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[Aus dem pathologisch-anatomisehen [nstitut (Prof. Weichselbaum) in Wien.] Die itiologie des Traehoms. Von Dr. Leopold Miilier, Privatdozenten in Wien. Nit Tar. VI--VIII, Fig. 1--9. Einleitung. ~Venn ieh in der Literatur Umschau halte, in we]chef Weise an ]3akterien, deren ~[tiologische Bedeutung heute fiber jeden Zweife[ erhaben ist, seheinbar mit Erfolg Kritik geiibt wurde, ich erinnere nut an den Gonococcus, so bin ich darauf gefasst, dass der Yersueh. die ~tiologis&e Bedeutung des bei Trachom yon mir geflmdenen Bacillus festzustellen, zungchst mit noeh gr6sserem Erfolge wird be- k~impft werden. Indem ieh abet der I-Ioffnung mieh hingebe, dass dutch reeht zahlreiehe Nachuntersuehungen und /,~'berprfifungen, yon denen selbst die kleinsten derzeit noeh yon gr6sster Wiehtigkeit sind, meine Angaben eine Best~tigung und Erweiterung erfahren werden, steht zu erwarten, dass endlich aueh in das Dunkel dieser so ver- derbliehen Krankheit volles Licht dringen wird. Denkt man daran, wie sehwer" es z. ]3. bei der Influenza war, den Erreger nachzuweisen, wie dies erst bei der Epidemie im Jahre 1891 gelang, trotzdem eine Pandenfie im Jahre 1890 zu Unter- suchungen reichste Gelegenheit gab -- es waren j~ akuteste F~lle, die untersueht werden konnten nnd allenthalben untersucht wurden, -- so wird man noeh mehr die Schwierigkeiten begreifen, die sich mir bei meinen Untersuchunge~t entgegenstellten. Das Trachom ist derzeit eine reeht chronische, nur ganz ausnahmsweise eine ukute grankheit. Die Patienten kommen erst, wenn die Krankheit sehon }Ionate oder Jahre dauerte, zur ersten Untersuehung. Ieh bekam jahrelang iiberhaupt nut sporadische F~lle zu sehen. Doff, wo ieh so giinstige Verh~ltnisse vermutete, wie sie eine Epidemie der gtiologischen Forschung bietet, in Xgypten, zeigten sieh teider die

Die Ätiologie des Trachoms

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Page 1: Die Ätiologie des Trachoms

[Aus dem pathologisch-anatomisehen [nstitut (Prof. Weichselbaum) in Wien.]

Die itiologie des Traehoms. Von

Dr. Leopold Miilier, Privatdozenten in Wien.

Nit Tar. VI--VIII, Fig. 1--9.

Einleitung.

~Venn ieh in der Literatur Umschau halte, in we]chef Weise an ]3akterien, deren ~[tiologische Bedeutung heute fiber jeden Zweife[ erhaben ist, seheinbar mit Erfolg Kritik geiibt wurde, ich erinnere nut an den Gonococcus, so bin ich darauf gefasst, dass der Yersueh. die ~tiologis&e Bedeutung des bei Trachom yon mir geflmdenen Bacillus festzustellen, zungchst mit noeh gr6sserem Erfolge wird be- k~impft werden. Indem ieh abet der I-Ioffnung mieh hingebe, dass dutch reeht zahlreiehe Nachuntersuehungen und /,~'berprfifungen, yon denen selbst die kleinsten derzeit noeh yon gr6sster Wiehtigkeit sind, meine Angaben eine Best~tigung und Erweiterung erfahren werden, steht zu erwarten, dass endlich aueh in das Dunkel dieser so ver- derbliehen Krankheit volles Licht dringen wird.

Denkt man daran, wie sehwer" es z. ]3. bei der Influenza war, den Erreger nachzuweisen, wie dies erst bei der Epidemie im Jahre 1891 gelang, trotzdem eine Pandenfie im Jahre 1890 zu Unter- suchungen reichste Gelegenheit gab - - es waren j~ akuteste F~lle, die untersueht werden konnten nnd allenthalben untersucht wurden, - - so wird man noeh mehr die Schwierigkeiten begreifen, die sich mir bei meinen Untersuchunge~t entgegenstellten. Das Trachom ist derzeit eine reeht chronische, nur ganz ausnahmsweise eine ukute grankheit. Die Patienten kommen erst, wenn die Krankheit sehon }Ionate oder Jahre dauerte, zur ersten Untersuehung. Ieh bekam jahrelang iiberhaupt nut sporad i sche F~lle zu sehen. Doff, wo ieh so giinstige Verh~ltnisse vermutete, wie sie eine Epidemie der gtiologischen Forschung bietet, in Xgypten, zeigten sieh teider die

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Krankheitsf~lle so allgemein als Mischinfektionen, dasses besonders s&wer war~ sich zurecht zu finden. Die erste kleine Epidemic fand ieh endlich in Graz; sie best~itigte meine frtiheren Untersuchungen und machte racine zmn Teil bis dahin unerwiesenen Annahmen tiber die ~itiologisehe Bedeugung des yon mir gefundenen Bacillus fast zur Gewissheit. Dazu kamen noeh andere, racine Annahme unter- sttitzende Momente. Alles das ist in der folgenden Arbeit nieder- gelegt.

Sie zerfiillt in ftinf Absehnitte: Der ers te Absehnitt ist in seinem ersten Teile eine direkte

Fortsetzung einer friiheren Arbeit yon mir 1) und enthSlt die Unter- suchungsresultate yon 304 in Agypgen beobachteten F~illen yon Binde- hautentztindung. Dabei wird aueh alles hervorgehoben werden, was sieh auf den K o c h - W e e k s s c h e n Bacillus bezieht, weil sich die Not- wendigkeit hierzu dureh zwei VerSffentlichungen ergeben hat, eine yon A x e n f e l d *) und eine yon GromakowskiS) .

Anschliessend an diese Untersuehungen m Agypten Mgen die, welche ieh im Jahre 1900 in Graz gelegenttieh einer ldeinen Tra- chomendemie in der dortigen Irrenanstalt vorgenommen habe. Die Oelegenheit zu diesen Untersuchungen verdanke ich dem Herrn Sektionsehef im Ministerium des Innern, Dr. Ritter v. Kusy , dem ich aueh an dieser Stelle meinen ergebensten Dank daftir ausdr[ieke.

Der zwei te Absehnitt gibt eine genaue Beschreibung der Mor- phologie und der Kulturen des yon mir gefundenen Bacillus; weiter enth~ilt er Angaben fiber die Stellung dieses Bacillus, den ieh als Bacillus Traehomatis *) bezeichnen werde, im System der Bakterien, insbesondere tiber sein Verh~iltnis zum Bacillus der Influenza und zum Koch -Weekssehen Bacillus. DiesemAbsehnitte sind aueh Photo- gramme des Traehombaeillus beigegeben.

Der d r i t t e Abschnitt enth~ilt eine kritische Besprechung haupt- s~ichlieh der beiden obenerw~ihnten VerSffentlichungen yon Axe nfe 1 d und G r o m a k o w s k i , insbesondere der letzteren, aus der sich ergeben wird, dass gerade die Befunde yon @romakowsk i , tier das @liick hart% in einem besonders giinstigen Gebiete zu arbeiten, r i eh t ig

2) Arch. f. Augenheilk. Bd. XL. S. 13. ~) Ergebnisse der atlgemeinen Pathologic des Auges, hetausg, yon L ub a r s c h

u. Ostertag. 1901. S. 71 u. ft. 3) Arch. f. Augenheilk. Bd. XLI. S. 197. 4) Aueh Traehombaeillus oder ,,meinen Bacillus", um die l~ngere Bezeieh-

nung ,,Bacillus bei Trachom" zu vermeiden.

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140 L. Miiller.

gedeu te t , eine Best~tigung meiner eigenen Angaben enthalten, mxd beziiglieh einiger Punkte, fiber die ieh mir an meinem Materia! Mlein nieht ganz Mar zu werden in der Lage war, dankenswerte Erg~n- zungen bringen.

Der v ier te Abselmitt enth~lt meine im Jahre 1902 in Wien vorgenommenen Untersuehungen tiber die Bakterien des kranken Tr[tnensaekes. Herr Prof. F u e h s stellte mir hierzu das reiehe Ma- terial der Klinik zur Verfttgung, woNr ieh ihm aueh bier bestens danke. Ieh wurde, wie sich aus dem zweiten Teile des ersten Ab- seh~fittes ergeben wird, zu diesen baktefiologisehen Untersuchungen des kranken Tdtnensaekes direkt dureh meine Beflmde in Oraz ge- leitet. Sie stehen in innigem Zusammenhange mit der Frage des Traehomerregers und der Paghogenese des Traehoms.

Der fiinfte Absehnitt enth'Xlt zum Teit nieht ganz erwiesene Erkl~rungen, zum Tell rein theoretisehe Ausfithrungen tiber die Pafl~o- genese und die Klinik des Traehoms. Es wird der Versueh unter- nommen, einiges yon dem, was bisher im klinisehen Bilde des Tra- ehoms nnerkl~rt geblieben, ether Erkl~[rung zuzufithren. Ieh ersuehe gleieh bier alle, die meine Arbeit kfitiseb belenehten, diesen vorder- hand unbewiesenen Absehnitt gesondert zu kfitisieren, damit nieht, na& der kritisehen Bespreehung dieses Teiles, die ganze Arbeit sum- mariseh verworfen werde.

I. Abschni t t .

I. ~eine Untersuehungen in ~gypten.

Untersucht wurden 352 F~lle. Einige wenige davon sind aus dem Universit~ttsspital~ einige aus dem jtidischen Spiral in Kairo. [~Tber 300 sind poliklinisehe Xranke aus der ,,Klinik Katawon" in der Mnski, einem dieht bevSlkerten Stadtteil yon Kairo. Es waren durehaus Kranke mit prim~irem, secernierendem BiMehantleiden. Nit dem Sekrete wurden 1. Objekttrgger oder DeekgISsehen bestriehen, 2. Petr isehe Schalen, in die 11/s his 2o[0 Agar gegossen worden war, beschickt. Immer wurden mindestens drei solche Sehalen ftir einen Kranken gebraueht. Davon waren zwei auf der Oberflgche des Agars mit Taubenbht bestriehen, wghrend die dritte ohne Blut blieb, also in gew{ssem Sinne als Kontrollptatte diente.

"Von den untersuehten F~tllen sind nat 304~ in Bezug anf alas bakteriologisehe Ergebnis brauehbar~ die restliehen ~8 kSnnen nieht berttcksiehtigt werden, weil bet der ersten Impfung die Blu@atten

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oder s~mtliche Platten verunreinigt waren und die betreffenden Pa- tienten zwe&s einer zweiten Impfung nicht mehr auffindbar waren oder der Zustand der Augen durch die nach der ersten Impfung begonnene intensive Behandlung sich wesentlich ge~ndert hatte.

Untersucht wurden nar Kranke, die zum ers ten Mal in der ,,Klinik Kalawon" sich vorstellten, nicht auch sot&e, die schon in Behandlung standen. Durchsehnittlich wuchsen ira ganzen 20 bis 30 neue Kranke tiiglich zu. Von diesen wurden jedesmal jene, die am passendsten sehienen, yon mir ausgesucht. Oft warden die Be- gleiter der Kranken, weft sie sehr reine, unkomplizierte Krankheits- bilder darboten~ vorgezogen.

A n a m n e s t i s c h Hess sich weder in Bezug auf die Ursache der Erkrankung, noch in Bezug auf ihre Da~uer Yon den recht indolenten Kranken oder ihren AngehSrigen Brauchbares erfahren. Es muss Sache einer kiinffigen Expedition sein, auf die Verbreitungsursachen im allgemeinen nnd insbesondere auch auf jene der so stark ver- breiteten Gonocokkenerkrankung des Auges die Aufmerksamkeit zu richten.

Die Symptome der Bindehauterkrankungen waren sehr mannig- faltig gruppiert. Ich will die FNle naeh Symptomenkomp[exen in folgende Gruppen einteilen:

I. Gruppe: Die Conjunetiva der Lider und der Ubergangsfalten ist tebhaft und gleichm~ssig gerStet. Sie ist in versehiedenem Grade, oft hoehgradig geschwollen, auffallend glatt . Die Bindehaut des Angapfels ist an der Entzfindung mitbeteiligt. Es besteht Absonde- rung in Form kurzer Flocken, oder man finder im Bindehautsaeke auffallend lange, dtinne Schleimf~den.

II. Die Bindehautztindung unterseheidet sich Yon der eben be- schriebenen nut dadureh, dass die Bindehant der Lider mit mehr weniger festhaftenden P s e u d o m e m b r a n e n bedeekt ist. Entfernt man sie, so blutet die Bindehaut meist nieht, nut in einzelnen Fiitlen blutet sie. Oft bildet sieh die Pseudomembran erst, wenn man die Lider einige Zeit nmgestiilpt hglt.

III . Zur Entziindung der Bindehaut tritt eine Sehwel lung der L ide r , die sieh heiss anftihlen. Die Sek re t ion ist r e i eh l i eh , e i t r ig: Das Bild der aku ten B lennor rhoe . Es wird dieses Bild noeh deutlieher, wenn die eonjunetivale Oberfl~ehe nieht mehr glatt~ sondern hSckerig uneben und Yon fief dunkelroter F~irbung erseheint. In solehen Fgllen kann man die Einlagerung yon kleineren oder selbst Yon grSsseren KSrnern in der entztindeten Sehleimhaut tiber-

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] d~2 L. l~iOller.

sehen. Auch diese F.~lle kSnnen atle mit Bildung yon Pseudomem- branen einhergehen oder nicht.

IV. Die hidbindehaut ist grob sammetartig bis grob hSckerig~ besonders auf dem obern Tarsus. Die Sekretion ist gering. Da und dort bestehen geschwollene Follikel oft einzelnstehend und recht gross, die schwer yon TrachomkSrnern zu unterscheiden sind: Ein Bild. das mit grSsserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit ale , ,meta- b l e n n o r r h o i s c h e Con junc t iv i t i s " zu deuten ist. Jdierher gehSren auch F~ille, wo das eben beschriebene Bild durch Absonderung yon langen Sehleimf~den oder du rch P s e u d o m e m b r a n e n kompl i - z ier t wird.

V. Zu dem Bride, wie es fttr die I. und II. Gruppe geschitdert wurd% tritt hinzu, dass in der Bindehaut be ider Ta r s i k le ine gelbe XSrnchen~ in den Ubergangsfalten grSssere opake K S r n e r eingelagert sin& Am deutlichsten sieht man sie in der Conjunctiva des oberen Tarsus. Wenn Pseudomembranen vorhanden sind, sieht man die KSrner erst, wenn ma~ dis Membranen entfernt hat.

VI. Die g~nze Bindehaut, besonders aber die obere Ubergangs- falte ist durchsetzt yon grossen, typ i schen , f r o s e h l a i c h a r t i g e n KSrnerno Sie sind entweder ganz hart oder fiihten sich mehr ela- stisch an. Sie sind noch yon geniigend fester Epithelschicht bedeckt, oder sie treten hanfenweise beim Umdrehen des Lides aus. Dabe i kann die Sek re t ion fast fehlen, oder man finder zghe glasige Schleimfgden oder aber dtinn% lgngliche F~iden yon mehr gelbweisser Parbe, oder es besteht Bildung yon Pseudomembranen. Auch kSnnen daneben <lie Lider geschwollen, die Conjunctiva bulbi chemotisch nnd die Sekretion reichhch fleischwasserartig bis eitrig sein, ganz wie bei einer ~kuten @onocokkenerkr~nkung des Auges.

VII. Die Bindehaut ist yon K S r n e r n durchsetzt, die aber sehr undeutlich kennbar sind~ oft erst, were1 sie (herin Umdrehen des Lides) austreten, weil die Conjunctiva in einem Zustande ist, wie er bei IV geschildert ~a, urde, also im Zustande der , m e t a b l e n n o r r h o i - schen Conjunct iv i t i s" . Uberdies kann aueh noch Pseudomem- branbildung vorhanden sein.

VIII . Es best~hen typisehe T r a c h o m n a r b e n in der Bindehaut, entweder allein oder daneben noch Verkr[~mmung des Tarsus, Tri- chiasis~ frischer oder narbiger Pannus der Hornhaut, des 5i~eren auf der ganzen Hornhaut ale bloss ~nf der obern Hglfte.

IX. Der Zustand ist wie bei VIII. Daneben besteht ein grosses I t o r n h a u t g e s c h w i i r , das weder unserem Ulcus serpens~ noch zmch

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einem traumatischen, dutch die Trichiasis bedingten Geschwtir ghn- lich sieht, sondern jenen Hornhautnekrosen gleieht, wie wir sie bei der Gonocokkenconjunctivitis sehen. Die narbige Conjunctiva ist ganz leicht ros~rot, die Sekretion ist gusserst geringfiigig.

Die G r u p p e n l b i s IV nmfassen Kranke , die kein Tra- chore haben. In der GruppeI und I I ist dieses sicher guszuschliessen. In der Gruppe I I I und IV konnte durch die in Erscheinung tretende Krankheit allenfalls ein beginnendes, noch wenig entwickeltes Tra- chore gedeckt sein. Besonders aus der Gruppe IV sind .gewiss einzelne FNle in die Gruppe VII einzureihen, wie auch ans dem bak- teriologischen Befunde hervorgeht.

Die Gruppen V bis VII sind frische und gltere, meist mit andern Conjunetivitiden komplizierte, sehr selten unkomplizierte Trachome.

Gruppe VII I und I X umfasst alte, ausheilende oder ausgeheilte Trachome, die dureh rezente, nieht traehomatSse Entztindungen kom- pliziert sind (siehe umstehende Tabelle).

In die I. Gruppe liessen sich 41 Kranke einreihen. Bei diesen fanden sieh: einmal keine pathogenen :Bakterien; in 2 F~illen eine Ileinkultur yon Pneumoeokken; in 2 F~llen Gonoeokken allein, da- yon einmM massenhaf~ sowohl im Deckglas, wie auf den Blutplatten in tleinkultur; einmal Koch-Weekssche St~bchen und Gonocokken (auf den :Blutplatten wuchsen nur Gonocokken); dreimal Koch- Weekssche St~bchen und Pneumoeokken, auf den Blutplatten gingen keine Koeh-Weekssehen St~bchen auf; in 32 F~illelz waren Koeh- Weekssehe Stiibchen im Deekglas naehzuweisen, auf den Blutplatten wuehsen sie davon nur in 7 Fallen (davon einmal noeh in der zwei- ten Generation, seehsmal nur in der ersten), w~ihrend in 25 Fiillen die im De&glaspriiparat oft massenhaft naehgewiesenen langen, iiusserst dtinnen~ gramnegativen Baeillen auf den Blutplatten nieht aufgegangen waren.

Gruppe I I nmfasst 21 Xranke. Bei zwei fanden sich nur Gono- eokken in gTosser 3~enge; in 3 FNlen waren neben Gonoeokken au& reiehlich Koeh-Weekssehe Baeillen naehzuweisen~ davon gingen nur in einem Falle einzelne Kolonien des Koch-Weekssehen Bacillus auf der Blutplatte anf; in 16 Fiillen waren nur Koeh-Weekssehe Stiibehen im Deckglas naehzuweisen, anf den Blutplatten nnr in 6 yon den 16 F~llen. Unter diesen 4= F~illen fanden sieh nur zweimM sehr viele Kolonien des Koeh-Weekssehen Stfibehens, wiihrend in den 2 anderen nur 8 bis 10 Kolonien in der N~he des auf der Platte

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144 L. Niiller.

Gruppe Z a h l dot F a l l e

IV V

VI VII

l 1 I 2 3

Koch-Weekssehe St£behon,

]4ie auf 4an[die auf den Blutplatton

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2

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16 !

tiegen gebliebenen, zum Verstreiehen ben[itzten Bluteoagulums naeh- zuweisen waren. Dabei waren diese 4 F~lle mit positivem Platten- ergebnis durchaus nieht btoss solehe mit massenhaftem St~behenbefund im Deekglaspr~parat. In keinem der 4 F~lle war es m5glieh, eine zweite Generation zu ziiehten, dagegen gelang es mir leieht, den eineI1 dieser vier St~mme auf Mensehenblu[serumagar mit aufgest~ichenen ,,Luftkeimen" his in die ftinfte Generation fortzuztichten. Eine weitere Ziiehtung des Stammes unterblieb, weft die Besehaffung des mensehliehen Blutserums grosse Sehwierigkeiten bereitete.

In einem der 12 F~ille dieser Gruppe~ wo ieh massenhaft Koeh- Weekssehe Stgbehen im Deekglas fand, aber keine Kolonien attf der Platte, habe ieh auf einer Blutplatte mehrere Sehleimfloeken Yer- striehen und iiberdies eine Sehleimfloeke auf die Oberflgehe einfaeh daraufgeiegt. Die Platte blieb zwei Tage im Brutofen und Nnf Tage im Eissehrank. Darauf habe ieh die Sehleimfloeke, in deren Niihe ~u& unter dem Mikroskop keine Kolonien auf~ufinden waren, wieder yon der Platte abgenommen, auf einem Objekttr~ger verstriehen und

~) Da~,on einmal noeh in der zweiten Generation. ~) Davon einmaI noch in der dritten Generation.

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Trachom-

bacillen

Die -'~-tiologie des Traehoms.

7 8

T r a s h o m b a ~ i l l e n und Koch-Woekssche

St~,bchen, [

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Gonocokke~, T r a c h o m-}l bacilleu und Koch- II N r a dere ., ~I iI Weekssche Stabchcn, ][pathogene~ikro-

die auf den die au f den tl o rganismen: ' Bacillus Morax, Blutplat ten Blutpla t teu l Pnoumococcus,

n i c h t gewachsen } Streptococcus gewaehsen Mad

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2

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1 3 16

145

20 12 4

mikroskopisch untersucht. Da fanden sich nun reiehlich in dem Schleim jene Fadenkn~uel, wie ieh sic nie im Sehleim aus dem Con- junctivMsaek, sondern nur in Biolonien auf den Blutplatten zu sehen gewohnt war. Es waren also die Koeh-Weekssehen Baci]len in dem Sehleim gewachsen, abet ohne sichtbare Kolonien zu erzeugen.

Gruppe I I I : 43 F~lle. Sic enthalten 21real nur Gonocokken; zweimal Gonocokken und K o c h-We ek s sehe Sti~bchen, die Blutptatten blieben steril; einmal Gonoeokken, Koeh-Weekssehe St~bchen und Morax-Bacil]en, auf der Blutplatte sind die Koch-Weeksschen St~bchen nieht gewachsen; 17real nut Koeh-Weekssche St~bchen und 2 F~lle mit Koch-Weekssehen St~bchen und Moraxschen Diplo- bacitlen. Von diesen 19 F~lIen wuchsen die Koeh-Weeksschen St~behen nur seehsmal auf den Blutplatten, davon zweimal in sehr grosset ZahI, einmal noeh in zweiter Generation. Die Moraxschen Bacillen gedeihen auf den Blutplatten sehr gut.

Gruppe IV: 22 F~l]e. Ieh finds v ie rmal den Trachombacillus. Er ist in allen Strichen auf der Platte reichlich aufgegangen, wurde, wie iiberhaupt~ in der Regel bis zur sechsten Generation fortgeziichtet;

~) Davon einmal noch in der zweiten Generation. v. @raefe's Archiv ff~r Ophthalmologie, L V I L 1. 1 0

12

N u r f~r die Bindehaut

nich~ pa~ho- gaue KMmo :

Staphylococcus, Xerosebacfllus~ Pseudogone- oocells RSW.

1

I

17 3

41

Ga

16 63

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146 L, Mfiller.

Oft vergingen seehs bis acht Tage, bis ieh yon der im Eiskasten stehenden Platte die n~chste Generation kultivierte. Es sind diese 4 F~lle sicher solehe, wo das Traehom yon der ,,meta blennorrhoisehen Conjuneti~itis" gedeekt war'.

Siebenmal fanden sieh Koeh-Weekssehe St~bchen im Deckglas, sie wuehsen in keinem Falle auf der Platte; einmal fanden sieh neben K o e h-We ek s sehem Bacillus noeh I~{o r ax sche Doppelst~behen. Seehs- real fanden sieh Gonocokken, davon viermal auch auf den Blutplatten. Dreimal Gonoeokken und Koeh-Weekssehe St~bchen, welch letztere zweimal auf den Blutplatten in der ersten Generation wuehsen. Ein- mat fanden sich keine pathogenen Bakterien.

G r u p p e ¥ : 14: FNle. In 6 F511en waren nur g o e h - W e e k s s e h e St~tbchen naehzuweisen, die nicht zu ziichten waren. Es waren 6 Fglle mit Bildung yon reeht derben Pseudomembranen. tn 10 F~llen konnte ieh den T r a c h o m b a c i l l u s naehweisen, davon in 9 F~llen sehr reichlich nnd nnr einmal in einer geringen Zahl yon Kolonien auf der Platte. Jedesmal wurde bis zur seehsten Generation fort- geziiehtet. LTnter diesen 10 FNIen time ieh in 3 FSllen Trachom- baeillen allein~ einmal zusammen mit Gonocokken (dieser Fall ist in die seehste KoIonne mit eingereiht)~ in 3 F~illen zusammen mit Koeh- Weekssehen Stgbehen~ die m~r einmal auf der Blutplatte gewachsen wamn, einmal fand sieh neben diesen zwei Baeillen noeh ein feiner Streptococcus. ZweimalTraehombacillen, I (och-Weekssehe Stgbehen und Gonocokken. Au& atff den Blutplatten waren alle drei Arten

,gewaehsen. Zweite Generationen wurden nut yon den Traehom- und Koeh-Weeksschen St~behen angelegt. Letztere wuchsen nut ~n einem Falle noeh in der zweiten Generation.

Die V[. Grnppe umfasst 68 Fiille. 20 real waren keine der 3 Arten: Trachom-, K oeh-Weekssehe St~behen und Gonoeokken ge- waehsen. 15 real waren Koeh-~Veekssehe St~behen im Deekglas reich- lieh naehzuweisen, die Blntplatten abet blieben steril. In 6 F~llen wurden I~: o eh-We eks sehe St~behen im Deekglas und auf den Blut- platten in einer Generation naehgewiesen. In 3 weiteren FSllen waren neben den Koeh-Weekssehen St~behen noeh Gonoeokketl, einmal iiberdies aueh noeh Diplobaeillus Morax naehzuweisen. In diesen 6 F~llen waren zweimal Koch-Weekssehe St~behen auf der Platte aufgegangen, n~mIieh einmal nut in der ersten Generation und e inmal bis zur d r i t t en Genera t ion . Auf der Blutplatte n~mlieh, die mit reiehen Striehen der zweiten Generation besehickt wurde, waren in tier N~ille des auf der Platte liegengebliebenen Blutklfimp-

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chens einige kiimmerliche Kolonien gewaehsen. Die tibrigen Striche zeigten kein Waehstura. Diese dritte Generation liess sieh nieht welter ztichten (Uberimpfung nach 68 Stunden). Dreimal fanden sich in dieser Gruppe nut Gonoeokken, zweimal Gonocokken und Me- raxsche St~behen nnd einmal noeh iiberdies Bacillus F r i ed l~nder . In 20 F g l l e n waren T r a c h o m b a e i l l e n aufgegangen und zwar neunmal allein, einmal zusalnmen mit Pnenmoeokken. Sechsmal waren neben T r a c h o m b a e i l t e n aueh Koch-Weekssche und zweimal iiberdies noch Gonoeokken zu finden. Von diesen 8 Fgtlen mit K o oh-We ek s schen St~Lbehen war ein Waehstum auf den Blutplatten nur dreimal erfolgt.

Die VII. Gruppe umfasst 19 F~lle. V i e r m a l wurde der T r a e h o m b a c i l l u s naehgewiesen: Einmal allein, einmal zusammen mit Gonoeokken, zweimal zusammen mit auf den Platten nieht waohsenden Koch-Weekssehen StSbchen. Sechsmal fanden sich Koeh-Weekssehe St~tbchen allein~ dreimal nut Gonoeokken. In ein- zelnen dieser 9 Fglle wurden noch andere pathogene Keime der Xolonne 11 ¥orgefunden - - 3 F~lle gehSren in die Xolonne 11 und dreimal fanden sieh keine fiir die Conjunetiva pathogene Spaltpilze.

In der VIII. Gruppe, die 71 Fglte umschliesst, f~llt auf, dass in 41 F~llen sich keine p a t h o g e n e n Keime finden. In 16 Fgllen s indXoch-Weekssehe St~[behen und in 7 F~llen Gonocokken, neben diesen zwei Arten h[%ufig Pneumocokken, Moraxsehe Diplobacillen und Streptoeokken naehzuwe~sen; ein negativer Baktel~ienbefund ergab sich in keinem der FSlle.

Als Ursaehe des bSsartigen~ ausgedehnten tIornhautgeschw~ires bei fiinf Kranken, die die IX. Gruppe bilden, wurde bakteriologisch eine Gonocokkeninfektion der yon Trachomnarben durchzogenen Con- junetiva, bezw. der tIornhaut nachgewiesen. Einmal fanden sich neben den Gonocokken auch Koch-Weekssche St~behen vor.

Fassen wir die Resultate der bakteriologisehen Untersuehung zusammen und beginnen wir mit me inem Trachombae i l l u s , der uns zun~ehst am meisten interessiert, so finden wir ihn in den Traehom- gruppen V, ~ I und VII vertreten. Zu se inem Naehwe i se gal t mir der Naehwe i s se iner K u l t u r e n auf den B t u t p l a t t e n ffir obl iga tor iseh . Am h~iufigsten fand ieh ihn in der Gruppe des be- ginnenden Traehoms~ n~imlieh zehnmal unter 16 F~llen. In der VI. Gruppe, we sehon ausgebitdete Traehome verzeiehnet sind, finden wir ihn 18 mal unter 68 Fgllen, was damit tibereinstimmt, dass ~-iete

10"

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1~8 L. BItiI!er.

dieser Trachome wohl noch keine Narben aufwiesen, aber doch scho~ recht alten Datmns waren. Unter 19 F~ttlen yon ,,metablennorrhoi- scher Conjunctivitis", wo ieh eine Kombinafion mit Trachom annahm, f;md ieh meinen Bacillus nur vierm~l. HJer ist hurt zn vermerken, dass ich ihn fast ebenso hgufig, ng.mlich viermal unter 21 Fallen yon ,,metablennorrhoischer Conjunctivitis" fgnd~ bei denen ich ein Traehom meht vermutete. Wenn ich yon tier durch meine weiter unten angeftihrten Untersuchungen fast zur Gewissheit sieh steigern- den Wahrseheinlichkeit, dass mein Bacillus der Erreger des Traehoms sei~ ausgehe, so ergibt sieh aus der Zusammenstellung der @ruppen VI I und IV, dass bei metablennorrhoiseher Conjunctivitis, besonders in einer yon Trachom durehseuehgen Gegend, die Bestimmung unmbg- lieh ist, ob Patient gleichzeitig an Traehom leidet oder nieht.

Zu bemerken w~re no&, dass ieh in den 4 Jo~llen yon rezentem Traehom, die in Bezug auf meinen Bacillus negativ ausfiden, eine recht schwere pseudomembranSse Conjunctivitis mit positivem Koeh- Weeks schen Bacillenbefund nachweisen konnte, was wir wohl so atff- fassen miissen, dass eine solche Conjunctivitis jungen Datums dem schon lgnger bestehenden Traehom supraponiert war.

In den Gruppen I his I I I f inde ieh meine T r a e h o m b a e i l - len nicht . Diese Gruppen umfassen Kranke, die in den allerersten Tagen ihrer a k u t e n Erkrankung auf der ,Klinik" ersehienen. Es waren dnrchaus Kinder, nicht iiber zwei Jahre alt. Die glatte Ober- flgehe ihrer Bindehaut spricht dgiir, dass sic vorher gesund ge- wesen sind.

Viele Fglle der Gruppe V und VI kamen nieht als Patienten, sondern Ns Begleiter yon Pagienten auf die ,,Klinik", woraus hervor- geht~ dass die im allgemeinen indolente BevSlkerung wegen eines unkompliziertell Trachoms spat oder gar nieht grztliehe Hilfe sueht, aiso ganz leichte ,,Trachome ohne KSrner", wie wit sie welter nnten werden kennen lernen, zum Arzte sehon gar nieht gebracht werden.

