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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 91 (2014), Heft 2 123 DOI: 10.1002 / bate.201300104 BERICHT REPORT Henning Liebig*, Paul Rogers, Heiko Trumpf, Jim Eyre BERICHT Die Baakenhafenbrücke – innovative Nutzungsvielfalt und Nachhaltigkeit 1 Anlass und Bedarf Die Baakenhafenbrücke markiert die wichtigste Verbin- dung im neuen Stadtteil HafenCity in Hamburg. Über der Einfahrt eines ehemaligen Seehafenbeckens ist sie ein markanter Blickpunkt des Quartiers. Die leicht ge- schwungene, den Kraftflüssen folgende Form macht sie zu einer eleganten Erscheinung. Zugleich genügt sie den Anforderungen des modernen Straßenverkehrs sowie den höchsten Ansprüchen der Nachhaltigkeit. Südöstlich des Hamburger Zentrums entsteht mit der Ha- fenCity bis etwa 2025 ein zentral gelegener Stadtteil mit maritimem Flair. Auf einer Fläche von 157 ha werden Ar- beiten und Wohnen, Freizeit, Tourismus und Einzelhan- del feinkörnig miteinander vermischt. Geplant sind 45000 Arbeitsplätze sowie 6 000 Wohnungen auf etwa 2,32 Mio m 2 Bruttogeschossfläche. Für die hohe Qualität der HafenCity stehen der Anspruch an Urbanität und ökologische Nachhaltigkeit sowie ein innovativer Ent- wicklungsprozess. Geprägt wird das Stadtviertel von der Lage an der Nor- derelbe und vier ehemaligen Hafenbecken. Es liegt außer- halb der Hauptdeichlinie und erlebt das tägliche Wechsel- spiel der Tide. Der mehr als 1 km lange Baakenhafen ist das mit Abstand größte dieser Becken. Die zwischen Elbe und Baakenhafen liegende und bisher nur im Osten an das Wegenetz angeschlossene Halbinsel ist mit der neuen Brücke auch im Westen erstmals direkt erreichbar. Neben der U-Bahn-Station HafenCity Universität quert sie den Baakenhafen und überspannt dabei auch die Spazierwe- ge auf den Kais: Damit können Fußgänger fast 11 km Uferpromenade nutzen, ohne eine Straße passieren zu müssen. Autos und Radfahrer sollen die Brücke zügig queren kön- nen, gleichzeitig soll Fußgängern eine hohe Aufenthalts- qualität über dem Wasser geboten werden. Deshalb wur- den diese Verkehrswege mithilfe skulptural geformter Hauptträger getrennt: In ihrem Schutz bewegen sich die Fußgänger barrierefrei auf sanft geschwungenen Wegen und können auf Sitzstufen und Belvederes verweilen. Mit Im August 2013 wurde die Baakenhafenbrücke eröffnet und der Öffentlichkeit übergeben. Die Brücke wurde am größten Hafen- becken der neuen Hamburger HafenCity realisiert und ist die infrastrukturelle Voraussetzung für die dichte Mischung aus Wohn- und Freizeitnutzung, grünen Freiräumen und Arbeits- plätzen am Hafenbecken. Zugleich genügt sie den vielfältigen Nutzungsanforderungen einer modernen, nachhaltigen Stadt- entwicklung, schafft Aufenthaltsräume und bindet sich harmo- nisch ins Umfeld ein, ohne Barrieren zu bilden. Die Brücke kann sowohl zu Fuß als auch mit dem Fahrrad oder Auto überquert werden. Für Fußgänger ist eine besonders at- traktive Lösung entwickelt worden: Zwei getrennt von der Fahr- bahn geführte, geschwungene Gehwege, die der Brücke ihre charakteristische Form verleihen, bieten in ihren Wölbungen einladende Aussichtspunkte und Sitzgelegenheiten und laden zum Verweilen ein. In Bezug auf Entwicklung und Nachhaltig- keit geht von dem Brückenbauprojekt eine starke Signalwir- kung aus, die weit über die Grenzen der HafenCity hinaus Ein- fluss nehmen wird. Keywords Brücke; Nachhaltigkeit; HafenCity; Hamburg; Happold; Aushubelement The Baakenhafen bridge – Innovative, multifunctional and sustainable Opened in August 2013 the new Baakenhafen bridge is an im- portant piece of urban infrastructure, unlocking a key site on the HafenCity development in Hamburg. In the short term, the bridge will serve as a means of access to the Baakenhafen peninsula for the site wide construction effort. Following this wave of development, the bridge will serve its primary purpose of connecting the inhabitants and users of this new district with the city to the North. For this reason, the bridge has been designed to accommodate several modes of travel: vehicular, bicycle and pedestrian. The bridge provides generous foot- paths along both edges, isolated from vehicular traffic, creating a quiet, protected environment. The rise and fall of these foot- paths provide unique views in all directions. While the footpath dips towards the water it also swells in width creating a gener- ous terraced seating area. Pedestrians are invited to sit and use the bridge as a destination as well as a connection. The impact of the bridge will be felt far beyond the extent of its im- mediate site as it acts as a catalyst for development and regen- eration on a neighbourhood scale. Keywords Bridge; sustainability; structural steelwork; HafenCity; lift-out element *) Corresponding author: [email protected] Submitted for review: 20 December 2013 Revised: 20 December 2013 Accepted for publication: 06 January 2014

Die Baakenhafenbrücke - innovative Nutzungsvielfalt und Nachhaltigkeit

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 91 (2014), Heft 2 123

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Henning Liebig*, Paul Rogers, Heiko Trumpf, Jim Eyre BERICHT

Die Baakenhafenbrücke – innovative Nutzungsvielfaltund Nachhaltigkeit

1 Anlass und Bedarf

Die Baakenhafenbrücke markiert die wichtigste Verbin-dung im neuen Stadtteil HafenCity in Hamburg. Über derEinfahrt eines ehemaligen Seehafenbeckens ist sie einmarkanter Blickpunkt des Quartiers. Die leicht ge-schwungene, den Kraftflüssen folgende Form macht siezu einer eleganten Erscheinung. Zugleich genügt sie denAnforderungen des modernen Straßenverkehrs sowieden höchsten Ansprüchen der Nachhaltigkeit.

