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E4542 2 2011 Integrationsland Deutschland Vielfalt leben und gestalten

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2 – 2011

Integrationsland DeutschlandVielfalt leben und gestalten

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Zeitschrift für die Praxis der politischen Bildung

THEMA IM FOLGEHEFT

»Politik & Unterricht« wird von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB)herausgegeben.

HERAUSGEBERLothar Frick, Direktor

CHEFREDAKTEURDr. Reinhold [email protected]

REDAKTIONSASSISTENZSylvia Rösch, [email protected] Hahn, Stuttgart/Berlin

ANSCHRIFT DER REDAKTIONStaffl enbergstraße 38, 70184 StuttgartTelefon: 0711/164099-45; Fax: 0711/164099-77

REDAKTIONJudith Ernst-Schmidt, Oberstudienrätin,Werner-Siemens-Schule (Gewerbliche Schule für Elektrotechnik), Stuttgart Dipl.-Päd. Martin Mai, Wilhelm-Lorenz-Realschule,EttlingenDipl.-Päd. Holger Meeh, Akademischer Rat,Pädagogische Hochschule HeidelbergWibke Renner-Kasper, Konrektorin der Grund-, Haupt- und Realschule IllingenAngelika Schober-Penz, Studienrätin,Erich-Bracher-Schule (Kaufmännische Schule), Kornwestheim

GESTALTUNG TITELBertron.Schwarz.Frey, Gruppe für Gestaltung, Ulmwww.bertron-schwarz.de

GESTALTUNG INNENTEILMedienstudio Christoph Lang, Rottenburg a.N., www.8421medien.de

VERLAGNeckar-Verlag GmbH, Klosterring 1, 78050 Villingen-SchwenningenAnzeigen: Neckar-Verlag GmbH, Uwe StockburgerTelefon: 07721/8987-71; Fax: [email protected] gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 2 vom 1.5.2005.

DRUCKPFITZER GmbH & Co. KG, Benzstraße 39, 71272 Renningen

Politik & Unterricht erscheint vierteljährlich.Preis dieser Nummer: 3,20 EURJahresbezugspreis: 12,80 EURUnregelmäßige Sonderhefte werden zusätzlich mit je 3,20 EUR in Rechnung gestellt.

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers und der Redaktion wieder. Für unaufgefordert eingesendete Manuskripte übernimmt die Redaktion keine Haftung.

Nachdruck oder Vervielfältigung auf elektronischen Datenträgern sowie Einspeisung in Datennetze nur mit Genehmigung der Redaktion.

Titelfoto: picture-alliance/dpaAufl age dieses Heftes: 24.000 ExemplareRedaktionsschluss: 15. Mai 2011ISSN 0344-3531

Inhalt

Editorial 1Geleitwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport 2 Autoren dieses Heftes 2

Unterrichtsvorschläge 3 – 18

Einleitung 3Baustein A: Integrationsland Deutschland 13Baustein B: Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg« 14Baustein C: Migration und Integration – Themen der Zukunft 17Literatur- und Medienhinweise 18

Texte und Materialien 19 – 54

Baustein A: Integrationsland Deutschland 20Baustein B: Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg« 34Baustein C: Migration und Integration – Themen der Zukunft 46

Einleitung: Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun, Baustein A: Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun, Dr. Reinhold Weber Baustein B: Alice Bischof Baustein C: Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun Dr. Reinhold Weber

Das komplette Heft fi nden Sie zum Downloaden als PDF-Datei unter www.politikundunterricht.de/2_11/integrationsland.htm

Politik & Unterricht wird auf umweltfreundlichem Papier aus FSC-zertifi zierten Frischfasern und Recyclingfasern gedruckt. FSC (Forest Stewardship Council) ist ein weltweites Label zur Ausweisung von Produkten, die aus nachhaltiger und verantwortungsvoller Waldbewirt-schaftung stammen.

60 Jahre Baden-Württemberg

HEFT 2 – 2011, 2. QUARTAL, 37. JAHRGANG

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EditorialStatistisch gesehen ist Deutschland schon lange Einwan-derungsland. Offi ziell anerkannt wird das jedoch erst seit kurzer Zeit. Die Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft haben mittlerweile die Themen Migration und In-tegration als eine der drängendsten gesellschaftspolitischen Gegenwartsfragen des Landes erkannt. Dabei hat sich das Politikfeld Integration in den letzten Jahren dynamisch entwickelt. Der Nationale Integrationsplan, die nationalen Integrationsgipfel oder auch die Islamkonferenz stehen bei-spielhaft für diese Entwicklung. In den Kommunen, dort wo Integration ganz pragmatisch und im Alltag gelebt wird, hat man die Bedeutung dieser Frage schon weit früher erkannt.

Mit dem vorliegenden Heft wollen wir keine gesellschaft-lichen Debatten über eine vermeintlich gelungene oder misslungene Integration nachzeichnen, sondern den Lehre-rinnen und Lehrern des Landes eine Fülle von Materialien mit weiterführenden Arbeitsaufträgen an die Hand geben, um mit Schülerinnen und Schülern das politische Handlungsfeld Integration erarbeiten zu können. In einem ersten Baustein werden hierzu Daten, Fakten und Defi nitionen zum Thema Integration geliefert. Im zweiten Baustein steht Stuttgart als bundesweites Vorbild in Sachen Integration im Mittel-punkt, während der dritte Baustein den Blick in die Zukunft richtet und nach dem Zusammenhang von Migration, Inte-gration und demographischer Entwicklung in Deutschland fragt.

Im Vordergrund dieser Ausgabe von Politik & Unterricht stehen positive und erfolgreiche Beispiele für Maßnahmen, mit denen die Integration von Menschen mit Migrations-hintergrund vorangebracht werden konnte. Vielfalt leben und gestalten – der Untertitel der Ausgabe betont diesen inhaltlichen Schwerpunkt.

Lothar FrickDirektor der LpB

Dr. Reinhold WeberChefredakteur

Neues Redaktionsmitglied: Martin Mai

Im April 2011 hat die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg Herrn Martin Mai in die Redaktion von »Politik & Unterricht« berufen. Der Diplom-Pädagoge Martin Mai, geboren 1971, unterrichtet an der Wilhelm-Lorenz-Realschule Ettlingen den Fächerverbund EWG (Erdkunde – Wirtschaftslehre – Gemeinschaftskunde) sowie die Fächer Deutsch, Katholische Religionslehre und Geschichte. Dort organisiert er auch das Themenorientierte Projekt BORS (Be-rufsorientierung in der Realschule).

Mehrere Jahre hatte Martin Mai einen Lehrauftrag an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg im Fach Politikwis-senschaft inne. Dort ging es um die Verknüpfung von Theorie und Praxis sowie um methodische Fragen auf dem Feld der politischen Bildung. Vor dem Schuldienst war er Heimleiter im Alfred-Delp-Haus (Katholisches Wohnheim für Studie-rende in Mannheim) sowie pastoraler Mitarbeiter der Katho-lischen Hochschulgemeinde Mannheim.

Für die Landeszentrale für politische Bildung war Martin Mai bereits zwei Mal als Autor für »Politik & Unterricht« sowie als Rezensent für die Zeitschrift »Der Bürger im Staat« tätig. Die Redaktion von P&U freut sich auf die kompetente Bereicherung ihrer Arbeit und auf die Zusammenarbeit mit Herrn Mai.

Lothar Frick und Dr. Reinhold Weber

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Geleitwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und SportDie immer wieder geführte Diskussion der Frage, ob wir Einwanderungsland sind oder nicht, ist im Grunde ein Streit um des Kaisers Bart. In Deutschland leben rund 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, davon etwa 6,7 Millio-nen ohne deutschen Pass. Eine gelungene Integration fi ndet hierzulande schon seit Jahrzehnten statt, wenngleich si-cherlich in einigen Bereichen noch Verbesserungen erreicht werden können. Aber im Getöse der immer wiederkehrenden sogenannten Debatten über Integration oder über den Islam in Deutschland wird bisweilen vergessen, dass in Deutsch-land seit langer Zeit schon Menschen aus zahlreichen unter-schiedlichen Nationen und aus allen Kulturkreisen der Welt friedlich zusammenleben. Darin steckt ein großes Potenzial unseres Landes, das es weiter zu stärken gilt.

In den baden-württembergischen Bildungsstandards ist das Thema Integration beispielsweise im Gymnasium im Rahmen des Fachs Gemeinschaftskunde verankert. Die Schülerinnen und Schüler erwerben unter anderem die Kompetenz, »Mög-lichkeiten und Probleme der Integration in einer pluralis-tischen Migrationsgesellschaft dar[zu]stellen fallbezogen [zu] beurteilen«, oder aber, im vierstündigen Wahlkernfach in der Kursstufe, »Maßnahmen der Integrationspolitik [zu] erläutern und in der Kontroverse über Zielsetzung und Reich-weite von Integrationspolitik Stellung [zu] beziehen«.

Wir danken der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, dass sie mit der vorliegenden Ausgabe von Politik & Unterricht das wichtige und zukunftsweisende Thema Integration aufgreift und die Lehrerinnen und Lehrer des Landes damit unterstützt, aktuellen Unterricht gestalten zu können.

Gernot Tauchmann Ministerium für Kultus, Jugend und SportBaden-Württemberg

AUTOREN DIESES HEFTES

Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun ist Leiter der Redaktion SWR International und Integrations-beauftragter des Senders. Er ist Honorarpro-fessor am Institut für Politikwissenschaft der Eberhard Karls Universität Tübingen und Stell-vertretender Vorsitzender des Rates für Mig-ration, eines bundesweiten Zusammenschlusses von Migrations- und Integrationsexperten.Alice Bischof ist Studienrätin am Königin-Charlotte-Gymnasium in Stuttgart-Möhringen. Sie unterrichtet dort die Fächer Gemeinschafts-kunde, Geschichte und Deutsch.Dr. Reinhold Weber ist Chefredakteur der Zeit-schrift Politik & Unterricht bei der LpB Baden-Württemberg. Er ist Lehrbeauftragter am Semi-nar für Zeitgeschichte der Eberhard Karls Uni-versität Tübingen.

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●●● E INLEITUNG

Migration und Integration bestimmen seit Jahren die Schlag-zeilen in Deutschland. Oft werden diese Begriffe aber ver-wendet, ohne genau zu sagen, was damit eigentlich gemeint ist. Das Wort Migration kommt aus der lateinischen Sprache. »Migratio« heißt übersetzt so viel wie »Wanderung«. Die Menschen verlassen dabei ihre Heimat, weil sie dort keine Arbeit fi nden oder aus anderen Gründen fl iehen müssen. Integration (von lat. integrare = wiederherstellen, Herstel-lung eines Ganzen) ist die Zusammenführung des »Verschie-denen«, wobei das Verschiedene als solches kenntlich bleibt. In der politischen Diskussion wird dieser Begriff oftmals als Assimilation verstanden, das heißt, als Aufgabe der ei-genen kulturellen und sprachlichen Herkunft und im Sinne einer vollständigen Anpassung an die deutsche Gesellschaft. Dabei wird in der Regel nicht festgelegt, an welche Normen und Werte sich die Einwanderer eigentlich genau anpassen sollen und was letztendlich das Vorbild eines angepassten Ausländers oder eines »integrierten Deutschen« ist.

Integration stellt aber einen wechselseitigen Prozess zwi-schen Zuwanderern und Einheimischen dar. Dabei sollen die Lebensverhältnisse beider Gruppen angeglichen und Chancengleichheit in wichtigen Bereichen der Gesellschaft erreicht werden. Integration spielt sich in verschiedenen Bereichen ab. Man spricht unter anderem von kultureller,

Integrationsland Deutschland Vielfalt leben und gestalten

sozialer und politischer Integration. Von einer gleichbe-rechtigten Teilhabe an Bildung, Erziehung oder Ausbildung – das belegen zahlreiche Studien unterschiedlicher Proveni-enz – sind wir aber in Deutschland noch weit entfernt. So schneiden ausländische Schülerinnen und Schüler im Durch-schnitt immer noch deutlich schlechter ab als deutsche Mädchen und Jungen. Wie aus dem Jahresgutachten 2010 des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integra-tion und Migration hervorgeht, erreichen Schüler »deutscher Herkunft« zu 32 Prozent die Hoch- oder Fachhochschulreife, bei den ausländischen Schülern sind es nur 12 Prozent. Beim Hauptschulabschluss ist der Unterschied noch größer: 21 Prozent der deutschen, aber rund 40 Prozent der auslän-dischen Schüler haben einen Hauptschulabschluss.

Gerade aus der deutschen Aus- und Einwanderungsge-schichte lässt sich ablesen, dass Integration Zeit braucht und nicht erzwungen werden kann. Meist dauert es eine Generation und länger, bis sich Migranten angepasst haben. Ihre kulturellen Wurzeln behalten gerade auch die Deutschen im Ausland lange bei und pfl egen ihre Traditionen und Feste. So gibt es beispielsweise in den USA eine ausge-prägte deutsche Kultur, etwa mit Oktoberfesten oder der Steuben-Parade als einem der größten Feste im deutsch-amerikanischen Festkalender.

Die Lebenslüge vom »Nicht-Einwanderungsland«Deutschland ist kein Einwanderungsland! Dieser Kernsatz stand bereits in der Verwaltungsvorschrift zum Reichs- und

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Die deutsche Sprache ist eine zentrale Voraussetzung für Bildungserfolg und soziale Integration in Deutschland.

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Einleitung

Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913, das noch bis 1990 uneingeschränkt galt »und die Praxis der Einbürgerungs-behörden bestimmt hat«, wie Dorothea Koller, die jetzige Leiterin des Stuttgarter Amts für öffentliche Ordnung und langjährige Chefi n einer der größten Ausländerbehörden in Deutschland, feststellt. Dieses Motto dominierte auch noch die Ausländerpolitik der Bundesrepublik in der Zeit der An-werbung der »Gastarbeiter«, die dringend als Arbeitskräfte im Nachkriegsdeutschland gesucht wurden. 1955 wurde das erste Anwerbeabkommen mit Italien abgeschlossen. 1960 folgten Spanien und Griechenland, 1961 die Türkei, 1964 Portugal, das damalige Jugoslawien 1968. Bereits 1965 traf die Bundesregierung entsprechende Vereinbarungen mit Tunesien und Marokko, was weitgehend unbekannt geblie-ben ist. Jahrzehntelang ging man in Deutschland davon aus, dass die ausländischen Arbeitskräfte über kurz oder lang wieder heimkehren würden. Auch die Arbeitsmigranten selbst lebten mit dieser »Rückkehrillusion«.

Deutschland ist keinesfalls blind in einen Einwanderungs-prozess hineingeschlittert, wie oft behauptet wird. Nachdem die Archive jetzt für die Forschung geöffnet wurden, zeigt sich, dass die politisch Verantwortlichen in den Ministerien sich schon in den 1960er Jahren durchaus bewusst waren, dass Einwanderung stattfi ndet und damit Integrationsprob-leme verbunden sein werden. Allerdings wurde das Thema Integration erst viel zu spät als wichtiges gesamtgesell-schaftliches Politikfeld erkannt und die Weichen in Richtung Integration gestellt.

Die Bundesrepublik nahm lange Zeit mehr Zuwanderer auf als die klassischen Einwanderungsländer USA und Kanada zusam-men. Nach offi zieller Lesart der Politik blieb Deutschland aber fast ein halbes Jahrhundert lang noch kein Einwanderungs-land, obwohl Artikel 73 des Grundgesetzes klar von »Einwan-derung« als Aufgabe des Bundes spricht. Allein von 1955 bis zum Anwerbestopp im Jahre 1973 kamen 14 Millionen

Migranten in die alte Bundesrepublik. Elf Millionen zogen in diesem Zeitraum wieder weg. So wurde Deutschland in dieser frühen Phase schon zum Einwanderungsland.

Erst die Reform des Ausländergesetzes, die am 1. Januar 1991 in Kraft trat, markierte eine gewisse Wende in der Ausländerpolitik. Zum ersten Mal gab es jetzt einen Rechts-anspruch auf Einbürgerung. Bereits in den frühen »Gast-arbeiterjahren« bemühten sich Kirchen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände, die Arbeitsmigranten durch Beratungs-maßnahmen oder »Eingliederungshilfen« zu unterstützen, eine staatliche Integrationspolitik gab es jedoch bis vor kurzem nicht. Die Bundesregierung schuf 1978 das Amt eines Ausländerbeauftragten. Von 1979 bis 1980 standen sogar Integrationskonzepte im Mittelpunkt der Ausländer-politik. 1979 legte der erste Ausländerbeauftragte der Bun-desregierung und frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Heinz Kühn (SPD), ein Memorandum vor. Kühn kritisierte die bisherige Ausländerpolitik, die zu sehr von arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten geprägt worden sei. Er forderte die Anerkennung der »faktischen Einwan-derung«, Integrationsmaßnahmen und beispielsweise ein Kommunalwahlrecht für Ausländer. Kühn wies damals schon auf den Geburtenrückgang und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hin. Es gebe keine »Gastarbeiter« mehr, son-dern Einwanderer. 1980 blieb die damalige sozialliberale Bundesregierung mit ihren ausländerpolitischen Beschlüs-sen allerdings weit hinter den Forderungen ihres Auslän-derbeauftragten zurück und lehnte seine Vorschläge für ein Ausländerwahlrecht oder für Einbürgerungserleichterungen für ausländische Jugendliche ab.

Deutschland wird offi ziell zum EinwanderungslandZwanzig Jahre gingen ins Land, bis eine Wende in der Migra-tionspolitik einsetzte. Zunächst einmal sollte sich Grundsätz-liches mit einem klaren Bekenntnis zum Einwanderungsland ändern. So jedenfalls kündigte es die 1998 neu gewählte

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Zoi Becker sitzt im Februar 2010 in ihrer Wohnung in Stuttgart vor Familienfotos. Sie kam 1961 als griechische Gastarbeiterin nach Deutschland. Im März 2010 jährte sich das deutsch-griechische Anwerbe-abkommen zum fünfzigsten Mal.

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Einleitung

Bundesregierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Koalitionsvertrag an. Die schließlich verabschiedeten erleichterten Einbürgerungsbestimmungen vor allem für Ausländerkinder, die am 1. Januar 2000 in Kraft traten, stellten nun tatsächlich einen Wendepunkt in der Auslän-derpolitik dar. Zum ersten Mal rückte eine Bundesregierung damit vom Abstammungsprinzip (ius sanguinis = »Recht des Blutes«) ab, wonach die Staatsangehörigkeit von den Eltern abgeleitet wird. Kern der Reform war die Einbürgerung durch das Geburtsrecht (ius soli = »Recht des Bodens bzw. Landes«), wonach die Staatsangehörigkeit vom Geburtsort bzw. -land abgeleitet wird. Das Staatsangehörigkeitsrecht aus dem Jahr 1913 wurde damit zu Grabe getragen und ein historisch bedeutsamer Kurswechsel in der Migrationspoli-tik vorgenommen. In der 1999 veröffentlichten Broschüre der Bundesregierung zum neuen Staatsangehörigkeitsrecht wurde denn auch zum ersten Mal in der Geschichte der Bun-desrepublik regierungsamtlich festgestellt: »Deutschland ist schon längst zum Einwanderungsland geworden.« Mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts entstand jedoch eine Reihe von Problemen. Dazu gehört vor allem das sogenannte Optionsmodell. Demnach müssen sich in Deutschland gebo-rene Kinder ausländischer Eltern, die die deutsche Staats-angehörigkeit erhalten haben, mit der Volljährigkeit für die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entscheiden. Das betrifft vor allem Jugendliche mit türkischen Eltern. Junge Menschen aus Spanien, Italien oder Portugal dürfen beide Staatsangehörigkeiten behalten, weil diese Länder in der Europäischen Union sind.

Das Zuwanderungsgesetz – Licht und SchattenIm Herbst 2000 setzte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) eine Zuwanderungskommission unter der Leitung der früheren Bundestagspräsidentin und Bundesfamilienminis-terin Rita Süssmuth (CDU) ein. Diese Kommission sollte die Situation aufarbeiten und Empfehlungen aussprechen. Sie setzte sich unter anderem aus Vertretern von Gewerk-

schaften, Kirchen, Unternehmerverbänden und anderer ge-sellschaftlich relevanter Gruppen zusammen. Die politischen Parteien riefen ebenfalls solche Kommissionen ins Leben. Die Unabhängige Kommission »Zuwanderung«, auch Süssmuth-Kommission genannt, forderte in ihrem Abschlussbericht 2001 ein integrationspolitisches Gesamtkonzept.

In den Jahren 2001 bis 2004 entwickelte sich eine kontro-verse und bisweilen dramatisch zu nennende Debatte um das Zuwanderungsgesetz. Mit großer Mehrheit verabschiedete der Bundestag schließlich nach langem Hin und Her am 1. Juli 2004 den Zuwanderungskompromiss. Das in der Öf-fentlichkeit kurz als Zuwanderungsgesetz bezeichnete Re-formwerk stand von Anfang an unter der Überschrift »Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unions-bürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz)«. Zur Klar-stellung wurde im Vermittlungsverfahren auf Wunsch der Unionsparteien im Paragraph 1 (»Zweck des Gesetzes«) die Formulierung aufgenommen, dass das Gesetz Zuwanderung »unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrations-fähigkeit« ermöglicht und gestaltet. Die ursprüngliche For-derung der Union – »unter Berücksichtigung der nationalen Interessen und der nationalen Identität« – wurde allerdings nicht im Gesetz verankert. Ob im Ergebnis der langwierigen Verhandlungen das von der rot-grünen Regierung und Innen-minister Schily angekündigte »modernste Zuwanderungs-recht Europas« steht, ist umstritten. Für viele Beobachter war am Ende des Allparteienkompromisses eher der kleinste gemeinsame Nenner geblieben, auch wenn das Gesetz immer noch besser bewertet wird als der frühere Zustand.

Auf die Forderung der Unionsparteien hin wurde der Para-graph 20 (»Zuwanderung im Auswahlverfahren«) mit der Möglichkeit der Einwanderung nach einem Punktesystem be-reits in den Vermittlungsgesprächen gestrichen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wäre

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Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, Bundesinnenminister Otto Schily und der bayerische Innen-minister Günther Beckstein (v.l.n.r.) beantworten am 12. März 2004 bei ihrer Ankunft zu einer neuen Verhand-lungsrunde der vom Vermittlungs-ausschuss eingesetzten Arbeits-gruppe zur Zuwanderung in Berlin Fragen der Journalisten. Die Unter-händler von Regierung und Opposition versuchten weiter, einen Kompromiss beim Zuwanderungsgesetz zu fi nden, der schließlich nach langem Hin und Her zustande kam.

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Einleitung

Zum ersten Mal wird durch das Zuwanderungsgesetz ein In-tegrationsanspruch für Neuzuwanderer eingeführt. Wer nicht an den Integrationskursen teilnimmt, muss mit aufenthalts-rechtlichen Sanktionen rechnen. Sogenannte »Bestandsaus-länder« – solche also, die schon länger in Deutschland leben – können zu Kursen verpfl ichtet werden, wenn sie das Arbeitslosengeld II beziehen, besonders integrationsbedürf-tig sind und Plätze zur Verfügung stehen. Bei Verletzung der Teilnahmepfl icht sollen die Sozialleistungen gekürzt werden. Die Kosten der Integrationskurse trägt der Bund.

Nach den Terroranschlägen in Madrid am 11. März 2004 wurden im Vermittlungsverfahren umfangreiche Vorschläge der Unionsparteien zu Sicherheitsaspekten aufgenommen. Zur Verwirklichung der Freizügigkeit in der Europäischen Union schafft das Gesetz die Aufenthaltserlaubnis für Uni-onsbürgerinnen und Unionsbürger ab. Künftig besteht nur noch – wie für Deutsche – eine Meldepfl icht bei den Behör-den. Bei Familienangehörigen von Spätaussiedlern wurde der Nachweis über Grundkenntnisse der deutschen Sprache als Voraussetzung für die Einbeziehung in den Aufnahme-bescheid eingeführt, wodurch die Zugangszahlen in diesem Bereich weiter verringert werden sollten.

Das Ringen um das Zuwanderungsgesetz ist eines der zahl-reichen Beispiele für die parteipolitische Politisierung der Ausländerpolitik. Bereits am 22. März 2002 war in der um-strittenen Bundesratssitzung »eine politische Kampfsitua-tion auf die Spitze getrieben worden«, wie es Bundesprä-sident Johannes Rau (SPD) kritisierte. Im Hinblick auf die anstehenden Bundestagswahlen ging es in erster Linie um eine Machtprobe zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und seinem Herausforderer und bayerischen Minis-terpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), denn schließlich han-delte es sich um ein Kernstück rot-grüner Politik. Dabei hatten die Parteien mit ihren Konzepten gar nicht so weit auseinandergelegen. Der Gesetzentwurf war bereits ein

damit aber Zuwanderung durch ein solches Auswahlverfahren möglich gewesen. Eine genau festgelegte Anzahl von quali-fi zierten Bewerbern hätte unabhängig von einem konkreten Arbeitsplatzangebot – ausgerichtet nach den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands – ins Land geholt werden können. Dies wäre eine historische Neuerung in der deutschen Migra-tionspolitik gewesen, angelehnt an die Erfolge klassischer Einwanderungsländer wie Kanada, Australien und den USA. In der Praxis hätten Bundestag und Bundesrat einem sol-chen Verfahren zustimmen müssen, so dass auf keinen Fall –wie von den Gegnern der Regelung unterstellt – mit diesem Paragraphen 20 Tür und Tor für eine erhöhte Zuwanderung geöffnet worden wäre. Auch eine Null-Zuwanderung wäre aus arbeitsmarktpolitischen Gründen durchaus möglich gewesen.

Das Zuwanderungsgesetz enthält eine komplette Novellie-rung des Ausländerrechts, das – so wurde immer wieder kri-tisiert – selbst von Juristen nicht mehr zu durchschauen war. Statt fünf Aufenthaltstiteln gibt es jetzt nur noch zwei: eine (befristete) Aufenthaltserlaubnis und eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis. Ein neues Bundesamt für Migra-tion und Flüchtlinge (BAMF) wurde geschaffen, das aus dem bisherigen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg hervorging.

Gestrichen wurde allerdings der Paragraph 76 (»Sachverstän-digenrat für Zuwanderung und Integration«). Dieser vom Bundesinnenminister eingerichtete Zuwanderungsrat hatte sich bereits am 26. Mai 2003 unter dem Vorsitz von Rita Süssmuth konstituiert. Nach dem Gesetzentwurf sollte der Zuwanderungsrat einen den »Wirtschaftsweisen« vergleich-baren Stellenwert bekommen. Sang- und klanglos wurde dieses wichtige Gremium allerdings aufgelöst, nachdem es seinen ersten Bericht veröffentlicht und vorgeschlagen hatte, in stark begrenztem Umfang Zuwanderung zuzulassen. Dadurch war der Expertenkreis beim Bundesinnenministeroffensichtlich in Ungnade gefallen.

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Teilnehmer in einem Integrations-kurs »Deutsch als Fremdsprache« an der Volkshochschule Leipzig, aufgenommen im November 2010. Der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderte Kurs gehört zu drei Leistungsstufen mit insgesamt 645 Stunden, die von den ausländischen Teilnehmern inner-halb eines Jahres absolviert werden können.

