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129 | Obere Extremität 3 · 2013 Leitthema: Übersicht Infektionen der Beugesehnenscheiden an der Hand stellen für den betroffenen Pa- tienten nach wie vor eine echte Katastro- phe dar. Vor der Einführung der Anti- biotika wurde noch über Mortalitätsra- ten von 7 % berichtet [7]. Heute liegen die Mortalitätsraten nahe bei 0 %, aber die Morbiditätsraten mit irreversiblen Funktionseinbußen an der Hand sind bei verspäteter Diagnostik und Therapie mit 45 % schlechter Resultate [17] enorm hoch. Wenn die Erkrankung nicht richtig erkannt und lediglich mit Anbiotika un- gezielt „anbehandelt“ wird, wird der wah- re Charakter dieser speziellen Form der Infektion verschleiert, die weitere Schädi- gung der Gleitschichten aber nicht aufge- halten und somit die Chance auf gute Er- gebnisse verspielt. Um optimale Ergebnis- se erzielen zu können, muss die Diagno- se so früh wie möglich gestellt und die ad- äquate operative Therapie ohne Verzöge- rung erfolgen. Anatomische Vorbemerkungen Wichtige und empfindliche Organe (Hirn, Herz, etc.) sind normalerweise gut geschützt und von der Außenwelt abge- schirmt. Auch die Sehnenscheidenräu- me befinden sich unterhalb einer dicken palmaren Hornhaut, einer kräftigen mit Retinacula cutis durchzogenen palmaren Fettschicht und einer fibrös verstärkten Hülle. An einigen Stellen ist der Abstand zwischen der Hornhaut und der Sehnen- scheide aber auch sehr dünn. In der End- gelenkbeugefurche beträgt der Abstand zwischen der Hornhaut und der Beuge- sehnenscheide nur wenige Millimeter. Diese Stelle ist wahrscheinlich die häu- figste Eintrittspforte für Bakterien, die mit Dornen, Stacheln, Splittern und anderen nicht sterilen Fremdkörpern in die Beu- gesehnenscheide gelangen. Großflächi- ge Verletzungen der Sehnenscheide und der Beugesehnen durch Sägen, Messer etc. führen interessanterweise nicht so häufig zu den typischen Beugesehnenscheiden- infektionen. Der Grund scheint darin zu liegen, dass die Bakterien durch und mit verschiedenen Sekreten durch große Öff- nungen besser aus der Sehnenscheide ent- fernt werden können. Die Sehnenscheide ist an der Hand für die einzelnen Fingerstrahlen nicht ein- heitlich aufgebaut. Am Daumen erstreckt sie sich distal von der Mitte des Endglie- des nach proximal in einen großen Seh- nenscheidensack im Handgelenkbereich, der bis knapp proximal der Raszetta reicht. Zeige-, Mittel- und Ringfinger ver- fügen nur über eine kurze Sehnenschei- de von der Mitte des Endgliedes bis etwa 1 cm proximal des A1-Ringbandes. Die- ser proximale Rand wird auch als „Cul de sac“ bezeichnet und ist etwas erweitert. Der Kleinfinger hat wieder einen großen Sehnenscheidenbereich, der distal von der Mitte des Endgliedes aus kontinuier- lich bis etwa 3 cm proximal der Raszet- ta reicht. Im Handgelenkbereich hat die Sehnenscheide des Kleinfingers ebenfalls wie der Daumen einen Sehnenscheiden- sack, mit dem er auch kommunizieren kann. Ausbreitungen von Bakterien von der Beugesehnenscheide des Daumens in die des Kleinfingers und umgekehrt (V- „Phlegmone“, „horseshoe infection“) sind über diese Verbindung möglich, aber heu- te selten geworden [5, 13]. Wenn die In- fektion sich weiter nach proximal auf den Unterarm ausbreitet, finden sich die Eiter- ansammlungen hauptsächlich zwischen den tiefen Beugesehnen und dem M. pro- nator quadratus sowie der Membrana in- terossea, dem Parona-Raum (Francesco Parona 1842–1908; [13, 21, 22]). Innerhalb der Beugesehnenscheide sind sowohl die Sehne als auch die Wan- dungen mit einer Gleitschicht (Synovia- lis) bedeckt. In diesem Spaltraum befin- det sich die Gleitflüssigkeit (Synovia). Die Synovia erleichtert das Gleiten der Seh- nen, ist aber auch für die Ernährung der Beugesehnen zuständig. Pathophysiologie, klinisches Bild und Diagnostik Die pathophysiologischen Abläufe im Fin- ger nach einer einfachen Stichverletzung, z. B. auf Höhe des proximalen Interpha- lageal (PIP)-Gelenks, mit Eindringen von Bakterien in den Beugesehnenscheiden- raum folgen sehr schnell aufeinander. Erst bei fortgeschrittener Infektion des Endgliedbereichs können auch die Beu- gesehnenscheiden betroffen sein [14, 15]. Da die Synovia ein sehr gutes Nährme- dium ohne wesentliche Abwehrmecha- nismen darstellt, können sich eingedrun- gene Bakterien fast ungehindert vermeh- ren. Die kritische Keimzahl zur Auslösung einer Infektion scheint sehr niedrig zu lie- gen. Durch die normalen Fingerbewe- gungen werden die Bakterien schnell über die gesamte Ausdehnung der Beugeseh- nenscheide verbreitet. Wenn Fremdkör- per mit in die Beugesehnenscheide gelan- gen, bleiben sie entweder an Ort und Stel- le, z. B. in der Sehne, stecken oder werden durch die Fingerbewegungen nach und nach in den proximalen Sehnenschei- densack transportiert. Die Sehnenschei- denwände reagieren sehr schnell, eine Ge- fäßinjektion ist schon nach kurzer Zeit zu beobachten. Das Volumen der Flüssigkeit innerhalb der Sehnenscheide steigt an. Martin Franz Langer · Carsten Surke · Britta Wieskötter Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Sektion Handchirurgie und Mikrochirurgie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland Die Beugesehnenscheideninfek- tion der Finger und des Daumens Obere Extremität 2013 ∙ 8:129–135 DOI 10.1007/s11678-013-0223-3 Eingegangen: 28. Juni 2013 Angenommen: 5. Juli 2013 Online publiziert: 13. August 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Die Beugesehnenscheideninfektion der Finger und des Daumens; Flexor tendon sheath infections of finger and thumb;

