8

Click here to load reader

Die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf die Leistungserbringung im Gesundheitswesen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf die Leistungserbringung im Gesundheitswesen

562 MedR 2003, Heft 10 Koenig/Engelmann/Hentschel, Die Anwendbarkeit des Vergaberechts

Hier ist zweifellos der wirtschaftliche Vergleich zwischenPsychologen und Nichtpsychologen angesprochen. Die in-tensive Diskussion um die Voraussetzungen des Bestands-schutzes bei der bedarfsunabhängigen Zulassung von Psy-chologen89 belegt, daß diese Personengruppe augenschein-lich in der Mehrzahl nicht vollzeitig im Delegations- oderKostenerstattungsverfahren tätig war und somit die Vergü-tungen gesetzlicher Krankenkassen auch in der Regel nichtden überwiegendsten Teil des Einkommens ausmachten90.Dem stehen andererseits jedenfalls Einzelfälle von Nicht-psychologen wie dem Verfassungsbeschwerdeführer ge-genüber, bei dem die Einnahmen durch gesetzliche Kran-kenkassen in den letzten Jahren bis zu 61 Prozent betrugenund der über eine vollzeitig geführte Praxis verfügte.

Neben diesen rein wirtschaftlichen werden weitere Ge-sichtspunkte wie diejenigen des Alters, des beruflichenWerdegangs, der fachlichen Qualifikation und der Nähezum Psychologiestudium sowie der beruflichen Ausweich-möglichkeiten maßgeblich sein, um die Fragen des Be-standsschutzes verfassungsrechtlich zu beantworten.

Doch auch unabhängig von dem Vergleich mit den jetztzur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Psycholo-gen, die bisher in der Kostenerstattungspsychotherapie tätigwaren, leidet das PsychThG in Bezug auf die Nichtpsycho-logen an einem inneren Widerspruch. Indem sie einerseitsdie erteilte Heilkundeerlaubnis behalten, genießen sie Be-standsschutz. Indem sie andererseits weder zur vertragsärzt-lichen Versorgung zugelassen werden noch weiterhin inder Kostenerstattungstherapie tätig bleiben können und sol-len, ist ihnen die wirtschaftliche Existenz entzogen. Das

aber ist vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt. DerBehalt der Heilkundeerlaubnis belegt, daß er keinesfalls denEntzug der beruflich-wirtschaftlichen Existenz beabsichtig-te.

Eine Lösung könnte mit der kommenden Gesundheits-reform einhergehen: Nach Ziffer 1.5 des Eckpunktepapiersder Konsensverhandlungen91 können Versicherte in Aus-nahmefällen auch nicht zugelassene Leistungserbringer überdie Kostenerstattung in Anspruch nehmen, wenn dieszuvor von der Krankenkasse genehmigt wurde und einezumindest gleichwertige Qualität wie bei zugelassenenLeistungserbringern gewährleistet ist92.

89) Zeitfensterproblematik; s. oben.90) 1998 waren 15000 Psychotherapeuten zur vertragsärztlichen Ver-

sorgung zugelassen. Davon waren nur 3750 vollzeitig berufstätig,etwa 5250 überwiegend berufstätig, ca. 3000 halbtags und etwa3000 geringfügig beschäftigt. Löcherbach u.a., Gutachten des Zen-tralinstituts der Kassenärztlichen Vereinigung, Juni 1999; Van denBergh, Ärzte-Zeitung v. 23. 8. 2000 Nr. 147. Fazit der Autoren:„Die Anwendung der Bestimmungen zur gesetzlich vorgeschrie-benen Bedarfsplanung führt nun leider dazu, dass gravierendeVersorgungsungleichgewichte, die bereits bestanden, auch künftigfortgeschrieben werden“.

91) Eckpunkte der Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform,verabschiedet am 21. 7. 2003.

92) Dies entspricht der zweiten in der Dentisten-Entscheidung aufge-zeigten Lösung; s. oben, Fn. 46.

Christian Koenig, Christina Engelmann und Kristin Hentschel DOI: 10.1007/s00350-003-1023-3

Die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf die Leistungserbringung im Gesundheitswesen

Im Rahmen der kontinuierlichen Entwicklung des eu-ropäischen Binnenmarkts wurde in den vergangenen Jahrendas öffentliche Auftragswesen umfassend liberalisiert. DieUmsetzung der Richtlinien zur Koordinierung der nationa-len Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträgeund das Inkrafttreten des neuen 4. Teils des GWB am 1. 1. 1999 haben in Deutschland die Vergabepraxis ent-scheidend geprägt. Nicht genügend Aufmerksamkeit erfah-ren hat dabei bisher die gesundheitsbezogene Versorgungmit Leistungen im System der gesetzlichen Krankenversi-cherung (GKV). Auch hier stellt sich die Frage, ob die ver-gaberechtlichen Vorgaben auf die unterschiedlichen Be-schaffungsvorgänge und Vereinbarungen Anwendung fin-den müssen. Der folgende Beitrag bietet einen Überblicküber das Vergaberecht und seine relevanten Anwendungs-bereiche im Leistungserbringungsrecht der GKV und zeigtoffene Fragen sowie mögliche Lösungsansätze auf.

I. Einführung

Das Vergaberecht der EG bezweckt die Schaffung einesmarktöffnenden, vom Grundsatz der Transparenz und Dis-kriminierungsfreiheit getragenen Wettbewerbs im gesamtenBereich des öffentlichen Auftragswesens. Die europäischenVergaberichtlinien1 mit ihren Vorgaben zur Koordinierungder nationalen Vorschriften über die Vergabe öffentlicherAufträge ab dem Erreichen bestimmter Schwellenwertewurden in Deutschland im 4. Teil des GWB umgesetzt. In

diesem Regelungswerk ist die Vergabe lediglich derjenigenöffentlichen Aufträge geregelt, deren Auftragswerte dieSchwellenwerte erreichen oder überschreiten. Die detail-lierten Vorschriften für das Vorgehen bei der Beschaffung

Prof. Dr. iur. Christian Koenig, Dr. iur. Christina Engelmannund Ass. iur. Kristin Hentschel, Zentrum für Europäische Integrationsforschung der RheinischenFriedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Walter-Flex-Straße 3, D-53113 Bonn

1) Richtlinie 92/50/EWG des Rates v. 18. 6. 1992 über die Koordi-nierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsauf-träge (DKR), ABl. EG 1992 Nr. L 209, S. 1, geändert durchRichtlinie 97/52/EG, ABl. EG 1997 Nr. L 328, S. 1, zuletzt geän-dert durch Richtlinie 2001/78/EG der Kommission v. 13. 9.2001, ABl. EG 2001 Nr. L 285, S. 1, und deren Berichtigung,ABl. EG 2002 Nr. L 214, S. 1; Richtlinie 93/36/EWG des Ratesv. 14. 6. 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabeöffentlicher Lieferaufträge (LKR), ABl. EG 1993 Nr. L 199, S. 1,geändert durch Richtlinie 97/52/EG, ABl. EG 1997 Nr. L 328, S. 1, zuletzt geändert durch Richtlinie 2001/78/EG der Kommis-sion v. 13. 9. 2001, ABl. EG 2001 Nr. L 285, S. 1, und derenBerichtigung, ABl. EG 2002 Nr. L 214, S. 1; Richtlinie 93/37/EWG des Rates v. 14. 6. 1993 zur Koordinierung der Verfahrenzur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (BKR), ABl. EG 1993 Nr. L199, S. 54, geändert durch Richtlinie 97/52/EG, ABl. EG 1997

Page 2: Die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf die Leistungserbringung im Gesundheitswesen

Koenig/Engelmann/Hentschel, Die Anwendbarkeit des Vergaberechts MedR 2003, Heft 10 563

von Gütern und Leistungen sind in der Vergabeverordnung(VgV)2 und in den drei Verdingungsordnungen3 festge-schrieben, auf welche die Verordnung verweist. Die Ver-dingungsordnungen enthalten sowohl Vorgaben für natio-nale als auch solche für europaweite Vergabeverfahren undsehen in der Regel eine öffentliche Ausschreibung vor. DieAufträge oberhalb der Schwellenwerte können nur unterBerücksichtigung des umgesetzten EG-Vergaberechts ord-nungsgemäß vergeben werden. Für die Vergabe von Liefe-rungen und Leistungen seitens der Krankenkassen unter-halb der in den EG-Richtlinien bestimmten Schwellen gilt§ 22 der Verordnung über das Haushaltswesen in der So-zialversicherung (SVHV)4. Danach besteht für die Kran-kenkassen keine Ausschreibungspflicht, wenn ihre Verträgeder Beschaffung gesetzlicher Versicherungsleistungen die-nen. Jede beabsichtigte öffentliche Auftragsvergabe ist des-halb zunächst daraufhin zu untersuchen, ob sie lediglich na-tionalen Vorgaben Stand zu halten hat oder ob sie dem in§§ 97 ff. GWB auf der Grundlage der EG-Richtlinien defi-nierten Anwendungsbereich unterfällt mit der Folge, dassein europaweites Vergabeverfahren i. S. der §§ 97 Abs. 6,127 GWB, 4 Abs. 1 VgV i. V. mit den Vorgaben der ein-schlägigen Verdingungsordnung erfolgen muss.