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Einleitung

»rot-grün-schwarzer« Kompromiss. Man hätte sich durch-aus einigen können, wenn man gewollt hätte, aber alle Parteien setzten die Zuwanderungspolitik zum Machterwerb und Machterhalt ein.

Schon immer war Ausländerpolitik eine Art von Symbolpo-litik, bei der einer vermeintlich beunruhigten Wählerschaft konsequentes Handeln vorgeführt werden sollte; sie war ein Mittel, um sich politisch zu profi lieren. Die Interessen und Bedürfnisse der Minderheiten, der früheren »Gastarbeiter«, Flüchtlinge, Asylsuchenden oder Spätaussiedler und ihre Integration in die Gesellschaft standen weniger im Mit-telpunkt als die »politische Ausschlachtung« des Themas. Ausländerpolitik ist so bisweilen auch ein Beispiel dafür, wie in einem Bereich Politik gemacht werden kann, ohne auf die Betroffenen Rücksicht nehmen zu müssen. Das hat sich in den letzten Jahren geändert, denn inzwischen geht es um mehr als eine Million Deutscher ausländischer Herkunft, die das Wahlrecht haben. Die Parteien haben angefangen, diese Wählergruppen zu entdecken.

Integration im MittelpunktIn den letzten Jahren hat die Politik Selbstkritik in Sachen Migrationspolitik geübt. Bundespräsident Horst Köhler (CDU) kritisierte im April 2006, Deutschland habe die Integration »verschlafen«. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte ein Jahr später: »Wenn wir ehrlich sind, haben wir das Thema Integration in unserem Land zu lange auf die lange Bank geschoben.« Die Große Koalition von CDU/CSU und SPD er-klärte 2005 das Thema Integration zu einer Schwerpunktauf-gabe. Der Posten einer Staatsministerin für Integration und Migration wurde im Kanzleramt geschaffen und mit Maria Böhmer (CDU) besetzt. Die CDU/CSU/SPD-Bundesregierung steuerte von 2005 bis 2009 eindeutig einen integrations-politischen Kurs. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellte 2006 fest: »Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas. Er ist Teil unserer Gegenwart und er ist Teil

unserer Zukunft.« Diese Äußerungen wurden damals kaum kritisiert. Bundespräsident Christian Wulff (CDU) sprach in seiner Antrittsrede am 2. Juli 2010 von einer »Bunten Re-publik Deutschland«. Noch als Ministerpräsident von Nie-dersachsen hatte er die erste türkischstämmige Ministerin in Deutschland, Aygül Özkan, als Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration eingesetzt. Als Bundespräsident wiederholte er, was Schäuble gesagt hatte, nämlich, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Doch dieses Mal löste er damit eine Kontroverse aus.

Der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) distanzierte sich gleich bei seinem Amtsantritt im März 2011 von den Worten des Bundespräsidenten und sagte, die in der Bundesrepublik lebenden Menschen islamischen Glaubens gehörten natürlich zu Deutschland, »dass aber der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen« ließe. Dies stieß bei den musli-mischen Verbänden auf herbe Kritik und überschattete die Deutsche Islam Konferenz (DIK), durch die ein fairer Dialog mit den Muslimen ins Leben gerufen werden sollte.

Auch wenn vieles im Bereich von Absichtserklärungen blieb und im Hinblick auf Medienereignisse gesagt wurde, so bekam Deutschland seit dem Jahr 2000 einen kräftigen Schub in Richtung Integration. Man kann sogar sagen, dass in den letzten zehn Jahren mehr integrationspolitische Maßnahmen auf den Weg gebracht wurden als in den vier Jahrzehnten zuvor. Meilensteine waren das Staatsangehö-rigkeitsgesetz von 2000, die »Süssmuth-Kommission«, das Zuwanderungsgesetz von 2005, der Nationale Integrations-plan (NIP) sowie die Deutsche Islam Konferenz ab 2006. Außerdem hat die kommunale Integrationspolitik in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen, auch wenn Städte wie Stuttgart bereits seit langem eine Vor-reiterrolle auf diesem Gebiet übernommen haben.

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Einleitung

»Migrationshintergrund« eingeführtVon besonderer Bedeutung war auch, dass seit dem Jahr 2005 im Rahmen des Mikrozensus, der größten amtlichen Haushaltsbefragung in Deutschland, auch nach dem Migra-tionshintergrund gefragt wurde. Die Unterscheidung zwi-schen deutscher und ausländischer Nationalität erwies sich immer mehr als unzureichend, weil sich viele Ausländer eingebürgert haben. Zu den Personen mit Migrationshinter-grund zählen: 1. Alle in Deutschland lebenden Ausländer, das heißt sowohl die Menschen ohne deutschen Pass, die selbst zugewandert sind, als auch die in Deutschland geborenen Ausländer. 2. Deutsche mit Migrationshintergrund. Diese Gruppe der Migranten umfasst auch Personen mit deutscher Staatsbür-gerschaft, nämlich ◗ Spätaussiedler und Eingebürgerte, ◗ die Kinder von Spätaussiedlern und Eingebürgerten, ◗ die Kinder ausländischer Eltern, die bei der Geburt zu-

sätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben (nach der »ius soli«-Regelung),

◗ Kinder mit einseitigem Migrationshintergrund, bei denen also nur ein Elternteil Migrant ist,

◗ sowie eingebürgerte nicht zugewanderte Ausländer.Bei der Bestimmung des Migrationshintergrunds wird dabei nur die Zuwanderung ab 1950 berücksichtigt.

Nach den Ergebnissen des Mikrozensus lebten in Baden-Württemberg im Jahr 2007 rund 2,7 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Mehr als ein Viertel der Baden-Würt-temberger gehört somit zu den Migranten. Diese Bevölke-rungsgruppe besteht aus 1,4 Millionen Personen mit deut-scher Staatsangehörigkeit und etwa 1,3 Millionen Ausländern. Mit gut 25 Prozent liegt in Baden-Württemberg der Anteil dieser Personengruppe deutlich über dem Bundesdurchschnitt von etwa 19 Prozent. Insgesamt leben in Deutschland 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund.

Der NIP und die DIKDie Integrationsgipfel sind seit 2006 im Bundeskanzler-amt stattfi ndende Konferenzen, bei denen Vertreter unter anderem aus Politik, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbän-den, Sportverbänden und Migrantenverbänden Probleme der Zuwanderung diskutieren und Lösungsvorschläge vorlegen. Daraus wurde der Nationale Integrationsplan (NIP) entwi-ckelt, der 2007 auf Bundesebene den Stand der Integration auf verschiedenen Ebenen beleuchtet und Absichtserklä-rungen sowie Selbstverpfl ichtungen formuliert. Er enthält einen Handlungsrahmen, weniger jedoch eine Finanzierung und Umsetzung neuer Integrationsmaßnahmen. Nach dem Nationalen Integrationsplan sollen die Integrationskurse verbessert und eine frühe Sprachförderung auf den Weg gebracht werden. Im Jahr 2008 wurde ein erster Fortschritts-bericht zum NIP vorgelegt. Auf der Grundlage des NIP wurde ein Aktionsplan erstellt, der auf dem 4. Integrationsgipfel am 3. November 2010 behandelt wurde. Für den NIP ist die Bundesintegrationsbeauftragte Maria Böhmer zuständig. Par-allel dazu besteht ein bundesweites Integrationsprogramm des Bundesinnenministeriums mit dem Bundesamt für Mig-ration und Flüchtlinge. Wie schon in der Vergangenheit,

sind in der Migrations- und Integrationspolitik verschiedene Ministerien beteiligt, was zu Kompetenzstreitigkeiten führt und für viele Beobachter für eine Bündelung aller Maßnah-men in einem Bundesintegrationsministerium spricht.

Die Deutsche Islam Konferenz (DIK) verabschiedete aus den Arbeitsgruppen bis 2009 verschiedene Zwischenergebnisse. Dazu gehören Empfehlungen für die Einführung von isla-mischem Religionsunterricht als ordentlichem Lehrfach, die Annahme von Empfehlungen zu Bau und Betrieb von Mo-scheen in Deutschland sowie zu islamischen Bestattungen, Empfehlungen zur Einrichtung islamisch-theologischer Lehr-einrichtungen an deutschen Universitäten sowie Empfeh-lungen für eine verantwortungsvolle, vorurteilsfreie und dif-ferenzierte Berichterstattung über Muslime und den Islam.

Der Allparteienkonsens in der Migrationspolitik blieb lange Zeit bestehen. Aus den Wahlkämpfen – vor allem aus dem Bundestagswahlkampf 2009 – wurde das Thema größtenteils herausgehalten. In diesem Sinne war die Große Koalition ein »Segen« für die Integrationspolitik. Auch die neue Bun-desregierung von CDU, CSU und FDP kündigte 2009 in ihrem Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode bis 2013 eine konsequente Fortsetzung der Integrationspolitik an.

Alles in allem ist die Integration in Deutschland besser als ihr Ruf. Zahlreiche Untersuchungen belegen dies, wenngleich diese Tatsache in Politik und Medien oftmals untergeht. So belegt beispielsweise eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung vom März 2011, dass Muslime der deutschen Gesell-schaftsordnung und den demokratischen Institutionen weit überwiegend aufgeschlossen und positiv gegenüberstehen.

Die Debatte spitzt sich zuDass das integrationspolitische Fundament in Deutschland aber noch immer brüchig ist, zeigt die »Sarrazin-Debatte«. Mit einer ziemlich einzigartigen Medienkampagne und Vor-abdrucken im Magazin DER SPIEGEL und in der BILD-Zeitung wurde das Buch von Thilo Sarrazin (»Deutschland schafft sich ab – Wie wir unser Land aufs Spiel setzen«), unterstützt von der Islamkritikerin Necla Kelek, am 30. August 2010 in Berlin vorgestellt. Der frühere Berliner Finanzsenator, seit 2009 Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank und SPD-Mitglied, bezeichnet die »Gastarbeitereinwanderung« der 1960er und 70er Jahre als »gigantischen Irrtum«. Analysen, ob die ausländischen Arbeitskräfte und deren Familien über-haupt einen Beitrag zum Wohlstand erbracht hätten, gibt es seiner Meinung nach nicht. Dabei zeigen Untersuchungen, dass beispielsweise allein zwischen 1960 und 1970 rund 2,3 Millionen Deutsche vor allem wegen der Ausländerbe-schäftigung mit einem »Fahrstuhleffekt« den Aufstieg von Arbeiter- in Angestelltenpositionen geschafft haben. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums aus dem Jahre 1976 ermöglichten die ausländischen Arbeitnehmer unter Wahrung eines starken Wirtschaftswachstums eine deutliche Verringe-rung der Arbeitszeit der Deutschen. Untersuchungen, Daten und Fakten, die nicht in das Horrorszenario des Buches von Sarrazin passen, werden an dieser und anderen Stellen igno-riert. So braucht man wirtschaftlich gesehen seiner Ansicht

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Einleitung

nach die muslimische Migration in Europa nicht. Demogra-phisch stelle »die enorme Fruchtbarkeit der muslimischen Mi-granten eine Bedrohung für das kulturelle und zivilisatorische Gleichgewicht im alternden Europa dar«, so Sarrazin.

Weil Migranten mehr Kinder bekommen, sinke in Deutsch-land die durchschnittliche Intelligenz, behauptet Sarrazin. Was wir bräuchten, seien »mehr Kinder von Klugen, bevor es zu spät ist«. Die Deutschen müssten ziemlich rasch und ra-dikal ihr Geburtenverhalten ändern, die Unterschicht müsse weniger Kinder bekommen und die Mittel- und Oberschicht deutlich mehr als bisher. Akademikerinnen sollten nach An-sicht des früheren Berliner Finanzsenators eine staatliche Prämie von 50.000 Euro für jedes Kind bekommen, das vor Vollendung des 30. Lebensjahrs der Mutter geboren wird.

Verschiedene Datenchecks widerlegten die Behauptungen, die im Buch von Sarrazin aufgestellt werden. Beispielsweise schreibt Sarrazin: »Sichtbares Zeichen für die muslimischen Parallelgesellschaften ist das Kopftuch. Seine zunehmende Verbreitung zeigt das Wachsen der Parallelgesellschaften an.« Eine Untersuchung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zum Thema »Muslimisches Leben in Deutsch-land« stellt dagegen fest, dass in der zweiten Generation die Häufi gkeit des Kopftuchtragens signifi kant abnimmt. Über 40 Prozent aus der zweiten und dritten Generation der türkischen »Gastarbeiter« verlassen die Schule mit besserem Bildungsabschluss als die Eltern. Auch die Deutschkennt-nisse haben sich verbessert. Die soziale Integration – der Kontakt mit Nachbarn und Kollegen – hat zugenommen. Die Höhe der Einwanderung aus der Türkei ist rückläufi g, was von Sarrazin ebenfalls nicht zur Kenntnis genommen wird.

Bereits mit dem Vorabdruck des Buches setzte die Kritik an den Aussagen Sarrazins ein. Staatsministerin Maria Böhmer bezeichnete seine Äußerungen als diffamierend und wis-senschaftlich nicht haltbar. In der Tat räumt Sarrazin selbst

ein: »Es gibt nämlich keine wissenschaftlich zuverlässige Methode, Geburtenverhalten und Zuwanderung über mehrere Jahrzehnte verlässlich vorherzusagen.« (Zitat S. 359/360) Auf der anderen Seite malt er immer wieder ein Schreck-gespenst an die Wand, wonach die Deutschen durch die Zuwanderung und das Geburtenverhalten der Türken bald in der Minderheit sein werden.

Der Vorsitzende der rechtsextremen NPD, Udo Voigt, sieht sich und andere Rechtsextreme durch die Thesen von Thilo Sarrazin bei künftigen Prozessen wegen Volksverhetzung geschützt. Gegenüber dem ARD-Politikmagazin »Report Mainz« sagte Voigt: »Unsere Aussagen werden damit salon-fähiger und es ist dann immer schwerer, Volksverhetzungs-verurteilungen gegen NPD-Funktionäre anzustreben, wenn wir uns zur Ausländerpolitik äußern, wenn sich etablierte Politiker auch trauen, das zu äußern.« Wellen der Empörung löste ein Satz des Bundesbankvorstandes in einem Interview mit der Welt am Sonntag (29. August 2010) aus, in dem er sagte: »Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden.« Die katholische Kirche kritisierte diese Ansicht scharf. »Solche Formulierungen sind geeignet, latent vorhandenen Rassis-mus mit allen darin enthaltenen Vorurteilen zu bedienen«, sagte der Vorsitzende der Migrationskommission der Deut-schen Bischofskonferenz, Bischof Norbert Trelle. Das Buch sei »ein Schritt vom dumpfen Rassismus zum intellektuellen Rassismus«, so Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Die Deutschtürkin Aylin Selçuk, die Hauptinitiatorin des Vereins »DeuKische Generation«, einer Interessenvertretung türkischstämmiger Jugendlicher in Berlin, verklagte Sarrazin wegen Volksverhetzung.

Die »Sarrazin-Debatte« schadet der IntegrationIn der SPD führte der geplante Parteiausschluss von Sarrazin zu einer Kontroverse. SPD-Chef Sigmar Gabriel legte ihm einen Parteiaustritt nahe. Der frühere Hamburger Bürgermeister

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Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble unterhält sich am 2. Mai 2007 in Berlin vor Beginn der zweiten Islamkonferenz mit dem Vor-sitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Köhler. Ziel der Konferenz ist eine verbesserte religions- und gesellschaftspolitische Integration der Muslime in Deutsch-land.

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Einleitung

Klaus von Dohnanyi sagte jedoch im laufenden Verfahren, er wolle Sarrazin vor der Schiedskommission verteidigen. Gabriel forderte während der Debatte eine härtere Gangart gegen-über Ausländern: »Wer auf Dauer alle Integrationsangebote ablehnt, der kann ebenso wenig in Deutschland bleiben wie vom Ausland bezahlte Hassprediger in Moscheen.« Justiz-ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wider-sprach solchen Forderungen und wies darauf hin, dass bereits nach der derzeitigen Rechtslage die Ausweisung krimineller Ausländer möglich sei. Der Grünen-Politiker Volker Beck hielt dagegen: »Gabriels Trommeln gegen Migranten ist populis-tische Stammtischpolitik.« Im Frühjahr 2011 wurde das Par-teiausschlussverfahren gegen Sarrazin eingestellt, nachdem sich dieser in einer persönlichen Erklärung weiterhin zu den Grundsätzen der Sozialdemokratie bekannt hatte.

Das Buch löste eine bisher einmalige Diskussion um die Integ-rationspolitik in Deutschland aus. »Die Sarrazin-Debatte hat eine desintegrative Eigendynamik an der Grenze zu Hysterie und Panik entwickelt«, erklärte der Vorsitzende des Sach-verständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), Klaus J. Bade. Nötig sei »mehr politische Führung hin zu einer konzeptorientierten Versachlichung der Diskussion« auf der Grundlage einer kritischen Erfolgsbi-lanz, wie sie der SVR in seinem Jahresgutachten »Einwande-rungsgesellschaft 2010« vorgelegt habe. Selbst die Grünen übten nun Selbstkritik und räumten Versäumnisse bei der bisherigen Integrationspolitik ein. Auch sie hätten Fehler gemacht, so Grünen-Chefi n Claudia Roth: »Sicher haben wir Dinge vielleicht beschönigt oder Konfl ikte oder Widersprü-che oder Herausforderungen nicht immer richtig benannt«, fügte sie hinzu. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer erklärte Multikulti für »tot«, die Bundeskanzlerin für »gescheitert«. Auch der Konsens, dass wir ein Einwanderungsland sind, geriet ins Wanken. Auf die Frage, ob Deutschland Einwanderungsland ist oder nicht, antwortete Bundeskanzlerin Merkel: »Eigentlich war es das nur zwischen den 1950er Jahren und 1973.«

Die Bundeskanzlerin, die Staatsministerin für Migration und die CDU/CSU insgesamt sprechen seit etwa 2007 vom »Integrationsland Deutschland«. Darin schlägt sich der Bewusstseinswandel in der Union nieder, die lange Zeit brauchte, um die Realität im »neuen« Einwanderungsland Deutschland zu akzeptieren und sich sozusagen an die Spitze der neuen Migrationspolitik zu stellen. Auf der anderen Seite wird damit der Begriff »Einwanderungsland« und die damit zusammenhängende Diskussion vermieden.

Der Vorstand der Deutschen Bundesbank distanzierte sich von den diskriminierenden Äußerungen seines Mitglieds. Sarrazin selbst wies Vorwürfe zurück, ihm sei es bei seinem Rückzug nur ums Geld und um seine Pension gegangen. In der 14. Aufl age seines Buches im November 2010 änderte er einige Passagen. In dem Buch, das bereits seit Wochen auf Platz 1 der Bestsellerlisten stand, wurde beispielsweise ein Abschnitt zu »genetischen Belastungen« bei Migranten aus dem Nahen Osten komplett gestrichen. Die Kernaussagen blieben jedoch bestehen.

Die »Sarrazin-Debatte« hinterließ bei den »integrierten Mig-ranten« tiefe Spuren. So meldeten sich unter dem Motto »Wir sind auch noch da – ein Aufstand der Integrierten« Wirt-schaftsvereinigungen mit Migrationshintergrund zu Wort. In Deutschland gebe es seit dem Herbst 2010 eine neue Zeitrechnung. Es gebe die Zeit vor der »Sarrazin-Debatte« und eine Zeit nach der »Sarrazin-Debatte«, schrieben Un-ternehmer wie Vural Öger, ehemaliger SPD-Abgeordneter des Europäischen Parlaments, oder Suat Bakir, Geschäftsfüh-rer der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer. Mario Susak, Vorstandsvorsitzender der Kroatischen Wirt-schaftsvereinigung, und andere Unternehmer sagen: »Die Debatte, so wie sie geführt wird, beschädigt und verletzt uns. Sie beschädigt auch die Motivation unserer Kinder, sich in Deutschland zu integrieren. Wir fordern deshalb von der deutschen Politik, dass sie sich endlich zu uns bekennt (...).«

Studien widerlegen Vorurteile, bestätigen aber FremdenfeindlichkeitIm Dezember 2010 erschienen verschiedene Untersuchungen im »Integrationsland Deutschland«. Danach bestehen bei den Themen Familie und Beruf bei Menschen mit und ohne Mig-rationshintergrund mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes. Das ergab eine Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Danach ist die Karriereorientierung von Berufstätigen mit Migrationshintergrund sogar stärker ausgeprägt als bei den deutschstämmigen Befragten. Vor allem junge Migrantinnen und Migranten sind stark leistungs- und erfolgsorientiert. Männer mit Migrationshintergrund sind mit 86 Prozent prin-zipiell stärker am berufl ichen Weiterkommen interessiert als Männer ohne ausländische Wurzeln. Frauen mit Migrations-hintergrund scheinen nach der Untersuchung sogar noch ehrgeiziger zu sein. Auch das Vorurteil vom »Heimchen am Herd« widerlegt die Studie. Sieben von zehn Befragten lehnen die Vorstellung einer dauerhaft nichtberufstätigen Mutter, die ihre Kinder zu Hause erzieht, ab. Interessanter-weise sind es dabei mehr Menschen mit ausländischen Wur-zeln (74 Prozent) als Menschen ohne Migrationshintergrund (70 Prozent). Entgegen gängigen Vorurteilen erteilen auch Bürger aus muslimisch geprägten Ländern diesem Frauen- und Mutterbild eine deutliche Absage (70 Prozent).

Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-schung (IAB) in Nürnberg räumt ebenfalls mit Klischees auf: Demnach belasten Zuwanderer nicht den Arbeitsmarkt in Deutschland, sondern nützen vor allem den einheimischen Beschäftigten. Das IAB rät zu einer gezielten Steuerung der Zuwanderung. Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Durch die Zuwanderung verlieren allerdings die bereits in Deutschland lebenden Ausländer. Eine wesentliche Ursache dafür sieht das IAB darin, dass Ausländer nur unvollkommen mit Einheimischen konkurrieren. Gesamtwirtschaftlich be-trachtet, profi tiere Deutschland aber von der Zuwanderung. In der Vergangenheit seien die Löhne der Einheimischen gestiegen und die Arbeitslosigkeit zurückgegangen.

Auf eine wachsende Fremdenfeindlichkeit weist eine Studie des Instituts für interdisziplinäre Konfl ikt- und Gewaltfor-

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Einleitung

schung an der Universität Bielefeld hin. In der Langzeitstudie »Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland« wird festgestellt, dass Fremdenfeindlichkeit in der Schicht zunimmt, die sich politisch eher moderat einordnen würde. Nach der Studie hat die Islamfeindlichkeit zugenommen. Die Autoren stellen »eine deutliche Vereisung des sozialen Klimas« fest und sprechen von einer »zunehmend rohen Bürgerlichkeit«. Eine Erhebung des Meinungsforschungs-instituts TNS Emnid im Auftrag des Exzellenzclusters »Re-ligion und Politik« an der Universität Münster kommt in einem europaweiten Vergleich zu dem Ergebnis, dass die Deutschen viel intoleranter gegenüber dem Islam und an-deren nichtchristlichen Religionen sind als ihre westeuro-päischen Nachbarn. Die Frage, ob das eigene Land durch fremde Kulturen bedroht sei, bejahten in der Umfrage in Westdeutschland 40 Prozent. In Ostdeutschland stimmte die Hälfte der Befragten zu.

Die »Sarrazin-Debatte« hat der Integration auf jeden Fall geschadet. Das geht aus einer Umfrage des Sachverstän-digenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migra-tion (SVR) hervor. Danach blicken Zuwanderer mit weniger Zuversicht auf das Zusammenleben in Deutschland als noch vor einem Jahr. Bei den Antworten auf die Frage, ob Mehr-heits- und Zuwandererbevölkerung »ungestört miteinander« leben, zeigt sich bei Zuwanderern ein deutlicher Unterschied zwischen Herbst 2009 und Jahresende 2010. Dieser Aussage stimmten 2009 noch 21,7 Prozent der Zuwanderer »voll und ganz« zu. Zum Jahresende 2010, nach der »Sarrazin-De-batte«, bestätigten diese positive Einstellung nur noch 9,1 Prozent. Umgekehrt hat sich der Anteil der pessimistischen Einschätzungen unter den Zuwanderern fast verdoppelt. 2009 bewerteten nur 3,5 Prozent die Einschätzung eines ungestörten Miteinanders mit »gar nicht«. 2010 stieg ihr Anteil auf sechs Prozent. Nach der Befragung überwiegen aber im Mittelfeld nach wie vor die verhalten positiven, ge-lasseneren Einstellungen zum Zusammenleben in der Einwan-

derungsgesellschaft. Nach den Worten des SVR-Vorsitzenden Klaus J. Bade könnte die »Sarrazin-Debatte« das Image des Einwanderungslandes Deutschland im Ausland beschädigt haben. Damit würden potenzielle, qualifi zierte Zuwanderer verprellt. Das aber, so Bade, wäre ein »Eigentor«, denn Deutschland sei längst ein »Migrationsverlierer« geworden und müsse daraus Konsequenzen ziehen.

Nachdenklich stimmt in diesem Zusammenhang, dass junge Menschen mit türkischem Migrationshintergrund vermehrt aus Deutschland in die Türkei ziehen. Nach Umfragen er-wägen bis zu 36 Prozent der Studierenden mit türkischem Migrationshintergrund, nach dem Examen in die ihnen meist fremde Heimat der Eltern abzuwandern. Eine Studie zeigt, dass Hochschulabsolventen mit Migrationshintergrund schlechtere Chancen bei Bewerbungen in Deutschland haben als deutsche Studenten.

Ein positives Zeichen in Richtung berufl icher Integration setzte die Bundesregierung im März 2011 mit dem seit langem angekündigten Gesetzentwurf zur Anerkennung aus-ländischer Abschlüsse. Das Gesetz soll im Sommer 2011 in Kraft treten. In Deutschland leben schätzungsweise eine halbe Millionen Ausländer, die unter ihrer Qualifi kation ar-beiten, weil ihre Zeugnisse nicht anerkannt werden. Es ging schon der Witz um: Das Beste, was einem passieren kann, ist, dass man den Herzinfarkt in einem Taxi bekommt, weil der Taxifahrer meistens Arzt ist.

Integration – die Zukunftsaufgabe für DeutschlandDeutschland braucht in Zukunft Einwanderer, denn die Be-völkerungsentwicklung lässt sich kurz mit den Begriffen weniger, älter und bunter umreißen. Sicher ist, dass durch Zuwanderung die Entwicklung zu einer immer älter wer-denden und zahlenmäßig schrumpfenden Bevölkerung gar nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Man müsste praktisch nur noch Kinder einwandern lassen, was natürlich

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absurd ist. Außerdem verläuft die demographische Entwick-lung in zahlreichen Auswanderungsländern nicht wesentlich anders als in Deutschland. Zuwanderung kann also kein All-heilmittel gegen das oft beschworene »Altersheim Deutsch-land« sein. Einwanderung, gezielt ausgesucht, kann diesen Trend jedoch etwas abfedern und sollte in diesem Sinne ei-gentlich als Glücksfall begriffen werden. Insbesondere wenn man bedenkt, dass schon bald nicht mehr vier Erwerbstätige einen Rentner sozusagen ernähren müssen, sondern nur ein Berufstätiger auf einen Rentner kommt.

