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(Aus dem Oskar-Helene-Heim zur I-Iei]ung und Erziehung gebreehlieher Kinder zu Berlin-Dahlem [Dir. und leitender Arzt Prof. K. Biesalski].) Die Beeinflussung der Tetanie durch Ultravioletflicht. Ein Beitrag zur l~ra.ge der cerebralen Rachitis. Von Dr. Kurt Huldschinsky. (Eingegangen am 2. Juni 1920. ) Bei der Untersuchung der Einwirkung der Ultraviole~tbestrahlung auf den rachi~ischen Proze•, die ich im Oskar-Helene-Heim durchgeftihrb babel-4), war es yon grol~er Wichtigkeit, diejeIfigen Erscheinungen der Rachitis zu beobaehten, die sich nich~ nur auf das Skelett erstrecken, sondern die fibrigen Organe befallen. Vor allem kam neben dem Blut- bild, das durch die BestraMung nennenswerte Ver~nderungen nicht erf~hrt, das Nervensystem in l~rage. Czerny und Keller 5) fassen die nervSsen Symp~ome der Raehit, is unter dem Begriff der e er e- b r a I e n Rachitis zusammen, obwohl dabei eine ganze Reihe psyehiseher, psychomotorischer, endokriner und peripher-nerv6ser Erscheinungen gemeint sind, deren Trennung nicht voli durchgefiihrt werden kann. Kann man doeh in den wenigsten FMIen, die rein seelischen ~'unktionen ausgenommen, mit Sicherhei~ den Sitz eines solehen Symptoms in das Cerebrum verlegen. Noch wei~er geht Kargere), der in einer jiingst er- sehienenen Arbei~ eine ganze bunte Kollektion yon Erscheinungen als 1) Huldsehinsky, Heilung yon Rachitis durch Ul~raviolebbbes$rahlung. Dtsch. reed. Wochensehr. Nr. 26. 1919. 3) HuldsehinskY ' Vortrag. Vet. f. inn. 3fed. und Kinderheilk. 24. XI. 1919, ref. Dtsch. reed. Wochenschr. Nr. 6. 1920. a) Huldsehinsky, Die Behandlung der Rachitis durch Ultraviolettlieht. Zeitsehr. f. orth. Chir. Heft 2. 1920. 4) H u l d s c h i n s k y , Die Ultravloletttherapie der Rachitis. Zeitsehr. f. Strahlentherapie. Bd. IX, 1920.- 5) Czerny und Keller, DewKindes Ern~hrung. II, S. 379. 1917. 6) Karger, Zur Kenntnis der cerebralen Raehitis. Monatsschr. f. Kinderheilk. Nr. 1. 1920. Zeitschrift fiir Kinderheilkunde. O. XXVI. 15

Die Beeinflussung der Tetanie durch Ultraviolettlicht

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Page 1: Die Beeinflussung der Tetanie durch Ultraviolettlicht

(Aus dem Oskar-Helene-Heim zur I-Iei]ung und Erziehung gebreehlieher Kinder zu Berlin-Dahlem [Dir. und leitender Arzt Prof. K. Biesalski].)

Die Beeinflussung der Tetanie durch Ultravioletflicht. E i n B e i t r a g z u r l~ra .ge d e r c e r e b r a l e n R a c h i t i s .

Von Dr. Kur t Huldschinsky.

(Eingegangen am 2. Jun i 1920. )

Bei der Untersuchung der Einwirkung der Ultraviole~tbestrahlung auf den rachi~ischen Proze•, die ich im Oskar-Helene-Heim durchgeftihrb babel-4), war es yon grol~er Wichtigkeit, diejeIfigen Erscheinungen der Rachitis zu beobaehten, die sich nich~ nur auf das Skelett erstrecken, sondern die fibrigen Organe befallen. Vor allem kam neben dem Blut- bild, das durch die BestraMung nennenswerte Ver~nderungen nicht erf~hrt, das N e r v e n s y s t e m in l~rage. C z e r n y und K e l l e r 5) fassen die nervSsen Symp~ome der Raehit, is unter dem Begriff der e e r e- b r a I e n Rachitis zusammen, obwohl dabei eine ganze Reihe psyehiseher, psychomotorischer, endokriner und peripher-nerv6ser Erscheinungen gemeint sind, deren Trennung nicht voli durchgefiihrt werden kann. Kann man doeh in den wenigsten FMIen, die rein seelischen ~'unktionen ausgenommen, mit Sicherhei~ den Sitz eines solehen Symptoms in das Cerebrum verlegen. Noch wei~er geht K a r g e r e ) , der in einer jiingst er- sehienenen Arbei~ eine ganze bunte Kollektion yon Erscheinungen als

