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Diagnose und Therapie von Alpha-1-Antitrysin-Mangel Dr. med. Marcus Berkefeld Facharzt für Innere Medizin Schwerpunkt Pneumologie, Lungenpraxis-Vegesack, Bremen

Diagnose und Therapie von Alpha-1-Antitrypsin-Mangel · Inhaltsverzeichnis • Klinische Manifestationen und Symptome • Pathogenese und Epidemiologie • Diagnose • Zwei Patientenfälle

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Diagnose und Therapie vonAlpha-1-Antitrysin-Mangel

Dr. med. Marcus Berkefeld

Facharzt für Innere MedizinSchwerpunkt Pneumologie,Lungenpraxis-Vegesack, Bremen

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Inhaltsverzeichnis

• Klinische Manifestationen und Symptome

• Pathogenese und Epidemiologie

• Diagnose

• Zwei Patientenfälle

• Zusammenfassung

• Literaturverzeichnis

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Klinische Manifestationenund Symptome

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Lungenmanifestationen

KLINISCHE MANIFESTATIONEN UND SYMPTOME

Lungenerkrankungen im Zusammenhang mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM) treten häufiger bei Erwachsenen auf als bei Kindern, oft bereits ab dem 35. Lebensjahr.1 Die Beschwerden sind sehr ähnlich zu denen einer konventionellen COPD, treten allerdings früher auf und zeigen einen schwereren Verlauf.1

1. Schroth S et al. Pneumologie 2009; 63:335–45. 2. Stoller JK et al. Cleve Clin J Med. 1994; 61:461–7. 3. Bals R, Köhnlein T (Hrsg.). Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: Pathophysiologie, Diagnose und Therapie 2010. Thieme; 1. Aufl. 4. Konietzko A. Pneumologie 2005; 59:36–68.

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Weitere Manifestationen von AATM

KLINISCHE MANIFESTATIONEN UND SYMPTOME

• Neonatales hepatisches Syndrom mit Ikterus

• Neonatale Cholestase

5. Sandhaus RA et al. Chronic Obstr Pulm Dis (Miami) 2016; 3:668–82.

• Nekrotisierende Panniculitis• cANCA positive Vaskulitis (z. B.

Wegener’sche Granulomatose)• Chronische Hepatitis• Leberzirrhose

Erwachsene Patienten sollen mindestensjährlich im Hinblick auf mögliche Lebererkrankungen untersucht werden.5

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Pathogenese und Epidemiologie

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Definition Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM)

PATHOGENESE

• Autosomal-rezessiv vererbte Veränderung des Proteins Alpha-1-Antitrypsin (AAT)1, 4

• Bedingt durch eine Mutationdes SERPINA1-Gens1

• Führt zu Störungen im Stoffwechsel des Proteins1

• Serumkonzentration bei AATM4:• Radialimmundiffusion

Normalbereich:150/200–350/400 mg/dl*Grenzbereich: 80 mg/dl*

• NephelometrieNormalbereich:83/120–200/220 mg/dl*Grenzbereich: 50 mg/dl*; 11 μM†

1. Schroth S et al. Pneumologie 2009; 63:335–45. 3. Bals R, Köhnlein T (Hrsg.). Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: Pathophysiologie, Diagnose und Therapie 2010. Thieme; 1. Aufl.4. Konietzko A. Pneumologie 2005; 59:36–68. 2. Schroth S et al. Pneumologie 2009; 63:335–45. * An im Handel erhältlichen Standards gemessene Werte. † An NHLBI-Standards gemessene Werte.