Integration ist eine »Schicksalsfrage für unser Land«, wie es Staatsministerin Maria Böhmer ausdrückt. Deutschland bleibt auf Zuwanderung angewiesen, wenn es seinen wirt-schaftlichen Wohlstand halten will. Ein Gutachten der baden-württembergischen Landesregierung, das im Juli 2010 vor-gestellt wurde, geht davon aus, dass bis 2020 rund 500.000 zusätzliche Arbeitsplätze von Ingenieuren, anderen Hoch-schulabsolventen und Facharbeitern besetzt werden müssen und dass dabei Migration eine herausragende Rolle spielt. Die Einwohnerzahl Baden-Württembergs geht bis 2060 um 1,6 Millionen zurück. Es gibt immer mehr ältere Menschen und Pfl egebedürftige, deren Zahl sich bis 2050 von derzeit 2,2 Millionen verdoppeln wird. Schon heute gibt es einen stark zu spürenden Mangel an Fachkräften. Eine erleichterte Zuwanderungsregelung und eine zukunftsorientierte Migra-tionspolitik sind dringend notwendig, um dieses Problem zu beseitigen. Aus »Eigennutz« brauchen wir also Zuwanderer. Es geht nicht darum, Migranten »einen Gefallen zu tun«, sondern um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Diskussionen wie zuletzt um die »Sarrazin-Thesen« kommen und gehen in Wellen, wie das Buch des Chefs der rechtsextre-men »Republikaner«, Franz Schönhuber, zeigt, in dem er 1989 gängige Vorurteile gegenüber den Türken bediente. Oder das sogenannte »Heidelberger Manifest« deutscher Professoren, die 1981 vor der »Unterwanderung des deutschen Volkes durch Ausländer, gegen die Überfremdung unserer Sprache, unserer Kultur und unseres Volkstums« warnten. In Verges-senheit geraten ist die fast schon pogromartige Stimmung mit Brandstiftungen und gewalttätigen Ausschreitungen ge-genüber Ausländern in Hoyerswerda, Mölln oder in Solingen, mit insgesamt etwa 100 Toten Anfang der 1990er Jahre in Deutschland. Man könnte fast sagen, dass Fremdenfeindlich-keit und »Sarrazin-Wellen« zur Normalität in Einwanderungs-gesellschaften zu gehören scheinen. Das heißt aber nicht, dass wir sie hinnehmen sollten, sondern dass wir sie bekämp-fen müssen und sie nicht als Teil der politischen Kultur im Integrationsland Deutschland akzeptieren dürfen.

Zur Konzeption des HeftesDie Themen Migration und Integration sind an zahlreichen Stellen in den Bildungsplänen des Landes Baden-Württem-berg verankert. So heißt es beispielsweise bei den Kompe-tenzen und Inhalten für Gemeinschaftskunde in Klasse 10der Gymnasien unter der Überschrift »Gesellschaft der Bun-desrepublik Deutschland im Wandel: Einwanderung nach Deutschland«:

»Die Schülerinnen und Schüler können◗ die Bevölkerungszusammensetzung mithilfe von geeig-

neten Indikatoren beschreiben;◗ Formen, Ursachen und Folgen der Migration erläutern;◗ Möglichkeiten und Probleme der Integration in einer plu-

ralistischen Migrationsgesellschaft darstellen und fallbe-zogen beurteilen;

◗ die Grundzüge des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts darstellen.«

In der vierstündigen Kursstufe Gemeinschaftskunde werden als Kenntnisse und Kompetenzen genannt:◗ Beschreibung aktueller Entwicklungen in der Gesell-

schaft;◗ Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung und Beurteilung

deren Implikationen;◗ Erfassung von Phänomenen der Migration als besondere

gesellschaftspolitische Aufgabe;◗ Erläutern von Maßnahmen der Integrationspolitik und

Stellung beziehen in der Kontroverse über Zielsetzung und Reichweite von Integrationspolitik.

Für die Bildungsstandards der Realschule (Fächerverbund EWG) werden diese Themen im Zusammenhang mit dem Leben in Ballungsräumen (Transmigration, Push- und Pull-Faktoren), vor allem aber unter dem Titel »Zusammenle-ben verschiedener Kulturen« genannt (vgl. hierzu Politik &Unterricht Heft 3 – 2007: »Unterrichten im Fächerverbund EWG«).

Über all diesen vielfältigen Verfl echtungen steht allerdings die zentrale Forderung nach der Aktualität des Unterrichts. Die Themen Migration und Integration haben sich zu Dau-erbrennern der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten entwickelt. Phasenweise dominieren sie die öffentliche poli-tische Debatte und damit auch die Medien. Nicht zuletzt sind sie auch aus dem Lebensalltag der Schülerinnen und Schüler nicht wegzudenken, wenn man bedenkt, dass in zahlreichen Schulklassen der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Mig-rationshintergrund weit über die 50-Prozent-Marke hinaus-reicht.

Das vorliegende Heft kann die ganze Fülle der genannten integrativen Themen gar nicht abdecken, sondern bietet einen Ausschnitt mit dem Schwerpunkt auf Integration als Politikfeld. Es gliedert sich in drei Bausteine mit den In-halten Integration – Defi nition, Zielvorstellungen, Erfolge, Probleme und Diskussionen (Baustein A), mit Stuttgart als weithin anerkanntem positivem Beispiel einer großstäd-tischen Integrationspolitik (Baustein B) sowie schließlich einem dritten Baustein C, der die Aspekte Demographie und Fachkräftemangel aufgreift, um einen Ausblick in die Zukunft Deutschlands als Migrations- und Integrationsland zu ermöglichen.

Einleitung

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●●● Baustein A

INTEGRATIONSLAND DEUTSCHLAND

Es ist weder ein Schreckgespenst noch Zukunftsutopie, wenn man Deutschland als Einwanderungsland bezeichnet. Seit der Industrialisierung Deutschlands in der Mitte der 1850er Jahre sind große Mengen von ausländischen Ar-beitsmigranten zu uns gekommen. Unterbrochen wurde die jahrzehntelange Migrationsgeschichte von den Wirren des sogenannten »Zweiten Dreißigjährigen Krieges«, wie der Historiker Fritz Stern die Phase der gewaltsamen Eskalation in Europa zwischen 1914 und 1945 umschrieben hat. In der »Wirtschaftswunderzeit« wurde mit dem ersten Anwerbeab-kommen zwischen der jungen Bundesrepublik und Italien (1955) an diese Tradition angeknüpft. Rasch folgten weitere dieser bilateralen Abkommen.

Seit dem Jahr 1950 sind etwa 39 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert. Über 29 Millionen Menschen haben im gleichen Zeitraum das Land verlassen. Die Po-litik hat lange an dem Faktum der deutschen Einwande-rungsgesellschaft vorbeidiskutiert und die Augen vor der Realität verschlossen. Zu lange lebte man mit der Formel der »Gastarbeiter«. Gastarbeiter? Eigentlich ein seltsames Wort. Oder um Kanzlerin Angela Merkel aus einer Rede im März 2009 zu zitieren: »Wie das Wort Gast schon besagt: Eigentlich komisch, dass sie immer noch da sind.« Und die Kanzlerin weiter: »So haben wir uns, auf gut Deutsch gesagt, jahre- und jahrzehntelang in die Tasche gelogen.« Mit der Lebenslüge »Wir sind kein Einwanderungsland« haben es sich die Deutschen lange behaglich eingerichtet. Eine aktive Integrationspolitik hat man dabei verschlafen – auf der politischen Agenda rangierte die Rückkehrförderung weit vor der Integration. Erst in den letzten rund zehn Jahren hat sich in Deutschland Integration als ein eigenständiges Politikfeld entwickelt, das alle politischen Ressorts über-greift. Mit dem Diktum vom »Integrationsland Deutschland« soll deutlich gemacht werden, dass man gewillt ist, das Versäumte nachzuholen.

Im Baustein A des vorliegenden Heftes geht es zunächst darum, den Schülerinnen und Schülern die grundlegenden Kennzahlen und Begriffe rund um das Thema Zuwanderung und Integration zu vermitteln. In einem nächsten Schritt kann dann der Einstieg in aktuelle Debatten erfolgen.

UNTERRICHTSPRAKTISCHE HINWEISE

In einer ersten Sequenz erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler erste Zugänge zum Thema. Anhand der Schätz-fragen in A 1 kann der Wissensstand erfragt und gegebe-nenfalls später korrigiert werden. Die Fotocollage in A 2 bietet die Möglichkeit, darüber nachzudenken, in welchen gesellschaftlichen Bereichen Migrantinnen und Migranten geradezu unerlässlich geworden sind und welche Bereiche-rung die Zuwanderung für uns darstellt.

Seit dem Jahr 2005 arbeitet die offi zielle Bevölkerungs-statistik mit dem Ordnungskriterium »Mensch mit Migrati-onshintergrund«, um der gesellschaftlichen Realität näher zu kommen. Denn viele ehemalige »Ausländer« haben sich inzwischen einbürgern lassen und sind heute deutsche Staatsangehörige, haben aber noch immer einen Migrati-onshintergrund. Darüber hinaus gibt es mit den (Spät-)Aus-siedlern und ihren Nachfahren eine große Gruppe von Zu-wanderern, die als Deutsche nach Deutschland gekommen sind. Mit dem Kriterium »Migrationshintergrund« soll nicht zuletzt ein erhöhter Integrationsbedarf statistisch ermittelt und untermauert werden. Anhand der Materialien A 3 und A 4 können sich die Schülerinnen und Schüler in die für das Verständnis des Themas Integration wichtige Unterschei-dung zwischen »Ausländern« und »Menschen mit Migrati-onshintergrund« einarbeiten. Sie setzen sich dabei auch mit den Grundzügen des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts auseinander.

Das Schaubild A 5 erklärt die regionale Verteilung der Zu-wanderer in Deutschland. Die Schülerinnen und Schüler sollen hier – mit Hinweisen der Lehrenden und unter Zuhil-fenahme anderer Quellen – die Gründe für die regional sehr unterschiedlichen Anteile von Menschen mit Migrationshin-tergrund in Deutschland erklären.

Was ist eigentlich Integration? Wann gilt jemand als in-tegriert? Die Fragen sind so alt wie die Geschichte der Zuwanderung – die Antworten sind weiterhin umstritten. Vertreter aus Wissenschaft und Politik haben sogar schon die Abschaffung des Begriffs gefordert, weil er zu sehr zum politischen Kampfbegriff mit negativer Bedeutung geworden sei. Anhand der Materialien A 5 – A 8 können sich die Schü-lerinnen und Schüler selbst einen Zugang zu dem kontrovers diskutierten Begriff erarbeiten. A 6 bietet mit Gruppenar-beit den Einstieg in die Diskussion um die unterschiedlichen Facetten von Integration. Gleichzeitig wird hier auf den zentralen Zusammenhang mit dem Stichwort »Pluralismus« verwiesen. Wie viel Vielfalt verträgt die Einheit? Dadurch wird deutlich, dass es beim Thema Integration in einer demokratischen, pluralistischen und offenen Gesellschaft nicht um die vollständige Anpassung der Zugewanderten geht, sondern um Vielfalt mit einem Kernkonsens.

Der Text A 7 bietet unterschiedliche Defi nitionen des Be-griffs »Integration«, während der Text in A 8 – ein von zwei Schülerinnen verfasster Artikel aus der Stuttgarter Zeitung –Probleme offen anspricht, aber auch zur Toleranz im Alltag

Baustein A

Lösungen zu A 1

1. weiterhin rückläufi g2. 7,1 Millionen Ausländer (8.7 %)3. der Türkei4. 15,7 Millionen (19,2 %)5. fast drei Viertel (71,6 %)6. 18,6 Jahre

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auffordert. Die Karikatur in A 9 spitzt die Kontroverse um den Begriff Integration zu.

Ist die Integration in Deutschland gelungen oder miss-lungen? Die Materialien A 10 und A 11 liefern die Ergeb-nisse zweier jüngerer Studien zur Lage der Integration von Migranten in Deutschland. Beide Studien sind dabei zu recht unterschiedlichen Ergebnissen gekommen, die es herauszu-arbeiten und zu diskutieren gilt. Die Grafi k A 12 fasst die nicht wegzudiskutierenden Probleme bei der Integration von Migranten kurz zusammen. Dass Integration die Bereitschaft beider Seiten – der Einheimischen wie der Zugewanderten – zum gegenseitigen Kennenlernen voraussetzt, stellt der Karikaturist in A 13 dar.

Deutschland hat sich verändert – es ist vor allem bunter geworden. Wenn im bundesdeutschen Schnitt etwa 20 Pro-zent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben, so muss sich das auch in Bereichen wie Politik und Sport nie-derschlagen. Die Texte A 14 und A 15 belegen dies anhand der Beispiele der türkischstämmigen Politikerin Bilkay Öney, der ersten Integrationsministerin in einem deutschen Bun-desland (Baden-Württemberg), und der deutschen Fußball-nationalmannschaft der Männer und ihrem Auftreten bei der FIFA-WM im Sommer 2010 in Südafrika. Die zwei Beispiele lassen sich im Klassenzusammenhang leicht ergänzen, etwa mit Beispielen von Migrantinnen und Migranten, die in den Medien eine prominente Rolle spielen.

Ohne hier den gesamten Verlauf der »Sarrazin-Debatte« bzw. der »Islam-Debatte« dokumentieren zu können, bieten die Materialien A 16 – A 18 die Möglichkeit, sich mit den beiden großen und aktuellen Kontroversen in Deutschland ausein-anderzusetzen. Die Materialien A 19 und A 20 thematisieren den von der Bundesregierung, den deutschen Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden sowie zahlreichen Organisationen der Zivilgesellschaft, Medien, Wissenschaftlern sowie Migran-tenorganisationen gemeinsam erstellten Nationalen Inte-grationsplan. Dabei geht es vor allem darum, die zentralen Punkte der vereinbarten Selbstverpfl ichtungen auf den un-terschiedlichen politischen Ebenen (Bund, Land und Kom-munen) zu erarbeiten und den Nationalen Integrationsplan als zukunftsgerichtetes integrationspolitisches Instrument zu erkennen und bewerten zu können.

●●● Baustein B

INTEGRATION IN EINER GROSSSTADT – DER »STUTTGARTER WEG«

Ob Integration in Deutschland gelingt, zeigt sich vor allem auch in den Kommunen. Wie so oft, gilt auch hier: Was in der »großen« Politik im Bund oder im Land mitunter heiß und bisweilen ideologisch überfrachtet diskutiert wird, wird in der pragmatisch orientierten Kommunalpolitik schon längst praktiziert. Für den Stuttgarter Alt-Oberbürgermeister Man-fred Rommel etwa war das Wort von der multikulturellen Gesellschaft schon in den 1980er Jahren kein Kampfbegriff mehr, sondern die realistische Situationsbeschreibung in seiner Stadt. Rommel wörtlich: »Die multikulturelle Gesell-schaft existiert bereits. Und jede Kulturgesellschaft ist eine multikulturelle Gesellschaft. Die Vielfalt gehört zur Kultur, und um Vielfalt zu haben, braucht man auch Toleranz.«

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und mit dem ein-setzenden sogenannten Wirtschafswunder besteht in fast jeder Stadt in Deutschland ein guter Teil der Bevölkerung aus Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen ihre an-gestammte Heimat verlassen haben. Und in den Kommunen hat sich schon immer entschieden, ob die Menschen mit eigener Migrationserfahrung oder mit Migrationshintergrund integriert werden können.

Dabei ist Integration deutlich mehr als die Summe aller Döner-Stände in einer Fußgängerzone. Denn hier – vor Ort –begegnen sich Einheimische und »Fremde« aller Art ganz unmittelbar. Integration ist eine kommunale Querschnitts-aufgabe, die die Weichen für das Zusammenleben stellt – ob in der Kleinkindbetreuung, in der vorschulischen Bildung, in der Schule, im Vereinsleben, in der Jugendarbeit, beim Woh-nungsbau, in Stadtteilprojekten und interkulturellen Stadt-teilzentren, im kulturellen Leben der Stadt (z. B. Stadtfeste) oder in zahlreichen Bereichen des bürgerschaftlichen und ehrenamtlichen Engagements.

Die Integration von Migranten ist längst kein kommunales Randthema mehr, sondern ein gesamtstädtisches Anliegen. Statt des früher oft praktizierten pragmatischen Improvisie-rens gilt es heute, ein integrationspolitisches Gesamtkon-zept zu entwickeln und dieses zielgerichtet zu verfolgen. Die Einrichtung eines Integrationsbeauftragten oder einer Stabsstelle Integration zur ressortübergreifenden Koordi-nation ist dabei unabdingbar und in vielen Städten bereits realisiert. Integration muss – das erweist sich immer wieder bei der Frage nach dem Erfolg solcher Konzepte – »Chef-sache« und direkt bei der Rathausspitze verankert sein.

Als oberste Ziele eines solchen gesamtstädtischen Inte-grationskonzeptes gelten die Förderung der Partizipation und Chancengleichheit von Migrantinnen und Migranten, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts und die Nutzung der kulturellen Vielfalt als Ressource einer Stadt und als ihr »Markenzeichen«. Dabei gilt es auch, alle Beteiligten

Baustein B

Lösungen zu A 4

Metim K. ist Ausländer und hat einen Migrationshintergrund.Francesca M. ist Deutsche und hat einen Migrationshinter-grund.Karolina P. ist Ausländerin, hat eigene Migrationserfahrung und damit auch einen Migrationshintergrund.Katharina S. ist Deutsche, hat eigene Migrationserfahrung und damit auch einen Migrationshintergrund.Evi C. ist Ausländerin, hat eigene Migrationserfahrung und damit auch einen Migrationshintergrund.

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einzubinden: Bürgerinnen und Bürger, Vereine und nicht zu-letzt die Migrantenorganisationen. Dass dabei die Bereiche interkulturelle Begegnung und im Bildungsbereich vor allem kommunale Sprachförderung und nachholende Integration durch Sprach- und alltagsweltliche Orientierungskurse be-sondere Bedeutung haben, liegt auf der Hand – nicht zuletzt auch, um die eventuell vorhandenen Vorbehalte bei den Einheimischen abzubauen.

Ein friedliches Miteinander der Kulturen und eine gelungene Integration sind zentrale Fragen für die Zukunftsfähigkeit der Städte und Gemeinden. Von vielen Kommunen ist die Integrationsfrage bereits als wichtige Standortfrage erkannt worden. Denn eine gelungene Integration und eine weitere Zuwanderung gelten für viele kommunalpolitisch Verant-wortliche als Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit einer Stadt. Dazu gehört auch die mentale Bereitschaft der Bevölkerung, sich auf die Zuwanderer einzulassen. Die zentralen Faktoren sind dabei sicherlich ein positives und weltoffenes Image, ein fremdenfreundliches gesellschaft-liches Klima und gute Bildungseinrichtungen.

Stuttgart, das heute deutschland- und europaweit als Vor-reiter in Sachen Integration gilt, hat schon früh ein Prob-lembewusstsein hinsichtlich der schwierigen Aufgabe ent-wickelt. Bereits 1976 veröffentlichten die Verantwortlichen einen Bericht »Ausländische Einwohner in Stuttgart«, der zentrale, auch kritische Fragen stellte und der vor allem eine notwendige Querschnittsplanung forderte.

Ein weiterer Meilenstein der Stuttgarter Integrationspolitik war die Verabschiedung des Strategiepapiers »Bündnis für Integration« durch den Stuttgarter Gemeinderat im Jahr 2001. Dieses Bündnis war in mehrerlei Hinsicht bahnbre-chend und setzte ein umfassendes Programm in Gang, um die Zukunft Stuttgarts als internationale Großstadt zu sichern. Integration wurde dabei als »Kitt für den sozialen Zusam-menhalt« in der Stadt bewertet. Die acht Basiskomponenten dieses Bündnisses für Integration sind◗ Bildung◗ dauerhaftes Wirtschaftswachstum◗ Gleichberechtigung und Chancengleichheit◗ politische und soziale Teilhabe◗ Pluralismus und kulturelle Vielfalt◗ gegenseitige Achtung und Solidarität◗ partizipatorische Kommunikation und◗ internationale Zusammenarbeit.

Schon kurz nach der Verabschiedung des Programms wurden der Stadt Stuttgart nationale und internationale Anerken-nung zuteil. Im Jahr 2003 wurde sie von der UNESCO mit dem Cities for Peace Prize ausgezeichnet, 2004 folgte eine Auszeichnung des Europäischen Rates, 2005 eine Würdigung der Bertelsmann Stiftung und des deutschen Innenministe-riums, 2006 zollte das Netzwerk EUROCITIES dem Stuttgar-ter Weg seine Anerkennung. Zahlreiche andere europäische Städte haben sich inzwischen bei ihrer Integrationspolitik von der Stuttgarter Strategie inspirieren lassen.

Die erwähnten Strategien und Auszeichnungen rechtferti-gen es, im Baustein B des vorliegenden Heftes Stuttgart als »Leuchtturmprojekt« herauszuheben. Die Schülerinnen und Schüler erkennen dabei den kommunalen Aktionsrah-men als integrationspolitisches Handlungsfeld, lernen aber gleichzeitig auch konkrete und alltagstaugliche Maßnahmen kennen und können diese bewerten.

UNTERRICHTSPRAKTISCHE HINWEISE

Das Schaubild in B 1 verdeutlicht – für manche vielleicht überraschend – die Erkenntnis, dass Stuttgart unter den bundesdeutschen Großstädten den höchsten Anteil an Men-schen mit Migrationshintergrund hat. Die Texte B 2 und B 3 erläutern den Ruf Stuttgarts als Musterfall für eine gelun-gene Integrationspolitik sowie den »Stuttgarter Weg«. Mit weiterführenden Arbeitsaufträgen können die Schülerinnen und Schüler die zentralen Komponenten der Stuttgarter In-tegrationspolitik selbst erarbeiten und vor der Klasse prä-sentieren. Der in B 2 erwähnte Sprach- und Landeskundetest ist seit dem 1. September 2008 ein bundeseinheitlicher Einbürgerungstest, den alle einbürgerungswilligen Zuwan-derer bestehen müssen. In der Regel sind die Schülerinnen und Schüler an diesem Einbürgerungstest sehr interessiert. Die Landeszentrale für politische Bildung hat die Fragen als Lernkarteien veröffentlicht (Demokratie in Deutschland. Die Fibel zum Einbürgerungstest, hrsg. von Robert Feil/Wolf-gang Hesse, Stuttgart 2009; www.i-punkt-projekt.de).

Die Materialien B 4 – B 9 liefern Beispiele für konkrete in-tegrationspolitische Maßnahmen in Stuttgart. B 4 und B 5 sprechen besonders Jugendliche an.

Die Beispiele in B 6 und B 7 legen die Betonung auf die Bedeutung von Migrantenorganisationen und Migrantenver-einen, also auf den Aspekt Integration durch bürgerschaft-liches Engagement. Das Material B 8 zeigt, dass Kommuni-kation zwischen verschiedenen Kulturen ein unerlässlicher Bestandteil des friedlichen Zusammenlebens ist. Es macht auch die Notwendigkeit ehrenamtlichen Engagements deut-lich. Die Schülerinnen und Schüler kennen eventuell die Mediation aus der Schule in Form von Streitschlichtern. Übergeordnete und mittel- bis langfristig angesetzte Pro-jekte aus dem Bereich Stadtentwicklung (B 9) verdeutlichen den Querschnittscharakter der Stuttgarter Integrationsstra-tegie.

Diese Beispiele können in Gruppenarbeit behandelt werden. Hierzu bietet es sich an, den Schülerinnen und Schülern ein vorstrukturiertes Ergebnissicherungsblatt an die Hand zu geben (vgl. Seite 16). Idealerweise sollte die Gruppenarbeit in Fünfergruppen erfolgen, sodass sich jedes Gruppenmit-glied ein Beispiel erarbeitet und dieses dann seinen Grup-penmitgliedern erläutert. Für die Schülerinnen und Schü-ler ist es wenig motivierend, anschließend die Ergebnisse der einzelnen Beispiele zu präsentieren. Vielmehr sollten

Baustein B

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sie in einem Unterrichtsgespräch darüber diskutieren, was Stuttgart zum Vorreiter in Sachen Integration macht. Die in der Gruppenarbeit gewonnenen Ergebnisse fl ießen auf diese Weise ein und können auf ihre Richtigkeit überprüft werden.

Nachdem konkrete Beispiele aus der Integrationspolitik der Stadt Stuttgart erarbeitet wurden, sollen die Schülerinnen und Schüler nun selbst Vorschläge für ihre Stadt erarbei-ten. Dazu bietet sich die Methode Placemat (B 10) an. Sie läuft folgendermaßen ab: Es bilden sich Vierergruppen. Jede Gruppe bekommt ein vorgefertigtes DIN-A 3-Blatt (vgl. Abb. bei B 10), auf dem sich vier Felder befi nden. In der Mitte des Blattes ist ein Viereck abgebildet. Jede Schülerin und jeder Schüler hat nun ein Schreibfeld zur Verfügung, in das sie bzw. er ihre bzw. seine Gedanken zu der Frage in Stichworten zu Papier bringen kann. Es hat sich bewährt, die Zeit, die die Schüler und Schülerinnen zur Verfügung haben, sehr kurz zu halten, da auf diese Weise mehr Konzentration und Ruhe in den Gruppen herrscht. Anschließend wird das Blatt gedreht und die nächste Schülerin bzw. der nächste Schüler kann das Niedergeschriebene lesen. Es wird so lange gedreht, bis alle in der Gruppe die Beiträge eines jeden Gruppenmit-glieds gelesen haben. Dabei ist es wichtig, dass während des Schreibens und Lesens kein Austausch innerhalb der Grup-pen stattfi ndet. Danach haben die einzelnen Gruppen Zeit, über die Beiträge zu diskutieren und sich auf ein Ergebnis zu einigen, das in das Viereck geschrieben wird.

Diese Methode eignet sich hervorragend für den Gemein-schaftskundeunterricht, weil sich jeder Schüler und jede Schülerin zu einem Thema Gedanken machen und diese schriftlich darlegen muss. Daran anschließend diskutieren die Schülerinnen und Schüler in den Gruppen und präsen-tieren ihr Ergebnis der Klasse. Die Lehrenden können die

Ergebnisse auf Folie sammeln, so dass diese später wieder hinzugezogen werden können.

Die Stuttgarter Kampagne »PASS Auf, lass Dich einbürgern!« (B 11 und B 12) spricht nochmals vor allem junge Menschen mit Migrationshintergrund an und belegt, dass eine aktive städtische Willkommenskultur ein wichtiger Baustein in der städtischen Integrationsarbeit ist.