1) Hu ldseh in s ky , Heilung yon Rachitis durch Ul~raviolebbbes$rahlung. Dtsch. reed. Wochensehr. Nr. 26. 1919.

3) HuldsehinskY ' Vortrag. Vet. f. inn. 3fed. und Kinderheilk. 24. XI. 1919, ref. Dtsch. reed. Wochenschr. Nr. 6. 1920.

a) Hu ldseh insky , Die Behandlung der Rachitis durch Ultraviolettlieht. Zeitsehr. f. orth. Chir. Heft 2. 1920.

4) H u l d s c h i n s k y , Die Ultravloletttherapie der Rachitis. Zeitsehr. f. Strahlentherapie. Bd. IX, 1920.-

5) Czerny und Keller , Dew Kindes Ern~hrung. II, S. 379. 1917. 6) Karger , Zur Kenntnis der cerebralen Raehitis. Monatsschr. f. Kinderheilk.

Nr. 1. 1920.

Zeitschri f t fiir Kinderhe i lkunde . O. XXVI. 15

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cerebral bezeichnet, Ms da sind: St6rung der MoLiliti~t, Intelligenz- defGkt, Gerlmhs- und GeschmacksstSIamgen, Uberempfindiichkeit (sog. Knochenschmerz), UnempfindlichkGit, Spasmophilie, pa,thologische Innervation bestimmter Muskelgruppen. K a r g e r kommt sogar zu dem SchluB, dab dig rachitische VGrkrtimmung cerebra,len Ursprungs ist, da das pathologische GGhirn gewisse Muskelgruppen bevorzugt, die dann dutch Da,uerzug den Knochen verbiegen. Da,raus folger~ er, dal~ matt die Rachitiker, werm nicht sehr gewichtige Griinde dagegGn spri~chen, sehon ve t Ausheilung der KnoehGn ,,auf die Being bringen" masse, da,mit sie durch Ubung die norma,le Innervation wieder Grlernten und somit vet Verkriimmungen, bei denen die Bela,stung fiberha,upt keine Rolle spiele, gesehtitzt blieben.

Als Beweis de,far, dab eerebrale und Knoehenraehitis streng zu trelmen sind, fiihrt K a r g e r die Beoba,chtung a,n, dab die Ultra,violett- bestrahlung zwar den rachitisGhen I~aochen zur Ausheilung bringe, aber dig cerebralen Symptome unbeeinflul~b lasso. Eine Anga,be, wie h~iufig diese Beobachtung gemaeht wurde, fehlt leider v011ig, es wGrden nur zwei Fiille erwi~hnt, bei denen 1/2 ga.hr nach Abheilung der Ra,chitis ;lurch Bestra,hlung noch kein SitzvermSgen besta,nd.