Ebensowenig wie in Gruppe Ib i s I I I finde ieh meine Bacillen in den Gruppen VIII und IX, den Gruppen des Narbentrachoms. Dies kann direk~ als Kontrolluntersuchung aufgefasst werden. Jeden- falls ist das die einzige Kontrolluntersuehung~ die in Agypten mgglieh ist, da man Patienten ohne Narbentrachom gar nicht finder. Jeden- falls ist es auffatlend, dass ich unter den 76 granken der VIII. und IX. Oruppe 35real andere fiir die Oonjunctiva pathogene Keime fund, nieht abet meirie. Wenn mein Bacillus bei T~aehom durum geflmden wird~ well er eine (suprapouierte) Conjunctivitis erzeugt,

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Die ~'[tiologie des Traehoms. 149

dann hitte ich ihn neben den anderen pathogenen Keimen, oder ebenso wie sie, haufiger in den F~llen dieser zwei Gruppen vertretein finden mtissen.

Addiert man die Kolonneu 1, 4~ 7 und 9 der Tabelle, so be- kommt man 119 F~ilte, we der K o c h - W e e k s s c h e Bac i l lus wohl in den Nativpri~paraten des Sehleimes naehzuweisen, nicht aber auf den Blutplatten gewaehsen war. Strenge Bakteriologen werden diese Aufstellung ohne Kulturnachweis nicht billigen. Dem gegeniiber l~sst sieh abet folgendes anfiihren. Es gibt, wie aus den Photo- grammen dieser Arbeit hervorgeht, im Nativpr~parat des Sehleimes immer wenigstens einzelne, iiberaus charakteristische Formen des K o e h - We ekssehen Sti~bchens, die mit meinen nicht verwechselt werden ktin- nen. Und mein Bacillus ist ja der einzige, der differentialdiagnostisch in Betraeht kam. Das umgekehrte w~re wohI teichter m~glieh, dass in einem Gemenge yon Koeh-Weekssehen St~behen und meinem Bacillus letzterer tibersehen wurde. Dagegen aber sehiitzten die Blutplatten, auf denen mein Bacillus, wofern er im Schleim ist, immer wiiehst. In den meisten Fillen aber finder man in Agypten iiberhaupt keine oder sehr wenige kurze, meinem Baeilhs ~hnliehe Formen des Koeh-Weekssehen St~behens, sondern vorwiegend oder fast aussehliesslich jene charakteristisehen Formen (siehe Fig. 4, Fig. 9), die ohne weiteres auch ohne K u l t u r im Conjunctival- sehleim w~hrend e ine r E p i d e m i e yon Koch-Weeksseher Bacillen- conjunctivitis (also besonders in Agypten) als Koeh-Weekssehe St~b- chert angesprochen werden k5nnen.

Arts den Kolonnen 2, 5~ 8 und 10 bekommt man 37 FNIe, we der Koeh-Weekssehe Bacillus auf den BIutplatten gewaehsen war, darunter, wie aus den zwei Anmerkungen der Tabelle hervorgeht~ dreimaI noch in der zweiten und einmal noch kiimmerlieh in der dritten Generation. Eine vierte Generation war in keinem Falle zu erhalten. Dahingegen konnte ieh in einem Falle, in dem die Bacillen auf Blutagar nicht gewaehsen waren, leieht noeh eine fiinfte Gene- ration auf ,,Mensehenbhtserumagar mit fremden Kolonien" (siehe den zweiten Absehnitt dieser Arbeit) erzielen.

De r K o e h - W e e k s s c h e Bac i l lus wurde also im Ganzen in 156 F[tl len, demnach unge f~hr in der N i l f t e s~mt l i eher u n t e r s u c h t e r Fg l l e naehgewiesen. In ein Vier teI tier 156 F i l l e ungef i ihr ist er auf Blu t lo la t ten in der e r s t e n G e n e r a t i o n au fgegangen , nimlieh in 37 F~llen. Dabei liess sieh aus der Sehwere tier Erkrankung oder aus der l~{enge der Baeillen im Nativ-

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150 L. Niiller.

pr~parat des Schleimes durchaus kein Anhaltspunkt gewinnen, ob der Bacillus auf den Blutplatten gedeihen werde oder nicht. Vielmehr finden sich unter den 37 Fallen mit positivem Waehstum auch kli- niseh teiehte und dann wieder auch sotehe Faille, bei denen im Nativ- prgparate nur sp~irlieh Baeillen naehgewiesen wurden. Anderseits sind unter den 4-3 F~illen der dritten Gruppe, also der G r u p p e der , a k n t e n B l e n n o r r h o e " 19 F~l le yon re iner I n f e k t i o n mit E o e h - W e e k s s c h e n St~bchen. Es sind 1~11% wie man sie sich schwerer kgum vorsteIIen kan~l. Einzelne muss man unter die Fiille yon ,,Conjonctivite suraegue Sameh's" einreihen. - - Und nun sind unter diesen 19 F~illen die Bacillen 13 real guf den Blutplatbn nieht gewaehsen, nu t seehsmaI wnrde Wachstum erzielt.

Die Zahl der Fille, we neben Xoch-Weeksschen Stibehen G o n o c o k k e n naehzuweisen waren (Kolonne ~i, 5. 9 und 10), betrg~gt im ganzen 20. Gonocokken allein fanden sich in 4~9 Fallen. Aus der Kolenne 6 geh6ren hierher noch 2 Fglle, we sie mit meinen Trachombacillen zusammen vorkamen. Im ganzen waren also 71 lq'~ille ( an f 304) mit G o n o c o k k e n inf izier t , d. h. Nst Bin Viertel simtlicher untersuchter Kranken. Von ~8 sehweren Vpischen ,,akuten Blennorrhoen" waren 21 dutch Gonoeokken alIein (19 dutch Koch-Weekssche Baeillen allein) und 3 Filte dutch Gonocokken und IXoeh-Weekssehe Stibchen hervorgerufen, in 6 Fglien fund ich @onocokken neben meinen Trachombaeillen (dermal waren auch Koch-Weekssehe Stibchen dabei).

In die Kolonne 11 sind die Fille eingereiht, we weder Koch- Weekssche Stgbehen~ noch Oonocokken, noeh Traehombaeillen sich ihnden, sondei~ ~lein die andern fiir die C o n j u n e t i v a p a t h o - genen B a k t e r i e n : Diplobaeillus Morax , Pneumoeokken, Strepto- cokken. Jede dieser Bakterienarteu wnrde sowohl far sich allein, als auch mit den andern dieser Gruppe zusammen gefunden. Im Ganzen sind 16 Fille notiert. Dazu muss aber far diese Bakteder~ eine grosse tleihe yon PNlen in Betraeht gezogen werden, we sie in versehiedener Eombination mit den Bakterietl simtlicher fi:ttheren Xolonnen zusammen gefmiden wurden. Ieh habe, um die ~bersieht der Tabelle nieht zu stSren~ darauf verzichtet~ dies einzeln anzuf~ihren. Ieh will nut hervorheben~ dass der 3{oraxsehe Bacillus am hgufig- sten ~mter ihnen sich fhnd.

In die Kolonne 12 sind 63 Fglle eingereiht, we allein jene Bakterien sich {auden~ die nach unsern Erfahrungen fiir die Con- junetiva n icht als p a t h o g e n gelten. Bezttglich des kombinierten

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Die 2~[tiologie des Trschoms. 151

¥orkommens der Bakterien dieser Kolonne mit denen der t~iiheren Kolonnen gilt dasselbe, was ftir die elfte Kolonne eben gesagt wurde.

Am Schlusse dieses ersten Teiles des ersten Abschnittes will ich zuniichst noch einmal darauf hinweisen, dass tIerr Dr. B i t t e r , ein Schiiler Kochs und Vorstand des hygienischen Institutes in Kairo, alle meine Untersuehungen in Agypten kontrolliert hat. Ich danke ihm ftir die grosse Miihe, der er sieh damit unterzog.

In zweiter I~inie will ieh auf die auffatlende Tatsache hinweisen, dass Traehombacillen sieh anssehliesslieh in der Gruppe IV bis VII fanden. Stelle ich die 76 Fglle der VIII. und IX. Gruppe gegen- fiber - - in Agvpten finder man keine traehomfreien Patienten, nut solehe mit nea'biger Bindehaut - - , so stehen den 123 Kranken der Gruppen IV his VII mit 36 in Bezug auf den Trachombacfllus po- sitiven F~llen, gewissermassen 76 Kontrollf~lle mit durehaus nega- tivem Befunde gegeniiber.

Bass yon 123 nur 36 F~lle positiv sind~ darf uns nieht wun- dern. Wie viele dieser Trachompatienten litten an supraponierter, friseher Xoeh-Weeksseher Baeillenentziindung[ Eine Menge davon lift an metablennorrhoiseher Conjunctivitis; darunter waren F~lle, die so kurz naeh der blennorrhoisehen Infektion standen, dass man noeh Gonoeokken reiehlich naehweisen konnte. Endlieh waren sehr viete Pa- tienten darunter, die s&on sehr lange, vielleieht jahrelang mit Traehom behaftet waren. Ist die Zahl 36 auf 123 F~lle neben dem vollstiin- digen Fehlen der Trachombaeillen in den iibrigen Gruppen nicht er- mutigend? Bringt das nieht den Gedanken nahe, dass wit es mit dem Erreger des Trachoms zu tun haben? Insbesondere, wenn man noeh dazu das in Betracht zieht, was ieh friiher in Wien und Buda- pest fiber den Bacillus erfahren hatte. Man berticksiehtige ferner, dass ieh in den zahllosen Kontrolluntersuehungen in Wien an nieht Traehomkranken meinen Bacillus n iemals gefunden hatte. Trotz- dem habe ich in meiner Publikation (1. e.), in der ich die in Wien, Budapest und kurz aueh die in Agypten angestetlten Untersuehungen ~'erwertete, die Behauptung, dass der in Rede stehende Bacillus der Erreger des Trachoms sei, n i eh t auIges te l t t , sonde rn ~ n u r als meine s'ubj ect ive U b e r z e u g u n g h inges te l l t , als eine Uberzeugung, die vielleieht durch irgend eine unwissentlich vorgefasste 5ieinung oder dadureh entstanden war, dass der Zufall so viele fiir meine Ansieht zeugende Fiille, aber keine dagegen sprechende in meine

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152 L. l~'IfiI1 er.

Hand spielte. :[eh nahm mir daher vor, abzuwarten, bis sieh mir eine besonders giinstige @elegenheit bieten wtird% die Frage weiter zu vertblgen. Diese Gelegenheit bet sieh mir im Jahre 1900 in Graz und fiihrte zu Untersuehungen, welche den Inhalt des folgenden Teiles dieses Absehnittes bilden.

2. l~eine Untersuchu~gen in Graz.

Im Jahre 1898 konstatierte Dr. S a e h s a l b e r aus @raz in einer Expositur der grossen~ bei Graz gelegenen Feldhofer Irrenanstalt~ n~.mtieh in dem in K a i n b a c h gdegenen Versorgungshause ftir Geistes- kra.nke, eine Traehomendemie and braehte die mit dem Leiden be- hafteten Pfleglinge in eine gesperrte Abteilung der Feldhofer Anstatt. Von diesen Kranken werden jetzt i) daselbst 20 noeh behandelt. Alle weisen typisehe Tra&omnarben in der Bindehaut der Lider~ zum Teil aueh pannSse Trtibungen der Hornhant nnd ausgeheilte Ge- schwtire auf; die an tier Orenze der pannSsen Triibungen liegen. ]3ei einzelnen finden sich relativ frischer Pannus und Geschwiirehen an seinem Rande. Einige haben Argyrose der Bindehaut. Aneh Verkriimmung des Tarsus ist hier und da zu konstatieren, l~Iehrere yon ihnen leiden an Trgnensackblennorrhoe. Yon zweien dieser mit TrSnensaekblennorflloe Erkrmlkten wird noeh sp~ter die Rede sein. Der Weg aus dem Tr~nensaek in die Nase ist fast bei keinem dieser Patienten vers&lossen, vielmehr ergtesst sieh bei Druek auf den Tr~nensack das Sekret naeh oben and naeh unten. In alien Fiillen ~,on TrSnensackerkrankung (bis auf zwei) sowohl bei den Kranken dieser als den der folgenden Gruppe war das Sekret yon g l a s ige r Beseha f fenhe i t , vo l l s t~ndig du rehs ieh t ig , in seiner Konsistenz n i eh t sehle imig, so1~dern etwa mit eben erstarrendem Agar zu vergleiehen.

Die andern Kranken (ausser diesen 20 noeh in der gesperrten Abteilung in Feldhof befindliehen), die im Jahre 1898 yon Kainbaeh naeh Feldhof zum Zweeke der Behandlung ihres Traehoms trans- l~i4ert worden waren, befinden sieh jetzt Ms geheilte F~lle wieder i1~ Kainbach.

Im Jahre 1898 waren yon S a e h s a l b e r ebenso wie in Kain- bach aueh in Feldhof sSmtliehe Pfleglinge einer Augenuntersuehung unterzogen worden. Kein Pfiegling titt an Traehom ausser einer

') Juli 1900,

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Die *tiologie des Trachoms. 153

Frau, die, als ich sie im Jahre 1900 sah, ~on ihrem Trachom bis auf zarte eharakteristische Narben geheilt war. Es war aber bei ihr ein starker eitriger Trgnensackfluss naehzuweisen.

Im Jahre 1899 und 1900 nahm Dr. S a c h s a l b e r in Zwischen- rgnmen Yon seehs Monaten Untersuchungen siimtlieher Pfleglinge in Feldhof und in Kainbaeh ~Tor und konnte bei den drei ersten Muste- rungen keine neuen Erkrankungen feststellen. Erst bei der vierten Untersuehnng, am 20. Juni 1900, wurde in Kainbaeh, wohin in- zwischen, wie schon erwg,hnt, einzelne der Kranken yon der Feld- borer Trachomabteilung als ggnzlich oder fast geheilt zuriickgebracht worden waren, eine neue Trachomendemie festgestellt und 38 K r a n k e in die Feldhofer Trachomabteilung zu den 20 dort noch seit dem Jahre 1898 befindlichen gebracht.

Ich bekam die 58 Patienten der Traehomabtheilung am 12. JuIi zum erstenma! zu sehen. Die 38 Neuangekommenen waren seit 20 Tagen in der Weise behandelt worden, dass des Morgens die Con- junctiva mit Sublimatb~uschchen abgerieben wurde. Sodann wurde Ichthyol mit einem Gtasstabe au~etragen. Man liess dieses ~h bis 1/s Minute einwirken, worauf mit destilliertem Wasser abgewaschen wurde.

Die Augen tier 38 Neuangekommenen waren in einem sehr guten Zustande, insofern, als die Sekretion sehr gering war. Die Binde- haut bot dabei alie Grade der Entziindung dar: Einige Patienten zeigten papill~re Hypertrophie, andere Follikelsehwellung in den Uber- gangsfalten und auf der Fl~che der Tarsi, noch andere grobe, frosehlai&- artige KSrner. E in e inz iger weist auf beiden A u g e n einen dt innen P a n n u s be ider I I o r n h ~ u t e in ih ren obern H~l f t en auf. Es ist dies ein P a t i e n t , bei dem man bezt igl ieh des Z n s t a n d e s der B i n d e h a u t von , , leichter pap i l l g r e r H y p e r - t roph ie" sp rechen wiirde.

Um mieh zu orientieren, maehte ieh am 12. Juli, am Tage meiner Ankunft, yon sechs Patienten, bei denen ich Sekretf~den im Bindehautsaek land, Deekglasprgparate, die ich naeh Gram f~rbte. In einem Deekglaspriiparat (Patsehnig) konnte ieh Diplobaeillus 2vlorax nachweisen. In den ftinf iibrigen F~llen finde ich trotz ge- nauen Suchens gar keine Bakterien, aueh keine Xerosebacillen. Von diesem Tage an wurde die BehandNng ganz ausgesetzt, und an den folgenden Tagen untersuchte ieh die Patienten jedesmal am NIorgen, bevor sie sieh gewasehen hatten. Die bakteriologisehen Untersuchungen nahm ieh im hygienisehen Institnt der Grazer Universitgt vor. Herr

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154L L. Ntiller.

Prof. P r a u s n i t z hatte reich gastfreundlich aufgenommen: wofiir ich ihm auch bier bestens danke.

¥om 13. Juli ab bestri& ieh t~iglieh mit dem Sekret yon zehn Patienten Pet r isehe Sehalen mit Agar (,,Agarplatten"), yon jedem Patienten in der Regel zwei Agarplatten, auf deren Oberfliehe Tauben- blur ausgebreitet worden war, und eine ohne Blut~ die Kontrollplatte. Ausserdem wurden Deckgl[isehen oder Objekttriger mit Sekret be- striehen. Nut wo das Sekret nicht ausreiebte, wurden bloss zwei Platten, eine mit und eine ohne Blut, mit Sekret besehiekt. Von den zehn Kranken (die am meisten Secernierenden wurden aus den 38 Kranken ausgesueht)~ die ieh zun~chst, also am 13. Ju l i , vor- nahm, waren drei in Bezug an{ den Baci l lus t r aehomal i s posi t iv, wobei nut bei einem Patienten (Loibner) sieh sehr reiehlich Kolonien meines Bacillus auf den Blutplatten vorfanden. Am n~eh- sten Tage, am 14. Juli, wurden wieder zehn Patienten untersneht: zwei. die am Tage zuvor sehon mit positivem Beflmde untersueht worden waren, ergaben wieder positive Blutplatten, und negative Platten ohne Blut; yon zwei andern~ die am Tage zuvor mit nega- tivem BeNnde nntersueht worden waren, war jetzt einer positiv, w~ihrend der andere (l~Ifillner) sowohl an diesem Tage, wie bei simt- lichen folgenden Untersuehungen, die mit seinem immer recht spSr- lichen Sekret vorgenommen wurden, ein negatives Resultat gab. Er hatte an der Bindehaut der Lider eine ausgesproehene papill~ire ttyper- trophie; KSrner waren in der Bindehaut tiberhaupt nieht zu finden. Weiter sind mater diesen zehn F~llen seehs t{ranke, die am Tage zuvor noch nieht untersueht worden waren~ die naeh zweitigigem Aussetzen der Behandlung nun geni~gend Sekret. lieferten. Davou ergaben f an f posi t iven Befur~d, w~hrend Plat ten vom seehsten (Pirnsehek) verunreinigt und unbrauchbar waren.

Ieh miterlasse es, in dieser Weise den Berieht fiber racine Unter- su&ungen fortzusetzen. Ieh will vielmehr das Endergebnis der Unter- suehungen uncl zwar zuerst der 38, am 21. Juni naeh Feldhof trans- ferierten Kranken bier anfNiren. Ich bemerke noeh, class yon jedem Stamme im allgemeinen bis zur Nnften Generation weiter kultiviert. win'de und bei jeder l~'bertragung ausser Blut.p.latten immer eine Kontrollplatte ohne Blut angelegt wurde. Die Ubertragung gesehah s% class u n t e r dem Mikroskop (wie schon bei mehlen frfiheren Untersuehungen) mit einer PlatiuSse yon einer oder mehreren Kolonien Impfstoff abgenommen und zunSehst in Bouillon in eine sterile Uhr- schale eingetragen wnrde. Aus dieser Uhrsehate wurde mit einer Platin-

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Die "~tiologie des Tr~choms. 155

spatel die geimpfte Bouillon in mehreren Strichen auf die Platten auf,getragen. In der t~egel wurden g le ichze i t ig auf jeder Platte an einer oder zwei Stellen entweder Staphylocokken oder Luftkeime, die stark alkalisch reagierende Kolonien ergeben, zur FSrderung des Wachstums der Trachombacillen aufgetragen.

Drei yon den 38 Patienten (Endres, Baumhakl, Holinka) wur- den gar nicht untersncht, weft sie sich der Sekretabnahme wider- setzten. Ebenso ist der obengenannte Fail Piruschek nicht zu brauchen, weft er ein zweites Mal die Untersuchung nicht zuliess. Zwei weitere Fglle sind aus anderen Grtinden nur einmal, am 13. Juli, also am ersten Tage nach Aussetzen der Behandlung, mit negativem Erfolge untersucht worden (Scheischink, Schlagbauer). Es b le iben somit noch 32 P a t i e n t e n tibrig, bei denen die wiederholte bakteriolo- gische Untersuehung folgendes ergab:

Bei neun Patienten blieben die Platten negativ und die mikro- skopische Untersuchung der Sekretpr~parate bestgtigte diese negativen Befunde. Es waren die Patienten Kiegl, Miillner, Bruncko, Fischer, Rachle, ScheitegeI, Ziesel, Strohmeier und Zierer. D ie sen neun nega t iven s t ehen 23 F~l le gegeni iber , die in B e z u g auf me inen Bac i l lus posi t ives U n t e r s u c h u n g s e r g e b n i s l iefer ten. ~leist in sehr grosset Zahl, oft in R e i n k u l t u r , ging der Trachom- bacillus auf bei Loibner, Kaier, Reiter und Schwarz. Der P a t i e n t R e i t e r l i f t am r e c h t e n A u g e an T r h e n s a c k b l e n n o r r h o e . Auch der Patient Schwarz hatte einen verdickten Tr~nensack; Schleim liess sich jedoch nicht ausdriicken.

Am 20. Juli untersuchte ich 7 yon jenen 20 Patienten, die im Jahre 1898 wegen ihres Trachoms nach Feldhof transferiert, immer noch daselbst behandelt wurden. Die Behandlung war zwei Tage unterblieben. Im allgemeinen wnrden diese Kranken mit Lapis, Blau- stein und Ichthyol behandelt. Es waren jene 7 ausgesucht worden, deren BindeMut am st~rksten secernierte. Von diesen 7 Fallen waren 5 F~tlle negativ und nur 2 waren positiv (Blindenhofer und K~hling). Bei dera Patienten Kghling fanden sich auf den Blutplatten die Kolonien des Trachombacillus in Reinkultur in geradezu enormer Anzahl. Ebenso zahlreich bei dem anderen Patienten (Blindenhofer}, jedoch gemischt mit sehr viet Kolonien des Pneumococcus. G e r a d e diese zwei P a t i e n t e n l i t t en an T r g n e n s a c k b l e n n o r r h o e , w~th- rend die 5 negativen keine Zeichen dieser Erkranknng zeigten.

Welters hatte ich reich am 17. Juli nach K a i n b a e h begeben und untersuchte dort zehn Patienten und zwar: sechs, die bei der

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156 L. ~Itiller.

Untersuchung am 20. Juni, duroh Dr. Saehsa lbe r , teils als gesund, teils als zu wenig traehomverd~iehtig, zur Transferierung nach Feld- hof nieht bestimmt wurden. Davon hatte einer (Kowan) am !7. Jnli, also 28 Tage naeh der yon S a e h s a l b e r vorgenommenen Musterung~ entsehieden Trachom in Form einer sehr diinnen, sulzigen Infiltration in der Conjunetiva des obern Tarsus. Ein zweiter (BSckt) zeigte Spuren eines alten, offenbar sehr leichten, ausgeheilten Trachoms in Form sehr zarter, abet charakteristiseher Narben. Einer butte nile Zeiehen einer skrofulSsen Bindehautentz[indung: R~tung und Sehwel- lung der Bindehan~, leieht samtartige Beschaffenheit ihrer Ober- fl~ehe~ zahlreiehe ,,Phlykt~nen': am Limbus, alte Maculae naeh ttorn- hautgeschwtiren. Die drei tibrigeu haiten keine Zeichen volx Traehom, sondern nut die Bindehaut gerStet, leieht samta~ig~ wenig ge- sehwollen. Bei einem dieser drei Kranken war die Bindehaut sogar ganz glaR.

Von diesen sechs gaben ~der ein posi t ives R e s u l t a t in Be- zug auf meinen Bacillus, aueh cler Kranke m i t d e r gang glatten CoNunetiva. Nut der Patient m i t d e r skrofuIbsen Conjunctivitis und der mit den zarten Traehomnarben lieferten ein negatives Er- gebnis. Bei zweien der ~der positiven F~lle (Kowan und Wojkowitseh) zeigten sich die Blutagarplatten dieht mit Kolonien meines Bacillus besetzt.

Ausser diesen seehs Patienten untersuchte ich vier Kranke in Kainbach~ die s&on in Feldhof behandelt worden waren und als gang oder nahezu geheilt nach Kainbaeh zur~ickgesehiekt worden waren~ wo sic yon einem Arzte aus dem Orden tier barmherzigen Br[ider welter behandelt wurden. Davon haRen drei (uuter diesen drei ist ein Patient mit skrofulSser Conjunctivitis) negativen Befund, wiihrend der vierte (Warisch) positives Resultat aber nut yon dem Sekrete des linken Auges ergab. Auf den Blutplatten waren sehr zahtreiehe Kolonien meines Badltus. ich habe mir fiber den Patienten notiert, dass er grSbere XSrner und papill[~re Unebenheiten in der gerbteteu Conjunctiva~ dabei starke Sekretion aufweise. Sekret aus dem Triinen- sack konnte ieh an jenem Tage nieht ausdriicken.

Ieh babe weiterhin vier Frauen mit sehr starker Sekretioll in- folge yon akuter oder ehroniseher Col~junctivitis, die auf verschie- denen Zimmern der tfeldhofer AnstMt lagen, untersucht und bei keiner yon ihuen den Traehombaeillus gefnnden.

Endlieh babe ieh yon den sechs Wiirtern, die den Dienst auf der TraehomabteiIung versehen, die am Morgen irn Conjunetivalsaek

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Die 2~tiologie des Traehoms. 157

sieh vorfindenden Sehleimf~den untersueht und keine Traehombaeillen naehweisen k51men.

Von pathogenen Bakterien~ die neben den Traehombacillen sieh fal~den, sei Pneumoeoeeus, Staphylococcus aureus und albus (sehr h~ufig), dann Ketteneokken, Pseudogonoeokken genannt. In einigen FNlen fand sieh der h{ o r a x- A x e n fe 1 d sehe Diplobaeillus.

Niemals konnte ieh den K o e h-We e k s sehen Bacillus naehweisen. Einmal ersehienen mir St~bchen im Sekret verd~ehtig, dass sie K o e h - Weekssehe St~behen sein kSnnten. Ieh daehte an eine Misehung dieser mit meinen St~bchen. Ieh legte glei&zeitig Blutplatten und ,Mensehenserumagarplatten mit fremden Kolonien" an. Es wuchsen nur meine Baeillen.

Die nieht pathogenen Keime, die auf den Platten wuehsen, sind insofern yon Wiehtigkeit, Ms sie zum Teil das Waehstum meiner Baeillen fSrdern. Zum Tell bildeten aber Kolonien nieht patho- gener Keime e n t s e h i e d e n ein I-Iemmnis fur das W a c h s t u m jener Traehomkeim% die it~ ihrer Nghe ausges~t waren. Sehliess- lich kam ieh darauf, dass dies ~on der l~eaktion der Kolonien ab- hing (siehe den II. Absehnitt dieser Arbeit).

Wenn ich die w ich t i g s t en R e s u l t a t e dieser meiner Unter- suehungen in Graz hervorhebe, so muss ich tblgende vier Tatsachen anft~hren:

1. Dass unter 32 Patienten, an denen 22 Tage vorher die Zeiehen yon frisehem Traehom entdeckt women waren, und die 19 yon diesen 22 Tagen behandelt women waren, bei 23 mein Bac i l l u s sieh naehwe i sen liess.

2. Dass bei vier an dem Orte, wo das Traehom zum Ausbrueh gekommen war, zuriiekgelassenen Kranken, die mit jenen 32 gleieh- zeitig, aber so leieht erkrankten, dass der untersuehende Arzt sie nieht als Traehom gelten lassen konnte, sieh ebenfalls meine Baeillen fanden, also bei Ka ta r rhen~ die wghrend des A u s b r u c h s e iner T r a e h o m e n d e m i e in einem V e r s o r g u n g s h a u s e e b e n d o r t zur E n t w i e k l u n g kamen.

3. Dass bei der Untersuehung yon siebeu seit zwei Jahren an Traehom leidenden~ gemeinsam mit den sub t. angeffihrten Kranken in e ine r Abteilung intemierten Patienten meine Baeillen n u t bei j e n e n zwei s ieh fanden~ die a n T r g n e n s a e k b l e n n o r r h o e l i t ten .

4. Dass Untersuehungen des Bindehautsekrets, das einigen nieht

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158 L. }{tiiIer.

an Traehom leidenden Kranken yon anderu Abteilungen entnommeu wurde, ebenso Unbrsuchungen des Bindehautsekrets der Wirter der Trachomabteiluug meine Bacillen nieht naehweisen liessen.

Im August 1900 fuhr ieh zum zweitenmal naeh Graz. Ich unter- suchte zun~ehst jene vier yon den 32 Kranken, bei denen ieh im Juli besonders viele Bakterien gefunden hatt~. Das Trachom war bei allen vier deutlich in typischer Weise entwickelt. Ich konnb bei drei ~'on den vier Patienten wieder sehr r e i ch l i ch meine Bac i l l en naeh- weisen. Es ergab sieh~ dass bei den Patienten Reiter und Schwarz (siehe oben S. ].55) die Blennorrhoe des Trinensaekes fbrtbestand, und aueh der Patient Loibner, der im Juli sieher einen ganz dtinnen Tr~inensaek hatte, aus dem sieh absolut nichts hatte ausdr~ieken lassen, nunmehr ebentalIs an Trinensaekblennorrhoe litt, wobei das Sekret bei Druek auf den Sack sieh ebenso nach unten in die Nase wie nacli oben. dureh die Trgnenpunkte entleerte.

Wghrend diese drei yon den vier Patienbn, die im Juli sehr zahlreiehe Trachombaeillen aufgewiesen hatten~ jetzt wieder sehr vide Baeillen im Sekrete enthielten, aber nunmehr insgesamt an Trgnen- sackblennorrhoe litten, konnten bei dem viertel~, dessen Trgnensack frei geblieben wa% Baeillen nieht mehr naehgewiesen werden.

Blit Riieksieht auf diese Befunde wandte ich diesmal mein be- sonderes Angenmerk den T r g n e n s i c k e n zu.

Ieh land nun als vierten, dessen Tr~inensaek seit Juli erkrankt war, den Patienten Loregger. Ebenso wie in den friiheren drei Fitllen war aueh bei diesem Patienten, bei dem im Juli sich meine Bacillen recht reichlich hatten naehweisen lassen, das ans dem Trinensaek ausgedri'mkte Sekret vollstgndig durehsiehtig, und nieht sehleimig und fadenziehend, soridern etwa wie ni&t ganz starre Gelatine. Auch bei ihm konnb ich wieder reiehlich meine Bacillen in dem Conjunetival- schleim~ ebenso im Trgnensacksekret~ in Reinkultur naehweisen. Des- gleiehen koimten bei den Patienten Blindenhofer und Kihling (siehe SeRe 1.55) ebenso wie im Jnli aueh jetzt wieder reiehlieh meine Ba- cillen (neben Pneumocokken) naehgewiesen werden. Bei beiden waren die Conjunetivalnarben in den {]Tbergangsfalten und auf den Lid- knorpeln reiehlieher und derber geworden. No& einen dritten Xranken (Pirstinger) mit Tr~inensaekeiterung falld ieh diesmM nnter den seit 1898 in Feldhof behandelten Patienten. Auch bei ihm, der im Juli ~iberhaupt nicht zur Untersuchung gekommen war~ fanden sich reieh- lieh meis.e Badllen.

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Die -'~_tiologie des Trachoms. 159

Patient Patschnig, ebenfalls einer yon denen, bei weIchen im Juli recht viele Trachombacillen sich vorgefunden batten, lift jetzt an typischem Pannus des obern Hornhautdrittels. Bacillen Hessen sich bei ihm nicht mehr naehweisen.

Bei den andern Kranken, die im Juli positive Ergebnisse ge- liefert hatten, konnte ich diesmal nur ganz ausnahmsweise Bacillen linden. Alle waren wghrend der ganzen Zeit in der oben ange- fiihrten Weise behandelt worden.