Die Materialien B 13 – B 18 thematisieren die immer wieder kontrovers diskutierte Frage, ob auch Ausländern, die nicht aus EU-Ländern kommen, das Wahlrecht auf kommunaler Ebene zugestanden werden soll. In Deutschland spaltet diese Frage die Parteienlandschaft, während in derzeit 16 EU-Ländern wie etwa Irland, Finnland oder Schweden solche oder ähnliche Regelungen gelten. Die Materialien geben den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, auf der Basis der vorliegenden Argumente zu eigenständigen Einschätzungen und Bewertungen zu kommen. Hierfür sollte zunächst das Kommunalwahlrecht erarbeitet werden. Mit Hilfe der fünf Beispiele aus B 14 kann überprüft werden, ob die Schü-lerinnen und Schüler das Kommunalwahlrecht verstanden haben.

Beispiel »Haus 49« in Stuttgart (B 4)

Beispiel »Deine Stadt – deine Zukunft« (B 5)

Was macht Stuttgart

zum Vorbild in Sachen

Integration?

Beispiel »Bürgerschaftliches Engagement« (B 6 und B 7)

Beispiel »Interkulturelle

Mediation« (B 8)

Beispiel »Stadtentwicklung«

(B 9)

Baustein B

Lösungen zu B 14

Zacharias und Luuk sind für die Kommunalwahl wahlbe-rechtigt, die anderen sind entweder zu jung (Malo) oder leben noch nicht lange genug in Baden-Württemberg (Adam). Ayla ist keine Unionsbürgerin. Zugrunde liegen die rechtlichen Regelungen mit Stand Mai 2011.

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●●● Baustein C

MIGRATION UND INTEGRATION – THEMEN DER ZUKUNFT

Deutschland wird »weniger, bunter und älter«. Der Titel des im Jahr 2006 erschienenen Buches von Winfried Kösters ist fast schon zum »gefl ügelten Wort« geworden – und die Realität hat Deutschland längst eingeholt. Als vor zehn Jahren Experten vor dem demographischen Wandel und seinen Folgen warnten, schienen die Probleme für viele noch weit weg zu sein. In der Zwischenzeit gehören Berichte über fast kinderleere Ortschaften (v. a. in Ostdeutschland), sin-kende Schülerzahlen und fehlende Facharbeiter zu den täg-lichen Nachrichten. Fachleute gehen bereits davon aus, dass in absehbarer Zeit bereits wieder eine Situation herrschen könnte, wie sie Deutschland in den »Wirtschaftswunder-jahren« erlebt hatte, als zu hunderttausenden sogenannte Gastarbeiter ins Land geholt wurden.

Demographie und Zuwanderung – das sind zentrale Themen der Zukunftsplanung in Deutschland. Wie soll sich unsere Gesellschaft verändern, und welche Menschen wollen wir aus dem Ausland zu uns holen? Es liegt auf der Hand: Eine geregelte Zuwanderung ist längst zur Zukunftsfrage für Deutschland geworden.

UNTERRICHTSPRAKTISCHE HINWEISE

Im Baustein C setzen sich die Schülerinnen und Schüler mit den zentralen Trends der demographischen Entwicklung in Deutschland und deren Zusammenhang mit der Zuwan-derung auseinander (C 1 – C 3). Die Texte C 4 und C 5 verdeutlichen die Probleme, die sich daraus für den deut-schen Arbeitsmarkt ergeben. Im Mittelpunkt steht dabei der Fachkräftemangel, der sich in manchen Berufssparten schon in aller Deutlichkeit zeigt. Der Text C 6 wiederum belegt anhand des Beispiels von rückkehrenden Deutschtürken die Tatsache, dass Deutschland inzwischen den Wandel vom Einwanderungs- zum Auswanderungsland vollzogen hat bzw. beides gleichzeitig ist.

Viele Deutsche und nach Deutschland Zugewanderte haben in anderen Ländern gute berufl iche Qualifi kationen und Ab-schlüsse erworben. Sie können diese Qualifi kationen hier aber oft nicht optimal verwerten, weil Bewertungsverfahren und Bewertungsmaßstäbe bisher fehlten. Die bisherigen Regelungen zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen und Qualifi kationen waren unzureichend und wenig einheitlich. Das neue Anerkennungsgesetz (C 7) will hier Abhilfe schaffen.

In einem dritten Teil des Bausteins (C 4 und C 8) wird in das Konzept »Diversity Management« (»Vielfaltsmanagement«) eingeführt. Das Konzept hat zum Ziel, soziale und kultu-relle Vielfalt konstruktiv zu nutzen. Im Zusammenhang mit

Unternehmen, aber auch mit der öffentlichen Verwaltung geht es vor allem darum, die individuelle Verschiedenheit der Menschen nicht nur zu tolerieren, sondern diese mit einer besonderen positiven Wertschätzung hervorzuheben und daraus produktiv zu profi tieren.

»Eine Willkommenskultur fehlt uns«, so hat es der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière im August 2010 umrissen. Und de Maizière weiter: Entscheidend sei, wie man die Menschen behandle, die nach Deutschland kommen. Wenn Zuwanderung nicht ausreichend stattfi nde, so liege das nicht nur an der Rechtslage, sondern auch an der man-gelnden Attraktivität der Angebote. Und nicht zuletzt die Wirtschaft und ihre Verbände machen Druck, dass sich Deutschland im weltweiten Konkurrenzkampf um Talente stärker engagiert. Der Text C 9 erklärt aus der Sicht eines Vertreters einer Migrantenorganisation, warum Deutschland an dieser Willkommenskultur arbeiten muss, wohingegen der Karikaturist in C 10 dieses Bemühen durch fremdenfeind-liche Haltungen und Ausschreitungen konterkariert sieht. Die mit dem Integrationspreis des Bundesinnenministers 2010 ausgezeichneten Projekte in C 11 wiederum belegen, dass Integration und Diversität im Alltag gelebt werden, dass es aber gleichzeitig auch wichtig ist, solche Projekte anerkennend zu fördern.

Baustein C

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LiteraturBade, Klaus J. (Hrsg.): Deutsche im Ausland – Fremde in Deutschland.

Migration in Geschichte und Gegenwart, München 1992.Bade, Klaus J.: Europa in Bewegung. Migration vom späten 18. Jahr-

hundert bis zur Gegenwart, München 2000.Bade, Klaus J./Oltmer, Jochen: Normalfall Migration, Bonn 2004.Bommes, Michael/Krüger-Potratz, Marianne (Hrsg.): Migrationsreport

2008. Fakten – Analysen – Perspektiven, Frankfurt/M. 2008.Bommes, Michael/Schiffauer, Werner (Hrsg.): Migrationsreport 2006.

Fakten – Analysen – Perspektiven, Frankfurt/M. 2006. Bundesministerium des Inneren (Hrsg.): Migrationsbericht des Bun-

desamtes für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Bundesre-gierung. Migrationsbericht 2009, Berlin 2011.

Bundesministerium des Inneren (Hrsg.): Muslime in Deutschland. In-tegration, Integrationsbarrieren, Religion sowie Einstellungen zu Demokratie, Rechtsstaat und politisch-religiös motivierter Gewalt –Ergebnisse von Befragungen im Rahmen einer multizentrischen Studie in städtischen Lebensräumen von Katrin Brettfeld und Peter Wetzels, Hamburg 2007.

Der Integrationsbeauftragte der Landesregierung Baden-Württem-berg: Integrationsplan Baden-Württemberg (8. September 2008).

Der Integrationsbeauftragte der Landesregierung Baden-Württem-berg: Tätigkeitsbericht des Integrationsbeauftragten der Landes-regierung 2008 – 2010. (7. September 2010).

Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (Hrsg.): 8. Lagebericht der Beauftragten der Bundes-regierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Berlin 2010.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (Hrsg.): Nationaler Integrationsplan – Fortschrittsbe-richt, Berlin 2008.

Frech, Siegfried/Meier-Braun, Karl-Heinz: Die offene Gesellschaft. Zuwanderung und Integration, Schwalbach/Ts. 2007.

Herbert, Ulrich: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Sai-sonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge, München 2001.

Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.): Integration in Baden-Württemberg, Stuttgart 2004.

Meier-Braun, Karl-Heinz: Deutschland, Einwanderungsland, 2. Aufl . Frankfurt/M. 2003.

Meier-Braun, Karl-Heinz: Migration und Integration. Eine Herausfor-derung für Politik und Medien – nicht erst seit der SINUS- Studie, in: Herbert Quandt-Stiftung (Hrsg.): Migranten als Zielgruppe? Beiträge zur Medienrezeptionsforschung und Programmplanung, Freiburg 2010, S. 97 – 102.

Meier-Braun, Karl-Heinz: Stuttgart. Zuwanderung seit 30 Jahren als Chance und Bereicherung, in: Frank Gesemann/Roland Roth (Hrsg.): Lokale Integrationspolitik in der Einwanderungsgesell-schaft, Wiesbaden 2009, S. 367 – 382.

Meier-Braun, Karl-Heinz/Weber, Reinhold: Kleine Geschichte der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg, Leinfelden-Echterdin-gen 2009.

Meier-Braun, Karl-Heinz/Weber, Reinhold (Hrsg.): Kulturelle Vielfalt. Baden-Württemberg als Einwanderungsland, 2. Aufl age, Stuttgart 2006.

LITERATUR- UND MEDIENHINWEISE Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.): Der Natio-nale Integrationsplan. Neue Wege – Neue Chance, Berlin 2007.

Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migra-tion: Einwanderungsgesellschaft 2010. Jahresgutachten 2010 mit Integrationsbarometer, Berlin 2010.

Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migra-tion: Migrationsland 2011. Jahresgutachten 2011 mit Migrations-barometer, Berlin 2011.

Staatsministerium Baden-Württemberg (Hrsg.): Bericht »Muslime in Baden-Württemberg«, Stuttgart 2005.

Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (Hrsg.): Statistik Ak-tuell. Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Baden-Württem-berg, Stuttgart 2009.

Medienverzeichnis (Filme beim LMZ Baden-Württemberg)Aufbruch in ein fremdes Land – Migrantinnen erinnern sich

(Verleihnummer 4610494)Deutscher Pass, russische Seele – Die Kinder der Spätaussiedler

(Verleihnummer 4682850)Die Welt-Klasse – Deutschland für Anfänger

(Verleihnummer 4682848)Einwanderungsland Deutschland – Migration und Integration

(Verleihnummer 4602668)Fremde Freundin – Als Muslimin in Deutschland

(Verleihnummer 4662492)Fremd oder was – Ausländer in Deutschland

(Verleihnummer 4258249)Gastarbeiter in Deutschland – Wir wollten Arbeitskräfte, und es

kamen Menschen … (Verleihnummer 4201560)Hallo Erkan – eine Auseinandersetzung zwischen deutschen und

türkischen Kindern (Verleihnummer 4202795)Heimat Russland? Identität Deutsch? (Verleihnummer 4271847)Illegale Immigration – Auf der Suche nach einer europäischen

Lösung (Verleihnummer 4610599)Islam in Deutschland (Verleihnummer 4602603)Mein Land, dein Land, unser Land (Verleihnummer 4284682)Nazimyes Kopftuch (Verleihnummer 4601034)Prinz, Pascha, Prügelknabe – Muslimische Jungs im Kiez

(Verleihnummer 4682134)Rechtsextremismus – Erscheinungsbilder und Motive

(Verleihnummer 4268994)Rechtsextremismus heute – Krawatte statt Springerstiefel bei der

NPD (Verleihnummer 4653433)Schwerpunkt Islam – so nah, so fremd: Ehrenmord – Verfolgte

Töchter, verlorene Söhne (Verleihnummer 4681775)Schwerpunkt Islam – so nah, so fremd: Geboren zwischen zwei

Welten – Gastarbeiterenkel und ihre Großeltern (Verleihnummer 4681776)

Schwerpunkt Islam – so nah, so fremd: Zwangsheirat – Familienehre vor Liebe? (Verleihnummer 4681778)

Schwerpunkt Islam – so nah, so fremd: Zwischen Köfte und Kartof-feln – eine deutsch-türkische Familie (Verleihnummer 4681789)

Sprache und Bildung türkischer Jugendlicher in Deutschland (Verleihnummer 4272752)

Türkische Lebenswelten in Deutschland (Verleihnummer 4272754)Zwischen Rap und Ramadan – junge Muslime in Freiburg

(Verleihnummer 4653311)

Literatur- und Medienhinweise

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Integrationsland Deutschland Vielfalt leben und gestalten

Baustein A Integrationsland Deutschland

A 1 – A 5 Migranten in Deutschland – Daten, Begriffe, Definitionen 20A 6 – A 9 Integration – ein umstrittener Begriff 24A 10 – A 13 Integration in Deutschland – gelungen oder gescheitert? 27A 14 – A 15 Das neue Deutschland – Beispiele aus Politik und Sport 29A 16 – A 18 Die »Sarrazin-Debatte« und die »Islam-Debatte« 31A 19 – A 20 Zukunft gestalten – der Nationale Integrationsplan 33

Baustein B Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B 1 – B 3 Integrationsstadt Stuttgart 34B 4 – B 9 Modelle und Projekte: Beispiele für konkrete Integrationsarbeit 36B 10 Placemat: »Was kann deine Stadt tun, um die Integration voranzubringen?« 41B 11 – B 12 »PASS Auf, lass Dich einbürgern!« – Die Einbürgerungskampagne der Stadt Stuttgart 42B 13 – B 18 Kommunales Wahlrecht für Ausländer – Pro und Contra 43

Baustein C Migration und Integration – Themen der Zukunft

C 1 – C 7 Demographische Entwicklung, Fachkräftemangel und Migration 46C 8 Diversity Management – Vielfalt leben und gestalten 52C 9 – C 11 Willkommenskultur 53

Texte und Materialien für Schülerinnen und Schüler

2 – 2011

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A • Integrationsland Deutschland

A • Integrationsland DeutschlandMaterialien A 1 – A 20

A 1 Zahlen und Fakten – Schätzfragen

1. Die Zahl der ausländischen Staatsangehörigen in Deutschland ist

weiterhin rückläufi g stetig steigend

2. Von den 81,9 Millionen in Deutschland leben-den Personen waren im Jahr 2009

4,6 Mio. Ausländer (5,6 %) 7,1 Mio. Ausländer (8,7 %)10,2 Mio. Ausländer (12,5 %)

4. Von den 81,9 Millionen in Deutschland lebenden Personen hatten im Jahr 2009 einen Migrationshintergrund

6,4 Mio. (7,8 %)11,8 Mio. (14,4 %)15,7 Mio. (19,2 %)

6. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der in Deutschland registrierten Ausländer betrug im Jahr 2009

6,3 Jahre10,4 Jahre18,6 Jahre

3. Die größte nationale Gruppe der Ausländer in Deutschland bilden Zuwanderer aus

ItalienPolender Türkei Griechenland

Lösungen siehe Seite 13

5. Im Jahr 2009 stammten

etwa ein Viertel (24,8 %)etwa die Hälfte (51,8 %)fast drei Viertel (71,6 %)

aller zugezogenen Personen aus Europa (inkl. Türkei)

Quellen: Ausländerzahlen 2009 des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

Politik & Unterricht • 2-2011

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A • Integrationsland Deutschland

A 2 Migranten in Deutschland

◗ »Zuwanderung ist eine Bereicherung für Deutschland.« Diskutiert diese Aussage im Zusammenhang mit den Fotos.

◗ Sammelt in einer Mindmap mit der Überschrift »Migranten in Deutschland«, was euch zu diesem Thema einfällt.◗ Findet Überschriften für die Fotos in A 2.◗ Bildet Gruppen und diskutiert, in welchem Zusammenhang diese Fotos mit Migranten in Deutschland stehen.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 2

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A • Integrationsland Deutschland

A 3 Defi nitionen: Ausländer/Menschen mit Migrationshintergrund

D e f i n i t i o n

Nach deutschem Recht ist derjenige »Staatsfremder« oder »Ausländer«, der nicht Deutscher im Sinne von Art. 116, Abs. 1 des Grundgesetzes ist. Dort heißt es:

»Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger Regelung, wer die deutsche Staatsangehörig-

keit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömm-ling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.«

AUSLÄNDER

D e f i n i t i o n

Als Personen mit Migrationshintergrund gelten alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutsch-land Zugewanderten sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen

mit zumindest einem nach 1949 zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil.

Defi nition nach Statistischem Bundesamt

MENSCHEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND

u. a. den Integrationsbedarf zu ermitteln. Erläutert die Aus-sagekraft dieses statistischen Instruments. ◗ Stellt die statistischen Daten (A 3) in drei Kreisdiagram-men dar, getrennt nach der Gruppe 1, 2 und 3.

◗ Erklärt in eigenen Worten den Begriff »Ausländer« und den Begriff »Migrationshintergrund« (A 3). Benennt die Unterschiede.◗ Das Kriterium »Menschen mit Migrationshintergrund« wurde 2005 vom Statistischen Bundesamt eingeführt, um

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 3

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A • Integrationsland Deutschland

A 4 Menschen mit Migrationshintergrund

◗ Führt eine Umfrage in eurer Klasse durch, wie viele Schülerinnen und Schüler Deutsche sind, einen auslän-dischen Pass besitzen oder einen Migrationshintergrund haben. Stellt das Ergebnis graphisch dar.◗ Kreuzt bei den folgenden fünf Beispielen an, welche Bezeichnung(en) für die Personen richtig ist bzw. sind. Mehrfachnennungen sind möglich.

◗ Erarbeitet anhand der Internetseite www.bundesregie-rung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/BeauftragtefuerIntegration/Einbuergerung/einbuergerung.html die Mög-lichkeiten für diejenigen Jugendlichen in den fünf Bei-spielen, die keinen deutschen Pass haben, einen solchen zu bekommen.

1. Metim K. ist 14 Jahre alt und in Deutschland geboren. Seine Eltern sind vor 18 Jahren aus der Türkei gekom-men und haben keinen deutschen Pass.

Metim K. ist Deutscherist Ausländerhat eigene Migrationserfahrunghat einen Migrationshintergrund

3. Karolina P. ist 13 Jahre alt und vor zwei Jahren mit ihren Eltern aus Polen nach Deutschland zugewan-dert.

Karolina P. ist Deutscheist Ausländerinhat eigene Migrationserfahrunghat einen Migrationshintergrund

4. Katharina S. ist 14 Jahre alt. Ihre Eltern, mit denen sie als kleines Kind nach Deutschland gekommen ist, sind Spätaussiedler aus Russland.

Katharina S. ist Deutscheist Ausländerinhat eigene Migrationserfahrunghat einen Migrationshintergrund

5. Evi C. ist 14 Jahre alt und lebt seit vier Jahren in Deutschland. Ihre Eltern sind in China geboren und vor vier Jahren nach Deutschland gekommen.

Evi C. ist Deutscheist Ausländerinhat eigene Migrationserfahrunghat einen Migrationshintergrund

2. Francesca M., 15 Jahre alt, ist Tochter italienischer Eltern, die seit mehr als 25 Jahren in Deutschland leben. Ihre Eltern haben sich einbürgern lassen, haben aber auch noch ihren italienischen Pass. Francesca ist in Deutschland geboren.

Francesca M. ist Deutscheist Ausländerinhat eigene Migrationserfahrunghat einen Migrationshintergrund

Lösungen siehe Seite 14

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A • Integrationsland Deutschland

A 5 Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland

Migrantenanteil in Deutschland 2009 nach Bundesländern (in %)

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27,0

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Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg

A 6 Integration – was ist das eigentlich?

Menschen, die nach Deutschland zugewandert sind, können als integriert gelten, wenn sie ... Schritt 1 Schritt 2

... deutsche Speisen kochen

... einen deutschen Bildungsabschluss haben

... die deutsche Sprache beherrschen

... einen Arbeitsplatz haben

... das Wahlrecht besitzen und dieses auch ausüben

... deutsches Fernsehen schauen

... sich zu einer christlichen Konfession bekennen

... sich zu den Grundwerten unserer Gesellschaft bekennen, wie sie im Grundgesetz umschrieben sind

... sich nach deutscher Art und Weise kleiden

... bei Länderspielen der deutschen Fußballnationalmannschaft die Daumen drücken

(A 6) nach der Bedeutung, die ihr ihnen für eine gelungene Integration beimesst (Schritt 1).◗ Wählt die für euch fünf wichtigsten Punkte aus und be-gründet eure Auswahl (Schritt 2).◗ Gibt es Aspekte, die euch in der Liste fehlen?

◗ Beschreibt die Grafi k A 5 und zieht Schlüsse daraus.◗ Bildet in der Klasse Gruppen und erarbeitet gemeinsam Gründe für die regionale Verteilung der Menschen mit Migra-tionshintergrund in Deutschland (A 5). Nehmt dazu euren Atlas zu Hilfe.◗ Bildet Gruppen und sortiert die zehn genannten Punkte

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 5 UND A 6

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A • Integrationsland Deutschland

A 7 Integration in der Kontroverse

»Integration bedeutet, sich einer Gemeinschaft zugehörig zu fühlen, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, wie man in der Gesellschaft zusammenlebt«, so die nüch-terne Defi nition des Bundesinnenministeriums. Dass sich das allgemeine Verständnis über den Begriff Integration nicht in dieser Erklärung erschöpft, zeigt sich in den Streit-gesprächen, die Politik und Gesellschaft führen. Vertreter verschiedener Migrantengruppen haben oft das Gefühl, mit Integration sei eigentlich Assimilation gemeint, die voll-ständige Anpassung an eine »Leitkultur«, wie ein weiteres heftig umstrittenes Schlagwort lautet.

In der politischen Sphäre wird dagegen oft über die Bedin-gungen für Integration diskutiert: So sagte etwa Bundes-kanzlerin Angela Merkel (CDU) Mitte November [2010] in Berlin: »Die Voraussetzung für die Integration ist, dass man die Sprache hier spricht.« Tatsächlich ist Spracherwerb einer der Indikatoren, mit dem etwa das Integrationsmonitoring der Bundesregierung gelungene Integration misst.

Dieses Monitoring geht auf einen gemeinsamen Vorschlag von Bund und Ländern zurück: 2008 wurde im Rahmen des Nationalen Integrationsplans beschlossen, Stand und Verlauf der Integration von Zuwanderern anhand von Indika-toren zu »messen«. Als Merkmale gelten etwa frühkindliche Bildung, Schulabschlüsse oder die Eingliederung in den Ar-beitsmarkt. (...)

Integration wird in der Sozialwissenschaft als wechselsei-tige Öffnung der Migranten und der Aufnahmegesellschaft defi niert. So unterscheidet etwa der Soziologe Friedrich

Heckmann von der Universität Bamberg vier Dimensionen von Integration:

◗ die strukturelle Integration, bei der es um den Erwerb von Rechten und den Zugang für Migranten zu Positionen in der Gesellschaft geht,

◗ die kulturelle Integration, die kulturelle Anpassungen und Veränderungen bei Migranten wie bei der aufneh-menden Gesellschaft beschreibt,

◗ die soziale Integration, die die Entwicklung sozialer Kon-takte, etwa am Arbeitsplatz, in Vereinen oder Nachbar-schaft umfasst, sowie

◗ die identifi kative Integration, also die Bereitschaft zur Identifi kation mit dem Lebensort und die Entwicklung von Zugehörigkeit und Akzeptanz.

Diese Defi nition der Integration von Migranten verweist auch schon auf mögliche Leitlinien in dem Bemühen um die erfolgreiche Integration von Migranten. Und sie zielt bei aller Aufschlüsselung auf die rein lexikalische Übersetzung des Begriffs, der eigentlich nur eines beschreibt: die »Her-stellung eines Ganzen«.

rbb-online (www.rbb-online.de) vom 18. November 2010 (Alice Lanzke)

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Was heißt eigentlich Integration? Wann ist jemand integriert? Diese Fragen werden oft diskutiert – und Patentlösungen gibt es nicht.

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A • Integrationsland Deutschland

A 8 Der Weg in die Integration muss nicht steinig sein

Sorgfältig rückt sie ihr Kopftuch zurecht, steckt eine lange Haarsträhne unter den weichen Stoff aus Seide und Kasch-mir. Ein Blick in den Spiegel, dann macht sie sich auf ihren Schulweg. Yagmur ist 15 Jahre alt, Mädchen wie sie gibt es viele in Deutschland. Hunderttausende, die sich täglich zwischen zwei Kulturen zurechtfi nden müssen. Sie müssen Balance halten zwischen zwei Welten, zwischen Vorstellung und Realität, Hass und Liebe. Je länger Mädchen wie Yagmur in der Kultur ihrer Heimat aufgewachsen sind, desto größer ist ihr innerer Zwiespalt, ihr Wunsch nach Zugehörigkeit und dem Wissen um die wahre Herkunft.

Doch längst nicht alle wollen dazugehören. Es gibt eine große Kluft zwischen Eingliederung und Provokation, zwi-schen Dazugehörigkeit und Ausgrenzung. Oftmals werden schon im Elternhaus die Weichen für eine Richtung gestellt. Dies fängt bei der Wahl des Wohnortes an und setzt sich fort bei der Sprache und dem Umgang der Eltern mit der deutschen Kultur.

»Scheißtürkin!« rufen sie ihr auf dem Schulweg in der Klein-stadt hinterher. Yagmur überhört es, versucht es zu verdrän-gen, hält den Blick gesenkt und geht stumm weiter. Sätze wie dieser versetzen ihr einen Stich. Sie wird erkannt, als Türkin, als Fremde. Sie versteht das nicht. Seit zwölf Jahren

lebt sie in Deutschland. Sie will dazugehören. Anerkennung und Respekt. Sie geht zur Schule, verhält sich wie die an-deren, und doch wird sie nie ganz gleich sein. Ihr Name, ihre Aussprache, ihr Aussehen, das alles stempelt sie immer wieder als »die Muslima« ab. Und wenn sie doch ihr Kopftuch ablegt? Nein. Sie ist stolz auf ihre Herkunft, auf ihre Religion und ihre Kultur. Für sie gehört das morgendliche Binden des Kopftuches dazu. Sie will, kann und darf es nicht ablegen.

Oftmals liegt diese Entscheidung aber nicht in der Hand der jungen Muslimas, immer wieder müssen sie den Forde-rungen ihrer Eltern gerecht werden. Für andere gehört das Kopftuch einfach dazu und wird getragen. Teilweise mag es eine bewusste, provokante Abgrenzung sein, wohl aber nicht immer. Doch das Kopftuch ist nicht der einzige Punkt. Viele türkische Mädchen wachsen in sozialen Brennpunkten auf. Für sie gehören Kriminalität, Gewalt und Abgrenzung zum täglichen Leben, oft von klein auf. Sie sind es leider gar nicht selten gewohnt, auf Ablehnung und bewusste Provokation zu treffen.

Yagmur hat viele Freunde gefunden, sie ist eine gute Schüle-rin, hat verständnisvolle, moderne Eltern. Noch immer aber gibt es für andere Mädchen Gewalt, Drohungen, Zwang zur Religion und Tradition. Auch Zwangshochzeiten und Unter-drückung sind nach wie vor ein Thema. Doch wie kann dieses Thema gelöst werden? Indem jeder eine ehrliche Chance be-kommt. Fremde Kulturen können mitreißen und öffnen den Horizont. Dabei kann es schon helfen, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Integration ist ein großes Wort. Sie braucht aber vielleicht nicht immer die ganz großen Taten. Kleine Gesten können die Barrieren zwischen den Kulturen abbauen. Hilfreich ist bereits ein freundliches Lächeln, eine helfende Hand.