Indessen stehen die Erfa,hrungen, die ich "an 105 Fi~llen im Alter yon 3 Monaten bis 6 JahrGn gemacht ha,be, da,mit in vollem Gegensatz. Die Beobachtung dieser Kinder, sowie einer ga,nzen Reihe weiterer aus- geheilter l~achitiker ergab, dab bis auf verschwindende Ausna,hmen (3) die I n t e l l i g e n z hinter der yon gleichaltrigen, gesunden Kindern merk- lich zurtiekgeblieben war. DGr EinfluB der cerebralen Komponente dGr Raehitis war unvGrkennbar. 12 ~-on diesen Kindern konnten a,ls a,us- gesproehen sehwachsinnig, 2 als idiogisch bezeichnet werdGn. N ich t l a u f e n konnten bei Beginn der Bestra,hlung 61, n i c h t a u f s i t z e n konnten devon 21. Vor AbschluB der Behandlung sehieden 6 aus. Der Bestra,hlungstherapie wurden devon 86 Fi~lle unterworfen; sie ergab durehweg Ausheilung der KnoehGn in 2--6 Mona,ten, je na,ch dem Alter der Erkra,nkung; die , ,cerebrale K o m p o n e n t e , verhielt sich folgendermaBen: S c h w i n d e n tier , , ra ,ehi t ischen V e r s t i m - m u n g , (Apathie; Ubererregba,rkeit, Uberempfindlichkeit) in 58 yon ebensoviGl bestrahlten Fiillen meist na,eh 1, li~ngstens 2 Mona,ten. N i c h t e r l e r n e n des S i t zens nach Abschlug der BGhandlung in einem Fall, NiGhterlernen des S t ehens naeh Abheilung der Knoehen in diesem "und einem wGiteren Falle, der erst 6 Monate na,eh Beginn der Beha,ndlung la,ufen Iernte. Nichterlernen des La ,ufens (otme diese 2 und die vorzeitig ausgeschiedenen 6 Fi~lle) nach Absehlul3 der Behand- lung 0 :FMle. Von diesen 61 nichtlaufenden Fallen ha,tten vorher -laufen gekonnt .30, die die Lauffi~tfigkeig bedeutend schneller wieder- gewannen, meist sehon nach dem ersten Bestrahlungsmona,t. Die

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B e s s e r u n g d e r I n t e l l i g e n z war gleiehfalls in a l l e n F~llen wahr- zunehmen, jedoch waren die Fortsehritte, die die einzelnen Kinder machten, sehr verscbieden. Wis der grSBte Teil nach der Aus- heflung sich normal entwiekelte, ohne natiirlich den Vorsprung des gesunden gleiehaltrigen Kindes einholen zu kSnnen, blieb ein anderer Teil (12) aueh weiterhin merklich schwaehsinnig, sprach nur wenig und sehlecht und blieb unsauber. Das eine idiotisehe 2j~hrige Kind, das allerdings ein Jahr fang an allerschwerster Raehitis gehtten hatte, konnte auch nach einem weiteren gahr nur wenig spreehen mid nicht frei laufen. Aber aueh ein nicht bestrahlter 5 jahriger Idiot, der naeh einem Jahr wieder in Beobachtung kam, hat te in dieser Zeit so gut wie nichts zugelernt.

Aus den bier gegebenen Daten geht hervor, dab die Heilung der cerebralen Komponenten der Rachitis unter Bestrahlung mit der Heilung des Knochens gleiehen Schritt h~lt. Wo eine sofortige Wiederkehr der cerebralen Funktionen zur ~qorm nieht eintritt, so handelt es sieh nicht um Fortbestehen der cerebralen Rachitis, sondern wir miissen an A u s - f a l l s e r s e h e i n u n g e n denken, genau wie wit nach anderen cerebro- spinalen ]~rkrankungen, Apoplexien, Typhus, Kinderl~hmung usw. eine sehr langsame Regeneration des geseh/idigten Zentralorgans erleben, obwohl die krahkheiterregendeNoxe langst erledigt ist. Wenn K a r g e r zugibt, dab die Rachitis eine A l lg e m ei n e r k r a n k u n g ist, so wiirde darnit in Widerspruch stehen, dab ein Mittel, das diese Allgemein- erkrankung beseitigt, e i n e Komponente derselben unbeeinflul~t lassen sollte. ]~rscheinungen, die dureh das Ultraviolett nicht beseitigt wer- den, sind also nieht mehr a]s raehitisch aufzufassen, ebensowenig man erwarten wird, dab die einmal bestehende Knochenverkriimmung durch die Bestrahlung beseitigt werden kann.