Das deutsche Gesundheitswesen bietet zahlreiche An-knüpfungspunkte für die Untersuchung vergaberechtlicherAspekte bei der Beschaffung von Leistungen. Um im Hin-blick auf die einzelnen Leistungsbereiche untersuchen zukönnen, inwieweit die unterschiedlichen Beschaffungsvor-gänge dem Vergaberecht unterfallen, werden nachfolgendzunächst die Anwendungsvoraussetzungen des umgesetztenEG-Vergaberechts dargestellt.

II. Die Anwendungsvoraussetzungen des EG-Vergaberechts

Das umgesetzte EG-Vergaberecht ist im Leistungserbrin-gungsrecht der gesetzlichen Krankenkassen nur anzuwen-den, wenn kumulativ drei Voraussetzungen gegeben sind:Erstens darf die Anwendbarkeit des vergaberechtlichen Re-gelungssystems auf die Vereinbarungen zwischen den Kran-kenkassen und den Leistungserbringern nicht a priori aus-geschlossen sein. Zweitens müssen die Krankenkassen insubjektiver Hinsicht als öffentliche Auftraggeber i. S. der §§ 97Abs. 1, 98 GWB tätig werden, und drittens muss in objek-tiver Hinsicht ein öffentlicher Auftrag in Rede stehen, der diefestgelegten Schwellenwerte5 erreicht.

1. Anwendbarkeit des Vergaberechts im System der GKVDer Gesetzgeber bezweckte im Rahmen des GKV-Ge-sundheitsreformgesetzes 20006 durch die Neufassung des § 69 SGB V7 den generellen Ausschluss der Anwendbarkeitdes Kartell- und Wettbewerbsrechts auf Handlungen vongesetzlichen Krankenkassen. Nach Maßgabe des geänderten§ 69 S. 1 SGB V regeln das 4. Kapitel des SGB V sowie die§§ 63, 64 SGB V nunmehr abschließend die Rechtsbezie-hungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu denLeistungserbringern und deren Verbänden, was gemäß § 69S. 4 SGB V auch gilt, „soweit durch diese Rechtsbeziehun-gen Rechte Dritter betroffen sind“. Mit diesen Formulie-rungen hat das gesetzgeberische Ziel im Gesetzestext kei-nen ausdrücklichen Niederschlag gefunden. Das BSG hatjedoch in seinem Urteil vom 25. 9. 2001 aus dem abschlie-ßenden Charakter des § 69 SGB V n. F. die Schlussfolge-rung gezogen, dass die Vorschriften des UWG sowie desGWB als unmittelbar anwendbare Rechtsgrundlagen fürdie Beurteilung von Handlungen gesetzlicher Krankenkas-sen und ihrer Verbände im Leistungserbringungsrecht nichtlänger heranzuziehen sind8. Folgt man der Auffassung desBSG9, so stellt sich die Frage, ob der neugefasste § 69 SGBV (auch) die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf die Be-

ziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbrin-gern ausschließt. Denn das Vergaberecht ist neben dem ori-ginären Kartellrecht ebenfalls im GWB geregelt. Jedoch las-sen die Wortwahl der Begründung des Gesetzesentwurfs,die Entstehungsgeschichte und die im Zuge der Neufassungdes § 69 SGB V vorgenommenen Änderungen in § 51SGG sowie in §§ 87, 96 GWB gleichermaßen den Willendes Gesetzgebers erkennen, nur die Anwendung der kartell-rechtlichen Vorschriften des GWB auszuschließen, nicht je-doch der vergaberechtlichen10. Der Gesetzgeber hat sichseinerzeit ausdrücklich auf das Wettbewerbs- und Kartell-recht bezogen und gerade nicht auf das Vergaberecht,wenn er in der Gesetzesbegründung ausführte: „Die Kran-kenkassen und ihre Verbände erfüllen in diesen Rechtsbe-ziehungen ihren öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftragund handeln nicht als Unternehmen im Sinne des Pri-vatrechts, einschließlich des Wettbewerbs- und Kartell-rechts“11. Mit dieser Formulierung wird ausdrücklich undausschließlich auf die Einordnung der Krankenkassen als„Unternehmen im Sinne des Privatrechts“ Bezug genom-men. Der Begriff des Unternehmens ist der zentrale An-knüpfungspunkt für die Eröffnung des persönlichen An-wendungsbereichs der kartellrechtlichen Vorschriften, wäh-rend das Vergaberecht auf die Eigenschaft als „öffentlicherAuftraggeber“ abstellt12. Das Vergaberecht wird danach von

Nr. L 328, S. 1, zuletzt geändert durch Richtlinie 2001/78/EGder Kommission v. 13. 9. 2001, ABl. EG 2001 Nr. L 285, S. 1,und deren Berichtigung, ABl. EG 2002 Nr. L 214, S. 1; Richt-linie 93/38/EWG des Rates v. 14. 6. 1993 zur Koordinierungder Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-,Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunika-tionssektor (Sektorenkoordinierungsrichtlinie, SKR), ABl. EG1993 Nr. L 199, S. 84, geändert durch Richtlinie 98/4/EG, ABl.EG 1998 Nr. L 101, S. 1, zuletzt geändert durch Richtlinie2001/78/EG der Kommission v. 13. 9. 2001, ABl. EG 2001 Nr. L 285, S. 1, und deren Berichtigung, ABl. EG 2002 Nr. L214, S. 1.

2) Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge v. 9. 1. 2001,BGBl. I S. 110, geändert durch das Gesetz v. 16. 5. 2001, BGBl. IS. 876, zuletzt geändert durch die zweite Verordnung zur Ände-rung der Vergabeverordnung v. 14. 2. 2003, BGBl. I S. 6.

3) Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB), Verdingungsord-nung für Leistungen (VOL), Verdingungsordnung für freiberuf-liche Leistungen (VOF).

4) V. 30. 12. 1977, BGBl. I S. 3147, geändert durch die erste Ver-ordnung zur Änderung der Verordnung über das Haushaltswesenin der Sozialversicherung v. 30. 10. 2000, BGBl. I S. 1485.

5) § 100 Abs. 1 GWB i. V. mit § 2 VgV.6) Gesetz v. 22. 12. 1999, BGBl. I S. 2626.7) § 69 SGB V n. F., geändert im Rahmen des GKV-Gesundheits-

reformgesetzes 2000 (Fn. 6).8) BSG v. 25. 9. 2001 – B 3 KR 3/01 R –.9) Die Auslegung des BSG befürwortend: LSG Nordrh.-Westf.

v. 6. 6. 2002 – L 16 KR 57/01 –; Boecken, NZS 2000, 269, 270 f.;Knispel, NZS 2001, 468 ff. Gegen den Ausschluss der unmittelba-ren Anwendbarkeit des UWG und des GWB: OLG Dresden v. 23. 8. 2001 – U 2403/00 Kart –, NZS 2002, 33; Engelmann,NZS 2000, 213, 220 f.; Koenig/Engelmann, WRP 2002, 1244,1245 f.; Schwerdtfeger, PharmInd 2000, 105, 109; Neumann, WuW1999, 961, 965 f.

10) Ein Ausschluss der das EG-Vergaberecht umsetzenden Vorschrif-ten des GWB wäre angesichts des Anwendungsvorrangs des eu-ropäischen Gemeinschaftsrechts vor jedwedem nationalen Rechtauch gar nicht möglich.

11) BT-Dr. 14/1245, S. 68 (zu Nr. 29).12) Die Einordnung als Unternehmen i. S. von § 1 GWB ist für die

Auftraggebereigenschaft des EG-Vergaberechts nicht entschei-dend. Die Auftraggebereigenschaft wird vielmehr durch be-stimmte Kriterien in § 98 GWB festgelegt, die die funktionelleBeschreibung des „Auftraggebers“ in den EG-Vergaberichtlinienumsetzen und mit dem Unternehmensbegriff in § 1 GWB nichtübereinstimmen. Grundlegend zum „funktionellen Auftraggeber-begriff“ des europäischen Vergaberechts: EuGH, Rs. C-360/96,

Page 3: Die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf die Leistungserbringung im Gesundheitswesen

564 MedR 2003, Heft 10 Koenig/Engelmann/Hentschel, Die Anwendbarkeit des Vergaberechts

den auszuschließenden Regelungsbereichen nicht erfasst.Hierfür sprechen auch die erfolgten Änderungen im Hin-blick auf den Rechtsweg: Während für die unter § 69 SGBV fallenden Streitigkeiten der Krankenkassen die Zustän-digkeit der Kartellgerichte ausdrücklich aufgehoben wurde,bleibt die Sonderzuständigkeit für vergaberechtliche Strei-tigkeiten (§§ 116 ff. GWB) unverändert. Schließlich mussdie Anwendungsmöglichkeit des EG-Vergaberechts auchunter dem Blickwinkel der gemeinschaftsrechtskonformenAuslegung gewährleistet sein. Die Vergaberichtlinien sehenkeine pauschale Herausnahme von Leistungen aus dem An-wendungsbereich des Vergaberechts vor. Sie normieren le-diglich eine Ausnahme für die Vergabe von Aufträgen ineinzelnen, abschließend genannten Bereichen, die den Re-gelungsbereich des § 69 SGB V nicht erfassen13. Die Kran-kenkassen können deshalb das Vergaberecht des 4. Teils desGWB nicht a priori außer Acht lassen.

