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VR-Future 26 Exzentrisch wie sein Brillen- design: Dieter Funk

Dicke Dinger

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Das bayerische Brillen-Label Funk

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Exzentrisch wie sein Brillen-design: Dieter Funk

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Es ist egal, ob man den Namen deutsch oder englisch ausspricht.

Ob man damit den Inhaber meint, die Musik oder den Sty-le. „Funk“ passt auf alle drei. Und will heißen: Ich bin schrill. Einen passenderen Namen hätte Dieter Funk für seine abgefahrene Brillenkol-lektion, damals Anfang der 90er Jahre, wohl nicht finden können. Damals als er gerade aus dem „Freudenhaus“ kam, einem angesagten Münchner Optikladen, deren Mitbegrün-der er war, der ihm aber ir-gendwann „Experimentier-freude und Underground“ vermissen ließ. Funk, gelernter Optiker, wollte lieber eine „to-tal abgedrehte Sache“ machen: Brillen, die eigentlich gar nicht mehr tragbar sind, wo es einfach nur ums Design und seinen Möglichkeiten gehen sollte.

Die „Mask“ war so ein abgefahrenes Ding: wuchtiger, wei-ßer Kunststoffrahmen mit schwarzen Gläsern, die stark an Puck, die Stubenfliege aus Biene Maya, erinnerte. Doch Popstar Lenny Kravitz, dessen aufgekratzter Mix aus Rock, Soul, R’n’B und Psychedelic 1993 für Gänsehaut sorgte, schien sie durchge-knallt genug, um sich das Teil glatt auf die Nase zu setzen. An-dere schillernde Größen der Musikszene taten es ihm nach: Anastacia, Die Toten Hosen, Guano Apes, Killer Barbies, Xavier Naidoo, Thomas D. von Fanta Vier, Tom Novy ...

„Die haben sich wie die Geier auf meine Brillen gestürzt, so dass die Marke innerhalb kürzester Zeit bekannt wurde“, er-innert sich Funk, der auch als DJ in Clubs rund um den Erdball passioniert die Regler dreht: Funk, Soul, „derbe Dinger aus den 50ern, 60ern bis hinein in die 70er, die brutal in die Beine ge-hen, auch mal Electro-Funk oder „Mashups“, sprich eigene Mixes“. Den richtigen Zeitpunkt habe er da scheinbar getroffen mit seinen Brillen, als die Techno-Bewegung so richtig am hochkochen war. Man mit Kleidung und Musik provozieren, als Generation ein neues Statement habe setzen wollen. Und Funk-Brillen waren das passende Accessoire dazu: eigenwillig, bunt, auffallend – einfach schräg.

16 Jahre liegen hier dazwischen. Wer heute in die Tiefen des Funk-Headquarters vordringen will, muss sich nach Kin-

sau im oberbayerischen Pfaf-fenwinkel aufmachen. Neben dem Kuhstall, aus dem ein Fleckvieh muhend seinen Kopf reckt, parkt man das Auto. Um dann über einen roten Teppich schreitend die Klinke der massiven Ein-gangstüre eines fast 400-jäh-rigen Bauernhauses zu drü-cken. Würde nicht das Schild über dem Eingang auf „Funk Optik“ hinweisen, man könnte meinen, sich verfah-ren zu haben. Kirchenglo-ckengeläut, Grillengezirpse, Blätterrauschen – der Punk, mit dem man Funk verbindet, geht woanders ab.

„Ich hab’ soviel Großstadt und so viele Eindrücke von verschiedenen Kulturen und Clubs. Da bin ich froh, wenn ich von meinen Reisen hierher

komme und einfach Ruhe habe. Das ist der Ausgleich, den ich brauche“, sagt Dieter Funk. Dort, im ländlich-pittoresken Tau-send Seelen-Dorf, hat er mittlerweile sein Zuhause und mit ihm auch Entwurf, Marketing, Logistik und Versand der Firma. Produziert wird in Asien – nicht aus Kostenersparnis, sondern weil es in Deutschland an qualifizierten Herstellerbetrieben fehle. Doch nach intensiver Suche ist Dieter Funk nun fündig geworden, und es ist sehr wahrscheinlich, dass er bald wieder hierzulande produzieren wird.

