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(Aus dem PathologisohenInstitut des tteinrich Braun-Krankenhauses,Zwickau.) Diabetes mellitus bei Tumor der Hypophyse. Von P. Iteilmann. (Eingegangen am 21. November 1936.) Schon Irfiher hatte ieh (gemeinsam mit Grote) fiber einen Fall yon tIypophysentumor mit Diabetes beriehtet. Die Geschwulst ging hier vom Hinterlappen aus und hatte auf den Stiel (Infundibulum) fibergegriffen. Wir hatten damals angenommen, dal~ es nach Unterbrechung des Stiels durch die Geschwulstwucherung zu StSrungen in der Verbindung zwischen Hy und der subthalamischen l~egion des Zwisehenhirns gekommen sei, un4 dal~ dadureh die Zuekerausscheidung hervorgerufen sein kSnnte. Die Gegend des Bodens des 3. Ventrikels ist fiir die I~egelung des Zueker- stoffwechsels sicher wichtig. So sah Aschner bei Verletzung dieser Gegend so starke Glykosurie wie sonst nut bei dem Claude Bernardsehen Zueker- stich. Kraus stellte bei Akromegalie einen Diabetes yon ,,rein hypo- phys/~rem Typ" fest. Er land bei solchen:F/s allerdings auch mdist Pankreasver/~nderungen am Inselapparat, vielleieht sekund/irer Art. Solche konnten wir auch bei unserem frfiher ver6ffentlichten Fail sehen. Priesel beschreibt. GewebsmiSbildungen am Infundibulum; i~hnliches sehildert Sternberg. Wichtig sind die Ergebnisse der Untersuchungen yon Gottlieb unter R6ssles Leitung, der annimmt, dag das Sekret der Hy im Vorderlappen gebfldet, im Hinterlappen aktiviert und durch das Infundibulum nach den vegetativen Zentren am Boden des 3. Ventrikels abgefiihrt wird. Eine StSrung dieser ~berleitung ffihrt dann zu krankhafter Zuckerausschei- dung. Diese Ansicht teilt auch Verron aus dem Institut yon R6ssle, der unter anderen 3 l~/~lle untersuchen konnge, wo krankhafte Ver- /s im Stiel (Infund.) der Hy sal~en. Herring wies bei Tieren das Sekret des Zwisehenlappens in Form kolloidaler Tropfen im tIinter- ]appen und Infundibulum naeh. Naeh Stieldurehsehneidung fehlen die wirksamen Stoffe im Liquor (Trendelenburg). Vergleiche aueh bei Edinger. Nach diesen Gesichtspunkten beurteilten wir damals, Me oben erws unseren Fall. Ich konnte nun wieder einen Diabetes bei Hy-Tumor beobachten. Es handelte sich um eine 64j/~hrige Patientin tier Inneren Abteilung (Chef- arzt Priv.-Doz. Dr. Litzner), die seit 7 Ja.hren zuckerkrank war. Die ausgeschiedene Zuckermenge war wechselnd. Auf die klinischen Daten wird yon anderer Seite eingegangen werden. Bei der Sektion (S.-Nr. 527/1936) land sieh ein den grSf~ten Teil der tty einnehmender Tumor, augerdem: Geringe Atheromatose, Coronar- slderose, tterzschwie]en, dilatiertes tIerz, Stauungsorgane, Herdpneu- monien, Gallenblasensteine. Keine Akromegalie.

Diabetes mellitus bei Tumor der Hypophyse

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Page 1: Diabetes mellitus bei Tumor der Hypophyse

(Aus dem Pathologisohen Institut des tteinrich Braun-Krankenhauses, Zwickau.)

Diabetes mellitus bei Tumor der Hypophyse. Von

P. Iteilmann. (Eingegangen am 21. November 1936.)

Schon Irfiher hatte ieh (gemeinsam mit Grote) fiber einen Fall yon tIypophysentumor mit Diabetes beriehtet. Die Geschwulst ging hier vom Hinterlappen aus und hatte auf den Stiel (Infundibulum) fibergegriffen. Wir hatten damals angenommen, dal~ es nach Unterbrechung des Stiels durch die Geschwulstwucherung zu StSrungen in der Verbindung zwischen Hy und der subthalamischen l~egion des Zwisehenhirns gekommen sei, un4 dal~ dadureh die Zuekerausscheidung hervorgerufen sein kSnnte. Die Gegend des Bodens des 3. Ventrikels ist fiir die I~egelung des Zueker- stoffwechsels sicher wichtig. So sah Aschner bei Verletzung dieser Gegend so starke Glykosurie wie sonst nut bei dem Claude Bernardsehen Zueker- stich. Kraus stellte bei Akromegalie einen Diabetes yon ,,rein hypo- phys/~rem Typ" fest. Er land bei solchen:F/s allerdings auch mdist Pankreasver/~nderungen am Inselapparat, vielleieht sekund/irer Art. Solche konnten wir auch bei unserem frfiher ver6ffentlichten Fail sehen. Priesel beschreibt. GewebsmiSbildungen am Infundibulum; i~hnliches sehildert Sternberg.