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Definition Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM)

PATHOGENESE

Aus der verminderten und fehlerhaften Produktion von AAT resultieren folgendeVeränderungen:• eine verminderte Hemmung der Neutrophilen Elastase (NE) führt zu einem ungenügenden

Schutz des Gewebes vor proteolytischem Abbau• ungehinderter Angriff der Lungenbläschenwände durch die NE, Abbau gesunden Gewebes• gestörter Gasaustausch, Sauerstoffunterversorgung des Körpers• Entstehung einer Prädisposition für charakteristische klinische Auffälligkeiten, die v. a. die

Lunge aber auch die Leber betreffen können (Lungenemphysem, Hepatopathie)

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Ursachen und Risikofaktoren

PATHOGENESE

Ursache Genetik• Aufgrund der Mutation entstehende Stoffwechselstörung des AAT• > 100 genetische Varianten des AAT-Proteins, viele davon mit Krankheitswert• Nicht jeder Pi*ZZ-Genotyp führt zu einer AATM-Erkrankung5

5. Bernspang E et al. Respir Med 2009; 103:861–5.

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Ursachen und Risikofaktoren

PATHOGENESE

• Inaktivierung zuvor funktionalen AATs durch Umwandlung des aktiven Zentrums (Met358 zu Methioninsulfoxid), 2000-fach geringere Bindungsfähigkeit von AAT an NE

• Rekrutierung von Entzündungszellen, dadurch größere Belastung der Lunge mit NE6

6. Morrison HM et al. Clin Sci 1987; 72:373–81.7. MacNee W. Chest. 2000; 117(5 suppl 1):303S–317S.

Risikofaktor Zigarettenrauch und Staubexposition bei Lungenemphysem

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Genetik

PATHOGENESE

Zur Klassifikation der verschiedenen Genotypen wird eine Kurzformel (Pi*-System)angewendet, die sich aus den Kürzeln „Pi“ (Proteinaseinhibitor) und den beiden Allelbezeichnungen zusammensetzt.1 Daraus entstehen verschiedene AAT-Varianten:

1. Schroth S et al. Pneumologie 2009; 63:335–45.

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Genetik

PATHOGENESE

M-Allel• codiert für AAT mit normaler Funktion, findet sich bei der Mehrheit der Weltbevölkerung3

S-Allel• codiert für ein AAT-Protein, das die Elastase hemmt, jedoch anfällig für intrazellulären Abbau

zu sein scheint7, AAT-Serumspiegel deshalb niedriger• kein wesentlich erhöhtes Risiko für eine Lungenerkrankung1

1. Schroth S et al. Pneumologie 2009; 63:335–45.3. Bals R, Köhnlein T (Hrsg.). Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: Pathophysiologie, Diagnose und Therapie 2010. Thieme; 1. Aufl. 7. Brantly M et al. Am J Med 1988; 84 (suppl 6A):3–31.

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Genetik

PATHOGENESE

Z-Allel• bewirkt Akkumulation von etwa 85 % des AATs in den terminalen sekretorischen

Abschnitten der Hepatozyten7

• Mutation (v. a. die homozygote) verursacht die meisten klinisch relevanten Mangelzustände1

1. Schroth S et al. Pneumologie 2009; 63:335–45. 8. Brantly M et al. Am J Med 1988; 84 (suppl 6A):3–31.9. World Health Organization. Alpha1-antitrypsin deficiency. Report of a WHO meeting, Geneva, 8.–20.3.1996.

Null-Allel• bewirkt fehlende AAT-Produktion bei homozygoten Trägern (Pi*Null Null)8

• hohes Risiko für Emphysementwicklung bereits vor dem 30. Lebensjahr8

• sehr selten: macht weniger als 1 % aller AAT-Allele aus9

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Krankheitsverlauf

PATHOGENESE

Die verschiedenen Genotypen und der korrelierende AAT-Serumspiegel bewirken einunterschiedlich hohes Risiko für eine Manifestation in Lunge bzw. Leber.2

1. Schroth S et al. Pneumologie 2009; 63:335–45.

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Lungenbeteiligung

PATHOGENESE

• Häufigste Folge des AATM• Gesteigerte Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer chronisch obstruktiven

Lungenerkrankung (COPD) im Rahmen des AATM (je niedriger der AAT-Serumspiegel, desto höher die Wahrscheinlichkeit)10

• Gestörtes Proteinase-Antiproteinase-Gleichgewicht, Überschuss an NE-Aktivität, langsam fortschreitende Zerstörung der Lungenstruktur1

• AATM-COPD oft mit schwerem Verlauf mit Exazerbationen und klinisch relevanter Verschlechterung bis hin zu einem respiratorischen Versagen1,11

1. Schroth S et al. Pneumologie 2009; 63:335–45. 10. DeMeo DL et al. Thorax 2007; 62:806–13. 11. Mahadeva R et al. Am J Pathol 2005; 166:377–86. 12. Fairbanks KD et al. Am J Gastroenterol 2008; 103:2136–41.