Umgekehrt kOnnen wh" solehe Erscheinungen, die im Verlauf der Rachitis auftreten und mit ihr schwinden, als echt rachitisch auffassen. Hierzu gehSrt nun die T e t a n i e . Es ma g dahinges~ellt sein, ob diese eine reine I-Iirnerkrankung Jst oder ob sie peripher-nervSse, muskul~re oder endokrine Ursachen hat: im Sinne K a r g e r s geh5rt sie zu den eerebralen Komponenten der Rachitis. Wenn es gelang, diese Erkran- kung dutch Ultraviolettbestrahlung zu beeinflussen, so war damit nieht nur ein neuer Beweis fiir ihre enge Zugeh5rigkeit zur Raehitis erbraeht, sondern aueh gezeigt, dal~ das Ultrav~olett aueh die eerebrale Raehitis beeinflugt. Man ist ja bei der Tetanie nicht auf rage Eindriic:ke be- s6hr~nkt, sondern kann sie an dem C h v o s t e k s e h e n und E r b s c h e n Symp 'om objektiv beobachten und messen.

�9 Sonderbarerweise konpte ieh in der Zeit vom ganuar bis November 191~ trotz ausgesueht schwerem und reichhchem Rachitismaterial keinen Fall yon Spasmophilie feststellen.

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I m N o v e m b e r 1919 t r a t der erste Fa l l auf und seither" konnte ich 6 F/~lle yon Spasmophi l ie beob-achten. Von diesen wurden drei bereits mi t pos i t ivem Chvostek in die Ans ta l t aufgenommen, wtihrend die drei i ibr igen erst in der Ans t a l t t e tan isch wurden.

Die Bes t rah lung r ichtete sich nach der Schwere der F/~lle; wo n u r ein mit t leres posit ives ~ac ia l i sph~nomen vor lag, wurde die ge- wShnliche ant i racbi t i sche Bes t rah lungsar t beibehal ten, w/ihrend die

�9 Kinder , die bedrohliche Symptome" zeigten, besonders in tens iv be- s t rah l t wurden (ti~glich und doppelseitig).

I n beiden F~llen zeigte sieh ein deut l icher Einf luB der Ul t rav io le t t - bes t rah lung auf die Tetanie .

K r a n k e n g e s c h i c h t e n .

Fall 1. Margarete K., 3 Jahre. Aufgenommen 24. III. 20. Befund: Frische l~achitis leichten Grades. Gutgen~hrtes Kind yon gesundem AuBeren. Kann nicht laufen. Geringe Verbiegung der UnterscheDkel.

Fae i a l i s + + . Erb +1). 2. IV. 20. R 6 n t g e n b i l d : Floride Raehit isin b e g i n n e n d e r H e i l u n g . Beginn der Bestrahlung 6. IV. 20. 3wSchentlich. 23. IV. 20. Faeialis - - , Erb --. 15. V. 20. Facialis dauernd --. ROntgenbild yore 20. V.'20. Lebhafter Kalkansatz. Zahl der Bestrahlung bis neg. Fac.:7.

Fall 2. tterbert G. 3 Jahr 7 Monat. Mit 11/2 Jahren an Rachitis erkrankt. Im Juni 1919 an den Beinen opeliert.

Vor 8 Wochen gefallen, hinkt seither. Hat 4 Flaschen Lebertran bekommen. Aufgenommen 2. II. 20.

RSntgenbefund: veraltete Rachitis in H e i 1 u ng , gut verheilte Obersehenkel- Iraktur. F a c i a l i s und Erb -~-.

Erste Bestrahlung 20. II. 20. Von da ab 3 real wSchentlich bestrahlt. 23. III. 20. F a c i a l i s dauernd --, E rb --. Zatfl der Bestrahlungen 11. RSntgenbild vom 5. IV. 20: Weitcre Heilung der Raehitis.

Fall 3. Willi S. 2 Jahre 11 Monate. Beg, inn der Rachitis wahrscheinlich im 1. Lebensjahr. Vor 11/.o Jahren Ober-

schenkelfraktur.' 8 Wochen Lebertran. Aufgenommen 22. IX. 19. R6ntgenbefund: ~'loride Rachitis sehweren Grades o h n e HeiIungsansatz. F a c i a l i s --.

