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| Der Internist 8·99 Medizin aktuell: Theodor-Frerichs-Preis 1999 894 J. Seufert Medizinische Poliklinik der Universität Würzburg Die Bedeutung von Leptin für die Pathogenese des Diabetes mellitus Typ 2 Direkte Effekte am endokrinen Pankreas Ein wesentlicher Fortschritt für das Verständnis der Pathogenese der Adipositas wurde durch die Entdeckung des Fettgewebshormons Leptin erzielt. Leptin ist ein Peptidhormon, das nahezu ausschließlich in Adipozyten produziert und von diesen sezerniert wird. Serumspiegel von Leptin korrelieren positiv mit der Masse des Fettgewebes. In Labortieren wirkt Leptin als wirksamer Sup- pressor der Nahrung- saufnahme und als Stimulator des Ener- gieverbrauchs. Leptin wirkt im zentralen Nervensystem an hy- pothalamischen Zen- tren der Appetitkontrolle und der Thermogenese. Es ist jedoch bemerkenswert, daß bei adipösen Menschen, welche hohe Serumspiegel von Leptin zeigen, der Mechanismus der Kontrolle der Nahrungsaufnahme durch Leptin nicht wirksam zu sein scheint. Da Adipositas- assoziierte Mutationen im Leptingen bzw. im Gen für dessen Rezeptor sehr selten sind und nur aus wenigen Einzelfallberichten bekannt sind, muß davon ausgegangen werden, daß bei der Mehrzahl der Fälle von Adipositas ein post-Rezeptordefekt in der Leptin- vermittelten Signalübertragung vorliegt. Dieser Defekt ist derzeit noch nicht ausreichend bekannt. Die Pathogenese des Diabetes mellitus,Typ 2 ist in hohem Maße an ein erhöhtes Körper- gewicht gekoppelt. Aus epidemiologischer Sicht ist die erhöhte Prävalenz des Diabetes mellitus in den industrialisierten Ländern in den letzten Jahrzehnten streng mit dem vermehrten Auftreten von Adipositas assoziiert. Adipöse Menschen zeigen in einem hohen Prozentsatz eine Insulin- resistenz und Hyperinsulinämie, welche prädisponierende Faktoren für die Mani- festation einer gestörten Glukosetoleranz, eines Diabetes mellitus und kardiovaskulärer Erkrankungen darstellen. Zwischen 40 und 60 % aller Dia-betiker sind adipös, und es wird geschätzt, daß im prädisponierten Personenkreis für jedes Kilogramm an Gewichtszunahme das Risiko für das Auf- treten eines Diabetes mellitus um ca. 4,5 % ansteigt. Medizin aktuell: Theodor-Frerichs-Preis 1999 Internist 1999 · 40: 894-897 © Springer-Verlag 1999 Dr. J. Seufert Medizinische Poliklinik der Universität, Klinikstraße 6-8, D-97070 Würzburg Neben seiner Wirkung am zentralen Nervensystem wurden für Leptin zusätzlich Effekte in verschiedenen anderen Geweben wie Nebenniere, Reproduktionstrakt und Magen-Darm- Trakt gezeigt. Eine Verbindung von Leptin und Glukosestoffwechsel war schon sehr früh bekannt durch Untersuchungen an den Tiermodellen der ob/ob und db/db Maus. Beide Tier- modelle entwickeln Hyperphagie, Adi- positas, Hyper- insulinämie und Diabetes mellitus. Molekulargene- tische Unter- suchungen zeigten im weiteren Verlauf, daß die ob/ob Maus eine Mutation im Gen für Leptin, und die db/db Maus im Gen für den Leptinrezeptor besitzt. Der diabetische Phänotyp, welcher an den Typ 2 Diabetes mellitus beim Menschen erinnert, ist in beiden Tiermodellen also durch eine defekte Leptin Signalübertragung bedingt.Weiterhin konnte gezeigt wer- den, daß Insulin die Produktion von Leptin in Adipozyten stimuliert, so daß eine hormonelle Signalvermittlung zwischen dem endokrinen Pankreas und dem Fettgewebe besteht. In Labortieren wirkt Leptin als wirksamer Suppressor der Nahrungsaufnahme und als Stimulator des Energieverbrauchs Redaktion U. K. Lindner, Heidelberg