Südöstlich des Hamburger Zentrums entsteht mit der Ha-fenCity bis etwa 2025 ein zentral gelegener Stadtteil mitmaritimem Flair. Auf einer Fläche von 157 ha werden Ar-beiten und Wohnen, Freizeit, Tourismus und Einzelhan-del feinkörnig miteinander vermischt. Geplant sind45 000 Arbeitsplätze sowie 6 000 Wohnungen auf etwa2,32 Mio m2 Bruttogeschossfläche. Für die hohe Qualitätder HafenCity stehen der Anspruch an Urbanität und

ökologische Nachhaltigkeit sowie ein innovativer Ent-wicklungsprozess.

Geprägt wird das Stadtviertel von der Lage an der Nor-derelbe und vier ehemaligen Hafenbecken. Es liegt außer-halb der Hauptdeichlinie und erlebt das tägliche Wechsel-spiel der Tide. Der mehr als 1 km lange Baakenhafen istdas mit Abstand größte dieser Becken. Die zwischen Elbeund Baakenhafen liegende und bisher nur im Osten andas Wegenetz angeschlossene Halbinsel ist mit der neuenBrücke auch im Westen erstmals direkt erreichbar. Nebender U-Bahn-Station HafenCity Universität quert sie denBaakenhafen und überspannt dabei auch die Spazierwe-ge auf den Kais: Damit können Fußgänger fast 11 kmUferpromenade nutzen, ohne eine Straße passieren zumüssen.

Autos und Radfahrer sollen die Brücke zügig queren kön-nen, gleichzeitig soll Fußgängern eine hohe Aufenthalts-qualität über dem Wasser geboten werden. Deshalb wur-den diese Verkehrswege mithilfe skulptural geformterHauptträger getrennt: In ihrem Schutz bewegen sich dieFußgänger barrierefrei auf sanft geschwungenen Wegenund können auf Sitzstufen und Belvederes verweilen. Mit

Im August 2013 wurde die Baakenhafenbrücke eröffnet und derÖffentlichkeit übergeben. Die Brücke wurde am größten Hafen-becken der neuen Hamburger HafenCity realisiert und ist dieinfrastrukturelle Voraussetzung für die dichte Mischung ausWohn- und Freizeitnutzung, grünen Freiräumen und Arbeits-plätzen am Hafenbecken. Zugleich genügt sie den vielfältigenNutzungsanforderungen einer modernen, nachhaltigen Stadt-entwicklung, schafft Aufenthaltsräume und bindet sich harmo-nisch ins Umfeld ein, ohne Barrieren zu bilden.Die Brücke kann sowohl zu Fuß als auch mit dem Fahrrad oderAuto überquert werden. Für Fußgänger ist eine besonders at-traktive Lösung entwickelt worden: Zwei getrennt von der Fahr-bahn geführte, geschwungene Gehwege, die der Brücke ihrecharakteristische Form verleihen, bieten in ihren Wölbungeneinladende Aussichtspunkte und Sitzgelegenheiten und ladenzum Verweilen ein. In Bezug auf Entwicklung und Nachhaltig-keit geht von dem Brückenbauprojekt eine starke Signalwir-kung aus, die weit über die Grenzen der HafenCity hinaus Ein-fluss nehmen wird.

Keywords Brücke; Nachhaltigkeit; HafenCity; Hamburg; Happold;Aushubelement

The Baakenhafen bridge – Innovative, multifunctional andsustainableOpened in August 2013 the new Baakenhafen bridge is an im-portant piece of urban infrastructure, unlocking a key site onthe HafenCity development in Hamburg. In the short term, thebridge will serve as a means of access to the Baakenhafenpeninsula for the site wide construction effort. Following thiswave of development, the bridge will serve its primary purposeof connecting the inhabitants and users of this new districtwith the city to the North. For this reason, the bridge has beendesigned to accommodate several modes of travel: vehicular,bicycle and pedestrian. The bridge provides generous foot-paths along both edges, isolated from vehicular traffic, creatinga quiet, protected environment. The rise and fall of these foot-paths provide unique views in all directions. While the footpathdips towards the water it also swells in width creating a gener-ous terraced seating area. Pedestrians are invited to sit anduse the bridge as a destination as well as a connection. Theimpact of the bridge will be felt far beyond the extent of its im-mediate site as it acts as a catalyst for development and regen-eration on a neighbourhood scale.

Keywords Bridge; sustainability; structural steelwork; HafenCity; lift-outelement

*) Corresponding author: [email protected] for review: 20 December 2013Revised: 20 December 2013Accepted for publication: 06 January 2014

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ihrer Architektur bietet die Brücke zudem reizvolleRaumerlebnisse, fügt sich harmonisch in das Umfeld einund wirkt identitätsstiftend.