2. Persönlicher Anwendungsbereich – der öffentliche AuftraggeberDer persönliche Anwendungsbereich des vergaberecht-lichen Regelungsregimes ist eröffnet, wenn der Nachfragereiner Leistung als öffentlicher Auftraggeber i. S. der §§ 97 Abs. 1, 98 GWB einzuordnen ist. Ob eine Krankenkasse alsAuftraggeber einzuordnen ist, muss im Zusammenhang mitdem Begriff des Auftrags geklärt werden14. Sofern eineKrankenkasse im Rahmen der Nachfrage nach medizini-schen Leistungen als Auftraggeber tätig wird, so ist auch ihreEigenschaft als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des umge-setzten EG-Vergaberechts zu bejahen15. Nach § 98 Nr. 2GWB gehören zu den öffentlichen Auftraggebern juris-tische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts, diezu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allge-meininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art16

zu erfüllen, sofern sie von den Gebietskörperschaften oderderen Verbänden finanziert oder durch Aufsichts- oderMitbestimmungsrechte kontrolliert werden. Die gesetzli-chen Krankenkassen sind rechtsfähige Körperschaften desöffentlichen Rechts (vgl. § 4 Abs. 1 SGB V), deren Ein-richtung durch Hoheitsakt erfolgt und die unter der staat-lichen Rechtsaufsicht einer Gebietskörperschaft stehen (§ 90 Abs. 2 SGB IV). Durch die Erfüllung von Aufgabender Gesundheitsfürsorge erbringen die Krankenkassen Auf-gaben im Allgemeininteresse, die auch nicht gewerblicherArt sind17.

3. Sachlicher Anwendungsbereich – der öffentliche AuftragDer sachliche Anwendungsbereich des umgesetzten EG-Vergaberechts ist eröffnet, wenn ein Beschaffungsvorgangvorliegt, bei dem es sich um einen öffentlichen Auftrag i. S.des § 99 GWB handelt. Dieser muss die in der Vergabever-ordnung festgelegten Schwellenwerte erreichen oder über-schreiten (§ 100 GWB). Für Dienstleistungs- und Lieferauf-träge beträgt der maßgebliche Schwellenwert gemäß § 100 GWB i. V. mit § 2 VgV jeweils 200.000,– €.

Öffentliche Aufträge sind nach der Definition des § 99Abs. 1 GWB entgeltliche Verträge zwischen einem öffent-lichen Auftraggeber und einem Unternehmen über Liefer-,Bau- oder Dienstleistungen. Entgegen der Gesetzesbegrün-dung zu § 99 Abs. 2 GWB spielt es keine Rolle, ob es sichhierbei um öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Ver-träge handelt. In den zu Grunde liegenden EG-Richtlinienfindet sich eine derartige Differenzierung, die letztlich auchkeinen Eingang in das Gesetz gefunden hat, nicht. Auchder EuGH hat in der Rechtssache C-399/98 betont, dassdie Anwendung des Vergaberechts nicht davon abhängt, obdie Vertragsbeziehungen dem öffentlichen oder dem priva-ten Recht unterliegen18. Für das Vorliegen eines Beschaf-fungsvorganges ist entscheidend, dass eine bindende Aus-wahl zwischen verschiedenen, miteinander im Wettbewerbum die zu vergebende Leistung stehenden Bewerbern statt-

findet19. Dies ist der Fall, wenn ein öffentlicher Auftragge-ber einen bestimmten Anbieter verpflichtet, eine konkretezu beschaffende Lieferung oder Dienstleistung gegen eineGegenleistung20 zu erbringen. Zudem ist in der Sektoren-koordinierungsrichtlinie21 vorgesehen, dass auch Rahmen-verträge, in denen die Bedingungen für spätere Einzelauf-träge geregelt werden, als vergaberechtlich relevante Auf-träge anzusehen sind, wenn nachfolgend die Einzelaufträgenur aufgrund der Rahmenvereinbarung und ohne Aufrufzum Wettbewerb vergeben werden, wenn also bereits eine

BFI Holding, Slg. 1998, I-6821, Rdnr. 62; siehe auch bereitsEuGH, Rs. 31/87, Beentjes/Niederlande, Slg. 1988, 4635, Rdnr.11; vgl. auch EuGH, Rs. C-323/96, Kommission/Belgien, Slg.1998, I-5063, Rdnr. 28; Prieß, Handbuch des europäischen Ver-gaberechts, 2. Aufl. 2001, S. 87 ff.

13) Vgl. z. B. Artt. 4, 5 Baukoordinationsrichtlinie (BKR); Artt. 2, 4Lieferkoordinationsrichtlinie (LKR); Artt. 4 bis 6 Dienstleistungs-koordinationsrichtlinie (DKR); zu allen Richtlinien siehe näherFn. 1.

14) Siehe dazu sogleich; zur Subsumtion siehe unten, sub III. 15) Heße, SozVers 1997, 88, 90; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker

(Hrsg.), GWB, Kommentar zum Kartellgesetz, 3. Aufl. 2001, § 98, Rdnr. 75.

16) Zu der Auslegung dieses Merkmals vgl. Thieme, in: Langen/Bunte(Hrsg.), Kommentar zum deutschen und europäischen Kartell-recht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 98, Rdnr. 28; Dreher, DB 1998,2579, 2582 f.; Heise, LKV 1999, 210, 211 f. Nach der Rechtspre-chung des EuGH soll das Vorhandensein eines entwickeltenWettbewerbs auf dem betroffenen Markt darauf hinweisen, dassdas Kriterium der nicht gewerblichen Art nicht gegeben ist (Rs.C-360/96, BFI Holding, Slg. 1998, I-6821, Rdnr. 49). Zwischenden Krankenkassen findet zwar ein Wettbewerb um Mitgliederstatt, jedoch spricht viel dafür, diesen angesichts der umfassendenRegulierung im deutschen Sozialrecht als nicht „entwickelt“ zubetrachten (vgl. z. B. den Risikostrukturausgleich sowie den ge-setzlich festgelegten Leistungskatalog).

17) Indizielle Bedeutung kommt insoweit dem Anhang I der Richt-linie 93/37/EWG (BKR) (s. Fn. 1) zu, auf den Art. 1 b) UAbs. 3Richtlinie 93/36/EWG (LKR) (s. Fn. 1) verweist. In diesem An-hang, der die Rechtsträger auflistet, welche die genannten Merk-male erfüllen, finden sich als Klammerzusatz zur Sozialversiche-rung auch die Krankenkassen. Ausführlich dazu Koenig/Busch,Vergabe- und haushaltsrechtliche Koordinaten der Hilfsmittelbe-schaffung durch Krankenkassen, NZS 2003, Heft 10 (im Erschei-nen). Nach dem BayObLG, Beschl. v. 10. 9. 2002 – Verg 23/02–, ZfBR 2003, 77 f., soll die Rechtsaufsicht über Körperschaftendes öffentlichen Rechts zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 98 Nr. 2 GWB nicht ausreichen. I. E. wie hier OLG Dresdenv. 23. 8. 2001 – U 2403/00 Kart –.

18) EuGH, Rs. C-399/98, Ordine degli Architetti di Milano et Lodi,Slg. 2001, I-5409. Wie hier auch Burgi, NZBau 2002, 57, 60;Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.) (Fn. 15), § 99, Rdnr. 7;Eschenbruch, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz (Hrsg.), Kommentarzum Vergaberecht, 2000, § 99 GWB, Rdnr. 20. Trotz des entge-genstehenden Wortlauts des § 99 GWB kann es vor dem Hinter-grund einer funktionalen Betrachtung in bestimmten Fällen inBetracht kommen, neben Verträgen auch Verwaltungsakte alsAufträge einzuordnen, vgl. ausführlich Koenig/Steiner, ZESAR2003, 150, 151.

19) Dies folgt bereits aus dem Zweck des Vergaberechts, einen wirk-samen Wettbewerb bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu schaf-fen. Vgl. zu diesem Zweck nur Dreher, in: Immenga/Mestmäcker(Hrsg.) (Fn. 15), Vor §§ 97 ff., Rdnr. 2.

20) Im Dienstleistungsbereich darf die Gegenleistung nicht allein indem Recht zur wirtschaftlichen oder kommerziellen Nutzungder Dienstleistung bestehen. Vielmehr ist eine Finanzierungdurch den öffentlichen Auftraggeber erforderlich. Anders als Bau-konzessionen werden Dienstleistungskonzessionen nicht vomAuftragsbegriff umfasst, vgl. z. B. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker(Hrsg.) (Fn. 15), § 99, Rdnr. 47.