Wichtig sind die Ergebnisse der Untersuchungen yon Gottlieb unter R6ssles Leitung, der annimmt, dag das Sekret der Hy im Vorderlappen gebfldet, im Hinterlappen aktiviert und durch das Infundibulum nach den vegetativen Zentren am Boden des 3. Ventrikels abgefiihrt wird. Eine StSrung dieser ~berleitung ffihrt dann zu krankhafter Zuckerausschei- dung. Diese Ansicht teilt auch Verron aus dem Institut yon R6ssle, der unter anderen 3 l~/~lle untersuchen konnge, wo krankhafte Ver- /s im Stiel (Infund.) der Hy sal~en. Herring wies bei Tieren das Sekret des Zwisehenlappens in Form kolloidaler Tropfen im tIinter- ]appen und Infundibulum naeh. Naeh Stieldurehsehneidung fehlen die wirksamen Stoffe im Liquor (Trendelenburg). Vergleiche aueh bei Edinger. Nach diesen Gesichtspunkten beurteilten wir damals, Me oben erws unseren Fall.

Ich konnte nun wieder einen Diabetes bei Hy-Tumor beobachten. Es handelte sich um eine 64j/~hrige Patientin tier Inneren Abteilung (Chef- arzt Priv.-Doz. Dr. Litzner), die seit 7 Ja.hren zuckerkrank war. Die ausgeschiedene Zuckermenge war wechselnd. Auf die klinischen Daten wird yon anderer Seite eingegangen werden.

Bei der Sektion (S.-Nr. 527/1936) land sieh ein den grSf~ten Teil der t ty einnehmender Tumor, augerdem: Geringe Atheromatose, Coronar- slderose, tterzschwie]en, dilatiertes tIerz, Stauungsorgane, Herdpneu- monien, Gallenblasensteine. Keine Akromegalie.

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Der eifSrmige Tumor miBt etwa 4 : 2,4 cm, nimmt anscheinend die ganze Hy ein und ist auf dem Durehsehn~tt yon gleiehm~Biger Diehte, kSrnig, graubraun. Das Chiasma ist auseinandergedr~ngt, die Sehnerven sind dfinn, besonders der linke ist ganz atrophisch. Am unteren vorderen Umfang ist die Geschwulst lest mit dem Knochen der Sella verbunden.

Milcroslcopisch ist der ganze Hinterlappen, d~s Infundibulum und der grSBte Tefl des Vorderlappens eingenommen yon einem bunten zell- reiehen Geschwulstgewebe aus Nestern kubiseher bis platter Zellen und aus Schl~uchen ganz hoher donner zylindrischer Zellen, d~e aussehen wie die hohen Zellen in einem Adamantinom. Zum Tell sind Nester glatter Zellen yon solehen hohen zylindrisehen umss - - also ganz adamantiom~hnliche Bilder - - oder es besteht der Eindruck eines sog. mahgnen fetalen Adenoms (ganz vereinzelt). Das Stroma ist nur sp~rlieh entwiekelt und enth~lt diinne Gef~Be. Zwisehen den genannten Bildungen liegen solide Haufen gewShnlieher Hauptzellen, die dann im Bereiche des vorderen Teiles des Vorderlappens allein vorhanden sind. Am unteren vorderen Pol greifen Gesehwulstnester auf die Dura ufid den Knochen fiber, oder die Geschwulst geht yon hier aus. Es handelt sich also um eiuen Hy- Gangstumor.

Das Chiasma optiei und die angrenzenden Hirnteile sind frei yon krankhaften Zust~inden und yon Geschwulstherden. Im Pankreas ent- halten einzelne der unregelms angeordneten Inseln hydropiseh gequol- lene Zellen. Stellenweise ist das Bindegewebe etwas vermehrt. Die Schild- dr~se zeigt gegeniiber dem hier landes[iblichen Bild keine Abweiehungen. Die Nebennieren enthalten im Bereiche der s Rindenschichten lipoidarme Bezirke. ~ark o. B. Beide Ovarien sind geschrumpft, narbig, mit vielen Corpora fibrosa versehen. Keine Luteinzellen. An den Nieren bestehen keine krankhaften Zusts Glykogen ls sich nieht oder nieht mehr naehweisen. Eine Raehendaeh-Hy ls sieh nieht feststellen.

Aueh dieser Fall spricht wieder im Sinne der Auffassung yon Gotttieb und Verron und unserer friiheren Annahme, dab die Stoffwechsel- erkrankung infolge einer StSrung des Abflusses des Inkretes nach dem Gehirn (subthalamische Region des Zwisehenhirnes) entstanden sein kann. Aueh hier konnte 'ich am Pankreas geringffigige Ver~nderungen am Inselapparat feststellen, die vielleicht der Ausdruck einer konstitu- tionellen Minderwertigkeit sind. Die Untersuehung der Schflddrtise hat diesmal niehts Besonderes ergeben.

