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"Die 25 wichtigsten Entscheidungen des IX. Zivilsenats aus den letzten 12 Monaten" Berlin/Brandenburger Arbeitskreis für Insolvenzrecht e. V./ Verband junger Insolvenzverwalter e.V. Berlin 1. September 2011 Referent Richter am BGH Dr. Gerhard Pape 18.05.22 1 RiBGH Dr. Gerhard Pape

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"Die 25 wichtigsten Entscheidungen des IX. Zivilsenats aus den letzten 12 Monaten"

Berlin/Brandenburger Arbeitskreis für Insolvenzrecht e. V./

Verband junger Insolvenzverwalter e.V.Berlin 1. September 2011

ReferentRichter am BGH Dr. Gerhard Pape

26.04.23 1RiBGH Dr. Gerhard Pape

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EröffnungsverfahrenTeil 1

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Antragstellung nachrangiger Insolvenzgläubiger Zulässigkeit des Antrags eines nachrangigen Insolvenz-

gläubigers trotz fehlender Befriedigungserwartung (BGH, Beschl. v. 23.9.2010 – IX ZB 282/09, ZInsO 2010, 2091)

Aus § 174 Abs. 3 InsO folgt nicht, dass nachrangigen Gläubigern das Rechtsschutzbedürfnis für einen Insolvenzantrag fehlt

Forderungen bei der Überschuldungsprüfung zu berücksichtigen Antragsbefugnis nicht generell vom Bestehen einer

Befriedigungsaussicht abhängig Rechtsschutzbedürfnis auch im Fall völliger Masseunzulänglichkeit

unberührt Abweisung mangels Masse unterbleibt bei Kostenvorschuss Antragspflicht (§ 15a InsO) muss auch für Gesellschafter, die i.d.R

nur über nachrangige Forderungen verfügen, erfüllbar bleiben

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Zulässiges Zweitinsolvenz-verfahren nach Freigabe Fall: Insolvenzantrag eines Neugläubigers (SVT) auf Eröffnung eines

Sonderinsolvenzverfahrens über freigegebenes Vermögen des Schuldners (Steuerberater)

Grds. Kein rechtlich geschütztes Interesse der Gläubiger an weiterem Insolvenzverfahren (BGH, ZInsO 2004, 739; BGH, ZInsO 2008, 924), weil alle Einkünfte einschließlich Neuerwerb Masse des Altverfahrens

Ausnahme: Verfahren über nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebene selb-ständige Tätigkeit (BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, ZInsO 2011, 1349)

Ausschließlicher Zweck: Befriedigung der Neugläubiger Abführungspflicht entsprechend § 295 Abs. 2 InsO

Anmeldung als Insolvenzforderung Vollstreckungsverbot (§ 89 Abs. 1 InsO) greift nicht – Eröffnung

keine Vollstreckung zugunsten einzelner Gläubiger Darlegung/Glaubhaftmachung, dass Masse vorhanden,

Befriedigungsaussichten gegeben, nicht Antragsvoraussetzung Kostendeckung (§ 26 InsO) ????; Zulässigkeit von RSB-Anträgen (-)

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Vorläufiger Verwalter - Pflicht zur Zustimmung zur Veräußerung von Absonderungsgut I SV: Ablehnung der Bitte des durch kaufmännisches

Zurückbehaltungsrecht gesicherten besitzenden Gläubigers, gewinnbringendem freihändigem Verkauf zuzustimmen, durch vorl. IV mit Zustimmungsvorbehalt (BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, ZInsO 2011, 1463)

Zustimmungserteilung nach § 1246 Abs. 1 BGB Fehlender Bereitschaft zur Abführung eines Teilbetrags an die

Masse nicht ausreichend für Zustimmungsversagung Haftung des vorl. IV aus § 60 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1

InsO wegen Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten gegen-über Absonderungsberechtigten (vgl. Graeber in Pape/Grae-ber, Handbuch der Insolvenzverwalterhaftung, Teil 2 Rz. 392)

Keine Entlastung wegen fehlender Schuldnerzustimmung Pflicht zur Einholung einer Einzelermächtigung bei fehlender

Mitwirkungsbereitschaft des Schuldners

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Vorläufiger Verwalter - Pflicht zur Zustimmung zur Veräußerung von Absonderungsgut II