21) Diese gilt für Auftragsvergaben im Bereich der Wasser-, Energie-und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, s.Fn. 1.

Page 4: Die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf die Leistungserbringung im Gesundheitswesen

Koenig/Engelmann/Hentschel, Die Anwendbarkeit des Vergaberechts MedR 2003, Heft 10 565

Bindung hinsichtlich der Anbieterauswahl erfolgt22. ZurVermeidung von Wettbewerbsverfälschungen spricht vieldafür, solche Rahmenverträge auch außerhalb der betroffe-nen Sektoren als öffentliche Aufträge zu werten23.

III. Vergaberechtlich relevanteBeschaffungsvorgänge im System der GKV-Regelversorgung

Das System der GKV ist durch zahlreiche Beschaffungsvor-gänge gekennzeichnet. Denn im Rahmen der gesetzlichenRegelversorgung haben die Versicherten gegenüber ihrerKrankenkasse einen Anspruch auf Leistungen bei Krank-heit. Diese sind nach dem sogenannten Sachleistungsprin-zip24 gemäß §§ 2 Abs. 2, 27 Abs. 1 S. 2 SGB V als Sachleis-tungen zu erbringen. Zur Erfüllung dieser Sachleistungs-pflicht schließen die Krankenkassen Verträge mit den ver-schiedenen Leistungserbringern oder deren Verbänden, inwelchen die Bedingungen der Versorgung geregelt werden.

Zur Beantwortung der Frage, ob und inwieweit dieKrankenkassen bei der Beschaffung medizinischer Leistun-gen in den unterschiedlichen Leistungsbereichen vergabe-rechtliche Vorgaben anwenden müssen, lässt sich zumeinen an die Ebene der Zulassung der Leistungserbringer zurGKV-Versorgung anknüpfen. Zum anderen kann in eini-gen Leistungsbereichen die Möglichkeit bestehen, einzelnezugelassene Leistungserbringer für bestimmte Versicherungsfällekonkret auszuwählen. Schließlich sind die Rahmenverträgeauf Verbandsebene sowie in bestimmten Bereichen auchEinzelverträge zwischen Krankenkassen und (zugelassenen)Leistungserbringern in den Blick zu nehmen. Im Folgen-den wird untersucht, ob die Krankenkassen auf den ge-nannten Tätigkeitsebenen als Auftraggeber fungieren unddamit öffentliche Aufträge vergeben.

1. Versorgung mit Heil- und HilfsmittelnDer Anspruch der gesetzlich Krankenversicherten auf Ver-sorgung mit Heil- und Hilfsmitteln ergibt sich aus den §§ 32 und 33 SGB V. Heilmittel sind persönliche medizini-sche Leistungen (z. B. Krankengymnastik, Sprachtherapieund physikalische Therapie)25, während Hilfsmittel objekt-bezogene Leistungen (z. B. Gehhilfen, Einwegspritzen etc.)darstellen. Sowohl Heil- als auch Hilfsmittel dürfen nach § 124 bzw. § 126 SGB V an gesetzlich Krankenversichertenur durch Leistungserbringer abgegeben werden, die vonden Landesverbänden der verschiedenen Krankenkassenunter den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen durchVerwaltungsakt zugelassen wurden26.

Hinsichtlich des Vergaberechts ist zunächst zu beachten,dass durch die Zulassung allein noch nicht über die Ertei-lung konkreter Aufträge über die Lieferung von Hilfsmit-teln oder die Erbringung von Heilmitteln entschiedenwird. Allenfalls stellt sich die Frage, ob mit der Zulassungeine möglicherweise vergaberechtlich relevante Vorauswahldurch die Krankenkassen-Landesverbände erfolgt. Die Zu-lassung ließe sich in diesem Fall mit einer Rahmenverein-barung vergleichen. Eine solche kann – unter Berücksich-tigung der in der Sektorenrichtlinie angelegten Strukturund der Besonderheiten des GKV-Systems – dann vomVergaberecht erfasst werden, wenn die darin getroffeneVorauswahl die spätere Inanspruchnahme der ausgewähltenLeistungserbringer bereits derart determiniert, dass voneinem Beschaffungsvorgang der Krankenkassen ausgegan-gen werden kann. Unabhängig von der Problematik, obdas Vergaberecht entgegen dem Wortlaut des § 99 GWBüberhaupt auf Entscheidungen durch Verwaltungsakt an-wendbar ist27, muss hier berücksichtigt werden, dass jederLeistungserbringer, der die Zulassungskriterien erfüllt,einen Anspruch auf Zulassung hat. Diese Kriterien werdenweitgehend gesetzlich vorgegeben und lassen eine Bedarfs-

planung seitens der Krankenkassen nicht zu, so dass diesenkein oder nur ein minimaler Spielraum für eine eigeneAuswahlentscheidung verbleibt. Aufgrund des gesetzlichenZulassungsanspruchs findet keine vergaberechtlich relevanteEinengung des Kreises der zur Teilname an der GKV-Ver-sorgung berechtigten Leistungserbringer durch die Kran-kenkassen statt. Auf der Zulassungsebene kommt daher imHeil- und Hilfsmittelbereich eine Anwendung des Verga-berechts nicht in Betracht.

Fraglich ist weiter, ob die Erteilung eines konkreten Auf-trags zur Erbringung eines Heilmittels oder zur Lieferungeines Hilfsmittels einen Beschaffungsvorgang der Kranken-kassen i. S. des Vergaberechts darstellt. Im Heilmittelbe-reich erfolgt die Auswahl des Leistungserbringers im Be-darfsfall durch die Versicherten28. Allerdings wird der erteil-te Auftrag durch die Krankenkassen finanziert. Zudem tre-ten die Versicherten bei Vertragsschluss mit einem Leis-tungserbringer als Vertreter ihrer Krankenkasse auf. Dieseformalen Kriterien werden aber ohne das Vorliegen einermateriellen Auswahlentscheidung der Krankenkassen fürderen Einordnung als Auftraggeber nicht ausreichen. DasVergaberecht, dessen Anliegen es ist, bei einer öffentlichenAuftragsvergabe eine Transparenz der Verfahren und Ent-scheidungskriterien herzustellen, kann nur dann zur An-wendung gelangen, wenn die Entscheidung über einenAuftrag beim öffentlichen Auftraggeber selbst liegt29. Diesist im Heilmittelbereich gerade nicht der Fall.

Bei Hilfsmitteln kommt indes eine weitergehende Ein-flussnahme der einzelnen Krankenkassen auf die Auftragser-teilung in Betracht. So spricht viel dafür, dass die Kranken-kassen berechtigt sind, eine Auswahl des vom Versichertenim konkreten Fall benötigten Hilfsmittels vorzunehmen.Denn die Qualität von Hilfsmitteln ist – anders als beiHeilmitteln – nicht personen-, sondern objektbezogen.Eine Auswahl der Leistungserbringer durch die Kranken-kassen steht deshalb mit dem allgemeinen Persönlichkeits-recht der Versicherten in Einklang30. Zudem sind bei Hilfs-mitteln die Preise nicht festgelegt, sondern es bestehenPreisdifferenzen. Zur Erfüllung des Wirtschaftlichkeitsge-bots muss es den Krankenkassen daher – entgegen der bis-herigen Rechtsprechung31 – möglich sein, im konkreten

22) S. Art. 5 Abs. 2 und 3 i. V. mit Art. 20 Abs. 2 lit. i SKR (Fn. 1).23) So auch Thieme, in: Langen/Bunte (Hrsg.) (Fn. 16), § 99, Rdnr. 8;

Dreher, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.) (Fn. 15), § 99, Rdnr. 11.24) Vgl. BSG v. 7. 8. 1991 – 1 RR 7/88 –, BSGE 69, 170, 173; En-

gelmann, Kostendämpfung im Gesundheitswesen und EG-Wett-bewerbsrecht, 2002, S. 34.

25) Zum Begriff s. Punkt A I. der Heil- und Hilfsmittelrichtlinien desBundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, abgedruckt in:Hauck/Noftz (Hrsg.), SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung,Kommentar, C 445; siehe auch Höfler (2000), in: KassKomm., § 32 SGB V, Rdnrn. 4 ff.

26) Dabei wird die Zulassung getrennt nach Kassenarten erteilt. 27) Hierzu ausführlich Koenig/Steiner, ZESAR 2003, 150, 151.28) Aufgrund der personenbezogenen Qualität von Heilmitteln

kommt eine Auswahl des vom Versicherten im konkreten Fallbenötigten Heilmittels durch die Krankenkassen nicht in Be-tracht. Eine solche stünde mit dem allgemeinen Persönlichkeits-recht des Versicherten nicht in Einklang, welches – ähnlich wieim Bereich der ärztlichen Versorgung – eine selbständige Aus-wahl persönlicher Heilmittel gewährt.

29) Vgl. OLG Dresden v. 23. 8. 2001 – U 2403/00 Kart –.30) Koenig, Neugestaltung des Lieferprozesses für Hilfsmittel unter

Einbeziehung einer Internetplattform, unveröffentlichtes Rechts-gutachten, Juni 2002, S. 23 ff.; Koenig/Engelmann, WRP 2002,1244 ff.

