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138 Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 15 (1992): Rezensionen AnschiieBend fdt Trommer in Kapitei9 seine Er- gebnisse nochmals in einer ,,Ubersicht iiber das Unter- suchungsergebnis: okoiogisch bedeutsamer Denk- stielwandel in Konzepten naturbezogener, deutscher Bildung" zusammen (S. 259-275). Ein umfangreiches Literaturverzeichnis (S. 276-318) und ein Namen- und Sachverzeichnis (S. 319-328) runden die umfas- sende Darstellung ab. Trommer hat sich unter dem Biickwinkel der unterschiedlichen Naturauffassun- gen um eine erneute Aufarbeitung der Geschichte des Biologieunterrichts bemiiht, wobei er sich auch nicht scheut, akruelle Bezuge und Anregungen zur Verbes- serung der Biologiedidaktik in die Darstellung rnitein- zubeziehen. Mehrmals weist er darauf hin, wie wich- rig fur Biologen und Biologiedidaktiker eine Ausein- andersetzung mit der Geschichte ihres Faches sei, ins- besondere auch die Aufarbeitung des dunkien Kapi- tels der NS-Zeit. Dem kann man nur zustimmen, und Trommer selbst leistet in seiner Monographie einen wichtigen Beitrag zu diesem Bereich. Sein Buch ist so- wohl fur Wissenschaftshistoriker als auch fur Biolo- gen und Biologiedidaktiker zur Lektiire wirmstens zu empfehlen. Anne Baumer-Schleinkofer, Mainz Detlef Haberland: Von Lemgo nach Japan. Das ungewohnliche Leben des Engelbert Kaempfer. 1651- 1716. Bielefeld: Westfalen-Verlag 1990. 224 Seiten, zahlr. Abb. DM 64. Engelbert Kaempfer, dessen Berichte iiber Persien und insbesondere uber Japan zur klassischen Reiseli- teratur zahlen und der auch in der Medizin- und Wis- senschaftsgeschichte einen festen Platz einnimmt, stand 1990 wegen zweier interdiszipiinarer Sympo- sien (in Lemgo und in Tokyo) sowie einer Wander- ausstellung in Japan im Blickpunkt der Fachoffent- lichkeit. Rechtzeitig zu diesen Ereignissen erschien der vorliegende Band. Ziel des Autors war es, die in- zwischen vergriffene Biographie von K. Meier- Lemgo (Engelbert Kaempfer, der erste Deutsche FOP schungsreisende, 1651-1716. Stuttgart 1937; 2. Auf- lage unter dem Titel: Engelbert Kaempfer erforscht da5 seltsame Asien. Hamburg 1960) unter Beriicksichti- gung neuerer Forschungen zu ersetzen. Die erste Haifte des Buches befafit sich mit Kaemp- fers Lebenslauf, seinem zehnjahrigen Reiseweg durch RuBland und Asien und der Rezeption seiner For- schungen, die iibrigens bis heute anhalt, weil viele seiner Aufzeichnungen noch unveroffentlicht sind. Dieser Teil besticht durch eine ansprechende Auf- machung, einen flussigen Text, zu dem der Umfang der Anrnerkungen in einem verniinftigen Verhaitnis steht, und durch zahireiche grodformatige Abbil- dungen. Lucken und Ungereimtheiten in Kaempfers Le- benslauf haben seinen Biographien seit jeher Raum zu Spekulationen gegeben. Auch Haberiand hair sich da nicht zuriick: So kann seine These, dad bereits die Wahi der Studienorte - Kaempfers teils bedeutende naturgeschichtliche und medizinische Lehrer nennt er iibrigens nicht - der Qualifikation fiir spatere Forschungsreisen gedient haben sol1 (S. 23), nicht iiberzeugen. Einige Ausfiihrungen sind falsch: Dai3 Kaempfers zur Verbreitung japanischer Heilmetho- den im Abendiand beigetragen habe (S. 66), ist nicht belegt und widerspricht dem allgemeinen For- schungsstand. DaB sich Kaempfers Zeitgenossen mit ,,fremdartigen Heil- und Behandiungsmethoden" schwergetan hatten (S. 70), trifft zurnindest fur Nie- derlandisch-Indien nicht zu. Midverstandlich ist die Behauptung, Kaempfer habe sich nach seiner Heirn- kehr als ,,Landarzt" niedergeiassen (S. 85) - der pro- movierte Mediziner war Besitzer eines Landgutes und betrieb die medizinische Praxis eher als Hobby. Die Charakterisierung von Fransois Caron und An- dreas Cleyer ais ,,schiliernde Aufsteiger" (S. 87) wird diesen Personen nicht gerecht. Kaempfer war nicht zuletzt Botaniker und ein her- vorragender Pflanzenzeichner. Haberiand hat unter anderem zwei persische Pflanzen abgebildet (S. 36), die er jedoch falsch (,,Gentenart") bzw. nicht identi- fiziert hat. Der Kampferbaum mit japanischen Schriftzeichen (S. 72) ist seitenverkehrt wiederge- geben. Die zweite Halfte des Buches bringt Texte aus Kaempfers Werken, genauer: aus funf verschiedenen Werkausgaben, die iibrigens alle lieferbar sind. Ent- sprechend den Vorlagen fallt die Kommentierung recht unterschiedlich aus. So ist der 32seitige Text uber Siam und Japan der Ausgabe von 1777/79 (!) entnommen; hier waren zeitgernade Erfauterungen und Korrekturen sehr willkommen gewesen. Trotz der angesprochenen Mange1 bietet das Buch eine gute Grundlage zur Beschaftigung rnit Kaemp- fers vieifaltigem Werk. Es spricht allerdings weniger den Medizin- und Wissenschaftshistoriker an als den Reisehistoriker. Wolfgang Caesar, Stuttgart 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim 1992 0170-6233/92/0207-0138 $03.50+.25/0