Pflichten des vorläufigen mitbestimmenden IV Sicherung und Erhaltung der Insolvenzmasse

Allg. Aufgabe, ausdrückliche gerichtliche Festlegung entbehrlich Überwachung des Schuldners Grds. Fehlende Berechtigung zur Masseverwertung

Schutz des Schuldners vor unwiederbringlichen Einbußen Kein Vorgriff auf Verfahrenseröffnung Verbot der Veräußerung für spätere Fortführung bedeutsamer

Gegenstände Aber: Berechtigung zur Verwertung in Sonderfällen

Unaufschiebbarkeit/Schädigung der späteren Masse Wahrnehmung günstiger Verwertungsmöglichkeit

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RegelinsolvenzTeil 2

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Lastschriftenwiderruf - Genehmigungsfikton Wirkung der Genehmigungsfiktion der Nr. 7 Abs. 4 AGB-

Sparkasse auch ggü. Vorläufigem Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (BGH, Urt. v. 30.9.2010 – IX ZR 178/09, ZInsO 2010, 2089; v. 21.10.2010 – IX ZR 240/09, ZInsO 2010, 2293, Aufgabe von BGHZ 174, 84, 92 ff.)

Erklärungsempfänger für ausdrückliche Genehmigung ist die Zahlstelle oder der Schuldner, nicht der Zahlungsempfänger

konkludente Genehmigung bei regelmäßig wiederkehrenden Lastschriften aus Dauerschuldverhältnissen oder laufenden Geschäftsbeziehungen, sofern für Zahlstelle erkennbar

Ungewöhnliche Zahlungen nicht erfasst (nicht: z.B. einmalige Abrechnung) Wirksamwerden der Lastschriftbuchung mit (fiktiver)

Genehmigung (= Verfügung) Anfechtungsrechtlich maßgeblicher Zeitpunkt Keine Rückwirkung auf Einziehung/Belastungsbuchung

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Lastschriftenwiderruf – konkludente Genehmigung Grds. Berechtigung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit

Zustimmungsvorbehalt Genehmigung des Schuldners und den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu verhindern (BGH, Urt. v. 26.10.2010 – XI ZR 562/07, ZInsO 2010, 2393 ; v. 23.11.2010 – XI ZR 370/08, ZInsO 2011, 95)

Die weitere Nutzung des Kontos in Kenntnis einer Belastungsbuchung aus einer Einzugsermächtigung über einen Monat, ohne Widerspruch gegen die Abbuchung enthält keinen Erklärungswert, aus dem die kontoführende Bank ohne Hinzutreten weiterer Umstände die Billigung der Lastschriftbuchung durch den Kontoinhaber entnehmen kann

Im unternehmerischen Geschäftsverkehr kann aus der Schaffung einer ausreichenden Kontodeckung für weitere Dispositionen in Kenntnis erfolgter Abbuchungen durch zeitnahe konkrete Einzahlungen oder Überweisungen im Einzelfall eine konkludente Genehmigung bereits gebuchter Lastschriften entnommen werden

Vor.: Bank gewinnt Überzeugung, Buchungen sollten Bestand haben Abgrenzung zwischen Unternehmern und Verbrauchern bei konkludenter

Genehmigung (BGH, Urt. v. 3.5.2011 – XI ZR 152/09, ZInsO 2011, 1308)

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Beobachtungs- und Erkundi-gungspflichten einer Behörde I Fall: Aufrechnung von Umsatzsteuerforderungen

gegen Ansprüche aus Bauleistungen (BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 155/08, ZInsO 2011, 1454)

Maßgeblicher Zeitpunkt für Anfechtung bei Bauleistungen Nicht Abschluss des Werkvertrags, sondern Werthaltigmachen der

Forderungen, d. h. Erbringung der Bauleistungen, die Befriedigungsmöglichkeit 8ggf. Auch durch Aufrechnung) schafft - § 140 Abs. 1 InsO

Anfechtbarkeit der Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 133 Abs. 1 InsO

Für Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes nicht allein das Wissen der den Auftrag gebenden Behörde (Hochbauamt) maßgeblich, wenn andere Behörde (Finanzamt) beteiligt, deren Forderung für Aufrechnung herangezogen wird

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Beobachtungs- und Erkundi-gungspflichten einer Behörde II Keine generelle Wissenszurechnung aller Behörden eines

