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en Gürtel noch enger schnallen! fordert der deutsche Finanzminister Schäuble von der griechischen Bevölkerung. Mehrwertsteuer hoch, Renten runter, „Notfallplan“ für den Haushalt, Rettung „der Wirtschaft“. Unter der Herrschaft der Troika – jetzt der Quadriga haben von den knapp elf Millionen BewohnerInnen Griechenlands 7,3 Millionen kein eigenes Erwerbseinkommen mehr. Nicht mehr die griechische Regierung und schon gar nicht die griechische Bevölkerung entscheidet über den politischen und wirtschaftlichen Kurs des Landes. Alle reden von den griechischen Schulden. Wir reden von der deutschen Schuld und den deutschen Schulden. Denn in Wirklichkeit ist Deutschland der größte Schuldner in Europa. NaziDeutschland hat in zwölf Jahren mehr Unheil angerichtet, als es in 70 Jahren hätte wieder gutmachen können. Nur ein verschwindend geringer Bruchteil der im Pariser Reparationsabkommen von 1946 festgelegten Zahlungen ist an die während des Zweiten Weltkrieges überfallenen Länder geleistet worden. Der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des faschistischen Deutschen Reichs fehlt(e) zur Zahlung schon der Wille. Für die vielen tausend zivilen Opfer der von SS und Wehrmacht begangenen Massaker wird jede Zahlungsverpflichtung bis heute zurück gewiesen. Deutschland ist der größte Schuldner Europas Sofortige Entschädigung aller griechischen NSOpfer! D Demo des AK Distomo mit VertreterInnen der Opferverbände am 5.6.2015 vom griechischen Parlament zur deutschen Botschaft.

Deutschland ist der größte Schuldner Europas€œ aus Deutschland fordern die sofortige Erstattung dieser verbrecherisch erlangten Gelder von der Deutsche Bahn AG. Die weigert sich

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en Gürtel noch enger schnallen! ­ fordertder deutsche Finanzminister Schäublevon der griechischen Bevölkerung.

Mehrwertsteuer hoch, Renten runter,„Notfallplan“ für den Haushalt, Rettung „derWirtschaft“. Unter der Herrschaft der Troika –jetzt der Quadriga ­ haben von den knapp elfMillionen BewohnerInnen Griechenlands 7,3Millionen kein eigenes Erwerbseinkommenmehr. Nicht mehr die griechische Regierung undschon gar nicht die griechische Bevölkerungentscheidet über den politischen undwirtschaftlichen Kurs des Landes. Alle redenvon den griechischen Schulden. Wir reden vonder deutschen Schuld und den deutschenSchulden. Denn in Wirklichkeit ist Deutschland

der größte Schuldner in Europa.

Nazi­Deutschland hat in zwölf Jahren mehrUnheil angerichtet, als es in 70 Jahren hättewieder gutmachen können. Nur einverschwindend geringer Bruchteil der im PariserReparationsabkommen von 1946 festgelegtenZahlungen ist an die während des ZweitenWeltkrieges überfallenen Länder geleistetworden. Der Bundesrepublik Deutschland alsRechtsnachfolgerin des faschistischen DeutschenReichs fehlt(e) zur Zahlung schon der Wille. Fürdie vielen tausend zivilen Opfer der von SS undWehrmacht begangenen Massaker wird jedeZahlungsverpflichtung bis heute zurück­gewiesen.

Deutschland ist der größte

Schuldner Europas

Sofortige Entschädigung aller griechischen NS­Opfer!

DDemo des AK Distomo mit VertreterInnen der Opferverbände am 5.6.2015 vom griechischenParlament zur deutschen Botschaft.

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Griechenland hat einenRechtsanspruch auf Zahlung vonReparation und Rückzahlung derZwangsanleiheEs ist paradox. Griechenland braucht Geld.Dabei hat es Guthaben. Das Guthaben liegt inDeutschland und – als deutsches Staatseigentumim Ausland – in verschiedenen (europäischen)Ländern. Deutschland schuldet Griechenland seitca. 70 Jahren eine Summe, die im Jahr 2015 vomgriechischen Parlament vorläufig auf 278,7Milliarden EUR beziffert worden war.