Messen, Auflegen in internationalen Clubs, Vertriebspart-ner in Paris, Tokio, Seoul, Bangkok, New York, L.A., Vancouver ... In der Abgeschiedenheit kann der Designer „einen Gang run-ter schalten, die Eindrücke sacken lassen und sie verarbeiten“. Früher, vor sechs Jahren, als Funk noch in München-Schwa-bing saß, wären nach einer Reise schon wieder die Nachbarn auf der Matte gestanden und hätten gefragt, was heute noch geht. „Mittlerweile macht das auch mein Körper gar nicht mehr mit“, meint der 42-Jährige.

Die Zeiten haben sich geändert. Ende der 90er Jahre ebbte die große Techno-Welle ab und damit auch der anfängliche Funk-Hype. Aber das innovative Independent-Label sei darauf nicht unvorbereitet gewesen. „Wir haben uns dann von dieser technoiden Geschichte, wo wir eigentlich gar nicht hin wollten und die eher eine Eigendynamik entwickelt hatte, wegbewegt

Dicke DingerDas innovative Optik-Label „Funk“ hat den richtigen Durchblick. Seit 16 Jahren erfindet es sich immer wieder neu. Und trifft in Sachen Zeitgeist stets ins Schwar-ze. Eine Erfolgsgeschichte aus dem bayerischen Oberland.

Funk optik

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Bei alexandra schuster laufen alle Marketingfäden zusammen

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und sind verstärkt in die Trendsportszene eingestie-gen, in der wir uns auch schon Anfang der 90er-Jahre bewegt hatten“, erklärt der Brillen-Freak. Die nächste Funk-Häutung kam etwa 2002 mit einer kleinen Optik-Kol-lektion, die Funk zunächst de-zent unter die Leute streute: „sehr massive, eckige, dunkle Kunststoffbrillen, die heute hochaktuell sind, aber für da-mals viel zu früh waren, abso-lute Nerd-Teile“.

Doch bei den Trend-Opti-kern kamen sie an. Sie bestär-kten Dieter Funk darin, Fas-sungen zu machen, die nicht gleich jeder verstand, und so baute er die Marke „Funk Ro-yal Optik“ langsam auf: Retro-Klassik aus hochwertigen optischen Brillen und Sonnen-brillen, welche die 50er- und 60er-Jahre aufgreifen, aber auf Heute definiert sind. Wie in der Mode auch lasse sich Funk von Dingen inspirieren, die schon existieren, und transportiere sie ins Jetzt. Das Motto: Nerd is back! „Junge Typen laufen in Bundfalten-hosen, Pullundern und sch-malen Lederkrawatten rum und haben so ein dickes Teil im Gesicht – das ist Nerd-Sty-le, der noch massiver in Mode kommen wird“, prophezeit der Trendaufspürer. In den 70ern als Kassengestell belächelt, sei das jetzt Fashion.

„Real Funk for real peo-ple“ hat Dieter Funk seinen dicken Dingern als Slogan ver-passt. Bei der aktuellen Werbekampagne posieren deshalb nicht glatt gebügelte Models, sondern die Nachbarn aus dem Dorf – darunter der Bauer von nebenan, der Tante Emmaladen-Besitzer und sogar der Bürger- meister quer durch alle Altersschichten von 18 bis 80 Jahren. Seitdem rennt halb Kinsau mit Funk-Brillen durch die Gegend.