Landes – Zuständigkeitsgrenzen grds. zu respektieren Grds. Kenntnis aller Bediensteten der zuständigen Behörde

maßgeblich Organisationsbedingte Wissensaufspaltung darf sich nicht zulasten der

Geschäftspartner auswirken, gilt auch für Ämter und Behörden Organisationsstruktur muss Wahrnehmung und Weiterleitung aller tat-

sächlich zugegangenen Informationen an Entscheidungsträger sicherstellen (BGHZ 140, 54, 62; BGHZ 182, 85 = ZInsO 2009, 1646)

Geltung für Banken – BGH, ZInsO 2006, 92 Geltung für Versicherungen – BGH, ZInsO 2010, 912

Aber: Zurechnung bei gezielter Ausnutzung des Wissens einer anderen Behörde zum Vorteil des gemeinsamen Rechtsträgers

Bildung einer auftragsbezogenen Haftungs- und Informationseinheit Zurechnung aller für die Aufrechnung relevanten Informationen

Beobachtungs- und Erkundigungspflichten institutioneller Gläubiger wie Finanzamt und Sozialkassen

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Insolvenzanfechtung – Zahlungseinstellung I Feststellung der Zahlungseinstellung mit Hilfe von

Indiztatsachen (BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZInsO 2011, 1410) – langjährige Ratenzahlungen an FA

Benachteiligungsvorsatz (+), sofern Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkennt und billigt

Regelmäßig vorliegender Benachteiligungsvorsatz bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit

Vermutung des B. bei Kenntnis seiner drohenden Zahlungsunfähigkeit Entbehrlichkeit einer Liquiditätsbilanz im

Anfechtungsprozess, sofern Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet

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Insolvenzanfechtung – Zahlungseinstellung II Zahlungseinstellung = nach außen hervortretendes Ver-

halten, das mindestens für die beteiligten Verkehrs-kreise typischerweise ausdrückt, dass Schuldner nicht in der Lage, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen

Nichtzahlung einer einzigen Forderung möglicherweise genügend Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit monatelang unmöglich Bei ausreichenden Beweisanzeichen Feststellung der genauen Höhe

oder Unterdeckung von mindestens 10 v.H. entbehrlich Beweisanzeichen

Forderungen zum Anfechtungszeitpunkt bei Eröffnung noch offen Nichtzahlung sowie schleppende Zahlung von Steuerforderungen Jahrelange Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen Immer wieder erneuernde Forderungsrückstände Verschiedenen Vollstreckungsverfahren Schuldner im Zeitpunkt der Fälligkeit Zahlung außerstande zur Leistung,

deshalb vorsorglich Stundungsvereinbarung mit Finanzamt

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Deckungsanfechtung – Kontokorrentrückführung Einheitliche (Kongruenz-)Betrachtung der

Verrechnungen im ungekündigten Kontokorrent (BGH, Urt. v. 7.7.2011 – IX ZR 100/10, ZInsO 2011, 1500)

Kongruenz, soweit Bank erneute Verfügungen des Schuldners über eingehende Beträge zulässt

Anfechtung allenfalls nach § 130 InsO Inkongruenz der Verrechnung in kritischer Zeit eingehender

Zahlungen mit Debet, weil kein Anspruch auf Rückführung des ungekündigten Kredits

Keine Aufspaltung der Betrachtung auf einzelne Monate vor Verfahrenseröffnung entsprechend den zeitlichen Grenzen der Anfechtungstatbestände von § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nrn. 2 u. 3

Drohende Inkongruenz angefochtener Zahlungen im 2. u. 3. Monat kann im letzten Monat oder danach noch beseitigt werden

Ebenso wie höchster Sollstand im Anfechtungszeitraum nicht maßgeblich (BGH, ZInsO 2008, 159 Rn. 4), auch geringster Sollstand nicht entscheidend für Anfechtung

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Vorsatzanfechtung – Pfändung offener Kreditlinie Fall: Überweisung von Teilbeträgen von gepfändetem Konto

mit offener Kreditlinie an FA zum Ausgleich von Steuerrück-ständen (BGH, Urt. v. 9.6.2011 – IX ZR 179/08, ZInsO 2011, 1350)