Unter der Brücke können die typischen Hamburger Ha-fenbarkassen unverändert in das ehemalige Hafenbeckeneinfahren. Damit auch große Museumsschiffe hier festma-chen können, gibt es ein Aushubelement: Dabei hebt einPonton mit der Kraft der Tide das Mittelsegment derKragträgerkonstruktion heraus. Sogar die Fahrbahn lässtsich von zwei auf drei Fahrstreifen erweitern. Damit kannauf ein verändertes Verkehrsaufkommen reagiert werden,wenn sich auf der Halbinsel ein Veranstaltungsort etab-liert oder die Stadt über die Norderelbe hinweg weiterent-wickelt.

2 Nachhaltigkeit

Eine entscheidende Innovation bei der Baakenhafenbrü-cke ist das Gesamtkonzept der Nachhaltigkeit. ModerneIngenieurbauwerke im innerstädtischen Bereich sehensich einer Vielzahl von Anforderungen ausgesetzt, diesich in unserer schnelllebigen Zeit häufig ändern unddabei mit hohen Ansprüchen an Lebensdauer und nach-

haltiger Nutzung in Konkurrenz stehen. Bei diesem Brü-ckenprojekt wurde ein Konzept realisiert, das sich wan-delnde Anforderungen an das Bauwerk berücksichtigtund eine hohe Nutzungsflexibilität bietet. Mit einemdurch die Kraft der Tide aushebbaren Brückenelementzur Realisierung einer Schiffsdurchfahrt wird Neulandbeschritten, Kosten gespart und natürliche Ressourcengenutzt.

Eine objektive, vereinheitlichte Bewertung der Nachhal-tigkeit von Ingenieurbauwerken erfolgte in Deutschlandbisher nicht. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)konzipiert in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt seiteinigen Jahren ein Bewertungssystem, das zukünftig einetransparente Quantifizierung der Nachhaltigkeit von In-genieurbauwerken ermöglicht [1]. Dieses Bewertungssys-tem wurde an der Baakenhafenbrücke als eines von fünfPilotprojekten erprobt und verifiziert [2]. Das Bauwerk istdie bundesweit erste Brücke, bei der die Nachhaltigkeits-bewertung bereits in den Wettbewerb integriert wurdeund wichtiger Bestandteil der Planungs- und Realisie-rungsphase war. Bis in die Details hat dieser Prozessimmer wieder neue Wege eröffnet und Lösungen fürNachhaltigkeitsanforderungen hervorgebracht. So wirdbei der Verbindung der V-Stützen mit dem Überbau auf

Bild 1 Lageplan und ÜbersichtGeneral overview of this site location

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wartungsintensive Lager verzichtet. Auch für die Wartungder gesamten Beleuchtung muss niemand mehr „unterdie Brücke“, weil alle Instandhaltungsarbeiten vom Brü-ckendeck aus erfolgen. Die simple Idee, die unterenQuerträgerflansche auf weniger als 45° zu neigen, ist einwirkungsvoller Schutz gegen Verschmutzung durch nis-tende Vögel. Die in die Borde integrierte Entwässerungvermeidet, dass die Konstruktion von Ablaufrohrendurchdrungen wird. Diese Beispiele verdeutlichen, dassdas Brückenbauwerk eine Vielzahl von Nachhaltigkeits-anforderungen erfüllt.

Bei der Analyse und Optimierung von Ausführungsde-tails wurde die jeweilige Wirkung im Lebenszyklus unter-sucht. Dazu wurden sowohl ökologische Konsequenzenmithilfe einer Ökobilanz (LCA) als auch ökonomischeFolgen mit einer Lebenszykluskostenrechnung (LCC)analysiert und zur Entscheidungsfindung verwendet. DieOptimierung der Nachhaltigkeit des Bauwerks erstrecktesich dabei nicht nur auf die Planung, sondern war auchwesentliches Ziel im Rahmen der Bauausführung. Ent-sprechend wurde die Bautätigkeit von einer gesondertenFachbauleitung „Nachhaltigkeit“ begleitet.

Das Ergebnis der Nachhaltigkeitsbeurteilung mithilfe desBewertungssystems der Bundesanstalt für Straßenwesenkonnte ausgehend vom Wettbewerb bis zur Fertigstel-lung nicht nur gehalten, sondern sogar verbessert wer-den. Das Bauwerk erreicht die höchste Beurteilungsstufe„sehr gut“. Bild 2 zeigt die Bewertungsergebnisse derBaakenhafenbrücke in den einzelnen Kategorien. DieAnalyse verdeutlicht insbesondere, dass die Brücke überden Baakenhafen in allen Nachhaltigkeitsdimensionenvon der Ökologie über die Ökonomie bis hin zur Funk-tionalität und der technischen Qualität ein exzellentesErgebnis erzielt und damit in allen Bereichen ein in sichstimmiges Nachhaltigkeitskonzept umgesetzt wurde. Diepositiven Erfahrungen aus der Nachhaltigkeitszertifizie-rung im Projekt Baakenhafenbrücke werden zukünftigdazu beitragen, die Qualität von Ingenieurbauwerkenüber den gesamten Lebenszyklus entscheidend zu ver-bessern.