Stuttgarter Zeitung vom 27. August 2010 (Sophie Megerle und Lena Reutter)

Die Autorinnen besuchen das Hölderlingymnasium Nürtingen und haben bei »Zeitung in der Schule« mitgemacht.

◗ In dem Text A 8 werden Probleme bei der Integration speziell junger muslimischer Frauen genannt. Stellt diese zu-sammen und erläutert sie. Welche Lösung bieten die beiden Autorinnen an?◗ Erläutert, was die beiden Autorinnen in A 8 mit »Balance halten zwischen zwei Welten« meinen?

◗ Bildet Gruppen und überlegt zusammen, was für euch Integration bedeutet.◗ Verfasst in eigenen Worten eine Defi nition des Begriffs »Integration«. Berücksichtigt dabei die Begriffe »struktu-relle Integration«, »kulturelle Integration«, »soziale Integ-ration« und »identifi kative Integration« (A 7).◗ Benennt die Unterschiede zwischen den Begriffen »Assi-milation« und »Integration«.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 7 – A 8

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Gefährdet das Kopftuch die Integration der Muslime – oder fördert es ihre Integration?

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A • Integrationsland Deutschland

A 9 »… jetzt aber mal nicht gleich übertreiben …«

A 10 Ein bedeutender Teil der Migranten verweigert sich der Integration

Migranten sind hierzulande im Durchschnitt schlechter ge-bildet, häufi ger arbeitslos und nehmen weniger am öffent-lichen Leben teil als einheimische Deutsche. Das ist das er-nüchternde Ergebnis der Studie »Ungenutzte Potenziale« des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, welche die »Lage der Integration in Deutschland« untersucht. Die Studie vergleicht erstmals systematisch die Integrations-erfolge einzelner Migrantengruppen, darunter auch der Zu-wanderer mit deutschem Pass, und bewertet die einzelnen Bundesländer nach deren Integrationserfolgen. (…)

Die Debatte um Integration entzündet sich zumeist am Bau von Moscheen, der Ausländerkriminalität und dem Kopftuch-verbot. Doch das sind nur Schlagworte für ein größeres Prob-lem. Denn ein bedeutender Teil der Migranten verweigert sich der Integration. Zum Teil massive Eingliederungsmängel bestehen bei Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Afrika und den Einwanderern aus der Türkei. Die Türken bilden mit fast drei Millionen Menschen nach den Aus-siedlern aus der ehemaligen Sowjetunion die zweitgrößte Gruppe, auch wenn sie in der öffentlichen Wahrnehmung als die gewichtigste gilt.

Obwohl die meisten türkischen Zuwanderer schon seit langem in Deutschland leben und knapp die Hälfte von ihnen sogar hier geboren wurde, zeigen sie kaum Bereitschaft zur In-tegration. Nur 32 Prozent der türkischen Migranten haben bisher die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Als einstige Gastarbeiter kamen sie häufi g ohne jeden Schul- oder Berufsabschluss, und auch die jüngere Generation lässt wenig Bildungsmotivation erkennen.

30 Prozent der Türken und Türkischstämmigen haben keinen Schulabschluss. Nur 14 Prozent haben das Abitur, nicht einmal halb so viele wie in der deutschen Bevölkerung und

auch deutlich weniger als bei den anderen Zuwanderern. Dementsprechend schwach sind sie in den Arbeitsmarkt in-tegriert: Die hohe Erwerbslosigkeit unter der zugewanderten Generation bleibt bei den Jüngeren bestehen. Viele sind arbeitslos, die Hausfrauenquote ist extrem hoch, und viele sind abhängig von Sozialleistungen.

Weil diese Gruppe vor allem in bestimmten Stadtvierteln lebt, fällt es ihnen leicht, unter sich zu bleiben. Das er-schwert gerade zugewanderten Frauen die deutsche Sprache zu erlernen. Damit fehlt auch den Kindern eine wesentliche Voraussetzung für gute Integration. Ebenso kommt die Ver-mischung mit der Mehrheitsgesellschaft, die in den anderen Gruppen stetig voranschreitet, bei Türken kaum voran: 93 Prozent der in Deutschland geborenen Verheirateten führen ihre Ehe mit Personen der gleichen Herkunftsgruppe. Parallel-gesellschaften, die einer Angleichung der Lebensverhält-nisse im Wege stehen, sind die Folge. (…)

WELT ONLINE (www.welt.de) vom 24. Januar 2009 (Franz Solms-Laubach)

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A • Integrationsland Deutschland

A 11 Besser integriert als gedacht

Zuwanderer sind nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung in Deutschland besser integriert als angenommen. Neun von zehn Befragten mit Migrationshintergrund wollten berufl ich weiterkommen, heißt es in der Studie. Vor allem junge Mig-ranten bezeichnen sich selbst als »besonders erfolgs- und leistungsorientiert«. Bei den Befragten ohne Migrations-hintergrund legen dagegen lediglich 45 Prozent Wert auf berufl iches Fortkommen. »Die Ergebnisse widerlegen Vor-urteile über Menschen aus anderen Herkunftsländern in der deutschen Gesellschaft«, kommentierte Liz Mohn, Vizeprä-sidentin der Stiftung.

Für die repräsentative Umfrage wurden über 2.000 Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte befragt. Drei von vier Befragten mit ausländischen Wurzeln lehnen demnach die Vorstellung vom Heimchen am Herd ab. Auch 70 Prozent der Bürger aus muslimisch geprägten Ländern stimmen diesem Bild nicht zu. Die meisten Migranten sind zudem dafür, den Kitabesuch für Dreijährige zur Pfl icht zu machen.

Ludwigsburger Kreiszeitung vom 23. Dezember 2010 (Pressemeldung epd)

A 12 Ein Land – zwei Welten?

◗ Arbeitet aus der Grafi k in A 12 die zentralen Ergebnisse heraus.

◗ Wie spitzt der Karikaturist in A 9 das Thema Integration zu?◗ Stellt die Ergebnisse der beiden Studien in A 10 und A 11 einander gegenüber. Benennt die Unterschiede.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 9 – A 12

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A 14 Die erste Integrationsministerin in Deutschland

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Bilkay Öney (SPD) legt im Stuttgarter Landtag ihren Amtseid ab. Die türkischstämmige Politikerin leitet seit Mai 2011 das Integrationsministerium Baden-Württem-berg, das erste eigenständige Ministerium in einem deutschen Land, das sich der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund widmet.

Frau Öney, was sind Ihre Ziele?Integration ist ein Erfordernis und eine gesamtgesellschaft-liche Aufgabe. Die Migranten sollen, können und dürfen sich integrieren. Politik muss dafür sorgen, dass ihnen dabei keine Steine in den Weg gelegt werden. (…)

Was wollen Sie auf jeden Fall als Ressortchefi n im grün-roten Kabinett in Stuttgart erreichen?Die Migranten dort sind in der komfortablen Lage, dass es –anders als in Berlin – Vollbeschäftigung gibt. Arbeit ist der Schlüssel zur Integration. Wenn wir es schaffen, dass es am Ende weniger Sprach- und Bildungsdefi zite gibt, die

Erwerbstätigkeit unter Migranten zugenommen hat, es mehr Akademiker gibt, dann hätten wir viel erreicht.

Welche Mängel gibt es aus Ihrer Sicht bei den Integra-tionsbemühungen?Es gibt verschiedene Probleme. Im Vordergrund stehen der Sprachmangel, Bildungsdefi zite, Probleme mit der Religion und die Distanz vieler Migranten zur Mehrheitsgesellschaft.

Sie haben das Berliner Integrationsgesetz kritisiert, warum braucht es aber eigentlich eine eigene Integra-tionsministerin in Stuttgart?Ich denke, wir brauchen kein Gesetz, das für Migranten den Status manifestiert. Migranten wollen Gleichheit. Alle Gesetze gelten für alle Menschen gleichermaßen. Das Berli-ner Integrationsgesetz verfestigt aber den Migrationsstatus, weil es defi niert, wer ein Migrant ist, ob er will oder nicht. Ich will es nicht.

Als Berlinerin sind Sie mit den Integrationsproblemen in einer Großstadt ja vertraut. Was unterscheidet die Probleme Berlins von denen eines wohlhabenden Flä-chenlandes wie Baden-Württemberg?Wir haben hier die ganze Palette an Integrationsproblemen auf engem Raum. Aber auch auf dem Dorf werden die Mig-ranten diskriminiert. Es ist bekannt, dass Migranten in der Schule anders bewertet werden. Das ist aber kein Auslän-derproblem allein. Alle Jungs werden anders bewertet, weil sie nicht so brav sind und so eine schöne Handschrift haben wie die Mädchen.

Berliner Morgenpost vom 5. Mai 2011

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Die deutsche Fußballnationalmannschaft der Männer bei der WM 2010: So viel Multi-Kulti war nie in einer deutschen Mannschaft, und für viele war die Vielfalt der Grund für Kreativität und Erfolg. Ist die Mannschaft auch ein Sinnbild für die gelungene Integration in Deutsch-land?

A 15 Das neue Deutschland auf dem Fußballplatz

Der Unmut landet per Post und E-Mail beim Deutschen Fuß-ball-Bund (DFB) in Frankfurt. Seit Wochen geht das so. Mal ist es mehr, mal ist es weniger. Am Montag wird es mehr sein, wenn manch Zuschauer am Sonntag feststellt, dass die Nationalspieler mit Migrationshintergrund vor dem Spiel schweigen. Die Hymne ist ein heikles Thema (...). Für Manchen ist es ein Zeichen mangelnder Identifi kation. »In eine Nationalhymne muss man reinwachsen. Das ist ein Prozess, bei dem wir erst am Anfang stehen. Die Spieler sollen ja nicht nur den Mund auf und zu machen, sondern mit Begeisterung die Hymne singen«, sagt Gül Keskinler, seit 2006 Integrationsbeauftragte des DFB. Sie verweist auf den für die Spieler nicht leichten Umgang mit dem Zwiespalt der Familie und bittet um Verständnis für die »Jungs«.

Der fast schon traditionelle Ärger um die Hymne ist ein Symbol für das, was im deutschen Fußball, in der deut-schen Gesellschaft, vor sich geht. Ein tiefgreifender demo-graphischer Wandel, der sich an der Nationalmannschaft

ablesen lässt. Von den 23 Mann im Kader haben elf einen Migrationshintergrund. Die Zahl mag auf den ersten Blick überraschend sein, in Wahrheit aber ist es nur die Fortset-zung dessen, was seit Jahren in Nachwuchsmannschaften zu beobachten ist. (...) Die zweite Generation der Gastar-beiterkinder drängt nach vorne. (...) Es ist ein Ankommen in der Gesellschaft.

Vielleicht ist die deutsche Fußballnationalmannschaft sogar ein gutes Beispiel für das neue Deutschland, in dem heute etwa 20 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshinter-grund haben.

Es gibt kaum ein selektiveres System als den Leistungssport. (...) Es ist eine Integration über Leistung, nicht beeinfl usst von Vor- und Nachnamen, dem Aussehen oder der Sprache, so dass überproportional viele Spieler die Auswahlmann-schaften bereichern und die Chance zum sozialen Aufstieg nutzen. Die Özils und Co. leisten durch ihren Erfolg zudem einen großen Beitrag zur Akzeptanz von Migranten im Land. »Sie haben es durch Fleiß und Können geschafft – und damit sind sie Vorbild für alle anderen mit Migrationshintergrund«, sagt Keskinler. (…)

Der DFB hat das Thema früher auch schon anders interpre-tiert. (...) Spieler wie Sean Dundee wurden im Hauruckver-fahren eingebürgert. Es ging nicht um Integration, sondern um Interessen. Sie wurden Deutsche, weil man meinte, dass man sie bräuchte. Heute ist das anders. Einzig Cacau ist nicht hier aufgewachsen. Er wurde Deutscher, weil dieses Land seine Heimat geworden ist. Nicht, weil er für Deutsch-land Tore schießen wollte. Cacau übrigens singt auch die Hymne mit. (...)

Stuttgarter Zeitung vom 11. Juni 2010 (Tobias Schall)

◗ »Sport als Schlüssel zur Integration.« Diskutiert diese These im Zusammenhang mit dem Text A 15 und der deut-schen Fußballnationalmannschaft der Männer. Benennt wei-tere Beispiele für diese These.

◗ Wie stellt der Karikaturist in A 13 den Begriff der »Parallel-gesellschaft« dar?◗ Wie beschreibt die baden-württembergische Integrations-ministerin Bilkay Öney (A 14) ihre Ziele?◗ Erläutert die bestehenden Probleme in Sachen Integra-tion, die Ministerin Öney in A 14 anführt.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 13 – A 15

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A • Integrationsland Deutschland

A 16 Es gibt keine Integrationsmisere

Thilo Sarrazin, zuletzt Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, hat 2010 sein Buch »Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen« veröffentlicht. Mit mehr als 1,25 Millionen verkauften Exemplaren ist es das meistverkaufte politische Sachbuch in Deutschland seit Jahrzehnten. Durch provokant formulierte Thesen zur Sozial- und Bevölkerungspolitik sowie zur Integra-tionsbereitschaft von Muslimen in Deutschland hat er eine gesellschaftliche Diskussion angestoßen. Im September 2010 führte SPIEGEL ONLINE ein Interview mit dem Migrationsforscher Prof. Dr. Klaus J. Bade.

SPIEGEL ONLINE: Glaubt man Sarrazin, dann sind mus-limische Arbeitnehmer gar nicht in der Lage, modernen betrieblichen Anforderungen zu genügen. Hat er recht?Bade: Nein, die Unterschiede haben wesentlich mit sozialen Milieus, mit Bildung beziehungsweise Ausbildung und gar nichts mit der Glaubenszugehörigkeit zu tun. Bei Männern ohne Migrationshintergrund sind 50,3 Prozent, bei Frauen 37,5 Prozent erwerbstätig. Bei türkischen männlichen Zu-wanderern sind etwa 45,1 Prozent und bei Frauen 23,5 Pro-zent erwerbstätig. Hinzu kommt bei vielen kleinen Familien-betrieben eine hohe Zahl von mithelfenden Angehörigen, die in der Statistik nicht erfasst werden. Die Muslime sind also genauso gut oder schlecht ins Arbeitsleben integriert wie andere Einwanderer.

SPIEGEL ONLINE: Sarrazin behauptet auch, die verschie-denen Migrantengruppen integrierten sich unterschied-lich in die deutsche Gesellschaft. Lässt sich das tatsäch-lich beobachten?Bade: Migrantengruppen als solche gibt es nicht. Vielmehr lassen sich innerhalb der verschiedenen Herkunftsgruppen Milieus ausmachen, die ebenfalls bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund zu fi nden sind. Türkische Zuwanderer schneiden in ihren schulischen Leistungen zwar im Schnitt schlechter ab als Schüler ohne Migrationshintergrund. Das gilt aber auch für andere Herkunftsgruppen wie zum Beispiel Italiener, die in der Bildungsstatistik sogar noch schlechter dastehen. Andererseits fi nden sich auch unter Zuwanderern Personen mit besonders stark ausgeprägter Aufstiegsorien-tierung, gerade auch bei Menschen mit türkischem Migra-tionshintergrund.

SPIEGEL ONLINE: Taugen die Erfolgsgeschichten hochqua-lifi zierter Migranten als Vorbild für ihre Landsleute?Bade: Natürlich. Im Bereich der schulischen Bildung machen wir hervorragende Erfahrungen damit. Das gilt zum Beispiel für Studenten mit Migrationshintergrund, die Jüngere ge-zielt auf ihrem Weg durch die Schullaufbahn begleiten und unterstützen. Warum sollte dies in der Berufswelt anders sein? Wir reden nur zu wenig über diese erfolgreichen Ein-wanderer.

SPIEGEL ONLINE: Laut Integrationsbericht der Regierung steht einer kleinen Elite von hochqualifi zierten Migranten eine wachsende Zahl jugendlicher Zuwanderer gegen-über, die kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Was kann man tun, um diesen Trend zu stoppen?Bade: Unter den Neuzuwanderern fi nden sich zwar neuer-dings immer mehr Hochqualifi zierte oder Selbstständige. Ihre Zahlen sind im Vergleich mit anderen Zahlen aber immer noch eher gering. 2009 kamen über 12.000 qualifi zierte Drittstaatenangehörige zu Erwerbszwecken nach Deutsch-land. Dies ist eine Größe, die sicherlich ausgebaut werden muss. Das ist angesichts der demographischen Entwicklung und des drohenden Fachkräftemangels in unserem eige-nen Interesse. Dazu müssen unsere Steuerungsinstrumente übersichtlicher und fl exibler werden. Außerdem müssen wir insgesamt so attraktiv werden, dass die Qualifi zierten, die wir brauchen, kommen und diejenigen, die gehen wollen, bleiben oder jedenfalls nicht auf Dauer auswandern. Das ist die eine Seite der Medaille.

SPIEGEL ONLINE: Und die andere?Bade: Unser Bildungssystem muss sich besser auf die in-terkulturellen Rahmenbedingungen einstellen. Hochquali-fi zierte können nämlich nicht nur zuwandern, man kann sie durch zureichende Förderung auch im eigenen Land ge-winnen. Im internationalen Vergleich verlangt das deut-sche Schulsystem den Eltern besonders viel ab. Es geht von Voraussetzungen aus, die zugewanderte Eltern häufi g nur bedingt erfüllen. Ganztagsschulen und ganztägige früh-kindliche Förderung können, wenn sie qualitativ hochwertig angelegt sind, hier effektiv Abhilfe leisten. Was Ganztags-schulen und Ganztagskitas angeht, hat Sarrazin vollkommen recht, aber die Forderung ist nicht neu.

SPIEGEL ONLINE: Wer trägt Ihrer Meinung nach die Schuld an der Integrationsmisere? Bade: Ich sehe keine Integrationsmisere in Deutschland. Wie der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Inte-gration und Migration in seinem aktuellen Jahresgutachten gezeigt hat, verläuft Integration in Deutschland sehr viel erfolgreicher, als es die Desintegrationspublizistik glauben machen will, auch im internationalen Vergleich. Ausnahmen bestätigen die Regel. In den letzten zehn Jahren ist in Sachen Integrationspolitik mehr geschehen als in den vier Jahrzehnten zuvor. Die in Deutschland geborene Zuwande-rerbevölkerung der zweiten und dritten Generation erzielt in fast allen Bereichen, sei es Bildung oder Arbeitsmarkt, deutlich bessere Ergebnisse als ihre Eltern und Großeltern. Dieser Effekt lässt sich für nahezu alle Herkunftsgruppen beobachten.

SPIEGEL ONLINE (www.spiegel.de) vom 7. September 2010 (Interview: Michael Kröger)

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A • Integrationsland Deutschland

A 17 Die Islam-Debatte

A 18 »Islam-Debatte«

Deutschland. Benennt dazu Interessenvertreter, die jeweils eines der Argumente in A 17 vertreten.◗ Verfasst einen Leserbrief an eure Schulzeitung oder einen Bericht für die Homepage eurer Schule zu der Frage: »Gehört der Islam zu Deutschland?«◗ Erläutert, wie der Karikaturist in A 18 die »Islam-Debatte« thematisiert.

◗ Bildet Arbeitsgruppen und erstellt eine kurze Präsentation zu der sogenannten »Sarrazin-Debatte«. Welche zentralen Thesen stellt der Autor in seinem Buch auf? Wie hat die Öffentlichkeit darauf reagiert?◗ Erläutert die Argumentation, die Klaus J. Bade (A 16) gegen Sarrazin anführt. Womit belegt er seine Aussage, es gebe gar keine »Integrationsmisere« in Deutschland?◗ Organisiert in der Klasse eine Podiumsdiskussion und dis-kutiert die Thesen zur Rolle und Geschichte des Islam in

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 16 – A 18

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»Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas. Er ist Teil unserer Gegenwart und er ist Teil unserer Zukunft.«

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Islam-Konferenz im Jahr 2006

»Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich aus der Realität ergibt.«

Volker Beck, Geschäftsführer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag am 3. März 2011

»Ich bin enttäuscht von dieser (ersten) Aussage. Sie steht im Widerspruch zu seiner Aufgabe als Vorsitzender der Islam-Konferenz. Unter den Muslimen in Deutsch-land kommt das nicht gut an.«

Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland in Reaktion auf die Aussage von Bundesinnenminister Friedrich am 3. März 2011

»Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.«

Bundespräsident Christian Wulff (CDU) in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2010

»Dass aber der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt.«

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bei seinem Amtsantritt am 3. März 2011

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A • Integrationsland Deutschland

A 19 Der Nationale Integrationsplan

Seit dem Jahr 2006 ist die Integration Chefsache: Bun-deskanzlerin Merkel (rechts) und die Integrationsbeauf-tragte der Bundesregierung Maria Böhmer (2. von rechts) laden regelmäßig zum Integrationsgipfel ins Kanzleramt, um mit Vertreterinnen und Vertretern von Migrantenorga-nisationen über das Zukunftsthema Integration zu reden.

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Auf Einladung der Bundeskanzlerin haben in Deutschland 2006 und 2007 zwei Integrationsgipfel stattgefunden. Im Juli 2007 wurde als Ergebnis der Nationale Integrationsplan vorgestellt. Dessen Konzept enthält rund 400 Einzelmaß-

nahmen, die neue Chancen für die Integration von Zuwan-derern schaffen sollen. Beteiligt am Integrationsplan sind nicht nur die Politik in Bund, Ländern und Kommunen, son-dern auch Institutionen aus Wissenschaft, Medien, Kultur, Wirtschaft, Sport, Gewerkschaften und Religionsgemein-schaften – sowie Organisationen von Migranten selbst.

Zu den wichtigen Vorhaben gehört es, die Integrations-kurse zum Erwerb der deutschen Sprache auszubauen, mit einem Netzwerk »Bildungspaten« Kinder und Jugendliche zu fördern oder für junge Zuwanderer die Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten zu verbessern. Die Länder haben sich verpfl ichtet, die Förderung der deutschen Sprache in Kin-dergärten zu verstärken und mehr Zuwanderer als Erzie-her und Lehrkräfte zu gewinnen. Die Migrantenverbände wollen mit Blick auf die Schulbildung gezielte Elternarbeit leisten, die Wirtschaft hat zugesagt, 10.000 zusätzliche Lehrstellen zu schaffen. Die Medien wollen Journalisten und Schauspieler ausländischer Herkunft mehr einbinden, und die Sportvereine werben gezielt bei Migrantenfamilien um neue Mitglieder. Bis Ende 2008 soll ein Zwischenbericht zur Umsetzung des Integrationsplans vorgelegt werden.

.de Magazin Deutschland (www.magazin-deutschland.de) vom 19. September 2008

A 20 Zwischenbilanz

Die anfängliche Euphorie ist der Ernüchterung gewichen: Vor dem dritten Integrationsgipfel der Bundesregierung Anfang November kritisieren 17 Migrantenverbände die bisherigen Bemühungen. (…) In einer schriftlichen Erklärung zum Gip-feltreffen bemängeln 17 von rund 30 teilnehmenden Migran-tenverbänden, dass sich die Bedingungen für Integration in Deutschland deutlich verschlechtert haben. In den Kernbe-reichen der Integrationspolitik, Bildung und Arbeit, seien »negative Entwicklungen« zu verzeichnen, so das Papier: Das deutsche Schulsystem sei von Chancengleichheit noch weit entfernt. In einigen Bundesländern wurde die Schulempfeh-lung der Lehrer in der Grundschule verbindlich: Die »Neigung der Lehrer«, Einwandererkinder auch bei guten Leistungen für die Hauptschule zu empfehlen, erschwere den Zugang zu Gymnasien. Und: Die Zahl der Ausbildungsplätze, die mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund besetzt wurden, sei in den letzten Jahren rückläufi g. (…) In der Erklärung wird

außerdem der neu eingeführte bundesweite Wissenstest für die Einbürgerung kritisiert – er sei ein weiteres »zweck-fremdes Hindernis«, so die Migrantenverbände. (...)

2006 herrschte noch große Euphorie, weil »nicht mehr über die Migranten, sondern mit ihnen« geredet wird (...). Dies-mal wollen sie konkrete Ansprüche im Rahmen der Veran-staltung erheben: (...) »Es reicht nicht, dass Kommunen und Länder schnellstmöglich, manche in blindem Aktionismus, einen eigenen Integrationsplan aufstellen«, sagt Mehmet Tanriverdi, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände. »Die Einbeziehung von Migranten-organisationen in die Planung der Integrationspolitik muss fest verankert werden.«

SPIEGEL ONLINE (www.spiegel.de) vom 29. Oktober 2008 (Ferda Ataman)

◗ Recherchiert im Internet, wie sich der Nationale Integra-tionsplan inzwischen weiterentwickelt hat.

◗ Erläutert die wichtigsten Vorhaben des Nationalen Inte-grationsplans (A 19).

ARBEITSAUFTRÄGE ZU A 19 UND A 20

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B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«Materialien B 1 – B 18

B 1 Stuttgart – eine Multikulti-Stadt

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und auf dem Land. Was könnten die Gründe dafür sein, dass gerade Stuttgart ganz vorne liegt?

◗ Beschreibt und analysiert die Grafi k in B 1. Benennt Gründe, warum der Anteil an Menschen mit Migrationshin-tergrund in den Großstädten größer ist als in Kleinstädten

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 1

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B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B 2 Musterstädtle der Integration

Wen man in Stuttgart auch fragt, egal welche Nationalität oder Partei – das Integrationsmodell wird von allen begrüßt. Man müsse investieren, aufeinander zugehen, beidseitige Verantwortlichkeiten schaffen, heißt es. Seit der Oberbürger-meister Wolfgang Schuster dies zur Chefsache gemacht hat, die Stabsstelle Integrationspolitik direkt bei sich angesiedelt hat, erfahre ihre Arbeit eine ganze andere Wertschätzung, sagt Jama Maqsudi, der Herr aus Kabul, der seit Jahren in Stutt-gart Integrationspolitik macht. Früher allerdings, sei es ihm vorgekommen, als habe »er einen Alibi-Posten«. Erst jetzt nehme man seine Arbeit ernst.

