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Berlin/Brandenburger Arbeitskreis für Insolvenzrecht e.V. Richterliche Maßnahmen im Eröffnungsverfahren Dr. Peter Laroche R i c h t e r a m A m t s g e r i c h t K ö l n 24.02.2016 Dr. Peter Laroche 1

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Berlin/Brandenburger Arbeitskreis für

Insolvenzrecht e.V. Richterliche

Maßnahmen im Eröffnungsverfahren   

Dr. Peter LarocheR i c h t e r a m A m t s g e r i c h t K ö l n

24.02.2016 Dr. Peter Laroche1

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Richterliche Maßnahmen im Eröffnungsverfahren

• Insolvenzgründe• Feststellung der Zahlungsunfähigkeit anhand von Indizien• Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen• Umgang mit dem Zweitantrag, § 14 I S. 2 InsO

• Sicherungsmaßnahmen• Einzelermächtigungen, insb. in der Eigenverwaltung• Vorläufige Insolvenzverwaltung in Zeiten des ESUG

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Prüfung der Insolvenzgründe

Insolvenzgründe sind bekanntlich:Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsODrohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 InsOÜberschuldung, § 19 InsO.

Prüfung des Insolvenzgrundes: Lediglich eine „Formalie“?

Mitnichten: Die Prüfung wird von Gerichten ernst genommen – spätestens seit dem Suhrkamp-Verfahren besteht eine hohe Sensibilisierung.

Das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes im Suhrkamp-Verfahren wird noch heute diskutiert: etwa Fölsing, ZInsO 2014, 1591; Böcker, ZInsO 2015, 773, 781 f.

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Prüfung der Insolvenzgründe

In aller Regel bereitet die Feststellung des Insolvenzgrundes wenig Probleme.

Anders ist es in bestimmten Sonderkonstellationen:

• Schuldner/Organvertreter wirkt bei der Gutachtenerstattung nicht mit• Fortsetzung des Verfahrens bei Zweitantrag nach Begleichung der

Antragsforderung, § 14 Abs. 1 S. 2 InsO• Geschäftsführerstreit/Gesellschafterstreit

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Prüfung der Insolvenzgründe -Feststellung durch Indizien

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Ist Schuldner/Organvertreter nicht erreichbar, kann auf Indizien zurückgegriffen werden.

Ist der letzte GF nicht erreichbar und der Aufenthalt des früheren GF nicht feststellbar, kann eine Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit auf der Grundlage der vom Gläubiger substantiiert vorgetragenen Tatsachen (hier: sechsmonatige rückständige Sozialversicherungsbeiträge, mehrfache GF-Wechsel, fortdauernde Nichterreichbarkeit der Gesellschaft) gebildet werden BGH, Beschl. v. 13.4.2006 – IX ZB 118/04, NZI 2006, 405).

Ausreichend kann ein mehrmonatiger Rückstand sein, es ist nicht zwingend erforderlich, dass der Rückstand 6 Monate beträgt (BGH, Urt. v. 07.05.2015 – IX ZR 95/14, ZInsO 2015, 1262, 1264 Rn. 20).

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Prüfung der Insolvenzgründe -Feststellung durch Indizien

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Die Zahlungsunfähigkeit kann – neben der betriebswirtschaftlichen Methode – auch durch wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden (wirtschaftskriminalistische Methode; BGH, Beschl. v. 21.8.2013 – 1 StR 665/12, ZInsO 2013, 2107; Beschl. v. 23.07.2015 – 3 StR 518/14, ZInsO 2015, 2021, 2022 Rn. 14): Als wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen kommen unter anderem in Betracht:

• die ausdrückliche Erklärung nicht zahlen zu können, • das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, • gescheiterte Vollstreckungsversuche, • Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, • der Sozialabgaben oder sonstigen Betriebskosten, • Scheck- und Wechselproteste,• Insolvenzanträge von Gläubigern.

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

Gesetzliche Grundlage zur Auskunftspflicht des Schuldners:

§ 20 Abs. 1 InsO:

Ist der Antrag zulässig, so hat der Schuldner dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind, und es auch sonst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend.

(„Scheinproblem“: Unzulässiger Antrag-ohne weiteres über Sustantiierungspflicht und Gaubhaftmachung zu lösen.)

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und GrenzenGesetzliche Grundlage zur Auskunftspflicht des Schuldners:

§ 97 Abs. 1 InsO:S. 1: Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben.

S. 2: Er hat auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen.

S. 3: Jedoch darf eine Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem OWiG gegen den Schuldner oder einen in § 52 Abs. 1 StPO bezeichneten Angehörigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden.

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und GrenzenGesetzliche Grundlage zur Auskunftspflicht des Schuldners:

Geltung der Auskunftspflicht auch für• Organschaftliche Vertreter:

• auch: faktische Geschäftsführer• auch: ehemalige (faktische) Organvertreter der letzten 2

Jahre, § 101 Abs. 1 S. 2 , HS 1 InsO

• Gesellschafter, wenn kein Organvertreter vorhanden, § 101 Abs. 1 S. 2 HS 2 InsO (nicht aber die weiteren Pflichten nach § 97 Abs. 2, 3 InsO)

• Mitarbeiter, § 101 Abs. 2 InsO• Auch ehemalige Mitarbeiter der letzten zwei Jahre• Einschränkung der Pflicht auf § 97 Abs. 1 S. 1 InsO

• keine Offenbarungspflicht für strafbares Verhalten, kein Insolvenzprivileg (Verwendungsverbot)

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Auskunft ist nach §§ 20, 97 InsO über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse zu erteilen.