Wenn wir die phylogenetisehe Ents~ehung und Entwicklung der Hy in der Wirbeltierreihe betraehten, linden wir aueh darin eine Stiitze fiir die Gottliebsehe Ansieht. Der Stiel (Infundibulum) ist bei niederen Wirbel- tieren noeh hohl, also wohl als eine Art Ausffihrungsgang aufzufassen. Erst sparer wird er solid, kann abet die Funktion der ~berlei~ung der Inkrete beibehalten haben. Natiirlich soll aber hier nicht abgestritten werden, dab sicher auch Inkret unmi~elbar ins Blur gelangt, z. B. die Hormone ffir die Keimdriisen u.a. Bei den entwieklungsgesehichtlichen

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Betrachtungen mul~ man auch daran denken, dab gerade bei den inkre- torischen Organen yon ihren Anf/~ngen in der phyletischen Reihe bis zu den hSheren Wirbeltieren der Funktionswechsel eine Rolle spielt. Ich er- innere bier an die Hypobranehialrinne bei den Tunicaten und dem Amphioxus, die zur Entstehung der Schilddrfise Beziehungen hat, an die Epibranehialrinne ebenda, die wohl der Uranfang des t ty-Vorderlappens (Rathkesehe Tasche) ist, an das parietale Auge oder W~rmeorgan der Reptilien, das zur Epiphyse wird und andere solche Bildungen. Weiter ist anzunehmen, dab das ganze inkretorisehe System im Verlaufe tier immer sich abspielenden Phylogenese noeh in Umbildung begriffen und daher fiir Erkrankungen besonders anf/~llig ist 1

Aueh ffir die Frage der formalen Genese gibt die Entwicklungs- gesehichte bier AufsehluB. Wit bat ten gesehen, dab yore Canalis eranio- pharyngeus bei niederen Wirbeltieren bis zum obliterierten Gang und Hy-Gangsresten t?berg/~nge bestehen und dab Zellnester dem Verlaufe des ehema]igen Ganges entlang liegen bleiben. Die Frage tier kausalen Genese, n/imlieh warum sieh aus einem solchen Rest eine echte autonom waehsende Geschwulst entwiekelt hat, bleibt unbeantwortet . Aueh hierffir kSnnen j a StSrungen im Spiel der inkretorisehen Drfisen eine Rolle spielen. Wie sehnell der Tumor gewachsen ist, ist sehwer zu sagen. Wenn die Frau seit 7 Jahren zuekerkrank war, wird wohl zu dieser Zeit schon die Unterbreehung der Leitung im Infundibulum oder deren Be- ginn vorhanden gewesen sein. Wir wissen ja, da~ solche liegengeblie- benen t Iy-Gangsreste auch am vorderen Rande des Infundibulums zu linden shad. Vielleicht ist tier Ausgang des Tumors hier zu suehen, viel- leieht am vorderen unteren Pol des Vorderlappens, wo die Gesehwulst fest mit dem Knoehen zusammenh/~ngt. MSglieherweise ist sie bier aueh erst sekund~r in den Knoehen eingebroehen, da sie im groBen und ganzen einen bSsartigen Eindruek macht.

Zusammenfassung. Es wird fiber einen Fall yon Diabetes mellitus beriehtet, dessert Ent-

stehung durch Unterbrechung tier Verbindung zwischen Hypophyse und den vegetativen Zentren am Boden des 3. Ventrikels infolge Ge- sehwulstbildung angenommen wird.

Schrifttum. Aschner: Wien. klin. Wsehr. 1912. --Edinger: Arch. mikrosk. Anat. 78 (1911). - -

Erdheim: Sitzgsber. Akad. Wiss. Wien, Ma~h.-naturwiss. K1. I I I 1904. - - Gautier: Frankf. Z. Path. 19 (1916). - - Gottlieb: Erg. Path. 19 II (1921). - - Grote u. Heilmann: Zbl. Path. 64 (1935/'36). - - Haber[eld: Beitr. path. Anat. 46 (1909). - - Herring: Quart. J. exper. Physiol. 1908. - - Kraus: Virchows Arch. 247 (1923). - - Priesel: Wien. klin. Wschr. 1922. - - Suchannek: Anat. Anz. 2 (1887). - - Sokolow:" Arch. f. Anat. 1904. - - Sternberg: Zbl. Path. 81 (1921). - - Trendelenburg: Klin. Wschr. 1924. - - Ferron: Zbh Path. 31 (1921).

1 Uber die entwicklungsgeschichtlichen Tatsachen vgl. bei Suehannek, der schon 1887 einen Fall yon Persistenz des Hy-Ganges beschrieb, welter bei SoIcolow, Gautier und die ersch6pfenden Ergebnisse yon Erdheim und yon Haber]eld.