3 Architektur

3.1 Städtische Form

Aus städtebaulicher Sicht orientiert sich die Brücke ander Linienführung des Lohseparks und verbindet dennördlichen mit dem südlichen Teil des Quartiers „Baa-kenhafen“. Der sanfte Schwung der vom Straßenverkehrgeschützten Fußwege bringt Spaziergänger näher zumWasser und ermöglicht dort einzigartige Ausblicke in alleRichtungen. Der Weg weitet sich, während er sich zumWasser neigt, und schafft so eine großzügige Terrasse mitSitzgelegenheiten. Von einer langen Holzbank aus hatman einen ungestörten Blick über die tiefer liegendeBrüstung hinweg. Fußgänger werden zum Verweilen ein-geladen; die Brücke ist somit nicht nur Verbindung, son-dern auch Ziel. In Reaktion auf den gestuften Platz ent-lang des Nordufers am Baakenhafen mit zukünftig leben-diger Nutzung insbesondere durch die HafenCityUniversität bildet die Brücke einen wichtigen Bausteinzur Gestaltung des urbanen Raums (Bild 3).

3.2 Architektonische Antwort

Herausragende Brücken zeichnen sich durch eine beson-dere Verbindung von Architektur und Technik aus, so-dass eine gemeinsame Komposition entsteht. Die Formder Baakenhafenbrücke ist zugleich effizient, inspirierendund skulptural. Das aushebbare Mittelsegment führt zueiner visuell ausbalancierten Auskragung, die sowohl insich als auch während der Aushubsituation für Stabilitätsteht. Die Hauptlängsträger spiegeln die Effizienz desTragwerks, indem sie ihre maximale Höhe über den Stüt-zen erreichen und sich zur Feldmitte und zu den Endenhin verjüngen. Diese Wellenbewegung erzeugt eine mar-kante Ansicht, die von der Sekundärstruktur noch ver-stärkt wird.

Um die Durchfahrtshöhe für Barkassen und Hafenfährensowie eine schlanke Ansicht zu erreichen, befindet sichder Hauptlängsträger sowohl unter als auch über dem

Bild 2 Ergebnis der Nachhaltigkeitsbewertung der Baaken hafenbrückeResult of the sustainability analysis of the Baakenhafen bridge

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Bild 3 Die fertiggestellte BaakenhafenbrückeThe completed Baakenhafen bridge

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Straßenniveau. Durch diese Anordnung wird zudem dieräumliche und akustische Trennung des Fußgängerbe-reichs von der Fahrbahn erreicht. Das Haupttragwerk er-möglicht somit unterschiedliche Höhen des Fußwegs. Dienordwestliche Ecke senkt sich am weitesten zum Wasserhin und schafft damit eine optische Verbindung zum Loh-separk. Im Südwesten steigt der Fußweg über Straßenni-veau und erlaubt so einen freien Blick nach Westen überdie Elbe und nach Osten in den Baakenhafen. „Insider“werden schnell herausfinden, dass die Brücke einenguten, wasserseitigen Blick auf das nahe liegende Kreuz-fahrtterminal eröffnet. Die Rotationssymmetrie erscheintaus jedem Blickwinkel als ausgewogene und dynamischeKomposition. In der Untersicht spannen die Querträgerüber die gesamte Breite der Brücke. Durch die Verbin-dung der den Fußweg tragenden Kragarme mit demHauptträger entsteht eine fließende Form, die sich überdie Länge der Brücke in ihren Verhältnissen leicht verän-dert. Diese angevouteten Kragarme ermöglichen eine Mo-dulation in der Höhe und erzeugen einen Licht-Schatten-Rhythmus bei wechselnden Tageszeiten.

3.3 Strompfeiler

Das Aushubelement erfordert Brückenpfeiler an zweiPunkten im Hafenbecken. Um die Spannweiten zu redu-zieren, wurden nach außen lehnende V-Stützen paarwei-se am Viertelspunkt zwischen Widerlager und Mittelteilplatziert. Die Massivität der V-förmigen Stahlstützen undder robusten Betonpfeilerkappen wird durch facettierteOberflächen optisch gebrochen. Wie alle Elemente derBrücke sind auch die Strompfeiler eine Kombinationtechnischer Effizienz und reizvoller Optik.

3.4 Beleuchtung

Die maßgeschneiderten, geneigten Laternenmasten bieteneine funktionale Beleuchtung für alle Nutzer. Die Be-leuchtung gibt Sicherheit im öffentlichen Raum und unter-streicht in besonderem Maße die architektonische Form.

Außer der funktionalen Beleuchtung wurden mehrere at-mosphärische Beleuchtungsakzente gesetzt. Verdeckte li-neare Lichtelemente beleuchten die Querträger unter derFahrbahn. Dieser Rhythmus von schwach beleuchtetenOberflächen legt den Schwerpunkt auf die Änderung inder Geometrie über die Länge der Brücke. Von oben gese-hen akzentuiert ein Lichtband am Fuß der äußeren Brüs-tung den sanften Schwung der Brücke. Die zusätzlicheBeleuchtung an den V-Stützen unterstreicht die Leichtig-keit des Designs (Bild 4).

3.5 Details

Bei einer Brücke, die hohen Verkehrslasten standhaltensoll, muss jedes Element den Anforderungen auf Robust-heit, Funktionalität und Qualität entsprechen. Besonde-res Augenmerk wurde auf die Elemente gelegt, die dieFußgänger zum Verweilen einladen. Die elegante Edel-stahlbrüstung steht beispielhaft für die hohe Qualität desDesigns. Die Neigung der Brüstung nach innen, eine Er-weiterung der äußeren Kante, hält Kletterer ab. Die verti-kalen Edelstahlprofile des Geländers variieren in derLänge und akzentuieren die Wellenbewegung des Ent-wurfs. Wie die skulpturale Brüstung sind auch die Holz-bänke und Sitzstufen behutsam in die Gesamtform derBrücke integriert.