Dieser Begriff ist weit auszulegen und umfasst alle rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die für das Verfahren in irgendeiner Weise von Bedeutung sein können.

(BGH, Beschl. v. 05.03.2015 - IX ZB 62/14, ZInsO 2015, 740, 741 Rn. 12)

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Die Verpflichtung zur Auskunft ist nicht davon abhängig, dass an den Schuldner entsprechende Fragen gerichtet werden.

Der Schuldner muss vielmehr die betroffenen Umstände von sich aus, ohne besondere Nachfrage offenlegen, soweit sie offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zutage liegen.

(BGH, Beschl. v. 05.03.2015 - IX ZB 62/14, ZInsO 2015, 740, 741 Rn. 12)

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Von dem Geschäftsführer einer GmbH ist namentlich über alle Aktiva und Passiva der Gesellschaft, also sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten, Auskunft zu erteilen.

Die Auskunftspflicht des Geschäftsführers erstreckt sich auch auf die tatsächlichen Umstände, durch die Forderungen der Gesellschaft oder gegen die gerichtete Verbindlichkeiten entstanden sind.

(BGH, Beschl. v. 05.03.2015 - IX ZB 62/14, ZInsO 2015, 740, 741 Rn. 12)

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Auch Informationen, die sich zum Nachteil der Gesellschafter oder auch zum eigenen Nachteil auswirken können:

So ist etwa auf Ansprüche aus Kapitalersatz und auf Leistung von Nachschüssen hinzuweisen.

Der Geschäftsführer hat Umstände offenzulegen, die Ansprüche der Gesellschaft gegen ihn selbst, sei es aus §§ 43, 64 GmbHG oder anderen Vorschriften, nahelegen.

(BGH, Beschl. v. 05.03.2015 - IX ZB 62/14, ZInsO 2015, 740 , 741 Rn. 13)

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Jedoch ist er nicht verpflichtet, über seine eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse und die Realisierbarkeit gegen ihn gerichteter Forderungen Auskünfte zu erteilen (BGH, Beschl. v. 05.03.2015 - IX ZB 62/14, ZInsO 2015, 740 , 741 Rn. 14).

Eine Auskunftspflicht hinsichtlich rechtlicher, wirtschaftlicher und tatsächlicher Verhältnisse einer dritten, an dem Verfahren nicht beteiligten Person finde im Gesetz keinen Anhalt (BGH, a.a.O., Rn. 15).

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Kritisch und ergänzend dazu:Laroche, ZInsO 2015, 1469, 1478:

In letzter Konsequenz bedeutet diese Rechtsprechung, dass der Organvertreter generell keine Auskunft über die Werthaltigkeit (der BGH spricht von "Durchsetzbarkeit" oder "Realisierbarkeit") von Forderungen der Gesellschaft schuldet - gleich ob Drittschuldner der Organvertreter oder ein sonstiger Dritter ist.

Denn in beiden Fällen betrifft eine solche Auskunft nach dem Verständnis des BGH die Vermögensverhältnisse eines Dritten.

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Lösungsvorschlag: Laroche, ZInsO 2015, 1469, 1478:

Es ist insoweit zwischen dem ob und dem wie zu unterscheiden. Die Frage, ob die Forderung beglichen werden kann, ist als Frage der Vermögensverhältnisse der Schuldnerin zu beantworten.

Es ist dann die Frage

"Können Sie die gegen Sie gerichtete Forderung in Höhe von XX EUR ganz/teilweise (in welcher Höhe)/nicht befriedigen?"

zu beantworten und ggf. nach § 98 Abs. 1 InsO die Richtigkeit der Antwort an Eides statt zu versichern. Hierbei kann und mag es dann sein Bewenden haben.

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn sonstige Drittforderungen in Rede stehen. Denn insoweit wird man annehmen können und müssen, dass auch die Kenntnis etwaiger Vollstreckungsmöglichkeiten ein besonderer Vermögenswert des Schuldners ist, der vom Organvertreter zu offenbaren ist.

A.A. der BGH dem Wortlaut nach:

Eine Auskunftspflicht hinsichtlich rechtlicher, wirtschaftlicher und tatsächlicher Verhältnisse einer dritten, an dem Verfahren nicht beteiligten Person finde im Gesetz keinen Anhalt (BGH, a.a.O., Rn. 15).

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Erweiterte faktische Auskunftspflicht in der Eigenverwaltung und im Planverfahren

Hier ist es nur in den seltensten Fällen überhaupt denkbar, dass der Organvertreter keine Auskunft über die Werthaltigkeit einer gegen ihn gerichteten Forderung erteilt.

Denn: Kenntnis der Werthaltigkeit ist Voraussetzung für Vergleichsrechnung.

Ein Schuldner, der keine Auskunft zur Werthaltigkeit der Forderungen des Unternehmens gibt, begründet ein derart großes Misstrauen gegen die Eigenverwaltung, dass eine Anordnung nicht in Betracht kommt.

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Auskunftspflicht in der Zwangsvollstreckung

Der Organvertreter kann sich einer Auskunft über seine privaten Vermögensverhältnisse nicht dauerhaft entziehen.

Spätestens nach Titulierung des gegen ihn gerichteten Anspruchs muss der Organvertreter in der Vollstreckung nach § 802c ZPO vollständige Auskunft erteilen.