Im November 1900 fuhr ich wieder nach Graz. Ich untersuchte in Kainbach den Patienten Wojkowitsch, einen yon jenen, die nie nach Feldhof gebracht worden waren. Er h a t t e eine bedeu tende V e r d i e k u n g des r eeh ten Trgnensackes . Der linke Tr~nensack fiihlte sich normal an. Sekret aus dem rechten Tr'~nensacke liess sich nieht ausdriicken. Die Biadehaut der Augen ist beiderseits nur ganz leicht samtartig. In den wenigen P~den aus dem Bindehaut- sack konnte ich meine Bacillen nicht nachweisen. Sodann unter- suehte ieh den Patienten Kowan. Die sulzige Infiltration der Con- juncdva des obern Lides war zuriickgegangen. Die Bindehaut war beiderseits leieht samtartig. Aueh bei ibm konnte ich meine Ba- cillen nicht mehr nachweisen.

In Feldhof exstirpierte ich drei Triinens~cke. Einige Stunden vor der Exstirpation wurde in jedem Palle Sekret ftir die mikro- skopische Untersuchung and Kultivierung entnommen. Alle drei F~ille zeigten ira Grampriiparate reichlich meine Bacillen, and am n~ichsten Tage waren auf den Blutplatten zahlreiehe Kolonien des Bacillus naehzuweisen.

Die Exstirpation wurde in folgender Weise vorgenommen:

Der Tranensack and die Einmttndungsstellen der Tr~inenr0hrchen warden freigelegt. Dies geschah mit grosser Vorsicht, damit der Inhalt des Sackes nieht ausgedrtickt werde. Dann wurden die Triinenriihrchen uaterbunden. Hieratf wurde der Tranensack vorsichtig freipriipariert and das untere Ende mit einer Seidenschlinge zugebunden~ danaeh mit der Schere yore Tri~nennasengang abgetrennt. Dies tat ich, um das Sekret, das sicher als bacillenhaltig nachgewiesen wurde, im Tr~inensack mitzu- harten and demnach bestimmt aussagen zu kSnnen entweder, dass die Bacillen in der Tritnensackwand nieht vorhanden sind, oder aber, dass sie sich nicht farben lassen. Ich hatte u~mlieh in zwei friiheren Fallen, wo ich reichlieh ira Tranensacksekret meine Bacillen nachweisen konnte~ in der Wand tier in gewiihnlicher Weise exstirpierten Tranens~tcke meine Bacitlen dureh keine Methode fiirben kSnnen.

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160 L. Mtiller.

Die Tranensaeke wurden in absolutem AlkohoI geh~trtet. Zwei da- yon warden vorher durch 48 Stunden in Formol-Miiller fixiert. Zum Schneiden warden sic in Paraffin eingebettet.

Weder in der Wand des Trgnensackes noch in dem im Sacke e ingeseh los sen geb l i ebenen S e k r e t e ge lang es mir~ du rch i rgend welehe F i i rbung meine Bae i l l en nachznweisen . Und doeh waren sic si&er, im S e k r e t wen igs tens , vorhanden gewesen.

Ieh lasse im IV. Abschnitt die a n a t o m i s e h e n Befunde folgen. Ausser den Trgnens.~icken wurden aueh Sttickchen aus der Conjunetiva ausgesehnitten, gehartet und mikroskopiseh untersucht: J[ch fand durehaus die bekannten~ fiir das Traehom eharaktefisgischen Ver~nde- rungen, sehr zahlreiehe, grosse~ scharf begrenzte ,,Follikel", Durch- wanderung der Rundzetlen dureh die Epithelien, follikulgxe Gesehwtire. Baeillen konnten dur& keine FS~rbung naehgewiesen werden.

II. Absehni t t .

Es erseheint notwendig, in diesem Kapitel die morphologischen und kulturellen Eigenschaften nieht allein meines Bacillus, sondern aueh des Koch-Weekssehen zu besprechen.

Viele yon den im folgenden angefiihrten kulturellen Eigenschaften des Traehombacillus wurden yon verschiedenen Beobaehtern bei dem Influenzabaeillus gefunden und yon mir Nr den Traehombacillus naehgepr~ift. Einige andere warden yon mir bei meinem Bacillus gefhnden, aber sofort yon mir auch bei dem Influenzabaeillus naeh- gepriift, wobei es mir his nun nicht gelang, kulturelt eine Differenz zwisehen den beiden Baeillen aufzufinden. Aueh morphologisch stim- men die beiden vollstgndig ttberein.

Die an UnmSglichkeit grenzende Sehwierigkeit, meinen Bacillus in mit Alkohol behandelten Prgparaten naehzuweisen~ ist ein Moment, das man Ms Unterschied gegentiber dem Influenzabaeillus nicht ausser aeht Iassen darf.

In Bezug anf die Pathogenitiit ftir Tiere ergibt sieh zwisehen diesen beiden Baeillen kein bestimmter Unterschied~ worauf ich welter unten zu spreehen komme.

A. De r T r a c h o m b a c i I l u s .

Als feststehende Charaktere des Bacillus haben zu gelten: Ab- gerundete Enden der Stgbchen. Negatives Verhalten gegen die @rarnsche F~rbung. AusschIiessliehes Wachstum auf hgmoglobin-

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Die .)[tiologie des Trachoms. 161

haltigen Nghrb5den bei Bluttemperatur und bei Zutritt yon Saner- stoff. G]asiges, auch noch bei 80facher VergrSsserung anscheinend ~511ig s t r uk tu r l o se s A u s s e h e n des R a n d e s der Kolonien. Un- bewegliehkeit der Sti~behen.

A]le andern Merkmale sind mehr weniger variabel.

1. Die Bae i l l en im Sekret .

Der Breitendurchmesser betr~igt 0,25 /L. Nur in sehr stark iiber- f~rbten ~r~paraten erscheinen die Bacillen dicker. Sie sind also dicker als die Koch-Weeksschen St~behen, deren Dicke 0~2 tt be- tragt. Die Lange wechselt. Am haufigsten sind sie etwa doppelt so lang als breit, doch kommen einerseits aueh ganz kurze Formen vor~ die kaum l~inger als breit sind und den Eindruck ~'on Cokken machen. Andei~eits erreiehen sie eine Linage his zu 1 ,u. Noch langere For- men finder man im Sekret des Conjunctivalsaekes selten. Wohl aber kommen im Sekrete des Tr~nensackes ungegliederte F~den yon ganz bedeutender Lange vor, bis zu 2 ,u und dariiber. In allen F~llen. wo die kurzen Formen iiberwiegen, hat man nicht die Empfindung, dass man sehr ,feine" Stabehen vor sieh hat, well eben der Langen- durehmesser den Breitendurehmesser nur wenig an GrSsse iibertrifft. Die kurzen Bacillen sind immer gerade~ die ktirzeren ungegliederten Faden im allgemeinen ebenfa]ls, die langeren aber haufig in einem ganz flachen Bogen, ausnahmsweise finch S fSrmig gekriimmt. Die Enden derBacillen sind a b g e r u n d e t , meist recht stark. Ganz kurze Formen kSnnen den Eindruck yon Cokken~ die i~ngeren yon Doppel- cokken hervorrufen, wenn die bipolare F~rbung ausgesprochen ist. Bei den langeren Formen und den ungegliederten F~den springt die Rundung der Enden weniger in die Augen. Betrachtet man die Bacillen mit dem Zeissschen (~lapoehromaten bei 1000facher Ver- grSsserung, bei sehr guter Beleuchtung (elektrische Bogenlampe), so erscheint die Kontur der Stabchen im Gegensatze zu den ungemein scharf konturierten Koeh-Weeksschen Stiibchen ganz unscharf, etwa so, als ob die Oberflache rauh ware. Sie besitzen keine Kapsel und zeigen keine Eigenbewegung. W~hrend man in einigen F~fllen haupt- sachlich untereinander in Gr5sse und Form iibereinstimmende Bacillen findet, sind in andern Fallen alle besehriebenen Formen und GrSssen nebeneinander zu sehen und ausserdem noch in gr5sseren und klei- neren Haufehen Formen, die so aussehen, als ob sie durch unregel- massage Sehrumpfung der km'zen Bacilten entstanden w~ren. Da-

y. Graefe's Archly f'dr Ophthalmologie. LVII. L 11

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162 L. Mtilter.

neben findet sich allenfalls noch ans kleinen KSrnehen znsammen- gesetzter Bacillendetritus.

Die Baeillen liegea meist extracellul~r in der seh]eimigen Grund- substanz, in der die Eiter- und die abgestossenen Epithelzellen ein- getagert sind. Intracellulgr finder man sie im allgemeinen selten, besonders dana, wenn die ]~%rmen weehselnd gross nnd untereinander weniger tibereinstimmend sind. Dann k6nnen einzelne Eiterzellen in ihrem Protoplasma ganz und gar mit Bacillen vollgepfropft sein. Jedesmal aber, selbst in diesen F~llen, sieht man solehe Zellen nicht zu zahtreich. Die meisten St~bchen liegen immer extracellnt~r, ia einzelnen ]~Etlen so dieht beisammen, als h~tte man eine auf dem Deekglase sehleeht ausgebreitete Relnkultur vor sieh. In einigen FNlen hat man die Empfindung, ats ob ~iberhaupt nieht mehr Stab- ehen im Sehleime Platz h~tteno Sieht man grSssere Hitufehen yon Baeillen an, kann man eine typische Lagemng der Baeillen zu ein- ander nieht feststetten. We ihrer wenige sieh finden, sieht man sehr oft zwei genau hintereinander liegen~ dann aber aueh ganz parallel und manehmal ganz dieht nebeneinander~ h~ufig liegt der eine Ba- cillus sehr~g hinter und neben dem andern. Ubereinandergekreuzt sah ieh zwei BaeiUen hie. Dagegen kSnnen neben einem lgl~geren Seheinfaden links und reehts je ein ganz kurzes St~behen symmetrisch liegen, was dam~ so wie ein Xreuz aussieht.

Sie bilden keine Sporen~ wont auch namentlieh ihre Empfind- liehkdt gegen Austroeknung spricht.

Die Farbung der Stabchen wird am beaten so vorgenommen, dass man eirt Deekglaspr~parat nach Gram mit Anilingentianaviolett dureh drei Ninuten f~rbt~ eine bis zwei Ninuten mig Jod beizt und dann kurz mit 95% Alkohol entf~rbt, so lange n~imlieb, ats farbige Wolken leicht veto Prgparate abgehenl). Naehgef~rbt wird mit sehr dtinner w~sseriger FuehsinlOsung dureh einige Ninuten. Ein zweites Prfiparat f~rbt man mit KarbolNchsin~ ~,on dem man auf eiu Uhrschalehet~ Waaser ~ur einige Tropfen nimmt. In dieser LOsung l~sst man das PNparat mindestens zehn ~[inuten liegen. Wenig verdiinntes KarbolNehsin ist zu vermeiden, well gerade bier die ~berf~rbnng Differenzen im Aussehen der Baeillen, insbesondere bezaglieh ihrer I)ieke ergibt, flat man nnr ein Pr~parat, muss man es unbedil~gt naeh Gram Nrben.

Die Baeillen verhalten sieh Gram-aega~iv. Sie nehmen Farb- stoffe zieralieh sehwierig an. In w~sseriger FuehsinlSsung gef~rbt zeigen viele StAbehen sehr deutlieh bipolare F~rbung und sind bei

1) Die im Institut Weichselbaum ~iblict~e ±usffihrung der Gramschen Mett~ode.

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Die Xtiologie des Trachoms. 163

bestimmter L~nge yon D i p l o c o k k e n n i c h t zu u n t e r s c h e i d e n .

Im Karbolfuchsin tritt diese bipolare F~rbung etwas weniger h~ufig und weniger deutlich hervor. Da wo in GrSsse und Form iiberein- stimmende Baeillen sich finden, wo sie also gut gediehen sind, sieht man sie auch in ihrer FErbung iibereinstimmend und Diploeokken ~hntich. Wo sie aber in ihrer GrSsse variieren, variieren sie auch

auffallend in der Intensitat der F~rbung. W~hrend man Bacillen sehen kann, die fast so stark gef~rbt sind wie, sagen wit, der Diplo- bacillus M o r a x , sind a.ndere (die meisten der vorhandenen) nur schwaeh gef~rbt. In den tti~ufchen yon Bacillendetlitus sieht man ganz zart gefErbt% eben noch sichtbare St~behen; die haben eben ihre F~rbbarkeit eingebiisst. Die 1Engeren ungegliederten FEden sind meist ebenso gefErbt wie die kurzen Baeil]en~ manehe yon ihnen aber nehmen eine besonders intensive ]~'Erbung an.

Uber die Fiirbung der StKbehen in mit Alkohol behandelten Priiparaten siehe das Ende dieser Arbeit.

2. K u l t u r e n .

Ich erlaube mir die zuu~chst folgenden, die Technik der Kulti- vierung betreffenden Angaben~ deren Kenntnis man zwar bet Jeder- mann voraussetzen kann~ deshalb zu machen, well ieh dafiir halte, class gewisse Punkte, (iber die in b a k t e r i o t o g i s c h e n A r b e i t e n de r O k u l i s t e n eine Polemik entstanden ist~ leieht geklErt wordea wgren~ wenn die Angaben stets mSglichst genau gewesen wgren.

Zur Kultivierung wurden n ich t R S h r c h e n , s o n d e r n P e t r i s c h e Scha len benutzt.

Man geht so vor, dass man den sterilen Bouillonagar I besser ist Fleischwasserglycerinagar - - nur kurz aufkocht, bis er fliissig ist und dank in ca. 50 ° warmes Wasser stellt, damit er abkiihlt. Dana wird die Petr ische Schale und zwar Boden und Deckel iiber der Flamme er- wi~rmt und in diese erw~rmte Schale der Agar ausgegossen. Dana I~sst man ih11 darin langsam erstarren. So vermeidet man Kondenswasser- niederschtag anf Deekel und Agaroberflache. W o e s sich am Versuche mit ,,absoluten Reinkulturen" handelt, empfiehlt es sich P etrische Schalen, die in gew6hnliches Papier eingewickelt steritisiert wurden, zu gebrauchen und das Papier nur zum Zwecke des Eingiessens des Agars, zum Impfea usw. kurz zu liiften, sofort aber wieder alas Papier zu falten. Ist der Agar erstarrt, dann bringt man auf die Oberflgche einen Tropfen Blut. Das Blut entnimmt man der Fingerbeere, oder man benutzt Placentarblut, das aseptisch aufgefangen wurde. Benutzt man Taubenblut, dana rupft man auf der uateren Seite des Ftiigels~ nahe seinem Ansatze an der Brust, die Federn aus. Die gerupfte Stelle w~scht man mit Seife, dann mit

11"

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]64 L. Mtiller.

Alkohol, yon dem man auch auf die Federn in der Umgebung etwas giesst, damit kein Federstaub herumfliege. Zuletzt waseht man mit Xther. Man bereitet sich ein in der Flammo ausgegltihtes GlasrShrchen, das an einem Ende mit ausserlieh abgebrannter Watte lose verstopft ist, w~hrend das andere Ende zu eiuer Iangen Spitze ausgezogen ist; sodann bricht man mit einer ausgegltihten Pincette die Spitze des ROhrchens so schrag ab, dass sie recht scharf wird und das Lumen des RShrchens sieh 5ffnet. Man senkt diese Spitze in die untere Flagelvene, die man zentral kom- primierea muss, oder in die Arterie. Das R(ihrohen, das noeh yore Aus- glithen warm sein soll, damit das Blut nicht zu schnell darin erstarre, filllt sieh nun yon selbst direkt aus dem BlutgefSsse mit Blut und kann dazu benutzt werdeu, viele Pe t r i sche Schalen mit je einem Tropfeu Btut zu beschicken. In gleicher Weise kann man das Blut aus der Yene des Kaninchenohres entnehmen und benutzen. Freilich, w o e s sieh wieder um Versuche mit ,absoluten Reiukulturen "l) handelt, muss maa diese Methode vermeiden uud muss vielmehr den gutgeballten Kuchea aus sterilem, geronnenem Placentarbht ohne Mitnahme yon Serum benutzen. G e r a d e abe r bei K u l t i v i e r u n g aus dem B i n d e h a u t s a e k , we immer an das Mitvorkommen des Koch-Weeksschen Bacillus gedaeht werden muss, empfiehlt sich das Bestreiehen mit f l t i s s igem Bla re , also unter Mitbenutzung yon Serum, start bloss mit dem Blutkuchen. Der Tropfen Blut oder der Blutkuehen werden mit einer ausgegltihten Platinspatel auf der Oberfl~iehe des Agars u a t e r Y e r m e i d u n g j e d e r Z e r r e i s s u n g des Agars ~,erstriehen. Platten~ die man einen oder mehrere Tage friiher ~orbereitet hat und die schon recht ausgetroeknet sind, soIlen nieht gebraueht werden. Es ist eine notwendige, die Untersuohung besenders erleichternde ¥orsicht, j e d e s m a l neben B l u t p l a t t e n auch e ine b l u t f r e i e Aga r - p l a t t e anzulegen. W o e s sieh um die Differenzialdiagnose gegentiber dera Koch-Weeksschen Bacillus haMelt, mt~ss man auch h~,mogtobinfreie Serumagarplatten, gewissermasseu als Kontrollplatten mit Sekret besehicken. Die blutfreie Platte darf selbstverstgndlich nicht mit Sekret bestrichen werden~ dem Blut des Patienten (aus dem gespalteten TrgnenrShrehen, aus absichtlich erodierter Bindehaut usw.) beigemiseht ist, da sie sonst eben keine Kontrollplatte mehr ist.

Das Sekret, das zur Impfung benutzt werden soll, wird dem Binde- hautsaek entnommen, ohne dass vorher irgendwie die Umgebung des Auges oder tier Bindehautsack selbst mit antiseptisehen LSsungen ge- wasehen worden ware. Ist fl[lssiges Sekret im Conjunctivalsack~ so wird es mit der PlatinSse entnommen und direkt i~ mehreren Strichen auf die Oberfi~iche des Btutagars aufgetragen. Finder man hauptsiichlich Sehleimf~den~ dann werden solche ausgesucht, die noch ganz im Binde- hautsacke liegen und mit einer feinen anatomischen l~incette, deren Spitzeu ausgegtaht sind, abgehoben, dann auf die ~utere Flaohe einer ausgegtahten Platinspatel gebraeht and uuter m0gliehst kri~ftigem Druck in mehreren Striehen auf der Oberflgehe des Iqi~hrbodens verrieben. Dabei

~) Darunter sind bier und im folgenden Petri-Schalen verstanden~ die keine einzige zuf~ll ig ~uf dem Agar wachsende Kolonie enthatten.

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Die Atiologie des Trachoms. 165

muss man immer eine Zerreissung des Agars wohl vermeiden. Handelt es sich um Tr~nensacksekret, dann wird ein Tropfen so ausgedrttekt, dass er am gut evertierten Tr~tnenpunkte h~ngen bleibt und sodann mit einer Ose abgenommen und verstrichen. Liegt eine Tr~inensackfistel ~or, dann wird die 0ffnung vorher sorgfMtig mit Seife l~nger gewaschen, bevor man aa die Entnahme des Sekrets sehreitet. Sekret, das an den Lidern oder neben dem Augenwinkel auf der Haut eingetrocknet ist, darf nieht benutzt werden, da die Bacilleu gegen Eintroeknung sehr empfindlich sind.

Sobald die Platten einmal geimpft sind, stelle ich sic hie auf den Boden, sondern auf den Deckel auf. Die Schalen kommeu in einea Brut- ofen yon 37 bis 38 °. Temperaturen unter 30 o sind ft~r Kulturversuche nicht brauchbar. Der Bacillus geh6rt zu den a~roben Bakterien. In Wasserstoffatmosph~re w~ehst er sehr ktimmerlich. Die Kolonien be- s~ehen danu aus lauter Degenerationsformen.

Am n~ehsten Tage wird neben der makroskopischen auch eine mikro- skopisehe Untersuchung ohne 0 f f n u n g der Scha len durch den Boden der Platte hindurch vorgenommen. Erst zur Abimpfung oder zur Unter- suehung der Kolonien bei starker Vergr6sserung wird die Sehale geSffnet. Die weitere Impfung der Kolonie~t findet immer unter dem Mikroskop statt. Ich babe sie meist so vorgenommen, dass ich die Kolonie mit einer kurzen konisch endenden Platinnadel abgehoben und zun~ehst in einer sterilen Uhrsehale, die mit wenigen Tropfen steriler Bouillon ge- ftillt war, verriebeu habe und dann yon dieser geimpften Bouillon mit einer (}se auf der Btutagarplatte einige tmpfstriche maehte. Die BIutagursehalen, die mit Reinkultnren zum Zwecke der weiteren Kultivierung besehickt werden, werden ~immer, wo es sich nieht um Versuche mit ,absoluten Reinkulturen" handelt, nach der ]Jberimpfung meiner Keime noch mi t a n d e r n K e i m e n , entweder Staphylocokken oder Luftkeimeu yon der ersten Platte, in deren Nahe die Trachombacillen gut gewachsen sind, an mehreren Stellen geimpft, am besten entsprechend den Enden der Trachombaeillenstriche. Unterl~sst man diesen Zusatz yon fremden Ko- lonien, bleibt das Wacbstum der Bacillen, selbst wenu man regelm~ssig jeden Tag weiter impft, pIStzlich und zwar ohne dass man dafter eine ErklS.rung h~tte oder eine Veranlassung nachweisen kSnnte, aus. Dagegen gelingt die Fortztichtung immer, wenn man ausser den Trachombacitlen die fremden Kolonien impft.

Die Platten, yon denen t~berimpft werden soll~ werdea am besten nach zwei Tagen aus dem Brutofen genommen und k6nnen dana his zu einer Woche im Zimmer gehalten werden, bevor die Ubertragung der Keime vorgenommen wird. Die Luftkeime, die man zur F6rderung des Wachstums der Trachombaeillen mit auf die Platte bringt, scheinen im allgemeinen ihre, das Wachstum f0rdernde Eigenschafteu dutch 6fteres Uberimpfen nieht zu verlieren.

Die Kolonien des Trachombacillus in a,bsoluter Reinkultur hubert ein wesentlich anderes Aussehen als die KoIonien, welche neben an- deren, ihr Waehstum fSrdernden Kolonien aufwachsen und sollen daher zun~chst besproehen werden.

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166 L. Miiller.

Auf solchen Platten sieht man naeh 2~ Stunden winzig klei~e - - man soll also hie ohne Lupe arbeiten - - wasserhelle oder glasig transparente; stark gewblbte Kolonien, die his zu 1 mm Durchmesser haben. Aneh bei schrgger Beleuehtnng zeigen sic keineflei Opales- cenzerscheinnngen und sind ~ollstgndig farblos. Betrachtet man sic nnter dem Mikroskop, so erscheinen sic vollstgndig strukturloso Sic treten besonders bei schiefer Beleuchtung dentlich hervor, weft sic dann wegen itu'er starken W~lbung auff?dlende Schattenbildung auf der sinen Seite zeigen. Sic sind ~,ollstgndig homogeu nnd besonders der kreisrunde Rand erscheil~t hell wie Kristallglas auch bei der stgrksten YergrSsserung.

Na& 48 Stunden sind die Kolonien doff, wo sic isoliei% si& finden, etwa auf die doppelte Gr/isse gewaehsen. Wo sic eng bei- einanderstehen~ bleiben sic kleiner, flachen sieh an den Stellen~ wo sic sich beriihren, ab, haben aber immer gesonderte Gipfel, so dass zwischen zweien immer ein TaI tiegt, alas hgnfig besonders dadurch hervortritt~ dass es mit roten Biutkgrper&en angefiiltt ist. Werden die I(olonien noch ~ilter, wachsen sic nut mehr wenig und zeigen Ein- tro&nungserscheinungen, indem sic flacher und dabei leicht gelblieh werden, die Oberfl~iche ist nicht mehr kugelig gewSlbt und glatt. sondern wellig und sieht wie bestaubt aus.

Anders ist es, wenn auf der Platte fremde Kolo~ien gleiehzeitig wachseI~, z. B. Staphylocokken. Dann haben die Kolonien meines Bacillus ein wesentlich anderes A~assehen. Makroskopiseh erkennt man sic allerdings nach 2~ Stunden, wie auf den reinen Platten, durch ihr wasserhelIes Aussehen bci gerader und schiefer Dnrch- leuchtung und an der starken WStbung. Unt.er dem Mikroskop bei etwa 50facher VergrSssermlg haben abet alle in tier N~ihe emer solchen bestimmten fremden KoIouie wachsenden Kolonien meines Bacillus auf ihrer Mitre schon ein oder mehrere grobe KSrnchen. Nach zwei his drei Tagen kSnnen sic einen Dur&messer yon 4. mm nnd dartiber hM)en, erscheinen nnter dem Mikroskop nicht immer farblos, sondern ebet~so h~tufig gelblich (insbesondere, wenn die Waehs- turn befSrderndcn Kolonien gelb oder braun gefgrbt sind)~ und auf tier Xolonie sieht man mehr weniger welt his znm Rande grobe KSrnchen in grosset Zahl, so dams die Kolonie an gewisse Cokken- kolonien erinnert. I n d e s s e n der R a n d ist und b le ib t auch fiir 80faehe V e r g r S s s e r n n g homogen~ absolnt ohne jede, auch die feinste Struktnr. Daran kann man die Kolonien teicht erkenneu. Dieses oft schoIlige Aussehen der Oberfl~che ist ~amentlich anf

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Die J~tiologie des Traehoms. 167

Platten, wo wenige Keime des Traehombaeillus zwischen vielen fremden waehstumfsrdernden vorhanden sind~ direkt jenes Kriterium, was einzig und allein zum Auffinden der Kolonien fiihli Solehes Waehstum, das aueh beim Influenzabaeillus beobaehtet und als Riesen- waehstum bezeiehnet wird, ffihrt noeh zu andern Erseheinungen; zu- n~ehst bilden die dieht stehenden Kolonien beim weitern Waehsen dureh ihr Zusammenfliessen nieht mehr jene eharakteristisehen Bilder, wo man noeh jede einzelne Nolonie unter dem l~Iikroskop erkennen kann, sondern sie bilden grosse, wellig oder selbst geradlinig be- grenzte Rasen, an denen man nnter dem Nikroskop einzelne Ko- lonien nieht mehr erkennen kann. Dies riihrt daher, dass die Ko- lonien, aneh die isoliert stehenden, bei ihrem sehnellen Waehstum /iberhanpt nieht mehr balbkugelige Gestalt annehmen, sondern flaeher bleiben Ms die typisehen, kleinen der Reinknltur. Teils well sie flaeh sind, teils weft sie vielleieht die Fat-be ,,ihres Wirtes" annehmen, wie ieh sehon erwghnte, erseheinen sie vielfaeh Ieieht bt~ulieh und nieht mehr wasserhell, wodureh sie beim Suehen mit freiem Auge leicht unerkannt bleiben. Diese bl~iuliehe Farbe zeigen sie allerdings naeh 24~ Stunden noeh nieht und sind daher auf Platten~ wo sie spSxlieh zwisehen zahlreiehen fremden Kolonien waehsen, naeh 24 Stunden noeh makroskopiseh auffindbar, nieht mehr abet oder sehwer naeh zwei oder drei Tagen. Ausnahmsweise ist der l%and der einzeln stehenden Kolonien nieht mehr kreisrund, sondern gewellt, wie eine Halskrause, und die Oberfl~ehe nieht einf~eh flaeh gewSlbt, sondern sie zeigen sieh in der Mitte yon einer gewissen HShe, und an dem Rande ist ein Wall yon derselben l~6he und da- zwisehen ist ein flaeher Graben. Diese letztere Form sail ieh 5fter bei Kulturen aus Tr~nensaekeiter, in dem vide Seheinfiiden sieh finden, selten in solehen aus Bindehautsekret oder aus Tr?~nensaek- eiter, d e r n u r *ypisehe kurze Formen enth~lt. Zuweilen finder man aneh am Rande yon grossen alten Kolonien mit seholliger Oberfliiehe zahlreiehe junge Kolonien aufwaehsen, oder es entsteht Bin glasiger Ring yon neuen Kolonien um die atte nieht mehr waehsende.

Die fremden Kolonien tiben ihren Einfluss nur in einem gewissen Umkreis, der yon Tag zu Tag zunimmt and gewShnlieh vor dem dritten Tage nieht die gnsserste Grenze erreieht hat. Ieh habe ge- zeigt, dass sowohl die Trachom- als auch Influenzabacillen t{iesen- waehstum auch an sotehen Stellen der Platte zeigen, in deren Nghe fremde, Wachst, um fSrdernde Keime gewaehsen und vor dem Anf- impfen der Traehomkeime ausgesehnitten worden sind. Wir sehen

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168 L. l~'Ii~ller.

dann genau den Bezirk~ bis zu welchem die Produkte der waohstum- f6rdernden Keime gedrungen sin& Diese Produkte verteilen rich nicht bloss bei oberfl~tehlich waohsenden fremdeu Kolonien; oft gird man durch Riesenwacl~stum an einer bestimmten Stelle der Platte direkt darauf geleitet~ dass irgendwo in der Tiefe eine kleine Ko- lonie eines fremden Keimes gewachsen ist. G r a s b e r g e r 1) hat mit ~nfluenzakolonien Versuche angestellt, aus denen hervorgeht~ dass das Riesenwachstum um Staphylocokkenkolonien dadurctl nicht beeinflusst wird~ dass man die Alkalescenz des N~ihrbodens in gewissen Grenzen ~miiert.

Ich habe folgenden Versuch ausgeitihrt. Anf die Mitre einer Platte, auf die ich eine Reinkuttur meiner Bacillen in gleichmgssiger Verteilung geimpft hatte, legte ich einen Wiirf~l sehr stark alkalischen Agars. Durch Diffusion aus diesem Wiirfel in die Umgebung ent- stand eine Abstufnng der Alkalescenz gegen die Peripherie, abet das Wachstum der Trachombacillen wurde in keiner Zone giinstig be- einflusst, sondern nut nngiinstig in grosses N~he des Wiirfels.

G r a s b e r g e r nimmt im Ansehluss an seine Versuehe air wahr- scheinlich an, dass die bakteriellen Produkte der Staphylocokken und anderer Keime eine ehemisehe Alteration oder eine leichtere LSslieh- keit des Bluffarbstoffes bewirken, so dass er yon den Influenza- bacillen erfolgreieh assimiliert gird.

Zu einem fieferen Einbliek in die hierbei in Betraeht kommen- den chemisehen Vorggmge rind wir dur& dis Versuehe yon Gho~ nnd v. P reys s ~) gelaagt.

Sis ~'erwendeten zu ihren Versuehen ein durch kanstliche Verdauung hergestelltes gamatinpr~tparat, welches lnfluenzabaeillen nur bei Anwesen- heir fremder f~rdernder Keime angehen liess, und glaubten aus ihren Ver- suehen den Schluss ziehen zu k6naen, dass es chemisehe Stoffe rein reassert, welehe den Einfluss der fSrdernden Keime erklaren, Stoffe, die entweder in den Bakterienleibern enthalten rind, die das Influenzabaeilten- wachstam ermSgliehen, oder dureh Eiuwirkung der fremden Keime auf den N~hrboden entstehen, d~ sowoh! dureh das AbtSten als dureh das Aussehneiden der fSrderMen Kolonien jedwede beganstigende Xusserung der Lebenst~ttigkeit dieser f6rdernden Keime ausgesehlossen war. Diese Stoffe rind in hohem Grade diffandierbar, ertragen Temperaturen yon 100 0 und scheinen organiseher Natur zu sein, da dnreh Zugabe yon aufgel6ster Staphyloeokkenasche Waehstum nieht erzielt werden konnte. Versuche mit angeblichen Bestandteilen des Bakterienleibes, wie Milch- saure, Glykogen usw., Wachstnm auf ihrem HSmatinnahrboden zu erzielen, schlugen fehl.

~} Zeitschrift f. Hygiene° Bd. XXV. S. 65l. -2) Centra]blatt f. Bakteriologie. Bd. XXXII. S. 90.

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Die J~tiologie des Trachoms. 169

Die Frage, ob diese Stoffe in der Weise auf den N~hrboden ein- wirken, dass sie die tt~raatinl0sung urase tzen , oder ob dabei ein K0rper zugeftihrt wird, der im Verein mit der unver~nderten H~raatinlSsung In- fluenzabacillenwachstura bewirkt, konnte nicht mit Sicherheit entschiedea werden. Die Erseheinung, dass ein zu reichlieher Bakterienzusatz eher entwicklungshemraend delta - - f6rdernd sich erweist, tiess vermuten, dass verschiedene in den Bakterien enthaltene K6rper einen teils hemmen- den, tells f6rdernden Einfluss auf Inflaenzabacillen austiben, oder dass der f(irdernde Stoff sich nur in einer gewissen Verdiinnung besonders wirk- sam erweist. Gegen diese letzte Annahrae sprach der Umstand, dass gerade in der unmittelbarsten Uragebung einer Kolonie das Wachstura am iippigsten ist und gegen den Rand der Beeinflussungszone abnimrat. Eine Umsetzung des I-Iaraatinagars bei Zusatz der Bakterienaafschweraraung war cheraisch begreiflicherweise nicht nachweisbar . - Diese Stoffe zeigen ihre Wirksarakeit nur ira Vere in mit e inem B e s t a n d t e i l des H~rao- globins, gleichgiiltig, ob derselbe ira frischen Zustande, wie ira Blute, oder in anderer Form dem _N~thrboden zugesetzt wird.