Die Bedeutung von Leptin für die Pathogenese des Diabetes mellitus Typ 2

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| Der Internist 8·99

Medizin aktuell: Theodor-Frerichs-Preis 1999

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J. SeufertMedizinische Poliklinik der Universität Würzburg

Die Bedeutung von Leptin fürdie Pathogenese des Diabetesmellitus Typ 2

Direkte Effekte am endokrinen Pankreas

Ein wesentlicher Fortschritt für dasVerständnis der Pathogenese derAdipositas wurde durch die Entdeckungdes Fettgewebshormons Leptin erzielt.

Leptin ist ein Peptidhormon, dasnahezu ausschließlich in Adipozytenproduziert und von diesen sezerniertwird. Serumspiegel von Leptinkorrelieren positiv mit der Masse desFettgewebes. In Labortieren wirkt Leptinals wirksamer Sup-pressor der Nahrung-saufnahme und alsStimulator des Ener-gieverbrauchs. Leptinwirkt im zentralenNervensystem an hy-pothalamischen Zen-tren der Appetitkontrolle und derThermogenese.

Es ist jedoch bemerkenswert, daßbei adipösen Menschen, welche hoheSerumspiegel von Leptin zeigen, derMechanismus der Kontrolle derNahrungsaufnahme durch Leptin nichtwirksam zu sein scheint. Da Adipositas-assoziierte Mutationen im Leptingenbzw. im Gen für dessen Rezeptor sehrselten sind und nur aus wenigenEinzelfallberichten bekannt sind, mußdavon ausgegangen werden, daß bei derMehrzahl der Fälle von Adipositas einpost-Rezeptordefekt in der Leptin-vermittelten Signalübertragung vorliegt.Dieser Defekt ist derzeit noch nichtausreichend bekannt.

Die Pathogenese des Diabetes mellitus,Typ 2

ist in hohem Maße an ein erhöhtes Körper-

gewicht gekoppelt. Aus epidemiologischer

Sicht ist die erhöhte Prävalenz des Diabetes

mellitus in den industrialisierten Ländern in

den letzten Jahrzehnten streng mit dem

vermehrten Auftreten von Adipositas

assoziiert. Adipöse Menschen zeigen in

einem hohen Prozentsatz eine Insulin-

resistenz und Hyperinsulinämie, welche

prädisponierende Faktoren für die Mani-

festation einer gestörten Glukosetoleranz,

eines Diabetes mellitus und kardiovaskulärer

Erkrankungen darstellen. Zwischen 40 und

60 % aller Dia-betiker sind adipös, und es

wird geschätzt, daß im prädisponierten

Personenkreis für jedes Kilogramm an

Gewichtszunahme das Risiko für das Auf-

treten eines Diabetes mellitus um ca. 4,5 %

ansteigt.

Medizin aktuell: Theodor-Frerichs-Preis 1999Internist1999 · 40: 894-897 © Springer-Verlag 1999

Dr. J. SeufertMedizinische Poliklinik der Universität,

Klinikstraße 6-8, D-97070 Würzburg

Neben seiner Wirkung am zentralenNervensystem wurden für Leptinzusätzlich Effekte in verschiedenenanderen Geweben wie Nebenniere,Reproduktionstrakt und Magen-Darm-Trakt gezeigt. Eine Verbindung vonLeptin und Glukosestoffwechsel warschon sehr früh bekannt durchUntersuchungen an den Tiermodellender ob/ob und db/db Maus. Beide Tier-

modelle entwickelnHyperphagie, Adi-positas, Hyper-insulinämie undDiabetes mellitus.Mo l e k u l a r g e n e -tische Unter-suchungen zeigten