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Auskunftspflicht aufgrund Vermögensbetreuungspflicht bzw. organschaftlicher Treuepflichten

Den Organvertreter trifft die Pflicht, unnötige Vermögensminderungen der Gesellschaft zu vermeiden. Solche entstehen durch Titulierung und Vollstreckung der gegen ihn gerichteten Forderung.

Diese Verursachung unnötiger Kosten zulasten der eigenen, von ihm vertretenen Gesellschaft ohne begründeten Anlass dürfte i.a.R. Untreue nach § 266 StGB sein.

Der Redliche wird sich dieser Gefahr kaum aussetzen. Außerdem hat der regelmäßig auch die Kosten des gegen ihn gerichteten Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahrens zu tragen.

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Auskunftspflicht als Zeuge

Soweit der Organvertreter der Gesellschaft als Dritter gegenübersteht oder es sich um Auskünfte betreffend einen Dritten geht, besteht eine Auskunftspflicht als Zeuge, §§ 4, 5 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. §§ 373 ff. ZPO.

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Auskunftspflicht als ZeugeWichtige Unterschiede:

• Der Organvertreter kann sich nicht auf den Schutz des Verwendungsverbots aus § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO berufen.

• Nur eingeschränkte Informationspflicht, da Zeugnisverweigerungsrechte nach §§ 383 ff. ZPO bestehen.

• Nach § 384 Nr. 1 ZPO zu Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer (nach § 383 Nr. 1 - 3 ZPO) nahestehenden Person einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde.

• Belastung der Masse möglich, da Entschädigungsanspruch nach dem JVEG.

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Parallelität der Auskunftsansprüche

Organvertreter und Angestellte können nach h.M. (alternativ oder ergänzend) auch als Zeuge nach § 5 InsO, §§ 373 ff. ZPO vernommen werden.

Begründung: §§ 97 ff. InsO erweitern Auskunftsansprüche und schränken sie nicht ein.Interessant bei (ehemaligen) Angestellten und „Alt“-Organvertretern (Ausscheiden > 2 Jahre).

Denn: Gegen den Zeugen können Ordnungsgeld und Ordnungshaft nach § 390 ZPO festgesetzt und sowie die Zwangshaft angeordnet werden; anders nach §§ 97 ff. InsO für die Vorgenannten. Im Gegenzug bestehen die Zeugnisverweigerungsrechte nach §§ 383 ff. ZPO.

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Aufgrund dieser janusköpfigen Stellung ist es erforderlich, dass das Gericht einen Beweisbeschluss nach § 5 InsO, § 359 ZPO erlässt, wenn es den auskunftspflichtigen Angestellten als Zeugen vernehmen will.

Denn anders ist für den Auskunftspflichtigen nicht erkennbar, welche Rechte und Pflichten ihn ganz konkret treffen (Laroche, ZInsO 2015, 1469, 1471).

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

Durchsetzung der Auskunftspflichten• Versicherung an Eides statt, § 98 Abs. 1 InsO

• (ehemalige, auch faktische) Geschäftsführer und Gesellschafter• Nicht: (ehemalige) Angestellte

• Vorführung und Inhaftierung zur Durchsetzung der Auskunftspflicht, § 98 Abs. 2 InsO• (ehemalige, auch faktische) Geschäftsführer und Gesellschafter• Nicht: (ehemalige) Angestellte

• Postsperre, § 99 InsO• Nur aktive (auch faktische) Geschäftsführer und Gesellschafter• Nicht: ehemalige Geschäftsführer• Nicht: (ehemalige) Angestellte• Nicht: (ehemalige) Gesellschafter

• Kostenauferlegung bei Abweisung des Antrags, § 101 Abs. 3 InsO• Alle Auskunftspflichtigen, Ermessensentscheidung des Gerichts

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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24.02.2016

In der Praxis oft vernachlässigt: BGH verlangt eine hinreichende Konkretisierung des Auskunftsbegehrens.

Es ist grds. erforderlich, den Grund der Haftanordnung im Haftbefehl konkret zu benennen, sprachlich sowie optisch hervorzuheben und ähnlich einer Tenorierung voranzustellen (BGH, Beschl. v. 17.2.2005 - IX ZB 62/04, ZInsO 2005, 436, 439).

Die vom Schuldner verlangten Auskunfts- und Mitwirkungshandlungen sind inhaltlich nach Art und Umfang so bestimmt zu bezeichnen, dassdie Aufforderung aus sich heraus verständlich ist und auch für den Schuldner erkennen lässt, was verlangt wird.

Nur bei einer klaren und eindeutigen Konkretisierung kann der Auskunftsverpflichtete seiner Auskunftspflicht nachkommen und so die Zwangsmittel der Vorführung und Inhaftierung vermeiden oder sichgegen evtl. unzulässige Auskunftsbegehren wehren.

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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24.02.2016

Eine hinreichende Konkretisierung könnte etwa lauten (Laroche, ZInsO, 2015, 1469, 1477):

Zweck der Haft ist die Erzwingung folgender Auskünfte und Mitwirkungshandlungen:

• In welcher Höhe wurde das Stammkapital eingezahlt?• Wurden, und ggf. welche, Darlehensverträge zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern geschlossen? Etwaige Verträge sind vorzulegen.• Vorlage einer Liste der Arbeitnehmer, einschließlich der seit dem xx.xx.xxxx (letzten 2 Jahre vor Insolvenzantragstellung) aus dem Unternehmen ausgeschiedenen Mitarbeiter.• Wurden, und ggf. für welche Jahre, betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) erstellt? Die letzten beiden erstellten BWA sind vorzulegen.• Können Sie die gegen Sie gerichtete Forderung aus § 64 GmbHG in Höhe von XX EUR ganz/teilweise (in welcher Höhe)/nicht befriedigen?".

