosnischenKrieges. Die Serben versuchten immer wieder, denfür sie lebenswichtigen Korridor zu verbreitern. DieKroaten von Norden und die Bosniaken von Südenwollten diese Lebensader der Serben durchtrennen.Aber keine Seite konnte einen kriegsentscheiden-den Vorteil erkämpfen, und so blieb es bis zuletztbeim Patt.

Wie zäh um die Stadt an der Save gerungen wurde,zeigt, daß bei den Dayton-Verhandlungen keine Ei-nigung über deren Zukunft erzielt wurde. Der Streitum BrCko drohte das ganze Friedensabkommenscheitern zu lassen. Also wurde das Problem aus-geklammert, die Stadt und der Korridor, an seinerschmalsten Stelle kaum fünf Kilometer breit, bleibenunter serbischer Kontrolle.

Die internationale Schiedskommission, die nachdem Dayton-Abkommen eingesetzt wurde, hat nunentschieden, daß BrSko bis zum 15. März 1998 un-ter internationale Oberaufsicht gestellt wird, aberunter serbischer Kontrolle bleibt. US-Einheiten derSFOR werden ihre Präsenz in der Gegend verstär-ken. Als Ziel nannte der Vorsitzende der Schieds-kommission, der Amerikaner Robert Owen, den Ab-bau der Spannungen in dem Gebiet und den Aufbaueiner multi-ethnischen Gesellschaft. Flüchtlingensoll die Rückkehr ermöglicht werden, mit Hilfe derOSZE sollen freie und faire Wahlen durchgeführtwerden.Dietmar Herz, nach: Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süd-deutsche Zeitung, 14.2.1997

land die ersten Opfer serbischer Marodeure waren. . . Rund 60 Prozent der Menschen, die in der Bun-desrepublik Unterschlupf fanden, wurden von denSerben davongejagt. Der Vergleich mit den wohl-genäht-ten Rückkehrern, die auch noch im eigenenAuto, mit Fernseher und modernen Klamotten an-kommen, bohrt in vielen Daheimgebliebenen. Nurein kämpfender Bosnier sei ein guter Bosnier gewe-sen, meint Veteran H. H., 50: ,,Unsere Kämpfer-Frauen sollen viele Kinder gebären, auf die feigeBrut der Rückkehrer können wir verzichten, diemacht sich auch das nächste Mal davon.“ Derzeitkommt es überall im Land zu erbitterten Fehden,wenn Vertriebene tatsächlich Ansprüche auf Hausund Hof erheben: Jede zweite Familie hat in diesemKrieg ihr Hab und Gut verloren und wohnt in Unter-künften der ehemaligen Feinde. Die besetzten Häu-ser wollen sie dann meist nicht auch noch aufgeben.Und in Kellern und Schuppen liegen noch immerausreichend Waffen bereit.

Ein Modell für die Heimkehr der Flüchtlinge könntejedoch ein Projekt im nordwestlichen Kanton UnaSana sein. Dort werden, bisher einmalig in Bosnien,Vertriebene freudig aufgenommen. Nach Listen, diein den Zufluchtsländern erstellt werden, prüfen Dör-fer und Städte in Una Sana, was die Heimkehrer er-wartet: ob das alte Haus noch steht, ob es einenJob gibt, wie es mit der Strom- und Wasserversor-gung aussieht und welche Ausbildung die Kinder er-wartet. Unter der Federführung des bosnischenFlüchtlingsministers und mit Geldern der Europäi-schen Union bereiten die bosnischen Gemeindendie Heimkehr von Zehntausenden von Menschenvor: Häuser werden instandgesetzt, Baumaterialund Kredite vermittelt. Die EU bewilligte bislang 70Millionen Mark Aufbauhilfe. Heimkehrer, so erkannteman, sind auch eine Chance für die Region. Siebringen Auslandskontakte, Know-how und vor allemGeld in das geschundene Land.Nach Susanne Koebl: fine Frage der Ehre, in: Der Spiegel4411996, S. 63-68

1 C 12 1 Die Bosnienflüchtlinge

Der Vertrag von Dayton sichert allen bosnischenBürgerkriegsflüchtlingen theoretisch die sichereRückkehr nach Bosnien in ihre angestammte Hei-mat. Aber viele werden in den Augen der eigenenLandsleute als Feiglinge und Deserteure angesehen,sie werden angefeindet und bedroht, nicht nur vonden einstigen Kriegsgegnern. Nach Augenzeugen-berichten hassen die Daheimgebliebenen die Ge-flüchteten fast so sehr wie ihre einstigen Todfeindeim Krieg - obwohl viele der Flüchtlinge in Deutsch-

1 C 13 1 Die Mauer in den Köpfen

Auf einer Anhöhe am Stadtrand von Sarajevo, wodie bosniakisch-kroatische Föderation endet undder andere Teil Bosniens, die Serbische Republik,beginnt, wird kein Taxifahrer, kein Ubersetzer, keinesonstige Person von hüben oder von drüben um ir-gend etwas in der Welt dazu zu bringen sein, wei-terzugehen oder weiterzufahren. Bosniakische Poli-zisten sehen hier nach dem Rechten und bemühengelegentlich ihre Trillerpfeife, während nur einigeSchritte weiter serbische Frauen und Männer billigStangen von ,,Lucky Strike“ und ,,Marlboro” verkau-fen. Dazwischen verläuft die Grenze; keine Mauerzwar, unsichtbar. Aber nicht weniger unüberwind-lich, im Gegenteil: eine Mauer von Bestand, denn

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Weitere Herausforderungen / Die politischen Organe

diese Mauer verläuft in den Köpfen und Herzen, wosie nicht einfach eingerissen werden kann . . .

In Bosnien gibt es heute verschiedene Währungen,verschiedene Autokennzeichen, verschiedene Zei-tunaen. verschiedene Schulbücher . . Es fahrenkeine Züge zwischen der Föderation und der Serbi-

sehen Republik. Selbst das Telefonnetz ist geteilt.Von Pale, der Hauptstadt der Serbischen Republik,kann man zwar nach Berlin telefonieren, aber nichtins eine halbe Autostunde entfernte Sarajevo.Gerhard Gnauck: Die Hand an der Kehle bezeichnet denFeind, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.3.1997

( C 14 ) Die politischen Organe der Konföderation

[Konföderation] Bosnien und Hercegovina

Präsidium Bosiens und Hercegovinasvom Territorium der

Föderation Bosnien undHercegovina

Bosnjakisches KroatischesMitglied Mitglied

0

S e r b i s c h e nRepublik

SerbischesMitglied

2-Kammern-Parlament - bestehend aus:

Repräsentantenhaus Nationenhaus

t tU

Föderation Bosnien und Hercegovina Republika Srpska

Präsident + Vizepräsident +++c Präsident + Vizepräsident

t

*t

2-Kammern-Parlamentbestehend aus: Volksversammlung

Repräsentanten- Nationen- (1 -Kammer-Parlament)- -

haus haus

+ # 4

Kantonsversammlung

+

Gemeinderat Gemeinderat

+ +

Bei den Wahlen zu den gesamtstaatlichen und+ direkte Wahlen teilstaatlichen Organen wurden im September+ sonstige Wahlen 1996 folgende Personen ins Präsidium gewählt:+ faktische Einschränkungen des Wahlrechts auf die Angehörigen als bosnisches Mitglied Alija Izetbegovic

der jeweiligen Nation als kroatisches Mitglied Kresimir Zubak*Y jeweils ein Bosnjak und ein Kroate, die jährlich rotieren als serbisches Mitglied MomCilo KrajisnikSchaubild: Othmar Nikols Haber/, Universität Essen, FB 1 - Politikwissenschaft

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C44 Die politischen Organe / Sisyphusarbeit

1 C 15 1 Schwierige Verständigung Ic171

Das Tribunal beginnt mit der Arbeit

,,lch sagte: Ich eröffne die erste Sitzung des bosnischenStaatspräsidiums!!“

Zeichnung: Rolf Henn, 1996

1 C 16 ) Der UN-Gerichtshof

Internationaler Gerichtshof

NDEX FUNK 9793keine Todesstrafe

Der Internationale Jugoslawien-Gerichtshof wurde aus derNot geboren. Im August 1992 hatte der Sonderbeauftragte derUN, Mazowiecki, festgestellt, daß in Bosnien die Menschen-rechte ,,massiv und systematisch“ verletzt würden. Schließlichsetzte der UN-Sicherheitsrat ein Zeichen: Er schuf im Februar1993 einen Ad-hoc-Gerichtshof zum Zwecke der Strafverfol-gung jener Individuen, die sich auf dem Gebiet des ehemali-gen Jugoslawien schwere Verbrechen gegen die Menschlich-keit hatten zuschulden kommen lassen. Anders als beimNürnberger Militärgerichtshof 1946 sind die Verbrechen, diein Den Haag angeklagt werden sollen, durch die UN-Chartaund internationale Konventionen definiert. Eine Ex-post-Facto-Gerichtsbarkeit findet also nicht statt. Allerdings un-terließ es die SFOR bis Juli 1997, Angeklagte zu verhaften.Und je länger diese in Freiheit sind, desto mehr Beweismittelverschwinden und desto schwieriger wird es für das Gericht,verläßliche Zeugen zu finden.