Es steht nicht im Widerspruch mit diesen Ergebnissen yon G h o n und v. P r e y s s , sondern erggnzt sie, dass es ausschliesslieh gu t a l k M i s c h r e a g i e r e n d e K o l o n i e n sind, in deren iN'ghe das Riesenwaehstum start hat, woven ich reich in einer jeden Irr tum aus- sehliessenden Weise iiberzeugte. Ich habe in Graz in allen Fgllen~ we ich Riesenwachstmn erzielte, auf die fSrdernden Kolonien Reagenz- papier gelegt und land immer alkalische, manchmal stark alkalische Reaktion. D a h i n g e g e n s ind in d e r U m g e b u n g yon s a u e r r e a g i e r e n d e n g o l o n i e n n i e m a l s g r o s s e K o l o n i e n m e i n e s B a c i l l u s g e w a c h s e n .

Ich land oft bei raeinen Versuehen in Graz~ dass auf Teilen der Platte, we keine freraden, alkalisch reagierenden Kolonien gewachsen waren, aber nur so weit als Blut aufgestrichen war, neutrale, ja bier und da sogar sehwach sauere Reaktion sich nachweisea liess. Ja ieh land sogar auf leeren Blutplatten, die ich fair vorbereitet und nieht so- fort in Gebraueh genommea hatte, die absolut steril waren, soweit d~s Blut verstrichen war, neutrale Reaktiom Hier in Wien wollte ich die Versuche wiederholen, konnte es aber nieraals erzielen, dass die Ober- fl~che der Blutplatte sauer reagiert hatte. Ob dies rait der Atmosphiire oder rait sonst was ira Laboratoriura zusaramenh~ngt, bin ieh nicht ira Stande zu sagen. Indessen ist es wichtig, dies hervorzuheben, da meine Keime gegen die Reaktion des Niihrbodens sehr e m p f i n d l i e h s ind und nie waehsen, wenn die Reaktion nicht entsprechend schwach alkalisch ist.

J a noch mehr. Ieh kann naeh meinen, wenn auch nieht hiiufig genug wiederholten Versuehen in Graz sogar mit grosser Wahrschein- ]iehkeit behaupten~ dass bei g]eiehmiissiger Aussaat yon meinen Keimen auf die Oberfl~che yon Blutagar um und gegeniiber yon gewisseu

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170 L. Mallet°

sauer r e a g i e r e n d e n Kolonien das Waehstum ein viel ktimmer- licheres ist, als auf der iibrigen Platte. Leider habe ich diese , A n t i - biose" nieht welter verfolgen k5nnen, dahingegen haben mir diese LaboratoHmnserfahrungen nahegeIegt~ aueh die Reaktion des Conjunc- tivalsaeks verschiedener Individuen zu priifen, wobei ieh land, dass iiberall deft, we Sehleim ira Bindehautsa& sich finder, die Reaktion stark alkaliseh ist, wghrend der normale Conjunctivalsaek eine Reak- tion zeigt, die man kaum als atkaliseh bezeichnen kann. Dutch Be- handlung mit gewissen l~Iedikamen~en wird die Reaktion des Binde- hautsacks sogar fttr einige Zei~ sclLwach sauer.

B. Morphologie der kGnstlich gez~ichteten Baeillen.

Alle Stgbchenformen~ die wir oben in den Prgparaten veto Sekret gefunden haben, finden sich iu den aus Xolonien hergestellten Deck- glaspr~paraten, wodurch erst erwiesen wird, dass sie alte ein und derselben wohlcharakterisierten Art angehSren.

In den allermeisten Fallen findet m~n allerdings in den Pr~i- paraten einer Reinkukur, "die 24 bis 48 Stunden alt ist, nur jene Stgbchen, die etwa zweimal so lang als breit sind, die sich m~issig intensiv mit Xarbol-Faehsin ~rben~ w~hrend bei F~rbung mit w~s- seriger Fuchsinl~sung bei zahlreichen dieser 8t~ibchen die Mitre etwas heller bleibt, so dass man vielfach Diplocokken vor sieh zu haben glaubt. In ~lteren Kulturen gndert sieh das einheitliche Bild dahin, dass m~n neben den erw~,hntelt kurzen St~tbchen mit gut abgerun- deten Enden noch lange, nngegliederte Fgden sieht, die bis dreimal, ja bis viermal so lang als die erw~hnten sein kannen. Viele dieser ungegliederten Fgden f~rben sich ebenf~lls gut, ja manehmal selbst intensiver als die kurzen St~bchen~ Dazwischen erscheinen dann abet sehr viele St~tbchen und ungegliederte F~tden. die dtinner und blasser gefgrbt sind als die erwghnten. Diese St'gbehen, besonders die recht langen, bekommen, da ihre Enden oft weniger abgerundet sind~ sehr viel "~_hnliehkeit mit Koch-Weeksschen St~bchen. Dass dies ab- sterbende F~den sind~ geht daraus hervor, dass man neben ihnen noeh vide, hellere, kaum mehr gefgrbte Baeillen in sehr grossen Mengen sehen kann, die ihnen aber sonst ganz gleichen. Nanehmal finder man in den glteren Xolonien sehr grosse, kolbenartig angesehwollene Formen, die sich sehr intensiv f~irben. Diese letztere Form ist die einzige, die ich hie in Sekretprg,paraten sah. Sind die Kolonien etwa zehn Tage alt~ dann findet man nut ganz vereinzelt gutgef~rbte St~b-

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Die 5~tiologie des Trachoms. 171

chen, die meist diplocokkenartig aussehen; daneben sieht man nut die blassgef~irbten dtinnen, besonders zahlreich die fast ungefgrbten Stgbehen, dann sehle&tgefgrbte Scheinfiiden, und endlich noch in grosset ~{enge jenen molekulih-en Detritus, den wit aueh s&on oben in Sekretpriiparaten besehrieben haben.

Ni&t alle Reinkulturen ergeben naeh 24 oder 48 Stunden das oben erw~ihnte Bild. Zuweilen finden wir eine Generation mitten zwischen zwei aus ,,normalen" Baeillen bestehenden Generationen ein- geftigt, die ungegliederte F~den in grSsserer ]~{enge aufweist und neben gutgefiirbten Scheinfgden sehr viele blassgefiirbte enthttlt. Diese Seheinfgden sind dann entweder gerade oder leieht gekriimmt, racist abet Sfgrmig oder sogar zu einem ttalbkreise zusammengebogen. Immer finder man abet auch in solchen Kulturen einzelne typisehe, kurze, gutgefiirbte St~tbehen. ]3esonders hgufig sah ieh gerade die ersten Generationen in dieser Weise degeneriert, wenn ieh Sekret aus dem Trgnensack zu Xulturen benutzte. Ich muss aber gleieh erwghnen, dass Triinensaeksekret ebenso hgufig auch in normaler Weise zusammengesetzte Kolonien ergibt.

Beziiglieh der Lagerung ist wiehtig, dass sieh die ungegliederten Fiiden selbst in solehen aus degenerierten Formen bestehenden Ko- lonien niemals dm'ehsehlingen, sondern meist nebeneinander lagern, zwis&en sich die kurzen Formen aufnehmend. Daher ist es wohl zu erklSren, dass man fast hie zwei iibereinander gekreuzt liegende Stgbchen in den Priiparaten der Reinkultur, ebensowenig wie in den Pri~paraten yon Sehleim, finder.

C. De r K o e h - W e e k s s e h e B a c i l l u s .

Indem ieh auf die in diesem Archiv publizierte Arbeit 1) ver- weisen kann~ sollen hier nur einige l omen te besonders hervorgehoben werden, die weiter unten bei der Gegentiberstellung des K o c h - W e e k s - sehen Bacillus und meines bei Traehom gefundenen .in Betraeht kommen.

Morphologisch ist der K o e h-We ek s sehe Badllus im allgemeinen so gut eharakterisiert~ dass man in vielen Fgllen selbst ohne Kultur mit grosser Wahrseheinlichkeit aus dem Schleimpr~parat eine Diagnose wird stellen kSnnen. Es erseheint mir fast ausgesehlossen, dass je- mand, der Koeh-Weekssche St~tbehen in einem Sekretpriiparate "eor

~) Weichselbaum u. ~{t~ller, v. Graefe' s Arch. f. Ophthalm. Bd. XLVII. 8. 108.

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172 L. ~ft~ller.

sich hat, sie mit irgend einer andern Art, ebensowenig auch mit meinem verwechseln wird. Denn die langen Formen des Koeh- WeeksschenStt~bchens sind, wie sich aus der citierten Arbeit und aus dem welter unten Gesagten ergibt, ungemein gut ch~rakterisiert, und man wird kaum jemals ein Nativpr~parat des Sehlehns~ tier Koch- Weekssche Sttibchen enthFtlt~ linden, in dem die langen Formen voll- st~ndig fehlen. Dahingegen kann es vorkommen, dass man meine Tra&ombaeillen Nr K oeh-Weekssche St~behen anspricht, wenn man nut die l~ingeren Formen des Trachombacillus, die an Zahl die kurzen bedeutend iiberragen kSnnen, bertieksiehtigt. Dieser trrtum ist be- sonders leicht bei Pr~tparaten, die nicht nach Gram gef~rbt siffd. da man dann die kurzen Formen als Diplocokken auffassen kann, die mit den liingeren niehts gemein htttten.

Die K o c h - W e e k s s c h e n St~tbchen s ind sehr diinn, e twa 0,2 , a i m D u r c h m e s s e r , dabei ungemein scharf begrenzt. Ihre L~inge variiert. Die kiirzesten Formen sind etwa 0,5 ~ lang; dann finder man immer neben diesen kurzen, of~ ebenso zahlreich wie diese, doppelt so lange und noeh l~ngere Stiib&en~ welehe of~ eine ganz leiehte bogenf6rmige Krtimmung haben. Es g4bt FNle, wo die kurzen St~bchen fast ganz f~hlen; nie aber finder man F~tle~ wo die langen F~den nicht in gentigender Z~.hl neben kurzen vorhanden wiiren. Die Enden sind abgerundet, abet im allgemeinen ist die Rundung sehr flaeh und erscheint besonders gering bei jenen l~ngeren St'~b- then, dere~ Enden ganz kleine V e r d i c k u n g e n aufweisen; zwischen diesen beiden endst~ndigen Verdickungen befinden sich die sehlanken, gleichm~ssig breiten, sehr scharf begrenzten Sti~behen. Neben der Fein- heir miissen wit als zweites iiusserst charakteristisches Merkmal die ungemein scharfe Kontur der Stiibehen anfiihren.

Die F~rbung ist sehr wechselnd intensiv. Besonders bei Ne- thylenblauf~trbung kann man die Sg~behen leicht iibersehen, selbst wenn sie sehr zahlreich vorhandelt sind. Daher ist im allgemeinen Karbol-Fnchsin in der Weis% wie ich es oben f'tir meine Baeillen besehrieben habe, zur F~irbung zu verwenden. Abet auoh da ist die F~trbnng~ wenn der Farbstoff nut kurz einwirkte~ eine reeht sehwad~e. Die lgngeren Stfibehen kgnnen dureh blass gebliebene Q u e r s t r i c h e ihre Zusammensetzung aus zwei Stabehen erkennen lassen, n i ema l s kommt aber eine blRssere Fi~rbung der Mitte in dem Sinne zu staade, class die Stgbchen den Eindruck yon Diplocokken machen. Dabei linden wir die km'zen nnd die langen Stgbchen, die hie eine Variation ihrer Dicke aufweisen, die also alle ganz gleich dick sind, immer aueh

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Die Atiologie des Trachoms. 173

insgesamt gleich stark gefiirbt. Es gibt also keine Variation in der F~rbung der einzelnen Bacillen.

Die Lagernng ist eine ganz unbestimmte. Wir finden sie einer- seits dichtgedr~ngt beisammen in der schleimigen Grundsubstanz des Sekretes, anderseits aber auch wieder recht wenig zahlreich und dies gerade nieht immer bloss in den leichten Entziindungsfiillen. In andern F~illen~ besonders wenn die Krankheit schon lange dauert~ finden wir massenhaft Eiterzellen, deren Protoplasma damit vollge- pfropft ist. Wo sieh wenige finden, liegen sie meist einzeln. Hie und da iindet man zwei reehtwinklig iiberkreuzte liingere St~behen. Selbst wo zwei ganz kurze Stiibchen genau hintereinander liegen~ wird der Eindruck eines Diploeoeeus nicht hervorgerufen, weil jedes der beiden Individuen doch immer den Eindruck eines feinen St~b- chens hervorruft.

Beziiglich der K u l t i v i e r u n g verweise ieh auf die in unserer friihern Arbeit angefiihrte Methode und wilt reich hier auf die Be- sehreibung des Wachstums bei Benutzung yon Pfeiffersehem Agar beschr~nken. Diese Besehreibung bildet also gewissermassen eine Erg~nzung der friihern Angaben.

Dass die Xoeh-Weeksschen Baeillen, selbst in sehr akuten Er- krankungsf~llen und bei sehr zahlreiehen St~ibchen im Sekret, nur aus- nahmsweise (etwa in jedem fiinften Tall) auf BlutniihrbSden waehsen, geht aus dem ersten Teile dieser Arbeit hervor. So oft sie aber wachsen, bilden sie nur mit der Lupe gut sichtbare, wasserklare, bei schiefer Durehleuehtung leicht bl~iulieh opaleseierende Kolonien und erreichen nie eine bedeutende GrSsse. Betrachtet man sie mit Ze iss Oe. 4 Obj. D, dann findet man immer eine bis an den R a n d r e i c h e n d e S t r u k t u r der K o l o n i e , die an die yon Streptoeokken- kolonien erinnert, aber viel zarter ist.

Dass eine zweite Generation auf Blutn~hrbSden nur in den sel- tensten FMlen erhalten wird, geht ebenfalls aus dem ersten Tejle dieser Arbeit hervor. Besonders charakteristisch sind die Deckglas- pr~parate yon den auf Blutn~hrbSden erhaltenen Kolonien (Fig. 8). Man sieht dann durehaus lange~ gleiehm~issig zartgefiirbte, ~iusserst feine Fiiden, die sieh wirr durchschlingen. Man sieht durehaus lmr Einzelst~bchen Yon bedeutender L~nge~ ~usserst selten die ganz kurzen Formen, daneben immer F~iden~ die als ein Verband yon fiinf und mehr ]angen St~behen aut~ufassen sin& Die Durchsehlingung tier F~den beim Wachstnm erkl~h't uns auch das Vorkommen yon ge- kreuzt iibereinanderliegenden Formen. Immer tritt wieder besonders

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17J L..~Iiiller.

charakteristiseh die konstante GleichfSrmigkeit der Dieke und FSrbu~g aller vorhandenen F~den und Einzelsti~bchen, die wir attch schon fiir das Nativpriiparat des Schleimes hervorgehoben haben, deutlich hervor.

Wir wollen im folgenden die M e r k m a l e b e i d e r B a c i l l e n . des Trachombacillus und des K o c h - W e e k s s c h e n g e g e n t i b e r s t e l l e n . [m Zusammenhange @amit, obzwar nicht in dieses KapiteI gehSrend, ~uch die den beiden Infektionen entsprechenden k l i n i s c h e n E r - s e h e i n u n g e n , die dem II I . Absehnitt dieser Arbeit vorausgeschickt werden mtissen, damit eine richtige Beurteilung der in diesem II I . Ab- sehnitt besprochenen fremden Arbeiten erm~igl/eht werde.

Baci l lus bei Trachom: ! K o c h - W e e k s s e h e r Baci l lus :

Morphologie .

St/ibcheu yon 0,25 ,u Breite[ Die St/ibchen habea eine Dieke und dartiber. Iron 0~2/z, sind immer dtinner als die

Traehombacillen.

Die Li~nge der St~bchen wech- Neben kurzen Formen, die dop- selt. Neben Bacillen, die etwa doppeit pelt so lung als breit sind, fehlen hie so fang als breit sind, finder man $t~tbchen you der doppelteu Lfinge der auch langere St~tbchen und Schein- fiiden. Doch kOnnen sich aussehliess- lieh die kurzen Formeu vorfinden.

Die Enden sind so stark ab- gerundet, dass die kurzen Formen als Diplocokken imponieren.

Die Begrenzung ist keine ganz scharfe. Die Bacillen machen den Eindruek, als ob ihre 0berfiiiche rauh w~re (selbstverstandlich ist dies nur bei sehr starken Vergr0sserungen sichtbar).

Die Fiirbbarkeit der St~tbchen ist schlecht.

Die Behandlung mit Karbol- fuchsin, besonders aber mit wiisse- tiger FuchsinlOsung, liisst die Mitte der St~tbchen weniger ges/~ttigt in ihrer Fgrbung erscheinen, so dass der Eindruck yon Diplocokken beson- dcrs t~uschend hervorgerufen wird.

j kurzen und solche, die noch lfinger sind.

Die Rundung der Enden ist sehr flach, zuweilen sind die Enden der 1/ingeren St~tbchen wie zu kleineu Ku- gela angeschwollen.

Die Begrenzung ist immer eine 5usserst scharfe.

Die Stiibchen sind bei entspre- chend gleich langer Einwirkung einer blauen Farbl6suag noch schw~tcher ge- f/~rbt als die Trachombacillen.

Die li~ngeren St/ibchen k6nnell blasse Querstriche zeigen, f~rben sich aber sonst in ihrer ganzen Liinge gleichm/~ssig intensiv.

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Die Xtiologie des Trachoms. 175

Die Sta.bchen und Scheinf~den Die Sti~bchen und Scheinf~Lden kSnnen verschieden intensiv ge-/sind gleiehmassig gefiirbt. farbt sein.

Die Lagerung in den Zellen Die Lagerung ia deu Zellen ist ist relativ selten. [h~ufig.

Das Vorkommen zweier sehr kurzer St~bchen, die hintereinander liegen, macht den Eindruck eines Diploeoecus. Man sieht nie gekreuzt fibereinanderliegende Formen.

Das Yorkommen zweier kurzer, hintereinanderliegender Formen ist nicht hi~ufig und erweckt nicht die Vorstellung yon Diplocokken. Man fiudet gekreuzt fibereinanderliegende

! Formen.

K u l t u r e n .

De r Bac i l l u s wi~chst n u r , wenn I-Ii~moglobin dem N a h r - boden z u g e s e t z t ist.

Der Bacillus li~sst sich in ab- soluter Reinkultur z iichten.

Die Symbiose bedingt eine Xnde- rung der GrOsse und des Aussehens der Koloniea in bedeutendem Grade: Riesenwachstum.

Die kleinen Kolonien sind auch bei schiefem Durchtritt des Lichtes wasserklar.

Die R~Lnder der K o l o a i e n sind auch bei s t~ t rks te r Ver- g rOsse rung i m m e r a n s e h e i n e n d s t r u k t u r t o s .

Die Mitte der in der Symbiose wachsenden Kolonien erseheint uater dem Mikroskop bedeutend und ziem- lieh grob granuliert.

Die Kolonien lassen sieh leicht yore Nahrbodeu abheben.

Die Deekglaspriiparate~ die man ~,on den Kolonien herstellt, zeigen gewShnlich tauter kurze diploeokken- artige St~bchen. Nur ausnahmsweise findet man in den iungen Kolonien nebeu solchen Sti~behen mehr weniger zahlreiche Scheinfaden, die nie eine bedeutende L~Lnge erreichen.

Kommen Scheinfgden in den

D e r Bac i l lu s witchst ohne Hi~moglobin, abe r nur dann, wenn B l u t s e r u m ~ o r h a n d e n ist.

Der Bacillus ist selbst auf Serum- ni~hrb0den obligatorisch auf Symbiose angewiesen.

Die Kolonien wachsen hie fiber StecknadelkopfgrOsse.

Die Koloniea opalesciereu bei schiefer Durchleuchtung leicht bl~iulich

Die K o l o n i e n weisen i m m e r bis zum Rande e ine z a r t e S t r u k - t u r auf.

Die Granulationen in der Mitte der Kolonien sind immer sehr sp~Lr- lich und immer i~usserst zart, fehlen

i oft ganz. f Die Kolonien haften fest am

Agar: Die Deckglaspr~tparate ~on den

Kulturen, die auf Pfe i f fe r sehem N ~ h r b o d e n gewachsen sind, zeigen immer sehr viele langgewundene und sich durchschlingende Fiiden.

Die Fi~rbbarkeit der St~bchen

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17 6 L. Miiller.

Kulturen vor, dann weisen die ver-~und Faden ist immer eiae recht schiedenen Gebilde verschiedene gleichm~ssige. Fgrbbarkeit auf.

In alten Kulturen findet man' Die StKbchen und Scheinfaden einen vielfachen Wechsel : neben erscheinen immer gleichm~ssig gefi~rbt,

l wenigstens in dem Sinne, dass man sehr stark gef~rbten Bacillen und i Scheinf~den ganz zart gef~trbte, i nie sehr stark gef~trbte Scheinf~¢den

. finder.

X l i n i s e h e E r s c h e i n u n g e n .

T rachom.

Es tritt sporadisch, meist wohl epidemisch, aber beschr~nkt auf ge- wisse, untereinander in mancher Be- ziehung ~thnliche Gegenden nnd L~nder ~uf.

Es befgllt Kinder und Er-

K o c h - W e e k s s c h e r K a t a r r h .

Er tritt in Familien und kleinen ~en endemisch auf.

Befaltt hauptsachlich Kinder und wachsene und verl~uft im allgemeinen i verl~Luft bei ihnen meist schwerer uls bei Kindern um so gutartiger~ je]bei Erwachsenen. jtinger sie sind. 1

Die Anf~nge der Erkrankungl Dies Auftreten der Erkrankung . . . I

stud melst lelcht und werden yon! manifestiert sich bei v i e l en der be- den Kranken oft unbeachtet ge- fattenen Personen durch die akuten lassen. Bei akuten FMlen, die r Erscheinungen: Schwellung der Lider, s e l t e n sind, ist die Schwellung starke Schwellung und ROtung der der Lider nicht besonders hoch-Bindehaut, profuse Sekretion. In leich- gradig. Das Sekret hat nichts eigen- ] teren F~.llert bilden sich sehr lange, artiges. !gekochtem, diinnem Catgut ~hnliche

I Sekretf~den. l

P s e u d o m e m b r a n e n fehlen, i In schwereren FMlen kommt es ! zur Bildung yon Pseudo m e m b r a n e n .

Foltikel fehlen fast hie, racist Es k o m m t nie zur Bildung entwickeIt sich sogar eine , ,Granu-iron Foll ikeln ia Fallen yon reiner lose". In akuten Fa.llen sieht man die KSrner schon nach wenigen (3--6) Tagen.

Die Krankheit ist oft auf die Ubergangsfalten beschr~nkt.

Die Dauer der Krankheit ist fast immer sehr lang (durch Mo- nate und Jahre).

Rezidiven kommen nur in dem Sinne vor~ dass auf fraher yon der Krankheit verschonte Stellen der Prozess sich ausdehnt.

hdektion.

Die Krankheit bef~Lllt gteich- m~ssig die Bindehaut der Lider und der Ubergangsfalte.

Die Dauer der Krankheit ist aus- nahmslos kurz (selten aber 1~ Tage).

Recidiven kommen sicher vor.

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Die Xtiologie des Trachoms. 177

Ein guter Ausgang ist meist nur bei energischer, friihzeitiger (operativer) Behandhmg zu erzielen.

Die Komplikationen yon Seite der Hornhaut kommen sehr h~ufig, in nicht behandelteu schwereren Fallen fast immer ,7or.

Die Hornhanterkrankung hat meist den Charakter eines Pannus.

Propagation des Prozesses auf / den Tr~tnensack kommt ziemlich h~ufig vor.

Der Ausgang isL man kann sagen, immer ein guter, auch bei nur m~ssig eingreifender und selbst bei fehlen- der Behandlung.

Es fehlen immer Komplikationen yon irgend welcher Bedeutung Ibis anf ~usserst seltene Ausnahmen in den schwersten Endemien(?) I.

[Die Komptikation besteht in einer schnellen Iqekrose der Horn- haut (?)].

Eine Erkrankung des lYrSnen- sackes mit oder nach der Bindehaut~ erkrankung ist nieht bekannt.

Differenzialdiagnostisch kommt im Sehleimpri~parate nut noch der Diptoeoccus pneumoniae in Betracht. Hier sehiitzt die Gramsche F~rbung absolut vor Verweehslung.

Auf der Blutagarplatte kommt noch der Gonococcus und der Diplobacillus Morax in Betracht, welch' letzterer nicht auf Agar, wohl aber ausgezeichnet anf Btutagar gedeiht, tiler geniigt die Her- stelhmg eines Deckglaspr~par~tes yon den Kolonien. 0brigens f~llt sehon an der Kolonie des Diplobacillus Bin sie umgebender, einge- sunkcner g o f auf. Ansserdem f~llt jeder Mangel yon Symbiose deut- lich in die Augen.

Gegeniiber dem Influenzabacillus bestehen, wie ich schon oben hervorgehoben habe~ keine morphologischen oder kulturelleu Unter- schiede. Woht aber sei hier erwiihn G class ich nach T r e p a n a t i o n des Sch~de l s yon sechs K a n i n c h e n reichliche Aufschwemmungen meiner Bacillen in Bouillon unter die Dura einspritzte und die Tiere sihntlich absolut keine Reaktion nach tier Operation aufwiesen. Dies w~re ein Unterscheidungsmerkmal gegeniiber dem Influenz~bacillus, wenn nicht den zahlreiehen, mit Reaktionserscheinungen einhergehen- den, also positiven impfversuchen mit Influenzakulturen solche gegen- iibersttinden (L inden thM) , bei denen nach Einspritzung ~on :In- fluenzabacillen ebenfalls keine Reaktionserscheinungen auftraten. Die Versuehe sowohl mit meinen als auch Influenzakulturen miissen ver- mehrt werden~ ehe man dariiber ein endgiiltiges Urteil f~llen kann.

Auf die Vernichtung der F~rbbarkeit meiner Bacillen durch Alkohol komme ich am Schlusse dieser Arbeit zu sprechen.

v, Graefe 's Arehiv filr Ophtha]mologie. L~v'II. 1. ~

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178 L. 5Ifiller.

III. Absehni t t .

Ich schliesse bier an meine eigenen Beobaehtuugen die ~usserst wertvollen Untersuchungen yon Gromakowsk i an. Allerdings muss man yon den Schl~issen, die er selbst aus seinen Untersuehnngen zog, ganz absehen. Er hat den ganz unschuldigen Staphylococcus Mbus, , d e r n u r nach Verminderung der Entziindungserscheinungen, abet weder beim Ausbrueh der Erkrankung, noeh w5hrend des ttShe- stadiums der Entztindung sieh fand", in den 5~ittelpmlkt seiner Be- trachtungen gestellt und ihm eine wiehtige Rolle bei der Entstehung des Trachoms ~,indizierk Er tiess sieh dazu ~erteiten~ weft er nu- meriseh den Staphylococcus albus am hgufigsten land: in 36 unter 57 Fiillen. Er liess sieh dutch die yon ihm selbst hervorgehobene Tatsaehe, dass der Staphylococcus albus in den rezenten akuten I~tllen immer ers t n ach V e r m i n d e r u n g der Entzfindungserseheinungen auftrat; welters dadurel b dass er ihn in grSsserer Hgufigkeit ~iberhsmpt nut in F~llen fand~ wo bereits ein Narbentrachom sich entwiekelt hatte; endlich dadureh, dass er ihn bei 11 yon 20 untersuchten ge- sunden Individuen fand; er liess sich dutch all das nieht davon ab- bfingen, dem Staphylococcus albus eine Mitwirkung beim Entstehen des Traehoms zuzuschreiben. Dies und noch an&res ist der Grund, warren wir yon den yon Oromakowski aus seinen gntersuchungen gezogenen Sehliissen ganz absehen mtissen.

Nier sei gleich tin anderer Punkt hervorgehoben, der sieh aus der Berticksiehtigung des fia den vorhergehenden Absehnitten dieser Arbeit Gesagten ergibf, um die wichtigen Untersuehungen Groma- kowkis verwerten zu kSnneu. Dieser Punkt bezieht sieh auf die Natur tier yon G r o m a k o w s k i gefundenen Baeillen. Er hat (wit ieh beweisen werde, in al ien Fg l len yon frischem~ aku tem Tra- chore) ,,kleine Stgbchen naehgewie..sen, die morphologisch und nach W u e h s in den NghrbSden grosse Ahnlichkeit mit dem St~behen der kontagiSsen Cunjunetivitis (Koeh-Weekssehen) und tier Influenza zeigen".

Auf Seite 205 (1. c.) beschreibt er die Morpho log ie der Stgbo then: ,,Sie stellen sieh als sehr kurze und sehmale St?tbchen mit abgerundeten Enden dar, die an den Bacillus influencae erinnern." Ihre vorherrsgende Lgnge fix den K u l t u r e n gibt er auf Seite 207 auf 0,5 bis 1,5 ii an. ,Sie werden bei Bearbeitung mit wgssetiger 5Iefl@violettlSsung in ih re r Mi t te wen ige r ges~ t t ig t gef.Srbt."

Aus dem in den fi'iiheren Absehnitten dieser Arbeit Gesagten

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Die :itiologie des Trachoms. 179

geht hervor, dass diese morphologischen Chara,ktere ausschliesslich auf meinen und den Influenzabacillus, n ich t aber auf den Koch- -Weeksschen passen. Bei den Koch-Weeksschen St~bchen f~ll t wohl j edem z a n g c h s t die F e i n h e i t , d. h. der geringe Breiten- durchmesser auf. Dabei hglt jedermann die Koch-Weeksschen St~b- chen, wenigstens die immer recht h~ufig vorkommenden langen For- men, eher fiir ]ang als ffir kurz, well sic eben im Verhiiltnis zum Breitendurchmesser lang sind. G r o m a k o w s k i hebt aber ausdriick- lich hervor, class es sich um sehr kurze und schmale Stg,bchen han- delt. Gerade die meisten meiner, den Influcnzastgbchen vollsti[ndig gteichenden St~bchen zeigen regetm~ssig eine Lgnge yon nur 0,5 /z, wghrend bei den Koch-Weeksschen St~bchen eine Lgnge yon fiber 1 ,u vorherrschend ist. Dass die Stgbchen sich hgufig in der Mitre weniger fgrben als an den Enden, ist eine Eigenschaft, die ausdriick- lich yon vielen Untersuchern den Koch-Weeksschen Stgbchen ab- gesprochen wird, was mit meinen Erfahrungen iibereinstimmt. Da- gegen ist es wohl eine hgufige, an den Koch-Weeksschen Stitbchen wahrzunehmende Erscheinung, dass man an auffallend langen St~b- chen eine quere, tineare Teilungsstelle sieht. Hingegen gehSrt die yon Gromakowsk i hervorgehoben% schwiichere F~rbung der Mitre der St~bchen zu den den Trachombacillen eigentfim]ichen charakteristi- schen Eigenschaften.