im weiteren Verlauf, daß die ob/ob Mauseine Mutation im Gen für Leptin,und diedb/db Maus im Gen für denLeptinrezeptor besitzt. Der diabetischePhänotyp,welcher an den Typ 2 Diabetesmellitus beim Menschen erinnert, ist inbeiden Tiermodellen also durch einedefekte Leptin Signalübertragungbedingt. Weiterhin konnte gezeigt wer-den, daß Insulin die Produktion vonLeptin in Adipozyten stimuliert, so daßeine hormonelle Signalvermittlungzwischen dem endokrinen Pankreas unddem Fettgewebe besteht.

In Labortieren wirkt Leptin alswirksamer Suppressor der

Nahrungsaufnahme und alsStimulator des Energieverbrauchs

RedaktionU. K. Lindner, Heidelberg

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Deshalb ist [Ca2+]i ein Indikatormaßfür die Aktivität von KATP. Wiruntersuchten [Ca2+]i Oszillationenmittels fura-2 Messung. IntrazelluläreCa2+ Oszillationen mit und ohne Leptinwurden in humanen b-Zellen gemessen.Die Zugabe von Leptin reduziert[Ca2+]i im Vergleich zur Kontrolle ohneLeptin. Diese Resultate deuten daraufhin, daß Leptin auch in humanen b-Zellen zur Aktivierung von KATP führt,die [Ca2+]i reduziert und somit zurInhibition der Insulinsekretion führt.

◗ Leptin inhibiert die Glukose- und GLP-1stimulierte Proinsulin mRNA Expression inhumanen Pankreasinseln.

Humane Pankreasinseln wurden in ver-schiedenen Glukosekonzentrationenmit und ohne Leptin kultiviert. Pro-insulin und b-Aktin mRNA Spiegelwurden im zeitlichen Verlauf mittelssemiquantitativer RT-PCR bestimmt.Glukose stimulierte die ProinsulinmRNA Expression typischerweise umca. 1,5 fach. In Gegenwart von Leptinkam es zu einer zeitabhängigenReduktion der Proinsulin Expression.Das Inkretin-Hormon Glukagon-likePeptide 1 (GLP-1) wirkt über dieErhöhung der intrazellulären cAMPKonzentration stimulierend auf die

ermittelt.Durch diese Technik konnte diefunktionelle Expression von Leptin-rezeptoren auf humanen b-Zellennachgewiesen werden.

◗ Leptin supprimiert die Insulinsekretion inhumanen Pankreasinseln.

Inkubation von humanenPankreasinseln in der Gegenwart von6,25 nM Leptin und physiologischenKonzentrationen von Glukose (5,6 mM)für 1 Stunde resultiert in einer In-hibition der Insulinsekretion umdurchschnittlich 30 % im Vergleich zurKontrolle ohne Leptin.

◗ Leptin inhibiert den Ca2+ Influx inhumanen b-Zellen.

Es ist früher gezeigt worden, daß Leptinin Pankreasinseln von ob/ob Mäusenund in der b-Zellinie CRI-G1 und inhypothalamischen Neuronen ATP ab-hängige Kaliumkanäle (KATP) aktiviertund zur Hyperpolarisation der Zelleführt. Normalerweise führt in b-Zelleneine Depolarisation durch Inhibitionvon KATP zur Öffnung von spannungs-abhängigen Ca2+ Kanälen und zumInflux von Ca2+ in die Zelle. Dies führtzur Erhöhung der intrazellulären[Ca2+]i Konzentration und zurPromotion der Sekretion von Insulin.

Umgekehrt wurde demonstriert,daß Leptin direkte Effekte an der b-Zelledes endokrinen Pankreas besitzt. Eswurde in Zellinien und Tiermodellennachgewiesen, daß b-Zellen Leptin-rezeptoren (OB-RB) exprimieren.Weiterhin wurde gezeigt, daß Leptin dieSekretion von Insulin in b-Zelleninhibiert . Diese Inhibition wurde durcheine Leptinvermittelte Aktivierung vonATP abhängigen Kaliumkanälen (KATP)mit konsekutiver Hyperpolarisation derb-Zelle erklärt – ein molekularerMechanismus, welcher auch für diehypothalamische Signalübertragungdurch Leptin gezeigt wurde.