• Bei 10 % der Personen mit Z-Mutation: Lebererkrankung bereits in der frühen Kindheit• Akkumulation fehlerhaft gefalteter Z-AAT-Proteine in den Hepatozyten: Entstehung akuter

oder chronischer Lebererkrankungen12

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Verbreitung AATM

EPIDEMIOLOGIE

• Häufigster AATM-Genotyp: Pi*ZZ (96 %), 98 % der Patienten mit einem schweren AATM haben mindestens ein Z-Allel13,14

• Nach Schätzungen sind in Deutschland etwa 20.000 Menschen von einem schweren AATM betroffen14

• Allerdings sind von diesen nur 2.500 Fälle bestätigt1

13. Blanco I et al. Eur Respir J 2006; 27:77–84. 14. Blanco I et al. Int J COPD 2017; 12:561–9. 1. Schroth S et al. Pneumologie 2009; 63:335–345. *Abgerundete, berechnete Prävalenz 1/x (Hardy-Weinberg). ** Daten aus 21 europäischen Ländern.

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AATM im Vergleich

EPIDEMIOLOGIE

• AATM in Europa: eine der häufigsten seltenen Erkrankungen mit Lungenmanifestation15

• Überwiegende Mehrheit der Pi*ZZ-Individuen: Europa (~120.000)14

14. Blanco I et al. Int J COPD 2017; 12:561–9. 15. www.orpha.net, Stand: Juni 2017.

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Prävalenzen

EPIDEMIOLOGIE

• Z-Allel tritt besonders häufig in Nordeuropa auf (Südschweden, Lettland, Dänemark, Estland, Holland, Großbritannien und Irland)14

• 96 % aller AATM-Patienten zeigen den Genotyp Pi*ZZ: Eine Studie ergab eine Prävalenz von etwa 120.000 für Pi*ZZ in Europa, die meisten davon in Deutschland (20.611) und Frankreich (17.191)14

• S-Allel kommt am häufigsten in Südeuropa vor, v. a. in Spanien und Portugal16

• Null-Allele kommen in allen ethnischen Gruppen ähnlich selten vor

15. Blanco I et al. Int J COPD 2017; 12:561–9. 16. Luisetti M, Seersholm N. Thorax 2004; 59:164–169.

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AATM-Register

EPIDEMIOLOGIE

Es gibt Register zur Erhebung von Daten zur Zahl und zur Versorgung der Patienten sowie über den Langzeitverlauf der Erkrankung, zum Beispiel:

• Deutsches Register für AATM-Patienten in Marburg17

• seit 2004: Aufnahme der AATM-Patienten in das Register für AATM-Erkrankte nach klarer Diagnosestellung (www.alpha-1-register.de)

• NHLBI-Register18,19

• AATM-Register-Studiengruppe: registrierte über 3,5 bis 7 Jahre 1.129 AATM-Patienten (Pi*ZZ-Genotyp oder AAT-Level ≤ 11μM)

• Schwedisches Register20

• Nationales Schwedisches AATM-Register• Umfasste zwischen 1991 und 2014 1.561 Pi*ZZ-Patienten

• Polnisches Register21

• AATM-Screeningprogramm und Nationales Register• Erfassten zwischen 2010 und 2014 2.525 Patienten mit Lungenerkrankungen, davon 36 Pi*ZZ-Patienten

17. Koczulla R et al. Pneumologie 2008; 62:655–8. 18. The Alpha-1-Antitrypsin Deficiency Registry Study Group. Am J Respir Crit Care Med 1998; 158: 49–59. 19. Green CE et al. Respir Med 2016; 112: 81–7. 20. Tanash HA et al. Int J COPD 2016; 11: 1663–9. 21. Chorostowska-Wynimko J et al. COPD 2015; 12: 22–6.