Detlef Haberland: Von Lemgo nach Japan. Das ungewöhnliche Leben des Engelbert Kaempfer. 1651–1716. Bielefeld: Westfalen-Verlag 1990. 224 Seiten, zahlr. Abb. DM 64

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Page 1: Detlef Haberland: Von Lemgo nach Japan. Das ungewöhnliche Leben des Engelbert Kaempfer. 1651–1716. Bielefeld: Westfalen-Verlag 1990. 224 Seiten, zahlr. Abb. DM 64

138 Berichte z u r Wissenschaftsgeschichte 15 (1992): Rezensionen

AnschiieBend f d t Trommer in Kapitei9 seine Er- gebnisse nochmals in einer ,,Ubersicht iiber das Unter- suchungsergebnis: okoiogisch bedeutsamer Denk- stielwandel in Konzepten naturbezogener, deutscher Bildung" zusammen (S. 259-275). Ein umfangreiches Literaturverzeichnis (S. 276-318) und ein Namen- und Sachverzeichnis (S. 319-328) runden die umfas- sende Darstellung ab. Trommer hat sich unter dem Biickwinkel der unterschiedlichen Naturauffassun- gen um eine erneute Aufarbeitung der Geschichte des Biologieunterrichts bemiiht, wobei er sich auch nicht scheut, akruelle Bezuge und Anregungen zur Verbes-

serung der Biologiedidaktik in die Darstellung rnitein- zubeziehen. Mehrmals weist er darauf hin, wie wich- rig fur Biologen und Biologiedidaktiker eine Ausein- andersetzung mit der Geschichte ihres Faches sei, ins- besondere auch die Aufarbeitung des dunkien Kapi- tels der NS-Zeit. Dem kann man nur zustimmen, und Trommer selbst leistet in seiner Monographie einen wichtigen Beitrag zu diesem Bereich. Sein Buch ist so- wohl fur Wissenschaftshistoriker als auch fur Biolo- gen und Biologiedidaktiker zur Lektiire wirmstens zu empfehlen.

Anne Baumer-Schleinkofer, Mainz

Detlef Haberland: Von Lemgo nach Japan. Das ungewohnliche Leben des Engelbert Kaempfer. 1651- 1716. Bielefeld: Westfalen-Verlag 1990. 224 Seiten, zahlr. Abb. DM 64.