4 Tragwerk

4.1 Allgemeines

Die Grundidee des Tragwerks ist ein schiefwinkliges, se-miintegrales, aus drei Abschnitten bestehendes Brücken-bauwerk aus Stahl. Die Auflagerbänke der schiefwinkli-gen Widerlager liegen parallel zum Versmannkai auf derNordseite und dem Petersenkai im Süden, sodass sich dieBauwerksachsen mit den Auflagerachsen und Querträ-gern in einem Winkel von weniger als 60° zur Brücken-längsachse schneiden (Bild 5). Die beidseitigen Endfelderkragen über die in zwei Doppel-V-Stützen aufgelösten

Bild 4 BeleuchtungLighting

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Strompfeiler hinaus und tragen das Aushubteil des Mittel-feldes. Die Doppel-V-Stützen bilden durch die lagerlosenVerbindungen mit den Hauptträgern zwei Rahmentrag-werke. Auf den Widerlagern ruhen die Endfelder auf je-weils zwei Elastomerlagern. Das Aushubteil wird analogzu einem Gerbergelenk auf den Kragarmen der Endfelderaufgelagert und ruht auf Kalottenlagern.

Das geradlinige Bauwerk hat eine Gesamtstützweite von166,11 m und unterteilt sich in drei Abschnitte:– nördlicher fester Überbau mit einer Spannweite Wi-

derlager-Nord zum V-Stützen-Pfeiler von 44,06 m plusAuskragung von 19,80 m

– mittleres Aushubelement mit einer Spannweite von38,39 m beiden Auskragungen des festen Überbausaufgelegt, wobei der südliche Überbau den Festpunktbildet

– südlicher fester Überbau mit einer Spannweite Wider-lager-Süd zum V-Stützen-Pfeiler von 44,05 m plus Aus-kragung von 19,80 m

Eine Besonderheit der Verkehrsraumplanung stellt dieflexible Erweiterungsfähigkeit des Fahrzeugverkehrs vonzwei auf drei Spuren dar. Für die Erschließung des neuenStadtquartiers ist eine zweispurige Verkehrsführung mitFahrspuren von jeweils 3,5 m (bzw. 3,75 m), einem Mit-telstreifen von 2 m (bzw. 1,5 m) und außen liegendenRadstreifen von jeweils 1,975 m über das Brückenbau-werk vorgesehen. Diese Verkehrsführung kann ohne bau-liche Maßnahmen bei Bedarf, zum Beispiel bei Eventsoder Stoßverkehr, auf eine dreispurige Verkehrsführungmit Fahrspuren von jeweils 3,25 m und außen liegendenRadstreifen von 1,6 m angepasst werden. Für diese flexi-ble Erweiterungsfähigkeit sind lediglich Markierungs -arbeiten erforderlich (Bild 6).

Außerhalb der beiden Hauptträger sind die in der Breiteveränderlichen Gehwege (minimal 2,80 m Breite) mit par-tiellen Sitzbänken als Belvedere-Terrassen in unterschied-licher Höhenlage angeordnet (Bild 7).

Auf den uferseitigen Promenadenwegen, Versmannkaiund Petersenkai, können Fußgänger und Radfahrer dieBrücke neben den Widerlagern bei einer lichten Höhevon mindestens 3,00 m bequem unterqueren. Die lichteUnterkante der Durchfahrtshöhe unter dem Aushub -element liegt bei 7,50 m über NN, sodass kleinere Schif-fe und Barkassen tideabhängig auf einer Durchfahrtsbrei-te von 29,68 m passieren können. Das Bauwerk ist ent-sprechend auf Schiffsanprall zur Gewährleistung derLagesicherheit bemessen (Schiffstoß auf V-Stützen-Pfeilerbis +5,50 m NN: 3,5 MN, Schiffstoß auf V-Stützen-Pfeilerbis +7,50 m NN: 1,2 MN, Schiffstoß auf Überbau:1,0 MN).

4.2 Baugrundsituation und Gründung der Unterbauten

Die Baugrundaufschlüsse ergaben unterhalb der landsei-tigen Auffüllungen der ehemals natürlichen Elbmarsch-Geländeoberfläche holozäne Kleischichten und lockerebis mitteldichte Sandschichten mit Torfeinlagerungen imWechsel. Unterhalb dieser Wechselschichten liegt weich-sel-eiszeitlicher mitteldichter Sand mit Steineinlagerun-gen (Flusssande/Schmelzwassersande) und darunterhalbfester elster-kaltzeitlicher Geschiebemergel vor, dieden tragfähigen Baugrund bilden. Im Hafenbecken wurdebis zu einer Tiefe von 12 m unter NN Hafenschlick vorge-funden. Die Gründungskonzepte wurden ausgehend vonder Baugrundsituation und den Aufgaben der Grün-dungskörper als Bohrpfahlgründung mit Mindesteinbin-

Bild 6 Erweiterung der Verkehrsführung von zwei auf drei FahrspurenExtension of the road from two to three traffic lanes

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delängen in die kleifreien Flusssande/Schmelzwassersan-de entwickelt. Die Widerlager gründen auf 18 bezie-hungsweise 19 Bohrpfählen mit 1,20 m Durchmesser undLängen von zwölf Metern und 21 m nach DIN EN 1536mit Pfahlfußaufweitung der vorderen Pfahlreihe (unter-halb der Widerlagerwand). An den Kaimauern wurdenStahlrohrhülsen eingebracht, um eine zusätzliche Belas-tung des alten Kaimauerbestandes aus der Tiefgründungauszuschließen. Nach dem Setzen der oberen Stahlrohr-hülse wurden die Bohrpfähle unverrohrt mit Betonitstüt-zung hergestellt.