Schräg gegenüber vom Rathaus steht ein kleines Redakti-onsgebäude. Hier wird die Interkultur herausgegeben, eine monatliche Zeitschrift, die über Vereine und Feste der ver-schiedenen Migrantengruppen informiert. Eine Säule des Stuttgarter Konzeptes ist, das kulturelle Engagement der Communitys sichtbar und für andere zugänglich zu machen. »Orientalischer Tanztreff«, »griechischer Seniorennachmit-tag« oder »Frauentreff in persischer Sprache«. Alles klingt exotisch und gleichzeitig schwäbisch. (…)

Die zweite Säule des Stuttgarter Modells sind Bildungs-investitionen. 600 Stunden kostenlosen Sprachkurs darf und muss jeder Neu-Stuttgarter absolvieren. In der Klasse sitzen gerade acht Schüler, alle sind unterschiedlicher Herkunft. Sie pauken Plusquamperfekt. Max Schiller, ein russischer Spätaussiedler, der Physik studiert, sagt, hier lerne er neben

der Sprache auch nette Leute kennen. Auch Klenny Pena Pena fi ndet den Sprachkurs okay. Allerdings haben sie die Geschichtsstunden gelangweilt, sagt die Frau aus der Domi-nikanischen Republik. (...) Die Schüler lachen. Um sich ein-bürgern zu lassen, müssen die Stuttgarter Migranten neben einem Sprachtest auch einen zur Landeskunde bestehen.*

Die dritte Säule des Stuttgarter Modells ist präventive Sozial-arbeit. Georg Ceschan, ein gebürtiger Rumäne, ist Experte für berufl iche Qualifi zierung von Jugendlichen. In allen Stadtteilen gibt es Mentoren, die ihren Kiez kennen und sich um Jugendliche kümmern. Mit Erfolg: Laut Kriminali-tätsstatistik ist Stuttgart die sicherste deutsche Metropole. Es gibt keine Ghettos, in der nur eine Nation lebt. Grundlage für das friedliche Miteinander sei aber nicht seine Sozial-politik, sagt Ceschan nüchtern. Sondern die gute Wirt-schaftslage der Gegend. Ceschan wünscht sich, dass sich mehr Migranten politisch beteiligen. Dazu müsse es aber mehr Politiker mit Migrationshintergrund geben, sagt Ce-schan. Wie die ausländischen Polizisten und Lehrer, nach denen die Stadt sucht, könnten sie eine wichtige Vorbild-funktion einnehmen. (…)

Michael Schlieben für ZEIT ONLINE (www.zeit.de) vom 1. September 2009

* Zur bundeseinheitlichen Durchführung der Integrationskurse werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Lehr- und Lernmittel zugelassen.

B 3 Integration – der »Stuttgarter Weg«

Die Verantwortung für eine erfolgreiche Integration liegt bei den Migranten selbst und bei der Aufnahmegesellschaft und ihren Institutionen.

Pfl ichten der »neuen Stuttgarter«Die zugewanderten »neuen Stuttgarter« haben die Pfl icht, alle integrationsfördernden Angebote zu nutzen, um gleich-berechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Dazu gehört in erster Linie die Aneignung guter Deutschkenntnisse. Aktive Teilhabe umfasst aber auch die Übernahme von Aufgaben in der Gesellschaft. Neben der Erwerbstätigkeit fördern das freiwillige bürgerschaftliche Engagement und die politische Beteiligung die eigene In-tegration in die Gesellschaft und die Verbundenheit mit Stuttgart als der neuen Heimat.

Pfl ichten der AufnahmegesellschaftDer Integrationserfolg hängt nicht nur von der Eingliede-rungsbereitschaft der Migranten ab, sondern auch von der Qualität der integrationsfördernden Angebote in den Insti-tutionen. Gute Sprach- und Bildungsförderung in Kinderta-geseinrichtungen und Schulen fördert gelingende Bildungs-verläufe aller Kinder unabhängig von ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft. Kompetente Beratung und Betreuung in Sozial- und Gesundheitsdiensten erleichtern den Integra-

tionsprozess. Die Einstellung von qualifi zierten Migranten als Beschäftigte im öffentlichen Dienst und in Betrieben fördert die interkulturelle Kompetenz von Verwaltung und Wirtschaft. Deshalb ist die interkulturelle Ausrichtung der Institutionen ein Schwerpunkt der Stuttgarter Integrations-politik. Integration ist nicht nur eine Querschnittsaufgabe von Verwaltung und Wirtschaft, sondern auch eine Gemein-schaftsaufgabe der Bürgerschaft. Die Einbindung von Ehren-amtlichen in die Integrationsarbeit und die Qualifi zierung ihrer Vereine für diese Arbeit ist ein weiterer Baustein der Stuttgarter Integrationspolitik.

Gute Integrationspolitik ist zukunftssichernde StandortpolitikDie Anerkennung und Förderung der kulturellen, sprach-lichen und religiösen Vielfalt stärken das tolerante und welt-offene Klima in unserer internationalen Stadt und somit die Attraktivität Stuttgarts für kreative Köpfe und Investoren. Innovative Technologien, Talente aus aller Welt und Toleranz sind Merkmale von wirtschaftlich starken und lebenswerten Städten. Gute Integrationspolitik ist immer zugleich zu-kunftssichernde Standortpolitik.

www.stuttgart.de (Homepage der Abteilung für Integration der Landeshauptstadt Stuttgart)

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B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B 4 Vorbildliche Integration: Technologie, Talente und Toleranz

»Die Affen sind raus aus dem Gehege. Der Zoowächter wun-dert sich, dass die Tiere weg sind.« Stimmt nicht ganz, was Mikail, Grundschüler in der 2. Klasse, da aufschreibt. Er steckt den Stift kurz in den Mund, schaut auf die Bilderge-schichte mit den Affen und dem Zoo und dann auf das Blatt Papier, auf das er die Sätze mit geschwungenen Handbewe-gungen eher malt als schreibt. »Stimmt doch.« Nein. Heißt nicht Zoowächter, heißt Zoowärter. Den letzten Satz muss er gleich ganz wegradieren. Die 17-jährige Deutschtürkin Sibel hat eine Engelsgeduld mit Mikail. Sie macht das freiwillig, die Hausaufgabenbetreuung im »Haus 49« im Stuttgarter Nordbahnhofsviertel. Wenn man in Deutschland eine Vor-zeigestadt in Sachen Integrationspolitik sucht, dann muss man nach Stuttgart. Und wenn man verstehen will, wie das funktioniert, dann muss man ins Haus 49 und das Nordbahn-hofsviertel. (…)

In Stuttgart haben 40 Prozent der Einwohner das, was man landläufi g einen »Migrationshintergrund« nennt. Viele Fami-lien kamen schon während der großen Anwerberzeit in den 50ern und 60ern, als man sie noch »Gastarbeiter« nannte und dachte, sie würden nach ein paar Jahren Fließband »beim Daimler« oder bei Bosch wieder in ihre Heimat zurückkehren. Heute wird Stuttgart für sein im Jahr 2001 ausgerufenes »Bündnis für Integration« überall gelobt. Der Europarat nahm das Programm als Vorlage für einen Integrationsleitfa-den für europäische Städte. Die UNESCO zeichnete die Stadt 2004 mit dem »Cities for Peace«-Anerkennungspreis aus. Ihr Integrationsbeauftragter Gari Pavkovic hat Städte wie Köln, München und Frankfurt am Main beraten. Menschen aus 170 Nationen leben in der Stadt. Man spricht so ziemlich jede Sprache, außer Hochdeutsch.

Das Haus 49 ist genau das, was die Stadt ausmacht. Ein Po-tenzial an engagierten Bürgern, das die Politik nach Kräften unterstützt, und vor allem Migranten, die selbst für Integra-tion sorgen. Im dritten Stock sitzen ein paar zusammen und werden von der Sozialarbeiterin Jutta Horsthenke ermahnt, erst mal Hausaufgaben zu machen, statt »Uno« zu spielen. Marko, Sohn zugewanderter Italiener, macht also an seinem Rap-Referat für Deutsch weiter: »Sido heißt eigentlich Paul Würdig«, schreibt er auf eine Karte. Syedghane ist trotz Englischprüfung relaxt: Er kam 2004 aus Afghanistan, jetzt hat er einen Ausbildungsplatz als Koch. (…)

Vor 28 Jahren haben ein paar Eltern der Grund- und Haupt-schule Rosensteinschule angefangen, Lernhilfe für Schüler zu geben. Heute haben sie ein eigenes Haus, fünf Haupt-amtliche wie Horsthenke und 20 Ehrenamtliche wie Sibel. Sie hat es anderen Helfern zu verdanken, dass sie ihren Notenschnitt von 3,6 in der achten Klasse auf 2,2 in der neunten Klasse verbessern konnte und heute eine Realschule besucht. Später will sie das Gymnasium nachmachen und dann studieren.

Der Integrationsbeauftragte der Stadt weiß, was es heißt, sich ohne Einrichtungen wie das Haus 49 durchschlagen

zu müssen. (…) Heute sagt er: »Das Glück, die richtigen Personen zur richtigen Zeit zu treffen, soll nicht über die Zukunft eines Menschen entscheiden.« Dann zählt er die Ziele der Stadt auf: Ab dem dritten Lebensjahr soll jedes einzelne Kind individuell gefördert werden. 98 Prozent der Kinder ab dem vierten Lebensjahr haben schon heute einen Platz in einer Kita. Sprachförderung gibt es für Kleinkinder ebenso wie für Gymnasiasten – oder für Eltern: zum Beispiel im Programm »Mama lernt Deutsch«. Sport und musikalische Bildung sollen ebenso jedem Kind offenstehen und auch der Unterricht in der jeweiligen Muttersprache. Denn Zweispra-chigkeit erhöhe nicht nur die berufl ichen Chancen, sondern auch die Exportchancen der Wirtschaft, sagt Pavkovic. Der Oberbürgermeister selbst leitet den Ausschuss der Stuttgar-ter Bildungspartnerschaft im Gemeinderat, in dem das Netz-werk aus Vereinen, Kirchen, Ämtern, Stiftungen, Wirtschaft und Politik koordiniert wird.

Natürlich hat auch Stuttgart Probleme. Die Hauptschulen etwa, in die kaum noch Kinder gehen, deren Muttersprache Deutsch ist. Selbst bei den im Haus 49 betreuten Schülern fi ndet knapp die Hälfte der Absolventen der Hauptschule im ersten Jahr keine Lehrstelle. Trotz Förderung und obwohl die Arbeitslosenquote unter Ausländern in Stuttgart gerade mal fünf Prozent beträgt. (…)

Es hängt nicht alles am Geld, meint Pavkovic: Immerhin gibt die Stadt 600 Millionen Euro im Jahr für 90.000 Kinder und Jugendliche aus – die Hälfte von ihnen mit Migrationshin-tergrund. »Wir sind keine Maschinen, die man in einen Inte-grationskurs schickt, und dann kommen sie integriert wieder raus«, sagt er. Vor allem ist es eine Sache der Einstellung.

Integration wird in Stuttgart nicht als Kostenfaktor oder reine Kriminalprävention betrachtet. Die Region mit der höchsten Exportquote in Deutschland braucht Ausländer, ihre Talente, ihre Sprachen und ihre Weltoffenheit, sagt Pavkovic. »Sonst wäre Stuttgart längst ein Altenheim, und Daimler würde woanders produzieren«, sagt er. Man will kul-turelle Vielfalt auch wirtschaftlich nutzbar machen: »Tech-nologie, Talente und Toleranz« heißt der Dreiklang. (…)

www.taz.de vom 25. Juni 2009 (Ingo Arzt)

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B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B 5 Die Stadt fördert junge Migranten

Die Stadt will in den nächsten Jahren mehr Migranten für den öffentlichen Dienst gewinnen. Dabei helfen soll die Kampagne »Deine Stadt – deine Zukunft«, die gestern im Internationalen Ausschuss noch einmal vorgestellt wurde. Dabei kam eine ernüchternde Ausgangslage zur Sprache. Von den insgesamt 16.500 Beschäftigten der Landeshaupt-stadt und des städtischen Klinikums sind nur 14 Prozent Zuwanderer, die meisten davon mit italienischen Wurzeln. Die mit Abstand meisten Migranten bei der Landeshaupt-stadt sind als Arbeiter beschäftigt, während sich unter den Führungskräften kaum ein Zuwanderer fi ndet. »Je höher die Gehaltsgruppe, umso kleiner ist die Zahl der Zuwanderer«, bilanziert der Integrationsbeauftragte Gari Pavkovic.

Wie groß die Unterschiede sind, zeigt eine Erhebung aus dem Jahr 2006, von der es nach Ansicht von Martina Bramm-Eich-horn vom Haupt- und Personalamt bis heute keine größeren Abweichungen gibt: Demnach liegt der Anteil der Migranten in der Arbeiterschaft bei mehr als 40 Prozent, bei den Ange-stellten bei acht Prozent, bei den Beamten waren es damals nicht einmal ein Prozent. »Beim Garten- und Friedhofsamt haben wir fast schon eine portugiesische Familientradition, dort folgen die Söhne ihren Vätern nach«, erzählt Gari Pav-kovic. Viele Beschäftigte anderer Herkunft fi nden sich in

der Großküche des Klinikums, in den Pfl egeheimen, beim Tiefbauamt und beim Eigenbetrieb Abfallwirtschaft (AWS). Dort haben nach Angaben der Verwaltungsleiterin Veronika Ellenrieder 39,3 Prozent der insgesamt 743 Beschäftigten eine ausländische Staatsangehörigkeit. Auch bei der Ab-fallwirtschaft gilt: Migranten fahren Kehrmaschinen und Mülllader oder arbeiten in der Straßenreinigung, aber nur selten im Büro.

Eine positive Ausnahme ist das Jugendamt, das bei einer Umfrage vor drei Jahren unter den 3.000 Beschäftigten einen Migrantenanteil von 30 Prozent ermittelt hat. »Viele von ihnen setzen ihre Mehrsprachigkeit auch im berufl ichen Alltag ein«, sagt der stellvertretende Jugendamtsleiter Heinrich Korn. Er hält es für wichtig, dass sich die Stadt-gesellschaft auch in den Kitas und Beratungsdiensten des Jugendamts abbildet. »Bei den Beratungen ist es extrem wertvoll, wenn jemand nicht nur den kulturellen Hinter-grund der Leute kennt, sondern auch ihre Sprache spricht«, so Korn.

Dem Vorbild des Jugendamts folgen sollen jetzt auch andere Ämter. Deshalb wurde die Kampagne »Deine Stadt – deine Zukunft« entwickelt. Sie richtet sich an junge Migranten und soll ihnen die Ausbildungsplätze bei der Stadt schmackhaft machen. 1.200 Auszubildende sind derzeit bei der Stadt beschäftigt, 19 Prozent haben einen ausländischen Pass. »Vor allem in Ämtern, in denen Kundenkontakt an der Ta-gesordnung ist, brauchen wir Menschen mit interkulturellen Erfahrungen«, sagt Martina Bramm-Eichhorn.

Die Mitarbeiter des Personalamts touren mit ihrer Botschaft jetzt durch Schulen, stellen die 40 Ausbildungsberufe der Stadt vor und räumen mit falschen Vorstellungen auf. »Es gibt Migranten, die denken, nur Deutsche können Beamte werden«, so Bramm-Eichhorn. Auch das Kopftuch sehen manche jungen Frauen als Hindernis: »Dabei dürfen sie in der Stadtverwaltung Kopftuch tragen.« Nur eine Ausnahme gibt es: Erzieherinnen müssen ihre Kopfbedeckung abneh-men. OB Wolfgang Schuster ist froh über die Kampagne: »Bei der demographischen Entwicklung müssen wir junge Leute bald mit dem Lasso einfangen.«

Stuttgarter Zeitung vom 14. April 2011 (Nicole Höfl e)

◗ Recherchiert im Internet zu dem Modellprojekt »Haus 49« (B 4) in Stuttgart (www.haus49.de). Wählt einzelne Aktivi-täten aus seinem Programm aus und erstellt dazu eine kurze Präsentation.◗ Benennt Gründe, warum es wichtig sein kann, dass in einer öffentlichen Verwaltung Menschen mit Migrationshin-tergrund arbeiten (B 5).

◗ Erklärt einem neu nach Stuttgart Zugewanderten den »Stuttgarter Weg« (B 2 und B 3). ◗ Erstellt eine Präsentation zum »Stuttgarter Weg« und zu den zentralen Punkten des »Stuttgarter Bündnisses für Inte-gration«. Im Internet hilft die Seite www.citiesofmigration.ca/the-stuttgart-pact-for-integration-the-power-of-plan-ning/lang/de.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 2 – B 5

Nicht nur in Stuttgart, sondern auch in anderen Bundes-ländern wird versucht, junge Migrantinnen und Migranten für den öffentlichen Dienst zu gewinnen, so wie hier in Nordrhein-Westfalen bei der Düsseldorfer Polizei.

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B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B 6 Mutmacher für Migranten

Ihre Traumberufe sind Modedesignerin, Ärztin, Fußballma-nager oder Architekt. Womit türkische Schülerinnen und Schüler einmal Geld verdienen wollen, unterscheidet sich nicht von anderen Schülern. Aber ihre Startbedingungen.

Viele dieser jungen Türken haben nach der Schule Schwierig-keiten, einen Job oder eine Ausbildung zu fi nden, weiß Clau-dia Grimaldi von der Abteilung Integration der Stadt. Darum hat sie zusammen mit dem türkischen Generalkonsulat und dem Turkish Business Club das Projekt »Die Mutmacher« auf die Beine gestellt. Gestern lernten etwa 30 Schüler tür-kischer Herkunft im Rathaus türkische Berufstätige kennen und stellten ihnen viele Fragen.

Das Ziel sei, diesen Schülern zu zeigen, dass sie es trotz Migrationshintergrund schaffen können, erklärte Claudia Grimaldi. Oft fehle den Kindern der Mut, ihren Schulab-schluss gut zu meistern und ins Berufsleben einzusteigen. Fehlende Sprachkenntnisse und Vorbehalte von Firmen seien ein weiteres Hindernis.

Probleme, die Nehir Safak-Turhan kennt. Als selbstständige Unternehmensberaterin hat sich die 32-Jährige in ihrem Beruf durchgesetzt, aber es war kein einfacher, geradliniger

Weg. Nehir Safak-Turhan stammt aus einfachen Verhält-nissen. In Mühlacker als eines von sechs Geschwistern ge-boren, besuchte sie zunächst die Hauptschule und erst ab der siebten Klasse ein Wirtschaftsgymnasium. Als Mädchen wollte sie noch Floristin werden, nach dem Abitur studierte sie Volkswirtschaft.

Den Schülern empfahl sie, immer an ihren Traum zu glauben. »Ihr müsst euch immer sagen, dass ihr es schafft«, sagte Nehir Safak-Turhan. Dazu seien Mut, Ehrgeiz und vor allem Fleiß notwendig. Um die Ziele zu erreichen, sei jedoch auch die Unterstützung der Eltern und Freunde notwendig.

Stuttgarter Zeitung vom 17. Februar 2011 (Michael Schoberth)

B 7 Migrantenvereine und bürgerschaftliches Engagement

Wie kann man straffällige Jugendliche mit Migrationshinter-grund am besten von der Straße holen? Der Verein Deutsche Jugend aus Russland setzt in einem aktuellen Projekt darauf, die gefährdeten jungen Leute mit potenziellen Ausbildungs-betrieben in Kontakt zu bringen – und meldet bereits erste Erfolge. Wie erleben Migranten ihren Alltag in Stuttgart? Der Medienkulturverein Multicolor e. V. porträtiert in einem Radioprojekt Menschen verschiedener Nationalitäten – und bezieht dabei Orte ein, die ihnen wichtig sind. Wie können sich Frauen weiterbilden? Der russische Kunst- und Kultur-verein Kolobok hat hierfür ein Netzwerkprojekt gegründet –25 Frauen sind dabei.

Das sind nur drei von 20 Projekten von Migrantenvereinen aus Stuttgart, die für ein Förderprojekt zum bürgerschaft-lichen Engagement des Forums der Kulturen ausgewählt worden sind. Sie erhalten nun einen Zuschuss des Bundes-

amts für Migration und Flüchtlinge, der zwischen 800 und 9.000 Euro beträgt. Das Geld und die Betreuung durch das Forum soll ihnen helfen, ihre Arbeit weiter zu professiona-lisieren. (…)

Das große bürgerschaftliche Engagement ist »unser größter Schatz«, würdigte der Integrationsbeauftragte der Stadt, Gari Pavkovic, die Arbeit der Vereine. Ihn freue, dass es immer mehr Vereine gebe, die sich eine Verbesserung der Bildungschancen auf die Fahne geschrieben haben. (…)

Stuttgarter Zeitung vom 29. Januar 2011 (Viola Volland)

ähnliche Projekte in eurer Gemeinde? Welche Migrantenver-eine und -organisationen gibt es an eurem Schulort?◗ Erläutert die Rolle, die das gesamte Vereinsleben in einer Gemeinde in Sachen Integration spielt.

◗ Erklärt die Ziele und die Vorgehensweisen des Projekts »Die Mutmacher« (B 6).◗ In dem Text B 7 werden unterschiedliche Projekte er-wähnt, bei denen Migrantenvereine aktiv werden. Kennt ihr

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 6 UND B 7

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B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B 8 Interkulturelle Mediation

Menschen aus unterschiedlichen Kulturen geraten häufi g deshalb miteinander in Konfl ikt, weil sie sich missverstehen: Sei es, weil sie verschiedene Sprachen sprechen oder weil sie verschiedene kulturelle Traditionen haben. Damit solche Streitigkeiten nicht vor Gericht enden, hat das Interna-tionale Beratungszentrum der Evangelischen Gesellschaft (eva) (...) das interkulturelle Mediationsprojekt ins Leben gerufen. Mittlerweile vermitteln im Stuttgarter Osten 32 ausgebildete ehrenamtliche Mediatorinnen und Mediatoren in Streitfällen. Sie beherrschen 18 Sprachen (…). Das ist einmalig in Deutschland.

Ein typischer Fall für das Interkulturelle Mediationsprojekt der eva (alle Namen geändert): Kemal Korkmaz, türkischer Staatsangehöriger, liegt im Clinch mit der serbischen Familie Jankovic. Ihm gefällt es nicht, dass sein Nachbar Slobodan Jankovic häufi g nur in Unterhose oder im Schlafanzug im Flur steht. Noch dazu hat dieser schon mehrmals nachts lautstark an seine Tür geklopft und so seine ganze Familie aufgeweckt. Was sein Nachbar wollte, weiß Herr Korkmaz nicht genau, denn Slobodan Jankovic spricht kaum Deutsch. Aber er vermutet, dass sein Nachbar es auf seine Frau ab-gesehen hat.

Ausschließlich Ehrenamtliche als Mediatoren tätigUm zwischen Herrn Korkmaz und Herrn Jankovic zu vermit-teln, setzen sich eine serbische Mediatorin und ein türkischer Kollege zunächst getrennt mit beiden Männern zusammen. Den Mediatoren wird schnell klar, dass sich die beiden zer-strittenen Nachbarn schlichtweg sprachlich nicht verstehen und das Verhalten des anderen nicht einordnen können. Während für Kemal Korkmaz der Aufzug seines Nachbarn in Unterhose eine Unverschämtheit ist, versteht Slobodan Jankovic die Aufregung nicht. In Serbien seien Nachbarn meist auch Freunde, vor denen man sich auch in legerer Bekleidung zeigen könne. Und das nächtliche Klopfen hatte einen einfachen Grund: Herr Jankovic hatte seinen Nachbarn um eine Kopfschmerztablette für seine Frau bitten wollen. Als sich die beiden Nachbarn schließlich gemeinsam mit den Mediatoren an einen Tisch setzen, können sie viele Missverständnisse klären.

Neu an dem eva-Mediationsprojekt ist, dass ausschließ-lich Ehrenamtliche als Mediatoren tätig sind. Sie konnten

dafür gewonnen werden, sich zum interkulturellen Mediator ausbilden zu lassen. (...) Peggy Orth ist eine dieser Eh-renamtlichen. Die Juristin »wollte nicht im Seniorenclub« vor sich »hindümpeln«, sondern lieber etwas Sinnvolles tun. Sie und die anderen ausgebildeten Mediatoren sind Ansprechpartner in ihrem Stadtteil, vermitteln bei Streitig-keiten in ihrem Arbeits- und Lebensumfeld und begleiten die Konfl ikt-Beteiligten von Beginn an. Sie werden regelmäßig weitergebildet und treffen sich gemeinsam mit der Projekt-leitung zu Fallbesprechungen. Die Freiwilligen profi tieren auch persönlich von der Ausbildung: »Ich habe sehr viel über Mitmenschlichkeit gelernt«, sagt Yoganathan Putra, ebenfalls ehrenamtlicher Mediator. Häufi g geht es um NachbarschaftsstreitigkeitenDie Mediatoren haben es meist mit »sehr alltagsbezogenen, eher banalen Sachen zu tun«, so Thomas Spörer, Ausbilder im Projekt. Oft handelt es sich dabei um Nachbarschafts-streitigkeiten – mal um solche zwischen Migranten, mal um solche zwischen Deutschen und Migranten. Gründe dafür sind häufi g Lärm, Schmutz, Unordnung, Ruhestörung, Pöbe-lei und Beleidigungen. Diejenigen, die sich melden, haben in der Regel die Erfahrung gemacht, dass sie bei der Polizei und vor Gericht nicht das bekommen, was sie sich erwarten. Andere haben gar nicht erst die Hoffnung, dass sie dort mit ihren Sorgen ernst genommen werden. Auch wenn es die Mediatoren mit vielen einzelnen Fällen zu tun haben: Ein Wunsch der Beteiligten ist, langfristig etwas an der Grundeinstellung zum Streiten zu verändern. Die Menschen sollen daraus lernen, dass sie nicht unbedingt ihre Rechtsschutzversicherung nutzen müssen. Es geht auch anders, erklärt Georg Hegele, Mitarbeiter des Internatio-nalen Beratungszentrums. Wer sich mit Problemen immer gleich an Polizei, Rechtsanwälte oder Gerichte wende, »lässt Dinge für sich erledigen, muss dann aber mit Konsequenzen rechnen und leben, die nicht die eigenen sind«, ergänzt Spörer. (...)

Evangelische Gesellschaft Stuttgart e. V. (www.eva-stuttgart.de, abgerufen am 23. April 2011)

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B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B 9 Stadtentwicklung

Stuttgart will im Hallschlag vor allem eins: das soziale Ab-gleiten des Viertels verhindern. Deshalb investiert die Stadt auch in anderen Bereichen: sie hat das kulturelle Angebot erweitert, Spielplätze angelegt, Wohnungen saniert. Über-haupt ist die Wohnungspolitik ein wichtiges Steuerungs-element, um eine sogenannte »Segregation« zu vermeiden, wie es Fachleute nennen – die Bildung von Ghettos, in denen sich bestimmte ethnische Gruppierungen überproportional konzentrieren.

Statt kommunale Immobilien durch Verkäufe zu versilbern, hält die Landeshauptstadt bewusst an ihren Wohnungen fest. Über eine Quote in den Belegungsrichtlinien lässt sich so eine bessere Durchmischung der Bevölkerung erreichen. Denn nur acht Prozent der Wohnungen werden an Dritt-staatler vermietet, maximal 20 Prozent an EU-Bürger. Auch bei Privatisierungen schaut man sehr genau hin – Wolfgang Schuster (Oberbürgermeister): »Wir haben nämlich festge-stellt, nicht nur bei den Schwaben, sondern bei vielen Natio-nen – nicht zuletzt bei den türkischen Mitbürgern – dass sie

sich schwäbischer als jeder schwäbische Hausbesitzer ver-halten, wenn sie ihre Wohnung kaufen können! Das heißt, das ist ein Stück dann auch der sozialen Stabilität und der sozialen Aufwertung. Aber dabei ist ganz wichtig, dass eben nicht ganze Wohnblocks dann zum Beispiel türkisch werden, sondern dass man sehr bewusst vorher schon eine Mischung –eine ethnische Mischung, eine soziale Mischung – erreicht. Und das können Sie halt nur, wenn Sie direkt Einfl uss nehmen können! Deshalb ist es für uns ganz wichtig, dass wir unsere städtische Wohnungsgesellschaft behalten, egal wie viel Geld wir dafür erlösen könnten. Wir werden uns an der Spekulation nicht beteiligen!«

Deutschlandradio Kultur/Länderreport vom 16. August 2007 (Stephanie Ley)

lage auf Seite 16). Erklärt euch anschließend das jeweils bearbeitete Thema und haltet die Ergebnisse auf einem Blatt fest.◗ Erstellt in Gruppenarbeit einen Umfragebogen zur Situa-tion der Integration in eurem Schulort. Führt diese Umfrage mit Passanten durch. Wertet die Umfrage aus und stellt sie graphisch dar.