Dietmar Herz, nach Neue Zürcher Zeitung, 1.12. März 1997

,,lrgendetwas fehlt noch. Aber was?”

Zeichnung: Rolf Henn, 1993

1 C 18 1 Friedensarbeit

Zeichnung: Felix Mussil, 1996

Saupe
Keine Rechte
Saupe
Keine Rechte
Saupe
Keine Rechte
Saupe
Keine Rechte
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Die Situation in den Nachfolgestaaten

Dl-D20Nachfolgestaaten undPerspektiven

I I .

( D 1 ( Schlagzeilen aus der Krisenregion

Slowenien fühlt sich wirtschaftlich für einen Nato-Beitritt gerüstetDeutsche Investoren auf Rang zwei hinter Österreich / Sorge vor einem Ausverkauf des Landes

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.7.199 7

Beitrittsverhandlungen mit sechs weiteren Ländern.

Vorschläge der EU-Kommission / Polen,Tschechische Republik, Ungarn, Slowemen, Estland und,Q,;;;

Frankfurter Allgemeine Zeitung,

Tote und Verletzte bei Ausschreitungen in MazedonienStreit über Hissen der türkischen und der albanischen Flagge / Regierung sucht nach Kompromiß

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.7.1997

Mostar entwickelt sich zu einem,,Berlin an der Neretva“

Badische Neueste Nachrichten, 3.1.7997

MachtsuchtTudjmans Wiederwahl zum Präsidenten von Kroatien

Wertheimer Zeitung, 17.6, j9g7

Kroatiens präsident a\s Stabilitätsfaktor betrachtetweflh&7ef Zeitung!18.i1.1996

Nach Jahren des

hch im OpP~~~&)“&ün&)i~Schweigens: ‘ &r Spiegel 27/7997

Kirche jetzt gegen MilosevicUngewöhnlich scharfe und nationalistisch gefärbte Kritik -

Bischöfe und Priester kämpfen vergeblich um ihre BesitztümerWertheimer Zeitung, 17.6.1997

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i‘,<

4 6

Die Situation in den Nachfolgestaaten

FIüchtlinge aus 6oSt’lien sind verbittert:

NWohin soll ich gehen?« Angst und Unsicherheit Deserteure haben ein Problem

Wertheimer Zeitung, 8.1.1996

~dqp3w~ &wnien

frankfu&?r Allgemeine Zeitung, 7.7. fgg7Oer ‘Piege/ 3g/lgg6

Stre’t Um Zök steuern, Flaggen, posten

FrankfurterA&emeine Zeitung, 70,2, ,g97

Messe in Sarajevo -6. ooo Gläubige im Kosevo-Stadion

Wertheimer Zeitung, 4.4.1gg7

Land Zwischen Krieg und FriedenFrankfufter Atlgemeine Zeitung, ,6, ,o, ,gg6

,n Bosnien jetzt Fri&nssiCherun% durch SFoR ’Oberbefehlshaber ist der amerikanische Genera’ Crouch

Wertheimer Zeitung, 27.12.‘gg6

Führung liegt bei der NATO -

Hi’fe zum Wiederaufbau an Bedingungen gekntipftFrankfwer Ah7emeine Zeitung, 6, ,2, 79g6 I

DemFriedeneineChance~~~ Zeit, 20.9.7gg6

Eine europäis&e Daueraufgabe”,,einer warnt yoT einer Teilung Bosniens 1 Der Friedensprozeß

Frankfurter Allgemeine ZeitunS 1g.2.‘gg7)

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m Übersicht über die Nachfolaestaaten des ehemaligenl I

Flagge

blau-weiß-rot(waagerecht)

Staatsname

Staatsform

Bundesrepublik Jugoslawien (Yl(Rechtsnachfolge der SFR YUdurch UN0 nicht anerkannt)Bundesrepublik Jugoslawien(besteht aus den RepublikenSerbien und Montenegro)

Fläche

Einwohnerzahl

Bevölkerungs-dichte (E./km2)

102.173 km2 56.538 km2

IO,1 Mio. (1993) 478 Mio.Serbien 9,8 Mio.(KosovoWoiwodina je ca. 2 Mio.),Montenegro 0,615 Mio.105 85

HauptstadtEinwohner

Belgrad,1,l Mio.

Zagreb,707.000

Amtssprache

Religionen

Serbisch IJ. montenegrinisch(kyrillische Schrift)44 % Serbisch-Orthodoxe31 % Katholiken

Kroatisch(lateinische Schrift)76,6 % Katholiken11 ,l % Serbisch-Orthodoxe

12 % Muslime 1,4 % ProtestantenProtestanten und Juden 1,2 % Muslime

Nationalitäten 62,3 % Serben 78,l % Kroaten16,6 % Albaner 12,2 % Serben5,0 % Montenegriner nationale Minderheiten:3,3 % Ungarn ethnische Muslime,3,3 % Jugoslawen Slowenen, Ungarn

(Eigenbezeichnung) Italiener, Tschechen, Albaner3,i % ethnische Muslime

Flüchtlinge 607.000 aus BIH, Kroatien und 180.000 (1994)Slowenien

Verkehr, Norden: gut erschlossen, Infrastruktur gut entwickelt,Wirtschaft der Süden nicht: 7 internationale Flughäfen,

Defizite in verkarsteten viele Adriahäfen, vor Kriegs-Gebirgen Montenegros beginn ca. 6 Mio. Touristen

Bruttosozial- 900 $ (S 1993) 3.223 $ (S 1991)produkt/ie E.Arbeitslosigkeit 27 % (1995) 17 % (1995)Währung Jugoslawischer Neuer Dinar 1 Kuna = 100 LipaAnteil städtischer 57 % 63 %BevölkerungAnalohabeten 7 % 3 %Erw’über 15 J. 1

\,I

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IiIl1

l

ll

l

l

l

Aß mit Staatswappen; auf blauem3und weißer EIlagonalbalkenrnd sechs goldene (gelbe) Lilien

Republik Bosnien-Herzegowina:BIH)

-öderative Republik, gemäß Dayton-Abkommen, bestehend aus deroosniakisch-kroatischen Föderationdnd der Republik Srpska51.129 km2

3,5 Mio. (1996)

Sarajewo,383.000 (1993)

Bosnisch (lat. Schrift),kroatisch und serbisch40 % Muslime33 % Serbisch-Orthodoxe19 % Katholiken (1994)

43,7 % Muslime31.4 % Serben17;3 % Kroaten55 % Jugoslawen0,3 % Montenegriner

1,3 Mio. Binnenflüchtlinge

Infrastruktur weitgehend zerstört, gutes Verkehrsnetz auch über2 internationale Flughäfen (Mostarund Sarajewo), Bodenschätze,

Alpen zu Italien und Osterreich!Flughäfen in Ljubljana und Manbor,

Aararorodukte: Mais, Weizen,Kartoffeln, Hanf, Tabak, Zuckerrüben

großteils Gebirgsland, fruchtbareBeckenlandschaft in Zentralslawonier

350 $ (S 1995), 7.140 $ (S 1994)

80 % (1995)1 bos-herzeg. Dinar = 100 Para49 %

keine Angaben

Jugoslawien

weiß-blau-rot; Wappen~rn weißen und blauen Feld

Republik Slowenien (SLO)

Reoublik

20.250 km2

2,09 Mio.