Blaul ichtbestrahlung 11. X. bis 5. XI. und 21. XL bis 18. XIL 19. 26. I. 20. Fac i a l i s + + + . Erb -4-+. 27. L 20. RSntgenbild: G e r i n g e r K a l k a n s a t z . 27. I. 20. Bestrahlung g'~glieh Weil~licht 70 em 5 Minuten beginnend,

schnell steigend. Am 2. II. F a c i a l i s -t-, E rb -t-./

1) Unter Erb + wird K (~ Z < 5,0 M A, Erb -- K 0 Z > 5,0 M A verstanden.

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10. II . F a e i a l i s schwaeh + , E r b schwach + . 12. II . F a c i a l i s und :Erb -- (dauernd bis Entlassung 28. III,) . Zahl der Bestrahlungen: 11. 1%. B. 13. I I I . 20: ~'ast H eilung.

Fall 4. Wi]li K. 2 Jahre 5 ) Iona te . Vor einem Jahr naeh Grippe raehiLisch erkrankt. Bisher nichL behandelb.

Aufnahmc 4. XI. 19. Befund: Hochgradigstc Knochenweichheit. RSntgenbild: VSllig kalkloser Knochen. F a e i a l i s -- . Besfrahlung: B lau ] i ch t am 12., 14., 16., 21. XL 19. 23. XI. S c h w e r e r l a r y n g o s p a s t i s c h e r A n f a l l nachts. F a c i a l i s + + + . 24. XI. Bestrahlung Weil~Iicht doppelseitig je 5 Minuten 75 cm. 25. XL Starkes Et'ythem. Kein Anfall mebr. F a c i a l i s + + . 26. XI. Wieder doppe]seitige Bestrahlung je 7 Minuten. Faeialis. 27. XI. F a c i a I i s - - , E r b -- . Zahl der Bestrahlungen: 2 (doppclseitig). RSntgenbild vom 4. XII . 19: G e r i n g e r K a l k a n s a t z .

Fall 5. Willi T. 1 Jahr 5 Monate. Bis a/4 Jahre Brust, seit er abgesetzt, ErniihrungsstSrungen. Die Mutter be-

merkte erst seit 8 Tagen den Zustand. Aufnahme 10. I I I . 20. Befund: Schwerste floride Rachitis, sehr elendes atropbisches Kind.

Facialis + + + . Kraniotabes. RSntgenbefund: 'VSllig kalkloser Knochen. Wegen Streiks kann das Kind zuniichst nicht bcstrahlt werden. 24. I II . 20. Abends starker l a r y n g o s p a s t i s c h e r A n f a l l . 25. I II . 20. Morgens wieder ein Anfall, Kind stark cyanotiseh, fast moribund.

Bestrahlung: Brust und Rtickenseite je 5 Minuten, 70 cm Abstand. Daneben 0,5 Chloralhydrat, 3mal 0,5 Bromnatrium.

26. I I L 20. Wieder doppels, je 8 Minuten bestrahlt. Kein Anfall mehr, Medikamente fortgelassen.

27. III.,20. Zweimal 10 Minuten bestrablt. Facialis + + . 28. I II . 20. Desgleichen, yon da ab nur noch alle 2 Tage. 3. IV. 20. Facialis + . 6. IV. 20. Facialis --. Bestrahlung fortgesetzt. 10. IV. 20. Starke, v e n S s e D a r m b l u t u n g bei der Def/tkation. Facialis rechts + , links --. 15. IV. 20. Faeialis --. Von da ab dauernd - - . Erb --. Anzahl der Bestrahlungen: 10. RSntgenbefund vom t5. V. 20: M a f l i g e r K a l k a n s a t z .

Fall 6. Edith P. 6 Jahre. Hochgradigste osteomalacische Form der Rachitis. Zwergwuchs. GrSl~te Schmerzhaftigkeit bei Bertihrung.

Aufgenommen 3. I. 20' RSntgenbefund: Knoehen ergibt kaum einen Sehatten. 15. I. bis 13. II . 20.: Aeht Bestrahlungen mit B l a u l i e h t . 15. II. 20.: PlOtzliehes Fieber, Erbreehen, klonische Kr~mpfo.

