Dharavi - ein Ort der Armut? ; Untersuchungen zum ... · PDF fileDas Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Gestaltung: André Kadanik, ... 6.2 Poorism als reality tourism –

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  • Julia Meschkank

    Dharavi Ein Ort der Armut?

    Untersuchungen zum Slumtourismus in Mumbai

    U n i v e r s i t t P o t s d a m

    Potsdamer Geographische Praxis // 4

  • Potsdamer Geographische Praxis

  • Potsdamer Geographische Praxis // 4

    Julia Meschkank

    DHARAVI EIN ORT DER ARMUT?Untersuchungen zum Slumtourismus in Mumbai

    Universittsverlag Potsdam

  • Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.de/ abrufbar.

    Universittsverlag Potsdam 2013http://verlag.ub.uni-potsdam.de

    Am Neuen Palais 10, 14469 PotsdamTel.: +49 (0)331 977 2533 / Fax: -2292E-Mail: [email protected]

    Die Schriftenreihe Potsdamer Geographische Praxis wird herausgegeben vom Institut fr Geographie der Universitt Potsdam.

    ISSN (print) 2194-1599ISSN (online) 2194-1602

    Das Manuskript ist urheberrechtlich geschtzt.Gestaltung: Andr Kadanik, BerlinSatz: Lukas Wede und Ute DolezalTitelfotos: Cory Goldberg

    Druck: docupoint GmbH MagdeburgISBN 978-3-86956-240-7

    Zugleich online verffentlicht auf dem Publikationsserver der Universitt Potsdam:URL http://pub.ub.uni-potsdam.de/volltexte/2013/6474/URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-64745http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:kobv:517-opus-64745

  • 5

    INHALTSVERZEICHNIS

    1 EINLEITUNG ................................................................................................ 9

    2 BEOBACHTUNG, SEMANTIK UND RAUM: ERKENNTNISTHEORETISCHE GRUNDLAGEN EINER KONSTRUKTIVISTISCH GEWENDETEN TOURISMUSGEOGRAPHIE ...................................................................... 15

    2.1 Beobachtungen: Unterscheidende und Bezeichnende Operationen ......................... 19

    2.2 Semantiken: Verdichtete Sinnformen zur Organisation von Anschlussfhigkeit ..................................................................... 21

    2.3 Rume als beobachterabhngige Unterscheidungen von Medium und Form .................................................................... 23

    2.4 Konstruktion touristischer Rume (Re-)produktion von Ortssemantiken ............................................ 27

    3 STADT, REALITT UND ARMUT: DIE FORM DES SLUMTOURISMUS ........................................................ 29

    3.1 Slumtourismus aus gesellschaftstheoretischer Perspektive ......... 33

  • 6

    3.2 Die Form des Slumtourismus ........................................................... 37

    3.2.1 Slumtourismus eine Form des Stdtetourismus? ...................... 373.2.2 Slumtourismus eine Form des reality tourism? ........................ 383.2.3 Poorism Armut als Form? ........................................................ 41

    3.3 Forschungsleitende Fragestellungen .............................................. 45

    4 METHODISCHES VORGEHEN ................................................................. 47

    4.1 Erhebung des Materials ................................................................... 51

    4.1.1 Qualitative Interviews ................................................................. 514.1.2 Teilnehmende Beobachtung ........................................................ 524.1.3 Reflexion der Erhebungssituation ............................................... 53

    4.2 Auswertung des Materials ................................................................ 55

    4.2.1 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring .................................... 564.2.2 Reflexion der qualitativen Inhaltsanalyse hinsichtlich der

    Forschungsfragen ........................................................................ 594.2.3 Beobachtungs- und differenztheoretische Interpretation ............ 60

    5 DIE PRAXIS DES SLUMTOURISMUS IN MUMBAI: ERGEBNISSE DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG .......................... 61

    5.1 Slumtourismus in Mumbai ............................................................... 65

    5.1.1 Dharavi Asiens grter Slum? ................................................ 655.1.2 Das Unternehmen Reality Tours and Travel ......................... 685.1.3 Zukunftsaussichten des Slumtourismus in Mumbai .................... 70

    5.2 Motive der Touristen ......................................................................... 73

    5.3 Beobachtungsschemata der Touristen vor der Tour ...................... 77

    5.4 Beobachtungsschemata der Dharavi-Tour ...................................... 83

  • 7

    5.4.1 Formale Aspekte und inhaltliche Schwerpunktsetzung der Tour ...................................................................................... 83

    5.4.2 Instrumentalisierte Beobachtungsschemata whrend der Tour ...................................................................... 86

    5.5 Beobachtungsschemata der Touristen nach der Tour.................... 91

    5.6 Wandel in der Ortssemantik Dharavi ein Ort der Armut (?) .... 103

    5.7 Moralische Zweifel? Poorism beobachtet................................... 111

    6 DISKUSSION: ARMUT ALS FORM DES SLUMTOURISMUS .............. 119

    6.1 Slumtourismus als poorism Dharavi, ein Ort der Armut im Spannungsfeld verschiedener Realittskonstruktionen ........ 123