Rechtshandlung bei Überweisung durch Schuldner unproblematisch Abgrenzung zum bloßen Dulden der Zwangsvollstreckung ohne Zutun

des Schuldners, der diese „über sich ergehen lässt“ Kein Ausschluss der Gläubigerbenachteiligung wegen

vorherigem unanfechtbaren Pfandrechtserwerb an künf-tigen Forderungen

Begründung des Pfandrechts an Einzelbeträgen (§ 140 InsO) erst mit Abruf der Beträge

Vor Abruf kein Auszahlungsanspruch des Schuldners Abruf = Rechtshandlung: jedes von einem Willen getragene

Handeln, das Rechtswirkungen auslösen soll

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Deckungsanfechtung – Direktzahlung Anfechtbarkeit der (vertraglich nicht vereinbarten) Zahlung

des Endmieters an den Vermieter auf Anweisung des Zwischenmieters (BGH, Urt. v. 20.1.2011 – IX ZR 58/10, ZInsO 2011, 421)

Gläubigerbenachteiligung = Rechtshandlung vermehrt die Schuldenmasse oder verkürzt Aktivmasse, dadurch Zugriff auf das Schuldnervermögen verkürzt, vereitelt oder erschwert

Unerheblichkeit hypothetischer Geschehensabläufe – z.B. einer möglichen fristlosen Kündigung des Vermieters

Direktzahlung auf Anweisung des Zwischenmieters (mittelbare Zuwendung) statt Zahlung an Zwischenmieter stellt inkongruente Deckung dar

Nicht unerhebliche Abweichung vom üblichen Zahlungsweg Folge: Anfechtbarkeit nach § 131 Abs. 1 InsO

Bargeschäftseinwand ausgeschlossen bei Inkongruenz

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Anfechtung von Lohnzahlungen/Sozialabgaben - Zuständigkeit Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für die Klage des Insolvenz-

verwalters gegen einen Arbeitnehmer des Schuldners auf Rückgewähr vom Schuldner geleisteter Vergütung nach § 143 Abs 1 InsO (GmS-OGB, Beschl. v. 27.9.2010 – 1/09, ZInsO 2010, 2400)

Einstufung als bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG

Rechtsstreitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis, materiell-rechtliche Anspruchs-grundlage des Klageanspruchs bedeutungslos, enge Verknüpfung eines Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis entscheidend

Vorteile des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, geringe Kosten, Beteiligung von Laienrichtern pp., verfahrensrechtlicher Schutz

Insolvenzverwalter wird Arbeitgeber (§ 80 InsO) Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Anfechtungsklagen gegen

Sozialversicherungsträger (BGH, Beschl. v. 24.3.2011 –IX ZB 36/09, ZInsO 2011, 723), „Vorteile“ arbeitsrechtlicher Verfahren nicht übertragbar

Bürgerlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. Entscheidung des GmS-OGB – Rückgewähranspruch aus § 143 Abs1 BGB insolvenzrechtlicher Natur

Kein durch Leistungsbescheide pp. regelbares Über-/Unterordnungsverhältnis Ausschließliche Regelung arbeitsrechtlicher Anfechtungsklagen durch GmS-OGB

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Forderungsanmeldung –Einstufung von Verwandtendarlehen Stellt ein Dritter (Verwandter des Gesellschafters des

Schuldners) der Gesellschaft ein Darlehn zur Verfügung, handelt es sich nicht schon deshalb um ein Gesellschafter-darlehen, weil es sich bei dem Dritten um eine dem Schuldner nahestehende Person i. S. d. § 138 InsO handelt (BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 131/10, ZInsO 2011, 626)

Folge: Feststellung der Darlehensrückforderung als nicht nachrangige Insolvenzforderung (§ 38 Ins)

Kein Fall des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO i.d.F. MoMiG Die Gewährung eines ungesicherten Darlehens durch eine

nahestehende Person bewirkt keinen Beweis des ersten Anscheins für eine wirtschaftliche Gleichstellung mit einem Gesellschafterdarlehen

Auf Anfechtungsrecht zugeschnittenen Regelung des § 138 InsO nicht auf Neuregelung der Rückforderung von Gesellschafterleis-tungen nach MoMiG anwendbar

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 18

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Aussonderungsrecht an Treuhandkonten - Phoenix Kein Aussonderungsrecht des Anlegers an Treuhandkonten nach