F a c i a l i s + + + . Bestrahlung mit Weilll icht. 21. II. 20. ]fieber noch hoch. Durchbruch eines pararectalen Abscesses in

das Rektum.

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212 K. Huldschinsky:

28. II. bis 24. IIL Nicht bestrahlt, da zu elend. 25. III. 20. Facial is -f-. Erb -4-. RSntgcnbefund: G e r i n g e r Kalkan-

satz. Wieder Bestrahlung. I 27. III . 20. Facialis --, Erb --. (Seitdem dauernd --.) Anzahl der WeiB-

li cht bestrahlungen: 5. 12. V. 20. Kind gl~nzend erhol$, kein Zeichen yon Tetanie mehr, Knochen

hart. 13. V. 20. l~Sntgenbefund: S t a r k e r Ka lkansa tZ .

Aus diesen Krankengeschiehten geht hervor, dab die Ultraviolett- bestrahlung eine deutliche Einwirkung auf die Tetanie besitzt~ Ohne jede andere spezifisehe Medikation versehwanden am schnellsten die manifesten Symptome nach der ersten Bestrahlung; damit war zu- n~iehst die drohende Lebensgefahr beseitigt, in keinem Falle t ra ten Riickfalle der laryngospastischen oder allgemeinen Kr~impfe auf. Die latenten Symptome , C h v o s t e k und E r b , schwanden lang- samer, abet auch mit Sicherheit innerhalb 2 4 Woehen, im Falle 4 sogar nach 4 Tagen . I m vorgeschrit tenen Stadium der Beharidlung, in dem l e b h a f t e Verkalkung eingetreten war, wurde nie Tetanie beobachtet .

Bei den Fallen 3, 4, 6 t ra t die Tetanie erst in der Anstalt zutage, und zwar jedesmal nach B l a u l i c h t b e s t r a h l u n g . Da nun die Blau- lichtbestrahlung, wie auch andere F/~lle im RSntgenbild ergaben, eine bedeutend sehw~chere Einwirkung auf die Raehitis hat als Weiltlicht, so kSnnte man als Ursache dieser Erscheinung sich vorstellen, dal~ durch .den Lichtreiz, der zur t teilung zu schwach war, diQ Tetanie ausgelSst wurde.

Eine andere Erkl~rung seheint aber plausibler. S t h e e m a n n und A r n t z e n i u s fanden namlichl), daB, w~hrend in der l~egel der Blut- kalkgehalt mit dem E r b - C h v o s t e k s c h e n Zeiehen fast genau Hand in Hand geht, dies bei der Rachitis n i e h t zutrifft. I m Gegenteil land sich bei florider Rachitis meist ein normaler Blutkalkgehalt, der erst b e i h e i l e n d e r l ~ a c h i t i s s u b n o r m a l wurde. Man ha t sich also vorzustellen, dab bei der Heilung der Rachitis dureh den erhShten Kalkbedarf des Knochens die fibrigen Gewebe an Kalk verarmen. Auf diese Weise liel~e sieh nun die AuslSsung der Tetanie zu B e g i n n der Heilung erkl~ren, welcher in den F~llen, 1, 2, 3, 4 und 6 nachzuweisen war (vgl. hierzu die RSntgenbefunde). Diese Ver~rmung kann ferner begiinstigt werden durch einen starken SKfteverlust, wie ihn die Darm- blutung bei Fall 5 oder die AbsceBbildung bei Fall 6 darstellt. I m ersteren Falle t r a t hier ein Rfickfall der abgelaufenen Tetanie ein, im anderen die AuslOsung eines tetanischen Krampfanfalles.

1) S t h e e m a n n und Arn tzen ius , Der Wer~ der Blutuntersuchung fiir die Beurteilung des Kalkstoffwechsels. ~ederl. Tijdschr. voor Geneesk. 64, ~r. 14. 1920.