Es handelt sich zum einen um dieZahlungsverpflichtungen der auf der PariserReparationskonferenz von 1946 festgelegtenReparationen, damals 7,2 Milliarden US­Dollar.Die 1946 bestimmte Reparationssumme wurdebis heute nicht gezahlt. Deutschland schuldetGriechenland außerdem die Rückzahlung dersog. „Zwangsanleihe“. 1942 wurde die Bank vonGriechenland von den NS­Besatzern gezwungen,die Kosten der Besatzung selbst zu tragen. BeiKriegsende betrug die Summe – nach Angabendes Auswärtigen Amtes des Deutschen Reichesaus April 1945 – 476 Millionen Reichsmark undsollte nach Beendigung des Kriegeszurückgezahlt werden. Die Rückzahlung derZwangsanleihe ist keine Zahlung vonReparationen, sondern eines Darlehens. Gezahltwurde nichts.

Die griechischen NS­Opfer habeneinen eigenen Rechtsanspruch aufZahlung von EntschädigungenVöllig unabhängig von Reparationen undZwangsanleihe schuldet DeutschlandEntschädigung für die während der Besatzungbegangenen NS­Massaker, denen mindestens30.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Eswurde nicht nur gemordet, sondern ganzeOrtschaften zerstört, tausende von Existenzenvernichtet. Diese Verbrechen wurden bis zumheutigen Tag nicht entschädigt.

Die Überlebenden und Angehörigen der Opferdes Massakers in dem griechischen DorfDistomo, das in jährlichen Zeremonien nochheute der 218 Opfer des NS­Massakers vom 10.Juni 1944 gedenkt, klagten in Griechenland

erfolgreich eine Entschädigungssumme von 28Millionen Euro ein. Seit Erlass des Urteils imJahr 1997 ist die Summe zu verzinsen. DochDeutschland zahlt nicht, es beruft sich auf denGrundsatz der „Staatenimmunität“, wonach esnicht von ausländischen Gerichten zu Zahlungenverurteilt werden dürfe. Aufgrund despolitischen und ökonomischen Drucks derdeutschen Regierung wurde das Urteil inGriechenland bis heute nicht vollstreckt.

Doch die KlägerInnen von Distomo gaben nichtauf und riefen zur Vollstreckung ihrer Ansprücheitalienische Gerichte an. Nach Jahren desjuristischen Kampfes in Italien gegen dieBundesrepublik gab das italienischeVerfassungsgerichts den KlägerInnen Recht undin Italien wird deutsches Staatseigentumgepfändet. Auf dem Konto der Deutsche BahnAG in Italien ist inzwischen dieEntschädigungssumme für Distomo in vollerHöhe zum Zwecke der Vollstreckung gepfändetworden. Doch trotz der höchstrichterlichenEntscheidung will Deutschland nicht zahlen. Eslässt die Vertreter der Deutschen Bahn AGeinwenden, sie sei ein Unternehmen des privatenRechts und hafte nicht für Staatsschulden.Rechtlich ist das falsch. Die Deutsche Bahn AGgehört zu 100% der BundesrepublikDeutschland, ist also selbst Staatseigentum undhaftet wie der Staat selbst. Solange nicht auchdiese Frage von den italienischen Gerichtenentschieden ist, kann die gepfändeteEntschädigungssumme immer noch nicht an dieOpfer fließen.

Forderungen der JüdischenGemeinde ThessalonikiAuch anderen Gruppen von Opfern der NS­Kriegsverbrechen in Griechenland verweigertDeutschland Entschädigungen: den griechischenJüdinnen und Juden. Die jüdische Gemeinde vonThessaloniki gehörte zu den ältesten in Europa.Zwischen März und August 1943 wurden in 19Güterzugtransporten der Deutschen Reichsbahnknapp 50.000 griechische Jüdinnen und Juden indas KZ Auschwitz­Birkenau transportiert, einigeandere Transporte gingen in das TodeslagerTreblinka. Jedem Opfer der Deportation wurdeauch noch das Geld für die Fahrkarten in denTod abgepresst. Die Jüdische GemeindeThessaloniki und die Initiative „Zug der

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Erinnerung“ aus Deutschland fordern diesofortige Erstattung dieser verbrecherischerlangten Gelder von der Deutsche Bahn AG.Die weigert sich auch in diesem Fall mit derBegründung, sie sei nicht der deutsche Staat undmüsse also nicht haften.