Eröffnung des Verfahrens nach Behandlung der eingezahlten Fremdgelder als eigenes Vermögen durch Anlagegesellschaft (BGH, Urt. v. 10.2.2011 – IX ZR 49/10, ZInsO 2011, 784)

RG: Aussonderung nur bei unmittelbarer Übertragung des Treuguts auf Vermögen des Treunehmers (RGZ 84, 214; 91, 12)

BGH: Aussonderungsrecht an Geld auf Anderkonto, auf das von dritter Seite Geld zur offenkundigen Fremdverwaltung eingezahlt oder überwiesen ist und Treuhandkonto offen ausgewiesen(BGH, ZIP 1993, 1185; ZInsO 2003, 797; ZInsO 2005, 879)

Aber: Keine Aussonderung von Guthaben auf Konten, bei Nutzung für eigene Zwecke des Treuhänders (BGH; ZInsO 2003, 705)

Beachtung der Treuhandbindung durch Treuhänder für Absonderungsbefugnis des Treugebers entscheidend

Entfällt bei Nutzung des Kontos für eigene Zwecke (Überweisung von Provisionen pp., Auszahlung von Scheingewinnen usw.

Fehlender Wille des Treuhänders Treuhand zu beachten, zerstört Aussonderungsrecht

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 19

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Entlassung des Insolvenzverwalters Zulässigkeit der Verwalterentlassung in nicht von Straftat

betroffenen Verfahren bei Offenbarung allgemeiner charakterlicher Ungeeignet-heit (BGH, Beschl. v. 17.3.2011 – IX ZB 192/10, ZInsO 2011, 724)

Heilung eines Gehörsverstoßes durch Nachholung in der Beschwerdeinstanz Fall: Anlage der liquiden Mittel verschiedener Insolvenzmassen gegen Zahlung

einer jährlichen Verwaltungsgebühr von 1,75% mit Kick-Back-Zahlungen für Verwalter persönlich von 0,75% in 33 Fällen

Wichtiger Grund für Entlassung gem. § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO – charakterliche Ungeeignetheit wegen Untreue zum Nachteil von Verwalter betreuter Insolvenzmasse

Grds. Nachweis der Tatsachen, die Entlassungsgrund geben, zur vollen Überzeugung des Insolvenzgerichts erforderlich (BGH, ZInsO 2006, 147)

Ausnahmsweise schwerwiegender, druch Amtsermittlung nicht ausge-räumter Verdacht ausreichend, wenn Schäden nicht anders abwendbar

Entsprechender Ausnahmefall beim Verdacht erheblicher Straftaten (+) Peinliche finanzielle Ehrlichkeit und Korrektheit erforderlich Strafbare Pflichtverletzung im Rahmen des konkreten Verfahrens nicht nötig

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 20

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Verbraucherinsolvenz, vereinfachtes Insolvenzverfahren, Restschuldbefreiung

Teil 3

26.04.23 21RiBGH Dr. Gerhard Pape

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Antragsvoraussetzungen - dreijährige Sperrfrist Unzulässigkeit des Antrags auf Restschuldbefreiung bei

Rücknahme eines entsprechenden Antrags in vorausge-hendem Verfahren innerhalb von drei Jahren (BGH, Beschl. v. 12.5.2011 – IX ZB 221/09, ZInsO 2011, 1127)

Keine Heilung des unzulässigen Antrags auf RSB durch rechtskräf-tigen Eröffnungsbeschluss mangels rechtskräftiger Entscheidung über den Restschuldbefreiungsantrag

Unzulässigkeit eines erneuten RSB-Antrags bei Stellung innerhalb von drei Jahren nach Rücknahme eines RSB- Antrags zur Vermeidung der Entscheidung über einen Versagungsantrag

Entsprechende Anwendung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO – vgl. BGH, Beschl. v. 16.9.2009 – IX ZB 219/08, ZInsO 2009, 1777)

Maßgeblicher Zeitpunkt für Drei-Jahres-Frist: Rücknahme des Antrags im vorausgehenden Verfahren, sofern dies beendet ist

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 22

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Zuordnung des Schuldners zum Verfahren Geht der Schuldner neben einer abhängigen Beschäftigung einer un-

selbständigen Nebentätigkeit nach, sind die Vorschriften über das Regelinsolvenzverfahren nur anzuwenden, wenn die Nebentätigkeit einen nennenswerten Umfang erreicht und sich organisatorisch ver-festigt hat; eine nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeit ohne einheit-liche Organisation reicht nicht aus (BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 80/11, ZInsO 2011, 932)