Was die Angaben G r o m a k o w s k i s fiber die R e i n k u l t u r e n betrifft, sei folgendes hervorgehoben:

Er impfte mit der PlatinSse auf die Oberfi5ehe eine Mischung yon Agar mit Ochsenbtutserum. ~Nach zweit~tgigem Aufenthalt des besehickten Serumagars im Brutkasten war kein Wachstum nachzuweisen. Sodamt benutzte er Agar, auf dessert 0berflache ein Tropfen Taubenblut gebracht worden war. Auf diesem Nahrboden waren schon nach Verlauf eines Tages punktfSrmige Kolonien, die einem Tautropfen /~hnelten, zu sehen. ,,Bei Betrachtung mit dem Mikroskope bei schwaeher VergrSsserung (yon 50-bis 90real) kann man erkennen, class das Zentrum der Kolonien hel ler und die Per ipher ie dunkler erscheint." In den Deckglas- pri~paraten yon den Kul turen finder er neben den Stabchen yon der vorherrschenden Lange "~on 0,5 bis 1,5 ,u auch Fiidchen, die aus mehrerea Gliedern bestehen, vor. ,,Die l)berimpfung der Kulturen gedeiht nut schwierig. In einem Falle gelang es mir, in drei Generationen, in eiuem anderen Falle in zwei, das St~tbchen zu kultivieren. In den tibrigen Fallen aber gelang die (~berimpfung nicht." Ausser Taubenblut benutzte er auch Menschenblut, beide mit gleichem l~esultat. Die St/~bchen wur- den im Sekret nachgewiesen: 1. in einer Gruppe siebenmal, da~on wuchsen iu sechs Fallen Reinkulturen. In einem achten Falle, wo im Sekret keine Stabchen nachzuweisen waren, land sich ebenfatls ei~te Reinkultur auf dem

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N~hrboclen. 2. in ether andern Gruppe yon Kranken wurden die St~b~ ehen im Sehleim 15mal ~achgewiesen, davon wuchsen Reinkulturen in 1t F~.llen. Im ganzen wuchsen die Bakterien unter 23 F/~llen~ wo sic im Sekret nachgewiesen wurden, 18mal auf denPlatten und zwar immer in Reinkulturen~ und nur ftinfmal wurde kein Wachstum erzielt.

Analysieren wir diese Angaben tiber die Kulturen~ so muss zu- n~chst hervorgehoben werden, dass an keiner Stelle der Afl)eit er- w~hnt ist, ob RShrchen oder Pet.rische SchMen benutzt wurden. Aus versehiedenen Stelten der Arbeit Gromakowsk i s kann ich abet bestimmt den Schluss ziehen, dass er RShrehen benutzte. ,,Sehon nach 24 Sgunden laud er Kolonien, was wohl bet den Koch -Weeks - sehen SgSbehen nicht die Regel isg, da die Kolonien racist erst nach 36 his 48 Sgunden sichtbar werden. ,Die Kolonien glichen Tau- tropfen." Der Vergleich mit Tautropfen passg sehr gut auf Kolonien meines Bacillus, sowie des Influenzabacillus, wo sieh bet 2~ Stunden alten Kolonien einer l : [e inkul tur der Vergleieh fSrmlieh aufdr[tngt und zwar wegen des vollst~ndig wasserklaren glasahnlichen Aussehens der Kolonien sowohl bet gerader als bet sehiefer Beleuchtung. Die Kolonien des Koeh-Weeksschen Stiibchens haben dieses Aussehen nieht: da. sic schon bei wenig schief dm°chfallendem Lieht bl~uli& opaleseieren. Diese zwei eben angefiihrgen Nomenge sind iibrigens yon geringerer 13edeu~:,ung. Van ~iel gr~sserer abet sind die fol- genden.

G r o m a k o w s k i s ieht , ,unter dem Mikroskop das Z e n t r u m der K o l o u i e n he l l e r und die P e r i p h e r i e dunkler" . Diesen Passus, wofern er kein Druckfehler ist, verstehe ich nieht; sonst abet finder sich kein Wort tiber das Aussehen der Kolonien unter dam 5likroskop. Es gibt tiberbaupt kaum Kolonien yon Spattpilzen, die so aussehen. Ftir Kolonien yon Koeh-Weekssehen St~ibchen haben wit (Weichse lbaum und ieh) ein solehes Aussehen angegeben~ wenn man~ s ta r t auf die K o l o n i e n e inzus te t t en , den ?vfikroskop- tubus hSher sgellt. Da nun Gromakowki ausser dieser Angabe nichts tiber das Aussehen der Kolonien unter dem Mikroskop sagt, halte ich die Annahme ftir berechtig~, class er seine Kolonien unter dem Nikroskop bet r i c h t i g e r E i n s t e l t u n g iiberhaupg niemals ge- sehen hat (vielleicht wegen der Kultivierung im RShrchen start anf der Platte!)~ vielmehr die obere Angabe, konform unserer eigenen (Weiehse lbaum und ieh, 1. e.) und der unserer Arbeit beigegebenen Zeichnung Nr hohe Ei~stellung des Tubus, gemaeht hat. Nun ist abet ein helleres Zentrum, umgeben yon einem dunklern Schatten,

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sehr undeutlieh and verschwommen and lange nieht so auffallend wie bei den Kolonien der Koch-Weeksschen St~bchen, allerdings aneh bei Kolonien meines Bacillus und bei vielen andern Kolonien zu beobachten, wenn man das Mikroskop hSher einstellt, als der Kolonie entspr~che.

Da ieh nach alledem mit gr5sster Wahrscheinlichkeit annehmen kann, dass Gromakowsk i entweder die Kolonien iiberhaupt nicht oder nur bei sehr unscharfer Einstellung unter dem Mikroskop sah, so verzichtete er einerseits auf eines der wichtigsten Unterscheidungs- merkmale zwisehen den Kolonien meines und des K o c h - W e e k s s & e n Stiibchens (siehe den vorhergehenden Abschnitt dieser Arbeit, sowie racine Arbeit tiber ggyptische Augenentztindungen, wo ich diesen mikroskopischen Untersehied schon nachdriicklich hervorhob), ander- seits verzichtete er auf die ~{5glichkeit einer prgzisen Uberimpihng yon meinen St~bchen, falls er doch einmal vielleicht neben meinen auch Koch-Weekssehe Stgbchenkulturen vor sich hatte.

Was die yon den Reinkulturen hergestellten Deckglaspr~parate betrifft, gibt Gromakowsk i an, ,,neben den kurzen Formen auch Fgdchen, die ans mehrern Gliedern bestehen", gesehen zu haben. Wenn wit beNeksichtigen~ class er nicht auf dem yon uns (Weichsel - baum und mir) angegebenen N~hrboden, sondern auf P f e i f f e r s g e m Agar kultivierte, so gentigt es wohl, auf die dieser meiner Arbeit bei- gegebenen Tafeln hinzuweisen, um aus dem oben augefiihrten Satze Gromakowsk i s den Sehluss zu ziehen, dass es G r o m a k o w s k i mit meinen Stgbehen und nicht mit Koch-Weekssehen zu tun hatte. G r o m a k o w s k i hat eben nicht jene Bilder vor sich gehabt, wie sic den Koch-Weeksschen St~ibchen, die auf Pfe i f feragar gewaehsen sind, entspreehen; sonst hgtte er sic anders beschrieben. Er hat viel- mehr ,,neben den kurzen Pormen" meines Stgbchens anch ,,I~ngere F~dchen" gesehen, wie wir sic immer wieder in Xolonien meines Bacillus., in jungen ebensowohl wie in Nteren Kolonien, zuweilen spgrlieh, ein andermal aber sehr zahlreich, vorfinden kSnnen.

Wir kommen nun auf ein wichtiges Moment bei den Xultur- versuehen Gromakowsk i s zu sprechen, dass er n~mlieh 1. nnter 23 Fiillen, wo er im Sekret Bacillen naehgewiesen, 18 real positive Knlturresultate erhalten hat; 2. dass er in keinem Falle die Kolonien neben andern fi~nd. Beide Punkte sind nur verst~ndtich~ wenn wir annehmen, dass er nicht Koeh-Weekssche, sondern meine Stgb&en vor sich hatte. Aus meinen ggyptischen Untersuehungen, die ich am Anfange dieser Arbeit angefithrt, geht deutlich hervor, dass ein

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182 L. iVI~ller.

18maliges Kuttivieren, noch dazu ohne f remde Kolonien~ unter 25 F~ttlen bei Koch-Weekssche~L Bacitlen ganz ~usgeschlossen ist. Anderseits passt der Umstand, dass er die Kolonien nie l~eben andern sah, sehr gut ftir meh~e Bacillen, wofern man nur ber~icksichtigt, dass er ebe~ mit dem Mikroskop nicht suchte. Wie ich schon wiederholt hervorgehoben, nehme~ ngmlich die Koloniei1 meines Bacillus neben ande rn , ausser Riesenwachstum, auch noch ein so ver~ndertes Aus- sehen an, dass man sis fast nur mit dem Mikroskop nachweist. Dahin- gegen bleiben die Koch-Weeksschen Kotonien klein und in ihrem Aussehen unvergndert, ~uch wem~ sie zwischen zahlreichen 5"emden Kolonies a:~ff Blutaggr gewachsen sind; sind also anch dam~ noch leieht zu erkennen°

Wenn man dazu noch be~4icksiehtigt, da.ss bei einigen u~iter den sieben in Bezug a g das Wachstum yon gulturen negativen F~tllen die gultivierung erst zu einer Zeit ~orgenommen wurde, wo die St~bchen schon aus dem Bindehautsekret verschwunden waren, so kgnn man sagen, dass @romakowski r egehn~ss ig Waehs~um der Bacillen erzielte, wenn er die Bacillen im Sekret nachweisen konnte. Oft kultivierte er zum zweitenmal Iange Zeit nach dem ersten Knltur- versuehe wieder mit positivem Resultat, trotzdem in der Zwis&en- zeit mit 2 his 3°/o LapislSsung tgglieh behandelt wurde und nur sehr wenig Bacillen im Sehteim naehzuweison waren. Das alles passt nicht a~ff don Koch-Weekssehoa, woM abet auf meinen Bacillus. Ma~t wende nicht ei~, dass das dur&aus bei seinem Bacillenstamme mSglich sein kolmte. Er arbeite~o ja gar nieht mit einer e inheifli&en Epidemie. Er hat Sotdaten aus versehiedenen Kasernen und Regi- mentem untersncht, hatte Mso aueh verschiedene Stgmme des Ba- cillus vor sieh, genau so wie ieh in Agypton. Wie oft hat mir selbst i1~ den sehwersten ~Lllen, viel akuterea ]~ormen yon Entzttndung, als sie @romakowski , naeh seiner Besehreibung muss ieh so schliessen, vor sieh hatte, die Kultivierung des Koeh-Weekssehen St~behens versagt, ihm aber fast nie!

Beztiglich der U b e r i m p f u n g dor erhaltenen ersten Kultur sagt Gromakowsk i , dass ,sie nur schwierig gedieh". Dies ist boi Be- mlgzung vo~ Bhttagar flit das Koch-Weokssehe St~.bchen die t~egel, es wird aber aneh bei l~%rtzfmhttmg meiner Baciltea namentlieh in den ersten paar @enerationon, bevor sieh ein Stamm dem ktinstliehen N~ihrboden gut angepasst hat, demjenigen zustossen~ der versehiedene Momente bei der Uberimpfung nnbeaehtet l~sst. Man bringe immer fremde Bakterien~ voa denen man weis% dass sie das Waehstum

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meines Bacillus fSrdern, bei der Anlegung einer neuen Kultur auf den N~hrboden. Man iiberimpfe ferner nach 48 Stunden. Uberimpft man spi~ter (nach lih~gstens sieben Tagen)~ so entferne man naeh 48 Stunden die P]~tten, yon denen man abimpfen will, aus dem Brutofen und halte sie weiterhin bei Zimmertemperatur aufbewahrt. Entschieden bietet aueh die Benutzung yon Glycerinagar gewisse

kleine Vorteile vor dem gewShnliehen Agar. ~Vir finden bei G r o - m a k o w s k i keine Angaben, wie er selbst beziiglieh dieser l~unkte

vorgegangen ist.

Endlich muss ich bier noch auf die Zeichnungen zu sprechen kom- men, die Gromakowsk i seiner Arbeit beigegeben hat. Es sind vier Figuren (1 bis 4)7 die auf Tafel XVI und XVI[ abgebildet sind. Den Figuren ist keine ~ummer beigegeben. Wit wollen also annehmen, dass aaf Tafel XVI Fig. 1 and 2 sich befiaden, die Pr~parate vom 32. Falle wiedergeben~ und dass auf Tafel XVII Fig. 3 and 4 sich befindet. Nun heisst es in einer Anmerkang: ,Die in Fig. 3 und 4 abgebildetea Koch- Weeksschen St~Lbchen warden hier zum ¥ergleieh mit den in meinen F~llen yon traehomat(isen Erkraukungen aufgefundenen St~bchen ange- fOhrt." Aus diesen Worten muss man schliessen, dass es sieh in Fig. 3 und 4 entweder um entliehene Bilder oder am entliehene Pr~tparate handelt. Vergleieht man nun mit der Fig. 1 auf Tafel X¥I die Fig. 3 auf Tafel XVII, so findet man ohne weiteres, dass fiir beide Abbildungen nicht diesetbe ¥ergrSsserung gebraueht warde, sondern far Fig. 1 ungefithr eine doppelt so starke, wie far Fig. 3. Dasselbe Verhifltnis der Ver- grSsserung gilt dana offenbar £tir Fig. 2 im Verh~ltnis zu Fig. 4. Ander- seits stimmen die Gr0ssenverhSltnisse der St~tbchea far Fig. 1 and 3~ ebenso fiir 2 und 4 votlstandig tiberein, hSchstens sind auf Fig. 3 eiuige selbst ftir Koch-Weekssche Sti~bcheu ftir die angegebene 925fache ¥er- gr0sserung zu dtinne Striche gemaeht.

Ich glaube demnach, dass dem Maler der Pr~parale zu viet die Phantasie mitspielte, insbesondere wenn ich meine auf Blutagar erhaltenen Kolonien des Koch-Weeksschen St~ibehens nebeu Fig. 2 (oder 4?) halte (siehe Abbildung 8 and 9 dieser Arbeit). Wir k0nnen also aus den Figuren, die der Arbeit Gromakowsk i s mitgegeben sind, gar keinen Anhaltspunkt gewinnen, ob er mit Koch-Weeksschen oder meinen St~.b- chen gearbeitet hat. Die Gruppierung der St~bchen ia Fig. 2 der Tafel XVI spricht entschieden fiir meineu mehr, als far den Koch- Weeksschen Bacillus. Eine hellere VIitte der Sti~bchen~ yon der in der Arbeit die Rede ist, ist an keinem einzigen Sti~bchen in den Figuren aueh nur angedeutet.

Der wichtigste Beweis daf[ir, dass G r o m a k o w s k i s Baeillen einerseits nicht K o oh -We e k s sche Bacillen sein kSnnen, erw~chst aus der Betrachtung des klinischen Teiles seiner Arbeit, der anderseits auch den Beweis ]iefert~ dass seine Bacillen mit meinen identiseh

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184 L. N{~ller.

sind. Des klinische Tail ist zugleich ein wichtiger Beweis fiir die

gtiologische Bedeutung meines Bacillus beim Tre~chom~ weshalb id~ ausftthrlieh auf diesen Teil yon G r o m a k o w s k i s Arbeit eingehen will,

Er beschreibt: 1. Vier Grappen yon Kranken, die wir ebenfMls ge- sondert betrachten wollen. 2. erwghnt er kurz die Untersuchung x, on 20 gesanden Individuen. 3. f~hrt er die Beobachtung airier Kasernen- epidemie, 500 Erkrankungen betreffend~ an, leider ohne bakteriologisehe Befunde; 4. eine andere Epidemie yon dam gleichen Charakter~ we er auch bakteriologisehe Untersuchungen vornahm.

hd 1. Von den vier Gruppen ~on Kranken umfasst die ersto neua Krank% die n ich t an T rachom l i t t en , sondern nur an leichter Hy- per~mie der Bindehaut und Follikeln ausschliesslich in den l~bergangs- falten. Diese Gruppe ist fttr uns datum nicht verwertba% wail das Con- juactivalsekret zuerst mit Subl imat oder sterilem Wasser abgewasehen wurde, dann der I n h a l t der ausgedr i i ck ten F o l l i k e l n sowohl zu Kulturzwecken Ms zur mikroskopischen Untersuehung benutzt wurde. Nur in zwei Fgllen warden aueh Kulturen veto Conjunetivalsekret angelegt. Nie wurde B l u t a g a r benutz t . Oberdies wurde nicht regelmgssig die Gramsche Nethode benutlt. Gromakowsk i land ,nur selten in ein- zelnen Pr~iparaten bald Stgbchen bald Cokken zwischen den Zellen". Uber die Stgbchen ist nichts gesagt. Diese Untersuchunge~ fallen in den November und Dezember des Jahres 1898, sind also die ~Itesten der Untersuchungsreihe. Naeh all dam kaun man sagen, dass diese neun Falle fiberhaupt nicht in Betracht kommen und selbst als Kontrotluntersuchungen nicht verwertbar sind, daher "con der Gesamtzahl der untersuchten Fglle in Abrechnung zu bringen sind.

Die zwei te Gruppe umfasst elf Kranke, durchans Fglle yon leith- tern, ch ron i sehem, sehon ~lterem Traehom: ,,In der Bindehaut, welche Erseheimmgen der e h r o n i s c h e n H y p e r ~ m i e oder des c h r o n i s e h e n K a t a r r h s darbot, waren rundliehe graugelbliehe Erhebungen sichtbar, insbesondere in der Ubergangsfalte des unteren Lides, ausserdem immer in tier Tarsatbindehaut." ,In einigen F~llen war keine Absonderung arts dem Bindehautsack bemerkbar, in a.nderen war sie nur sehr gering yon sehleimig- eitrigem Charakter. Bei sechs Fgl len wurde w i e d e r nur de r In- ha l t der F o l l i k e l untersueht, diesmaI sehon mit Benutzung von P f e i f e r - Agar, der sehrgg im R6hrehen erstarrt war. Bei den anderen ftinf F~llen wnrde ebenfalls zun'a~ehst nur der Inhatt der Follikel bakteriologiseh untersueht~ erst als nach dem kusdrtteken der FollikeI 8ekretion sieh einstellte (traumatisehe Conjunetivitis!)~ wurde aueh das 8ekret untersueht. In allen elf F~llen kennten Badllen nieht gefunden werden.

Aueh diese Untersuehungsreihe ist ftir arts nicht brae&bar , da der Gang der Untersu&ung wohl h~gte der sein miissen, dass man Conjunetivalsekret, so oft sieh welches fand, vet Beginn der Behand- lung bei Anktmfl: tier Kranken im Spital~ vmtersuehte. Mit t:~ij_ek- sieht auf den ehromsehen gef lauf der sehon lttnger bestehenden Er- kraItkung wgre selb~t dann ein negatives Ergebnis tier Untersuehung

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nieht tiberraschend gewesen. Man kann eigentlich aus diesen F~llen nur sehliessen, dass im Follikelinhalt ehronischer Trachome sich Ba- cillen nieht nachweisen tassen. Ftir unsere Betraehtungen miissen wir demnaeh diese F~lle vernachl~ssigen und sie yon der Gesamtzahl der F~lle in Abreehnung bringen.

Es bleibt sornit nur die dritte und vierte Gruppe iibrig. In der dritten Gruppe finden sieh zun~chst 11 F~lle, davon sind zwei yon der allergr5ssten Wichtigkeit. Ieh will bier die kurzen Krankenge- sehichten anfiihren:

(Fall XXVIII.) P., Soldat des 175. Regiments, trat ills Hospital am 9. Mai, ist krank seit sechs Nonaten an Conjunctivitis. Status praesens: Geringe RStung und Sehwellung der Lider; ra~ssige Hyper~tmie der Con- junetiva bulbi und Lichtseheu, Auflockerung der Bindehaut mit ,,Ent- wicklung yon Yegetationen" (darait ist papillare IIypertrophie geraeint), Schwellung der ~bergangsfalten; keine Spur yon Foll ikeln; bedeutende schleimig-eitrige Sekretion.

Am 15. Mai dauerten die Entzandungserseheinungen fort; in der Tarsalbindehaut der obern Lider erschienen zahlreiche weissliche Fleeken; die Gegenwart yon Follikeln wurde aueh in der Bindehaut der untern Lider bestfinmt. Sekretion dauert fort.

Noeh charakteristiseher und wiehtiger ist die folgende Kranken- g eschichte:

(Fall XXVII.) Sch--ow, Soldat des 166. Regiments, trat ins Hospital am 2. Februar , erkrankte vor zwei Monaten. Status praesens: Die Bindehaut des obern Lides r6tlich, in den Wiukeln rait ,Vegetationen" bewuehert; keine Spur yon Foll iketn: die Bindehaut der untern Lider in deraselben Zustande, aber in den ~ussern Winkeln waren einzelne Follikel zu sehen. M~ssige schleiraige Sekretion.

BehandIung mit 1°/o Lapis- und Zinkl6sung. Am 9. Februar zeigte sich Hyper~imie der Augapfelbindehaut des

linken Auges rait Lichtscheu, am 10. Februar war die Haut der Lider ger6tet und ra~tssig gesehwollen, starke 1-Iyperiimie der Augapfelbindehaut beider Augen, R6tung und Sehwellung der untern Ubergang~falten; in der Tarsalbindehaut der obern Lider fanden sieh zahlreiehe FoIl ikel in Gestalt weisser, im Gewebe disserainierter Flecken; diffuse sehleimig- eitrige Sekretion. Das Bitd der E rk rankung raaehte den Ein- druek einer akut ents tandenen follikul~tren Entz(indung.

Am 3. Februar im Sekrete mikroskopiseh und kulturell nur Pseudo- diphtherie und 3likrocoeeus liqu. alb. nachzuweisen. ,,Am 9. Februar Auftreten akuter Erscheinungen. Ira Sekrete wurden zahlreiehe, den Koeh-Weekssehen Bacillen ~thnliehe St~bchen gefunden."

Aus diesen zwei Krankengeschiehten geht folgendes bervor:

Zwei Kranke rait leichter chronischer Conjunctivitis zeigen beide genau sechs Tage naeh ihrem Eintritte ins Spital das ,,Auftreten

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akuter Erscheinungen". Beim Eintritte ins SpitaI bei beideu k e i n e Spur yon Fo l l ike ln . Mit dem Auftreteu der akuten Erscheinungen sight man typische Trachomk6rner (ihre trachomat6so Natur ergibt sieh aus dem weiteren Vcrlauf) in der t~indehaut der oberu Tarsalbindehaut und in den Ubergangsfalten~ und gleiehzeitig l~sseu sich auf dem Agar in Reinkultur~ im Deckglas in grosseI1 ]~engen meiue Bacillen nachweisen~ die sechs Tage vorher vollst~ndig fehlten. Es ist klar~ dass sich die beiden Patienten, die an chrolfischcm leichtel~ Biudehautkatarrh ohne Bakterienbcfund litten~ im Hospital mit den Bacilleu, die sechs Tage sp~tter bei ihnen nachgewiesen warden, infiziert batten. ~ach einer Frist yon hUchstens sechs Tagen war eine akute Entziindm~g eutwiekelt, die sich als Traehom erwies.

])as Fehlen meiner Bacitlen vet der Inrektion (am Tage des Ein- trittes in des Hospital) nnd ihr reicbliches Vorhandensein (in Reinkultur] beim Ausbruch der akuten Erscheinungen sprieht wohl daftir~ (lass die Bac i l l en die Urs~che der a k u t en t s t andenen~ zwe i fe l los t r a - chomatOsen B i n d e h a u t e r k r a u k u n g waren.

An der Hand dieser zwei Krankengeschichteu verstehen wir die Erkrankung yon sechs andern Soldaten (Fall XXI bis XXVI)~ die in der zweiteu Woche einer ganz akut einsetzenden Erkrankung der Bindehaut (vorher waren sic gesund) ins I]ospital aafgenommen wurden. Alle sechs hatten weissliche Flecke (K6rner) in der Conjunctive des obera Tarsus und gr6ssere ,Follikel ~ in den Ubergangsfalten~ der Prozess wird you

G r o m a k o w s k i selbst als Trachom bezeichnet~ ebenso in allen anderu Filllen der dritten Gruppe. Bei a l l en P a t i e n t e n land sieh bei ihrem Eintritt ins Hospital der k l e i ne Bac i l lus in Re iuku l tu r~ sic wurden alle mit 3°/'o LapislSsung sofort behandelt. Die Sti~bchen konnten trotz- dem durchschnittlich 20 Tage tang in a b n e h m e n d e r Zahl , meist in Reinkultnr, konstatiert werden. Die trachomat6se Erkrgnkung dauerte 11[~ bis 2 ~![onat% dann war die KOrnerbildung vollst~ndig oder fas t vollst~tndig versehwunden.

An diese aeht, liberaus wichtigen Fitlle yon rezentem~ akut einsetzen- dem Traehom schHessen sich drei an~ ~,on denen G r o m a k o w s k i selbst sagt, dass ,die Symptome in weniger scharfer Form ausgesproehen waren, also F~lle, die sic, h mit subakutem Verlauf vorstellten'5 ,Einer ist krank seit drei Honaten." Bei eiuem ,bestand geringe Sekretion in Form yon Borken in den innern Augenwinkeln~5 Bei allen drei war durch die Behandlung keine .~nderung des Krankheitsbildes im Laufe yon zwei Monaten erzielt worden. Bei diesen drei wurden w~ihrend ihres Aufent- haltes im Hospital keine Bacillen nachgewiesen.

Wir kSnnen also sagea, dass in allen Fallen yon akut begiunender trachomat6ser Bindehautentzfindung zu Beginu der Erkrankung sehr reich- lich and aussehliesslich meine Bacillen yon G r o m a k o w s k i nachgewiesen wurden.

Das wichtigste, was aus der Betrachtung dieser F~lle hervorgeht, ist, dass nach e i n e r i n k u b a t i o n yon wen igen T a g e n a k u t Tra- chome einsetzen. Sie heilen, wenu sofort behandelt wird, in etwa zwei ~onaten. Welters ergibt sich~ dass der erw~hnte kleine Bacillus

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Die J~tiologie des Trachoms. 187

als E r r e g e r der Erkrankungen mit Bestimmtheit angesprochen wer- den muss.

Die vierto Gruppe umfasst schwere Formen yon Trachom. Die ersten 16 Fi~lle dieser Gruppe sind durchschnittlich drei bis vier Monate alt. Doch ergibt sich aus den Krankengeschichten, d~ss es mehrfach F~ille waren, bei denen Trachomk(irner frtiher cinmal ausgedrtickt wurden, die dann ohne Behandlung blieben~ uud nun mit schwerer Rezidive ins Spital gebracht wurden: Die ~bergangsfalten und Tarsalbindehaut verdickt und mit KSrnern und hypertrophischen Papillen besetzt. Diffuse schleimig- eitrige Sekretion. Behandlung mit 2 his 3 °/o Lapisliisung. Die Reizungs- erscheinungen widerstehen li~ngere Zeit der Behandlung. Der ~achweis der kleinen Bacillen gelingt innerhalb eines Zeitraumes bis zu 11/~ Monarch. In 15 F ~ l l e n werden meine Bacillen in reichlicher Menge, in mit dem Fortgang der Behandlung abnehmcnder Zahl, nachgewiesen. Der kul- turelle Nachweis, fast ausschiiesslich in Reinkultur, gelingt in zwSlf yon den 15 Fallen.

Ftir die folgenden 24 Fii l le der vierten Gruppe werden nur vier Krankengeschichten als Typen erw-~thnt. In drei yon den vier werden zarte N a r b e n der B i n d e h a u t angefiihrt, bier und da auch Pannus. Es sind also durchaus F~tlle yon regressivem~ reeht altem Trachom. Kein einziges Mal wurden racine St~bchen nachgewiesen.

Gerade diese Grnppe ist wieder you grSsserer Wichtigkeit. Wenn es sich bei G r o m a k o w s k i s Beobachtungen um eine dem Trachom suprapo- nierte Conjunctivitis handelte, dann bliebe unversti~ndlich, warum bei diesen 24 F~tllen mit beginnender bTarbenbitdung trotz reichlicher schleimig-eitriger Sekretion racine Bacillen gar hie nachzuweisea waren. Dahingegen ist es naturgemi~ss, dass in solchen Fi~lIen~ wo der entztindliche Prozess vortiber und nur mehr Reparationserscheinungen in der Bindehaut sich abspielen, meine Bacillen nicht mehr nachzuweisen sein dtirften, wenn sic die Er- reger dieses Krankheitsprozesses darstelten.

D i e s e n F ~ l l e n gegeniaber stehen die friiher angefi~hrten yon durchwegs positivem Baeillenergebnisse ausschliesslich bei fl'ischen akuten Trachomen in den ersten Wochen ihres Bestandes.

Ich meine, ftir eine supraponiertd Conjunctivitis miisste das Stadium des Trachoms doch weniger ausschlaggebend sein, wie wit ja tats~chtich alle anderen Erreger yon Conjunetivitiden bei ~arbentrachom ebenso wie bei frischerem und selbstverst~ndlich ebenso bei nichttrachomatiiser Con- junctiva nachzuweisen im stande waren.

Es sei denn auch gleich darauf hingewiesen, dass auch G r o m a - k o w s k i nur bei ausgesprochenem Trachom meine Bacilten land. (~brigens konnte G r o m a k o w s k i se lbs t , trotzdem er auf ein anderes Ziel los- steuerte, nicht umhin an einer Stelle der Arbeit hervorzuheben, dass die K S r n e r b i t d n n g in e v i d e n t e r Weise mi t de r I n f e k t i o n mi t den k l e i n e n Sti~bchen zusammenh~tngt.

~un ist es wichtig zu betonen, dass G r o m a k o w s k i sich mit dieser Behauptung zu a l len andern Untersuchern K o ch-We e k s scher Conjunctivi- tiden in Widerspruch setzt, die alle hervorheben, dass durch den Koch- Weeksschen Bacillus hie KSrner- oder Folliketbildung bedingt wird.

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]8~ L M[iller.

Dieser scheinbare Widerspruch lSst sich aber sofort, wenn man berack- sichtigt, dass Gromakowsk i ebeu nicht Koch-Weekssehe Sthbchen~ son- dern den Traehombacillus vor sieh hatte.

Sodana ist hervorzuheben, wofern man die klinischen Erscheinungen zur Feststellung der Natur der kleinen Bacillen noch weiter heranzieht~ dass es auffallend ist, dass bei dem Reichtum des Sekretes all Baeitte~l, bei den gen~gend sehweren Formen der Entz~ladung mit Schwellang und R~tung der Lider~ yon Gromakowsk i fast gar nicht der Bildung volt Pseudomembranen Erw~hnung geschieht, nnd doch wissen wir aus eigener Erfahrung und aus der Literatur, dass Pseudomembranbildung eine hSufige Erseheinung be ide r Koch-Weeksschen Erkrankung~ ancl nicht gerado bless bei den sehr schweren Formen, ist.

Weiters muss betont werden, dass die Conjunctivitis durch Koch- Weekssche St~behen bei Behandlung mit 3°]o(?) Lapisl~smlg im all- gemeiaen in sehr wenigen Tagen ansheilt. Wohl k6nnen die Koeh- Weekssehen St~behea nach iiingerer Zeit wieder im Conjunctivalsaek auftauchen~ wie wir (Weiehse lbanm und ieh) nachgewiesen hubert; im allgemeinen sind sie aber sehon nach wenigen Tagen naeh eingeleiteter Behaadkmg nicht mehr naehzuweisea~ am allerwenigsten ~tareh Kulturen. Die Meinen St~ibchen, mit denen Gromakowsk i arbeitete, verhielten sich nach allen diesen Richtunge~ ganz anders.

Gromakowsk i untersachte 20 gesunde Individuen~ er fund bei ihneu koine St~bchen.

Sodann erw~hnt Gromakowsk i seine Erfahrungen bei zwoi Ep i - domien in zwei verschiedenen Regimentern. In dem einen Regimento waren 500 F~tlle erkrankt. ,,Er konnte Fglle beobachten, die als reine typisch kontagiSse Entzi~ndungen verliefen" (or meint also uncharakterisierte Entzt~ndm~gen mit glatter 0berfl~iche).~ ~als auch F~lle~ we die Krankheit anfangs des Bitd dieser Conjunetiviti~ darstellte und dana in eine tra- chomatSse aberging, ebenso Erkrankungen~ welche ia der Form der akuten und chronischen Folliketconjnnctivitis (darunter versteht er Trachom) erschienen'; (riehtig: einsetzten).