98

Ljubljana,270.000

Slowenisch (lat. Schrift)

70,8 % Katholiken2,4 % Serbisch-Orthodoxe1,4 % Protestanten1,5 % Muslime

87,7 % Slowenen2,8 % Kroaten2,4 % Serben1,4 % ethnische Muslime

Kleinere nationale Minderheiten:Ungarn, Makedonier,Montenegriner, Albaner, Italiener24.000 aus BIH (1995)

13,8 % (1995)1 Tolar = 100 Stotin63 %

1%

3ern mit acht goldenen Strahlenauf rotem Grund

Republik Makedonien (MK),aut UNO: ehern. jugoslawischeRepublik MakedonienRepublik

25.700 km*

2,09 Mio

Bl

Skopie,440.000

Makedonisch[kyrillische Schrift)50 % Makedonisch-Orthodoxedes weiteren Muslime,Serbisch-, Bulgarisch- undGriechisch-Orthodoxe66,5 % Makedonier22,9 % Albaner

4,O % Türken2,3 % Roma2,0 % Serben0,4 % Walachen

7.000 aus BIH

Hauptverkehrsachse entlangMorava-Wadar-Furche,2 internationale Flughäfen (Skopjeund Ohrid), verkarstete Gebirge,Küste: Wein, Feigen, Oliven, Mandelr790 $,

42,6 % (1994)1 Denar = 100 Deni59 %

11 %

vergleichszahlen

Bayern 70.545 km2Baden-Württ. 35.751 km2Baden-Württ. 10.3 Mio.Berlin 3,47 Mio.Saarland 2,57 Mio.

Baden-Württ. 289BRD 229Mecklenburg-Vorp, 79Frankfurt, 652.000Dresden, 475.000Karlsruhe, 277.000

BRD: 320.000 aus BIH

BRD 86 %

BRD unter 5 %

Zusammenstellung: Hugo Eckertlvrlfblob. Quellen: Fischer Weltalmanach, Munzinger-Archiv u.a.

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D48 Die Situation in den Nachfolgestaaten / Bestandsaufnahme nach dem Krieg

Neue Züricher Zeitung, 30.9.11.10.1995

@ Sarajewo 1996

Das Olympiastadion wurde 1992 zerstört und während derBelagerung immer wieder beschossen.

Bild: Barbara Klemm, Frankfurter Allgemeine Zeitung

) Rückführung von Flüchtlingen

? t-Be&Zeichnung: Fritz Behrendt, 1997

) D 5 ) Warnung

Vor einer voreiligen und undifferenzierten Rück-führung der bundesweit 320 000 Bosnien-FIücht-linge hat der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbi-schof Klaus Engelhardt, gewarnt. Eine Abschiebungin noch zerstörte Gebiete sei kontraproduktiv, sagteer am Montag nach seiner ersten Reise nach Kroa-tien und Bosnien.

,,Wir dürfen unsere Flüchtlingsprobleme nicht aufKosten der Menschen dort lösen“, erklärte er undplädierte für eine Rückführung, die den Normalisie-rungsprozeß nicht stört: ,,Wir müssen Wege suchen,daß Flüchtlinge in Etappen zurückkehren.“ DieRückführung sei zwar zur Normalisierung des Lan-des unentbehrlich. Jeder Rückkehrer werde ge-braucht und sei ein ,,Hoffnungszeichen für die, diedort sind”. Bosnien könne aber eine Rückführungnur nach Terminplan derzeit nicht verkraften -zumalein großer Teil nicht in die alte Heimat zurückkehrenkönne, weil dort nun andere leben.

Engelhardt unterstrich: ,,Es gibt Gewaltakte - auchheute noch.“ Bei seiner Reise wurde ihm u. a. vonder Zerstörung eines Heimkehrerhauses sowie vonMafiosi berichtet, die Leute aus Wohnungen vertrie-ben, um diese gegen teures Geld weiter zu vermie-ten. Vor allem Flüchtlinge, die im ,,goldenen Westen“gewesen seien, würden mit ,,Mißtrauen und teils mitUnmut“ vor Ort begrüßt.

Hilfswerke griffen in erster Linie jenen unter dieArme, die vor Ort waren, als alles zerstört wurde.Dann seien Flüchtlinge aus anderen Gebieten desehemaligen Jugoslawien an der Reihe, schließlichdie Flüchtlinge aus dem Ausland. Nach Ansicht En-gelhardts ist dies eine kluge Strategie. . . .

Seit Oktober können nach einem Beschluß der In-nenminister bosnische Flüchtlinge abgeschobenwerden. In der ersten Phase . . . werden Straffällige,alleinstehende Erwachsene und Ehepaare oderminderjährige Kinder aus ,,sicheren Gebieten”zurückgeschickt. Baden-Württemberg hat seitNovember 13 Straftäter ausgewiesen.

Wertheimer Zeitung, 24.12.1996 (dpallsw)

Saupe
Keine Rechte
Saupe
Keine Rechte
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Bestandsaufnahme nach dem Krieg 49 i

I Die Realität inBosnien-Herzegowina

@ politisch

Die politische Situation in Bosnien-Herzegowina läßtkeinesfalls Schlüsse auf eine rasche Demokratisie-rung oder Rechtsstaatlichkeit ziehen. Meinungs-,Medien-, Bewegungs- und Versammlungsfreiheitsind nach wie vor papierne Wunschträume. Auch diemedienwirksame Eröffnung der Bahnstrecke Sara-jewo-Mostar-PloEe (Adria) wurde nach einmaligerFahrt wieder eingestellt. Ahnlieh verhielt es sich mitder Buslinie Belgrad-Bjeljina-Tuzla-Sarajewo. Daspolitische System ist von der Konstitution her an sichschon äußerst zerbrechlich. Das ethnische Proporz-System ähnelt sehr stark der alten jugoslawischenVerfassung. Die daraus resultierende Blockademög-lichkeit einer Ethnie wird den gesamten politischenProzeß lähmen. . . . [es sei] hinzugefügt, daß dieseStaatskonstruktion selbst in erfahrenen und stabilenDemokratien zum Scheitern verurteilt sein dürfte . .Joachim Eiche6 Die Zukunftsperspektiven Bosnien-Hetzego-winas in: Südost-Europa, hg. v. Südost-Institut München,Heft 1-2, 1997, S. 7 f. (Der Autor war Long-Term-Observerder OSZE 1996 in Mostar; dann Mission-Member der OSZE.)

@ wirtschaftlich

Kriegsschäden: ca. 150 Milliarden DM (Schätzung);60 Prozent der Häuser und Wohnungen sind zer-stört.

FIüchtlinge: 60 Prozent der Einwohner von Bosnien-Herzegowina leben nicht mehr an ihrem Heimatortvon 1991 (Stand: Sept. 1996). Von 4,35 Mio. Ein-wohnern (1991) mußten 2,61 Mio. fliehen oder wur-den vertrieben.

Erforderliche Wirtschaftshilfe bis 2000: $1 Mrd. $(um die schlimmsten Kriegsschäden zu beseitigen);Beschlüsse von drei Konferenzen zur Förderung desWiederaufbaus in Bosnien: 1995: 600 Mio. $ ; 1996(April): 1,9 Mrd. $ (tatsächlich eingezahlt: nur 0,88Mrd. $). 43 Staaten und 13 internationale Organisa-tionen forderten auf der ,,Geberkonferenz“ vom De-zember 1996 bestimmte Voraussetzungen fürzukünftige Hilfen, u. a. Kriegsverbrecher auszulie-fern und den Flüchtlingen die Rückkehr zu ge-währen.

Finanzhilfen der EU 7996: 200 Mio. Ecu; davon er-hielten die bosnischen Serben 30 Mio. Ecu.

Drei verschiedene Währungen: Kroatische Kuna,serbischer Dinar, bosnischer Dinar. Aber Haupt-währung: Deutsche Mark! Es ist unmöglich, mit Di-nar in kroatischen Gebieten und (umgekehrt) mitKuna in muslimischen oder serbischen Gebieten zuzahlen.Angaben aus: Eicher a.a.O., S. 5 f.; Frankfurter AllgemeineZeitung, 19.9.1996; 6.12.96; 11.7.97

1 D 7 1 Tödliches Erbe

Anzahl der Landminen

Bosnien- Herzegowirp$

Index Spezial 3616

DA-I Rückzug

In Bosnien-Herzegowina schwindet die Hoffnungauf den Wiederaufbau des 1992/93 zerstörten VW-Werks Vogosca bei Sarajevo. Tief enttäuscht nahmdie bosnische Regierung die Mitteilung des VW-Vor-stands entgegen, Europas größter Automobil-hersteller könne dem dringenden Wunsch nachWiederaufnahme der ,,Golf”-Produktion ,,aus wit-t-Schaftlichen Gründen nicht entsprechen”.