    6.2 Poorism als reality tourism Dharavi, das wirkliche Indien .... 127

    6.3 Poorism als Stdtetourismus Dharavi, die andere Seite der Stadt ................................................................................. 131

    6.4 Erholung im Slumtourismus .......................................................... 135

    7 SCHLUSSWORT ....................................................................................... 139

    ANNEX ........................................................................................................... 143

  • 1 EINLEITUNG

  • 11

    Seit Slumdog Millionaire zum internationalen Kinohit avancierte, stehen Urlauber Schlange, um bei Chris Ways Reality Tours & Travel fr 300 Rupien (rund $7.50) einen Trip durch das Elend und den Schmutz von Mumbais Dharavi zu buchen, den grten Slum Asiens. [...] Da schauen sie dann den abgemagerten Gestalten zu, wie sie riesige Scke hinter sich herziehen, in denen alles gesammelt wird, was wieder verkauft werden knnte. [...] Der Kontrast knnte kaum grer sein: Hier die frhlichen Touristen in ihren sauberen Shirts und Shorts und ihnen gegenber die abgerissenen, mageren Gestalten mit ihrem gnadenlos dsteren Leben. (Wertz 2009)

    Wie das einleitende Zitat verdeutlicht, wird auf das Phnomen des Slumtourismus im Allgemeinen mit einer ablehnenden Haltung reagiert. Diese beruht in der Regel auf der Vorstellung, Touristen wrden in einem klimatisierten Reisebus durch einen Slum gefahren werden und hinter verdunkelten Scheiben die Armut und das Elend der Slumbewohner, hnlich wie auf einer Safari-Tour, besichtigen. Die Vermarktung von Armut als touristisches Gut steht somit als Voyeurismus und Ausbeutung in der Kritik. Macht man sich diese Perspektive zu eigen, ver-wundert es nicht, dass Slumtourismus im wissenschaftlichen Diskurs auch als poorism oder negative sight-seeing bezeichnet wird. Dabei beruht die Kritik von Laien als auch von Wissenschaftlern auf einer spezifischen Beobachtung, die Slums nicht nur als Orte der Armut definiert, sondern diese zustzlich mit einer Reihe negativ konnotierter Eigenschaften, wie Leid, Krankheit, Verzweiflung und Kriminalitt in Verbindung bringt. Dass es letztendlich diese spezifische Vorstellung von Slums bzw. von Armut ist, welche diese Besichtigungspraxis erst als moralisch verwerfliche Handlung erscheinen lsst, konnten bisherige Studien zum Townshiptourismus in Sdafrika und Favelatourismus in Brasilien aufzeigen. Denn interessanterweise scheint es beim Slumtourismus primr gar nicht um die Besichtigung von Armut zu gehen. Im Gegenteil: Wie bisherige Untersuchungen nahe legen stehen im Vordergrund der Touren andere Aspekte, wie Kultur oder Entwicklung. So soll der Blick von der Armut der Bewohner weg gelenkt und ein Imagewechsel erreicht werden.

    Aus diesem Widerspruch ergibt sich der Gegenstand dieser Arbeit: Ist das zentrale Charakteristikum des Slumtourismus berhaupt die Besichtigung von Armut und lsst sich daher von poorism sprechen? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, wird untersucht, wie sowohl teilnehmende Touristen als auch Anbieter von solchen Touren Slums beobachten und welche je verschiedenen Vor-stellungen und Bilder von Slums bzw. Armut sie dadurch bewusst und unbewusst konstruieren. Daran anschlieend wird der Frage nachgegangen, wie die Touren von den Touristen beobachtet werden und ob sich der erwhnte Zusammenhang zwischen der spezifisch negativen Vorstellung von Armut und der Bewertung die-ser Besichtigungspraxis besttigen lsst. Ein weiterer interessanter Fragekomplex ergibt sich hinsichtlich der Motivation der Touristen. Die genannten empirischen

  • 12 Einleitung

    Studien zeigen an, dass die Touristen in den besichtigten Townships und Favelas einerseits die andere Seite der Stadt und andererseits das wahre Leben des bereis-ten Landes suchen. Hier stellt sich die Frage nach einer mglichen theoretischen Zuordnung zum Stdtetourismus einerseits oder reality tourism andererseits. Des Weiteren scheint die Besichtigung von Slums zunchst einmal im Gegensatz zum herkmmlichen Strand- oder Kultururlaub und somit zur herkmmlichen Erholungssemantik zu stehen, wonach ein sich erholen eng mit Nichtstun oder zumindest mit der Besichtigung von etwas Schnem oder Kulturellem verbunden ist. Da aber die Touristen im Vorfeld der Tour mit Slums vor allem die erwhnte negative Armutssemantik verbinden, steht zunchst einmal die Frage im Raum, inwiefern Slumtour