„Leptin besitzt direkte Effekte ander b-Zelle des endokrinen

Pankreas“

Die Wirkung von Leptin am endokrinenPankreas zusammen mit der Wirkungvon Insulin auf die Leptinproduktionam Fettgewebe etabliert die Existenzeines „adipoinsulären Feeback-Loops“,über welchen die Regulation derGlukosehomöostase an den Status derFettgewebsmasse gekoppelt ist (Abb. 1).

Vor dem Hintergrund dieserpathophysiologischen Zusammenhängehaben wir die Effekte von Leptin in b-Zellen des endokrinen Pankreas aufmolekularer Ebene näher untersucht.Darüber hinaus haben wir dieseUntersuchungen auf die Analyse vonhumanen Pankreasinseln erweitert, umdie bisher überwiegend in Zellinien undPankreasinseln von Labortieren ge-wonnenen Erkenntnisse auf diePhysiologie beim Menschen zu über-tragen.

◗ Identifizierung von Leptinrezeptoren aufhumanen b-Zellen.

Zur Detektion der Expression vonfunktionellen Leptinrezeptoren aufhumanen b-Zellen wurden dispergiertePankreasinseln auf Einzelzell-Ebeneuntersucht. Fluoreszenzmarkiertes Lep-tin wurde als Ligand in einem in-situBindungsassay verwendet. Die Identitätder Einzelzellen wurde mittels immun-zytochemischer Detektion von Insulindurch ein spezifisches Antiserum

Abb. 1 m Modell der adipoinsulären Achse. Insulin stimuliert die Produktion vonLeptin im Fettgewebe, und Leptin inhibiert im Sinne eines negativen „feed-back“die Sekretion von Insulin in der b-Zelle des endokrinen Pankreas. Diese Signal-übertragung integriert die Koppelung von Glukosehomöostase und Fettgewebs-status in den Regelkreis der Steuerung des Energiehaushaltes durch Leptin

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Insulinsekretion und stimuliert zu-sätzlich die Expression von ProinsulinmRNA. Deshalb untersuchten wir denEinfluß von Leptin auf die GLP-1 sti-mulierte Proinsulin mRNA Expressionin humanen Pankreasinseln. Leptininhibiert die Expression von ProinsulinmRNA, wenn diese durch GLP-1stimuliert wurden. Dies deutet daraufhin, daß Leptin auf Ebene der ProinsulinmRNA Expression antagonistisch zurWirkung von GLP-1 ist.

◗ Leptin inhibiert direkt die Glukose- undGLP-1 stimulierte transkriptionelle Aktivitätdes Insulingenpromotors in INS-1 Zellen.

Die Promotoraktivität des Insulingenswurde unter dem Einfluß von Leptin,Glukose und GLP-1 in b-Zellenuntersucht.Leptin inhibiert die Aktivitätdes Insulinpromotors unter Glukose-stimulation und wir konnten Leptin-responsive Elemente innerhalb desPromotors identifizieren. Ebensoinhibiert Leptin direkt die Pro-motoraktivität des Insulingens, wenndiese durch GLP-1 stimuliert ist.

Zusammenfassend konnte hier-durch erstmals gezeigt werden, daßLeptin direkt die Expression desInsulingens in b-Zellen auf Ebene derPromotorregulation hemmt.

„Leptin hemmt direkt die Expression des Insulingens

in b-Zellen“

◗ Leptin als Regulator der Hyperinsulinämie.Unsere Befunde in humanenPankreasinseln erweitern die bisher inb-Zellinien und Tiermodellen ge-wonnenen Erkenntnisse über dieinhibitorische Wirkung von Leptin aufdie Insulinsekretion. Darüber hinauserarbeiteten wir Hinweise, daß Leptinnicht nur die Sekretion von Insulinhemmt, sondern ebenfalls inhibitorischauf die Expression des Insulingens selbstwirkt. Diese genregulatorische Wirkungvon Leptin ist vorzugsweise durchInduktion von Transkriptionsfaktoren,welche am distalen Insulingenpromotorbinden, bedingt.