Eine Möglichkeit läßt die Wolfsburger Konzernspitzedennoch offen: ,,Unter bestimmten Voraussetzun-gen” könne die Montage von Autos der Tochter-marke Skoda in Betracht kommen. Die Zahl der Ar-beitsplätze würde aber ,,nur einen kleinen Bruchteil“der Vorkriegsbelegschaft ausmachen. Vor der Be-setzung und Plünderung durch bosnisch-serbischeTruppen fertigten 3500 Mitarbeiter jährlich 35 000Fahrzeuge, davon 20 000 für den Binnenmarkt.

Den Neuanfang verhindert Machtpolitik. Zwar istdas Werk seit März 1996 wieder zugänglich. VW läßtaber keinen Zweifel: Ohne Offnung der Handels-grenzen zwischen den verfeindeten Republiken so-wie eine sichere Eisenbahnverbindung nach Oster-reich komme nichts in Gang.

Focus 2911997, Bild: transparent

Saupe
Keine Rechte
Saupe
Keine Rechte
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D50 Der schwierige Wiederaufbau

mLl Drei Szenarien für die Zukunft

0 Der Idealfall(Best-Case-Szenario)

Umsetzung sowohl des militäri-schen wie auch des politischenTeils des Vertrags von Dayton

Zusammenwachsen des StaatesBIH

Stabilisierung der staatlichenStrukturen

BIH = echter ,,Pufferstaat“zwischen Kroatien und derBundesrep. Jugoslawien

Rückzug der internationalenGemeinschaft möglich

Geordnete Rückführung derFlüchtlinge

Einbeziehung in europäischenEinigungsprozeß

Stabilisierung Südost-Europas

@ Der schlimmste Fall(Warst-Case-Szenario)

Neuer Krieg, ausgelöst durch

a) provozierte Zwischenfälle bosni-scher Serben oder

b) eine enttäuschte bosnische Re-gierung, die sich als Verlierer desFriedensabkommens sieht. Bei Er-folg der Bosniaken: Veränderungdes Kräfte-Gleichgewichts ge-genüber Kroaten und Serben

c) Blockadepolitik der bosnischenKroaten innerhalb der Bosn.-Kroat. Föderation. Falls Niederlagefür BIH: Aufteilung zwischen Kroa-tien und Bundesrepublik Jugosla-wien

@ Die realistische Variante?(Mixed-Case-Szenario)

Militärische Umsetzung vonDayton gelingt, die politische sta-gniert oder scheitert. Folge:UN/NATO-Truppen müßten auflange Zeit in der Region für Auf-rechterhaltung des Friedens sor-gen. BIH würde zu einem zweitenZypern. Weitere Folge: die Geber-länder versagten weitere Hilfen, dawohl kein Staat bereit sei, ,,denZustand des Nichtkrieges zu finan-zieren“.

Theorie von Eicher: Falls es zu ei-ner friedlichen Teilung komme,könnten sich der kroatische Teilund die Republik Srpska je mitihrem Mutterland vereinigen. Dasmuslimische Bosnien wäre fürlange Zeit auf internationalenSchutz angewiesen.

Zukunfts-Szenarien von Marie-Janine Calic in: Joachim Eicher: Zukunftsperspektiven Bosnien-Herzegowinas, Südost-Europa,Zeitschrift für Gegenwartsforschung, 1997, Heft l-2, S. 10 ff.

( D 10 1 Schwieriger Wiederaufbau

Störfaktoren und Kritik

Der wechselseitige Haß zwischen den drei Kon-fliktparteien ist ungebrochen

Absoluter Mißerfolg bei der Minenräumung

Eine ,,Nehmermentalität” hat sich entwickelt

Korruption ist weit verbreitet

Moslems, Serben und Kroaten blockieren jedenVersuch, die zerstörte Infrastruktur für Gesamt-Bosnien wiederaufzubauen

Es fehlt an Eigeninitiative; noch immer 50 % ohneArbeit: ,,Nichts geht voran, weil die alten Kräfteimmer noch am Ruder sind” (Steiner)

Widerstreitende nationale Interessen der Geber-länder

Die Zusammenarbeit zwischen der Weltbank undder EU-Kommission klappt nicht

Die EU-Kommission ist nicht in der Lage, die ver-schiedenen Töpfe zu verwalten, aus denen dieWiederaufbauhilfe fließt

Verbesserungsvorschläge

l Den Versöhnungsprozeß vorantreiben

l Aufbruchstimmung vermitteln

.

.Abbau langwieriger bürokratischer Verfahren

Eine Stelle mit Leitfunktion und Autorität für dengesamten Wiederaufbau einrichten (beim HohenRepräsentanten der EU in Sarajewo), möglichstmit Weisungsrecht gegenüber der Weltbank undder EU-Kommission.

Nach: Der Spiegel 8f1997 (Grundlage: Steine< deutscherStellvetireter des EU-Koordinators für Wiederaufbauhilfe inSarajewo und internes Papier des Auswärtigen Amtes)

D 11 Geberkonferenz für Bosnien

Wiederaufbauhilfe soll an strikte Auflagen geknüpftwerden

Unter dem Eindruck der Unwägbarkeiten in der Re-publik der bosnischen Serben sind am MittwochVertreter aus mehr 4s 50 Staaten und 30 internatio-nalen Organisationen zur dritten Geberkonferenz zu-gunsten von Bosnien-Herzegowina zusammenge-kommen. Ziel der gemeinsam von der EuropäischenKommission und der Weltbank in Brüssel ausgerich-teten zweitägigen Konferenz ist es, von den Teilneh-mern verbindliche Zusagen zur Wiederaufbauhilfefür das vom Bürgerkrieg zerstörte Land zu erhalten.So sollten in diesem Jahr 1,4 Milliarden Dollar und1998 ein weiterer Betrag von 1 ,l Milliarden Dollar

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Der schwierige Wiederaufbau / Friedensarbeit in Bosnien-Herzegowina 51

bereitgesteilt werden. Die Kosten für das Wiederauf-bauprogramm werden für den Zeitraum zwischen1996 und 1999 auf 5,l Milliarden Dollar geschätzt.Bisher gibt es verbindliche Zusagen für Hilfen inHöhe von 1,9 Milliarden Dollar.

Der Hohe Beauftragte für Bosnien, der frühere spa-nische Außenminister Westendorp, zog auf der Kon-ferenz eine positive Bilanz der bisherigen Aufbau-hilfe. Er erinnerte allerdings an die im vergangenenJuni im portugiesischen Sintra einhellig geäußerteAuffassung des internationalen Ministerkomitees,daß keine der Konfliktparteien den in den Friedens-abkommen von Dayton und Paris eingegangenenVerpflichtungen umfassend nachgekommen sei.Dies gelte vor allem für die bosnischen Serben. DieWiederaufbauhilfe müsse deshalb an strikte Aufla-gen geknüpft werden. Dazu zähle das Bekenntnis zudemokratischen Strukturen mit einer marktwirt-schaftlichen Ordnung. Zu den Voraussetzungen füreine weitreichende Hilfe gehöre auch, daß es zur Er-greifung der von der internationalen Gemeinschaftals Kriegsverbrecher identifizierten Personenkomme.

Die Europäische Union (EU) will bis auf weitereskeine Wiederaufbauprojekte zugunsten der bosni-schen Serben finanzieren. EU-Außenkommissar Vanden Broek sagte, es sei angesichts des derzeitigenpolitischen und wirtschaftlichen Einflusses mutmaß-licher Kriegsverbrecher unverantwortlich, weiter öf-fentliche Gelder für die Republik der bosnischenSerben zur Verfügung zu stellen. Die humanitärenHilfen würden jedoch weiter fließen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.7.1997 (now, Brüssel)

Der deutsche Beitrag:

Hilfen für das ehemalige Jugoslawienvon 1991 bis 1995

Nach: Der Spiegel 5011995, S. 18

1 D 12 Appell an die Jugend

Aus einem Interview mit Hans Koschnick

FIFTY: Herr Koschnick, . . . wie halten die Menschenes denn aus, wenn ehemals friedliche Nachbarn ein-ander umbringen?