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129| Obere Extremität 3 · 2013

Leitthema: Übersicht

Infektionen der Beugesehnenscheiden an der Hand stellen für den betroffenen Pa­tienten nach wie vor eine echte Katastro­phe dar. Vor der Einführung der Anti­biotika wurde noch über Mortalitätsra­ten von 7 % berichtet [7]. Heute liegen die Mortalitätsraten nahe bei 0 %, aber die Morbiditätsraten mit irreversiblen Funktionseinbußen an der Hand sind bei verspäteter Diagnostik und Therapie mit 45 % schlechter Resultate [17] enorm hoch. Wenn die Erkrankung nicht richtig erkannt und lediglich mit Anbiotika un­gezielt „anbehandelt“ wird, wird der wah­re Charakter dieser speziellen Form der Infektion verschleiert, die weitere Schädi­gung der Gleitschichten aber nicht aufge­halten und somit die Chance auf gute Er­gebnisse verspielt. Um optimale Ergebnis­se erzielen zu können, muss die Diagno­se so früh wie möglich gestellt und die ad­äquate operative Therapie ohne Verzöge­rung erfolgen.

Anatomische Vorbemerkungen

Wichtige und empfindliche Organe (Hirn, Herz, etc.) sind normalerweise gut geschützt und von der Außenwelt abge­schirmt. Auch die Sehnenscheidenräu­me befinden sich unterhalb einer dicken palmaren Hornhaut, einer kräftigen mit Retinacula cutis durchzogenen palmaren Fettschicht und einer fibrös verstärkten Hülle. An einigen Stellen ist der Abstand zwischen der Hornhaut und der Sehnen­scheide aber auch sehr dünn. In der End­gelenkbeugefurche beträgt der Abstand zwischen der Hornhaut und der Beuge­sehnenscheide nur wenige Millimeter. Diese Stelle ist wahrscheinlich die häu­figste Eintrittspforte für Bakterien, die mit Dornen, Stacheln, Splittern und anderen

nicht sterilen Fremdkörpern in die Beu­gesehnenscheide gelangen. Großflächi­ge Verletzungen der Sehnenscheide und der Beugesehnen durch Sägen, Messer etc. führen interessanterweise nicht so häufig zu den typischen Beugesehnenscheiden­infektionen. Der Grund scheint darin zu liegen, dass die Bakterien durch und mit verschiedenen Sekreten durch große Öff­nungen besser aus der Sehnenscheide ent­fernt werden können.

Die Sehnenscheide ist an der Hand für die einzelnen Fingerstrahlen nicht ein­heitlich aufgebaut. Am Daumen erstreckt sie sich distal von der Mitte des Endglie­des nach proximal in einen großen Seh­nenscheidensack im Handge lenkbereich, der bis knapp proximal der Raszetta reicht. Zeige­, Mittel­ und Ringfinger ver­fügen nur über eine kurze Sehnenschei­de von der Mitte des Endgliedes bis etwa 1 cm proximal des A1­Ringbandes. Die­ser proximale Rand wird auch als „Cul de sac“ bezeichnet und ist etwas erweitert. Der Kleinfinger hat wieder einen großen Sehnenscheidenbereich, der distal von der Mitte des Endgliedes aus kontinuier­lich bis etwa 3 cm proximal der Raszet­ta reicht. Im Handgelenkbereich hat die Sehnenscheide des Kleinfingers ebenfalls wie der Daumen einen Sehnenscheiden­sack, mit dem er auch kommunizieren kann. Ausbreitungen von Bakterien von der Beugesehnenscheide des Daumens in die des Kleinfingers und umgekehrt (V­ „Phlegmone“, „horseshoe infection“) sind über diese Verbindung möglich, aber heu­te selten geworden [5, 13]. Wenn die In­fektion sich weiter nach proximal auf den Unterarm ausbreitet, finden sich die Eiter­ansammlungen hauptsächlich zwischen den tiefen Beugesehnen und dem M. pro­nator quadratus sowie der Membrana in­