,,Von einem andern Regimente, in welchem sich eine derartige (wie die eben erwahnte) E p i d e m i e entwickelte, hatte er Gelegenheit, die zur Behandlung ins Hospital geschickten schweren F~lle zu beobaehten." Bei 16 E r k r a n k t e n , die sieh als T r a e h o m erwiesen~ k o n n t e n 13real die k l e i n e n S tabchen n a c h g e w i e s e n werden. , A u s s e r d e m s t ammten aus demse lben R e g i m e n t e m e h r e r e a n d e re K ra n k e , die dem k l in i s chen Ver laufe nach des Bi ld der a k u t e n Con- j u n c t i v i t i s d a r s t e l l t e n , und bei d o n e e d i e se lben S tgbchen im S e k r e t e a u f g e f u n d e n wurden. '~

Diese Beobachtungen an Epidemien bestatigen in gt~nzender Weise meine Grazer Beobaeht~mge~o Die sehon oben hervorgehobene Tatsaehe wird eri~ltert~ dass die t r a c h o m a t S s e I n f e k t i o n n i eh t ausseh l i ess - t ich Granules% s o n d e r a each Ka~arrh mit glitter Schleimh~utober- fl~che e rzeng t .

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Die Xtiologie der Trachoms. 189

Anderseits best~itigen auch diese Beobachtungen Gromakowskis seine frfiher angefahrten, dass T raehomerk rankungen durch den kleinen, mit meinem identischen Bacillus he rvorge ru fen werden.

Wir wollen das Resultat des Arbeit Gromakowskis in folgen- den Siitzen zusammenfassen, dabei aber die zuletzt erwghnten Unter- suchungen yon Epidemien nicht mit beriicksichtigen, da sie nicht ausftihrIich genug, sondem nur nebenbei, fltichtig yon ihm erwg~hnt werden.

1. Klinisch ergibt sich mit Bestimmtheit, dass die F~il]e yon Trachom, in denen Gromakowsk i die kleinen Bacillen land, reine Trachome waren nnd nicht Trachome mit supra[~onierter Conjunctivitis.

2. Gromakowsk i untersuchte das S e k r e t yon im ganzen 27 rezenten, noeh n ich t ng rb igen Trachomen bakteriologisch und land bei 23 den k]einen :Bacillus. Drei yon den vier neg~tiven F~;llen waren nicht akute~ sondern chronisehe F~lle der Erkrankung.

3. Der kleine Bacillus~ den Gromakowsk i land, ist nicht der Koch-Weekssche, sondern (vielleieht mit einer oder der andern Aus- nahme?) mit meinem identiseh.

4. Dieser Punkt 3 geht sowohl aus den morphologisehen nnd kulturellen Ergebnissen der Gromakowskischen Bacillenuntersueh- ungen, als aueh aus der Beriicksichtigung des klinischen Teiles der Arbeit hervor.

5. In den F~llen yon Narbentraehom liessen sieh die Stiibehen nie nachweisen.

6. Da G r o m a k o w s k i in akuten Fiillen yon Traehom 1. regel- m~issig, 2. in Reinkultur, 3. in mit der Abnahme der Entziindung abnehmender Menge die Baeillen land, kann ein iitiol0gischer Zu- sammenhang zwisehen Baeillen und Trachom mit grosser Wahrschein- liehkeit angenommen werden.

7. Aus Gromakowsk i s Arbeit lernen wir aku t e F o r m e n yon Trachom kennen.

8. Die Inkubation des Trachoms betrggt fiir akute Fi~lle sechs Tage.

9. Es ist erwiesen: a) dass ebenso wie ieh in ~Vien, Budapest, Kairo atteh G r o m a k o w s k i in Russland aussch l i e s s l i eh bei Tra- chomkranken; b) wie ieh in Graz, G r o m a k o w s k i wiihrend e iner T r a c h o m e p i d e m i e ansser bei traehomatgs Erkrankten aueh bei einigen an Conjunctivitis mit glatter Conjnnctiva Leidenden, aber ausseh l i e s s l i ch bei Krankhei t s f i~ l len , die zur E p i d e m i e ge- hSrten~ meine Baeillen nachweisen konnte.

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190 L. ~Ifilter.

A x e n f e l d s K r i t i k (I. e.), die ~.ch jetzt besprechen will; hebt besonders zwei Momente hervor. Zun~chst heisst es auf Seite 83:

,Hier ist schon festzustellen, dass tier Mtillersehe Bacillus in vicler Hinsicht dem Koch-Weeksschen Bacill,s sehr nahe steht~ ja in den meisten Punkten yon demselbea nichg sicher unterschieden werdea kann. Ganz besonders gibt MNler an, dass mikroskopisch beide Bacillen nieht zu trennen seien. Ob unter diesen Umst~nden die yon Mtiller betonten, aber, wie ersichtlich, nicht konstanten Kulturdifferenzen gentigen, um sie ttberhaupt als zwei Arten zu eharakterisieren, wird nach Ansieht des Referenten zweifethaft sein."

Ich h o ~ , dass ich durch racine Ausfiihrungen in den ersten beiden Abschnitten der vorliegenden Arbei% sowie durch die beige- gebenen Photographien, dieses Missverstindnis nunmehr beseitigt habe. Die beiden Baeillen sind voltst§.ndig verschieden und auch sicher zu unterseheiden, wofern Deckglaspriparate u n d Kulturergebnis zur Ver- fiigung steht. We t wollte aus dem Deekglas allein bei so kleinen einfachen Gebilden absolut Irfiimer vermeiden! In vielen F~llen wet- den beide Bacilten %atsiichlich mikroskopisch nicht zu trennen sein. Diesen Satz muss ich auch jetzt noch aufrecht erhalten. In andern Ffi]lcn allerdings sind sic ohne weiteres zu trennen. Da ~ibrigens racine S t ~ b c h e n m o r p h o l o g i s e h und k n l t u r e l l m i t I n f l u e n z a - s t i b e h e n ~ibere ins t immen~ kann ieh flit reich eine grosse Zahl yon Bakteriologen namhaft machen, die in Lehr- Trod Handbtichem den BaeilIus eonjunctivitidis veto Influenzabaeillns trennen. Ieh nenne nur K r u s e , der die Koeh -Weekssehen St~bchen in Agypten nieht kultivier% sondern nur in Sehleimpr~paraten gesehen hat and sic seharf yon den Influenza- (also aueh yon meinen!) Bacitten seheide~.

Axenfeld sagt dann weiter: ,,Wenn z. B. ~'Ialler sehr bestimmt sagt: Derjenige Bacillus, der sich ohne Serum und ohne Anwesenheit fremder Keime weiterzt~ehten (ich meinte mit dem ,,weiter" yon der zweiten Generation ab) lasse, ist kein Koch-Weeksseher Bacillus, so geht das zu weir, denn Morax hat solche Kulturen sieherlieh erhalten."

teh glaube meinen, yon Axenfe ld citierten Satz dutch die in Agypten gewonnenen Zt~ehtungsergebnisse, die in dem ersten Abschnitt dieser Arbeit wiedergegeben sind~ wieder bestatigt zu haben. Ob Morax solche Kulturen ,,sieherlieh erhalten hat", wird dieser vMleieht dureh weiteres, unter Beraeksiehtigung unserer Angabeu angestelltes Ferschen auf diesem Gebiete, noeh verlisslieher werden es dritte Untersueher im Laufe der Zeit erklgren. Da dies der Gedankengang ist, der mieh in dieser and jeder ~thnliehen Angelegenheit teitet, babe ich es nnterlassen, auf Morax in diesem Archly i) crseMenene Erwiderung aaf unsere (Weiehselbaum

~) v. Graefe 's Arch. f. Ophthalm. Bd. XLVII. S. 673.

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Die Atiologie des Trachoms. t91

und Mt~ller) Arbeit wieder eine Erwiderung eiuzusenden. Durch solche Erwiderungen wird die Sache nieht im mindesten weiter gebraeht.

Der sieh anschliessende Satz Axenfelds: ,,Man kann nur so viel sagen: der Koch-Weekssche Bacillus l~sst sich am besten und oft aus- schliesslich zachten auf Serumagar und bei Anwesenheit fremder Keime, doeh in andern F~tllen auch f~r sich allein und manchmal aueh ohne Serumzusatz, wenn reichlich Material ttbertragen wurde; auch auf Blut- nShrbOden kann er gut gedeihen, wenn auch nicht immer. Die versehie- denen Epidemien verhalten sich, wie es scheint, in diesen Dingen nieht ganz gleieh," ist gewiss richtig, wofern man hinter die Worte ,,wenn reichlich Material tibertragen wurde" hinzuft~gt: aber nur in der ersten Genera t ion , also unter Benutzung des dem Menschenserum ~quiva'lenten Conjunctivalschleimes.

Ieh bin hier in der Bespreehung yon Axenfelds Kritik welter ge- gangen, als zur Entseheidung der Frage naeh der Identit~.t oder Nicht- identit:~t m einer und der Koch-Weeks sehen BacitIen unbedingt nStig war. Ieh will hoffen, dass auch andere Bedenken Axenfelds, die ihn dazu ft~hren, anzunehmen, dass ,,mein Bacillus nur eine Spielart des Koch- Weekssehen ist" usw., durch meine Darstellung im zweiten Absehnitt dieser Arbeit behoben sin&

Schwerer ins Gewicht f~llt die zweite Richtung yon Axen- felds Krit~, die in dem Satze gipfelt: ,,Referent kann deshalb den Schluss L. Miil lers nicht teilen: ,Bis jetzt spricht niehts gegen die ~tiologisehe Bedeutung meiner Baeillen, aber viel dafiir.' Referent findet, dass doch recht vieles bereits dagegen sp~eht, dass die Miillerschen Baeillen die Erreger des Traehoms sind."

Das~ was naeh Axenfe ld ,,dagegen spfieht", ist folgendes: 1. ,,Vielleicht ist der Niil lersche Bacillus nur eine Spielart des

Koeh-Weekssehen." Diesen Punkt glaube ieh bereits erledigt. 2. ,,Dem Referenten (i. e. Axenfe ld) erseheint yon neuem nieht

ausgesehlossen, dass der Mtillersche Bacillus nur eine iihnliehe Se- kund~rinfektion bewirkt, wie der Koeh-Weekssehe.

Diese Annahme erseheint dur& meine Beobaehtungen in Graz und durch die yon mir klargelegten Beobachtungen Gromakowsk i s widerlegt, ebenso dureh meine seit fiinf Jahren in Wien angestellten K o n t r o l l u n t e r s u e h u n g e n . Alles ist bereits oben hervorgehoben. women, was die Annahme einer solchen Sekundgrinfektion zu wider- ]egen geeignet ist. Ich kann also auf das oben Gesagte verweisen. Hier will ich nur folgendes hinzufiigen. Ein Bacillus, der eine In- fektion erzeugt, kann doch wahr]ieh nicht aus sch l i e s s l i ch Sekun- d i i r in fek t ionen auf t r a c h o m a t 5 s e r S e h l e i m h a u t erzeugen. Man miisste doch bei den Kontrotluntersuchungen Conjunctivitiden finden,

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192 L. Mfiller.

die die ,,Prim~rinfekt~on" darstellen. Mir ist ,~ber bis heute keine Kontrolluntersuchung, d. h. eine Untersuchung bei Kranken, die nicht an Trachom litten, in Bezug ~uf meinen Bacillus positiv ausgefallen. Aueh sonst hat sie niemand nachgewiesen (auf die Arbeit yon zur N e d d e n komme ich welter unten zu spreehen). Denn die FNle yon Katarrh~ wo ich den Bacillus naehwelsen konnt% betrafen Leute, die mit Trachomkranken in gesehlossenen R~Lumen zusammenlebten, in denen gerade eine Trachomepidemie herrschte.

3. ,Mii t le r selbst hebt hervor, dass die trachomerregende Natnr des Mtillerschen Bacillus noch keineswegs sieher sei, da der Befund zu inkonstant sei."

Die in der vorliegenden Arbeit beigebrachten neuen Unt~rsueh- nngen schw~chen gewiss dieses Argument ganz wesentlieh ab.

~. (Dieser Punkt ist besonders wicbtig.) ,,Zahtreiche sorgfi~ltige und erfahrene Untersucher haben den Miillerschen Bacillus bei frischem~ unbehandeltem Trsehom nicht geflmden. Denn wenn der Bacillus aueh klein ist, zu fibersehen ist er nieht, wo er in nur etwas reichlieher Zahl sich finder. Unter den Untersuchungen der Beriebts- jahre fgllt besol~ders ins Ge~%ht die Angabe yon C. Fr~nke l ; seine Untersuchungen beim Trachom (die, wie Referent weiss, jahrelang mit allen Hilfsmitteln angestellt siud) seien g~nzlich ~mgativ ausge- fallen."

Hierzu ist vieles zu bemerken. Ich verfiige mit den in der vor- liegenden Arbeit angefiihrten Beobachtungen fiber welt mehr als 100 positive Befunde. Bis zum Jahre 1897, wo ich den Bacillus zum erstenmal land, sind sei~ Pfe i f fe rs Angabe fiber die Benutzung yon BlutnNlrbSden etwa sieben Jahre vergangen. W[thrend dieser sieben Jahre hat niemand die Baeillen gesehen, trotzdem systematisehe Untersucbungen des Sekretes ans dem Bindehautsacke w~hrend dieser Jahre zahlreich angestellt worden sind. Vom Jahre 1897 bis 1900, also w~hrend der Zeit, wo idl etwa 60 F~lle naehwies, hat sie ausser mir niemand gefunden. Erst drei Jahre, naehdem ich sie bes&rieben hatte, im Jahre 1900~ ist die Arbeit Gromakowsk i s ersehienen, der sie mit den Koeh-Weekss&en Stgb&en zusammenwirft, und drei F~tle wurden yon zur Nedden beobaehtet, der sie mit den Pseudo- influenzabacillen identifiziert.

Sie sind (siehe Gromakowski , siehe Axenfe lds Kritik, siehe racine Angaben) auf der einen Seite mit Koeh-Weekssehen Baeillen zu verweehseln; auf der andern Seite werden Untersueher, die nicht

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Die J~tiologie des Trachoms . 193

regelmgssig nach Gram fSrben~ sie n iemals yon P n e u m o c o k k e n t rennenl) .

Ich kann auf den folgenden Abschnitt verweisen~ tier eklatant beweist~ dass der Bacillus denn doch ,,zu iibersehen ist". Es sind bis heute fiinf Jahre seit meiner ersten Publikation und 12 Jahre seit P fe i f f e r s Angabe Yon Blutn5hrb5den ~-ergangen. Immer wieder werden bakteriotogische Untersuchungen, sogar systematische ffir Publikationen Yon ,zahlreichen sorgfgltigen nnd erfahrenen Unter- suchern" fiber die Bakterien des T r g n e n s a c k e s (!) gemgcht. Nie- mand hat im T r g n e n s a c k mein% beziehungsweise Influenza- (oder sogenannte Pseudoinfluenza-) Badllen nachgewiesen. Ieh habe (siehe den ngchsten Abschnitt dieser Arbeit) nacheingnder 34 Fglle yon Trgnensackleiden, wie sie yon Professer Fuchs mir hintereinander zuf£11ig zur Verfiigung gesteilt wurden~ nntersucht und finde die Ba- cillen fast in der Hglfte der F~lle! Nat[irlich wird diesmal wieder ein hTaiver fragen: tterrschte zur Zeit in Wien Influenza? Die Kranken kamen~ wie weiter unten zu lesen ist, aus allen mSglichen L~ndern.

Ftir C. F r ~ n k e l hgtte ieh allerdings noch hinznzufiigen, dass Berlin ebenso wie Wien selten Gelegenheit geben wird~ die Ba- ci]len zu sehen. Die in diese Stgdte zugereisten Trachome sind s~mflich recht alten Datums.

Als fiinften Punkt fiihrt Axen fe ld seine eigenen Beobachtungen (fiinf F~lle) an, die ,dagegen spreehen". Da A x e n f e l d sich bis nun nicht entschliessen konnt% Miillersche und Koch-Weekssche Bacillen zu scheiden, so bleibt es unentschieden~ welche yon beiden e rvo r sich hatte. Es kSnnen auch Koch-Weekssche Stgbchen ge- wesen sein. Anderseits ist, zumal es sich um Kinder handelte, zu bedenl<en, dass es eine ganz leichte ,trachomatSse" Foltikelentziindung gewesen sein kann, was mit ¥ielem in ¥orliegender Arbeit Gesagtem in vollem Einklang steht.

Ich will diese Bemerkungen fiber A x e n f e l d s Kritik nicht schliessen~ ohne ausznsprechen, dass ich ihm ftir das Betonen dieser erst richtig zu stellenden ]?unkte nicht minder als ffir seine aner- kennenden Bemerkungen, insbesondere aber flit den energischen Satz,

~) Charakteristisch ist, dass, als ich ein Sekretpraparat, wo sich mein Ba- cillus in grosser Menge ohne andere Bakterien vorfand, seinerzeit in der Gesell- schaft der Arzte in Wien demonstrierte, ein mit dem IMikroskop ungewShnlich gut vertrauter Fachkollege beim Hineinsehen ins 5iikroskop sagte: ,Das sind ja Diplocokken, ich meine Pneumocokken."

v. Graefe's Archiv fiir Ophthalmologie. LVIL 1. 13

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19~ L. M~511er.

mit dem er reich gegen A d d a r i o in Sehutz nahm, dankbar bin. Ieh selbst will fiber A d d a r i o s Arbeit nieht ein Wor t verlieren.

~[ch bin glticklieh, wenn es mir in diesem (dr i t ten)Absehni t t tier

vorliegenden Arbeit ebenso saehlieh zu sein gelungen ist, wie A x e n -

f e ld selbst in seinen Kritiken.

Z u r N e d d e n s Arbeit 1) muss hier ebenfalls ausfiihrlieh be-

sprochen werden. E r betitelt sic ,,Ein Fall yon Blennorrhoea nee-

a n t r u m , hervorgernfen durch den Pseudoinfluenzabacillus".

Er selbst kommt dureh seine Zachtungsversuche zu der, yon allen Bakteriologen vertretenen Ansicht, dass Pseudoinflnenzabaeillus und In- flucnzabacillus ein uud dassclbe ist. I)as sprungweise Auftreten x'on l~tngeren Paden in den Kulturen beim Fortztiehten eines Influenzastammes ist allgemein bekannt und findet sich bei Stitmmen meines Bacillus ebenfalls ohne Regol und ohne auffindbarc Ursache wghrend der Fort- zachtung derselben. Zur Nedden mCIsste also yon einem Falle, hervor- gerufen dutch Influenzabacillen, spreehen.

Ieh glaube nun aber, dureh meine fr~iheren und die vorliegende Arbeit gent~gend erM.rtet zu haben, dass dis Baeitten, die wir nunmebr mit Sieherheit als Erreger einer Augenentztindung kennen, mit den In- fluenzabacillen wohl morphologisch und kulturell vollst5ndig ttbereinstim- men, abet nosologiseh, also auch als B a k t e r i e n a r t yon ihnen vell- st~ndig zu trennen sind, etwa so, wie der Pneumobaeillus yon dem Bacillus des' Rhinoskleroms. Es erwaehst vielmehr yon nun ab f(ir den Bakte- riologen bei dem Naehweis yon Influenz.abaeillen im Sputum und an an- deren Or[en die Pflieht, diese meine Bacillen mit in Erwttgung zu ziehen, in ~hnlicher Weise, wie es bei Untersuehung auf Tuberkelbacillen be- ziiglieh des s~urefesten Smegmabaeillus gesehehen muss. Auf der andern Seite werden wit Angenttrzte an den Iufluenzabaeillus zu denken haben, wenn wir im Conjunetivalsack oder insbesondere im Tr5ncnsack einen Bacillus als meinen, also als den Erreger der Sehleimhautentztindung an- zusprechen im Begriffe sind.

Bei zur Nedden ist der besehriebene Bacillus der E r r e g e r der besehriebenen Augenentzandung - - er selbst l~tsst keinen Zweifel dariiber often ~ nnd i s t demnach mi t m e i nem Bac i l lus iden t i seh .

A x e n f e t d (lee. eit.) stimmt mit mir in diesem Punkte ~oltsti4ndig tiberein, indem er sag't: , Z u r N e d d e n erhiett Yon den L. N t i l l e r - s ehen Bac i l l en auf Blu tagar . . . "

Es ist nun dis 1?rage zu beantworten, ob die Beobaehtungen you zur Nedden ~ es sind ausser dem im Titel genannten Falle noch drei andere erwghnt - - , in denen mein Bacillus zweifl, llos, wie auch yon zur Nedde n einger~tumt wird, eine ~ttiologisehe Rolle spielt~ ob diese vier Beobachtungen gegen die t r a e h o m e r r e g e n d e Eigenschaft meines Bacillus sprechen. Naeh zur N e d d e n ganz entsehieden: ,,Wit kOnnen,"

1) Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. Bd. XXXVIII. S. 173.

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Die Atiologie des Trachoms. 195

sagt er, ,mit Bestimmtheit behaupten, dass die Fiill% bei denen wit den Bacillus nachgewiesen haben~ keiu Traehom waren. Selbst die starke Papillarschwellung in dem einen Falle, sowie die Follikelbildung in dem andern liessen diese Diagnose nicht zu."

Analysieren wir nun dell ersten Fall, ein neugeboreues Kind be- treffend. Wie ich schon in meiner Arbeit tiber i~gyptische Augenentztin- dungen hervorhob, verli~uft das Trachom bei .k le inen Kinderu in dem Sinne gutartig, class kei~m der bekannten tiblen Folgezust~nde sich eiu- stellen. Dies h~ngt vor allem damit zusammen, dass die KSrner, die j~ allein zur :Narbenbildung in der Conjunctiva, Verkrtimmung der Tarsi usw., den Anlass geben, sigh sehr wenig entwickeln und wieder einfach resor- biert werden. Es liegt nahe, anzunehmen, dass beim Neugeborenen die Conjunctiva auf das Trachomvirus noch weniger oder vielleicht gar nicht mit Follikelbildung reagiert: bezw. nicht reagieren kauu. Wer hat denn schou beim Neugeborenen ein Trachom g esehen? Darf man durum aa- nehmen, (lass die Conjunctiva des >*eugeborenen auf das Trachomvirus nicht reagiert? Ira Gegenteil, ich mein% dass der bakteriologische Be- fund zur Neddens m*s durch diesen Fall das Trachom der b[eugeborenen kennen lehrte. 8o sieht es eben aus. Wir werden uns erst jetzt daran, die verschiedenen Ausseruugeit der traehomat6seu Infektion kennen zu lernen, gewShnen miissen. Der Fail verlief ganz eigenartig und zeigt ein yon der Gonocokkenerkrankung namentIich in bezug auf die Sekre- tion, die Dauer der Erseheinungen, die Lokalisation (und Dauer) tier mi~ehtigen Papillarschwellung, die Reaktion auf die therapeutischen Ein- griffe wesentlich versehiedenes Verhalteu. Wer die Krankengeschiehte liest, wird zugeben, dass der Krankheitsfall in den Rahmen eines akuten Trachoms ohne sichtbare K0rner (wie leicht k0nnen die unbedeutenden~ den kleinen Kindern eigenttimliehen TraehomkOrner durch die m~chtige, sehr lunge bestehende Papillarschwellung tier Beobachtung sich entzogen haben!) noch immer viel besser passt~ als in den Rahmen irgend eines andern bekannten Krankheitsbitdes. Aueh die Inkubationsdauer stimmt mit dem, was ieh oben bei Bespreehung der Arbeit G r o m a k o w s k i s sagte, tiberein.

Im Ansehlusse an diesen Fall erw~hnt zur ~ e d d e n drei Mitglieder einer Famitie. Zun~chst kam nur die Mutter mit der 14j~hrigeu Tochter zur Untersuchnng: Bei tier Mutter ist die Conjunctiva gleiehm~ssig ge- sehwollen und gerOtet, ,bei tier Tochter aber e n t w i c k e t t e s ich e ine s t a r k e F o l l i k e l s e h w e l l u n g an be i den L i d e r n , oben wie unten in gleichem Masse. Durch Behandlung mit HSllensteinlSsung wurde die Mutter in vier Woehen geheilt: wi~hrend bei der Tochter in derselben Zeit die Krankheitserscheiuuugen bis auf die Foilikel zurtiekgingen. Bei beiden liessen sich nur ungef~hr acht Tage lung in Deckglaspr~tparaten des Sekrets die Baeillen nachweisen. In den Kulturen traten bei der Mutter schon in der ersten Generation, bei der Tochter ,:on der zweiten Generation ab reichlieh Degenerationsformen auL"

,,Bei einem dritten Familiengliede, einer 16j~thrigen Tochter~ die zwei Wochen frtiher an heftiger Augenentztindung erkrankt war, konnte

13 ~

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196 L. Ntiller.

man gleiehfalls heftigen Follikularkatarrh konstatieren." Bei ihr konnten Baeillen nieht mebr naehgewiesen werden.

Wet liest aus diesen Befunden nieht f6rmlieh heraus, dass zwei Schwestern dutch sin wenig lebensf~higes, wesentlieh abgesehw~;ehtes Virus einen ,Follikelkatarrh" und die Mutter dureh ein noeh mehr abgeschw~tehtes einen sinfachen Katarrh sich zuzog. Also: die Mutter reagiert auf eiu sehwaehes Gift mit e i n f a e h e m Katarrh, die T6ehter auf ein st~trkeres mit F o l l i k e l k a t a r r h . Dr~,ngt sieh da nieht unwillkt~rlieh der Satz auf: Ein noeh starkeres bfitte sbsn sin Trachom erzeugt. Ieh verweise auf frahere Stellen meiner vorliegenden Arbeit. Es gsht diese Anffassung aus den angeftthrten Beobaebtungen yon Epidemien horror. Wir dt~rfen nieht lgnger an dem Aberglauben festhalten, dass ein Nenseb, der sieh mit Traehomvims infiziert, cntweder ein ausgesprochenes Traehom be- kommt odor gar niehts. Je naeh der Nenge, dem Alter und der Virnlenz des eingebrachten Giftes einerseits, anderseits ~aeh dsr Widerstandskraft der gesuuden oder bereits aaderweitig kranken SehMmhaut und dem Alter des IndMduums bekommt man einen einfaehen Katarrb~ einen Foltikelkatarrh, ein leiehtes odor sehwcres Traehom. Diese Formen gehen selbstverstS, ndlieh kontinuierlieh ineinander ~lber. Zu ihnsn kommt zu- naehst noeh die 'Form bei Neugeborenen~ falls zur Neddens Beobaeh- tung dureh andere ~thnliehe F~tlle vermehrt wird~),

Es sei abet, damit Irrtamer vermieden werden, gleieh erwShnt, dass es natfirlieh uieht traehomatOse Follikelkatarrhs aueh gibt. Gibt es ja aneh ~orn Tra&om allerdings d u r g den Ausgang versehiedene, dureh das Traehomvirus nicht bedingte, aber Iangere Zeit wie Traehom aus- sehende Erkrankungen (Pseudotraehome).

Zu r Ne dden untersuehte aueb zwei gauz frisehe F~tlle yon akuter Conjunctivitis granulosa mit reiehlieher Sekretion; den Bacillus MUller konnte er abet nieht naehweisem Waren das wirklieh frische Traehome? Kein Menseh kann yon einem Trachom sagen, wie air es ist. Bei aus- gesproehener K6rnerbildung kanu die Sekretion (und namentlieh r e i e h - l iehe 8ekretion ist hier verdaehtig) sehr wohl yon einer akuten supra- ponierten Conjunctivitis herr~ihren~ wS.hrend das Traehom sehon viele Monate a t t i s t . Was ft~r Bakterien fund zur Nedden in diesen zwei Fgllen? ~brigens versehwinden solehe zwei negative F~tlle gegenaber dem ~]brigen Beweismaterial uud namentlieh gegenaber den so vielcs er- kl~renden Befunden bei Trachomepidemien.

Ieh erwahne ztl den srsten vier Beobaehtungen zur Neddens bei- I~tufig, dass seine Untersuehungen aus Bonn stammeu, einem, wie ieh aus dem Kapitel fiber Traehom in G r a e f e ~ g a e m i s c h , das yon Saemiseh in Bonn behandett ist~ entnehme, mit Traehom reeht verseuehten Otto.

~) Dies ist durch zur Nedden setbst seitdem geschehem Diese Arbeit yon mir war aber schon druckfertig, als zur Neddens zweite Arbeit ersehien. Daher bespreche ich sie nicht mehr, sondern verweise a.uf das oben Gesagte. Hervorlfeben will ie~ nur~ dass in dem einen Falle, we das Kind J/~ Jails alt war, eine TrSnensaekb lennor rhoe best~nd.

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Die Atiologie des Trachoms. 197

IV. A b s c h n i t t .

Uber dio Bakter ien bei Tr~nensackerkrankung, insbesondere

fiber das Tr~nensacktraehom.

Als ich wghrend meines ersten Aufenthaltes in Graz bei ein- zelnen Trachomkranken eine Trgnensackblennorrhoe konstatierte, schien mir dies nicht auffallend, vielmehr in Ubereinstimmung mit der bekannten Tatsache, dass diese Krankheit bei Trachomkranken nicht selten sich finder.

Nach S te l lwag 1) entwickelt sieh die Dacryoeystoblennorrhoe als Ausgang der Trgnensackphlegmone, ebenso h~tufig aber infolge der Fortpflanzung entztindlicher Prozesse yon den Nachbarorganen auf dell Trgnensehlaueh. Von den Bindehautentztindungen sind besonders hoch- g r ad ige T r a e h o m e berf ieht ig t . Naeh Saemiseh =) l~,sst sieh eine Propagation des traehomat(}sen Prozcsses auf die Tranenwege konstatieren. , ,Sehr au f f a l l end is t n~mlieh das n ich t so s e l t ene g l e i e h z e i t i g e V o r h a n d e n s e i n e i n e r E r k r a n k u n g tier Tr~inenwege." ,Man wird hier versucht, eine direkte Fortpflanzung der Entztindung der Conjunetiva auf die Sehleimhaut der Trfinenwege anzunehmen." Naeh Wecke r 3) mtissen wir voraussetzen, dass die Sehleimhaut des Tr~nensackes, sowie die Bindehaut, den verschiedensten Affektionen unterliegt. ,,A l'appui de cette supposition, nous citons un seul fair, aujourd'hui aequis h la science, c'est la pr6senee de vraies granulations dans la mucqueuse de voles ]a- crymales."

In neueren Lehrbiichern gibt sich sine andere Auffassung kund. So erw~hnt Schmid t -Rimple r~) , dass verh~ltnism~tssig se l t en chro- nische Erkraukungen des Tr~nenschlauches durch chronische Conjunctivi- tiden und G r a n u l a t i o n e n veranIasst werden, ,,in der Mehrzahl der F~tle gehen sie yon Affektionen der Nasenschteimhaut aus". Bei F u c h s finden wir nur den Satz: ,AIs fortgeleitete Erkr.ankung des Tr~nensackes kommt T r a e h o m und Tuberkulose vor." Bei ,,Atiologie der Blennorrhoea saeei ]acrymalis" steht bei Fuchs : ,,Die u n m i t t e l b a r e Ursache d e r T r ~ n e n - s a e k b I e n n o r r h o e ist die V e r e n g e r u n g des T r a n e n n a s e n g a n g e s . " In andern Lehrbfichern der letzten Jahre ist fiber den Zusammenhang zwisehen Traehom und Tranensackerkrankung gar nichts mehr erw~hnt.

Auf die Arbeiten yon Kuhnt , He r t e l , We rn c k e und andern werde ich welter unten zu sprechen kommen.

Den Umstand~ dass ieh bei diesen Kranken besonders reichlieh meine Bacillen im Sekvete n~chweisen konnte, glaubte ich mir so erklgren zu miissen~ dass in dem stagnierenden alkalischen Sekret

3) Lehrbuch d. Augenheilk. S. 563. ~) Graefe-Saemisch. Bd. IV. 3) Handbuch yon Wecker und Landolt. Bd. IV. S. 1061. 4) Lehrbuch. 3. Aufl. S. 635.

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198 L. Miiller.

des Tr~inensackes die Bacillen reiehlieh sich za vermehren Gelegen- heir haben.

Als ieh bei meinem zweite,1 AufenthMt~e in Graz bei Patienten, bei denen ich seinerzeit besonders reichlieh im C o n j u n c t i v a l - s ek re t e die Baeillen nachgewiesen hatte, und die ich gerade deshalb besonders genau in Bezug auf eine Erkrankm~g des Tr:~inensackes geprtift hatte, ohue eine solche naehweisen zu k6nnen, ohne aueh nut die Spur einer Verdickung der Saekwand gefiihlt zu haben - - als ieh bei ilmen jetzt eine fl°isehe Triinensaekeiterung konstatierte~ ersehien mir alas in hohem Grade auffallend. Die Annahm% dass bei ihnen doeh sehon das erste l-V[aI eine yon mir iibersehene Ent- ztindung des Trgnensackes bestanden h:~ttte, war auszusehliessen. ttatte ich do& iibrigens bei jenen Patienten sehr hi~ufig lange dieke Sehleimfiiden untersueht~ die ich mit ausgegltihter Pincette yon tier Conjunetiva der oberen Ubergangsfalte reinlieh abhob, ohne Bei- mengung fliissigen Sekretes. In ihnen fired ich die massenhaften Baeillen. Naeh Aussehluss dieser Annahme musste ich mir sagen, dass gerade bei den Patiente~ mit reichlichem BaeillenbeNnd sieh eine Erkrankung des Trgnensaekes zur Bindehauterkrankung hinzu- gese l l t hatte.