Funks Erfolg sieht er in Individualität und Authentizität, die er auch selbst lebt. „Etwas Besonderes zu haben und nicht von einem großen Konzern als Litfaßsäule für ihre Marke herhal-ten zu müssen – das ist vielleicht das Rezept, was aufgeht. Damit fahren wir sehr gut.“ Wie gut, darüber spricht er nicht. Umsatz- und Verkaufszahlen dringen nicht nach außen. Nur soviel: „Wir verkaufen genug Brillen, um alle, die bei Funk arbeiten, zu ernähren.“

Allzu viele Mäuler sind hier nicht zu stopfen. Die Funk-Fa-milie besteht aus 15 Mitarbeitern, die sich auf den Firmensitz und drei eigene Läden in Berlin, München und Kinsau vertei-len. „Viel größer möchte ich erst mal nicht werden“, sagt Funk.

Braucht er auch nicht zwin-gend. Die Produkte der inter-national bekannten Under-ground-Marke, die mittlerweile auch Klamotten und Accessoires designt, wan-dern weltweit zu Ver-triebspartnern in 25 Ländern. Optikerketten werden ver-schmäht. Fielmann habe sich deshalb schon einige Male eine Abfuhr eingeholt. „Wir arbeiten auch im Optik-Be-reich mit Idealisten.“

Dass sie dort ankommen, dafür sorgt Daniel Grimm. Der 23-jährige Groß- und Au-ßenhandelskaufmann wickelt den kompletten Versand ab: nimmt Bestellungen an, schreibt Auftragsbestätigun-gen und Rechnungen, meldet die Ware beim Zoll an, stellt dafür die nötigen Papiere zu-sammen und verpackt das empfindliche Gut. Aber ei-gentlich sei er der Mann für alles. „Wer etwas braucht oder etwas wissen will, für den bin ich der Ansprechpartner.“ In seinem Lager im Keller sta-peln sich etwa 300 Modelle in bis zu sechs Farben in den Regalen. Keine Brille kann sich vor ihm verstecken. Da-niel Grimm findet sie alle.

Kurz vor der Mittleren Rei-fe machte er ein Praktikum bei Funk, bekam nach seinem Abschluss eine Zusage für eine zweijährige Ausbildung zum Groß- und Außenhan-delskaufmann und wurde

danach gleich übernommen. Skateboarden hatte ihn damals in die Firma gebracht. In der Szene war das Brillenlabel bekannt, und es gab einen Kontakt dorthin. Inzwischen ist Daniel Grimm selbst von der Marke infiziert. „Man steigert sich da im-mer mehr rein, weil unser Chef großartige Ideen hat, und der Job immer interessanter für mich wird – was auch damit zu tun hat, dass ich immer unersetzbarer werde.“

Einmal Funk, immer Funk. Wer zu dem bayerischen Bril-lenclan dazu stößt, kommt selten wieder weg. Alexandra Schu-ster gehört da fast schon zum Inventar. Seit 15 Jahren hat sie alle Höhen und Tiefen der Firma mitgemacht. Eigentlich gelernte Fremdsprachenkorrespondentin und Werbekauffrau wurde sie von Dieter Funk bei einer Werbeagentur abgewor-ben, hatte sich bei Funk immer mehr auf die Grafik konzen-triert, sich Grafikprogramme selbst beigebracht, mit Drucke-reien herumgeschlagen. „Ich wurde voll ins kalte Wasser geworfen, aber da lernt man ja bekanntlich am besten“, erin-nert sich die 37-Jährige.