Koschnick: Sehen Sie, das ist die eigentliche Tra-gik. Ich bin ja noch in jungen Jahren eingezogenworden, mit 45 aus der Gefangenschaft gekommen,und wir haben uns zusammen mit den Jüngeren, diedamals sagten, wir können den Laden nicht einfachlaufen lassen, wir müssen uns über alle Partei- undKonfessionsgrenzen hinweg engagieren, entschie-den, zwei Dinge zu versuchen: nie wieder Auschwitzund nie wieder Hiroshima. Und dann erleben Sie aufdem Balkan, in Formen, die einer Ausrottung nahe-kommen, Handlungen gegen Menschen, die unbe-greiflich sind - und zwar zwischen den Nationen.Und wenn Sie es dann auf den Komplex Mostar re-duzieren, wo es zum Teil Nachbarn waren, die über-einander hergefallen sind, Nachbarn, die 20, 30Jahre lang miteinander lebten, die in der gleichenSchule, im gleichen Sportverein, im gleichen Betriebtätig waren, in der gleichen Straße lebten, wo esfreundschaftliche Beziehungen gab, und plötzlichsollte das alles - im Namen einer Nation - nichtmehr wahr sein. Das war schon eine erschreckendeFeststellung.

FIFTY: Haben nicht auch wir in unserer Geschichteähnliches erlebt?

Koschnick: Ja, natürlich. . . . Heute fragen wir uns:Wie konnte das angehen? Auf unseren Schultern la-sten nun einmal Auschwitz und Bergen-Belsen.Deshalb frage ich mich, müssen nicht alle, die einbißchen Vernunft haben und Verantwortung fühlengegen Verführung, sei es aus nationalistischen, seies aus konfessionellen oder aus anderen Gründen,gemeinsam Front machen? Das war es, was wir da-mit erreichen wollten.

FIFTY: Streitfälle zu schlichten, Menschen zusam-menzubringen, Interessen auszugleichen, dasgehörte schon immer zu Ihren Aufgaben. Wie sindSie in diese Rolle hineingeraten?

Koschnick: Es gibt Begabungen, die hat man, an-dere hat man nicht. Ich habe eine Fähigkeit, für dieich gar nichts kann. Auf Menschen zuzugehen, mitMenschen zu sprechen, sie zu gewinnen, mehr nachdem Gemeinsamen als nach dem Trennenden zuschauen. Das hat viel mit Erfahrung zu tun, aber ichverbinde auch viel mit meinem Vater, der 1944 fiel.Der sagte: ,,Macht nicht die gleichen Fehler wie wirvor 1933. Werdet nicht erst klug, wenn Ihr hinter Git-tern seid.“ Es gibt bei Demokraten mehr Gemeinsa-mes als Trennendes.

FIFTY: Anderen zu dienen, ist das Ihre Lebens-maxime?

Koschnick: Das wäre übertrieben. Nein, je älterman wird, desto mehr kommt man darauf, daß es

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52 Friedensarbeit in Bosnien-Herzegowina

doch richtig ist, was da in der Frohen Botschaft ge-sagt wird: Keiner lebt für sich selbst allein. Wir ha-ben begriffen, daß man aus der Gesellschaft lebt.Nicht nur als Kleinkind braucht man andere, spätergenauso. Dazwischen müssen wir, wenn wir in denbesten Jahren sind, ein klein wenig abgeben vondem Glück. Als Gewerkschaftler würde ich von So-lidarität sprechen. Als Christ würde ich sagen, daßes Nächstenliebe ist. In vielen Fällen ist es das glei-che: ein Bewußtsein, daß nur derjenige Hilfe bean-spruchen kann, der selbst jemandem Hilfe gewährthat. Und solange man geistig und körperlich fit ist,kann man sich für andere engagieren. Aber bitteohne Weihrauch, ganz konkret. Kleine Taten sindwichtiger als große Worte!

FIFTY: Sie sind gerade 68 Jahre alt geworden undhaben sich dennoch schon wieder einen Job aufge-laden: Im Auftrag der EU sollen Sie ein europäischesJugendwerk aufbauen.

Koschnick: Nicht aufbauen, ich soll beim Aufbauberaten. Es ist der Versuch, europäischen Jugendli-chen eine Gelegenheit zu geben, ein Jahr odersechs, sieben, acht Monate in einem anderen eu-ropäischen Land am Brennpunkt der Gesellschaftmitzuarbeiten. Ökologie, Ökonomie, soziale Fragen,Sicherung von Kulturstädten und was zum Lebendazugehört. Gerade in den Gebieten der Welt, wo esnoch Slums gibt, an dem Aufbau eines modernen,eines besseren Lebens mitzuwirken. Das.freiwilligesoziale Jahr in Deutschland ist so etwas Ahnliches.Wir möchten den Jüngeren ganz gern zeigen:Schaut die Nachbarn an, die helfen euch bei derSprache, daß ihr euch verständigen könnt. Ein Jahraußerhalb des Elternhauses, und ihr kommt als an-dere Typen wieder. Stellt euch einmal einer Art Rei-feprüfung. Es geht um Menschenbildung.Fifty, Mitten im Leben, MailJuni 1997 (K. IJ. S. Kundenzeit-schriften und Service Verlagsgesellschaft mbH Hamburg)

1 D 13 1 Kirchliches Engagement

Vernaw~~~ übzr dii UtkebS eines vcm&tm An~ghla$s i “Nie wh& Kncp’. 1 Von Mlltthias Riib

@ ,,Nie wieder Krieg! Nie wieder Haß und Intole-ranz!“ hatte der Papst bei seiner Ankunft auf demFlughafen von Sarajewo gerufen. Diese Forderungsei die Botschaft, die das zu Ende gehende Jahr-hundert und Jahrtausend lehre. Die unmenschlicheLogik der Gewalt müsse durch die konstruktive Lo-gik des Friedens ersetzt werden, der natürliche In-stinkt der Rache der befreienden Macht der Verge-bung weichen . . .

Der Papst als Staatsoberhaupt des Vatikans hatteden Staat Bosnien-Hercegovina bald nach dessenUnabhängigkeitserklärung vor fünf Jahren aner-kannt. Dafür dankte IzetbegoviC mehrfach. Ebensodankte er für den nicht nachlassenden Einsatz desHeiligen Stuhles für Gerechtigkeit in Bosnien-Herce-govina und für die Bürger dieses Staates. Izetbe-

goviS bezeichnete das in diesem Jahrhundert immerwieder schicksalhaft vom Krieg gezeichnete Sara-jewo als eine ,,Stadt des Glaubens - nicht eines ein-zigen Glaubens, sondern von vier Konfessionen:des Islam, des Katholizismus, des orthodoxen Chri-stentums und des Judentums“. Dies werde schondurch die Beobachtung des Panoramas der Stadtdeutlich, wo Moscheen, Kathedralen, orthodoxe Kir-chen und Synagogen in unmittelbarer Nachbar-schaft zu erkennen seien . . .

Am Sonntag nachmittag setzte der Papst selbst einZeichen der Versöhnung: Bei dem Treffen mit denVorsitzenden der konfessionellen Hilfsorganisatio-nen - der katholischen Caritas, der muslimischenMerhamet, der orthodoxen Dobrotvor sowie der jü-dischen La Benevolencija - überreichte er allen eineAuszeichnung und jeweils umgerechnet rund 85 000Mark.Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.4.7997

Bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in Sarajewo wurde Jo-hannes Paul II. vom bosnischen Staatspräsidenten Izetbe-goviC (rechts) und dem kroatischen Mitglied des Staatspräsi-diums, Zubak (beim Handkuß), begrüßt. Dahinter derSarajewoer Erzbischof Puljic. Bild: KNA

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.6.1997, S. 2

Saupe
Keine Rechte
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Friedensarbeit in Bosnien-Herzegowina

D53

( D 14 Bärbel Bohleys Büro

Was tut Bärbel Bohley in Sarajevo? Was alle tun: Siekämpft mit der Wasserversorgung und schimpftüber den Gaspreis. Darüber hinaus bereitet sieWunder vor . . .

Bärbel Bohley, aufgewachsen in den Trümmern Ber-lins, wirkt gegenwärtig in den Trümmern Jugosla-wiens. Mal ißt sie mit Diplomaten in Sarajevo, malklärt sie das Nötige in Belgrad, mal hält sie Bespre-chungen in Tuzla. Warum? Sie will aus Feinden Brü-der machen. Von Schuld und Leid Verbitterte sollenim Bild des Gegners den Nachbarn wieder erken-nen. Wer fliehen mußte, soll zurückkehren dürfen.Wer nicht zu hoffen wagt, soll Mut fassen. Die buntgemischten Städte und Dörfer sollen wieder entste-hen. Bosnien-Hercegovina soll heilen. Zusammenergäbe dies das anvisierte Wunder.

Rückkehr der Flüchtlinge . . . Dies ist Frau BohleysZiel im engeren Sinne. Um in diesem Sinne zu wir-ken, hat sie bei der Behörde des internationalen,,Hohen Repräsentanten“ (OHR) in Sarajevo mit HilfeAußenminister Kinkels jenes Büro mit den Funk-geräten bekommen . . .