¥on grosset Bedeutung ersehien mir waiters die Untersuehung einer J~rau, die ieh ~ornahm, als ieh das dritte Na] in Graz war. Bei diesem Aufent.hatte suehte ich naeh Trgnensackblennorrhoen bei Traehomatiisen. Ich wollte Tr~inensgcke, deren Exstirpation aus therapeutisehen Grtinden indiziert war~ samt eingeschlossenem~ ba- eillenhaltigem Sekret exstirpieren, um in einem solchen Pr~tparate tiber die Lagerung der Bacillen im @ewebe Aufsehluss zu bekommen. Das eingeschlossene Sekret sollt~ mir Auf'schltisse tiber die Brauch- barkeit yon F~rbungsmet, hode~ geben. Davon wird no& unten ans- ftihrli& die Retie sein. Diese Frau war vet langer Zeit wegen Trachom behandelt worden, das nun seit vielen Mo~aten votlstgndig his auf sehr zarte Narbenziige geheilt war. Die Bindehaut war ~otl- st~ndig blass, gar nieht seeernierend. Patientin lift jetzt nut an Tr~tnensaekblennorrhoe. Im S e k r e t des Tr:Anensaekes konn te ieh m a s s e n h a f t meine Bae i l l en naehweisen .

tta,tte ich vorher daran gedacht, K o n t r o l l n n t e r s u c h u n g e n in der Weise vorzunehmer~, dass ich (ebenso wie ieh es auf dem Ge- biete des Conjunctivaltraehoms an einer sehr grossen Reihe yon tra- chomfreien Kranken get.an hatte) bei solehen an Trgnensaekeiterung Leidenden das Triinensacksekret untersuehen wollte, bei denen an der

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Die ;'~tiologie des Trachoms. 199

Bindehaut kein Trachom nachzuweisen war, musste ieh jetzt den Plan '~ndern. Konnte doeh eine leiehte traehomatSse Erkrankung aueh ohne Narbenbildung in der Bindehaut abgelaufen sein, die vorhan- dene Tr~nensaekerkrankung abet immerhin traehomat0s sein. (An ein primi~res Traehom des Tr~nensackes, das sieh nieht auf die Con- junetiva propagiert, daehte ieh damals noeh nieht.)

Ieh besehloss dahel; da die Frage der _4tiologie und Pathologie der Tritnensaekblennorrhoe nun im ganzen einer Aufkl5rung bedtirftig ersehien, Tr~nensaekblennorrhoen, wie sie der Reihe naeh zur Unter- suehung k~men, ohne Aussehluss der mit Conjunetivaltraehom kom- plieierten, zu untersuehen. Aus einer solehen systematisehen Unter- suehung erhoffte ieh nieht allein eine weitere Aufklgrung fiber die iitiologisehe Bedeutung meines Bacillus, sondern aueh die Aussieht, eine Reihe yon die Tr~nensa&eiterung betreffenden Fragen einer Aufkl~rung zuzufiihren.

~Vie ieh sehon erw~hnte, gab mir Herr Professor Fuehs Ge- legenheit, diese Untersuehungen vorzunehmen. Ibm und dem Assi- stenten der Klinik, Dr. Meller , sage ieh aueh an dieser Stelle besten Dank.

Ieh nntersuehte naeheinander 34 Fiille; doeh sind nur 31 Re- sulfate ~erwertbar. Es wurde alas Sekret stets mikroskopiseh und kulturell geprtift. In dieser ZahI sind die in Graz untersu&ten Tri~nensaekleiden nieht mit inbegriffen. Bei diesen 31 F~llen ergaben sieh folgende BeNnde:

1. In vier Fii l len war das Sekret absolut steril. Das Sekret der vier durehwegs ektatisehen Tr~nens~eke war klar und faden- ziehend, ~hnlieh wie Nasensehleim beim Sehnupfen. In einem fiinften Falle fand ieh ebenfalls keine pathogenen Keime, sondern nur grosse Baeillen, die in grossen weissen Kolonien sowohl auf den Blutn5hr- bSden, als aueh auf dem einfaehen Agar wuehsen. Sie wurden ni&t weiter bestimmt.

2. In zwei F~l len land ieh Dip lobae i l lus Morax in Rein- kultur. Die Baeillen wuehsen in grosser Menge sehr sehSn in klei- nen, hellen, oft yon einem sehmalen eingesunkenen Ringe umgebenen Kolonien auf den Blutplatten und liessen sieh (auf Blutplatten) bei 0beriml)Nng naeh je ftinf his seehs Tagen ohne fremde Kolonien leicht welter kultivieren. Die Kolonien zeigten keine bea&tenswerten Differenzen in der GrSsse und wnrden dur& andere Keime in keiner Weise beeinflusst.

3. In drei F~l len konnte ieh nur Pneumoeokken naehweisen.

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200 L. M~iller.

Dazu kommt ein vierter Fall~ we neben Pneumocokken noch Sta- phylococcus pyogenes aureus sich vorfand.

t . In d re i F£11en Streptoeokken und Staphyloeokken. 5. In e inem F a l l einen grampositiven Coccus der Strepto-

cokkengmppe, verschieden vom Streptococcus pyogenes und Diplo- coccus pneumoniae (nieht ngher bestimmt). (Da~leben dieke, nieht pathogene Stgbehen.)

6. I n 16 F~tlle~ w a r e n m e i n e B a e i l l e n n a c h z u w e i s e n . Davon in vier Fgtlen racine Baeillen ganz allein, in a c h t F g l l e n mit P n e u m o e o k k e n , in einem Fall mit Pneumo- und Stal)hylo- eokken, in zwei FNlen mit Staphyloeokken, in einem Fall mit Strepto- cokken.

Pneumoeokken fanden sich also insgesamt bei 13 Fifllen.

Betrach¢~en wir dieses Ergebnis~ so re%sen wir zuniichst sagen, dams die allgemein ~usgesprochene Ansicht, der Tr[~nensack ,,wimmle" yon Bakterien ~ller Art, im allgemeine~l n i c h t ~m Pt~tze is t Wir finden gewShnlich nur sehr wenige Arten yon p n t h o g e n e n Keimen (neben vier sterilen waren 13 F~ille nur yon e i n e r einzigen patho- genen Art besiedelt und nnr in 14 Fgllen waren zwei oder [selten] mehrere pathogene Arten nachzuweisen).

In zweiter Linie w~re hervorzuheben; dass die Zahl der Fglle, we Pneumocokken sich fanden~ in meiner Reihe eine ~uffallend kleine ist (13 auf 31 F~tlle). Ist doch gewiss der Glaube his nun ein all- gemeiner gewesen, dass wir den Pnenmococeus als r e g e 1 m b~s s ige n Bewohner des kranken Tr~nensaekes zu betraehten haben.

Wie dam wohl kam? Seit Gaspar in i (1893) den Pneumoeoeeus ats Erreger des Ulcus corneae serpens nachgewiesen and die sorgfgltigen Untersuchungen Uhthoffs und Axenfelds dies als zweifellos sicher er- wiesen haben, hat sich wohl bei jedem Augenarzte, da eine sehr hi~ufige Kombination yon Uteus eorneue serpens mit Tr~nensaekb]ennorrhoe yon der Klinik her jedermann bekannt ist, der Glaube befestigt, dass der Pneumococeus regelm~ssig im krankea Tri~nensack vorkomme. Es tritt hler aber, wie mir scheint, noch ein zweites sehr wichtiges Moment hinzu, n~mlich £olgendes. In 16 F~l len fund ich~ immer in sehr grosser Zahl, racine Bacillen im Tr~nensackeiter~ in weiteren vier Fi~llen nur Pneumocokken. Da ~,iermal das Sekret der (ektatischen) S~cke steril war, so bleiben nur sieben F~lle, we weder Pneumoeokken noch meine St~bchen nachzuweisen waren. Rechnen wir, dams unter diesen sieben F~llen noeh ein oder der andere Fall in bezug auf den Pneumococcus sieh positiv erwiesen h~tte, wean man des 5fteren mit Serumagar kulti- viert h~tte (fOr mich lag das Sehwergewicht in meinem Bacillus), so wird

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Die i~tiologie des Trachoms. 201

man auf den Gedauken geleitet, dass sich die Regelm~ssigkeit des Be- fundes b~uft~ woferu mall beidc (Bacillcn und Pneumocokken) als Einheit auffasst~ Bei Durchsicht der Literatur, ich habe insbesondere beide Ar- beiten U h t h o f f s und Axenfe lds jetzt neuerlich einem genauen Studium unterzogen~ kann ich mich ~iimlich des Gedankens nicht erwchren, class vor mir die BacilIen vielfftch als Pneumocokken, trotzdem sie sich durch die Gramsche F~rbung unterscheiden, angesproshen wurden.

Bei U h t h o f f und Axenfe ld (Graefes Arch. f. 0phthalm. Bd.XLII. 1. S. 64) lesen wir: ,,Fall XXIII. Die bakteriologische Untersuchung, welche im letzten Stadium des Ulcus vorgenommen wurde, ergibt kurz restimiert folgendes auf Blutserum, Agar usw.: Eine grosse Anzahl k l e i n e r , g las iger , punk t fOrmige r Kolonien~ die mikroskopiseh aus Diplocokken, Bac i l l en und langen Ketten meist mit Kapsel bestehen."

Ich will hierzu darauf hiuweissn 1. dass mit dem Serum wohl auch rote BlutkSrperchen hier und da dem Agar beigemischt gewesen sein dtirften. Sodann, dass auf RShrchen kultiviert wurde, we eine Ab- nahme yon be s t immten einzetnen Kolonien sehr schwierig, bei der g le ichm~ss igen Mischung von Pneumocokken- zwischen den Bacitlen- kolonien ganz unmSglich ist.

Im a l l geme inen mSchte ich dana noch hervorheben, dass mit Riick- sicht auf das Ulcus corneae eine Umstiilpung des obern Lides wohl nieht immer vorgenommen worden seiu dtirfte.

Von Wichtigkeit und wert~ dass sis citiert wird, erseheint mir die yon U h t h o f f und Axenfe ld wiedergegebene Mitteilung Gaspa r in i s , der hervorhebt~ er babe den Pneumococeus in letzter Zeit h i iu f iger bei TraehomatOsen und bei c h r o n i s c h e r C o n j u n c t i v i t i s gefunden.

Um sine irrtiimliche Auffassung des ebea Gesagten zu vermeiden, will ich ausdrticklieh hervorheben~ dass ieh nieht meine~ dass die eben crw~ihnte, allenfalls ein oder das andere Mal vorgekommene Verwechslung yon irgend einem Belang auf die ganz pr~tzise Feststellung der Beziehungen zwischen Uleus corneae und Pneumocoecus sei, wie sie you U h t h o f f und Ax en fe ld ermittelt wurde. Ich habe dies alles vielmehr nur darum angeffihrt~ um zu erkl~ren, warum Gaspa.rini uud U h t h o f f und Axen- feld bei ihrer Besch~tftigung mit Tr~nensackblennorrhoen~ such solehen bei Traehomkranken, nieht in einem einzigen Falle meine Baeillen ge- funden haben.

Kehren wir zu den Ergebnissen meiner Tr~nensaekuntersuch- ungen zuriick, so ist als drittes und wichtigstes Moment hervorzu- heben, dass ich in 16 F~illen, also in der H~lfte der F~t]le meine Bacillen nachzuweisen im stande war. Immer i~nd ich sie sehr reich- lich vet.

Unter den 15 F~llen, bei denen meine Bacitlen fehlten~ sind 13 F~lle mit g l a t t e r Conjunctiva. Zwei Patienten mit blasser Con- junctiva batten Trachomnarben. Der eine hatte im Jahre t859 (ira ita]ienischen Krieg), der andere im Jahre 1866 (ira preussischen Krieg) Trachom aequiriert.

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'202 L. Mt~ller.

Unte r den 16 FSl len, bei denen ich meine Baci l le l l fand, ha t t en '~cht Ft~lle schweres Traehonl~ davon drei (!) nnr einseitig auf der Seite der Tr[inensa&blennorrhoe [vot~ diese1~ dreien war bei zweien schon deutlieh Narbenbildung, besouders am orbitalen t~and des oberen Tarsus siehtbar. Zwisehen den Narben war aber die Conjunetiv'~ noch iiberall su]zig infiltriert (Trachoma diffusmn)]. Zwei Patienten batten le ieh tes Trachom.

Ein Kranker~ der nut T r a c h o m n a r b e n in der Conjunetiv~ hatt% gab an, dass er wegen ,Traehom" zum erstenm~de vor drei J a h r e n in grztliehe Behandlung getreten war.

F i inf yon diesen 16 F:~llen sind abe t ohne Traehom der Conjunetiva.

Von diesen fiinf stimmen zwei FNle untereinander zienflieh iiber- ein. Ieh will die Krankengesehiehte des einen in Ktirze wiedergeben.

Als Dr. Neller daran ging, mir Tr~tnens~ekerkrankungen zuzuweisen, entdeckte er bei einem Nnf Jahre alten Kinde eines galizischen Juden, alas sich in der Ambalanz aufhiett, eine Trgnensackblennorrhoe. Ieh untersuehte das Kind und land eine mgssige Verdiekung und I~6tung der Conjunetis'a; aus dem Tranensaek liess sieh reichlieh gelber, rahmiger Eiter dutch die Trgnenpunkte ausdrt~eken. Die Conjunetivalerkrankung Nsste ieh Ms sekund~ren Katarrh a, uf'.

Als ieh vier Tage sp~ter durch Kulturen mieh t~berzeugt hatte, class sieh im Tr~nensaek reiehlieh Pneumoeokken, abet unendlieh zahl- reieher meine Bacillen finden, womit aueh das Deekglaspr~tparat des Eiters abereinstimmte, erz~thlte ieh bestt~rzt (es war einer der ersten Falle, dis ieh untersuehte) dem Dr. l~[eller yon dem Befunde bei dem Kinde, worauf ieh die Auskunft erhielt, dass das Kind vet seehs 3Io- naten wegen typisehen K6rnertraehoms tange Zeit yon Dr. Meller behandel t worden war.

Zwei weitere yon diesen NnfF~tllen sind aus verseuehter Gegend: Ein ~{ann aus GMizien und eine Frau aus Russland, in deren Fa- milies1 zahlreiehe Mitglieder traehomkrank sind.

Der fiinfte Fall ist ein Patient~ der eine Vefletzung des Ober- k ie fe rknoehens erlitten hatte. Der Trgnensaek ist eystiseh er- weitert, die Conjunctiva abet ganz normal; es besteht eine feine Haut- fistel, dutch die sich ~.iel gelben viseiden Eiters ausdriicken lgsst. Der Patient hatte sieh nie in einer Trachomgegend aufgehalten. Eine Erklgrung fiir diesen Fall kann ieh nieht geben.

Dgss aber die Bedetltung unseres Bacillus dutch diesen einen Fall n]cht bertihrt wird, geht gerade aus meinen bisherigen 7 in diesem Absehnitt wiedergegebenen Befunden hervor~ die auf das bestimmteste

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Die J~_tiologie des Trachoms. 203

darauf hinweisen, dass mein Bacillus, ieh kann wohI sagen ausschliess- lich, bei T r a c h o m sich finder, und dass er wohl ebenso regelm~ssig fehlt, wenn ein Trachom nicht nachweisbar ist.

Fassen wir also noch einmal das klinische VerhMten und das Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung zusammen, so finden wir:

1. Unter 31 Fiillen yon Trgnensaekeiterung bestand in zehn FSllen frisches oder in Narbenbitdmlg begriffenes Trachom der Binde- haut. Bei a l len zehn f anden sieh racine Baei l len .

2. Drei hatten Trachomnarben in der Conjunctiva (Traehom ein- real seit drei, einmal vor 36, einmal vor ~3 Jahren); bei einem (dem ersten Fall) fanden sich racine Bacillen, bei den zwei anderen aber nicht.

3. 18 Fiille hatten kein Con junc t i va l t r a chom. Davon land sich bei fiinf Fgllen mein Bacillus, bei 13 F~llen fand er sieh nicht. Von den fiinf in Bezug auf meinen Bacillus positiven Fgllen war a n a m n e s t i s e h in zwei Fg l l en ein vor kurzem tiberstandenes Trachom der Conjunctiva festzustellen, zwei weitere F~lle stammten aus verseuchter Gegend.

Ich will hier mit wenigen Worten anschliessen, was die ana- tomische Untersuchung der yon mir exstirpierten Tr~nens~cke bei Trachomkranken ergab.

Wir finden immer die Oberflgche der Schleimhaut sehr stark uneben. Sic ist nicht nur in FMten gelegt, die hahnenkammartig vorragen, sondern anch polypenartige Bildungen sind der Schleim- haut aui)esetzt. Aber auch deuttich blasse, opake, den Trachom- kgrnern volIstgndig gleichende KSrner kiSnnen wit wahrnehmen. Das Epithel ist, wie wir oft an nieht welt voneinander liegenden Stellen eines Schnittes konstatieren kSnnen, bald verdickt, bald vollstgndig fehiend, bald yon einigen oder zahlreichen Leukocyten durchsetzt, oft so dicht, class die Epithelzellen selbst nur undeutlich sichtbar sind. Die Basalmembran des Epithels fehlt oft in grosset Ausdehnung. Die Schleimhaut ist diffus mit Rundzellen infiltriert, an vielen Stellen aber finden wir deutlich, allerdings racist weniger scharf als in der Bindehaut, begrenzte Follikel. Besonders aueh in den tiefen Schich- ten der Mucosa sind Follikel oft genug sichtbar.

Wit sehen sehr oft die Follikel sich in der Weise nach aussen entteeren, dass die durch das Epithel gerade durchwandernde Schichte als AnteiI des sieh vorschiebenden Follikels erseheint~ oder so, dass

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204 L. Nfiller.

der Follikel fi~ei olme Epithelbekleidung fiber d~s Niveau der umo gebendell Schlefinh~ut mit eineln Teile seines Durchmessers vorragt.

Wollen wir die Frage beantworten, ob durch diesen Befund irgendwie erwiesen ist, dass wir es mit Trachom des TrSnensackes zu tun haben, oder ob gerade im Gegenteil damit der Beweis er-

bracht ist, dass der Befund gegen die traehomatSse Natur des Pro- zesses sprieht~ so m[issen wir zun~iehst zum Vergleiehe die Pathologie des 13indehaut-Traehoms heranzieheu.

Es gentigt wohl zu diesem Zwecke, die Tatsachen anzuftihren, die ~'on Raeh lmann in seinen beiden grundlegenden Arbeite~ angeNhrt wet- dell, da wit bis heute nicht darttber hinausgekommen sind. Naeh Raehl~ mann ist der Follikel Nr das Traehom pathoguomonisch. Mit Rtleksicht anf diese Annahme ist or gezwungen zu sagen: ,,Wit haben keine Be- rechtigung, auf pathologisell-anatomischer Grundlage den Fellikul/irkatarrh yon dem Traehom zu unterseheiden, mt~ssen vielmehr beide Krankheits- formen als generetl einheitlieh zusammenfassen."

Charakteristiseh Nr das Traehom sind naeh Raeh lmann in zweiter Linie die Metamorphosen der Follikel. H~tufig Nhren n5mflieh die Foltikel (namentlieh in der Tiefe) zu Bindegewebssklerose. Noeh h/~ufiger komme es (namenttieh auf der Oberfl/iehe) znm Platzen des Epithels uber den Follikeln und zur E~ttteerung der Follikel in den Conjunetivalsaek.

Erst in der zweiten Arbeit Nhrt Raeh lmann an, dass ,h~tufig der Durehbrueh der foliikul~ren Gesehware naeh aussen dureh direkt ent- zandliehe Erweiehung herbeigeNhr~ wird. In solehen F~lien finden sich die Epithelstrata yon weissen LymphkSrpern fiberflutet, stellenweise so stark, dass die einzelnen Zellen als solebe nicht mehr sichtbar sind. Die Epitheldeeke ist in der Infiltration mit Rundzellen v611ig untergegangen."

,,Die erweiehte ~tnd durch Abstossung verdannte Epitheldeeke ober- halb der Follikel kommt h~ufig zum Durehbrueh und der Inhalt des Follikels, meistens nekrotiseh erweichL tritt naeh aussen vor."

Ieh m6ehte diesen Angaben g a e h l m a n n s hinzaNgen~ dass naeh meiner Erfahrung nut die Bindegewebssklerose einerseits und anderseits der Austritt des Follikels naeh Erweiehung und Abstossung des yon Leukoeyten massenhaft durehsetzten Epithels vorkommt, niemals dagegen das in der ersten Arbeit Raeh lmanns erw~hnte spontane Platzen des Epithels and der ohlte Durehwanderung des Epithels dutch Leukoeyten vorbereitete Anstritt der Follikel. Dieser letztere Vorgang ist naeh meiner t~vfahrung immer ein ktlnstlieher, meehaniseh erzeugter. Wir sehen in geeigneten Fallen die Follikel gleieh Komedonen austreten, wenn wit den Druek atff das vorsiehtig tlmgestalt?te Lid erhShen. Wit sehen dies ebenso i~l Fallen, we mgssiger Druek de~t Austritt nieht hervor- bringt, wenn wit ein gtttek Sehleimhaut mit ,Follikeln" aussehneiden; an den Rgndern des Pr~parates wird dutch den Sehluss der Scherenblatter ein gr/Jsserer Druek ausgettbt und dadureh ,,Follikel" ausgequetscht: Wir sehen aber hie im Pr/tp~rate Hohlr/~ume mit daraberliegendem, dureh- rissenem, yon t~nndzellen f r e i em EpitheI, wenn wir beim Umstatpen

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Die )~tio]ogie des Trachoms. 205

und beim Schneiden mit einem sehr scharfen Messer grosse Vorsicht w~lten lassen.

lm Kapitel VIII seiner ersten Arbeit~ die ,~iber einige anatomische Befunde bei chronischer Blennorrhoe" handelb fiihrt Raehlmann weiter an~ dass ,niemals circumseripte Ansammlungen yon Lymphzellen bei reinen Formen yon BIennorrhoe vorkommen". Ich habe reich aber in F~llen akuter Blennorrho% die ich veto ersten Krankheitstage an beobachtete und strengstens isoliert% ~iberzeugt~ dass wa.hrend des metablennorrhoi- schen Stadiums ktinisch und anatomisch typische Follikel sich naehweisen lassen. Anderseits beschreibt Raehlmann selbst die Durchwauderung des Epithels durch Lymphzellen bei Blennorrhoe in gteicher Weise, wie es bei Traehom vorkommt.

Mit R~lcksicht darauf~ dass wir nicht alle Follikelkatarrhe als tra- chomatSs auffassen diirfeu -- dies widerspricht der klinischen Erfahrung --~ mit Racksicht darauf, class wir nicht bless beim Trachom die Durch- wanderung des EpitheIs durch Rundzellen und die Entstehung you Ge- schwfiren beobaehten, mfissen wir sagen, dass wir auf anatomischer Grund- lage das Trachom yon audern Prozessen der Bindeh~ut nieht trenneu kSnnen. Wir k6nnen rcine und sehr entwicket te Trachom- formen, die wir aueh schon klinisch als solche ]eicht erkennen, auch auf Grundlage des anatomisehen Befundes als sotche bestimmen. Dann ist es aber immer nur die Quant i ta t der vorgefundenen VerSnderungen, hie ein bestimmter, nur dam Trachom eigentt~mlieher Befund, der uns dies erlaubt.

Noch viel schwerer als in der Bindehaut werden wir ein Trachom im Trgnensack aus dem anatomischen Refunde als solches anzusprechen in tier Lage sein. Im Trgnensack. finden sich ,,Follikel" noeh viel hgufiger als in der Bindehaut, bei ~flteren Leuten sogar ohne jede sichtbare Erkrankung. Im Tr~nensack sind ,Follikel", ist die Durch- wanderung des Epithels durch Rundzellen~ die Nekrose und Ab- stossung des Epithels auf weite Strecken~ das Zugrundegehen der Basalmembran, die Bildung yon Geschwtiren und Granulationsge- schwiilsten so regelmgssig in jedem Falle yon chronischer Erkrankung naehzuweisen, wofern der Trgnensack nicht bless durch Ansammlung (meist sterilen) Sekretes einfach ektatisch ist~ dass uns iiberhanpt kein anatomisches Symptom zur Verfggung steht, welches das Trachom yon den andern chronischen Entzfindungen des Trgnensackes unter- scheiden k6nnte. Selbst die Entwicklmlg yon hyperplastischem Narbengeweb% das die Schleimhaut ersetzt~ scheint den meisten chro- nischen Entzfindungen des Trgnensackes zuzukommen.

Immerhiu aberlSsstsich wiederum aussch l i e s s I i ch auf G r u a d - lage der Q u a n t i t g t der vo rge fundenen p a t h o l o g i s c h - a n a - tomischen Vergl~derungen, namentlich der massenhaften Bitduug

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206 L. 5{tilIer.

yon ,,TraehomkSrnern" in einzelnen FSllen yon einem Triinensack-

trachom spreehen. Weber 1) erwiihnt traehomat6se Granulationen in den Tr~tnensiteken

bei einem Kinde yon zehn Jahren, dessen beiderseitige Lidbindehaut gleiehzeitig mit Granulationen massenhaft tiberwuchert war. Kuhn t eitiert C i r i ne ione , der in drei F~illen gleiehzeitig mit TraehomkSrnern in der Bindehaut aueh solehe im Tr~tnensaek fand, und in einem vierten Falle nut Traehomk/irner im Tr~iaensack, so dass er sin prim5res Traehom des TrSnensaekes annimmt. Kuhn t fand Trachom im Tr~tnelLsaek eines Hin- geriehteten. R a e h l m a n n erMSrt insbesondere die D a e r y o e y s t i t i s als eine traehomatiise Erkrankung, und l~tsst yon W e r n e k e den pathologisehen Befund in einer Reihe yon erkrankten TriinensSeken erbringen, aus dem der Sehluss gezogen wird, dass es sieh um Traehom des Triinensaekes handle.

Dass abet gegen die Deutung soleher Befunde viele Einwlinde er- hoben werden k6nnen, geht aus der Arbeit yon t I e r t l hervor, auf die ieh hier -verweise. Ieh selbst habe oben ausgeftihrt, dass wir im patho- logiseh-anatomisehen Befunde gar keinen Anhaltspunkt haben, um einen Prozess im Tr~nensack mig Sieherheit als traehomatSs anzusprecheu, his auf die welfigen Fiilie, we wit dies auf Grund der Q u a n t i t g t der vor- gefundenen Veri~nderungen tun darfen.

Die neueren Autoren sind so weit gegangen, den yon den alteren aufgestellten Grundsatz, dass die Entztindungen yon der Bindehaut auf den Tritnensaek sieh propagieren, wie ieh sehon oben erw~thnte, ganz zu verlassen und - - ich Nhre S e h i r m e r und Kuhl~t an - - als aussehtiess- liehe Ursache der Triiaensaekerkra~lkangeu eine Erkrankung der Nase (mit Verengerung der Ausmtindung des Tr~inensehlauches in die Nase) anzunehmen.

Wollen wir iiber die Pathologic und insbesondere tiber die

2(tiologie der Tr~inensackerkrankungen ins Klare kommen, mtissen

wir in Zukunft zur objektiven Betraehtung der differenten klinisehen Bilder, unter denen die Erkrankungen des Tr~nensaekes auftreten und ablaufmb die b a k g e r i o l o g i s e h e U n t e r s u e h u n g h i n z u f i i g e n .

Aus meinen Bakterienbefunden sei vorerse jener zwei Fiille ge- daeht, we sieh massenhaft Diplobaeillus M o r a x in Reinkultur nach- weisen liess. Weitere Ungersuehungen werden lehren, wie welt wit bereehtigt sind, in diesem Erreger einer Conjunctivitis aueh den Er-

reger eines Trgnensaekkatarrhs zu sehen. Sodann miissen wit der Befunde gedenken~ we Traehombaeillen

im Tr~nensacke naehzuweisen waren. Bereehtigen uns diese Beihnde, in diesen F~llen yon TrSnen-

saektraehom zu spreehen?

~) v. Oraefe ' s Arch. f. Ophthalm. Bd. VIII. S. 105.

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Die J~tio]ogie des Traehoms. 207

Bevor ieh diese Frage beantworte, will ich beilSufig eine klinische Beobaehtung anft~hren. Seitdem ich darauf achte, finde ich bei Binde- haut t rachom den Tr~nens~ck vielfach verdickt, ohne dass beim Durch- spOlen des Saekes mit Fl~ssigkeit der Tr~nennasengang sich verengt er- weist. Durch Druck auf den verdickten Sack l~sst sich in diesen F~llen kein Sekret ausdr~icken. Es bestehen also keine Symptome yon Tr~.nen- saekblennorrhoe. Naeh einigen Monaten kann die Verdickung des Tr~nensackes verschwunden sein. Diesen Befund konnte ich, wie gesagt( seitdem ich darauf achte, hSufig erheben und hatte Gelegenheit, ihn Kollegen wiederholt zu demonstrieren.

Ich glaube, dass wir, ges t t i tz t auf den Nachweis meines Bac i l l u s , die anatomischen VerSnderungen in der Tr~nensaekwand, die an und ftir sich weder fiir noeh gegen Trachom sprechen, als trachomatSs zu deuten berechtigt sind, dass also in den F~llen, wo wir den Bacillus nachweisen, eine wahre Tr~nensackgranulose vor- liegt, die ~uf den Tr~nensaek yon der Bindehaut iibergegriffen hat. Dabei konnte zur Zeit der Untersuehung der Tr~nensackbtennorrhoe das Bindehauttraehom sehon ausgeheilt gewesen oder ausnahmsweise die Bindehaut vom Traehom ganz versehont geblieben sein.

Ob tier Tr~nennasengang vorher sehon dutch eine Erkrankung der Nase verengt und Sitz eines Katarrhs war, ist bier nebens?ieh- lieh und Nr einzelne ]~i~lle gewiss zutreffend. Keineswegs aber ist diese Verengerung Bedingung ffir die Erkrankung, wie aus den er- wiihnten klinisehen Beobaehtungen hervorgeht. Man darf doeh nieht die Striktnr am Ende eines Sehleimhautsehlauehes Ms P o s t u l a t f/Jr die MSgliehkeit einer Erkrankung dieses Sehlauehes dutch spezifisehe Bakterien aufstellen. Das widersprieht allen unseren Erfahrungen fiber infektiSse Erkrankung yon Sehleimhguten.

Das Zustandekommen der traehomatSsen Erkrankung des Tr~nen- saekes, die ffir die ~tlteren Beobaehter feststand, wird mit Riieksieht darauf, class die Keime, die im Conjunetivalsack sieh vorfinden, yon dort in den Tr'~nensaek gelangen miissen, aueh wirklieh nieht sehwer zu begreifen sein. Es ist erst dadureh sehwer zu begreiien geworden, dass man derzeit eine Verengerung des Ausfiihrungsganges in die Nase als ganz allgemeine Vorbedingung fiir das Zustandekommen einer Tri~nensaekerkrankung aufstellt.

Wenn ich den Ursaehen naehgehe, die zu dieser falsehen Annahme fahrten, so gelange ieh zu dem yon Sehirmer aufgestellten Hinweis, class die sehwerste niter Bindehautentztindungen, die Gonoblennorrhoe, so selten za Tr~nensaekerkrankungen fahrt. Dies letztere ist aber nieht auffallend, da wit doch wissen, dass nur bestimmte Sehleimh~tute dutch Gonoeokken infiziert werden. Die Sehleimhaut des Tr~nensaekes geh6rt

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eben nieht dazu. Die Ursaehe daftir kann ebensogut in der Besehaffen- heir des Epithels als in der Reaktion der SehleimhautoberflSehe oder in etwas anderem gelegen seiu. W~tre abet die Sehleimhaut des Tr~tnen- saekes far dieses Virus empNnglieh, dalm milsste bei Bindehautblennorrhoe der Tri~nensaek regehn~tssig mit erkranken, ob jetzt der Tranensehlaueb naeh der Nase often oder zu ist.