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Auskunftspflichten: Durchsetzung und Grenzen

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Praxistipp:

Formulierungen dem Gericht mit der Anregung der Vorführung bzw. Inhaftierung bereits vorschlagen.

Es bietet sich dann vielfach auch an, den Text als Datei dem Gericht zu übermitteln, um die Beschlussfassung zu erleichtern.

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Strafrechtliches Verwertungsverbot des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO

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24.02.2016

Reichweite des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO:

Die Reichweite des sog. „Insolvenzgeheimnisses“ ist nach wie vor hochstreitig.

Vgl. einerseits (enge Auslegung):

Weyand, ZInsO 2015, 1948 ff.

Andererseits (weite Auslegung): Püschel, Festschrift 25 Jahre Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im DAV, S. 759; Kemperdick, ZInsO 2013, 1116 ff.; Laroche, ZInsO 2015, 1469, 1471

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Strafrechtliches Verwertungsverbot des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO

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24.02.2016

Strittig sind insb., folgende Fragen:

Sind auch Angaben gegenüber dem vom Gericht bestellten Sachverständigen privilegiert?

Sind auch freiwillige Angaben privilegiert oder solche, die aufgrund von Zwangsmaßnahmen erteilt wurden?

Erstreckt sich das Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO auch auf die die Vorlage von Unterlagen?

(gegen ein solches „Asyl für Geschäftsunterlagen“ insb. Weyand, ZInsO 2015, 1948, 1951)

Neuerdings: Folgt aus § 97 Abs. 1 S. 3 InsO eine besondere Belehrungspflicht des Insolvenzgerichts? – zweifelhaft, aber jedenfalls sinnvoll (Püschel, ZInsO 2016, 262 ff.).

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Strafrechtliches Verwertungsverbot des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO

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Praxistipp:

Unstreitig ist, dass das Insolvenzgericht dem Schuldner aufgeben kann, die Auskunftspflichten unmittelbar gegenüber dem Sachverständigen zu erfüllen.

Vielfach sehen die Beweisbeschlüsse der Gerichte eine solche Anordnung bereits standardmäßig vor.

Findet sich im Beweisbeschluss eine solche Anordnung nicht, sollten Sachverständige eine entsprechende Ergänzung des Beschlusses anregen.  

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Richterliche Maßnahmen im Eröffnungsverfahren

Umgang mit dem Zweitantrag, § 14 I S. 2 InsO

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Umgang mit dem Zweitantrag, § 14 I S. 2 InsO

§ 14 Abs. 1 S. 2, 3 InsO:War in einem Zeitraum von zwei Jahren vor der Antragstellung bereits ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt worden, so wird der Antrag nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird. In diesem Fall hat der Gläubiger auch die vorherige Antragstellung glaubhaft zu machen.§ 14 Abs. 3 InsO:Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird.

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Umgang mit dem Zweitantrag, § 14 I S. 2 InsO

Die Problematik die hochaktuell: Der Regierungsentwurf vom 29.09.2015 eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz sieht vor, dass die Regelungen schon beim Erstantrag gelten sollen:Sollte die Änderung Gesetz werden, wird dies ganz erhebliche Auswirkungen auf das Eröffnungsverfahren haben.

§ 14 Absatz 1 soll wie folgt geändert werden: Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.“ Satz 3 wird aufgehoben.

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Umgang mit dem Zweitantrag, § 14 I S. 2 InsO

Aus der Formulierung: „nicht allein dadurch“ folgert die Rechtsprechung ein besonderes Rechtschutzbedürfnis für das Weiterführen des Verfahrens.

Es sind strenge Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse und die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes zu stellen, sodass ein rechtliches Interesse an einer Verfahrensfortführung regelmäßig nur bei Finanzbehörden und Sozialversicherungsträgern anzuerkennen sein wird, weil diese öffentlichen Gläubiger nicht verhindern können, dass sie weitere Forderungen gegen den Schuldner erwerben. (BT-Drucks. 17/3030, S. 42; BGH, Beschl. v. 12.07. 2012 - IX ZB 18/12, ZInsO 2012, 1565, 1566 Rn. 7.)

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Umgang mit dem Zweitantrag, § 14 I S. 2 InsO

So entfällt das Rechtsschutzinteresse des antragstellenden Sozialversicherungsträgers nach Erfüllung der Antragsforderung,

• wenn der Schuldner das Arbeitsverhältnis des bei dem Gläubiger versicherten Arbeitnehmers gekündigt

• und die Betriebsstätte geschlossen hat.

Grund: In einem solchen Fall besteht für einen Sozialversicherungsträger regelmäßig nicht die konkrete Gefahr, dass eine weitere wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners bei diesem neue Verbindlichkeiten begründen wird, mit deren Ausgleich der Schuldner wiederum in Rückstand geraten kann (BGH, Beschl. v. 12.07. 2012 - IX ZB 18/12, ZInsO 2012, 1565 ff.).

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24.02.2016

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Umgang mit dem Zweitantrag, § 14 I S. 2 InsO

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Weitere Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes:

Aufgrund eines veränderten Rechtsschutzbedürfnisses ist eine Prüfung im Einzelfall erforderlich, ob die mit Antragstellung erfolgte Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrundes fortwirkt oder der Gläubiger den Eröffnungsgrund erneut glaubhaft machen muss.