Bagatellgrenze des § 3 Nr. 26 EStG von 2.100 € pro Jahr muss überschritten sein

Vermeidung des manipulativen Zugangs zum Insolvenzplanverfah-ren durch Aufnahme geringfügiger selbständiger Tätigkeit

Fehlender Erhalt ausgenommener Forderungen im Insolvenzplan-verfahren ist gewollt und muss hingenommen werden

Auf Bundesagentur für Arbeit übergegangene Ansprüche wegen eines Insolvenzgeldanspruchs bleiben Forderungen aus Arbeitsverhältnis-sen (BGH, Urt. v. 20.1.2011 – IX ZR 238/08, ZInsO 2011, 425)

Weite Auslegung des Begriffs der Forderungen aus Arbeitsverhältnissen (BGH, ZInsO 2005, 1163)

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 23

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Verfahrenskostenstundung Keine Entziehung/Versagung der Stundung, falls

Schuldner aufgrund Ausbildung, Fähigkeiten, früherer Beschäftigung, Lebensalter oder Gesundheitszustand nicht in der Lage, pfändbare Einkünfte zu erzielen (BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 160/10, ZInsO 2011, 147)

Fehlende „Beibringungslast“ des Schuldners für Nachweis der Unfähigkeit, abhängige Beschäftigung zu finden

Grundsatz: Stundungsversagung/-aufhebung ausgeschlossen, wegen unterlassener Bemühungen um Arbeitsaufnahme, wenn Einkünfte oberhalb der Pfändungsfreigrenzen unerreichbar (BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 169/09, ZInsO 2009, 2210; v. 22.4.2010 – IX ZB 253/07, ZInsO 2010, 1153)

Kein Verweis auf bloß theoretischen Beschäftigungsmöglichkeiten Versagung/Entzug der Stundung im Blick auf § 4c Nr. 4 InsO nur bei

Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger entspre-chend § 295 Abs. 1 i. V. m. § 296 Abs. 1 InsO)

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 24

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Stundungsausschluss nach Insolvenzplanbestätigung Keine weitere Stundung nach Planbestätigung und Ver-

fahrensaufhebung (BGH; Beschl. v. 5.5.2011 – IX ZB 136/09) Keine Entscheidung über die Verlängerung der

Verfahrenskosten-stundung von Amts wegen Allenfalls Verpflichtung des Gerichts, auf Stundungsmöglichkeit

hinzuweisen, falls Anhaltspunkte für fehlende Mittel zur Aufbringung der Kosten

Unanwendbarkeit des § 4b Abs. 1 InsO – keine Analogie – im Fall der Restschuldbefreiung nach § 227 Abs. 1 InsO durch Insolvenzplan

Ausschluss durch Sonderregelung des § 258 Abs. 2 InsO Berichtigung der unstreitigen Masseansprüche vor Aufhebung bzw.

Sicherheitsleistung für die streitigen Vorrangigkeit der Befriedigung der Kosten – Parallelfälle:

Absoluter Vorrang der Kosten bei Masseunzulänglichkeit Vorrang der Kosten in der Wohlverhaltensphase

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 25

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Massezugehörigkeit von Genossenschaftsanteilen Kein Anspruch des Schuldners auf teilweise

Auskehrung des Erlöses aus Anteilskündigung zwecks Zahlung einer Mietkaution (BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 120/10, ZInsO 2011, 93)

Pfändungsschutzvorschriften nicht einschlägig Unzulässigkeit der Entziehung von Massegegenständen durch

Anwendung des § 765a ZPO (BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – IX ZB 34/06, ZInsO 2008, 40)

Nachrang der Sozialhilfe für Anwendung des § 765a ZPO kein Gesichtspunkt (vgl. schon BGHZ 161, 371, 374 ff.)