Der „Zwei­plus­Vier­Vertrag“kann weder dieReparationsansprücheGriechenlands noch dieEntschädigungsansprüche der NS­Opfer vernichtenDie auf der Pariser Reparationskonferenz von1946 festgelegten ReparationsansprücheGriechenlands wurden der BundesrepublikDeutschland im Jahre 1953 auf der LondonerSchuldenkonferenz bis zum Abschluss einesFriedensvertrags gestundet. Doch ein„Friedensvertrag“ wurde nie geschlossen.Seitdem 1990 der „abschließende Vertrag inBezug auf Deutschland“ – genannt „Zwei­plus­Vier­Vertrag“ ­ in Kraft getreten ist, behauptetDeutschland, mit diesem Vertrag hätten sich alle

Reparationsfragen erledigt, weil sie in diesemVertragswerk nicht geregelt seien (!). Es ist eineabsurde rechtliche Argumentation. Abgesehendavon, dass Verträge zu Lasten Dritter –Griechenland war nicht Vertragspartner – imVertragsrecht (auch im Völkervertragsrecht)unwirksam sind, handelt es sich bei denEntschädigungsforderungen der Opfer der NS­Terrorherrschaft in Griechenland nicht umReparationsforderungen, sondern umindividualrechtliche Forderungen, die jede/reinzelne Betroffene gegen den deutschen Staaterheben kann, ohne von völkerrechtlichenVereinbarungen begrenzt zu sein.

In den letzten Jahren sind BundespräsidentGauck, Außenminister Steinmeier und derPräsident des Europäischen Parlaments, MartinSchulz, an die Orte der größten NS­Massakergereist (Oradour <Frankreich>, Sant’Anna diStazzema <Italien>, Lyngiades <Griechenland>)und haben die deutsche Schuld teils inbewegenden Worten beteuert. Doch mit derBehauptung, der Zwei­Plus­Vier­Vertrag vom12. September 1990 wirke als Vertrag zu LastenGriechenlands, beweisen sich die schönen Worte

Argyris Sfountouris im Gespräch mit Jugendlichen am Gedenktag in Distomo, Juni 2015.

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als reine Lippenbekenntnisse und wirken alsVerhöhnung der Opfer der faschistischenUntaten.

Ablenkungsmanöver der deutschenRegierungDie deutsche Regierung geht derzeit mit derGründung verschiedener Vereinigungen, nämlichder „Deutsch­Griechische Versammlung“, des„Deutsch­Griechisches Jugendwerk“ und des„Deutsch­Griechischer Zukunftsfond“ in dieOffensive. Ziel der Arbeit dieser Vereinigungenist die Suggestion gegenüber Funktionsträgernder griechischen Kommunen und derBevölkerung, dass Deutschland sich für diedeutsch­griechische Völkerfreundschaft einsetzeund dafür Millionen aufwende. Es soll dieBotschaft transportiert werden, dass Deutschlandsich nach Kräften um die Aufarbeitung der Nazi­Verbrechen bemühe, es aber mehr als 70 Jahrenach dem Zweiten Weltkrieg fürEntschädigungsforderungen aus Griechenlandkeine Berechtigung mehr gebe. Es ist einscheinheiliges Engagement, dass in Wirklichkeitdazu dient, sich aus der geschichtlichen undfinanziellen Verantwortung zu stehlen.

Die Durchsetzung derEntschädigungsansprüche gegenDeutschland fördert den FriedenDie Durchsetzung von Entschädigungs­ansprüchen ist nicht nur ein selbstverständlicherAkt von Gerechtigkeit. Es dient der Warnung an

die heutigen Kriegstreiber, dassVölkerrechtsverbrechen und Verbrechen gegendie Menschheit nicht mit noch so gefälligenWorten erledigt werden können, sondern dassder Schädiger – so mächtig er inzwischen seinmag – für das angerichtete Unrecht geradestehen muss und das auch noch nach über 70Jahren.

Maria Pastinska, vier Monate nach dem SS­Massaker von Distomo, 1944. Sie überlebte alseinzige in ihrer Familie das Massaker.

Sofortige Entschädigung aller Opfer des Nationalsozialismus!

Nazi­Verbrechen nicht vergeben, den antifaschistischen

Widerstand nicht vergessen!

Gemeinsamer Kampf gegen den wiedererstarkenden

Faschismus in Europa!

Arbeitskreis Distomo, HamburgKontakt: ak­[email protected], https://www.nadir.org/nadir/initiativ/ak­distomo/

Spendenkonto des AK Distomo:Martin Klingner | Sparda Bank | IBAN: DE75 2069 0500 0001 0195 38 | BIC: GENODEF1S11 ­ Stichwort: AK Distomo

v.i.s.d.P.: Martin Klingner, Budapester Straße 49, 20359 Hamburg