31) S. nur BGH v. 21. 2. 1989 – KZR 7/88 –, BGHZ 107, 40, 43;OLG Stuttgart v. 30. 1. 1998 – 2 U 176/97 –, NJWE-WettbR1999, 3, 4; OLG Dresden v. 23. 8. 2001 – U 2403/00 Kart –,NZS 2002, 33, 37.

Page 5: Die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf die Leistungserbringung im Gesundheitswesen

Bedarfsfall unter bestimmten Voraussetzungen32 den jeweilswirtschaftlichsten Anbieter auszuwählen33. Bei Hilfsmittelnkommt also eine Einflussnahme der Krankenkassen auf diekonkrete Auftragsvergabe in Betracht. Insoweit liegt esnahe, die einzelne Krankenkasse, soweit sie selbst aktiv denzu beauftragenden Leistungserbringer auswählt34, als „Auf-traggeber“ i. S. des Vergaberechts einzuordnen. Als An-knüpfungspunkt für das Vergaberecht ist dann aber nichtdie vorgelagerte Zulassungsentscheidung, sondern die kon-krete Auftragsvergabe heranzuziehen, da hierin der ent-scheidende Beschaffungsvorgang liegt. Allerdings wird beiderartig konkreten Versorgungsaufträgen in Bezug auf dieeinzelnen Hilfsmittelbestellungen regelmäßig der EG-ver-gaberechtliche Schwellenwert nicht überschritten werden,so dass in der Regel der sachliche Anwendungsbereich desVergaberechts nicht eröffnet sein wird35.

In dem mehrstufigen System von Verträgen, welche die Ver-sorgung mit Heil- und Hilfsmitteln durch zugelassene Leis-tungserbringer gemäß §§ 125, 127 SGB V regeln, findensich keine weiteren vergaberechtlichen Anknüpfungspunk-te. Die Verträge auf Bundesebene stellen bloße Rahmen-empfehlungen über die einheitliche Versorgung dar. ZurRegelung der Einzelheiten der Versorgung schließen dieLandesverbände der Krankenkassen mit den Leistungser-bringern von Heil- und Hilfsmitteln oder deren VerbändenVerträge mit Wirkung für ihre Mitgliedskassen (§ 125 Abs. 2 bzw. § 127 Abs. 1 SGB V). Hierin werden unter an-derem Höchstpreise für die einzelnen Heil- und Hilfsmittelvereinbart. Im Rahmen dieser Verträge erfolgt aber keineAuswahl bestimmter Leistungserbringer. Vielmehr sind allezugelassenen Leistungserbringer zur Teilnahme an derGKV-Versorgung berechtigt. Die Verträge haben keineBindung im Hinblick auf die Anbieterauswahl im konkre-ten Bedarfsfall zur Folge, so dass sie vergaberechtlich nichtrelevant sind. Gleiches gilt, wenn unterhalb der Kollek-tivverträge einzelne Krankenkassen niedrigere Preise oderbesondere Leistungsbedingungen vereinbaren36, da auchsolche Verträge nicht zum Ausschluss zugelassener Leis-tungserbringer führen dürfen.

2. Versorgung mit ArzneimittelnZur Versorgung mit Arzneimitteln in der GKV sind alleApotheken berechtigt, für die der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V Wirkung entfaltet37. Hier kann also wederdurch die einzelnen Krankenkassen noch durch ihre Ver-bände Einfluss auf den Kreis der zur Teilnahme an derGKV-Versorgung berechtigten Leistungserbringer genom-men werden. Die Zulassungsebene bietet folglich keinenAnknüpfungspunkt für das Vergaberecht. Gleiches gilt auchfür den Rahmenvertrag nach § 129 SGB V als solchensowie für die weiteren Verträge auf Landesebene (§ 129Abs. 5 SGB V). Denn darin werden nur bestimmte Bedin-gungen der Arzneimittelabgabe geregelt, es erfolgt aberkeine vergaberechtlich bedeutsame Auswahl bestimmterApotheken für konkrete Lieferungen oder Leistungen. DieApothekenwahl und damit die Auftragslage der einzelnenAnbieter liegt vielmehr allein bei den Versicherten.

Neben den Apothekenverträgen gestattet der seit Januar2003 geltende § 130a38 Abs. 8 SGB V den einzelnen Kran-kenkassen, mit pharmazeutischen Unternehmen zusätzlichzu den gesetzlich vorgeschriebenen Abschlägen bestimmtegünstige Rabattvereinbarungen zu treffen39. Auch dieseVereinbarungen sind jedoch vergaberechtlich nicht vonRelevanz, da grundsätzlich jedes Pharmaunternehmen dieMöglichkeit hat, solche Rabattvereinbarungen zu treffen.Zudem haben die Krankenkassen gerade ein Interessedaran, mit möglichst vielen Unternehmen solche Vereinba-rungen zu schließen, da es den Kassen nicht erlaubt ist, ihreVersicherten zu Gunsten bestimmter Arzneimittelherstellerzu steuern.

3. Versorgung mit häuslicher KrankenpflegeUnter bestimmten Voraussetzungen haben gesetzlich Kran-kenversicherte gemäß § 37 SGB V Anspruch auf häuslicheKrankenpflege. Zur Gewährleistung einer einheitlichenVersorgung werden nach § 132a Abs. 1 SGB V entspre-chende Grundsätze in bundesweiten Rahmenempfehlun-gen der Spitzenverbände geregelt. Über die Einzelheitender Versorgung, die Preise und deren Abrechnungschließen die einzelnen Krankenkassen Versorgungsverträgemit den Leistungserbringern. Anders als in §§ 124 und 126SGB V für Heil- und Hilfsmittel besteht hinsichtlich derhäuslichen Krankenpflege kein vorgeschaltetes Zulassungs-system auf Landesverbandsebene. Die Berechtigung derPflegedienste zur Teilnahme am GKV-System beruht viel-mehr auf den mit der jeweiligen Krankenkasse geschlosse-nen Versorgungsverträgen. Hierbei ist, wie in § 132a Abs. 2S. 3 SGB V ausdrücklich vorgesehen, eine Auswahl desKreises der Pflegedienste in gewissen Grenzen möglich40.Den Krankenkassen ist es aber nicht gestattet, den Ab-schluss eines Versorgungsvertrags unter Hinweis auf den

32) Zur Vermeidung einer sachwidrigen Diskriminierung muss dieKrankenkasse insbesondere durch die Einhaltung eines objek-tiven, diskriminierungsfreien und transparenten Verfahrens ge-währleisten, dass allen Hilfsmittelanbietern gleiche Chancen ein-geräumt werden und der Leistungswettbewerb nicht ausgeschaltetwird.

33) Koenig (Fn. 30), S. 1 ff.; Koenig/Engelmann, WRP 2002, 1244 ff.; i. E. ebenso Kirchhof, Zulässigkeit von Internethandelsplattformenfür Hilfsmittel in der Gesetzlichen Krankenversicherung, unver-öffentlichtes Rechtsgutachten, 2001, S. 19 und 32 f.; anders je-doch etwa OLG Dresden v. 23. 8. 2001 – U 2402/00 Kart –,NZS 2002, 33, 37; OLG Stuttgart v. 30. 1. 1998 – 2 U 176/97–, NJWE-WettbR 1999, 3, 4; Kranig (2002), in: Hauck/Noftz(Hrsg.) (Fn. 25), § 127, Rdnr. 10.

34) Vgl. für eine Auswahl im Rahmen der Gestaltung einer Internet-plattform Koenig/Busch (Fn. 17); Koenig/Engelmann, WRP 2002,1244 ff.

35) Ausführlich zur Bestimmung der Auftragswerte Koenig/Busch(Fn. 17). Unterhalb der Schwellenwerte müssen die Krankenkas-sen nach § 22 Abs. 1 SVHV vor dem Abschluss von Verträgenüber Lieferungen und Leistungen mit Ausnahme der Verträge,die der Erbringung gesetzlicher oder satzungsgemäßer Versiche-rungsleistungen dienen, eine öffentliche Ausschreibung durch-führen. Da die Verträge zur Beschaffung von Hilfsmitteln genaudiesem Zweck dienen, ist eine öffentliche Ausschreibung haus-haltsrechtlich nicht erforderlich.

36) Zur Zulässigkeit solcher Einzelverträge im Heilmittelbereichsiehe Kranig (2002), in: Hauck/Noftz (Hrsg.) (Fn. 25), § 125, Rdnr. 14; Hess (2001), in: KassKomm., § 125 SGB V, Rdnr. 6.Im Hilfsmittelbereich ergibt sich die Zulässigkeit von Preisverein-barungen unmittelbar aus § 127 Abs. 2 SGB V. Hieraus kann abernicht gefolgert werden, dass Einzelverträge über andere Aspekteals den Preis der Hilfsmittel generell verboten seien. Anders zwarSG Düsseldorf v. 21. 6. 2002 – S 4 KR 309/01 –; in dem zu be-urteilenden Sachverhalt stand jedoch eine diskriminierende Sonder-vereinbarung in Frage, so dass das Gericht letztlich auf die Verlet-zung von Treu und Glauben abgestellt hat.