Es ist aber nicht stets Voraussetzung, dass der Gläubiger neue Tatsachen vorträgt, die für eine auch jetzt noch bestehende Zahlungsunfähigkeit sprechen, zumal neuer Vortrag oft selbst Sozialversicherungsträgern überhaupt nicht möglich ist.

(BGH, Beschl. v. 18.12.2104 - IX ZB 34/14, mit Anm. Laroche, EWiR 2015, 185)

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Dies gilt selbst dann, wenn die Zahlungsunfähigkeit zunächst auch mit der nunmehr erfüllten Forderung begründet worden war.

Auch ohne den Vortrag neuer Tatsachen kann eine Gesamtwürdigung der Umstände ergeben, dass eine fortdauernde Zahlungsunfähigkeit des Schuldners glaubhaft ist.

Es kann für die fortbestehende Zahlungsunfähigkeit auf Indizien zurückgegriffen werden.

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Konsequenzen für den Schuldner: Vielfach ist, jedenfalls bei Anträgen von Sozialversicherungsträgern, kein weiterer Vortrag des Gläubigers erforderlich, wenn der Schuldner kommentarlos auf einen Zweitantrag zahlt.

Schuldnern ist deshalb dringend zu raten, nach erfolgter Zahlung selbst aktiv zu werden. Zur Verteidigung kann er:

• Indizien glaubhaft machen, die gegen die fortbestehende Zahlungsunfähigkeit sprechen.

• Das Rechtsschutzbedürfnis angreifen, etwa indem er glaubhaft macht, dass die Betriebsstätte geschlossen ist und keine Arbeitnehmer mehr bei der Antragstellerin gemeldet sind.

Um die Kostentragung kommt der Schuldner nach Zahlung nur herum, wenn es gelingt, den Antrag unzulässig zu machen, vgl. § 14 Abs. 3 InsO.

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Indizien für fortwirkende Zahlungsunfähigkeit BGH, Beschl. v. 18.12.2014 – IX ZB 34/14, NJW 2015, 1388, 1389 f. Rn. 11 ff., mit Anm. Laroche, EWiR 2015, 185:

• Erstantrag liegt nicht lange zurück.• Schuldner hatte seine Zahlungen offenkundig eingestellt und der Ausgleich der

Forderung im Erstverfahren stellte nur eine gezielte Zahlung zur Erledigung des Insolvenzantrags dar: dies kann die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Schuldner, nachdem er innerhalb kurzer Zeit ein zweites Mal in dieser Weise vorgegangen ist, weiterhin zahlungsunfähig ist.

• Die näheren Umstände des jetzt gestellten Insolvenzantrags.• Art und dem Umfang der Forderung des Gläubigers.• Dauer des Zahlungsrückstands.• Die Umstände des Forderungsausgleichs. • Ist der Schuldner gewerblich tätig, kann dies dafür sprechen, dass weitere

Gläubiger mit offenen Forderungen vorhanden sind.• Hat der gewerblich tätige Schuldner weitere Gläubiger, spricht die allgemeine

Lebenserfahrung dafür, dass unter dem Druck des Insolvenzantrages bevorzugt an den antragstellenden Gläubiger geleistet wurde, um ihn zum Stillhalten zu bewegen und hierdurch das wirtschaftliches Überleben zu sichern.

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BGH, Beschl. v. 18.12.2014 – IX ZB 34/14, NJW 2015, 1388, 1389 f. Rn. 11 ff.

• Grundsatz des Anfechtungsrechts, wonach eine einmal eingetretene, nach außen in Erscheinung getretene Zahlungsunfähigkeit regelmäßig erst beseitigt wird, wenn die geschuldeten Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger im Allgemeinen wieder aufgenommen werden können, kann ebenfalls Bedeutung zukommen.

Die Einbeziehung ist geboten, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Denn im Anfechtungsprozess müssen sich die Gläubiger regelmäßig das Fortbestehen der Zahlungsunfähigkeit entgegenhalten lassen und tragen als Anfechtungsgegner die Darlegungs- und Beweislast für ihren nachträglichen Wegfall.

Da allerdings im Eröffnungsverfahren die Zahlungsunfähigkeit lediglich glaubhaft gemacht ist und noch nicht feststeht, ist sie nur als ein weiterer Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines Eröffnungsgrundes zu berücksichtigen. Er wiegt umso schwerer, je wahrscheinlicher die Zahlungsunfähigkeit vor dem Ausgleich der Antragsforderung war.

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Umgang mit dem Zweitantrag, § 14 I S. 2 InsO

Besonderheiten bei der Gutachtenerstattung:

§ 14 Abs. 1 S. 2 InsO und die dazu ergangene Rechtsprechung stellen Sachverständige vor neue Aufgaben:

• Vielfach ist eine Fortführung des Unternehmens erforderlich.• Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO bringt

erhebliche Haftungsrisiken mit sich. Denn sie können mit ihrem Bekanntwerden dazu führen, dass das bis dato gesunde Unternehmen schwer geschädigt wird.

• Die Nichtanordnung kann aber ihrerseits haftungsträchtig sein.

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Umgang mit dem Zweitantrag, § 14 I S. 2 InsOEs ist ein vollständiges Gutachten zu erstellen, wobei der Sachverständige kaum selbst auf Dritte als Informationsquelle zurückgreifen kann und darf.