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Diagnose

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Häufiger Verlauf

DIAGNOSE

• Seltene bzw. späte richtige Diagnose eines AATM aufgrund des seltenen Auftretens14

• Häufige Verwechslung von AATM und COPD infolge der Ähnlichkeit beider Krankheitsbilder22

• Laut Expertenschätzungen bislang nur 20 % der Betroffenen mit entsprechender Diagnose17

• Durchschnittlich 8,3 Jahre zwischen Beginn der Symptomatik und der Diagnose23

• Konsultation von etwa 5 Ärzten bis zur Diagnose AATM2

14. Blanco I et al. Int J COPD 2017; 12:561–9. 22. Sandhaus RA et al. Chronic Obstr Pulm Dis (Miami) 2016; 3:668–82.17. Koczulla R et al. Pneumologie 2008; 62:655–8. 23. Campos MA. Chest 2005; 128:1179–86. 2. Stoller JK et al. Cleve Clin J Med. 1994; 61:461–7.

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Testarten

DIAGNOSE

Es werden drei Kategorien der Testung voneinander unterschieden:4

• Diagnostische Testung = Testung von Personen mit Beschwerden oder klinischen Hinweisen auf einen AATM

• Prädiagnostische Testung = Identifizierung von Personen ohne Symptome, aber mit einem hohen Risiko eines AATM

• Screening = Programme, bei denen in bestimmten Populationen nach Individuen mit erblicher Prädisposition für Krankheiten gesucht wird

4. Konietzko A. Pneumologie 2005; 59:36–68.

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Hausarzt

DIAGNOSE

Anamnese:• Erfragen von pulmonalen Infekten und Atembeschwerden• Nikotinkonsum • Weitere Noxen• Familienanamnese (Emphysem, AATM, Bronchiektasie, Leberkrankheiten, Panniculitis)

AATM-Schnelltest*

• Schnelltest: Ergebnis nach 15 Minuten• Ausschluss der Z-Variante des Alpha-1-

Antitrypsin (AAT)-Proteins (negatives Testergebnis)

• Bei positivem Testergebnis: Überweisung des Patienten in ein Alpha-1-Center

• Der Test steht kostenlos zur Verfügung

*) Beipackzettel AlphaKit® QuickScreen, kostenfreie Bestellung unter www.alpha-1-info.de

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AATM-Schnelltest

DIAGNOSE

Ausschluss Z-Protein

Pi*MM-Probe – kein Z-Protein nachweisbar

kein Ausschluss Z-Protein

Pi*Z-Probe – Z-Protein nachweisbar (Pi*ZZ, Pi*MZ, Pi*SZ, Pi*Z/Null)

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Pneumologie und Alpha-1-Labor

DIAGNOSE

Bildgebende Methoden

• Röntgen Thorax24

24. Ferrarotti I et al. Thorax 2012; 67:669–74.

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Pneumologie und Alpha-1-Labor

DIAGNOSE

Bildgebende Methoden

• Computertomographie (CT)• High Resolution-Computertomographie (HRCT)

· Große Bullae in beiden Lungen· Panlobuläres Emphysem· Rarefizierung von Lungengewebe und Gefäßen

25. Silverman EK, Sandhaus RA. N Engl J Med. 2009; 360:2749–57.

verändert nach 25

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Pneumologie und Alpha-1-Labor

DIAGNOSE

Lungenfunktionsmessung

Eine Spirometrie gibt mithilfe eines Flusssensors Auskunft über den Luftstrom beim Atmen.Die Bodyplethysmographie dient der Messung des Residualvolumens (RV) und der totalen Lungenkapazität (TLC). Beim AATM-Patienten sind folgende Parameter verändert:• Forciertes exspiratorisches Volumen pro Sekunde

(Einsekundenkapazität, FEV1) ist vermindert und sinkt(typischerweise um etwa 60 – 200 ml pro Jahr)