Die Strompfeiler gründen auf jeweils zwölf konventionel-len Bohrpfählen mit 1,50 m Durchmesser und Längenvon 30 m nach DIN EN 1536 mit Pfahlfußaufweitung derjeweils inneren Pfahlreihe (zum Aushubelement in derMitte). Die Stahlrohrhülsen dienen der Stützung der obe-ren Bodenschichten und der späteren Auflagerung derFertigteilelemente im Bauzustand.

Der verbreiterte Fuß der höher belasteten Pfähle sorgt füreine höhere Tragfähigkeit beziehungsweise reduzierteLänge der Pfähle.

Während die Herstellung der landseitigen Widerlagerkonventionell erfolgte, wurde für die Erstellung der bei-den Strompfeiler ein baupraktisch effizientes und risiko-armes Bauverfahren ausgeschrieben [3], (Bild 8).

4.3 Stahlüberbauten

Der Stahlüberbau besteht aus jeweils zwei luftdicht verschweißten Hohlkastenträgern mit angeschrägtenStegblechen bei einer wechselnden Bauhöhe von 2,50bis 4,25 m. Der Abstand der Hauptträger bezogen auf dieAußenabmessungen beträgt 18,24 m. Die Hauptträgersind mit offenen und zur Brückenmitte hin angevoutetenQuerträgern (minimale Bauhöhe von 0,80 m) im Ab-

Bild 7 QuerschnittCross section

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stand von 3,00 m in Brückenlängsrichtung verbunden,die das orthotrope Fahrbahndeck und die rippenver-stärkten Gehwege tragen. Die Flanschprofile der Quer-träger sind zusätzlich in der Breite von 150 bis 300 mmvariabel und laufen zur Auskragungsspitze auf 75 mmaus. Entsprechend werden die Stahlquerschnitte effizientausgenutzt und es entstehen keine horizontale Ebenen,auf denen Oberflächenwasser stehen könnte (siehe Bild7, Querschnitt). Das Fahrbahnblech der orthotropenDecks ist 15 mm dick.

Die Ausschreibung sah zunächst die Erstellung der Tief-gründung und der Unterbauten für die Widerlager undStrompfeiler sowie die Vorbereitung der Brückenlagervor. Der Einhub aller Stahlbauteile, V-Stützen und desaus drei Elementen bestehenden Überbaus wurde in meh-reren Arbeitsschritten mit einem Schwimmgeräteeinsatzvorgesehen. Aufgrund der idealen Zugänglichkeit desBauwerks über den Wasserweg erwiesen sich die Ferti-gung aller drei Brückenabschnitte, inklusive Korrosions-schutz und Abdichtungsarbeiten im Werk, sowie derTransport mit Lastkähnen und Schleppern als die favori-sierte Ausführungsoption. Die wesentlichen Vorteile fürden Transport und den Einhub über den Wasserweg sind:Fertigung des Stahlüberbaus fast vollständig im Werk,bessere Qualität der Ausführung, sicherer Transport,keine signifikanten Schweißarbeiten auf der Baustelleund ein wetterunabhängiger Baufortschritt. Auch die

werksseitig vorgefertigten V-Stützen konnten mit einemHub auf die einbetonierten Auflagertische gesetzt wer-den. Anschließend wurden die äußeren Überbau-Elemen-te und das innere Aushubelement eingehoben. Schließ-lich erfolgten die Brückenausbauten wie die Übergangs-konstruktionen und die Asphaltarbeiten. Die funktionaleund die atmosphärische Beleuchtung sowie die Schiff-fahrtsbeleuchtung wurden ebenfalls werksseitig vorberei-tet und mussten nur noch mit Steckverbindungen ange-schlossen werden.

4.4 Nutzung der Kraft der Tide

Dem Planungsteam war es ein Anliegen, einen Aushub-vorgang zu entwickeln, der einen einfachen Aushub fürdas temporäre Queren von großen Museumsschiffen er-möglicht, ohne aufwändige permanente und wartungsin-tensive Steuerungstechnik, Hubzylinder und Hebeein-richtung oder Drehlager zu verwenden. Auch der Einsatzvon Schwimmkränen oder sogar eigenen Kränen auf derBrücke wurde als zu kostenintensiv und aufwändig ausge-schlossen.

Die einfachste und nachhaltigste Lösung ist die Nutzungder natürlichen Tide. In jeweils etwa acht Stunden erfolg-ten die drei Arbeitsschritte zum Aushub des Brückenele-ments (Bild 9):

Bild 8 Strompfeilerherstellung im TidebereichConstruction of piers in tidal area

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VorbereitungsphaseDie Brücke wird für den Verkehr mit temporären Absper-rungen geschlossen (z. B. Wochenende). Der Ponton wirdmit bereits aufgebautem Trägerrost unter dem Aushubele-ment positioniert und an Dalben und den Strompfeilernder Brücke gesichert. Nach der genauen Justierung desPontons werden Pressen auf den Konsolen an den Lagerndes Aushubelements eingebaut.