37) Vgl. Kranig (2002), in: Hauck/Noftz (Hrsg.) (Fn. 25), § 129,Rdnr. 5. Nach § 129 Abs. 3 SGB V entfaltet der RahmenvertragRechtswirkung für Apotheken, die einem Mitgliedsverband dervertragsschließenden Spitzenorganisation angehören oder die sichentscheiden, dem Rahmenvertrag beizutreten.

38) Eingefügt durch das Beitragssatzsicherungsgesetz v. 23. 12. 2002,BGBl. I S. 4637.

39) § 130a SGB V ändert nichts an der Vorgabe des § 43 Abs. 1AMG, wonach der Vertriebsweg über die Apotheken einzuhaltenist.

40) Zudem ist aus dem Gebot des § 132a Abs. 2 S. 2 SGB V, wonachdie Krankenkassen für eine wirtschaftliche und preisgünstige Leis-tungserbringung Sorge zu tragen haben, abzuleiten, dass ihneneine Auswahl ihrer Vertragspartner unter den Gesichtspunktender Qualität und Wirtschaftlichkeit obliegt, vgl. Hess (2001), in:KassKomm., § 132a SGB V, Rdnr. 9.

566 MedR 2003, Heft 10 Koenig/Engelmann/Hentschel, Die Anwendbarkeit des Vergaberechts

Page 6: Die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf die Leistungserbringung im Gesundheitswesen

ihrer Ansicht nach fehlenden Bedarf abzulehnen41. Viel-mehr dürfen sie ihre Auswahl nur an den in § 132a SGB Vvorgesehenen Kriterien der fachlichen und wirtschaftlichenLeistungsfähigkeit orientieren. Nach der Rechtsprechungdes BSG haben alle geeigneten und wirtschaftlich arbeiten-den Pflegedienste aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. mit § 132aSGB V einen Anspruch auf Teilnahme an der GKV-Ver-sorgung und damit auf Abschluss eines Versorgungs-vertrags42. Damit ist der Spielraum der gesetzlichen Kran-kenkassen bei der Auswahl der Vertragspartner der Versor-gungsverträge nur gering. Dies spricht insoweit gegen eineAnwendung des Vergaberechts.

Auch im Rahmen der Auswahl des im Bedarfsfall zu be-auftragenden Pflegedienstes findet keine vergaberechtlichrelevante Auftragsvergabe durch die Krankenkassen statt.Aufgrund der personenbezogenen Qualität der häuslichenKrankenpflege ist eine einzelne Krankenkasse nicht berech-tigt, ihren Versicherten im konkreten Bedarfsfall einen be-stimmten Pflegedienst verbindlich zuzuweisen. Die Aus-wahl nimmt vielmehr der betroffene Versicherte vor43.

4. KrankentransporteDer Umfang der Übernahme von Fahrtkosten durch diegesetzlichen Krankenkassen ist in § 60 SGB V geregelt. DieEntgelte für die Inanspruchnahme von Krankentransportenwerden gemäß § 133 SGB V durch Verträge zwischen denKrankenkassen und den dafür geeigneten Einrichtungengeregelt, wenn nicht in landesrechtlichen oder kommunal-rechtlichen Regelungen besondere Gebühren bestimmtsind44. Als Vertragspartner der Krankenkassen kommen so-wohl zugelassene Rettungsdienste nach den Landesret-tungsdienstgesetzen als auch Unternehmen nach dem Per-sonenbeförderungsgesetz, also insbesondere Taxi- undMietwagenunternehmen, in Betracht45. In Bezug auf dieAuswahl von Vertragspartnern ist zu beachten, dass die lan-desrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Genehmigungvon Rettungsdiensten nicht nochmals durch die Kranken-kassen geprüft werden dürfen46. Darüber hinaus sind dieKrankenkassen auch nicht zur Durchführung einer Bedarfs-prüfung berechtigt. Ihre Regelungskompetenz beschränktsich auf den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen47.Allein mit den Vergütungsvereinbarungen ist keine verga-berechtlich relevante Vorauswahl der Transportunterneh-men verbunden. Das Vergaberecht könnte also nur dortvon Belang werden, wo die Krankenkassen Einfluss auf dieAuswahl des Transportunternehmens im konkreten Be-darfsfall nehmen. Eine solche Möglichkeit besteht im Be-reich der planbaren und nicht qualifizierten Krankentrans-porte durch Taxen. Hier können die Krankenkassen dieFahrten insofern kostensparend organisieren, als sie ihreVersicherten zur Teilnahme an Taxi-Sammelfahrten ver-pflichten48. Da die Taxifahrt keine Dienstleistung ist, derenQualität entscheidend von der persönlichen Beziehung desVersicherten zum Leistungserbringer abhängt, werden dieInteressen der Versicherten hierdurch nicht unangemessenbeeinträchtigt. Die Krankenkasse kann unter den örtlichenTaxiunternehmen eine Ausschreibung für die jeweiligenFahrtstrecken und Termine durchführen und die günstigs-ten Anbieter auswählen. Hier tritt die Krankenkasse als öf-fentlicher Auftraggeber gemäß der obigen Definition auf.In sachlicher Hinsicht wird sich der im Anschluss an dieAuswahl zu schließende Dienstleistungsvertrag als öffent-licher Dienstleistungsauftrag i. S. des § 100 GWB charakte-risieren lassen49. Fraglich ist dann nur noch, ob der insoweiteinschlägige Schwellenwert von 200.000,– € erreicht wird.Hierbei ist zu beachten, dass die Krankenkasse mit einemTaxiunternehmen regelmäßig einen Vertrag für eine be-stimmte Laufzeit schließen wird, der sich als Dauerauftrageinordnen lässt. Gemäß § 3 Abs. 4 VgV ist bei Daueraufträ-gen bei der Schätzung des Auftragswertes auf den Gesamt-

wert der Aufträge für ähnliche Arten von Lieferungen oderDienstleistungen eines Jahres abzustellen. Daraus folgt, dassalle pro Jahr erbrachten ähnlichen Arten von Leistungender jeweiligen Vertragspartner zusammenzurechnen sind.Dennoch dürfte in Anbetracht der eher niedrigen Auftrags-werte der Schwellenwert wohl nur selten erreicht wer-den50.

5. Vertragsärztliche VersorgungDer Anspruch der Versicherten auf ärztliche Versorgungergibt sich aus §§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 28 SGB V. Sie er-folgt durch die gemäß §§ 95, 95a SGB V zugelassenen Ver-tragsärzte. Nach der Zulassung haben Vertragsärzte einenAnspruch auf Teilnahme an der Versorgung51, so dass ihrKreis nicht mehr beeinflusst oder eingegrenzt werden kann.Auch für Sondervereinbarungen bleibt kein Raum, da dievertragsärztliche Versorgung in den gemäß § 72 Abs. 2SGB V zu schließenden Verträgen zwischen den Kas-senärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassenver-bänden im Einzelnen vorgeschrieben und geregelt ist. Al-lerdings kann das Vorliegen eines ausschreibungspflichtigenSachverhaltes auf Zulassungsebene erwogen werden. Indemsich die Vertragsärzte um die Zulassung bewerben und dergemäß § 96 SGB V eingerichtete Zulassungsausschuss eineu. a. am Bedarf ausgerichtete Entscheidung hinsichtlich derjeweiligen Zulassung trifft, findet hier eine Vorauswahlstatt, bei welcher unter Umständen das europaweite Verga-berecht nicht außer Acht gelassen werden kann. Zweifel an

41) Knittel (1997), in: Krauskopf (Hrsg.), Soziale Krankenversiche-rung, Pflegeversicherung, Kommentar, § 132a SGB V, Rdnr. 7;Hess (wie Fn. 40); Schwerdtfeger, Grundrechtsgeleitete Pflegebe-rechtigung der privaten Pflegedienste (§ 132a SGB V), 2001, S. 56 f. Auch das BSG lehnt eine Bedarfsprüfung ab, BSG v. 24. 9.2002 – B 3 A 1/02 R –.

42) BSG v. 24. 9. 2002 – B 3 A 1/02 R –.43) Die Situation entspricht insoweit derjenigen im Heilmittelbe-

reich.44) Wie im Bereich der häuslichen Krankenpflege beruht die Be-

rechtigung der Krankentransportunternehmen zur Abrechnungmit den gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen des Sachleis-tungsprinzips auf dem Abschluss solcher Vergütungsvereinbarun-gen, BSG v. 3. 11. 1999 – B 3 KR 4/99 R –.

45) Siehe Kranig (1999), in: Hauck/Noftz (Hrsg.) (Fn. 25), § 133,Rdnr. 3.

46) Die Krankenkassen müssen daher davon ausgehen, dass alle Kran-kentransportunternehmen, die über eine Zulassung nach denLandesrettungsdienstgesetzen verfügen, auch geeignet sind. ImHinblick auf nicht qualifizierte Krankentransporte – also Fahrtenmit Taxen und Mietwagen, bei denen keine medizinisch-fach-liche Betreuung oder besondere Einrichtungen des Kfz benötigtwerden – ist von der Eignung aller nach dem Personenbeförde-rungsgesetz zugelassenen Unternehmen auszugehen. Vgl. BSG v. 29. 11. 1995 – 3 RK 32/94 –, BSGE 77, 119, 122 ff.