Träger dieses Unternehmens ist die ,,Koalition fürRückkehr“, ein vom OHR geförderter Dachverbandaus etwa 60 Flüchtlingsverbänden aller drei Natio-nen. Sein Prinzip ist die Hoffnung, daß unter denFlüchtlingen die Sehnsucht nach ihrer Heimatgrößer sein könnte als der Haß auf ihre entfremde-ten Nachbarn von früher. . . .Frankfurter Allgemeine Zeitung, März 1997 (Konrad Sehuller)

1 D 15 1 Als Soldat bei derFriedenstruppe

Bericht eines deutschen Wehrpflichtigen über sei-nen Einsatz in Bosnien

,,Für mich war es selbstverständlich, meine Kamera-den bei ihrem Einsatz nach Bosnien zu begleiten.Ich bin 21 Jahre alt, stamme aus Heidenau in Bran-denburg und habe vor meinem Wehrdienst dasMaurerhandwerk erlernt. Als Wehrpflichtiger bin ichwie meine Kameraden freiwillig nach Bosnien ge-gangen . . . Dafür mußte ich meine Wehrdienstzeitauf 21 Monate verlängern, weil für die Vorausbil-dung und die vier Monate ,,hier unten“ die normaleWehrdienstzeit von zehn Monaten nicht ausreichenwürde. . . .

Meine Freunde haben mich gefragt, warum ich dastue. Mich reizt das Neue, an einem Einsatz wie die-sem im ehemaligen Jugoslawien teilzunehmen. Daßdie Aufgabe hier außergewöhnlich ist, sieht man un-

ter anderem am Interesse der Medien. Und in derTat ist es eine neue Erfahrung, die ich hier machenkann - eine Erfahrung, die ich sonst nirgends erle-ben könnte.

Aber der Reiz des Neuen ist nicht mein einzigerBeweggrund. Hier in Bosnien bin ich wie inDeutschland als Pionier eingesetzt. Während wirnormalerweise zum Anfertigen und Räumen von Mi-nensperren ausgebildet werden, ist unser Auftraghier viel umfangreicher und praktischer im Sinne vonunmittelbarem Nutzen für die Menschen. Wir bauenStraßen, Wasserpipelines, Brücken und sichernKonvois auf ihren Fahrten durch die Box. Box ist un-sere Abkürzung für Bosnien-Hercegovina. Es gibt jafür alles eine Abkürzung. Nur nicht für die Straßennach Sarajevo. In Visoko, das ist nordwestlich vonSarajevo, haben wir eine Brücke repariert. Dort warmeine Hauptaufgabe, das Camp zu sichern. Dabeilaufen wir entlang des Stacheldrahtzauns, der unserCamp eingrenzt, Streife. Außerdem kontrollieren wiran der Einfahrt die Fahrzeuge.

In Visoko kamen oft Kinder zu uns ans Tor. . Wirhaben ihnen Schokolade und Kekse geschenkt. Ei-gentlich sollen wir das nicht tun, aber wenn man dieKids so dastehen sieht, packt einen das Mitleid. Diezerstörten Häuser, in denen sie wohnen oder hau-sen, konnte man von unserem Camp aus sehen. Siewaren wirklich nicht besonders wohnlich . . . InDeutschland habe ich die Bilder dieser Verwüstungim Fernsehen gesehen. Aber das ist bei weitemnicht dasselbe. Hier sieht man es real vor sich, hiererlebt und erleidet man es. Das ist etwas völlig an-deres. Vor allem kann man den Fernseher nicht ab-schalten.

Es ist nicht nachvollziehbar, wie das alles passierenkonnte, weshalb Menschen diesen mörderischenKrieg geführt haben . . . Man kann nur hoffen, daß soetwas nicht wieder passiert.“Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.8.1996 (Dirk Pohl)

1 D 16 1 Projekte für die Versöhnung

Ein Spektrum von Initiativen will in Bosnien helfen

,,Projekt Bosnien“ heißt ein Vorhaben deutscherGruppen mit dem Ziel, verfeindete Volksgruppennach dem Bürgerkrieg miteinander ins Gespräch zubringen. Jetzt wurde die Konzeption dafür bekannt,wie deutsche Organisationen in Zusammenarbeitmit Gruppen vor Ort helfen wollen.

Das ,,Forum Ziviler Friedensdienst“ hat auf Anre-gung einer interfraktionellen Parlamentariergruppeeinen Plan für die Versöhnungs- und Konfliktarbeitim ehemaligen Jugoslawien vorgelegt. Mit rund 30Millionen Mark wurden die Kosten für die Entsen-

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D54 Friedensarbeit in Bosnien-Herzegowina

dung von 200 Frauen und Männern veranschlagt,die nach dem Muster der Arbeitsverträge von Ent-wicklungshelfern bei Partnerorganisationen in Bos-nien tätig werden sollen. Nach einem Gesprächzwischen Forums-Mitgliedern und Bundestagsab-geordneten, darunter Heiner Geißler (CDU) und Get-tWeisskirchen (SPD), hieß es in Bonn, das Projektsolle mit einer überparteilichen Initiative im Bundes-tag unterstützt werden.

Heinz Wagner von der katholischen Friedensbewe-gung Pax Christi erläuterte, bei dem ,,Projekt Bos-nien“ gehe es um einen eigenständigen Beitrag, dernicht in Verbindung mit dem Ifor-Militäreinsatz gese-hen werden kann. Inzwischen seien 170 Organisa-tionen in Deutschland angeschrieben worden, diesich an dem Projekt beteiligen wollen und bereitsüber Kontakte in Bosnien verfügen.

Kein Problem ist es nach Meinung der Projekt-gruppe, Mitarbeiter zu gewinnen. Dabei ist auch anFlüchtlinge aus dem ehemaligen Kriegsgebiet ge-dacht. Die Helfer sollen in der Regel für zwei Jahreeingesetzt werden. Alle angeworbenen Fachkräfteerhalten eine gemeinsam definierte, auf vier Monateangelegte Ausbildung. Dabei geht es unter anderemum die Analyse der Verhältnisse in Bosnien-Herze-gowina, um zivile gewaltfreie Optionen und um dasErlernen der benötigten Sprachen.

Frankfurter Rundschau, 13.1.1996 (Klaus Behne, KNA)

D 17 Friedenspolitik im Krieg

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie be-richtet

Seit Herbst 1991 haben wir mit unserer jetzt be-endeten 51. Reise im Wert von insgesamt etwa6,2 Millionen DM Hilfe geleistet.

Von Januar bis April 1995 waren es rund 600 000DM. Damit unterstützten wir:

Mit nur über die hiesige Pharmaindustrie zu er-haltenden lebenswichtigen Medikamenten dieKrankenhäuser in Mostar, Split, Osijek, SlavonskiBrod, Tuzla, Sarajewo, Novi Sad, Belgrad undmedizinische Versorgungszentren in neun großenFlüchtlingslagern sowie zwei Ambulanzen fürFlüchtlinge.

Menschenrechtsgruppen in Belgrad, Sarajewo,Zagreb und Split.

Die kroatische, im gesamten ehemaligen Jugo-slawien verbreitete Antikriegszeitung ARKzin.

Friedensbüros, -zentren und -aktionen in Sara-jewo, Tuzla, Belgrad, Novi Sad, Osijek, Pakrat,Zagreb und Rijeka.

13 Lager mit insgesamt etwa 4000 bosnischenFlüchtlingen in Kroatien, die regelmäßig frischesObst, Gemüse sowie Milch für Kinder erhalten. .

Unsere Aktion Ferienpatenschaften für Kriegskin-der brachte innerhalb weniger Wochen 1300 Zu-sagen, also bei Kosten von 220 DM für ein Kindca. 290 000 DM, die nun in Reserve liegen und inden Sommerferien eingesetzt werden.

Wenn noch weitere Patenschaften eingehen, kön-nen wir zusätzlich, betreut durch bosnische Fran-ziskaner, die nach Kroatien vertrieben wurden,unter medizinischer Kontrolle bis zu 300 (von Ge-burt oder durch Kriegsverletzung) körperlich be-hinderten Kindern einen dem jeweiligen Gesund-heitszustand angemessenen Erholungsurlaub ander Adria ermöglichen.

Klaus Vack: Friedenspolitik mitten im Krieg .,_, Sensbachtal7996, S. 279 f.