• Der Prüfungsmaßstab des Gerichts und damit des Sachverständigten ist erweitert. Es ist regelmäßig auch die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses gesondert zu erörtern.

• Äußerste Sorgfalt und Diskretion sind verlangt. • Gleichzeitig ist der Schuldner mehr noch als sonst zur unbedingten

Mitarbeit anzuhalten. • Solange der Schuldner sämtliche Auskünfte anstandslos erteilt, sind

Erkundigungen bei Dritten (Banken, Lieferanten, Kunden) zu vermeiden.• Mängel in der Zusammenarbeit sind unverzüglich dem Gericht zu melden.• Der Sachverständige ist vom Gericht möglichst auf diese Umstände

ausdrücklich hinzuweisen (im Beweisbeschluss oder begleitend mündlich bzw. in ergänzendem Anschreiben).

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24.02.2016

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Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung

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Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung

In der Praxis besteht bisweilen das Bedürfnis, bereits Masseverbindlichkeiten iSd § 55 InsO begründen zu können.

Geregelt ist dies nur in § 270b III InsO für den Sonderfall des Schutzschirmverfahrens. Ansonsten besteht eine gesetzliche Regelung NICHT. Die Möglichkeit ist aber allgemein anerkannt.

Ein praktisches Bedürfnis kann sich insbesondere ergeben, wenn ein unmittelbarer Leistungsaustausch iSd § 142 InsO (Bargeschäft) nicht möglich ist, insb. wenn ein Massekredit benötigt oder eine Insolvenzgeldvorfinanzierung angestrebt wird. Ggf. ist letztere nach Ansicht einiger Insolvenzgerichte nur mittels Einzelermächtigung möglich.

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Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung

In der vorläufigen Eigenverwaltung bestehen verschiedene Lösungsmöglichkeiten:

Analogie zu § 270 b.

AG Köln, Beschl. v. 26.03.2012 − 73 IN 125/12, NZI 2012, 375:1. Im Schutzschirmverfahren, § 270 b InsO, ist eine Einzelermächtigung

zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu Gunsten des Schuldners zu erteilen.

2. Ist Eigenverwaltung beantragt, ohne dass ein Antrag nach § 270 b InsO vorliegt, so ist die Einzelermächtigung ebenfalls zu Gunsten des Schuldners zu erteilen. In diesem Fall ist zu prüfen, ob die Begründung der Masseverbindlichkeiten unter den Vorbehalt der Zustimmung des vorläufigen Sachwalters nach § 275 I 1 InsO zu stellen ist.

(Ebenso: LG Duisburg, Beschl. v. 29. 11. 2012 – 7 T 185/12, NZI 2013, 91 ff., mit zustimmender Anm. Andres, NZI 2013, 93 ff.)

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Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung

AG Hamburg, Beschl. v. 04.04.2012 − 67 g IN 74/12, NZI 2012, 566 – Einzelermächtigung zu Gunsten des vorläufigen Sachwalters

Das Insolvenzgericht kann im (herkömmlichen) vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nicht den Schuldner, wohl aber den vorläufigen Sachwalter ermächtigen, Masseverbindlichkeiten zum Zwecke der Insolvenzgeldvorfinanzierung zu begründen, da das Gericht gem. § 270a I 2 InsO einen vorläufigen Sachwalter an Stelle eines vorläufigen Insolvenzverwalters einsetzt. § 270 b III InsO ist nur im Sonderfall des so genannten Schutzschirmverfahrens anwendbar und auf Grund der Besonderheiten dieses Verfahrens (insbesondere: keine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bei Antragstellung) nichtanalogiefähig.=> Sehr zweifelhaft, weil § 274 I InsO gerade nicht auf die Haftung nach § 61 InsO verweist, die so über die „Hintertür“ eingeführt würde.

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Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung

Generell gegen eine Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung nach § 270a InsO, da es an Ermächtigungsgrundlage und Regelungslücke fehle:

AG Fulda, Beschl. v. 09.03.2012 - 92 IN 8/12, BeckRS 2013, 04328AG Fulda, Beschl. v. 28.03.2012 - 91 IN 9/12, BeckRS 2012, 16274

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Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung

Zu weitgehend AG Montabaur, Beschl. v. 27. 12. 2012 − 14 IN 282/12, NZI 2013, 350 – Begründungsbefugnis ohne weiteres :

Im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung nach § 270 a InsO fehlt im Gegensatz zum Schutzschirmverfahren des § 270 b InsO eine gesetzliche Regelung, wonach das Gericht den Schuldner zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigen kann – vgl. § 270 b III InsO.

Somit geht der Gesetzgeber offenkundig wie selbstverständlich davon aus, dass in der vorläufigen Eigenverwaltung der Schuldner selbst Masseverbindlichkeiten begründen kann.

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Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung

Die Rechtsfrage ist noch nicht abschließend geklärt:

Der BGH die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten als unzulässig an (BGH, Beschl. v. 07.02.2013 − IX ZB 43/12, NZI 2013, 342 mit Anm. Vallender, NZI 2013, 343 ff.)

=> Eine weitere Klärung muss über die Prozessgerichte erfolgen.

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Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung

Hier liegt nun eine erste obergerichtliche Entscheidung vor:

OLG Dresden, Urt. v. 15. 10. 2014 - 13 U 1605/13, ZInsO 2015, 2273 ff.:

• Der Schuldner in der Eigenverwaltung kann mit gerichtlicher Ermächtigung schon im Eröffnungsverfahren Masseverbindlichkeiten begründen.

