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Die Architektur des Muttodaya Stúpa Warum ein Stúpa? Das buddhistische Waldkloster Muttodaya im Frankenwald, Gemeinde Stammbach, Landkreis Hof, wurde am Vesakhtag, dem Vollmondtag im Mai 2008 gegründet. Um das Anwesen -- ursprünglich im Jahr 1906 als Forst- amt gebaut, später auf verschiedenste Weise genutzt – auch aus der Entfernung als buddhistische Einrichtung erkennbar zu machen, wurde bereits von Anfang an der Bau eines Stúpa in Erwägung gezogen, geplant und im Jahr 2009 umgesetzt. Grundsätzliche Überlegungen zum Baustil Da der Buddhismus in Europa noch nicht lange verbreitet ist und noch keine maßgeblich kulturprägende Rolle spielt, hat sich bislang auch noch kein eigener europäischer oder deutscher Architekturstil für seine sakralen Gebäude herausgebildet. Für den Entwurf des Muttodaya Stúpa musste ein neuer Ansatz gefunden werden. Dieser beinhaltete folgende Überlegungen: 1. Die allgemeinen Kriterien der Stúpasymbolik, wie sie in Asien üblich sind, sollten beibehalten werden. 2. Eine Festlegung auf einen bestimmten asiatischen Stil sollte nicht stattfinden. 3. Eine Synthese mit Elementen einheimischer (Sakral-)Bauweise wurde angestrebt. Für den dritten Punkt gibt es bereits gelungene Beispiele in England, z.B. den Tempel und Kreuzgang im Kloster Amarávatì (Synthese mit südenglischer Scheunenkonstruktion) oder die Dhammahalle im Kloster Cittaviveka (Synthese mit dem Stil mittelalterlicher angelsächsischer Kirchen). Und wie sieht es mit Stúpas aus? In ganz Europa finden sich Hügelgräber (Tumuli) als früheste Bauwerke mit religiöser oder transzendenter Bedeutung. Die ältesten davon stammen aus dem Neolithikum, viele aus der Bronzezeit, und in unseren oberfränki- schen Mittelgebirgen vor allem als Zeugnisse keltischer Kultur, etwa ab dem 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. In Indien sind aus vor- und frühbuddhistischer Zeit ebenfalls Hügelgräber bekannt. Die ersten buddhistischen Stúpas gingen daraus hervor, als schlichte Erdhügel, in denen Reliquien untergebracht waren. Eines der wenigen erhaltenen Beispiele ist der Stúpa von Rámagáma (Rámagrám) im nepalesischen Terai. Frühe Steinbauwerke, wie zum Beispiel die Stúpas von Sanchi, lassen ihre Herkunft vom Erdhügelgrab noch erkennen. 1 Keltisches Hügelgrab Sanchi Stúpa

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Die Architektur des Muttodaya Stúpa

Warum ein Stúpa?

Das buddhistische Waldkloster Muttodaya im Frankenwald, Gemeinde Stammbach, Landkreis Hof, wurde am Vesakhtag, dem Vollmondtag im Mai 2008 gegründet. Um das Anwesen -- ursprünglich im Jahr 1906 als Forst-amt gebaut, später auf verschiedenste Weise genutzt – auch aus der Entfernung als buddhistische Einrichtung erkennbar zu machen, wurde bereits von Anfang an der Bau eines Stúpa in Erwägung gezogen, geplant und im Jahr 2009 umgesetzt.

Grundsätzliche Überlegungen zum Baustil

Da der Buddhismus in Europa noch nicht lange verbreitet ist und noch keine maßgeblich kulturprägende Rolle spielt, hat sich bislang auch noch kein eigener europäischer oder deutscher Architekturstil für seine sakralen Gebäude herausgebildet. Für den Entwurf des Muttodaya Stúpa musste ein neuer Ansatz gefunden werden. Dieser beinhaltete folgende Überlegungen:

1. Die allgemeinen Kriterien der Stúpasymbolik, wie sie in Asien üblich sind, sollten beibehalten werden.

2. Eine Festlegung auf einen bestimmten asiatischen Stil sollte nicht stattfinden.

3. Eine Synthese mit Elementen einheimischer (Sakral-)Bauweise wurde angestrebt.

Für den dritten Punkt gibt es bereits gelungene Beispiele in England, z.B. den Tempel und Kreuzgang im Kloster Amarávatì (Synthese mit südenglischer Scheunenkonstruktion) oder die Dhammahalle im Kloster Cittaviveka (Synthese mit dem Stil mittelalterlicher angelsächsischer Kirchen). Und wie sieht es mit Stúpas aus?