AushubvorgangNach der Demontage der Fahrbahnübergänge und Ab-deckbleche werden alle Ver- und Entsorgungsleitungen(Stromkabel, Entwässerung) entkoppelt. Das Aushub -element wird angehoben, bis sich die Lager lösen. Aufdem Trägerrost werden die Lastübernahmepunkte aus -gerichtet. Anschließend wird das Aushubelement mitder Tide gehoben, bis eine Aushubhöhe von 2,50 m er-reicht ist. Der Ponton wird mithilfe von Schleppern andie Kai kante geschoben, sodass Schiffe passieren können.

EinhubvorgangDer Ponton wird bei Hochwasser in der Öffnung positio-niert und das Aushubelement bei abfließendem Wasserabgesenkt. Während dieses Vorgangs wird die Positiondes Pontons bei Bedarf korrigiert. Führungskonstruktio-nen gewährleisten die korrekte Positionierung des Aus-hubelements. Nach dem Einbau der Pressen auf den Kon-solen an den Lagern des Aushubelements werden dieLastübernahmepunkte auf dem Trägerrost gelöst. Darauf-hin wird die Brücke mit Pressen und Winden endgültigausgerichtet, um die letzten 50 mm abgesenkt und aufden Lagern abgesetzt. Der Ponton schwimmt aus, wäh-rend Fahrbahnübergänge und Entwässerungselementeeingebaut sowie Ver- und Entsorgungsleitungen ange-schlossen werden. Anschließend kann die Brücke wiederfür den Verkehr geöffnet werden.

5 Ausführung und Montage

5.1 Fertigung Stahlbau

Die Fertigung der V-Stützen (jeweils 273 t schwer) unddes Brückenüberbaus (2 207 t) erfolgte bei Victor BuyckSteel Construction in Belgien in nur zirka acht Monaten.Dieser Zeitraum war äußerst knapp bemessen und konn-te nur dadurch eingehalten werden, dass die Fertigungauf mehrere Standorte verteilt wurde. Der Brückenüber-bau wurde dazu in 36 Bauteile aufgeteilt. Die Fertigungder Bauteile erfolgte „auf dem Kopf“, also mit der Ober-seite nach unten. Zunächst wurden die Längssteifen undTrapezsteifen mit vollautomatischen Schweißverfahrenan das Deckblech und anschließend die Quersteifen halbautomatisch über die Längssteifen geschweißt. DasDrehen der Bauteile erfolgte erst, nachdem das jeweiligeBauteil vollständig zusammengeschweißt war. Jedes Bau-teil wurde in einer separaten Halle beschichtet und mit-tels eines Drei-Schichtensystems gegen Korrosion ge-schützt.

Die drei Brückenabschnitte wurden anschließend im Frei-en aus den unterschiedlichen Bauteilen zusammengebaut.

5.2 Ausführung und Montage

Die Strompfeiler wurden mithilfe einer Hubinsel tiefge-gründet. Zunächst wurden Stahlrohre in das Hafenbe-cken gerammt.

Im Schutze der Rammrohre wurden die Bohrpfähle imDurchmesser von 1,50 m suspensionsgestützt bis auf eineAbsetztiefe von 32,50 m hergestellt. Zehn der 24 Pfähleerhielten eine Pfahlfußaufweitung von 3 m.

Gemäß einem Sondervorschlag der bauausführendenArge wurde die Betonaußenschale in überhöhter Lage

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„wie ein großes Schiff“ oberhalb der Tide hergestellt undanschließend millimetergenau in die endgültige Lage ab-gesenkt. Die vorher eingebrachten Rammrohre dientendabei als Auflager.

Nach dem Einbringen einer dichtenden Unterwasserbe-tonsohle wurde „das Schiff“ gelenzt, die Stahlrohre wur-den eingekürzt und es erfolgten die Bewehrungs- und Be-tonierarbeiten.

Die V-Stützen wurden in einem Binnenschiff von Belgiennach Hamburg transportiert. In der Hansestadt angekom-men, wurden sie sofort von einem Schwimmkran aufge-nommen und auf die exakt eingebauten Auflagertischeabgesetzt. Das millimetergenaue Absenken und Positio-nieren erfolgte mit Pressen. Die insgesamt 121 Spannglie-der der V-Stützen-Verankerung mussten in das Lochbildder Fußplatte außerhalb und innerhalb der V-Stütze ein-gefädelt werden. Damit dies auch beim ersten Versuch ge-lang, wurde ein Führungsdorn vorgesehen, der exakt ineine integrierte Führungsöffnung im V-Stützenfuß passte.

Anschließend wurden die Anker vorgespannt und ver-presst sowie der Strompfeiler einschließlich des geome-trisch sehr komplexen Ortbetondeckels hergestellt. Umdie Anker an der Innenseite zu erreichen, wurden in derV-Stütze Mannlöcher vorgesehen, die nach dem komplet-ten Spannvorgang zugeschweißt wurden. Die Stützen-köpfe wurden vermessen und die Ergebnisse genutzt, umin Belgien das Anschlussteil des Brückenüberbaus an denV-Stützen genau positionieren zu können. So wurdenFertigungstoleranzen und Einbautoleranzen soweit wiemöglich kompensiert.