47) BSG v. 29. 11. 1995 – 3 RK 32/94 –, BSGE 77, 119, 124 ff.;Hess (2001), in: KassKomm., § 133 SGB V, Rdnr. 4; Knittel(1999), in: Krauskopf (Hrsg.) (Fn. 41), § 133 SGB V, Rdnr. 2.

48) Das BSG sieht die von einer Krankenkasse ausgesprochene Ver-pflichtung einer Versicherten zur Teilnahme an Taxi-Sammel-fahrten als zulässige Einschränkung der Wahlfreiheit der Versi-cherten an, BSG v. 30. 1. 2001 – B 3 KR 2/00 R –, NZS 2002,31, 32 f.; ebenso bereits LSG Sachsen-Anhalt v. 21. 9. 1999 – L 4KR 7/98 –.

49) Wie oben dargestellt ist unerheblich, dass es sich dabei um öffent-lich-rechtliche Verträge handelt.

50) Da die Verträge über die Beschaffung von Taxifahrten der Er-bringung gesetzlicher Versicherungsleistungen dienen, ist auchhaushaltsrechtlich (§ 22 SVHV) keine öffentliche Ausschreibungerforderlich. Hiervon unbenommen bleibt eine mögliche Aus-schreibungspflicht aufgrund des Diskriminierungsverbots aus Art.3 Abs. 1 GG und des Vielfaltsgebots aus § 2 Abs. 3 SGB V, näherhierzu Koenig/Engelmann/Hentschel, SGb 2003, 189, 194 f.

51) Zu den Einzelheiten vgl. Klückmann (1990), in: Hauck/Noftz(Hrsg.) (Fn. 25), § 95, Rdnrn. 6, 10.

Koenig/Engelmann/Hentschel, Die Anwendbarkeit des Vergaberechts MedR 2003, Heft 10 567

Page 7: Die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf die Leistungserbringung im Gesundheitswesen

568 MedR 2003, Heft 10 Koenig/Engelmann/Hentschel, Die Anwendbarkeit des Vergaberechts

der vergaberechtlichen Relevanz dieser Vorauswahl erge-ben sich aber bereits daraus, dass sich die entscheidendenZulassungsausschüsse nicht nur aus Vertretern der Kran-kenkassen, sondern in gleicher Zahl auch aus Vertretern derÄrzte zusammensetzen52. Darüber hinaus wäre für eine ab-schließende Beurteilung zu klären, ob von einem vergabe-rechtlich relevanten Beschaffungsvorgang der Krankenkas-sen ausgegangen werden kann, wenn zwar eine durch dieKrankenkassen zumindest mitbeeinflusste Teilnehmerbe-grenzung im Rahmen einer Vorauswahl stattfindet, aberanschließend die Wahl unter den zugelassenen Ärzten beiden Versicherten liegt. Hierbei ist zu beachten, dass imVertragsarztbereich die Zulassung allein noch nicht be-stimmt, ob und in welchem Umfang die Ärzte in Anspruchgenommen werden. Dies spricht dafür, dass die entschei-dende Auftragsvergabe noch nicht in der Vorauswahl, son-dern erst in der konkreten Arztwahl durch die Versichertenbesteht. Letztere kann aber – wie oben gezeigt – nicht alsöffentlicher Auftrag der Krankenkassen angesehen werden.

6. Stationäre VersorgungDie stationäre Versorgung erfolgt durch zugelassene Kran-kenhäuser i. S. des § 108 SGB V53. An der Zulassung derKrankenhäuser sowie an deren Einbindung in ein Vertrags-system zur Regelung der stationären Versorgung sind dieKrankenkassen und ihre Verbände maßgeblich beteiligt. Dasich die Zulassung am Bedarf ausrichtet, wird auf dieserEbene eine Vorauswahl getroffen, welche die späterenWahloptionen der Versicherten beeinflusst. Im Unterschiedzu den vorgenannten Bereichen der Heil- und Hilfsmittel,der häuslichen Krankenpflege sowie der vertragsärztlichenVersorgung wird im Krankenhausbereich aufgrund derBettenbedarfsplanung bereits durch die Zulassung auch dieAuslastung der Krankenhäuser weitgehend gesichert. Schondie Zulassung könnte somit als Beschaffungsvorgang be-trachtet werden. Deshalb liegt hier eine Einordnung der ander Zulassung beteiligten Krankenkassen als Auftraggebernahe. Weiter ist zu fragen, ob die Zulassung, obwohl sie inweiten Bereichen durch Verwaltungsakt erfolgt, in sach-licher Hinsicht einen Auftrag darstellt, auf welchen das EG-Vergaberecht Anwendung finden muss. Der Beantwortungdieser Fragen wird man sich indes nur im Rahmen einerumfangreichen Untersuchung der Rechtsbeziehungen zwi-schen Krankenkassen und Krankenhäusern im Zulassungs-und Vertragssystem der stationären Versorgung annähernkönnen54.

IV. Beurteilung von Sonderverträgen im Rahmen von Modellvorhaben und integrierten Versorgungssystemen

1. Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten bei Modellvorhaben und integrierten VersorgungssystemenZusätzlich zu der gesetzlichen Regelversorgung können dieKrankenkassen und ihre Verbände mit dem Ziel der Ver-besserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versor-gung gemäß §§ 63 ff. SGB V zeitlich befristete Modellvor-haben mit den verschiedenen Leistungserbringern verein-baren. Dabei dürfen sie im Sinne einer Weiterentwicklungder Verfahrens-, Organisations,- Finanzierungs- und Ver-gütungsformen von dem gesamten kollektivvertraglichenLeistungserbringungsrecht des SGB V sowie von den daraufbasierenden bundes- und landesweiten Rahmenverträgenabweichende Regelungen treffen55. Durch die erweitertenGestaltungsmöglichkeiten kann im Rahmen von Modell-vorhaben beispielsweise auch eine Versichertensteuerungdurch Anreizsetzung verwirklicht werden, da § 63 Abs. 3SGB V unter bestimmten Umständen auch die Gewährungvon Boni für eine Teilnahme an Modellvorhaben vor-sieht56.

Des Weiteren sehen die §§ 140a ff. SGB V57 die Gestal-tung integrierter Versorgungsformen als dauerhafte Alterna-tiven zur Regelversorgung für das gesamte Leistungserbrin-gungsrecht vor. Ziel ist die umfassende Versorgung vonVersicherten im Rahmen eines umfangreichen, sektorüber-greifenden Versorgungsnetzes unter Einbeziehung der un-terschiedlichen Gruppen von Leistungserbringern, wobeidie Behandlungsabläufe übergreifend gesteuert werden58.Um den einzelnen Leistungsträgern und Leistungserbrin-gern möglichst große Gestaltungsspielräume zu eröffnenund hierdurch auch den Wettbewerb anzuregen, hat derGesetzgeber die einzelnen Krankenkassen zum Vertrags-schluss ermächtigt59 und – ebenso wie bei Modellvorhaben– die Möglichkeit eröffnet, in den Verträgen vom Leis-tungserbringungsrecht des 4. Kapitels des SGB V sowievom Krankenhausfinanzierungsrecht abzuweichen60. Auchhier können also Sondervereinbarungen mit weitreichen-den Gestaltungsmöglichkeiten getroffen werden.

Vergaberechtlich von Bedeutung können Modellvorha-ben und integrierte Versorgungssysteme zum einen dortwerden, wo Krankenkassen im Rahmen der Gründung sol-cher Systeme eine Teilnehmerauswahl treffen und ihreVersicherten dann durch Boni zur Inanspruchnahme dieserSondervertragspartner anregen. Zum anderen kann dasVergaberecht auch dort zu berücksichtigen sein, wo neueVertragspartner den bestehenden Verträgen zwischen Kran-kenkassen und Leistungserbringern beitreten wollen. Hierwerden die bereits am jeweiligen System Beteiligten regel-mäßig eine Auswahl der Beitretenden treffen61.

2. Vergaberechtliche BeurteilungIm Hinblick auf die bestehende Möglichkeit, im Rahmenvon Modellvorhaben und integrierten Versorgungssyste-men Sondervereinbarungen mit einzelnen Leistungserbrin-gern zu treffen, stellt sich die Frage, ob eine Krankenkassedadurch zum Auftraggeber wird, dass sie aus dem Kreis derberechtigten Leistungserbringer bestimmte Vertragspartnerzum Zweck der Vereinbarung von Sonderkonditionen aus-wählt. Da die Zahl der Sondervertragspartner in diesem Fallregelmäßig begrenzt sein wird, werden durch deren Aus-

52) Sie werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen und denKrankenkassenverbänden bestellt, § 96 Abs. 2 SGB V. Die Zulas-sung erfolgt durch Verwaltungsakt.