In ganz Europa finden sich Hügelgräber (Tumuli) als früheste Bauwerke mit religiöser oder transzendenter Bedeutung. Die ältesten davon stammen aus dem Neolithikum, viele aus der Bronzezeit, und in unseren oberfränki-schen Mittelgebirgen vor allem als Zeugnisse keltischer Kultur, etwa ab dem 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung.

In Indien sind aus vor- und frühbuddhistischer Zeit ebenfalls Hügelgräber bekannt. Die ersten buddhistischen Stúpas gingen daraus hervor, als schlichte Erdhügel, in denen Reliquien untergebracht waren. Eines der wenigen erhaltenen Beispiele ist der Stúpa von Rámagáma (Rámagrám) im nepalesischen Terai. Frühe Steinbauwerke, wie zum Beispiel die Stúpas von Sanchi, lassen ihre Herkunft vom Erdhügelgrab noch erkennen.

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Keltisches Hügelgrab

Sanchi Stúpa

Somit lag es nahe, den Muttodaya Stúpa als Erd-hügeldenkmal zu konzipieren und beim Bau auf ein-heimische Materialien und Bauweisen zurückzu-greifen. Das Konzept wurde von den Bhikkhus Kalyáóo, Cattamalo (Abt des Klosters Muttodaya) und Kevali (Abt des Klosters Wat Pá Nánáchát in Thailand) in Zusammenarbeit mit dem Landschafts-gestalter und buddhistischen Verleger Raimund Beyerlein im Jahr 2008 entwickelt und im Jahr 2009 unter der Bauaufsicht von Herrn Beyerlein umge-setzt.

Baumaterialien und Bauweise

Die Hauptmasse (Aóða) des Stúpa ist aufgehäufte, verdichtete Erde, hauptsächlich ein Gemisch aus Lehm, Sand und Feldsteinen. Für die Basis (Þhána), den oberen Wandelgang (Caòkama) und die Reli-quienkammer (Hammiká) wurden lokale Gesteine verwendet – Gneis und Amphibolit. Die Grundplatte am Oststein-Altar ist aus lokalem Schiefer.

Der Bodenbelag des oberen Wandelgangs ist Gneis-split, der untere Wandelgang ist mit Rasen bedeckt und mit Bäumen umgrenzt (Eichen, Elsbeere, Speier-ling, Hainbuche).

Der Treppenzugang zur Hammiká wurde aus Fichten-stämmen und -brettern grob gezimmert.

Der Erdhügel wurde mit Planierraupe und Rüttel-platte verdichtet, später mit dem Wurzelwerk des Bewuches (Bodendeckerrosen) fixiert.

Die meisten Steinarbeiten wurden in Trockenmauer-Bauweise ausgeführt, nur für die Deckplatte der Ham-miká und die darin enthaltene Reliquienkammer wur-de Mörtel verwendet.

Beschreibung

Das Muttodaya Hügeldenkmal hat einen Durch-messer von 16 Metern und eine Höhe von 5 Metern bis zur Oberseite der Hammiká, von 7 Metern bis zur Spitze.

Der Grundriss sind konzentrische Kreise, einschließ-lich der (sonst meist quadratischen) Basis, vom unte-ren Wandelgang bis hoch zur Reliquienkammer, um die Maóðala-Charakteristik hervorzuheben und die Verwandtschaft zu den keltischen Tumuli zu verdeut-lichen.

Der Zugangsweg vom Hauptgebäude ist eine schma-le Allee, die in den unteren, 4 Meter breiten, Wandel-gang mündet.

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Die Basis ist 50 cm hoch und 1 Meter breit. Die 4 Kardinalrichtungen sind durch obeliskartig aufge-richtete, etwa 1 Meter hohe Amphibolit-Brocken markiert. Die Markierung in Ostrichtung hat die Form eines megalithischen Tores, als Zugang zur Andacht, zugleich Tisch für Opfergaben (Blumen). Zu Füßen des Tisches liegt eine Schieferplatte, die das Gefäß für Räucherwerk und eine Kerzenlaterne trägt.