Es ist zu bemerken, daß dieInhibition der Insulinsekretion durch

Leptin wird nahezu ausschließlichim Fettgewebe produziert und stellt einwichtiges Hormon dar, welches überRezeptoren im Hypothalamus dieNahrungsaufnahme und den Energie-verbrauch steuert. Normalerweisehemmt Leptin die Nahrungsaufnahmeund steigert den Energieumsatz. Beiadipösen Menschen, welche erhöhtePlasmaspiegel von Leptin zeigen,scheintdas Hormon nicht in der Lage zu sein,den Appetit zu hemmen und dieNahrungsaufnahme zu mindern. Eswird allgemein angenommen, daßdieser Defekt der Leptinsignal-übertragung im Hypothalamus durchDesensitisierung des Rezeptorsystemsaufgrund erhöhter Leptinspiegelbedingt sein könnte. In Analogie zurdefekten Wirkung von Leptin amHypothalamus, entwickeln wir nun dieHypothese, daß unter Bedingungen derchronischen Hyperleptinämie beibesonders prädestinierten adipösenPersonen auch das Rezeptorsystem ander b-Zelle des endokrinen Pankreas ei-ner Desensitisierung unterliegt. Einderartiger Verlust der Leptin-signalübertragung in b-Zellen führt zueiner Dysregulation der adipoinsulärenAchse mit resultierender initialerEnthemmung der Insulinsekretion undchronischer Hyperinsulinämie, welchebekanntermaßen häufig die Adipositasbegleitet. Chronische Hyperinsulinämie

Leptin via KATP Kanal-Aktivierung unddie Inhibition der Insulingenexpressionunterschiedliche Sensitivitäten gegen-über der Stimulation durch Glukose undGLP-1 besitzen. Während Glukose undGLP-1 die Kurzzeitinhibition derInsulinsekretion verhindern können, istdies für die Langzeitregulation derInsulingenexpression nicht zutreffend.Im Gegenteil, Leptin hemmt dieInsulingenexpression nur, wenn diesegleichzeitig durch Glukose und/oderGLP-1 stimuliert ist. Dies mag daraufhinweisen, daß Leptin nicht mit derkurzzeitigen postprandialen insulin-otropen Wirkung von Hormonen der„enteroinsulären Achse“, wie GLP-1interferiert. Anstatt dessen könnteLeptin eine Rolle bei der Langzeit-anpassung der basalen Insulinsekretionin den interdigestiven Phasen spielen,wenn die Konzentrationen vonInkretinen niedrig sind. Gleichzeitigkann Leptin die Stimulation derProinsulinexpression während desFastens hemmen.

PathophysiologischeBedeutung

Welche pathophysiologische Bedeu-tung haben die Befunde, daß Leptin dieInsulinsekretion und die Expression desInsulingens in b-Zellen des endokrinenPankreas hemmt ?

Abb. 2 m Modell der Pathogenese des adipogenen Diabetes mellitus, Typ 2 durch defekteLeptin Signalübertragung am endokrinen Pankreas. Fehlende Leptinwirkung an der b-Zelle führt zur Hyperinsulinämie, welche durch Induktion von Adipogenese zur Ver-mehrung des Fettgwebes und zur Entwicklung einer Insulinresistenz beiträgt. Vermehr-ung des Fettgewebes führt umgekehrt zur Hyperleptinämie, welche die Desensitisierungder Leptin-Signalübertragung vorantreibt. Am Ende dieses Circulus Vitiosus steht die b-Zell Dysfunktion mit konsekutivem Auftreten eines Diabetes mellitus

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führt ihrerseits zu vermehrter Adi-pogenese und zu weiterem Ansteigender Plasmaleptinspiegel, so daß ein„circulus vitiosus“ zwischen Fettgewebeund endokrinem Pankreas entsteht.Dieser positive feedback Mechanismusmündet schließlich in eine b-Zelldysfunktion, welche sich dann mitden klinischen Zeichen des Diabetesmellitus manifestiert (Abb. 2).