Kündigungsrecht des Verwalters / Massezugehörigkeit des Guthabens unproblematisch (BGH, Urt. v. 19.3.2009 – IX ZR 58/08, ZInsO 2009, 826; v. 17.9.2009 – IX ZR 63/09, ZInsO 2009, 2104)

Änderung nur durch Gesetzgeber (vgl. Pape, ZInsO 2011, 1, 8)

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 26

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Mittel zum Aufbau einer privaten Alterssicherung Keine Unpfändbarkeit der verdienten Mittel zum Aufbau

einer privaten Alterssicherung aus § 851c Abs. 2 ZPO (BGH, Beschl. v. 12.5.2011 – IX ZB 181/10, ZInsO 2011, 1153)

Schutz nur des Deckungskapitals und der Auszahlungsbeträge nach Eintritt des Versicherungsfalls, nicht der zum Aufbau des Kapitalstocks erforderlichen Mittel

Aufbau einer privaten Altersvorsorge zum Nachteil der Gläubiger während des Insolvenzverfahrens nicht statthaft

Kein Nebeneinander von pfändungsgeschützten Einkünften zur gesetzlichen Rentenversicherung und geschützten Mitteln zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge

Kein Pfändungsschutz analog § 850f Abs. 1 ZPO wegen besonderer Bedürfnisses des Schuldners

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 27

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Eröffnetes Verfahren – Anmeldung ausgenommener Forderungen I Zulässigkeit der Klage auf Zinszahlung seit Verfahrens-

eröffnung trotz möglicher Restschuldbefreiung (BGH, Urt. v. 18.11.2010 – IX ZR 67/10, ZInsO 2011, 102)

Wirkung des § 87 InsO nur bis zur Verfahrensaufhebung Klage durch laufende Wohlverhaltensphase (Vollstreckungsverbot

gem. § 294 Abs. 1 InsO) nicht gehindert Erstreckung einer nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenom-

menen Forderung auf Zinsen nach Verfahrenseröffnung Anmeldung wg. § 174 Abs. 2 InsO für Zinsen nicht erforderlich,

weil im Hinblick auf § 174 Abs. 3 ohnehin kaum möglich Erhalt der Rechte ohne entsprechende Anmeldung bei nicht

anmeldbaren Nebenforderungen, sofern HF wirksam angemeldet Genereller Ausschluss von Zinsen und Kosten von den

ausgenommenen Forderungen i. S. d. § 302 Nr. 1 InsO nicht ersichtlich

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 28

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Eröffnetes Verfahren – Anmeldung ausgenommener Forderungen II Erstreckung der Restschuldbefreiung auf schuldlos nicht

angemeldete Forderungen aus unerlaubter Handlung (BGH, Urt. v. 16.12.2010 – IX ZR 24/10, ZInsO 2011, 244)

Unzulässigkeit der Klage auf Feststellung des Rechtsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach § 184 InsO gegen den Schuldner nach Aufhebung des Verfahrens bei fehlen-der Anmeldung der Forderung mit dem entsprechenden Privileg

Ausschluss der allgemeinen Feststellungsklage für Forderungsgrund bei fehlender Anmeldung im Verfahren

Nachmeldung des Privilegs nur bis zur Verfahrensaufhebung möglich Verbot, sich auf Rechtsgrund der Forderung aus vorsätzlich begange-

ner unerlaubter Handlung zu berufen, wenn entsprechende Anmel-dung fehlt

Keine Ausnahme zugunsten von Gläubigern, die schuldlos entsprechende Anmeldung unterlassen haben

Widereinsetzung ausgeschlossen Keine nachträgliche Berücksichtigung wegen Schuldnerschutz

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 29

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Versagungsgründe im Schlusstermin Zurückweisung nach dem Schlusstermin gehaltenen Vortrags des

Schuldners nur bei rechtzeitig vor dem Termin erteiltem Hinweis auf mögliche Versagungsanträge im Termin und Beschränkung der Gelegenheit zur Stellungnahme auf den Termin (BGH, Beschl. v. 10.2.2011 – IX ZB 237/09, ZInsO 2011, 837; BGH, Beschl. v. 18.4.2011 – IX ZB 161/09)

Unzulässigkeit des Bestreitens von Versagungsgründen nach dem Schlusstermin (BGH, Beschl. v. 5.2.2009 – 185/08, ZInsO 2009, 481)

Präklusion des Schuldners nur bei vorherigem Hinweis auf die Konsequenzen des Nichterscheinens bzw. Nichtbestreitens im Schlusstermin – Belehrungspflicht analog § 175 Abs. 2 InsO