◗ Erläutert die Ziele der Mediation (B 8). Nennt Bereiche aus eurem eigenen Umfeld, in denen eine Mediation sinnvoll wäre oder vielleicht sogar bereits existiert. ◗ Erläutert und bewertet das in B 9 dargestellte integra-tionspolitische Projekt.◗ Bildet Gruppen und teilt euch die Materialien B 4 – B 9 untereinander auf. Erarbeitet euch jeweils euer Thema und tragt die Ergebnisse in den entsprechenden Kasten ein (Vor-

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 8 – B 9

Hallschlag ist ein Stadtteil des Stuttgarter Stadtbezirks Bad Cann-statt, der als sozialer Brennpunkt gilt.

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B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B 10 Placemat: »Was kann deine Stadt tun, um die Integration voranzubringen?«

➜ Schritt 4 Dreht das Blatt im Uhrzeigersinn und lest die Vorschläge

der anderen.

➜ Schritt 5 Diskutiert und stimmt ab, welche vier Vorschläge in der

Mitte festgehalten werden sollen. Ihr habt fünf Minuten Zeit!

➜ Schritt 6 Der Älteste/die Älteste aus jeder Gruppe stellt die Ergeb-

nisse vor der Klasse vor.

➜ Schritt 1 Bildet in der Klasse Vierergruppen.

➜ Schritt 2 Legt das DIN-A 3-Blatt so hin, dass jeder in der Gruppe

ein persönliches Schreibfeld vor sich hat. Achtet bei den folgenden Schritten auf die Klingel.

➜ Schritt 3 Notiert eure Stichwörter in eurem Feld. Kein Sprechen,

kein Austausch! Ihr habt eine Minute Zeit! Die Frage: »Was kann deine Stadt tun, um die Integration voranzu-bringen?«

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B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B 11 »PASS Auf, lass Dich einbürgern!« – Die Einbürgerungskampagne der Stadt Stuttgart

Warum sollten Sie sich einbürgern lassen?

◗ Sie können mitbestimmen, wer in Deutschland regiert. Sie dürfen wählen und auch gewählt werden.

◗ Sie haben freien Zugang zu allen Berufen.◗ Sie genießen gleichberechtigten Schutz in allen Systemen der

sozialen Sicherung.◗ Sie genießen Reisefreiheit innerhalb der Europäischen Union.◗ Sie können leichter eine Arbeit in anderen Ländern der

Europäischen Union aufnehmen.◗ Sie genießen Reise- und Visumserleichterungen für viele außer-

europäische Staaten.◗ Sie benötigen keine Aufenthaltserlaubnis mehr und müssen

wegen der Passausstellung nicht zu ausländischen Konsulaten oder Botschaften.

Aus der Kampagnenbroschüre der Stadt Stuttgart »PASS Auf, lass Dich einbürgern!«

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B 12 Nachhaltige Integrationsarbeit – Einbürgerung

Wer in diesen Zeiten das Wort Nachhaltigkeit im Munde führt, gilt als modern. Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Martin Schairer kam bei einer Informationsveranstaltung (…) jedoch ohne dieses schicke Wörtchen aus. Obwohl es sich gut gemacht hätte. Denn bei der städtischen Kampagne »PASS Auf, lass Dich einbürgern!« hätte es den Kern getrof-fen. Was im Frühjahr 2009 begann, ist seitdem erfolgreich fortgeführt worden – und soll nun weiter belebt werden. Mit Nachhaltigkeit. »Die Kampagne ist ein zentraler Beitrag der städtischen Integrationsbemühungen und gehört zur Stuttgarter Willkommenskultur«, sagte Schairer.

Seit dem Start der Initiative, die mit 5.900 direkten An-schreiben der Stadt an Einbürgerungskandidaten unterstützt wurde, gab es eine gute Resonanz. Im Jahr 2009 wurden 1.208, vergangenes Jahr 1.388 Einbürgerungsurkunden aus-gestellt. Dazu kommen knapp 2.000 Zusicherungen. Doch Schairer will mehr. Die Zuwanderung und die Integration seien ein Motor der Stadtentwicklung, sagte er. »Wir wollen, dass sich jeder, der in dieser Stadt lebt, auch als echter Stuttgarter fühlt.« Mit allen Pfl ichten. Vor allem aber mit

allen Rechten. Genannt sei die Möglichkeit, alle Berufe ergreifen zu können. Oder aber an allen Wahlen teilnehmen zu können. Unabhängig von der derzeitigen Debatte, in der das Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Bürger diskutiert wird, erachtet Schairer dies als wichtig: »Damit wird das Gefühl der Mitverantwortung gestärkt.«

Gleichzeitig versuchte der Bürgermeister Schwellen, die gegen eine Einbürgerung sprechen, abzubauen. »Sie brau-chen keine Angst zu haben, dass Sie Ihre kulturellen Wurzeln verlieren«, rief er den rund 70 Zuhörern der Veranstaltung zu. »Unser Grundgesetz schließt so etwas aus.« Auch die Furcht vor dem Wissens- und Deutschtest versuchte Schairer auszuräumen. »Diesen Test bestehen 99 Prozent.«

Stuttgarter Nachrichten vom 12. April 2011 (Martin Haar)

◗ Beurteilt die Kampagne »PASS Auf, lass Dich einbür-gern!«

◗ Wen möchte die Stadt Stuttgart mit der Kampagne in B 11 und B 12 ansprechen? Überlegt euch mögliche Vorteile, die die Stadt Stuttgart davon hat, wenn sich Migranten einbür-gern lassen.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 11 UND B 12

Politik & Unterricht • 2-2011

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B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B 13 Kommunalwahlrecht – wer darf wählen?

B 14 Wahlberechtigt – ja oder nein?

B 15 Beteiligung von EU-Bürgerinnen und -Bürgern bei Kommunalwahlen

D e f i n i t i o n (nach § 12 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg)

Das aktive Wahlrecht ist das Recht, sich an der Wahl durch Stimmabgabe zu beteiligen. Bei der Kommunalwahl sind Sie als Deutscher im Sinne von Artikel 116 Abs. 1 des Grundge-setzes wahlberechtigt, wenn Sie am Wahltag◗ das 18. Lebensjahr vollendet haben,◗ seit mindestens drei Monaten Ihren Hauptwohnsitz in der

Gemeinde haben,◗ nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind und◗ im Wählerverzeichnis der Gemeinde geführt werden.

Als Unionsbürger sind Sie unter den gleichen Vorausset-zungen wahlberechtigt. Personen, die keine Staatsangehö-rigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union be-sitzen, sind bei der Wahl der Kommunalvertretung nicht wahlberechtigt.

www.service-bw.de/

KOMMUNALWAHLRECHT

Entscheidet, ob die fünf Personen in Baden-Württemberg bei der Kommunalwahl wählen dürfen oder nicht (rechtlicher Stand vom Mai 2011). Begründet.

Zacharias (35 Jahre alt) ist in Griechenland geboren. Er lebt und arbeitet seit fünf Jahren in Freiburg.

Malo (17 Jahre alt) ist in Frankreich geboren und lebt seit zwei Jahren mit seinen Eltern in Tübingen.

Ayla (18 Jahre alt) ist in Deutschland geboren und lebt seit zehn Jahren in Mannheim. Ihre Eltern sind vor vier-zig Jahren als türkische Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Ayla hat einen türkischen Pass.Luuk (40 Jahre alt) ist in Holland geboren und lebt seit

drei Jahren in Reutlingen.

Adam (25 Jahre alt) ist in Polen geboren und lebt seit zwei Monaten in Stuttgart.

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68%

24%

1999

18%

64%67%

22%

2001

56%

22%

2006

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50%

22%

2004

52%

18%

2009

54%

15% Deutsche

EU-Ausländer

Quelle : Deutsche Welle (www.dw-world.de)

Lösungen siehe Seite 16

Politik & Unterricht • 2-2011

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B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B 16 Migrantinnen und Migranten an die Wahlurnen – aber wie?

Nur 18 Prozent der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, die in Stuttgart leben, haben im Jahr 2004 ihr Recht genutzt, sich an der Kommunalwahl zu beteiligen. Mit einer Informati-onskampagne will der Gemeinderat diese Gruppe nun zum Wählen motivieren. Kerim Arpad versucht es auf den Punkt zu bringen, warum das Wählen wichtig ist. »Sich an den Kommunalwahlen zu beteiligen, heißt mitzubestimmen, was vor meiner Haustür passiert«, erklärt er (…).

Der Internationale Ausschuss des Gemeinderats, dem Kerim Arpad als sachkundiges Mitglied angehört, will bis zu den Kommunalwahlen (…) möglichst viele Stuttgarter Migranten vom Gebrauch ihres Wahlrechts überzeugen. »Wir sprechen vor allem die Migrantenvereine an, weil wir so die Multi-plikatoren der jeweiligen Einwanderergemeinde erreichen«, sagt die ebenfalls als Mitglied anwesende Anna Koktsidou. Arpad und Koktsidou werden in den nächsten Monaten in-teressierte Gruppen mit Hilfe einer Multimedia-Präsentation erklären, wie man seine Stimme abgeben kann. (…)

Von ihrem Recht, auf die Kommunalpolitik Einfl uss zu nehmen, machen aber die wenigsten Migranten Gebrauch. »Nur 18 Prozent der Unionsbürger haben bei den letzten Kommunalwahlen 2004 ihr Stimmrecht genutzt, im Vergleich zu 52,3 Prozent bei den deutschen Wählern«, erklärt Thomas Schwarz vom Statistischen Amt der Stadt Stuttgart. (…) Über die Gründe für die niedrige Wahlbeteiligung bei Mi-granten möchte er nicht spekulieren: »Es gibt bislang noch wenig Forschung zu dem Thema, wir können nur feststellen, dass es so ist.« Einige Erklärungsansätze liefern vielleicht

die Mitglieder vom Verein Ashanti Union of Ghana, die während des Vortrags von Kerim Arpad und Anna Koktsidou viele Fragen haben. Obwohl die meisten der insgesamt 67 Vereinsmitglieder bereits mehr als 20 Jahre in Deutschland leben und schon seit einigen Jahren die deutsche Staatsbür-gerschaft besitzen, bestehen zahlreiche Unklarheiten zum Thema Kommunalwahl. »Mir war gar nicht klar, dass ich wählen darf«, heißt es zum Beispiel aus dem Publikum. Auch die technische Durchführung einer Wahl löst bei einigen Vereinsmitgliedern zunächst Verwirrung aus. (…) »Man kann den Stimmzettel auch im Vorfeld zu Hause ausfüllen, und das ist gut so«, rät Anna Koktsidou ihren Zuhörern. (…)

Stuttgarter Zeitung vom 19. Januar 2009 (Silke Mülherr)

B 17 Kommunales Wahlrecht für Ausländer?

Das Pro

Die SPD möchte allen Ausländern mit ständigem Wohn-sitz in Deutschland das kommunale Wahlrecht ermög-lichen. Hierzu legten die Sozialdemokraten einen Ge-setzesentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vor. Alle in Deutschland wohnenden Ausländer sollen nach dem Willen der SPD-Fraktion das kommunale Wahlrecht erhal-ten können. Es sei dringend erforderlich, die Integration der Betroffenen »durch die dem demokratischen Prinzip entsprechende Einräumung des Kommunalwahlrechts zu fördern«, schreibt die Fraktion in einem Gesetzentwurf. (…) Den Ländern solle diese Möglichkeit auch eingeräumt werden, um die Ungleichbehandlung zwischen Bürgern der EU und den übrigen Ausländern zu beseitigen. (…) Nach dem SPD-Entwurf soll im Grundgesetz festgeschrie-ben werden, dass auch andere Ausländer mit ständigem Wohnsitz im Bundesgebiet bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden »nach Maßgabe des Landesrechts wahlberech-tigt und wählbar« sind.

www.migazin.de vom 23. März 2010

Das Contra

Politiker von CDU und CSU wiesen Forderungen der SPD nach einem kommunalen Wahlrecht für lange in Deutsch-land lebende Ausländer auch aus Nicht-EU-Staaten zurück. (…) Der CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger warnte im Gespräch mit der WELT, ein solches Wahlrecht »wäre das falsche Signal«. Durch eine solche Maßnahme »würden die politischen Einfl ussmöglichkeiten so stark zunehmen, dass für viele Ausländer der Anreiz wegfallen würde, sich wirklich zu integrieren und um die deutsche Staatsbürgerschaft zu bemühen«, so Binninger weiter. Ausländer bekämen »zumindest auf kommunaler Ebene die gleichen Rechte wie Deutsche und könnten ihre In-teressen durchsetzen, ohne selbst Schritte zur Eingliede-rung zu machen«. In der Konsequenz würde »die Integ-ration nicht befördert, sondern weiter erschwert«. (…)

www.welt.de vom 14. Juli 2007

Politik & Unterricht • 2-2011

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B • Integration in einer Großstadt – der »Stuttgarter Weg«

B 18 Mehr Integration durch mehr Wahlrecht?

Viele Migranten bleiben trotz guter Sprachkenntnisse, ge-sellschaftlichem Engagement und berufl ichem Erfolg von der politischen Teilhabe in Deutschland ausgeschlossen. Der Hauptgrund hierfür ist die Verknüpfung von Wahlrecht und Staatsbürgerschaft. Grundsätzlich dürfen sich nur deutsche Staatsbürger an Wahlen beteiligen. Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft bedeutet jedoch in der Regel die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft. Für viele Migranten der ersten Generation wäre das ein sehr hoher Preis. (…)

Blickt man auf andere Länder, in denen im Prinzip alle Mig-ranten auf kommunaler Ebene wählen dürfen, wie in den Niederlanden oder in Schweden, ist das Bild ähnlich. Wahl-berechtigte ohne Staatsbürgerschaft beteiligen sich auch dort unterdurchschnittlich häufi g an Wahlen. In Schweden ist die Wahlbeteiligung in den letzten 30 Jahren zudem rückläufi g. (…)

Zusammengefasst lässt sich sagen: Wenn Ausländer das Wahlrecht auf kommunaler Ebene besitzen, machen sie davon alles in allem deutlich seltener Gebrauch als Staats-bürger. Es ist nicht zu erwarten, dass die Einführung des kommunalen Wahlrechts für alle Migranten in Deutschland an diesen Beteiligungsmustern etwas ändern würde. Positiv wäre sicherlich, dass alle Migranten – man denke vor allem an die Türkischstämmigen – und nicht nur die EU-Bürger den deutschen Staatsbürgern in Gemeinden, Städten und Landkreisen politisch gleichgestellt wären.

Doch wäre dies auch positiv für die Integration insgesamt? Dahinter sollte ein Fragezeichen gesetzt werden. Studien aus den USA und verschiedenen europäischen Ländern zeigen, dass der Erwerb der Staatsbürgerschaft mit einem deutlichen Integrationsschub, auch mit Blick auf die politische Betei-ligung, einhergeht. Ein Wahlrecht für Nicht-Staatsbürger könnte die Staatsbürgerschaft dagegen weniger attraktiv machen, denn das Wahlrecht ist ein wertvoller Bestandteil der Staatsbürgerschaft.

Eine Alternative zur Ausweitung des Wahlrechts und seiner Trennung von der Staatsbürgerschaft ist die Förderung der Einbürgerung von Migranten, im Zweifel auch unter Hinnahme einer doppelten Staatsbürgerschaft. In jedem Fall sollte es das Ziel des Staates sein, langfristig keine Bürger erster und zweiter Klasse zu haben, sondern Migranten vollständig zu integrieren. Die grundsätzliche Einladung, Staatsbürger zu werden, ist hierzu ein möglicherweise besseres Mittel als die Gewährung weiterer Rechte für Nicht-Staatsbürger.

www.dw-world.de vom 29. März 2010 (Andreas Wüst)

◗ Führt eine Podiumsdiskussion durch zum Thema »Soll das Wahlrecht für Ausländer ausgeweitet werden?« Sammelt dazu Pro- und Contra-Argumente (B 17 und B 18).

◗ Analysiert die Grafi k (B 15) und fasst ihre Aussagen the-senartig zusammen.◗ Erläutert mögliche Ursachen für die geringe Wahlbeteili-gung von Migrantinnen und Migranten (B 15 und B 16).◗ Gestaltet ein Plakat, das bei Kommunalwahlen wahlbe-rechtigte Migrantinnen und Migranten (EU-Bürgerinnen und EU-Bürger) zur Stimmabgabe aufruft.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU B 15 – B 18

Eine junge Spanierin vor einem Wahlwerbeplakat der Stadt Frankfurt am Main. Mit der Kampagne sollen Bürgerinnen und Bürger aus anderen EU-Ländern, die auf kommunaler Ebene wahlberechtigt sind, zum Urnen-gang motiviert werden.

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Politik & Unterricht • 2-2011

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C • Migration und Integration – Themen der Zukunft

C • Migration und Integration – Themen der Zukunft Materialien C 1 – C 11

C 2 Demographische Entwicklung und Zuwanderung

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C 1 Fehleinschätzung

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Politik & Unterricht • 2-2011

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C • Migration und Integration – Themen der Zukunft

C 3 Zuwanderung und demographischer Wandel

Deutschland war in seiner Migrationsgeschichte abwechselnd Aus- oder Einwanderungsland, oft beides zugleich. Derzeit verschiebt sich das Gewicht wieder vom Einwanderungsland über relativ ausgeglichene Wanderungsbilanzen in Richtung Auswanderungsland – mit demographisch alternder und bald schrumpfender Bevölkerung.

Das ist problematisch, denn Deutschland ist, um sein Wohlstandsniveau zu erhalten, auf qualifi zierte und hoch-qualifi zierte Arbeitskräfte angewiesen. (…) Damit diese Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, ist zweierlei nötig: Qualifi kationsanstrengungen und größere Flexibilität bei Arbeitsengpässen am Arbeitsmarkt. Trotz hoher Arbeitslo-sigkeit brauchen wir dazu eine gezielte und begrenzte, ar-beitsmarktorientierte Zuwanderung.

Der Bedarf an Zuwanderung wird noch wachsen mit den demographischen Engpässen am Arbeitsmarkt. Nur die Zu-wanderungsüberschüsse und die zunächst hohen Gebur-tenzahlen der Einwandererbevölkerung haben uns bislang vor dem Durchschlagen der seit 1972 laufenden demogra-phischen Schrumpfung der inländischen Bevölkerung in ab-soluten Zahlen bewahrt. (…)

Der Geburtenvorsprung der Einwandererbevölkerung gegen-über der Mehrheitsbevölkerung nimmt ab – man sieht: Die Integration läuft jedenfalls demographisch auf Hochtouren; denn auch die Anpassung der Geburtenraten ist ein Indika-tor für fortschreitende Integration. Zuwanderung ist freilich, aller Milchmädchendemographie zum Trotz, kein Hilfsmittel gegen die absehbare und auf Jahrzehnte hinaus nicht mehr aufzufangende quantitative Schrumpfung und demogra-phische Alterung der Bevölkerung. Zuwanderung ist auch keine Zauberformel gegen die mit diesem demographischen Wandel verbundene relative Abnahme der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Das gilt auch dann, wenn sich die

Schrumpfung in absoluten Zahlen – wegen möglicherweise weiter zunehmender durchschnittlicher Lebenserwartung – auf der Zeitachse noch verschieben könnte.

Helfen kann Zuwanderung aber bei nicht aus eigener Kraft oder nicht zügig genug behebbaren Engpässen am Arbeits-markt. Und sie kann insgesamt dazu beitragen, die gravie-renden Folgen der Veränderungen in Bevölkerungsumfang und Altersstruktur für den Arbeitsmarkt und die Sozialsys-teme auf Zeit abzufedern. Auf diese Weise können noch Handlungsspielräume für die unabdingbar nötigen, konse-quenten Reformen gewonnen werden. (…)

Klaus J. Bade, in: Wirtschaft Osnabrück-Emsland Heft 7/2005, S. 76

Deutschland ist zugleich ein Einwande-rungsland und ein Auswanderungsland.

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Politik & Unterricht • 2-2011

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C • Migration und Integration – Themen der Zukunft

C 4 Gastarbeiter dringend gesucht

Die Assistenzärztin Marcela Cerbu aus Rumänien unter-hält sich im Sommer 2010 in der Klinik Löwenstein in Löwenstein (Landkreis Heilbronn) mit einer Patientin. Multikulti im Natur-Idyll: Die einsam gelegene Klinik in den Löwensteiner Bergen hat für deutsche Ärzte auf Job-suche wenig Anziehungskraft. Deshalb setzt sie verstärkt auf ausländische Ärzte.

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Seit ein paar Wochen erhält Andreas Röhm jede Menge An-fragen. Seine Personalberatung vermittelt seit Jahren Pfl e-gekräfte aus Osteuropa an deutsche Familien. Doch jetzt meldet sich eine ganz neue Kundschaft. »Es sind mittelstän-dische Unternehmer, die mich anrufen«, erzählt Röhm. »Sie suchen Hilfskräfte am Bau, Schweißer oder Fachkräfte fürs Hotel.« Die Firmen wollen, dass Röhm seine Beziehungen nach Osteuropa nutzt, um die Leute nach Deutschland zu locken.

Denn vom 1. Mai [2011] an stehen hier alle Türen offen für die Osteuropäer, deren Staaten 2004 der EU beigetreten sind. Polen, Tschechen, Slowaken, Slowenen, Ungarn und Balten können dann frei in Deutschland arbeiten – ohne dass das Arbeitsamt wie bisher umständlich prüfen muss, ob sich denn kein deutscher Arbeiter für die gleiche Aufgabe fi nden lässt.

Jetzt können die Osteuropäer also nach Deutschland kom-men – aber wollen sie das überhaupt? Nicht in großer Zahl,

sagen Ökonomen. »Der 1. Mai wird nicht der Startschuss zur Massenmigration sein,« sagt Christoph Schmidt, Leiter des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen und Wirtschaftsweiser. Er schätzt, dass jedes Jahr höchstens 100.000 Arbeitskräfte mehr aus Osteuropa ins Land kommen. Kein gewaltiger Sprung, wenn man bedenkt, dass derzeit rund 600.000 von ihnen schon im Land sind. »Das reicht nicht aus, um unseren Bedarf an Fachkräften zu decken«, sagt Schmidt. »Es ist nicht so, dass wir nur die Tore öffnen müssen, dann kommen die Spezialisten.« (…)

Wer hätte das gedacht. Jahrelang herrschte Angst, dass Polen und Tschechen unseren Arbeitsmarkt überfl uten und Deutschen die Jobs wegnehmen, sobald wir die Grenzen öffnen. Nun ist es anders: Die deutschen Unternehmen könnten gut ausgebildete Polen, Tschechen und Slowenen dringend brauchen; es fehlt an Personal. Doch gerade jetzt zeichnet sich ab, dass die jungen und kompetenten Osteuro-päer gar nicht so scharf auf Deutschland sind. Der wichtigste Grund dafür ist, dass viele Ärzte, Pfl eger, Ingenieure und Handwerker ihre Heimat längst verlassen haben – und zwar nach Großbritannien, Irland und Schweden. Diese Staaten haben ihre Grenzen schon 2004 geöffnet. (…)

Langsam dämmert es auch den Firmen hierzulande, dass das begehrte Fachpersonal nicht von allein zu ihnen strömen wird. Allüberall beginnen sie, sich selbst um die neuen Gastarbeiter zu kümmern. Zum Beispiel die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und die bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbände. Sie werben mit einem Inter-netportal um Fachkräfte aus Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei. (…) Ob das reicht, um tschechische Ingeni-eure nach Rosenheim zu locken? Es fehlt ein großes, bundes-weites Programm, um – wie einst in den sechziger Jahren –Gastarbeiter nach Deutschland zu locken.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 17. April 2011 (Melanie Amann und Lisa Nienhaus)

◗ Erläutert anhand des Textes C 3 den Zusammenhang zwi-schen der demographischen Entwicklung der deutschen Be-völkerung und der Zuwanderung nach Deutschland. Welche Pro- und Contra-Argumente nennt der Autor? Benennt wei-tere.◗ »Deutschland braucht die Öffnung der Grenzen für Arbeits-kräfte aus den osteuropäischen EU-Ländern nicht fürchten.« Benennt Argumente für und gegen diese Aussage (C 4).

◗ Wie spitzt der Karikaturist in C 1 die Debatte um eine verstärkte Zuwanderung zu?◗ Analysiert und bewertet die Grafi k in C 2. Beschreibt in eigenen Worten ihre zentralen Aussagen.◗ »Deutschland wird älter, weniger und bunter.« Bringt diese Aussage in Zusammenhang mit der Grafi k C 2.◗ Analysiert die Karikatur in C 1 erneut, nachdem ihr die Grafi k C 2 ausgewertet habt.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU C 1 – C 4

Politik & Unterricht • 2-2011

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C • Migration und Integration – Themen der Zukunft

C 5 Migranten sollen die Lücke füllen

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Von Deutschlands Schulen kommt künftig immer weniger Nachwuchs – zugleich entscheidet sich ein wachsender Teil für ein Studium. Das bringt die duale Ausbildung in die Zwickmühle: Schon 2009 gab es teilweise nicht genug qualifi zierte Bewerber am Lehrstellenmarkt, Tendenz massiv steigend. Es gibt nur einen Ausweg aus dem Dilemma: »Wir müssen das Reservoir der Migranten besser ausschöpfen«, sagt Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger, Son-dergesandter der Arbeitgeber und des BDI für Bildung.

Politik und Unternehmen haben das Thema lange vernachläs-sigt – die Migranten schneiden in den Schulen weit schlech-ter ab als ihre Kameraden. Jetzt drängt die Zeit: Schon 2015 fehlen nach einer Prognos-Studie fast drei Millionen Fach-kräfte auf allen Ebenen. Die Partner des Ausbildungspaktes wollen daher mehr Migranten für eine Facharbeiterlaufbahn gewinnen. »Der Meister der Zukunft ist Türke«, hat es Hand-werkspräsident Otto Kentzler auf den Punkt gebracht. Doch bisher ist das nur ein frommer Wunsch.

Das Potenzial ist riesig: Fast jeder fünfte Bewohner Deutsch-lands hat einen Migrationshintergrund, Tendenz steigend. Unter den Kindern bis zehn Jahre ist es sogar ein Drittel, in den Industrieregionen des Westens mehr als 40 Prozent. Bisher jedoch machen nur wenige Migrantenkinder eine Lehre. Das gilt zumindest für die Ausländer, die knapp die Hälfte der gut 15 Millionen Migranten stellen. Hier beträgt die Ausbildungsquote gerade mal ein knappes Viertel, bei den Deutschen sind es fast 60 Prozent. Zur gesamten Gruppe

der Migranten gibt es hier wie im gesamten Bildungsbereich keine Zahlen. Diese dürften jedoch besser ausfallen, da Migranten mit deutschem Pass meist besser integriert sind.