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Die Beeinflussunff der Tetanie durch Ultmvielettlicht. 213

DaB tatsaehlich eine Verarmung der Gewebe an Kalk bei Tetanie vorkommt, k6nnen wit nach den Analysen von Q u e s t und A s c h e n - h e l m 1) annehmen, trotz der gegenteiligen Befunde S t 6 1 ~ z n e r s , wenn wir beriicksichtigen, dab der Kalkgehal t yon dem Stadium der Rachitis abhangt, in dem die Untersuehung ausgeftihrt wird.

Ebenso fanden S c h w a r z und B a s s 3) im Stoffwechselversuch, dab bei b e s t e h e n d e r Tetanie die t (alkretent ion n i c h t v e r m i n d e r t ist imd dab naeh A b k l i n g e n der Tetanie diese Retentiofl s t e i g t : dies ist ein Beweis daffir, dab eine fortsehreitende R a e h i t i s, wenigstens bei die~en Versuchen, nicht vorgelegen hat. SchlieBlich sei auf die bekannte sehr merkwiirdige Ta t sache hingewiesen, dab die Raehitis durch K a l k -

/

gaben nicht beeinfluBt wird, wahrend die Tetanie durch Kalk sogar zum vSlligen Schwinden gebracht werden kann ~): ihre Ursaehe muB denmach in einer efilfachen Kalk e n t zi e h u ng der Gewebe zu suchen sein, wahrend bei dem rachitischen Knochen eine pathologische Unfahigkei~, Kalk zu binden, somit eine , , K a l k v e r w e i g e r u n g " vorliegt. Dies erklart vielleieht auch, warum ich, wie eingangs gesagt, im Winter und Frfihling 1919 keine Tetanie beobachtete; hat te ich doch bereits, in der Erwagung, dab bei der Heilung der Rachitis ein sehr groBer Kalk-. bedarf eintritt, der vielleicht durch die Nahrung nicht gedeckt werden k.Snnte, den im Januar bis April bestrahlten Kindern reichlich Kalk gegeben.

Die Anzahl meiner Fiille ist zu gering, um bereits jetzt ein abschlieBen- des Urteil fiber diese Fragen abgeben zu kSnnen. Immerhin genfigen sie, den Ein~vand zu entkraften, dab die Ultraviolet tbestrahlung nur auf den Knoehen wirke und die cerebrale Komponente v611ig unbeein- flui~t lasse. Denn es ist in alien 6 Fallen gelungen, ein nicht ossares, sondem nerviises bzw. endokrines Symptom der Rachitis durch die Bestrahlung objekt iv zu beseitigen.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

1. Bei 6 mit Ultraviolet~licht behandelten spasmophilen Raehit ikern wurde ein Schwinden der tetanischen Symptome in 4 Tagen bis 4 Wochen beobachteb. Die laryngospastischen (2) und klonischen (1) Krampfe schwanden naeh der e r s t e n intensiven Bestrahlung.

2. In 3 Fiillen t ra t die Tetanie nach kiirzerer oder langerer B l a u - l i c h t b e s t r a h l u n g auf.

1) A s c h e n h e i m, Uber den Aschengehalt Spasmophiler. Monatsschr. f. Kinderheilk., Bd. 9.

3) Schwarz und Bass , Kalkstoffwechsel bei Tetanie. Amer. Journ. of dis. of children. 3, 15. 1917.

a) Cur schmann , Dtsch. Zeitschr. f. Nervenheilk. 45, 104. 1912.

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214 K. Huldschinsky: Die Beeinflussung de~ Tetanie durch Ultraviolettlicht.

3. 5 yon den 6 F~llen zeigten beim AuItreten bzw. zur Zei~ der ersten FeststeUung der Tetanie H e i 1 u n g s v p r ~ ~ n g e am rachitischen

K n o c h e n . 4. Die Tetanie der Rachitiker kann ausgelSs~ werden dutch eine

K a l k e n t z i e h u n g der iibrigen Gewebe yon seiten des h e i l e n d e n Knochens.

5. Zur Verhfitung der Tetanie empfiehlt es sich daher, im ersten Bestrahlungsmonat K a l k zu geben.