• Forcierte exspiratorische Vitalkapazität (FVC) sinkt• Verhältnis FEV1/FVC ist verringert• Häufig verringerte CO-Diffusion auf < 80 %• Anzeichen für eine Überblähung der Lunge:

Residualvolumen (RV) undTotale Lungenkapazität (TLC) erhöht

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Pneumologie und Alpha-1-Labor

DIAGNOSE

Lungenfunktionsmessung

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Pneumologie und Alpha-1-Labor

DIAGNOSE

CT-Densitometrie

Für den Nachweis eines Lungenemphysemsist die Messung der Lungendichte mithilfe der CT-Densitometrie sinnvoll. Die Methodeist sensitiver für Veränderungen alsLungenfunktionsmessungen. Außerhalb von klinischen Prüfungen wird sie jedoch nicht zur Verlaufskontrolle empfohlen.22

22. Sandhaus RA et al. Chronic Obstr Pulm Dis (Miami) 2016; 3:668–82.

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Pneumologie und Alpha-1-Labor

DIAGNOSE

Untersuchungen im Alpha-1-Labor:

• Beim Alpha-1-Zentrum erfolgen drei Untersuchungen:• Nephelometrie (quantitative Bestimmung von AAT in der Probe)

CAVE: AAT ist ein Akute-Phase-Protein, d. h., während oder kurz nach einer Infektion kannein erhöhter Spiegel vorliegen. Deshalb ist eine gleichzeitige Bestimmung von CRP sinnvoll.

• Allelspezifische PCR (Genotypisierung) Isoelektrische Fokussierung, IEF (Phänotypisierung)

Eine moderne Methode zur Diagnose des AATM ist die Testung von Blutproben auf Filterpapiermithilfe des AATM-Labortest:• Blut des Patienten auf Filterpapier auftragen• An das Deutsche Alpha-1-Antitrypsin-Zentrum/Universität Marburg schicken• Ergebnis nach etwa zwei bis drei Wochen• Kostenfreie Untersuchung• Schriftliche Einwilligungserklärung des Patienten für die Durchführung von AATM-Labortest erforderlich

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Pneumologie und Alpha-1-Labor

DIAGNOSE

*) Beipackzettel AlphaKit® **) Beipackzettel AlphaKit® QuickScreen, kostenfreie Bestellung unter www.alpha-1-info.de

AATM-Labortest*:

• Screening mit AATM-Schnelltest** darf von allen Ärzten durchgeführt werden.

• Anwendung des AATM-Labortest ist erlaubt, sofern es sich um die Abklärung einer bereits bestehenden Erkrankung oder einer gesundheitlichen Störung (z. B. COPD, Asthma, Lungenemphysem) handelt.

• Anwendung des AATM-Labortest unterliegt zwar dem Gendiagnostikgesetz (GenDG), darf jedoch nach § 7 Abs. 1 GenDG von jedem Arzt ohne zusätzliche Qualifikation zur Geno-/ Phänotypisierungdurchgeführt werden.

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Leilinien

DIAGNOSE

4. Konietzko A. Pneumologie 2005; 59:36–68.

Empfehlung zur diagnostischen Testung auf AATM nach den ATS/ERS-Leitlinien4:

• Frühe Manifestation eines Emphysems (unabhängig von einer Nikotinanamnese)• Alle Patienten mit COPD oder symptomatische Asthma-Patienten mit ungenügend reversibler Atemwegsobstruktion• Familienangehörige bei bekanntem AATM in der Familie• Lebererkrankungen unklarer Genese (Neugeborene bis Erwachsene)• Patienten mit nekrotisierender Panniculitis• Persistierende Dyspnoe und Auswurf bei verschiedenen• Familienmitgliedern gleicher oder verschiedener Generationen• Patienten mit Bronchiektasen ohne erkennbare Ursache• Morbus Wegener-Patienten (c-ANCA-positive Vaskulitis)

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Patientenfälle

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Fall 1: Späte Diagnose

PATIENTENFÄLLE

Anemnese

Ein 54-jähriger männlicher Patient, früher Raucher, leidet seit dem Alter von 40 Jahren unterAtemnot bei Anstrengung und paroxysmaler Dyspnoe (nicht nächtlich und nicht einschränkend).• In den vergangenen Jahren: „Akute Bronchitis“ mindestens einmal pro Jahr• „Gelegentlicher“ Husten mit klarem Auswurf

Im Alter von 46 Jahren bekommt der Patient die Diagnose "COPD mit schwerer Atemwegsobstuktion" von seinem Hausarzt.