53) Sie beruht nach § 108 SGB V entweder auf der Eigenschaft alsHochschulklinik, der Aufnahme in einen Landeskrankenhausplanoder dem Abschluss eines Versorgungsvertrags mit den Landes-verbänden der Krankenkassen.

54) Ausführlich dazu Koenig/Steiner, ZESAR 2003, 98 ff. und 150 ff.55) Zu den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen

von Modellvorhaben Orlowski, VSSR 1998, 265, 268 ff; vgl. auchEngelmann (Fn. 24), S. 41.

56) Im Rahmen der gesetzlichen Regelversorgung scheidet dieswegen des Beitragsrückerstattungsverbots aus, vgl. Engelhard(2000), in: Hauck/Noftz (Hrsg.) (Fn. 25), § 140g, Rdnr. 7; aus-führlich zu verschiedenen zulässigen Steuerungsoptionen Koenig/Engelmann/Hentschel, SGb 2003, 189 ff.

57) Die Vorschriften wurden mit dem Gesetz über die GKV-Gesund-heitsreform 2000 (Fn. 6) als Weiterentwicklung bestehender Mo-dellvorhaben und Strukturverträge in das SGB V aufgenommen.

58) Dazu Engelmann (Fn. 24), S. 44.59) Vgl. Engelhard (2000), in: Hauck/Noftz (Hrsg.) (Fn. 25), § 140b,

Rdnr. 6; Engelmann (Fn. 24), S. 43 f.60) Vgl. § 140b Abs. 4 S. 1 SGB V. Zur Gestaltungsfreiheit der Ver-

tragspartner Orlowski, Die BKK 2000, 191, 193; Wigge, NZS2001, 17, 22. Eingeschränkt wird diese allerdings, soweit – wasregelmäßig der Fall sein wird – die vertragsärztliche Versorgungin die Integrationsverträge einbezogen wird. Hier sind die obliga-torischen Bundesrahmenvereinbarungen zwischen den Spitzen-verbänden der Krankenkassen und der KBV i. S. des § 140d SGBV zu beachten.

61) Vgl. dazu Engelhard (Fn. 59), Rdnrn. 22 f.

Page 8: Die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf die Leistungserbringung im Gesundheitswesen

Wahl, Die Intensivierung der gerichtlichen Kontrolle des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs MedR 2003, Heft 10 569

wahl andere Leistungserbringer von der Privilegierung aus-geschlossen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob durch die Aus-wahl der Sondervertragspartner eine Beschaffung vonWaren oder Dienstleistungen erfolgt. Denn wie auch imRahmen der Regelversorgung nimmt die Auswahl des imkonkreten Bedarfsfall beauftragten Leistungserbringers derjeweils betroffene Versicherte vor. Allerdings kann eineKrankenkasse z. B. durch Boni Anreize setzen, um dieAuswahlentscheidung der Versicherten zu beeinflussen.Deshalb könnte man argumentieren, dass aufgrund des Ab-schlusses von Sondervereinbarungen eine Vorauswahl sei-tens der Krankenkasse erfolgt und die Entscheidung derVersicherten zur Teilnahme an dem alternativen Versor-gungssystem und damit zur Wahl eines Sondervertragspart-ners maßgeblich durch von der Krankenkasse gesetzte An-reize beeinflusst wird. Für die ausgewählten Leistungser-bringer besteht deshalb die Aussicht auf vermehrte Inan-spruchnahme ihrer Leistungen durch teilnehmende Versi-cherte. Ob daraus allerdings folgt, dass bereits die Auswahlder Sondervertragspartner einen öffentlichen Auftrag dar-stellt, bleibt zweifelhaft. Immerhin ist die Teilnahme derVersicherten freiwillig. Zudem bleibt auch zwischen deneinzelnen Sondervertragspartnern eine Auswahl durch dieVersicherten möglich, welche in der Regel nicht durch dieKrankenkassen beeinflusst wird. Etwas anderes würde nurgelten, wenn die Krankenkasse beispielsweise eine Vergüns-tigung an die Inanspruchnahme bestimmter Leistungser-bringer knüpft und dann so wenige Sondervertragspartnerauswählt, dass die Versicherten faktisch dazu angehaltensind, einen bestimmten Leistungserbringer in Anspruch zunehmen, wenn sie von der Vergünstigung profitieren wol-len. Solange eine Krankenkasse ihren Versicherten abergenügend Spielraum zur Auswahl zwischen mehreren Ver-tragspartnern lässt, spricht einiges dafür, dass sie – trotz derstattfindenden Steuerung – bei der Auswahl von Sonder-vertragspartnern keinen Auftrag i. S. des § 99 GWB erteilt.In diesem Fall entfällt ihre Pflicht zur Beachtung der aufder Grundlage der EG-Vergaberichtlinien erlassenen Vor-schriften im GWB, in der Vergabeverordnung und in derVerdingungsordnung für Leistungen62.

V. Fazit

Bei der Beschaffung von Sachleistungen für ihre Versicher-ten dürfen die gesetzlichen Krankenkassen das umgesetzte

EG-Vergaberecht nicht a priori außer Betracht lassen. DasVergaberecht ist anzuwenden, wenn gesetzliche Kranken-kassen als öffentliche Auftraggeber mit Leistungserbringernentgeltliche Verträge über Lieferungen oder Dienstleistun-gen schließen, deren Auftragswerte die in der Vergabever-ordnung festgelegten Schwellenwerte erreichen. Auf derEbene der Zulassung von Leistungserbringern zur Teilnah-me an der GKV-Versorgung kommt eine Anwendung desVergaberechts aber nur in Betracht, wenn hierbei eine bin-dende Vorauswahl durch die Krankenkassen getroffen wird.Diese Vorauswahl muss die spätere Inanspruchnahme derausgewählten Leistungserbringer durch Versicherte bereitsso weit determinieren, dass von einem Beschaffungsvor-gang der Krankenkassen ausgegangen werden kann. Dies istlediglich im Bereich der stationären Versorgung denkbar.In den anderen Leistungsbereichen findet dagegen entwe-der schon gar keine relevante Vorauswahl statt, oder aberdie Auftragslage der Leistungserbringer wird nicht bereitsdurch die Zulassung, sondern erst durch die Auswahl derAnbieter im jeweiligen Bedarfsfall bestimmt. In Bezug aufdie konkrete Auftragserteilung an die Leistungserbringer istfür die Anwendbarkeit des Vergaberechts danach zu diffe-renzieren, ob die Anbieter durch die Versicherten oderdurch die jeweilige Krankenkasse ausgewählt werden. Nurwenn die Krankenkasse als öffentlicher Auftraggeber selbstdie Auswahl vornimmt, liegt ein öffentlicher Auftrag vor.Eine solche Konstellation ist im Hilfsmittelbereich sowiebei der Organisation von Taxi-Sammelfahrten möglich. Beider Versorgung mit Arzneimitteln, Heilmitteln, häuslicherKrankenpflege und vertragsärztlichen Leistungen erfolgt dieAuswahl hingegen durch die Versicherten. Im Rahmen dergesetzlichen Regelversorgung kann diese Auswahl auchnicht durch die Krankenkassen beeinflusst werden, so dasses an einem vergaberechtlich relevanten Beschaffungsvor-gang eines öffentlichen Auftraggebers fehlt. Etwas andereskönnte allenfalls gelten, wenn die Krankenkassen im Rah-men von Modellvorhaben oder integrierten Versorgungssys-temen ihre Versicherten z. B. durch Boni zugunsten be-stimmter Sondervertragspartner steuern.

62) Gemäß § 1 VOL/A ist die VOL/A die einschlägige Verdingungs-ordnung für alle Lieferungen und Leistungen, die keine Bauleis-tungen und keine freiberuflichen Tätigkeiten sind. Für letzteregilt die VOF.

Andreas Wahl

Die Intensivierung der gerichtlichen Kontrolle des EinheitlichenBewertungsmaßstabs und das Ende der Praxisbudgets Besprechung von BSG, Urt. v. 15. 5. 2002 – B 6 KA 33/01 R –, MedR 2003, 586 (in diesem Heft)

I. Einleitung

Die zum 1. 7. 1997 in den Einheitlichen Bewertungsmaß-stab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) eingeführtenPraxisbudgets sind vom BSG seither immer bestätigt wor-den1. In dem hier zu besprechenden Urteil hat das BSG anseiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, und den-noch hat es zur Abschaffung der Praxisbudgets zum 1. 7.2003 geführt. Dieses auf den ersten Blick paradoxe Ergeb-nis ist den Konsequenzen geschuldet, die das BSG nun-mehr aus der auch bisher schon angenommenen Beobach-

tungs- und Reaktionspflicht des Bewertungsausschusses ge-zogen hat.

Die Entscheidung beginnt recht unspektakulär damit,dass das BSG seine Rechtsprechung zum EBM-Ä insoweit

RiSG Dr. iur. Andreas Wahl, Ricarda-Huch-Straße 4, D-09116 Chemnitz

1) BSGE 86, 16, 19 ff.; BSG, SozR 3-2500 § 87 Nrn. 30 und 31.