Engelbert Kaempfer, dessen Berichte iiber Persien und insbesondere uber Japan zur klassischen Reiseli- teratur zahlen und der auch in der Medizin- und Wis- senschaftsgeschichte einen festen Platz einnimmt, stand 1990 wegen zweier interdiszipiinarer Sympo- sien (in Lemgo und in Tokyo) sowie einer Wander- ausstellung in Japan im Blickpunkt der Fachoffent- lichkeit. Rechtzeitig zu diesen Ereignissen erschien der vorliegende Band. Ziel des Autors war es, die in- zwischen vergriffene Biographie von K. Meier- Lemgo (Engelbert Kaempfer, der erste Deutsche FOP schungsreisende, 1651-1716. Stuttgart 1937; 2. Auf- lage unter dem Titel: Engelbert Kaempfer erforscht da5 seltsame Asien. Hamburg 1960) unter Beriicksichti- gung neuerer Forschungen zu ersetzen.

Die erste Haifte des Buches befafit sich mit Kaemp- fers Lebenslauf, seinem zehnjahrigen Reiseweg durch RuBland und Asien und der Rezeption seiner For- schungen, die iibrigens bis heute anhalt, weil viele seiner Aufzeichnungen noch unveroffentlicht sind. Dieser Teil besticht durch eine ansprechende Auf- machung, einen flussigen Text, zu dem der Umfang der Anrnerkungen in einem verniinftigen Verhaitnis steht, und durch zahireiche grodformatige Abbil- dungen.

Lucken und Ungereimtheiten in Kaempfers Le- benslauf haben seinen Biographien seit jeher Raum zu Spekulationen gegeben. Auch Haberiand hair sich da nicht zuriick: So kann seine These, dad bereits die Wahi der Studienorte - Kaempfers teils bedeutende naturgeschichtliche und medizinische Lehrer nennt er iibrigens nicht - der Qualifikation fiir spatere Forschungsreisen gedient haben sol1 (S. 23), nicht iiberzeugen. Einige Ausfiihrungen sind falsch: Dai3 Kaempfers zur Verbreitung japanischer Heilmetho-

den im Abendiand beigetragen habe (S. 66), ist nicht belegt und widerspricht dem allgemeinen For- schungsstand. DaB sich Kaempfers Zeitgenossen mit ,,fremdartigen Heil- und Behandiungsmethoden" schwergetan hatten (S. 70), trifft zurnindest fur Nie- derlandisch-Indien nicht zu. Midverstandlich ist die Behauptung, Kaempfer habe sich nach seiner Heirn- kehr als ,,Landarzt" niedergeiassen (S. 85) - der pro- movierte Mediziner war Besitzer eines Landgutes und betrieb die medizinische Praxis eher als Hobby. Die Charakterisierung von Fransois Caron und An- dreas Cleyer ais ,,schiliernde Aufsteiger" (S. 87) wird diesen Personen nicht gerecht.

Kaempfer war nicht zuletzt Botaniker und ein her- vorragender Pflanzenzeichner. Haberiand hat unter anderem zwei persische Pflanzen abgebildet (S. 36), die er jedoch falsch (,,Gentenart") bzw. nicht identi- fiziert hat. Der Kampferbaum mit japanischen Schriftzeichen (S. 72) ist seitenverkehrt wiederge- geben.

Die zweite Halfte des Buches bringt Texte aus Kaempfers Werken, genauer: aus funf verschiedenen Werkausgaben, die iibrigens alle lieferbar sind. Ent- sprechend den Vorlagen fallt die Kommentierung recht unterschiedlich aus. So ist der 32seitige Text uber Siam und Japan der Ausgabe von 1777/79 (!) entnommen; hier waren zeitgernade Erfauterungen und Korrekturen sehr willkommen gewesen.

Trotz der angesprochenen Mange1 bietet das Buch eine gute Grundlage zur Beschaftigung rnit Kaemp- fers vieifaltigem Werk. Es spricht allerdings weniger den Medizin- und Wissenschaftshistoriker an als den Reisehistoriker.

Wolfgang Caesar, Stuttgart

0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim 1992 0170-6233/92/0207-0138 $03.50+.25/0