• Im Schutzschirmverfahren hat er ein Wahlrecht zwischen dem Erlass einer globalen Ermächtigung einerseits und dem Antrag auf Erlass einer Einzel- oder Gruppenermächtigung andererseits.

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Begründung von Masseverbindlichkeiten in der EigenverwaltungFormulierungsvorschlag am Beispiel eines Lebensmitteleinzelhändlers (Laroche, NZI 2010, 965, 968):

„Der Schuldner/Sachwalter/vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, mit folgenden Unternehmen Verträge abzuschließen und hierbei Verbindlichkeiten zu Lasten der späteren Insolvenzmasse, § 55II InsO, zu begründen:

Lieferant Lieferung/Leistung Umfang monatlich

A-Stadtwerke Lieferung von Strom und Gas 1000 Eurofür die (genau bezeichneten)Verbrauchsstellen/Geschäftsräume

B-Bank Vorfinanzierung von Insolvenzgeld 9500 EuroC-Molkerei Molkereiprodukte 1000 EuroD-Metzgerei Wurst- und Fleischwaren 1500 Euro“

Beachte: Die Einzelermächtigung gilt nach h.M. nicht rückwirkend!24.02.2016 Dr. Peter Laroche

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Begründung von Masseverbindlichkeiten in der Eigenverwaltung

Formulierungsvorschlag für einen Massekredit (Laroche, NZI 2010, 965, 968):

„Der Schuldner/Sachwalter/vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, (bei der A-Bank) einen Kredit in Höhe von 500 000 Euro zu Lasten der späteren Insolvenzmasse, § 55II InsO, aufzunehmen.”

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Weitere Einzelermächtigungen bzw. Maßnahmen

Streitig und von den Gerichten unterschiedlich wird die Frage gesehen, zu welchen anderen Einzelmaßnahmen ermächtigt werden kann:

• Einzelermächtigung des vorl. Insolvenzverwalter zur Einsichtnahme in Steuerakten, (§§ 5, 21 I InsO), LG Hamburg, Beschl. v. 09. 12. 2014 - 326 T 149/14, ZInsO 2015, 45.

• Zahlung auf Forderungen aus Steuerschuldverhältnis iSd § 37 AO und auf Beiträge der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung iSd § 266a StGB nur mit Zustimmung des Sachwalters (soll Strafbarkeit verhindern)

=> sehr zweifelhaft: § 270a I Nr. 2 InsO schließt Zustimmungsvorbehalt gerade aus; § 275 InsO wirkt nicht ggü. Dritte und § 21 Abs. 1 S. 1 InsO „…nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten…“ (nicht: Schutz des GF vor Strafbarkeit, Haftung)

• Übertragung der Kassenführung an Sachwalter im Eröffnungsverfahren, analog § 275 II InsO, AG Hamburg: Beschl. v. 14.07.2014 - 67b IN 196/14, ZInsO 2014, 2390.

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Weitere Einzelermächtigung und Maßnahmen

Wegen der vielfältigen Problematiken (generelle Zulässigkeit, richtige Antragstellung, praktische und schnelle Abwicklung) empfiehlt sich in jedem Falle vor der Antragstellung – gleich, ob es um Begründungskompetenz für Masseverbindlichkeiten oder sonstige Einzelermächtigungen geht - Kontakt zum Insolvenzgericht aufzunehmen.

Die Übersendung des Antragstextes per E-Mail („Word-Datei“) erleichtert die die schnelle Beschlussfassung, da wesentliche Teile kopiert werden können.

24.02.2016 Dr. Peter Laroche56

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Richterliche Maßnahmen im Eröffnungsverfahren

Sicherungsmaßnahmen in Zeiten des ESUG

Dr. Peter Laroche57

24.02.2016

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Richterliche Maßnahmen im EröffnungsverfahrenSpätestens das ESUG und die Einfügung von § 55 Abs. 4 InsO (Haushaltsbegleitgesetz 2011) ist das bekannte und bewährte System zur Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung in Frage gestellt.

Folgende Aspekte gilt es zu bedenken:• Rund 85 % aller eröffneten Unternehmensverfahren im Jahr 2014 betreffen

Kleinunternehmen mit unter zehn Arbeitnehmern (Vgl. Statisches Bundesamt, Unternehmen und Arbeitsstätten - Insolvenzen, Fachserie 2 Reihe 4.1, S.11, Dezember und Jahr 2014; Kollbach, ZInsO 2015, 1422, 1425).

• Sicherungsmaßnahmen setzen idR zulässigen Antrag voraus.• In der vorläufigen Eigenverwaltung soll nach § 270a Abs. 1 S. 2 InsO kein

vorläufiger Verwalter bestellt werden.• Fortführung des Zweitantrags nach Zahlung, § 14 Abs. 1 S. 2 InsO (nach RegE-

Anfechtungsrecht künftig auch bei Erstantrag).• Begründung von Masseverbindlichkeiten für Steuerschuldverhältnisse nach § 55

Abs. 4 InsO bei schwacher vorläufiger Insolvenzverwaltung.• Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit von Sicherungsmaßnahmen.