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Fall 1: Späte Diagnose

PATIENTENFÄLLE

Diagnose und Laborergebnisse Schwere COPD

• Empfehlung: Raucherentwöhnung

• COPD-Therapie

HRCT: Emphysem (zentral lobulär apikal,panlobulär basal), Bronchiektasen

AAT-Serumkonzentration: 0,25 g/(Norm 0,9-2)

Genotypisierung: Pi*ZZ

Familien-Screening: Schwester Pi*MZ

Überweisung zum Pneumologen

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Fall 1: Späte Diagnose

PATIENTENFÄLLE

Therapie

• Einstellung optimale COPD-Therapie

• 2007 Raucherentwöhnung

• Danach: Substitutionstherapie mit Prolastin

(60 mg/kg/Woche)

Nachsorge

• Patient symptomatisch stabil, keine

Exazerbationen

Deutliche Verbesserung von FEV1 und DLCO in den ersten Jahren nach Beginn der Substitutionstherapie, danach schleichende Verschlechterung

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Fall 2: Genetische Prädisposition

PATIENTENFÄLLE

Anamnese

Ein 55-jähriger männlicher Patient, früher Raucher, zeigt seit dem Alter von 48 bleibendeSymptome: Atemnot, Husten und Auswurf.

• Nach vielen Besuchen bei Gesundheitsdienstleistern und in der Notaufnahme konsultiert der Patient einen Pneumologen.

• Körperliche Untersuchung: asthenischer Habitus, basale O2-Sättigung 93 %, verminderte vesikuläre Atemgeräusche, Giemen beim Ausatmen

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Fall 2: Genetische Prädisposition

PATIENTENFÄLLE

Diagnose und Laborergebnisse

Röntgen/HRCT:panlobuläres pulmonalesEmphysem

AAT-Serumkonzentration:12,6 mg/dL

Genotypisierung:Pi*ZZ

COPD mit schwerem AATM

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Fall 2: Genetische Prädisposition

PATIENTENFÄLLE

Therapie

• COPD-Therapie • Nach der Diagnose AATM:

zusätzliche Substitutionstherapie

Nachsorge

• Patient symptomatisch stabil, klinische und funktionale Verbesserungen erkennbar

Familien-Screening

Bei seinem 47-jährigen Bruder, früherer Raucher, wird ein Pi*ZZ-AATM diagnostiziert.

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Fall 2: Genetische Prädisposition

PATIENTENFÄLLE

Familien-Screening

Trotz des Genotyps Pi*ZZ zeigt der Bruder des Patienten nie Symptome. Die nachfolgenden Kontrolluntersuchungen geben keinen Hinweis auf ein Emphysem oder eine andere Atemwegserkrankung.

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Zusammenfassung

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Zusammenfassung

• Häufig frühes Auftreten von COPD-ähnlichen Beschwerden

• AATM ist sehr selten, aber kommt häufiger vor als gedacht…!!!

• Daran denken !! bei allen COPD + symptomatische Asthma-Patienten, Familienangehörige bei AATM-Patienten / Aufklärung der Angehörigen etc.

• Schnelle Diagnostik mit AATM-Schnelltest möglich!

• Therapieeinstellung und -optimierung nach LL (medikamentöse + non-medikamentöse Thx)

• Dringend: Nikotinentwöhnung !!

• engmaschige fachärztliche Kontrolle (z.B. alle 3-6 Monate) empfohlen

Page 43: Diagnose und Therapie von Alpha-1-Antitrypsin-Mangel · Inhaltsverzeichnis • Klinische Manifestationen und Symptome • Pathogenese und Epidemiologie • Diagnose • Zwei Patientenfälle

Literaturverzeichnis

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