1 D 18 1 Realschüler helfen

Tauberbischofsheim. Nicht weil die Riemenschnei-der-Realschule im Überfluß lebt, spendete sie einengrößeren Geldbetrag für die Renovierung und Aus-stattung einer Schule in Bosnien, sondern aus Soli-darität mit den Betroffenen. So jedenfalls äu6ertesich Realschulrektor Robert Weniger bei der Uber-gabe eines Geldbetrages an die ,,Private Bosnien-hilfe”, als deren Vertreter Jürgen Schmitt (Lauda)und Herbert Schmitt (Distelhausen) die Spende inEmpfang nahmen. Zusammen mit Willy Kolban (Un-terbalbach) und dem Bosnier Hasan Karovic hatdiese Gruppe unter äußerst schwierigen Umständenbisher schon acht Lkw-Transporte mit Hilfsgüternwie Nahrungsmittel, Kleidung und technischeGeräte in das vom Bürgerkrieg heimgesuchte Bos-nien gebracht.

Zweckgebunden wird nun der Verein ,,Private Bos-nienhilfe” das gespendete Geld zur Renovierungeiner Schule in Goraide verwenden. So will maneinen Beitrag leisten, daß dort den Schülerinnen undSchülern bald wieder ein für den Unterricht brauch-bares Schulhaus zur Verfügung steht. Die Wunsch-liste der Schule ist lang und reicht von der Beschaf-fung von SchulmobeIn bis hin zu Schautafeln undSchreibpapier für Sekretariat und Schulalltag.

Die private Bosnienhilfe wird auch von einer Gruppevon Bundestagsabgeordneten um ChristianSchwarz-Schilling und Freimut Duve unterstützt.Auch die Frau des ehemaligen Nato-Generalse-kretärs Manfred Wörner ist in diese Aktion aus demTaubertal integriert.Fränkische Nachrichten, 27.7.1997 (Edgar Münch)

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Friedensarbeit in Bosnien-Herzegowina 55

Forum ehemaligesJugoslawien

Begegnungen, organisiert von der Landeszentralefür politische Bildung Baden- Württemberg

Im Forum ehemaliges Jugoslawien treffen sich re-gelmäßig etwa alle drei Monate an einem Donners-tag um 18 Uhr

-Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, dieschon lange hier lebenalso Serben, Kroaten, Bosnier, Slowenen . . .(mit zum Teil deutscher Staatsangehörigkeit)Menschen, die vor dem Krieg nach Baden-Würt-temberg geflüchtet sindMenschen, die beruflich mit oben Genannten zutun habenMenschen, die sich für die Situation im ehemali-gen Jugoslawien interessieren

weil

sich Gleichgesinnte im Einsatz für den Frieden inBosnien-Herzegowina austauschen und unter-stützen

aggressives Verhalten und nationalistisches Den-ken nicht auf Baden-Württemberg überschwap-pen darf

Referentinnen und Experten über die aktuelleSituation im ehemaligen Jugoslawien informieren

Vorbilder für ein friedliches Miteinander notwen-dig sind.

Von den eingeladenen (mittlerweile 122) Personennehmen pro Abend stets zwischen 20 und 40 Per-sonen teil.

Einmal im Jahr bietet die Landeszentrale einWochenendseminar für das ,,Forum ehemaligesJugoslawien“ in der Tagungsstätte ,,Haus auf derAlb“ in Bad Urach an.

Auch die bosnischen Serben haben das Vertrauengewonnen, daß der ,,Runde Tisch” keine Anklage-bank, ist und sie ernstgenommen werden. Da sie inder Offentlichkeit häufig die Erfahrung gemacht hat-ten, als Serben pauschal verurteilt zu werden, wurdeein Forum, in dem ihre persönliche Meinung undnicht ihre ethnische Zugehörigkeit im Vordergrundsteht, um so wichtiger. Mittlerweile sind kroatischeund serbische Bosnier ausgewogen vertreten, aller-dings bleiben muslimische Bosnier bislang unterre-präsentiert.

Mehr als einmal schien der Punkt des Scheiternsgekommen. Doch der Wille der Teilnehmenden, sichauseinanderzusetzen und verstehen zu wollen, wargrößer als erlittene Enttäuschungen. Der damit ver-bundene allmähliche Bewußtseinswandel ließ sichan der neuen Themenwahl ablesen: Nicht in die Ver-gangenheit, sondern in die Zukunft wurde nun derBlick gerichtet. Wie demokratisch die neu entstan-denen Länder seien, die Ausformung des Rechts-

Systems oder die Situation vor den Wahlen wurdeintensiv diskutiert. Enttäuschungen und erfüllte Er-wartungen halten sich die Waage, doch spricht vorallem die Kontinuität des Kreises für einen gewissenErfolg des Forums.

Zwar fördern die regelmäßigen Abendtreffen das ge-genseitige Kennenlernen, doch erst ein dreitägigesSeminar hat ihn zuwege gebracht: den ersten fo-rumsinternen ,,serbisch-kroatischen Abschiedskuß“!Seit über drei Jahren reden, streiten, lachen musli-mische mit serbischen, serbische mit kroatischenBosniern. Doch dies ist nur ein Zwischenschritt. Dienächste Aufgabe liegt in der Vorbildfunktion für an-dere. Auf kommunalpolitischer Ebene hat das Fo-rum Bedeutung erhalten und gilt als einer der weni-gen funktionierenden Kreise, in dem nationaleSchranken bewußt aufgebrochen werden.Vgl. Sabine Keitel: Forum ehemaliges Jugoslawien, in: Prak-tische politische Bildung, hg. von der Landeszentrale für po-litische Bildung Baden- Württemberg, Sehwalbach: Wochen-schau 1997, S. 261 ff.

) D 20 ] Schöne schreckliche Welt

Von Carina Dahlinger

Ich soll etwas Schönes schreiben,denn das Schlechte will keiner hören.Also Schreib ich von Blumenwiesen,von Blüten, die in allen Farben aufleuchten.Von Vögeln, die ihre Lieder pfeifen,von Bienen, die leise summen,und von Bäumen, die sich sanft im Winde wiegen,

Ich soll von glücklichen Menschen schreiben,denn die traurigen will keiner sehen.Also schreibe ich über lachende Kinder,von fröhlichen Babys, die vor sich hinbrabbeln,von Senioren, die spazieren gehen,von Jugendlichen, die Ausbildungsplätze haben,und von Unternehmen, die nicht pleite gehen.

Ich soll von einer heilen Welt schreiben,denn die wirkliche ist schrecklich genug.Also schreibe ich über Länder,die sich nicht dauernd bekriegen,von Großstädten ohne Slums.Von Zeiten, in denen jeder genug zu essen hat,von einer Umwelt ohne Verschmutzungund von Plätzen ohne Gier nach Geld und Macht.

Doch während ich hier über eine schöne Weltschreibe,von Dingen, die gar nicht so sind,vergesse ich dabei fast zu berücksichtigen,wie es wirklich ist.Wobei ein Traum von besseren Dingenwohl nie negativ ist.Stuttgarter Nachrichten, 10.7.1997. Canna Dahlinger besuchtdas Neue Gymnasium in Stuttgart-Feuerbach.

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UNSERE HUNDERT HEFTE

In der Reihe ,,Politik und Unterricht“ sindseit 1975 die folgenden Hefte erschienen

Heft 1

Heft 2Heft 3Heft 4

Christentum undMarxismusDeutschlandpolitikFamilie und GesellschaftDas Parlamentsspiel

Heft 1

Heft 2

Heft 3

Heft 4

Konjunkturanalyse undKonjunkturpolitikEinkommens- undVermögenspolitikGesellschaft und Staat -Politische WillensbildungDer Schlager -Traumwelt und Wirklichkeit

Heft 1 SicherheitspolitikHeft 2 BerufsorientierungHeft 3 Pluralität und PluralismusHeft 4 MassenmedienSonderheft Sozialgeschichte der

Stauferzeit ISonderheft Europäische Aspekte

Heft 1 SystemvergleichBundesrepublikDeutschland - DDR

Heft 2 KarikaturenHeft 3 ParlamentarismusHeft 4 Recht und GesellschaftSonderheft Sozialgeschichte der

Stauferzeit IISonderheft Terrorismus

Heft 1 Probleme der ArbeitsweltHeft 2 Sprache und PolitikHeft 3 Soziales LernenHeft 4 Soziale Schichtung und