Der eigentliche Erdhügel (Aóða) ist 4,5 Meter hoch und misst 14 Meter im Durchmesser. Den Übergang von der Basis zum Aóða markiert ein Ring aus Gamanderstauden (Hummel- und Bienenweide!), die 4 Richtungssteine sind von Buchsbäumen flankiert, der Hauptanteil ist mit Bodendeckerrosen bepflanzt – als Augenweide und landschaftsgärtnerische Besonderheit, zugleich als Erosionsschutz.

Der Hügel kann über eine grob gezimmerte Holz-treppe betreten werden. Auf dem Gipfel des Aóða befindet sich ein weiterer, etwa 1 Meter breiter obe-rer Wandelgang zur Umschreitung der Hammiká. Er ist mit Gneisbrocken eingefasst. In den Splitbelag sind 8 Speichen aus Gneisplatten eingelegt, in der Form eines Dhammarades. Die äußeren Enden der Speichen sind durch kleine „Obeliske“ hervorge-hoben.

Die runde Hammiká ist 50 cm hoch und misst 2 Meter im Durchmesser. Sie enthält eine zugemauerte Reliquien-kammer, in der „vervielfältigte“ Buddhareliquien und Reliquien verwirklichter Meister untergebracht sind.

Statt einer Schirmspitze (Chatta) bildet eine 2 Meter hohe Buddhastatue aus Bronze (Sukhothai-Stil) den Gipfel des Hügeldenkmals. Die Statue blickt nach Osten.

Bedeutung und Nutzung

Das Hügeldenkmal wird bei offiziellen Feiern des Klosters rituell umschritten (Mágha-, Visákha-, Ásá¿ha-Pújá und Neujahr), ist aber ganzjährig Fokuspunkt der Andacht.

Der Stúpa ist öffentlich leicht zugänglich und weist keine exotischen kulturellen Eigenarten auf, was für viele allgemein spirituell interessierte Menschen aus der Umgebung die Hemmschwelle für die Annäherung an das Kloster herabsetzt. (Es wurden schon Katholiken beim Niederlegen von Blumen am Oststein-Altar beobachtet.)

Der Stúpa (und das Kloster insgesamt) hat sich zu einer regionalen Touristen-Attraktion entwickelt und ist auf Wandertafeln, Wanderkarten und in Reiseführern verzeichnet.

Der untere Wandelgang wird oft zur Gehmedita-tion benutzt. Im Sommer lädt der Rasenbelag zum Barfußgehen ein.

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Schematische Darstellung

Legende:

1 Buddhastatue2 Hammiká (Sockel für die Statue und Reliquienkammer)3 Oberer Wandelgang / Dhammarad4 Aóða / Erdhügel5 Þhána / Basis6 Richtungssteine (im Osten der Oststein-Altar)7 Unterer Wandelgang

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Widmung

Das Hügeldenkmal ist den 28 Buddhas der Vergangenheit gewidmet, nach der Liste im Buddhavaísa des Khuddakanikáya. Der Pújá-Text zur speziellen Ehrerweisung ist Áþánáþiya Paritta. Bei Kerzenprozessionen und anderen Umschreitungen wird in der Regel Buddha-, Dhamma, Saòghánussati rezitiert („Itipi so Bhagavá...“).

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Symbolik

Im Aufriss des Muttodaya Hügeldenkmals finden wir Dreistufigkeit wieder, wie sie in den meisten buddhisti-schen Stúpas anzutreffen ist.

Der Muttodaya Stúpa ist vom Grundriss her ein Maóðala. Auf die vielfältige Symbolik im Maháyána soll hier nicht eingegangen werden. Es werden nur einige Aspekte der Fünfpoligkeit aufgezeigt, soweit sie im Palikanon zu finden sind.

Fünf Beispielaspekte der vier Pole: Beispielaspekte des Zentrums:

Beschützende feinstoffliche WesenLokapála (Weltenschützer)

Kontinent (mythisch/geografisch)Weisheitspotenzial, Erkenntnis von...

Spirituelle Eigenschaft

Beschützende eigene QualitätSchutzfunktion „Besinnung auf...“

Mittelpunkt des UniversumsWeisheitspotenzial, Erkenntnis von...

Spirituelle Eigenschaft

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