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Zulässigkeit des Antrags als Voraussetzung für Sicherungsmaßnahme

Zulässigkeit des Antrags ist Voraussetzung für SicherungsmaßnahmenErst wenn der Insolvenzantrag zulässig ist, darf das Gericht regelmäßig weitere Maßnahmen, insb. Sicherungsmaßnahmen, ergreifen.Häufige Probleme:

• Fehlende oder unzureichende Gläubigerliste, § 13 Abs. 1 S. 2 – 7 InsO• Fehlende örtliche Zuständigkeit (gesetzlicher Richter!)

• § 3 I 2 InsO (Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit) und • Art. 3 I 1 EuInsVO (Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen = COMI)

Im Zweifelsfall rechtzeitig mit dem Insolvenzgericht Rücksprache halten, um Überraschungen und Zeitverlust zu vermeiden.

• Darlegung des Insolvenzgrundes• Keine bloße Formalie!• Besondere Sensibilität der Gerichte besteht spätestens seit dem

Suhrkamp-Verfahren.• bei Fremdantrag Glaubhaftmachung, § 14 Abs. 1 S. 1 InsO

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Wertung aus § 14 Abs. 1 S. 2 und § 270a InsO

§ 14 Abs. 1 S. 2 und § 270a Abs. 1 S. 2 InsO zeigen, dass der Gesetzgeber auch bei Unternehmensfortführung die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung nicht für zwingend geboten hält.

Der Gesetzgeber nimmt vielmehr in Kauf, dass Schuldner selbst wirtschaftet und die Sicherung nur unvollkommen ist => Gesamtwirtschaftliche Ziele gehen der effizienten Gesamtvollstreckung vor.

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Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO bei vorläufiger IV

BMF-Schreiben vom 20.05.2015, BStBl I 2015 S. 476, = ZInsO 2015, 1195, II.1 Rn. 2:

Hierbei (bei der Anwendung des § 55 Abs. 4 InsO) ist es unbeachtlich, ob der schwache vorläufige Insolvenzverwalter vom Gericht mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet wurde oder nicht. Auch ohne einen Zustimmungsvorbehalt i. S. d. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO können entsprechende Steuerverbindlichkeiten durch den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter begründet werden, insbesondere wenn ihm zahlreiche Rechte durch das Insolvenzgericht eingeräumt oder Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden.

Ähnlich die Literatur (vgl. Uhlenbruck/Sinz, § 55 RN. 114 m.w.N.): Weite Auslegung: Erforderlich ist (lediglich) tatsächliches Einverständnis mit der den Steuertatbestand auslösenden Handlung; es genügt jede Art von aktiver oder konkludenter Billigung.

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Erforderlichkeit der Sicherungsmaßnahme

Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit von Sicherungsmaßnahmen sind in der Vergangenheit in der praktischen Prüfung vielfach vernachlässigt worden.

Ist eine mildere Maßnahme ausreichend?• Gedanke des § 270a Abs. 1 S. 2 InsO: Laufender Geschäftsbetrieb

erfordert nicht unbedingt vorläufige Insolvenzverwaltung – ist Schuldner redlich und Geschäftstätigkeit überschaubar (85 % der Fälle) spricht dies gegen vorläufige IV

• Beauftragung eines Sachverständigen ausreichend? • Einstellung der Zwangsvollstreckung ausreichend (häufig!)?• Anhörung des Schuldners und Hinweis auf grundlegende Pflichten

ausreichend?• Schnelle Eröffnung ohne ausführliches Gutachten ausreichend (insb.

denkbar, wenn keine Insolvenzgeldvorfinanzierung erfolgt)?

24.02.2016 Dr. Peter Laroche62

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Verhältnismäßigkeit für Sicherungsmaßnahme

• Aus Sicht des Schuldners (Eingriff in Schuldnerrechte; relevant etwa, wenn Schuldner Antrag zur Erledigung bringen will und kann)

• Aus Gläubigersicht (Masseminderung <-> Massesicherung; die Sicherung der Masse wird erkauft durch Masseminderung: Kosten der vorläufigen IV: Übersteigt der wirtschaftliche Nutzen der vorläufigen IV die Kosten?; bei Eigenantrag oft nicht erforderlich, da Schuldner zuverlässig ist)

Geringfügige Forderungen stehen Anordnung nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 20.03.1986, Az.: III ZR 55/85, NJW-RR 1986, 1188).

Vertiefend zu Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit: FK/Schmerbach, § 21 Rn. 34 ff.

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Zurückhaltung bei Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung erforderlich

Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters kommt insbesondere in Betracht, wenn:• der Schuldner sich unkooperativ verhält oder erkennbar überfordert ist,• bei laufendem Geschäftsbetrieb, wenn Insolvenzgeld vorfinanziert werden

soll und Finanzierung ohne Mitwirkung des vorläufigen IV nicht möglich ist,• Vgl. DA der Bundesagentur für Arbeit zu § 170 SGB III 3.2 Abs. 7 (Stand Mai

2013): Stellungnahme der/des vorläufigen Insolvenzverwalters(in), mit nachvollziehbar günstiger Prognose für die Fortführung des Unternehmens (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 2. Halbsatz InsO).

• erhebliche, realisierbare Forderungen gegen Drittschuldner bestehen und Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht ausreicht.• Etwa wegen der Gefahr von Barzahlungen an den Schuldner oder wenn

Zahlungen auf debitorisch geführtes Konto drohen.=> Pr.: insb. beim Forderungseinzug: Begründung von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO (vgl. BMF-Schreiben vom 20.05.2015, BStBl I 2015 S. 476 = ZInsO 2015, 1195 ).

24.02.2016 Dr. Peter Laroche64

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

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