Kaum zwei Monate nach dem Einheben der V-Stützenwaren diese für das Einheben des Brückenüberbaus vor-bereitet. Jeder der 3 bis zu 900 t schweren Brückenab-schnitte wurde in Belgien von SPMT-Fahrzeugen (Mo-dulfahrzeuge mit eigenem Antrieb) auf einen Ponton ge-fahren und dort auf Transportunterstützungen abgesetzt,

die Pontons wurden entsprechend ballastiert. Die dreiPontons lieferten die kompletten Brückenteile über dieNordsee nach Hamburg, wo die ganze Brücke mit hilfevon drei großen Schwimmkränen unter großem öffentli-chem Interesse in nur drei Tagen montiert wurde (Bild10).

Während der Montagephase wurde der Überbau als Zug-band genutzt, sodass trotz sehr hoher vertikaler Aufla-gerkräfte eine zu große Verformung der V-Stützen ver-hindert werden konnte. Dazu wurden Schubknaggen an-geordnet, die nach vollständigem Auflegen derBrückenüberbauten horizontale Auflagerkräfte von zirka500 Tonnen in Längs- und 200 Tonnen in Querrichtungaufnehmen mussten. Dies bedingte sehr hohe Anforde-rungen an die Montagetoleranzen von weniger als zweiZentimetern bei Bauteillängen von bis zu 70 Metern. Ab-schließend erfolgte der Einbau der vier Fugenübergangs-konstruktionen D 80 und D 160, die Herstellung derGehwegsbeläge, der Kappen und Entwässerungssysteme.Die Asphaltarbeiten im Straßenbereich, die Montage derBeleuchtung und der Sitzbänke vollendeten das Brü-ckenbauwerk.

6 Zusammenfassung

Die Baakenhafenbrücke hätte zu keiner anderen Zeit undan keinem anderen Ort Hamburgs realisiert werden kön-nen. In jeder Hinsicht reagiert die Brücke auf ihre Umge-bung und ist somit eine maßgeschneiderte Antwort aufdie städtische Umwelt, den architektonischen Kontext,die wegweisende Nachhaltigkeit und die strukturellenAnforderungen. In der Gesamtanmutung entwickelt sichein ästhetisch geschwungenes und leichtes Bauwerk, des-sen Proportionen mit der Umwelt harmonieren und dasdie komplexen Anforderungen der Nutzer vollständig er-füllt sowie Besucher zum Promenieren und Verweileneinlädt, mit attraktiven Ausblicken auf die HafenCity. Diehervorragenden Ergebnisse aus dem Wettbewerb, die in-tensive teamorientierte Zusammenarbeit zwischen Bau-herren, Planungsteam, Prüfinstanzen und Auftragneh-mern, die kurzen Planungs- und Ausführungszeiten sowiedie budgetorientierte Umsetzung sind eine hervorragendeReferenz erfolgreicher Bauleistung.

DankWir möchten folgenden, am Projekt beteiligten Personen, Einrichtungen undFirmen danken: Hoheitliche Prüfstelle – Fachbereich Statisch-konstruktivePrüfung, Dr. von Cramon-Taubadel – Landesbetrieb Straßen, Brücken undGewässer; Brückenbautechnische Prüfung – Fachbereich Entwurf Konstruk-tive Ingenieurbauwerke, Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer;Hamburg Port Authority, Anstalt öffentlichen Rechts; Prüfingenieur für Bau-statik Klaus Domröse; Germanischer Lloyd Industrial Services GmbH; Projekt-steuerer URS Deutschland GmbH; Bauoberleitung/Bauüberwachung Böger +Jäckle, Gesellschaft Beratender Ingenieure mbH & Co. KG; VerkehrsplanungARGUS Stadt- und Verkehrsplanung; Vermessungsingenieure Hanack undPartner; Betontechnologie TPA Gesellschaft für Qualitätssicherung und Inno-vation GmbH; Grundbauingenieure Steinfeld und Partner. Ausführung: ArgeHimmel und Papeck + Victor Buyck Steel Construction NV.

Bild 10 Montage mit SchwimmkränenAssembly with floating cranes

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Bautechnik 91 (2014), Heft 2 133

H. Liebig, P. Rogers, H. Trumpf, J. Eyre: The Baakenhafen bridge – Innovative, multifunctional and sustainable

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Literatur

[1] GRAUBNER, C.-A.; MIELECKE, T.: Nachhaltige Ingenieur-bauwerke. Bauingenieur 87 (2012), H. 4, Düsseldorf.

[2] Bundesanstalt für Straßenwesen (Hrsg.): Pilotstudie zumBewertungsverfahren Nachhaltigkeit von Straßenbrückenim Lebenszyklus. Bergisch-Gladbach, 2012.

[3] BAMFORTH, P. B.; PRICE, W. F.: CIRA Report 135, Concre-ting deep lifts and large volume pours. Construction Indus-try Research and Information Association, London, 1995.

AutorenDipl.-Ing. Henning LiebigHafenCity Hamburg GmbHOsakaallee 11D-20457 [email protected]

BSc (Hons) Paul RogersDr.-Ing. Heiko TrumpfHappold Ingenieurbüro GmbHPfalzburger Straße 43–44D-10717 [email protected]@burohappold.com

OBE BA Jim EyreWilkinson Eyre Architects33 Bowling Green LaneGB-London EC1R [email protected]

Prof. Dr-.Ing. Carl-Alexander GraubnerTechnische Universität DarmstadtFranziska-Braun-Straße 3D-64287 [email protected]

Dipl.-Ing. Jörg GnauertHimmel und Papech Bauunternehmung GmbH Co. KGMax-Planck-Straße 4D-36179 [email protected]

Ir Mike ProostIr Koen VrevenVictor Buyck Steel Construction NVPokmoere 4B-9900 Eeklo (Belgien)[email protected]