In Zeiten der Lehrstellenkrise, als die Unternehmen noch aus dem Vollen schöpfen konnten, fi elen viele Migranten wegen schlechterer Zeugnisse durch den Rost. Nach dem Mikrozen-sus haben 4,4 Prozent der Migranten zwischen 18 und 25 gar keinen Schulabschluss – unter Nichtmigranten nur 1,6 Prozent. Bei den Zuwanderern der zweiten Generation ist die Kluft zumindest geringer: Hier haben nur gut zwei Prozent keinen Abschluss.

Das Problem beginnt im Kindergarten, den Migranten seltener besuchen. Es folgt die noch immer mangelhafte Sprachför-derung in den Grundschulen. Danach trennen sich die Wege: Vor allem türkischstämmige Jugendliche und Aussiedler aus der Sowjetunion besuchen viel häufi ger als andere die noch vorhandenen Hauptschulen. Am Ende gelten viele Migranten als »nicht ausbildungsfähig«. (…)

Vorreiter bei der Integration von Migranten sind im Übrigen die freien Berufe: Sie weisen mit 7,7 Prozent die höchste Quote an ausländischen Azubis auf – vor allem bei Ärzten und Apothekern lernen viele Migrantinnen als Helferin.

Schwerer ist es im gewerblichen Bereich. Im Handwerk sind fünf Prozent der Azubis Ausländer, im Bereich der IHK sogar nur 3,9 Prozent. Das liegt auch daran, dass die klassische deutsche duale Berufsausbildung bei Migranten nicht so hoch im Kurs steht, weil sie ihren Wert nicht erkennen, heißt es bei beiden Verbänden. Deshalb »brauchen wir drin-gend eine Elternkampagne, denn wenn wir die Eltern nicht vom Wert einer Ausbildung überzeugen, nützt alles andere wenig«, sagt von Obernitz. (…)

Die Politik muss helfen, indem sie künftig die Berufsorien-tierung in den Schulen verbessert, heißt es beim Handwerk. Das stand eigentlich schon 2008 auf der Themenliste des 1. Bildungsgipfels. In diesem Sommer wird es beim 3. Gipfel erneut Thema sein. Studien haben gezeigt, dass es in den Betrieben durchaus noch Vorurteile gegen Migranten gibt. Obernitz vom DIHK konstatiert trocken: »Hier müssen wir noch mehr Einwanderungsland werden.«

Handelsblatt (www.handelsblatt.com) vom 17. Februar 2010 (Barbara Gillmann)

Politik & Unterricht • 2-2011

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C • Migration und Integration – Themen der Zukunft

C 6 Jung, qualifi ziert – und auf dem Sprung

Das moderne Istanbul lockt junge und hochqualifi zierte Menschen an – auch sogenannte Rückkehrer, die in Deutsch-land aufgewachsen sind, aber deren familiäre Wurzeln in der Türkei liegen.

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Alev, akademisch gebildet, türkisch geprägt, aber deutsch sozialisiert, ist nach dem neuen deutschen Sprachgebrauch eine Rückkehrerin. Ist sie das? Einen Moment schweigt die Vierzigjährige. Sie kam in Istanbul zur Welt und wuchs dort kurze Zeit auf, doch als sie vor sieben Jahren von Berlin an den Bosporus zog, um wieder in Lohn und Brot zu kommen, fand sie keinen der Kindheitsorte wieder: Das Viertel sah aus wie umgekrempelt, die Freunde von einst waren unauffi nd-bar. Also machte sich die Soziologin an den Neuanfang. Erst arbeitete sie in der Textilbranche als Kundenbetreuerin, nun ist sie bei einer Agentur. (…)

Seit einigen Jahren suchen deutschtürkische Akademiker ihr Glück in der alten Heimat der Familie. Die Architektin, die in Deutschland keine Arbeit fand; der Wirtschaftsanwalt, der an eine internationale Kanzlei andockte; der Geschäfts-führer, der endlich an die Spitze vorgedrungen ist, was ihm in den Unternehmen in Deutschland nicht gelingen wollte – man trifft sie in Istanbul oder dort, wo sich deut-sche Firmen niedergelassen haben, mehr als 4.000 sind es inzwischen. Handelsunternehmen wie Media Markt, Saturn und Metro, längst vertreten in der konsumhungrigen Türkei, beschäftigen auf ihrer Führungsebene vor Ort reihenweise Deutschtürken.

Die Türkei, das Auswanderungsland von einst, hat sich in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren in ein Transit- und Einwanderungsland verwandelt: Flüchtlinge aus dem Iran und dem Irak, Zuwanderer vom Balkan, illegale Arbeits-migranten aus der ehemaligen Sowjetunion haben sich nie-dergelassen. Auch die Wanderungsbewegung von Deutsch-land Richtung Türkei wächst. 2009 kamen rund 40.000 Per-sonen: Rentner, Studenten, Heiratsmigranten – und Hoch-qualifi zierte. (…) Nicht nur der Sachverständigenrat für Migration und Integration schätzt, dass unter denen, die Deutschland verlassen, mehr qualifi zierte Kräfte sind als unter den Kommenden. (…)

Stuttgarter Zeitung vom 16. August 2010 (Sibylle Thelen)

◗ Beschreibt und diskutiert die Motive, die junge und gut qualifi zierte türkischstämmige Menschen dazu bewegen, in die Türkei zurückzukehren (C 6).

◗ Erläutert die Ursachen des Fachkräftemangels in Deutsch-land, wie sie in den Texten C 4 und C 5 beschrieben werden. Welche Maßnahmen sollte die Politik eurer Meinung nach ergreifen?

ARBEITSAUFTRÄGE ZU C 5 UND C 6

Politik & Unterricht • 2-2011

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C • Migration und Integration – Themen der Zukunft

C 7 Anerkennungsgesetz – Meilenstein oder Mogelpackung?

Zwischen der ersten Ankündigung zur Koppelung des Auf-enthaltstitels an einen Deutschtest für Zuwanderer und dem Beschluss im Bundestag lagen keine zwei Wochen. Auf das Gesetz zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse muss-ten geschätzte 300.000 bis 500.000 Menschen rund zwei Jahre warten. Am Mittwoch war es dann aber so weit. Das Bundeskabinett hat den Gesetzesentwurf zum sogenannten Anerkennungsgesetz verabschiedet. Zuwanderern, die im Ausland einen Beruf erlernt haben, soll es damit leichter gemacht werden, in Deutschland eine ihrer Qualifi kation entsprechende Beschäftigung auszuüben.

»Das Gesetz ist ein überfälliges Zeichen, dass wir die Qua-lifi kationen anderer respektieren. Es wird zum Abbau von Hochnäsigkeit führen«, sagte Annette Schavan (CDU), Bun-desministerin für Bildung und Forschung. »Wir bieten Zu-wanderern die Chance, ihren erlernten Beruf auszuüben und damit die Existenzgrundlage für sich und ihre Familien zu sichern. Über die stärkere Integration in den Arbeitsmarkt leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zur Integration insgesamt.«

Mit dem Anerkennungsgesetz reagiert die Bundesregierung auch auf den Fachkräftemangel, der sich in vielen Bereichen abzeichnet oder schon eingetreten ist. »Wir stehen in einem weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe«, so Schavan. »Darum müssen wir das Potenzial all derer, die bei uns leben, optimal nutzen.« Wer aus dem Ausland mit seiner Qualifi -kation in Deutschland eine Arbeit anstrebt, kann mit der Neuregelung von dort aus überprüfen, ob sein Abschluss in Deutschland anerkannt wird. Dabei sollen die bereits jetzt für die Anerkennungsverfahren von EU-Bürgern und Spät-aussiedlern zuständigen Kammern und Behörden auch die Verfahren nach dem neuen Gesetz umsetzen.

Bisher haben Menschen, die mit berufl ichen Qualifi kationen nach Deutschland kommen, kaum die Möglichkeit gehabt, diese bewerten zu lassen. Das Gesetz soll nun Abhilfe schaf-fen: So soll es für rund 350 Berufe, für deren Regelung der Bund zuständig ist, künftig einen Rechtsanspruch auf Bewertung geben – nicht jedoch auf Anerkennung, wie es der Name des Gesetzes nahe legt. Zumindest soll die Staatsangehörigkeit der Antragsteller bei der Bewertung künftig keine Rolle mehr spielen. Bisher war die Zulassung zu bestimmten Berufen an die deutsche oder EU-Staatsan-gehörigkeit gebunden. Das Gesetz schafft diese Koppelung für bestimmte Berufe ab. So soll beispielsweise auch ein türkischer Arzt eine Approbation erhalten, sofern er die fachlichen Voraussetzungen erfüllt. Dies war bisher nicht möglich, selbst wenn er in Deutschland studiert hatte. Das Bildungsministerium verkündete: »In Zukunft wird nur noch die berufl iche Qualifi kation ausschlaggebend sein, die der Zuwanderer mitbringt.«

Und das gelte laut Klaus Brähmig (CDU) »insbesondere« für »Spätaussiedler in Deutschland«. Denn unter denen seien »überdurchschnittlich viele höher Qualifi zierte und

Akademiker«. Die CDU/CSU begrüße, dass mit dem Gesetz die »Verantwortung für Deutsche aus Mittelosteuropa und dem GUS-Raum« wahrgenommen werde. Die Bundesregie-rung greife »ein zentrales Anliegen der Spätaussiedler auf« und unterstreiche damit die »Wertschätzung gegenüber zu-gewanderten Fachkräften sowie dieser wichtigen Bevölke-rungsgruppe«.

Im Kern sieht der Gesetzesentwurf lediglich vor, dass die Entscheidung, ob ein Abschluss anerkannt werden kann, innerhalb von drei Monaten nach Vorlage aller erforderlichen Unterlagen erfolgen muss. Wird im Verfahren keine Gleich-wertigkeit der Auslandsqualifi kationen festgestellt, werden die vorhandenen sowie die fehlenden Berufsqualifi kationen im Verhältnis zur deutschen Referenzausbildung dokumen-tiert. Diese Informationen sollen dem Zuwanderer die Mög-lichkeit eröffnen, sich entsprechend weiter zu qualifi zieren. Anhand einer bundesweit einheitlichen Telefon-Hotline sollen sich Antragsteller informieren können.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), bezeichnet den Kabinettsbeschluss als »einen Meilenstein für die Integration«. Die Botschaft an die zugewanderten Akademiker und Fachkräfte laute: »Ihr seid in Deutschland willkommen.« Die Ankündigung Scha-vans, eine zentrale Auskunftsstelle für Migranten einzurich-ten, stehe außerdem »für eine neue Willkommenskultur in unserem Land.«

Und an diesem Punkt setzt die Kritik der SPD am Gesetz an. Eine zentrale Anlaufstelle sieht das Gesetz nicht vor. So werde das »Wirrwarr« im »Dschungel an Zuständigkeiten« bleiben. Hinzu komme: »Eine Koordination mit den Ländern hinsicht-lich der landesrechtlich geregelten Berufsausbildungen fehlt völlig. Es ist nicht gewährleistet, dass die Verfahrensstan-dards und Entscheidungskriterien bundeseinheitlich umge-setzt werden. Anerkennung darf jedoch kein Glücksspiel abhängig vom Wohnort werden. Das, was das Kabinett hier beschlossen hat, ist nichts Halbes und nichts Ganzes«, so die SPD-Politiker Daniela Kolbe und Swen Schulz.

Die Grünen ergänzen: »Offenbar soll im Gesetzentwurf auch nicht explizit ausgeschlossen werden, dass die Länder von den geregelten Verwaltungsverfahren abweichen dürfen. Das kann zu unterschiedlichen Verfahrensstandards führen und unter Umständen die bundesweite Gültigkeit der Anerken-nungsergebnisse ins Trudeln bringen.« Daher halten auch die Grünen-Politiker Krista Sager und Memet Kilic das Gesetz nicht für einen »großen Wurf«. Gemessen an dem Ziel des Gesetzes sei das zu wenig. (…)

Migazin – Migration in Germany vom 24. März 2011 (Ekrem Senol)5

Politik & Unterricht • 2-2011

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C • Migration und Integration – Themen der Zukunft

C 8 Firmen werben gezielt um Migranten

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In dem Kölner Büro der Agentur Die PR-Berater klingelt das Telefon. Eine Mitarbeiterin hebt ab: »Die PR-Berater, Gonca Mucuk-Edis am Apparat«, sagt sie. Als sie am anderen Ende die Stimme des Gesprächspartners hört, wechselt sie in eine andere Sprache. »Merhaba, nasilsin?«, erkundigt sie sich wie selbstverständlich auf Türkisch nach dem Befi nden des Kunden.

Gonca Mucuk-Edis ist Beraterin. Sie ist Deutsche, ihre Eltern aber stammen aus der Türkei. Für Mucuk-Edis ist es daher normal, zwischen den Sprachen und Kulturen hin- und her-zuwechseln – auch am Telefon. »Meiner Herkunft habe ich meinen Job zu verdanken«, sagt sie. Damit ist sie nicht allein: Zehn ihrer 19 Kollegen haben ausländische Wurzeln –neben türkischen auch indische, japanische, koreanische, kasachische, niederländische, portugiesische, kroatische oder griechische. »Diese Vielfalt ist es, von der wir leben«, sagt Agenturchef Thomas Müller. Denn seine Kunden kommen aus der ganzen Welt.

Das Beispiel der PR-Berater wirkt außergewöhnlich – ist es aber nicht. Neben der Kölner Agentur setzen viele weitere Firmen in Deutschland auf multikulturelles Personal. »Beim

Mittelstand bis hin zu den großen Konzernen ist das Thema auf der Agenda angekommen«, sagt Hans Jablonski. Der Globalisierung sei Dank.

Der Unternehmensberater weiß, wovon er spricht. Er hat jahrelang bei Ford in Köln den Bereich »Diversity Manage-ment« geleitet. Zu seinen Aufgaben in dem US-Autokonzern gehörte es dabei auch, auf eine ausgewogene Mischung der Kulturen zu achten – und sie für die tägliche Arbeit zu nutzen. Für einen weltweit agierenden Konzern ist das ein Muss. Aber auch andere Unternehmen könnten es sich heute nicht mehr leisten, auf Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln zu verzichten, sagt Jablonski.

Starke Zahlen stützen seine These – wenn auch aus anderen Gründen: Bereits heute haben laut Heinrich-Böll-Stiftung in vielen Großstädten 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung aus-ländische Wurzeln. 2030 dürften es bis zu 50 Prozent sein, bei jungen Menschen gar bis zu 60 Prozent. Hinzu kommt der gravierende Fachkräftemangel, der sich in zahlreichen Sparten bereits jetzt bemerkbar macht. Angesichts des de-mographischen Wandels dürfte die Not der Firmen noch stark zunehmen. (…)

SPIEGEL ONLINE (www.spiegel.de) vom 7. September 2010 (Jan Willmroth und Yasmin El-Sharif)

◗ Stellt euch vor, ihr müsstet einen Gegner des Konzepts von der Stärke des »Diversity Management« überzeugen. Sammelt dazu Argumente und fertigt eine Präsentation dazu an.◗ Überlegt weitere Bereiche in Politik, Wirtschaft, Gesell-schaft und Kultur, wo ein gelungenes »Diversity Manage-ment« Vorteile bringen kann.

◗ Recherchiert zu den Regelungen des Anerkennungs-gesetzes (C 7). Worin liegen die wesentlichen Neuerungen des Gesetzes?◗ Stellt die Argumente der Befürworter und Kritiker des Gesetzes einander gegenüber. Kommt dann zu einer eigenen Bewertung des Gesetzes. ◗ Erläutert, was sich Unternehmen (C 8) von einem fi rmen-internen Diversity Management versprechen?◗ Erstellt ein Plakat zur Erklärung des Begriffs »Diversity Management«.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU C 7 UND C 8

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C • Migration und Integration – Themen der Zukunft

C 9 Willkommenskultur

Es ist schon verwunderlich, wie zum Teil in der aktuellen Debatte über Integration argumentiert wird. Nicht, dass es keine Probleme in diesem Bereich gäbe; doch die Debatten-beiträge zeichnen zum Teil ein Bild von Deutschland, das so mit der Realität nicht übereinstimmt. Folgt man den Äuße-rungen, könnte man meinen, Scharen von Menschen stünden an den Grenzen Deutschlands Schlange. Dies ist mitnichten der Fall! Unser Land ist immer mehr auch ein Auswande-rungsland. (…) Insbesondere die gut qualifi zierten Migran-tinnen und Migranten (aber natürlich auch Fachkräfte ohne Migrationshintergrund) verlassen das Land. Warum verlieren wir diese Köpfe?

Auf der einen Seite brauchen wir Fachkräfte, auf der anderen Seite nutzen wir das bereits vorhandene Potenzial nur sehr eingeschränkt. Auf der einen Seite diskutieren wir über eine geregelte Zuwanderung, auf der anderen Seite fehlt es uns aber an einer Willkommenskultur, die unser Land als Einwan-derungsland erst attraktiv machen würde für eben diejenigen Einwanderer, die wir so dringend benötigen. Wenn deutsch-türkische oder deutsch-polnische Akademiker, nachdem sie hier geboren und aufgewachsen sind, unserem Land den Rücken kehren, weil sie sich hier nicht akzeptiert fühlen, dann machen wir offensichtlich etwas falsch.

Max Frisch prägte in Bezug auf die sogenannten Gastarbeiter einst den Satz »Wir haben Arbeitskräfte gerufen und es sind Menschen gekommen«. Eine Willkommenskultur zu haben bedeutet, zu berücksichtigen, dass Menschen nicht nur zum Arbeiten in ein Land kommen, sondern dass sie dort auch leben, sich heimisch und wohlfühlen möchten. Zu einer Will-kommenskultur gehört meiner Meinung nach aber ebenso, dass eine Einwanderungspolitik einer modernen Ausbeutung nicht Tür und Tor öffnet und dass sie die humanitären Werte

nicht gänzlich aufgibt. Denn wer Menschen nur nach Kultur-kreisen und Leistungsmerkmalen bewertet, der verliert die Chance auf eine Gesellschaft, die Stärken aus ihrer Vielfalt zieht. Deutschland ist und bleibt eine multikulturelle Gesell-schaft – warum das nicht als Stärke begreifen?

Kenan Kücük, 28. Dezember 2010 (Leserbrief auf www.theeuropean.de)

Kenan Kücük leitet das Zentrum Multikulturelles Forum e. V. in Lünen (www.multikulti-forum.de)

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C 10 »Willkommene Fachkräfte«

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C • Migration und Integration – Themen der Zukunft

C 11 Integrationspreis: Muslimische Kicker stürmen auf Platz 1

Die Preisträger des Integrationspreises 2010 mit dem damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (Mitte). Ausgezeichnet wurden vorbildliche Integrations-projekte von und mit Muslimen.

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dpa

Lobende Worte für Muslime in Deutschland, glückliche Preis-träger, ein kurzer Plausch des Innenministers mit einer jungen Kopftuchträgerin: Die Verleihung des vom Bundesin-nenministerium ausgelobten Integrationspreises in Berlin lieferte die schönen Gegenbilder zu der scharfen Debatte um Zuwanderer in den vergangenen Wochen.

Die Jury (…) hatte aus den mehr als 180 eingereichten Pro-jekten insgesamt sechs ausgewählt. Speziellen Wert legten die Juroren darauf, dass sich die Projekte für jugendliche Muslime und Frauen einsetzen. Es gehe darum zu zeigen, dass muslimische Frauen die Möglichkeiten unserer Gesell-schaft nutzten und selbstbewusst auftreten könnten.

Tatsächlich zeigen alle prämierten Projekte, wie verblüffend einfach es sein kann, Impulse für das Zusammenleben der Religionen und Kulturen zu setzen. Den ersten Preis und 5.000 Euro erhielt ein Projekt aus Bonn Godesberg – dort werden in dem Sportverein »AlHilal« Jugendfußballtrainer ausgebildet, die vorwiegend aus muslimischen Ländern kommen – darunter sind viele junge Frauen. Die Sprache auf dem Platz ist Deutsch. Juror Badr Mohammed sagte zur Laudatio: »Integration funktioniert über Bewegung, Grup-penerlebnisse und Vorbilder.«

Der zweite Preis mit je 3.000 Euro ging an zwei Projekte: Die Online-Plattform www.muslimische-stimmen.de, auf der sich Muslime und Nicht-Muslime austauschen können über Religion, Kultur, Alltägliches. Mit dem Internetprojekt würde der Grundgedanke gestärkt, dass man nicht nur über Mus-lime reden solle, sondern mit Muslimen. Außerdem wird all denen eine Stimme gegeben, die sich nicht auf vorgefestigte Muster einlassen wollten, so die Jury.

Einen anderen Ansatz verfolgt ein Polizei-Projekt aus Berlin, das die Jury ebenfalls auf den zweiten Platz wählte: Polizistinnen gehen mit muslimischen Frauen, die sonst vollkommen abgeschottet in ihrer Community leben, auf Stadterkundungstour, besichtigen das Rote Rathaus und das Nikolaiviertel. »Durch das Projekt gewinnen Polizisten das Vertrauen von Muslimen«, so ein Juror. Das Projekt steigere außerdem bei Musliminnen in Berlin die Identifi kation mit der Stadt. Die Polizistin, die das Projekt zusammen mit einer Kollegin leitet, sagte bei der Preisverleihung, nach den Stadttouren würden sich die muslimischen Frauen beim gemeinsamen Kaffeetrinken öffnen, man würde von Frau zu Frau miteinander sprechen.

Noch andere Projekte und Ideen wurden ausgezeichnet: Ein Frauengesprächskreis aus Reutlingen, ein Theaterpro-jekt und die Idee für Bildungspatenschaften, die Studenten für muslimische Schüler übernehmen sollen. Deren Eltern hätten oft nicht die Möglichkeiten und die Fähigkeiten, ihre Kinder angemessen zu unterstützen, erklärte die Jury.

Dass es bei Integration auch oft um problematische Ausei-nandersetzungen gehe, erklärte Innenminister Thomas de Maizière bei der Verleihung der Auszeichnung. »Integration kann auch schwierig sein«, sagte der CDU-Politiker. »Kon-fl ikte haben eine integrative Wirkung, wenn sie gemeinsam durchgestanden werden.«

SPIEGEL ONLINE (www.spiegel.de) vom 12. November 2010 (Anna Reimann)

◗ Bildet Gruppen in der Klasse und recherchiert zu den ein-zelnen Projekten, die 2010 mit dem Integrationspreis des Bundesinnenministeriums (C 11) ausgezeichnet wurden. Präsentiert die Projekte in der Klasse.

◗ Verfasst in eigenen Worten eine Defi nition des Begriffs »Willkommenskultur« (C 9). Benennt weitere Elemente des Konzepts.◗ Wie »verpackt« der Karikaturist in C 10 das Thema »Will-kommenskultur«? Diskutiert in diesem Zusammenhang die Auswirkungen von Fremdenfeindlichkeit auf Deutschland als Wirtschaftsstandort und Zuwanderungsland.

ARBEITSAUFTRÄGE ZU C 9 – C 11

Politik & Unterricht • 2-2011

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Staffl enbergstraße 38, 70184 Stuttgart Telefon 0711/164099-0, Service -66, Fax [email protected], www.lpb-bw.de

Direktor: Lothar Frick -60Büro des Direktors: Sabina Wilhelm/Thomas Schinkel -62Stellvertretender Direktor: Karl-Ulrich Templ -40

Stabsstelle Kommunikation und MarketingLeiter: Werner Fichter -63Susanne Krieg -64

Abteilung Zentraler ServiceAbteilungsleiter: Günter Georgi -10Haushalt und Organisation: Gudrun Gebauer -12Personal: Sabrina Gogel -13Information und Kommunikation: Wolfgang Herterich -14Siegfried Kloske, Haus auf der Alb, Tel.: 07125/152-137

Abteilung Demokratisches EngagementAbteilungsleiter/Gedenkstättenarbeit*: Sybille Thelen -30Politische Landeskunde*: Dr. Iris Häuser -20Schülerwettbewerb des Landtags*: Monika Greiner -25Thomas Schinkel -26Frauen und Politik: Beate Dörr/Sabine Keitel -29/-32Jugend und Politik: Angelika Barth -22Freiwilliges Ökologisches Jahr*: Steffen Vogel -35Alexander Werwein/Charlotte Becher -36/-34Stefan Paller -37

Abteilung Medien und MethodenAbteilungsleiter/Neue Medien: Karl-Ulrich Templ -40Politik & Unterricht/Schriften zur politischen Landes-kunde Baden-Württembergs: Dr. Reinhold Weber -42Deutschland & Europa: Jürgen Kalb -43Der Bürger im Staat/Didaktische Reihe: Siegfried Frech -44Unterrichtsmedien: Michael Lebisch -47E-Learning: Susanne Meir -46Politische Bildung Online: Jeanette Reusch-Mlynárik,Haus auf der Alb Tel.: 07125/152-136Internet-Redaktion: Klaudia Saupe/Julia Maier -49/-46

Abteilung Haus auf der Alb Tagungszentrum Haus auf der Alb,Hanner Steige 1, 72574 Bad UrachTelefon 07125/152-0, Fax -100www.hausaufderalb.de

Abteilungsleiter/Gesellschaft und Politik: Dr. Markus Hug -146Schule und Bildung/Integration und Migration: Robert Feil -139Internationale Politik und Friedenssicherung/Integration und Migration: Wolfgang Hesse -140Europa – Einheit und Vielfalt: Dr. Karlheinz Dürr -147 Bibliothek/Mediothek: Gordana Schumann -121Hausmanagement: Nina Deiß -109

AußenstellenRegionale ArbeitPolitische Tage für Schülerinnen und SchülerVeranstaltungen für den Schulbereich

Außenstelle FreiburgBertoldstraße 55, 79098 FreiburgTelefon: 0761/20773-0, Fax -99Leiter: Dr. Michael Wehner -77Felix Steinbrenner -33

Außenstelle Heidelberg Plöck 22, 69117 HeidelbergTelefon: 06221/6078-0, Fax -22Leiter: Wolfgang Berger -14Dr. Alexander Ruser -13

Außenstelle TübingenHaus auf der Alb, Hanner Steige 1, 72574 Bad UrachTelefon: 07125/152-133, -148; Fax -145 Klaus Deyle -134

Projekt ExtremismuspräventionStuttgart, Staffl enbergstr. 38Leiterin: Regina Bossert -81Assistenz: Lydia Kissel -82

* Paulinenstraße 44–46, 70178 Stuttgart Telefon: 0711/164099-0, Fax -55

LpB-Shops/Publikationsausgaben

Bad Urach Hanner Steige 1, Telefon 07125/152-0 Montag bis Freitag 8.00–12.00 Uhr und 13.00–16.30 Uhr

Freiburg Bertoldstraße 55, Telefon 0761/20773-10 Dienstag und Donnerstag 9.00–17.00 Uhr

Heidelberg Plöck 22, Telefon 06221/6078-11 Dienstag, 9.00–15.00 Uhr Mittwoch und Donnerstag 13.00–17.00 Uhr

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