Wie 15sst sich aber die Behauptung verteidigen~ dass das Traehom im Trguensaek sieh vot~ der Nase dahin verpflanzt~ daes doeh eiu wahres Traehom in der Nase nieht gibt? Wet aber, wie Kuhnt , eine Infektion des Tr~tnensaekes mit T raehom ~on der Nase her annimmt, d. h. also die Tatsaehe zugibt, d~ss der Tri~nensaek t r a e h o m a t f s e r k r a n k e n kann, der muss sofort aueh der Behauptung zustimmen, dass viel 0fret der Trgnensaek sein Traehom yon der Bindehaut bezicht, da das Sekre~ yon oben hinunter fliesst und nieht umgekehrt, da zweitens das Traehom der Bindehaut vie] hltufiger ist, als eine ihm entspreehende Krankheit in der Nase. Ieh babe dies alles angefahrt, weil K u h n t in seiner Arbeit abet Grauulose, deren Kritik hier 7u welt ftihren w~rde, eine Statistik yon a l l e r l e i Nasenerkrankungen bei Traehomkranken anNhrt; der Nasen- erkrankungen grosse Zahl gentigt ihm anzunehmen~ dass der Weg yon unten hinauf der Weg der Infektion ist. Wie ware eiue Statistik der Nasenerkrankung bei nieht an Traehom Leidenden derselben BevStkerungs- sehieht ausgefallen? Dies ware zu mindest naehzutragen.

I g komme im folgenden Absehnitte noch einmal auf das Tr'gnen- saektraehom zu spreehen, muss abet hier die wiehtigste F o ] g e r u n g aus den yon mir ~'orgenommenen, in diesem Absehnitte niedergelegten Unters~ehungen, mggen sie auch den Anfang und durchaus nieht den Absehluss einer gegnderten Auffassung yon den Tr~nensaek- erkrankungen bilden~ zur Sprache bringen. Sie bezieht sieh auf die P r o p h y l a x e gegen die Trachomverbreitung nnd die Massnahmen, die in verseuchten Gegenden gegen diese ~erderbliche Krankhei t vor-

zunehmen sind, und besteht darin~ dass in Z u k u n f t als e r s t e s P o s t u l a t zu g e l t e n b a b e , dass bei T r a e h o m k r a n k e n u n d in ~ , e r s eu ch t e r G e g e n d unbed i ,~g t j e d e r k r a n k e T r 5 . n e n s a e k in

to~o zu e x s t i r p i e r e n ist.

Y. A b s c h n i t t .

I. Die Fot4schritte, die die Erfors&ung der .~tiologie der Binde- hauterkrankungen in den letzten Jahren gemacht hat, haben uns die Erkenntnis gebraeht~ dass vielen unserer auf kliniseh-anatomiseher Basis aufgebauten Krankheitsbilder nicht eine einzige Krankheits- ursaehe entsprieht~ sondern class (soweit es sich um Infektion han~ delt) versehiedene Keime, z. B. eine Conjunctivitis membranaeea, eine

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Die ~i.tiologie des Trachoms. 209

akute Blennorrhoe (Schanz) hervorrufen kSnnen. Dies maeht es nns, nebenbei erw~hnt, zur Pflieht, solche Erreger, denen eine be- sondere Wiehtigkeit zukommt, in der Bezeichnnng der Krankheit hervorzuheben und z. B. yon akuter Gonocokkenblemlorrhoe zu spreehen, wenn Gonoeokken die Erreger sind.

Anf tier anderen Seite hubert wit dutch das Studium der Xfio- logic der Bindehauterkrankungen gelernt, dass durch einen bestimm- ten K r a n k h e i t s e r r e g e r ve r s ch i edene (kliniseh und anatomiseh genommen) F o r m e n yon Bindehauterkrankungen hervorgerufen wet- den k5nnen. Ieh fiihre als Beispiel den Diphtheriebacillus an. Der kann eine katarrhalisch% eine krupSse, eine diphtheritisehe Con- junetivitis hervorrufen. Diese Conjunetivitiden kSnnen wit alle als Diphtheric der Bindehaut zusammenfassen.

Beziiglich des T r a e h o m s Iiegen die VerhNtnisse vorlgufig noeh ganz anders. Da das Trachom ohne Zweifel zu dan epidemisehen Xrankheiten geh5rt, etwa wie die Influenza oder die Pest, also dutch ein einziges Gift hervorgerufen wird~ so mtissten wir unter Traehom alles das, abet eben nur das verstehen, was dureh das Trachom- gift erzeugt wird. Bisher fasste man als Trachom (Graunlose, chro- nisehe Blennorrhoe usw.) nut das auf, was sieh k l in i seh (and ana- tomiseh) in eharakteristischer Weise gegeniiber andem Conjunetivitiden iinsserte. Etwa so, wie man einst einerseits viele tuberkut5se Pro- zesse yon dem KrankheitsNide der Tuberkulose aussehloss und an- derseits niehttuberkulSse Prozesse ihr zuz~hlte.

Naeh dem, was ieh in den friiheren Absehnitten dieser Arbeit fiber Traehom sagte, und naeh dem, was ieh sehon in einer frtiheren Arbeit fiber Pseudotrachom erw:~hnte, miissen wit eine A nderung des I n h a l t s des Begriffes Trachom (und der Synonyma) anstreben.

Ieh maehe folgenden Vorsehlag: 1. Alle ftir die in Rede stehende Krankheit gebr~iuehli&en

Namen sollen aufgegeben werden his auf die zwei derzeit gebr~iueh- lichsten: Traehom und Granulose.

2. Die beiden Namen sollen nieht gleiehsinnig, sondern in dem VerhNtnis zueinander gebraueht werden, wie Diphtheric und Diph- theritis. Das heisst, Granulose sei der Ausdruek far die dutch KSmerbildung usw. wohl el~arakterisierte Krankheit~ Trachom aber fiir die Gesamtheit der durch ein bestimmtes Virus (hS&stwahrsehein- lieh dutch den yon mir gefundenen Bacillus) erzeugten Prozesse in der Bindehaut. Es kann demnach mit R[ieksieht auf das in den fHiheren Abschnitten Gesagte einen traehomatgsen Katarrh zum Unter-

v. Graefe's Archiv fiir Ophthalmologie. LVII . 1. 14

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210 L. Miiller.

sehiede yon andern Katarrhen, einen trachomatSsen Follikelkatarrh im Gegensatz zu Follikelkatarrhen, die dur& andere tebende Gifte oder ehemisehe Agentien erzeugt werden; und endlieh eine traehoma- t5se Granulose im Gegensatze zu den seltenen Fgllen yon im Lanfe yon Woehen ohne jede Behandlung zurtiekgehenden, keine Folgen zuriicklassenden KSrnerkrankheiten der Conjunetiva (Pseudogranulose). Dutch Einfiihmng des :Begriffes Pseudogranulose ersparen wir nns, zu ,,Granulose" traehomatSs dazusetzen zu miissen und haben also unter Granulose nur die traehomatbse Form dieser Krankheit zn ver- stehen~ geben also mit dem Worte Granulose gleichzeitig die Xtio- logie der Krankheit an. Mit Traehom ist dann also (wie etwa mit Tuberkulose) nur die J~tiologie, aber nieht die klinische (und ana- tomisehe) Form der Krankheit bezei&net.

If:. Wir miissen uns vor Augen fiihren, dass es zum Zustande- kommen einer Jnfektion der Bindehaut mit Traehom, wie dies fiir die meisten, vielleieht fiir alle Infektionskrankheiten gilt, nieht gentigt, wenn das Tra&omgift in den Bindehautsa& gelangt. Es zwingen uns klinisehe Erfahrungen~ anzunehmen, class dazu neben dem Tra- ehomgift noeh andere ,,disponierende" Ursachen nStig sind. Ieh will nun versuehen, einige unserer klinisehen Erfa.hrungen, die auf solehe disponierende Ursaehen hinweisen, aus den biologisehen Verhiiltnissen des bei Traehom geNndenen Bacillus zu erkt~ren.

Es ist bekannt, class das Tra&om vielfaeh eine Krm~kheit jener armen Leute ist, die unreinlieh sind und in sehleehten hygienisehen VerhNtnissen leben. Der Traehombaeillus ist auf die Symbiose mit andern P, akterien angewiesen, wenn er zu kr~ftigem Waehstum gc- langen soll. Solehe unreinliehe Leute dtirften nun viel regelm~ssiger als reinliehe, in giinstigen hygienisehen Verh.~'ltnissert lebende Per- sonen, die flit eine Symbiose notwendigen Keime im Bindehautsaek enthalten. Ausserdem w~ire no& zu beaehten, dass bei jenen un- reinliehen Leuten, die in sehleeht ventilierten RSumen wohnen und sehlafen, die Bindehaut intblge ehroniseher, mit Sehleimsekretion ein- hergehender Erkrankung eine stark alkalisehe Raaktion aufweist, wiihrend eine blasse, keimfi'eie, nieht seeernierende Bindehaut fast neutral res.giert.

Ieh babe oben erwiihnt, dass ieh mehrfach ein einseitiges sehweres Traehom bei einseitiger TrSnensaekblennorrhoe sah, w~hrend das andere Auge yore Traehom verschont blieb. Hier weist die klinisehe

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Die ~tiologie des Trachoms. 211

Beobachtung auf die Trgnensad~erkrankung als das priidisponierende Moment hin. Es ist gut verst~indlieh, dass der aus dem kranken secernierenden Tr~nensack in den Bindehaut.saek ausgedrtickte InhMt bier wie an Ort und Stelle erzeugtes Sekret disponierend wirkt. Einzelne dieser Fiille sind abet gewiss so zu erkl~ren, dass die Tra- chomkeime viel hgufiger aus dem t r achomatSs e r k r a n k t e n Tr[tnen- sack in den Bindehautsaek gelangen, als dies sonst (bet normalem Trgnensack) je vorkommen dtirfte und so endlich eimnal zur Infektion der Bindehaut ftihren.

l I I . Nehmen wit an~ dass der yon mir gefundeue Bacillus der Erreger des Traehoms ist, so haben wit die Frage zu beantworten, in welcher Weise durch ihn der pathologische Prozess in der Schteim- haut des Antes bewirkt wird. Aus wetter unten wiedergegebenen Versuchen geht hervor, dass der Bacillus dutch l~ingere Behandlung mit Alkohol seine Fgrbbarkeit verhert. Es mtissen daher vorerst Sehnitte mit Umgehung des Alkohols gefgrbt werden, ehe wit strikte dis Frage beantworten kSnnen, ob der Bacillus in das Gewebe ein- dringt oder nieht.

Abet aueh ohne diese anatomischen Untersuehungea glaube ich klinische Momente zun~chst anfiihren zu kSnnen, die dafiir spreehen~ dass der Bacillus ausschliesslieh auf der Oberflgche wuehert und den Stoff liefert~ der auf die Schleimh~aut giNg wirkt.

~Vir hgtten uns also vorzustellen, d~ss sich die Bacillen im Sehleim vermehren, und, lebend oder dureh ihr Absterben, ein Gift erzeugen, das zur Entstehung yon ,,Follikeln" in der Sehleimhaut und daneben auch zu diffuser Entztindung der Schleimhaut ftihrt. Die KSrner wg.ren dann, woftir aueh die Anatomic spricht, keine spe- zifisehen Gebilde, sondern die in der Bindehaut Yorgebitdeten, durch die Giftwirkung erkrankten Follikel. Alterdings miissea wit nicht nut eine mit VergrSsserung einhergehende Erkrankung der vorhandenen, sondern aueh eine Neoplasie yon Follikeln annehmen, da so zahl- reiche Follikelanlagen, wie wit KSrner bet manehem Trachom finden, nieht existieren.

Far diese eben angeftihrte Art der Entstehung sprieht zun~chst die Verteilung der ,,Follikel". Wit finden sic deft, we die Sehleim- haut dauernd mit einer dtinnen Schleimschi&t tiberzogen ist. Wir finden sic aber sehr selten in der Conjunetiva bulbi. Die obere Ubergangsfalte, we die Faltenbildung einerseits und die Sehleim- absonderung anderseits so reiehlich ist (es wird doeh auch der grosse .R, ei chtum dieser Teil.e an Bee herzellen gerade bet Trachom besonders

14"

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212 L. Niiller.

hervorgehoben), ist auch der Ore, we das Trachom mit besonderer Intensitgt auftritt.

Wir wissen, dass die Abreibungen mit Sublimaflmusehen vM besser Ms Tusehierm~gen mit LapislSsung den ~rachomatSsen Prozess gtinstig beeinflussen. Wie ieh reich dureh zahlreiehe exakte Versuche {iberzeugen konnt% wirken aber Wasserbausehen gerade so gfinstig- Dies k5nnen wir uns dureh ausgiebige Enffernung des Schleimes you der Oberflgche~ aus den Furehen~ aus den B e c h e r z e l l e n erklgren. Damit w~ire wohl aueh erklgrt, dass der ebenfnlls meehaniseh wirkende Blaustein besser wirkt als selbst st, arke, in den Conjunctivalsaek dn- getragene Kupfervitriolsalben und als die LapislSsung.

V¢ir wissen mit Bestimmtheit, dass die Ansschneidm~g der oberen {/}bergangsfalte - - wie yon alien, die sic 5fters ausgefiihrt~ best:&igt wird - - in bisher rgtselhafter Mreise eine Besserung des trachomatSsen Prozesses aueh in den iibrigen Teilell der Bindehaue herbeiftihrt. Es werden eben damit die vielen Falten und die vieletl Be&m~ellen entfernt und tiberhaupt der Ort, yon we aus das Gift die Bindehaut des oberen Lides ur~d aueh des unteren Lides tibers&wemmt, ganz ausgesehaltet.

Welter erklgrt si& die Liihmung des g l a t t en Levators, die zu den Frtihsymptomen des Traehoms gehSrt, pathologisch dureh Gift- wirkung. Der Prozess, der sonst aueh immer erst sp~it in die Tide greift mad lange die @renze der Sehleimhaut nieht iibersehreitet~ sollte yon Anfang an, we er noeh ganz rezent ist, dur& Entziindung den Levator lghmen? Das ist won schwer zu verstehen.

Wir kSnnen welters, wenn wir a n n e h m e n , dass dieses Gif t im L i e h t e sieh zerse tz t und seine Wirkung verliert, den b i sher ebenfa l l s ¥o l l s tgnd ig nnvers t~ .nd l ichen und r~ttselhaften Vet- gang der seharf begrenzten Pannusbildung erkl~tren. Zun~tehst weist die scharfe Abgrenzung des auf die obere Hglfte tier Homhaut sich besehriinkenden Pannus, der seharflinig in einem flaehen Bogen dort aufhSrt, we die Grenze des die Hornhaut deekenden obere~) Lides liegt, direkt auf ein sol&es gegen Lieht sehr empfindliehes Gift bin. ~Vir kSnnen uus den Vorgang so vorstellen: Auf der Conjunetiw des oberen Tarsus liegt eine dtinne Sehleimsehieht. Diese bewirkt due Arodienmg des EpNlels, feinste epitheliMe Gesehwiirehmb wie sie als erstes Stadium des Pannus besehrieben worden sind. Der Pannus ist ein zur Heilung dieser Gesehwiirehen zu stande kommen- der Vorgang, wie ja aueh sonst eine Gef~issbildung entsteht, we eine Reparation yon Gesehwfirehen und Substanzverlusten in der Hem-

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Die :~tiologie des Trachoms. 213

haut vor sich geht. Ist die Giftwirkung eine lebhafte, so kommt es ausser zu einem solehen dtinnen Gef~sspannus mit Gesehwtirchen auch noeh zur Bildung eines entz~indliehen Gewebes dureh massen- hafte Auswanderung yon Lymphoeyten. Kommt es doeh ~ueh in der Bindehaut der Lider (beim sogenannten Trachoma papillare) zur Auswanderung yon zahlreiehen Lymphoeyten, zu diffuser Entztindung. Wir kSnnen nur .unter der Voraussetzung, dass der Prozess dort vor sich geht, wo das Gift einwirkt~ und dass im Liehte eine solehe Wir- kung wegen ZerstSrung des Giftes unmSglieh ist, den ganz eigen- artigen, absonderliehen Vorgang der abgegrenzten Pannusbildung uns erkl~iren uud auf keine andere Weise.

Aueh noeh s,ndere Eigentiimliehkeiten der trachomatiisen Horn- hauterkrankung lassen sich unter der angefiihrten Annahme nnserem Verst~ndnisse ngher bringen, doeh will ieh hier nieht weiter darauf eingehen.

Folgende Krai1kengeschichte soll zur Besti~tigung meiner Ansieht hier angeftihrt werden.

Ein Klostergeistlieher aas Alexandrien stand in Wien wegei1 eines sehweren Traehoms in meiner Behandlung. Als er ankam, war seine Hornhaut beiderseits vollst~.ndig normal. Einige Zeit naeh seiner An- kunft behandelte ieh das reehte Auge mit der Knappsehen Pineette. Patient bekam Sablimat zu Umsehlagen far das operierte Ai1ge. Naeh zwei Tagen stellte er sich wieder "¢or. Da fai1d ieh nun die Hornhaut des niehtoperierten Auges, die his nun ebenso normal geblieben war, wie sie es bei seiner Ankunft war, dicht mit feinsteI1, grauen, oberfl~ehlichen, punktf6rmigen Trttbungen besetzt. Jedem Punkt ei1tspraeh eine Uneben- heit der 0berflaehe, die Itornhaut sah also gestiehelt aus. Die Aus- dehnung dieser Stiehelung und Trtibung war nun hSehst merkwardig. Es war nur eii1 kleines horizontales 0vM davon versehont und vollstandig normal~ dessert Nitte etwa 2 his 3 mm unter dem Homhautpol lag. Man war fSrmlich gezwungen, anzunehmen, dass nur jene Stelle, wo das obere Lid der Hornhaut unmittelbar anlag, frei blieb~ w~hrend dort, wo sieh w~hrend der 48 Stunden, w~threncl derer der Patient die Augen kon- tinuierlieh geschlossen gehalten hatte, eii1 Flt~ssigkeitsmeniskus zwisehen oberem Lid and Hornhaut eii1gesehoben hatte, die Trt~bung auftrat. Ieh behandelte das Auge dureh einige Tage mit Sublimatabreibungen, worauf die Trt~bung vollst~ndig versehwand. In gleieher Weise ui1d Ausdehnung trat sp~ter noch einmal, als die Behandlung einige Zeit ausgesetzt wurde, die Tr~ibung auf beiden Hornh~uten auf. Wieder ging die Trt~bung spurlos naeh einigen Tagen unter Behandlung mit Sublimatabreibnngen zurtick. Patient wurde naeh dreimonatlicher Behandtui1g, seheinbar voll- st~i1dig geheilt, in seine Iteimat entlassen. Das Jahr darauf kam Patient wieder zart'mk und hatte nun ausser R/)tung und Sehwellung I1nd be- deutender papill~rer Hypertrophic der Bindehaut der Lider und der

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{Jborgangsfalten, boidersoits cinch typisehon, auf die obere H/~lffe der tlornhaut beschr~tnkten gef~ssreiehen Pannus.

IV. Das Trachom des Tr?tnensaekes lttsst sich i~l weniger als der tt~lfte der Fiille yon Bindehauttrachom nachweisen. Daraus l:&st sieh der Schluss ziehen, dass die Sehleimhaut des Td~nensackes noeh sohwerer dutch Traehomkeime zu infizieren ist, als die Binde- haut. Dies kann erstens dadureh bedingt sein~ dass disponierende Moment% die zum Zustandekommen einer Infektio~l nStig sind und die wir nieht kennen (etwa VeHetzungen oder sttirkere alkalisehe Reaktion tier Schleimhaut oder katarrh~lisehe Erkrankung usw. usw.), auf der Bindehaut 5fret gegeben sind als im Trgnensacke. Dies kann zweitens dadureh bedingt sein~ dass die Sehleimhaut des TrSnen- s~ckes vermbge ihrer natiirliehen Besehaffenheit gegen das Hafte,~ des Trachomvirus widerstandsfithiger ist, Ms die Bindehaut.

Mir erscheint erstere Annahme unwahrscheinlich, denn j edes Traehom der Bindehaut bedingt eine {}bersehwemmung des Tri~- nensackes mit Keimen und mit schleimigem oder eiterigem Sekret. Mir ersdmint vielmehr die zweite Annahme wahrseheinlich. Es lttsst sieh als Analogoll und als Beweis fiir eine noeh gr5ssere Differenz der Sehleimhaut des Trih~ensackes einerseits and der Conjunctiva anderseits gegeniiber ein und demselben Gifte das Verhalten tier beiden S&Ieimhgute gegeniiber dem Gonococcus anfiihren. Gegen den Gonococcus ist die Bindehaut des Auges in hohem Grade em- pf:~tnglidt und empfindlidb die Schleimhaut des TrSnensackes abet nahezu refraktttr.

Es dr:~tngt sieh demnaeh yon selbst die Annahme auf: Die Jgindehaut wird unter gewissen uns nieht niiher bekannten Um- st~inden dutch die Trachomkeime infiziert, die Sehleimhaut des Tr~t- nensackes wird unter gthnliehen oder unter Hinzutreten yon andern uns ebenfiflls nieht bekannten UmstSnden, jedenfalls abet viel sehwerer (grSssere Virulenz der Keime usw. usw.) infiziert.

Dutch diese mit der Lehre yon den Infektionskrankheiten voll- s~itndig harmonierende Annahme werden wit davo~l abgehalten, eine Fortpflanzung des Traehoms auf die Sehleimhaut des Trgnensaekes yon der Nase, we es sin Traehom nieht gibt, anzunehmen.

In welehem gerhgltnis das Trachom des Triinensaekes nnd andere (yon tier Bindehaut oder yon der Nase fortgeleitete) Er- krankungen des Trgnensackes zu einander stehen, dariiber wird sieh erst in Zukunft etwas aussagen lassen. Hat man dod~ in glterer, noeh mehr in neuerer Zeit nur in den allerausgesproehensten FSllen

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Die Atiologie des Trachoms. 215

yon einem Trachom des Tr~inensackes gesprochen. So viol geht aber aus meinen oben angefiihrten ktinischen Beobachtungen hervo% dass l e i ch t e T r a c h o m e des T r 5 n e n s a c k e s , die sich weder mi t S e k r e t s t a u u n g noch mi t V e r e n g e r u n g des T r ~ n e n n a s e n - ganges kompl iz ie ren~ ja fas t gar ke ine S e k r e t i o n bedingen~ die im Laufe m e h r e r e r M o n a t e spur los v e r s c h w i n d e n , vor- kommen.

Da aber auch andere Infektionen, sowohl akute als auch chro- nische, sowoht yon der Bindehaut (ich konnte es yon der Morax - Axenfe ldschen Conjunctivitis erweisen) als auch yon der Nase anf den Tr~inensack iibergreifen, werden wir auch ]eicht das Hinzutreten des Trachoms zu solchen andersartigen Entziindungen der Tr~neu- sackschleimhaut verstehen und in Zukunft auf diese kombitfierten Erkrankungsformen zu achten haben. H~ngt doch davon auch die Art der Behandlung wesentlich ab.

Aus andern klinischen Beobachtungen aber, die ich oben ange- f~ihrt habe, kSnnen wir entnehmen, dass das gew5hnliche, allgemeiu bekannte Bild einer Tr~nensackbtennorrhoe mit odor ohne Verschtuss des Tr~tnennasenganges ganz a l l e in d u r c h das T r a c h o m , das yon einer an Trachom erkrm~kten Bindehaut dahin iibergegriffen hatte, hervorgerufen werden kann. Wir brauchen also zur Annahme einer vorausgehenden Erkrankung des Triinensackes, die -con der Nase stammt, die selbst,cerstgndlich anderer als trachomatSser Natur sein miisste, durchans nicht rekurrieren, wenn wir das Zustandekommen eines Trgnensacktrachoms verstehen wollen. Die supraponierten Fglle diirften sich im Gegenteil als settenero Ausnahmen herausste]len, sonst kSnnte man nicht verstehen, warum gerade die an Conjunctival- trachom Leidenden eine so grosse Zahl yon Tr~nensackleiden auf- weisen. S t e l l w a g hat diese klinische Erfahrung nachdrficklich her- vorgehoben: ,Von den Prozessen, die zur Trgnensackblennorrhoe filhren, ist das B i n d e h a u t t r a c h o m bcsondc r s berf icht ig t ."

Anhang.

Ich babe wiederholt TrS~ensScke exstirpiert, die Sekret getiefert hatten, in dem sich reichlich Trachombacilleu sowohl kulturell als auch im Nativpr~parat nachweisen liessen. Diese TrSnensScke wur- den in Miil ter-Formol oder in FormollSsung allein fixiert~ in Alkohol geh~rtet, in Paraffin eingebettet und mikroskopisch auf Bakterien nntersucht. In allen FSllen zeigte es' sich, dass zwischeu den Schteim- hautfalten mid zum Tell fi'ei im Sack Reste des Sekretes; also eben

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desselben Sekretes, in dem ich, oft unmittelbar vor der Operation, die Trachombacitlen sicher nachgewiesen hatte, zuriiekgeblieben und im Schnittpr~iparate unter dem Mikroskop sichtbar waren. T ro t zdem gelang es mir nach ke ine r der b e k a n n t e n F~irbungsmetho- den, die Bac i l l en da r in nachzuweisen . Ebensowenig w~ren Bacillen in der Triinensaekwand zu sehen.

Ieh habe sodann, wie ich sahon oben erwiihnte, in mehreren FSllen volt Triinensaekerkrankung, in denen ieh die Trachombacillen im Sekrete nachgewiesen, mehrere Stunden nach der letzten Sekret- entleerung, wShrend weleher sich tier TrSnensack wieder ordentlieh mit Sekre~ gefiillt hatte, die Exstirpation des Saekes so ausgefiihrt, dass ieh die freil~rSparierten Tr:anenrShr&en und den untern Teil des Saekes zungehst unterband. Erst danaeh wurde de rmi t Sekret gefiitlte Sack ausgesdmitten. Aueh jetzt wmvn die Baeil|en im In- halt nieht naehzuweisen.

Ieh habe dann~ dem Rate Prog W e i e h s e l b a u m s tblgend, die Fixierung des attsgesehnittenen Saekes sofort mit absolutem Alkohol vorgenommen. Aueh in diesen FSllen konnte ieh die Baeillen nieht mehr f:&ben. Herr ProE Ghon, der ebenMls die Fiirhung der Bacillen varsuehte, konnte in einem einzigen Prgparate eine 5usserst zarte F:,h-hung der Baeillen, so dass man ihre Gegenwart gerade eben noeh erraten konnte, erzielen.

Aus M1 diesen Versuehen ging mit Bestimmtheit hervor~ dass die T r a c h o m b a e i l l a n du t ch die A lkoho lh i i r t ung oder dureh die E i n b e t t u n g ihre FSrbb.'~rkeit verl ieren. Es blieb eine offene Frage, ob Bacillen in der TrSnensackwand enthalten sind oder nicht. Ebenso konnte man sagen, dass es unbestimmt ist~ ob in janen Conjunctivalsttickehen, die ieh in Oraz exzidierta und mikrosko- piseh untersuehte (bet jenen Traehomkranken, in deren Conjunctival- sekret ieh besonders reichlieh Bacillen naehgewiesen hatte), Baeillen enthalten sind oder nieht.

Diese Frage wird sieh erst dutch die Untersuchung mit Hilfe des GeMermikrotoms entscheiden tassen.

Spiiter habe ieh noeh folgende Versuehe angestellt: Ich habe auf mehrere Ohjekttrggerje eine t)se Sekret, das Trachom-

baeillen sehr rdehlich enthielt (win jedesmal dureh KontrollprSparate erwiesen wnrde), gebraeht und sofort auf dan Sekrettropfhn Alkohol oder Sublimatessigsiiure oder FormollSsung gegossen. Ieh liess die Objekttritger 24 Stunden unter ether Glasgloeke stehen. WN~rend dieser Zeit verdunstete die Fliissigkdt und das Sekret war auf dem

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Die Atiologie des Trachoms. 217

Objekttr~ger ~mgetrocknet. Ich f~nd in ~llen Pr~tparaten sehr reich- lich die Baeillen, nur in den Alkoholpr~paraten waren die Verhglt- nisse andere. Hier konnte ich immer nur einzelne wenige, gut ge- fgrbte Stiibehen (vielleieht die,, die unmittelbar mit dem C-las yore Anfange an in Beriihrung kgmen?) sehen, wg.hrend die grosse Mehr- zahl wohl siehtbar, aber im ganzen nnr sehr blass gefgrbt war.

Sodann habe ieh fo]genden Versuch gemaeht. Ich goss in mehrere kleine Gel~tiner5hrchen, wie sie die Apotheker frt~her zur Dispensierung yon Pulvern benutzten, absoluten Atkohol und brachte dann je einen Tropfen yon bacillenhaltigem Sekret hinein. Darinnen blieb es zwei bis drei Tage. Sodann brachte ieh dgs Sekret, soweit es zu einem Kltimpehen zus~mmengeb~llt geblieben war, ~uf einen Objekttr~ger, verrieb es darauf and goss eine diinne Schicht Celloidin dariiber. Es gelang mir nieht die B~eillen naehzuweisen.

Endlieh habe ieh Deekglg~schen mit Sekret gleichm~ssig be- striehen, an der Luft getroeknet und dann liingere Zeit (bis zu acht T~gen) in Alkohol liegen gelassen. Die B~eillen waren gut fiirbbar, ihre Zahl gegen die der Kontrollpr~parate nieht vermindert.

Auch h~be ieh Deckgl~sehen mit Sekret dtinn bestrichen und sofort in Alkohol gelegt und darinnen mehrere Tage liegen gelassen. Aueh bier ws,ren Bacillen in reiehlieher Menge, wenn auch meist in geringerer Zahl a,is in den Kontrollpr~par~ten, n~ehzuweisen.

Mein Lehrer~ Herr Prof. Weichse lbaum, nahm regen Anteil an meinen Arbeiten. Er untersttitzte reich in jeder Richtung in der freundlichsten, aufopferndsten Weise. Es sei ibm auch an dieser Stelle der beste Dank gesagt. Desgleichen d~nke ich bestens meinem lieben Freunde, Prof. Ghon, dem ersten Assistenten des Instituts, fiir seine freundliche Itilfe.

Wien, im Juli 1903.

Erkl~irung der P h o t o g r a m m e auf Tar. VI--V]II~ Fig. 1--9.

Fig. 1. Deckgl~schenpr~parat yore Sekrete eines Trachomkranken aus Graz. (Zeiss, 400lathe Vergr~sserung.) Trachombacillen.

Fig. 2. Dasselbe Pr~parat. 1000fache VergrSsserung. Viele Bacillen sehen wie Diplocokken aus.

Fig. 3. Deckgl~schenprf~parat yore Sekrete eines trachomkraaken Kindes aus _~gypten. Rechts unten eine Gruppe yon Tr~chomb~cillen. 0ber der Mitre ein Koch-Weekssches Sti4bchen. (1000fache VergrSsserung.)

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Fig. 4. Yon einem andern Falle aus J~gypten ein Deckgl~ischenpr~parat vom Sekrete. Koch-Weekssche St~bchen in grosser Meng'e (ein typisches bei a). Links eine Gruppe yon Trachombacillen (ein einzelner bei b). Rechts unten (bei c) eine Gruppe yon Gram-positiven Diplocokken. ~lO00facheVer- grSsserung.)

Fig. 5. ,,Absolute" Reinkuitur des Trachombacillus auf Blutagar in Petrischer Schale.

Fig. 6. l%iesenwachstum des Trachombacillus (oben) neben fremden Kolonien (in der Mitre und unten) (,~0fache Vergr0sserung).

Fig, 7. Deckgl~schenpr~iparat yon der in Fig. 5 abgebildeten Reinkultur d000- fache Vergr0sserung).

Fig. 8 lind .~. Deckgl~schenpr~tparat yon Reiakulturen des Koch-Weeksschen Bacillus auf Blntagar (erste Generation). In Fig. 8 sieht man ein grSsseres Konvolut sich durchschlingender F~den, in Fig. 9 sich fiberkreuzende Stab- chen und F~den. (1000fache Vergr0sserung.)

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