Die pathogenetische Sequenz diesermolekularen und biochemischenEreignisse läßt sich auf eindrucksvolleWeise am natürlichen Verlauf derEntwicklung des Diabetes mellitus inLeptindefizienten ob/ob Mäusen ver-folgen, die als erstes Symptom eineHyperinsulinämie entwickeln, noch vordem Auftreten einer Insulinresistenz. Eserscheint deshalb naheliegend, ähnlicheMechanismen auch für die Pathogenesedes Diabetes mellitus, Typ 2b beimMenschen zu postulieren; insbesondereda wir zeigen konnten, daß diemolekularen Effekte von Leptin anPankreasinseln von Labortieren auch inPankreasinseln des Menschen zurWirkung kommen.

Fazit

Zusammenfassend demonstrieren wir das

Vorliegen einer adipoinsulären Achse auch

in humanen Pankreasinseln. Leptin inhibiert

nicht nur Insulinsekretion durch Akti-

vierung von KATP Ionenknälen, sondern hat

zusätzlich direkte inhibitorische Wirkung auf

Ebene der Genexpression am Insulin-

promotor. Somit manifestieren sich Leptin-

wirkungen an der b-Zelle des endokrinen

Pankreas auf unterschiedlichen zellulären

Ebenen, welche die Funktion von Leptin in

ein Signalnetzwerk integrieren, das in

Kurzzeit- und Langzeit-Regulations-

mechanismen die Nahrungsaufnahme, das

Körpergewicht und die Glukosehomöostase

kontrolliert.Wir postulieren weiterhin, daß

Defekte in der Leptin Signalübertragung,

wie sie beim Vorliegen von ausgeprägter

Adipositas vermutet werden müssen, zur

Pathogenese des „adipogenen“ Diabetes

mellitus,Typ 2 beitragen.

Theodor-Frerichs-Preis 1999

Mit dem Theodor-Frerichs-Preis der

Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin

wurde in diesem Jahr Dr. med. Jochen

Seufert aus Würzburg ausgezeichnet. Der

34jährige Preisträger ist im Bereich

Stoffwechsel, Endokrinologie und

Molekulare Medizin (Leiter PD Dr. med. F.

Jakob) an der Medizinischen Poliklinik

der Universität Würzburg (Direktor: Prof. Dr. med. K.Wilms) als

Assistenzarzt tätig. Seit mehreren Jahren befaßt er sich wissenschaftlich

mit molekularen Mechanismen der Genregulation in den Insulin

produzierenden b-Zellen des endokrinen Pankreas.

Die Auszeichnung gilt als der wichtigste Preis unter deutschen

Internisten und ist mit 30000 Mark dotiert. Er ist nach dem Mitbegründer

der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin,Theodor Frerichs, benannt.

Der Würzburger Mediziner erhielt die Auszeichnung auf der

Jahrestagung der Gesellschaft am 11. April 1999 in Wiesbaden. In der

Laudatio heißt es:„Die vorgelegte Arbeit hat außerordentliche

Bedeutung für das Verständnis der Entstehung des Diabetes mellitus und

insbesondere der Rolle des Übergewichtes als Wegbereiter der

Zuckerkrankheit.“ Wichtigstes Ergebnis der Untersuchungen ist, daß beim

gesunden Menschen das erst vor wenigen Jahren entdeckte

Fettgwebshormon „Leptin“ nicht nur durch Wirkung im Gehirn die

Nahrungsaufnahme hemmt, sondern auch direkt an den Insulin

produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse die übermäßige

Insulinsekretion als auch direkt die Expression des Insulingens hemmt.