Nun arbeitet Alexandra Schuster Brillenentwürfe aus, ent-

augenoptiker Dominic Ferlings sorgt für den richtigen sitz der Brillen

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wirft Präsentationen für die Kollektionen, schaltet Anzeigen-kampagnen, arbeitet Sticker-Aktionen und Partykonzepte aus, kümmert sich ums Merchandising, kontaktiert Künstler, orga-nisiert Vernissagen und Finissagen, betreut auch weltweit die ausländischen Vertriebspartner von Korea bis USA und ist über-zeugt: „Hier kann ich mich voll entfalten“. Das einzige, was sie vermisst, sei der Austausch mit anderen Frauen. Weil es die hier außer ihr und der Buchhalterin nicht gibt. Dafür übt sich die Funk-Familie im Schulterschluss. „Wir sind eine eingeschwo-rene Gemeinschaft, die sehr freundschaftlich miteinander um-geht.“ Oft säße man nach Fei-erabend noch in der urigen Küche zusammen und entkor-ke ein Bier. Und dass auch das Feiern nicht zu kurz kommt, beweist die Bar im Garten, die jedoch wegen schlechten Wet-ters und Zeitmangel immer noch auf ihren Einsatz wartet.

Dieter Funk ist in Eile. In zwei Stunden hebt der Flieger nach Berlin ab, wo ihn „sechs Tage Beballerung“ erwarten werden: Besuch der Fashion Week und der Modemesse „Premi-um“, Treffen mit Modedesignern verschiedener Underground-Labels, mit denen er darüber philosophieren möchte, wo die nächsten Jahre der Trend hingehen wird, und auch eine Som-merparty im Hof des Berliner Funk-Ladens steht an. Um noch mehr über seine Brillen zu erfahren, sollte man doch auch in seinem neuen Laden in München-Schwabing vorbei schauen.

„Funk ist eines der noch wenigen unabhängigen Labels, die selber entscheiden, wie sie ihre Brillen machen. Mit unserer Kollektion bieten wir eine echte Alternative zu all diesem gela-beltem Einheitsbrei, der von großen Konzernen auf den Markt geworfen wird“, erklärt Augenoptiker Dominic Ferlings. „Und

da ich mich selbst auch ungern verbiege, hat mich diese Firma überzeugt.“ Seit März arbeitet der 25-Jährige sowohl im Laden, als auch im Außendienst von Funk-Optik und ist überzeugt: „Für mich haben sich hier vielfältigere Perspektiven aufgetan als in einem herkömmlichen Optikergeschäft.“ Eine Woche tourt Dominic Ferlings von Würzburg bis Flensburg, eine Woche bearbeitet er die Strecke nach, eine Woche steht er im Laden. Seine Aufgaben reichen da weit über die eines Augenop-tikers hinaus: Kunden beraten, verkaufen, dekorieren, Events und Give away-Aktionen andenken, Augengläser bestimmen,

sie zuschleifen, Bürokram er-ledigen, die Kasse machen, Waren auszeichnen, bis hin zum Saubermachen. Zusam-men mit seinem Kollegen

würde er eigentlich alles machen, was den Laden am Laufen hält. „Dadurch hat man auch auf jeden Bereich einen Einfluss.“

Dominic Ferlings Kunden seien Individualisten, Künstler, Eigenbrödler, Freaks und Kreative jeden Alters. „Hier kommen Leute rein, die nicht uniformiert wie die Lemminge rumlaufen wollen.“ Was sie finden, sind neben Original Vintage-Brillen die aktuelle Royal Optik-Kollektion mit Namen aus Mythen und Legenden. Kriemhild, Brunhild, Alberich, Leonidas, Arhus, Odin, Hagen von Tronje – in Reih und Glied setzen sich die He-roen vergangener Zeiten in Szene. So imposant die Namen, so selbstbewusst ihr Auftreten.

Dick aufzutragen ohne dabei gekünstelt zu wirken – Funk ist damit scheinbar nicht tot zu kriegen. Vielleicht wird irgend-wann in ferner Zukunft noch mal ein Außerirdischer auf eine Funk-Brille stoßen und sich denken: Eigenartig müssen sie da-mit ausgesehen haben, die Menschen.

„Mit unserer Kollektion bieten wir eine Alternative zu all diesem gelabelten Einheitsbrei, der von groß-en Konzernen auf den Markt geworfen wird“

groß- und außenhandelskaufmann Daniel grimm hütet die Funk-Modelle und verschickt sie in alle Welt