Grund: einschneidende Rechtsfolgen wie Verlust der RSB und Eintritt einer dreijährigen Sperrfrist für erneuten Anlauf zur Restschuldbefreiung

Zulässigkeit nachträglichen Vortrags bei fehlendem Hinweis Weitere Grenzfälle: komplexes Vorbringen im Termin, das keine sofor-tige

Stellungnahme zulässt (vgl. Pape/Schaltke, NZI 2011, Heft 6)

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 30

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Verzicht des Treuhänders auf Offenlegung der Abtretung Verzichtet der Treuhänder bei einem abhängig beschäftigten

Schuldner auf Offenlegung der Abtretung muss er die geschuldeten Beträge monatlich berechnen und einziehen (BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – IX ZB 40/10, ZInsO 2011, 929)

Zulässigkeit des Verzichts – entgegen § 292 InsO - offen Persönliche Haftung des Treuhänders für korrekte Abführung

Keine Behandlung des abhängig beschäftigten Schuldners wie selbständigen - § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO gilt

Pflicht zur kontinuierlichen Abtretung bleibt erhalten Verzicht auf monatliche Abführung nicht zulässig

Verpflichtung des Treuhänders vom Schuldner bezogene geldwerte Leistungen (Dienstwagen, mietfreie Wohnung, kostenloses Handy) zu berechnen und einzufordern

Heilung zunächst unterbliebener Mitteilungen zu Gehaltser-höhungen, geldwerten Leistungen usw. bei freiwilliger Offenlegung von Stellung von Versagungsanträgen

26.04.23 RiBGH Dr. Gerhard Pape 31

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Erwerbsobliegenheit des Schuldners aus § 295 I 1 InsO Keine ausreichendes Bemühen um eine Arbeitsstelle bei durchschnitt-

lich alle drei Monate einer Bewerbung (BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 224/09, ZInsO 2011, 1301)

Pflicht des selbständig tätigen Schuldners zur Bemühung um abhängige Beschäftigung, bei nicht ausreichenden Einnahmen, um Gläubiger mit Ein-künften aus abhängiger Tätigkeit gleichzustellen (BGH, ZInsO 2009, 299)

Ausnahme: Entbehrlichkeit der Arbeitsplatzsuche wegen ungünstiger Verhältnisse am Arbeitsmarkt, Krankheit oder Alter des Schuldners

Geltung der Frist des § 296 Abs. 2 u. 3 InsO erst nach Abschluss der Treuhandperiode bei selbständig tätigen Schuldnern

Maßstab für Erwerbsbemühungen des beschäftigungslosen Schuldners

Meldung bei der Bundesagentur für Arbeit als arbeitssuchend und Aufrecht-erhaltung laufenden Kontakts zu den dort für ihn zuständigen Mitarbeitern

Eigene aktive und ernsthafte Bemühungen um eine Arbeitsstelle durch stetige Lektüre von Stellenanzeigen und entsprechende Bewerbungen

Ungefähre Richtgröße: zwei bis drei Bewerbungen in der Woche, sofern entsprechende Stellen angeboten werden

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Versagung der Restschuld-befreiung von Amts wegen Voraussetzung eines statthaften, nicht unbedingt zulässigen

Versagungsantrags für die Anwendung des § 296 Abs. 2 InsO (BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 274/10, ZInsO 2011, 1319)

Ausschließliche Versagung der RSB nach § 296 Abs. 2 InsO im Anschluss an die Antragstellung eines dazu berechtigten Gläubigers nach § 296 Abs. 1 InsO

§ 296 Abs. 2 Satz 3 InsO als gegenüber § 296 Abs. 1 InsO eigenständiger Versagungstatbestand

Hinweispflicht des Gerichts hinsichtlich der einschneiden Rechtsfolgen der Verletzung von Mitwirkungspflichten

Antrag eines Insolvenzgläubigers Voraussetzung für das Eingreifen der Ermittlungspflichten des Insolvenzgerichts

Einleitung des Versagungsverfahren obliegt Disposition der Gläubiger Zulässigkeit des Gläubigerantrags keine Voraussetzung für

Einleitung des Verfahrens nach § 296 Abs. 2 InsO Kein Recht des Schuldners gerichtliche Anordnung/Anfragen wegen

Unzulässigkeit des Antrags zu ignorieren

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Ende der Präsentation

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