MobilitätSonderheft Kommunalpolitik

Heft 1 Spot-tHeft 2 WirtschaftsordnungenHeft 3 Sicherheitspolitik - Bundes-

wehr - FriedenssicherungHeft 4 EntwicklungsländerSonderheft Die Deutsche Frage

Heft 1 Familie und SchuleHeft 2 ExtremismusHeft 3 Aspekte der

FriedenserziehungHeft 4 UmweltpolitikSonderheft Energiepolitik

Heft 1

Heft 2

Heft 3Heft 4

Anstöße -Literarische KleinformenBaden-Württemberg/DerWeg zum SüdweststaatJugend und FreizeitHeimatkunde

Heft 1 ParteienHeft 2 StadtentwicklungHeft 3 Widerstand im Dritten ReichHeft 4 MenschenrechtePU aktuell 1 Zur Bundestagswahl am

6. März 1983

Heft 1 WahlenHeft 2 KunstHeft 3 ZukunftHeft 4 AusländerSonderheft Staatstheorien

Heft 1 UN0 - Die Vereinten NationenHeft 2 NaturschutzHeft 3 Aspekte der

SicherheitspolitikHeft 4 Kommunale PolitikPU aktuell 2 Zum 8. Mai 1985

Heft 1 Verdun 1916Heft 2 Beispiele aus der

GrundschuleHeft 3 FöderalismusHeft 4 Trends und ModenPU aktuell 3 Das Europa der Zwölf

Heft 1 ComputerHeft 2 USAHeft 3 FrankreichHeft 4 Ausbildung und BerufSonderheft Historische Lieder aus acht

Jahrhunderten

Heft 1Heft 2Heft 3Heft 4

Erkundungen im NahbereichSinnfragenIsrael und der Nahost-KonfliktWeichenstellungen1945 bis 1948

Heft 1 GrundgesetzHeft 2 EuropaHeft 3 Die Französische RevolutionHeft 4 SowjetunionPU aktuell 4 UdSSR im Umbruch

Heft 1 PolenHeft 2 Eindrücke, Erfahrungen,

BegegnungenHeft 3 Vorurteile und FeindbilderHeft 4 Drogen und SuchtPU aktuell 5 DDR 1989/90PU aktuell 6 Deutschland vor der Wahl

Heft 1

Heft 2Heft 3

Heft 4

Industrialisierung imdeutschen SüdwestenAlltagOsteuropa im Umbruch:Plakate, Fotos, KarikaturenDie fünfziger Jahre in derBundesrepublik Deutschland

Heft 1 ChinaHeft 2 + 3 Haltepunkte - Reisen und

Nachdenken inBaden-Württemberg

Heft 4 BaltikumPU aktuell 7 Baden-Württemberg wählt

Heft 1 StalingradHeft 2 Alt und JungHeft 3 EG-PerspektivenHeft 4 Wirtschaftsethik

Heft 1 MigrationHeft 2 Politischer Widerstand

gegen die NS-DiktaturHeft 3 (Auto-)MobilitätHeft 4 Jugend und RechtPU aktuell 8 Zur Bundestagswahl am

16. Oktober 1994

Heft 1Heft 2Heft 3Heft 4

Internationale KlimapolitikUmbruchjahr 1945Politische SymboleUmweltkonflikte in derGeschichte

Heft 1Heft 2

Moderne ZeitenZugänge -Werkstattberichte

Heft 3

Heft 4

aus der HauptschuleFrauen - (k)ein Thema fürMänner?Sicherheitspolitik

Heft 1

Heft 2Heft 3

EuropäischeWährungsunionMit Gegensätzen lebenDer Zerfall Jugoslawiens

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Thema des nächsten Heftes:

Asien

SO ERREICHEN SIE UNS

LANDESZENTRALE FÜR POLITISCHEBILDUNG BADEN-WÜRTTEMBERG

Stafflenbergstraße 38, 70184 StuttgartTelefax (0711) 2371-496 Telefon (0711) 2371-30Mailbox (07125) 152-138

Internet http://www.ipb.bwue.de

Durchwahlnummern:

Direktor: Siegfried Schiele -385Assistenz: Sabine Keitel -387Öffentlichkeitsarbeit: Joachim Lauk -484

Abteilung I Verwaltung (Klaus Jentzsch)Fachreferatel/l Partnerfragen: Klaus Jentzsch -379112 Organisation und Haushalt: Jörg Harms -383113” Haus auf der Alb: Erika Höhne (07125) 152-109l/4 D V - O r g a n i s a t i o n S t u t t g a r t : W o l f g a n g Herterich - 492114’ DV-Organ i sa t i on S tu t t ga r t : Cyn th i a Be r t azzon i - 4991/4** DV-Organisation Bad Urach:

Siegfried Kloske (07125) 152-137

Abteilung II Adressaten (Karl-Ulrich Templ, stellv. Drrektor)Fachreferate11/2** Frieden und Sicherheit: Wolfgang Hesse (07125) 152-140ll/3 Lehrerfortbildung: Karl-Ulrich Templ -390Ill4 Schule, Hochschule, Schülerwettbewerb:

Reinhard Gaßmann, Ass. Monika Greiner -373Ill5 A u ß e r s c h u l i s c h e Jugendbrldung: Wol fgang Berger -369Il/6” ö f f e n t l i c h e r D i e n s t : E u g e n Baacke ( 0 7 1 2 5 ) 152-136

Abteilung Ill Schwerpunkte (Konrad Pflug)Fachreferate111/1* Landeskunde/LandespoIitik:

Dr. Angelika Hauser-Hauswirth -392Ill/2 Frauenbildung: Christine Hede1 -487lll/3” Zukunft und Entwicklung:

Gottfried Böttger (07125) 152-139lll/4” Ökologie: Dr. Markus Hug (07125) 152-146Ill/5 F r e i w i l l i g e s ö k o l o g i s c h e s J a h r : K o n r a d P f l u g - 4 9 4Ill/6 Deutschland und Europa: Dr. Thomas Weber -488Ill/7 Massenkommunikation und Medienpädagogik: N. N.Ill/8 Gedenkstättenarbeit: Konrad Pflug - 5 0 1

Abteilung IV Publikationen (Prof. Dr. Hans-Georg Wehling)FachreferateIV/1 Wissenschaftliche Publikationen,

Redaktion ,,Der Bürger im Staat”: Prof. Dr. Hans-Georg Wehling -371IV/2 Redaktion ,,Politik und Unterricht”: Otto Bauschert - 3 8 8IV/3 Redaktion ,,Deutschland und Europa“:

Dr. Walter-Siegfried Kircher -391

IV/4 Didaktik politischer Bildung: Siegfried Frech - 4 8 2IV/6” Arbeitshilfen: Werner Fichter (07125) 152-147

Abteilung V Regionale Arbeit (Hans-Joachim Mann)FachreferateVI1 Außenstelle Freiburg: Dr. Michael Wehner (0761) 2077377v/2 Außenstelle Heidelberg: Dr. Ernst Lüdemann (06221) 6078-0VI3 Außenstelle Stuttgart: Hans-Joachim Mann (0711) 2371375VI4 Außenstel le Tübingen: Rol f Mül ler (07071) 2002996

DienststellenZentrale in Stuttgart s. 0.f

**70178 Stuttgart, Sophienstraße 28-30, Telefax (0711) 2371-498

Haus auf der Alb, Hanner Steige 1,72574 Bad Urach, Tel. (07125) 152-0, Telefax (07125) 152-100

Außenstelle Freiburg, Friedrichring 29,79098 Freiburg, Tel. (0761) 207730, Telefax (0761) 2077399

Außenstelle Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 22-2469117 Heidelberg, Tel. (06221) 6078-0

Außenstelle Stuttgart, Sophienstraße 28-30,70178 Stuttgart, Tel. (0711) 2371374, Telefax (0711) 2371498

Außenstelle Tübingen, Herrenberger Straße 36,72070 Tübingen, Tel. (07071) 2002996, Telefax (07071) 2002993

Bibliothek/Mediothek Haus auf der AlbBad Urach: Gordana Schumann, Telefon 07125/152-121

Publikationsausgabe StuttgartStafflenbergstraße 38

Dienstag 9.00 bis 12.00 UhrDonnerstag 14.00 bis 17.00 Uhr

* Nachfragen

,,Politik und Unterricht”Verena Richter, Telefon 0711/2371378

,,Deutschland und Europa“Ulrike Weber, Telefon 0711/2371384

,,Der Bürger im Staat“Ulrike Hirsch, Telefon 0711/2371371

Publikationen (außer Zeitschriften)Ulrike Weber, Telefon 071172371384

i* Bestellungen

bitte schriftlich an die zuständigen Sachbearbeiterinnen (s. 0.):Stafflenbergstraße 38, 70184 Stuttgart, Fax 0711/2371496

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