terossea, dem Parona­Raum (Francesco Parona 1842–1908; [13, 21, 22]).

Innerhalb der Beugesehnenscheide sind sowohl die Sehne als auch die Wan­dungen mit einer Gleitschicht (Synovia­lis) bedeckt. In diesem Spaltraum befin­det sich die Gleitflüssigkeit (Synovia). Die Synovia erleichtert das Gleiten der Seh­nen, ist aber auch für die Ernährung der Beugesehnen zuständig.

Pathophysiologie, klinisches Bild und Diagnostik

Die pathophysiologischen Abläufe im Fin­ger nach einer einfachen Stichverletzung, z. B. auf Höhe des proximalen Interpha­lageal (PIP)­Gelenks, mit Eindringen von Bakterien in den Beugesehnenscheiden­raum folgen sehr schnell aufeinander. Erst bei fortgeschrittener Infektion des Endgliedbereichs können auch die Beu­gesehnenscheiden betroffen sein [14, 15].

Da die Synovia ein sehr gutes Nährme­dium ohne wesentliche Abwehrmecha­nismen darstellt, können sich eingedrun­gene Bakterien fast ungehindert vermeh­ren. Die kritische Keimzahl zur Auslösung einer Infektion scheint sehr niedrig zu lie­gen. Durch die normalen Fingerbewe­gungen werden die Bakterien schnell über die gesamte Ausdehnung der Beugeseh­nenscheide verbreitet. Wenn Fremdkör­per mit in die Beugesehnenscheide gelan­gen, bleiben sie entweder an Ort und Stel­le, z. B. in der Sehne, stecken oder werden durch die Fingerbewegungen nach und nach in den proximalen Sehnenschei­densack transportiert. Die Sehnenschei­denwände reagieren sehr schnell, eine Ge­fäßinjektion ist schon nach kurzer Zeit zu beobachten. Das Volumen der Flüssigkeit innerhalb der Sehnenscheide steigt an.

Martin Franz Langer · Carsten Surke · Britta WieskötterKlinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Sektion Handchirurgie und Mikrochirurgie,

Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland

Die Beugesehnenscheideninfek-tion der Finger und des Daumens

Obere Extremität 2013 ∙ 8:129–135DOI 10.1007/s11678-013-0223-3Eingegangen: 28. Juni 2013Angenommen: 5. Juli 2013Online publiziert: 13. August 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Leitthema: Übersicht

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Dies ist wahrscheinlich ein Versuch des Körpers, die Bakterien doch noch her­auszuspülen. Da die Haut der Hand aber meist schon wieder verschlossen ist, ge­lingt dies nicht und der Druck innerhalb der Beugesehnenscheide steigt. Nach den Messungen von Schnall [23] kommt es zu recht hohen Drücken, die mit einem

Kompartmentsyndrom vergleichbar sind. Andererseits habe ich es bei meinen Ope­rationen von Beugesehnenscheideninfek­tionen noch niemals erlebt, dass es bei der Eröffnung aus der Sehnenscheide regel­recht gespritzt hätte.

Je länger die Bakterien auf die inneren und äußeren Gleitschichten einwirken,

desto stärker werden diese geschädigt. In den ersten 48 Stunden erscheint die Ober­fläche der Beugesehne meist noch glatt und spiegelnd. Danach wird die Oberflä­che zunehmend rauer und stumpf. Die Synovia wird zunehmend trüber. Je nach Art und Menge der Bakterien kommt es dann zu einer zunehmenden Andauung der Sehne selbst. Die Kollagenfasern ver­lieren ihren Zusammenhalt, werden fase­rig­schleimig und von der Färbung her meist grünlich. Diese Abschnitte der Seh­ne sind nekrotisch und definitiv verloren.

Der Körper reagiert auf Veränderun­gen innerhalb des empfindlichen Systems der Sehnenscheide sehr sensibel. Schon nach einigen Stunden können sich hefti­ge Schmerzen einstellen. Der Finger ist zu Beginn aber noch vollkommen unauffäl­lig: Nicht geschwollen, nicht gerötet. Pa­tienten, die sich zu diesem Zeitpunkt in den Ambulanzen vorstellen, werden nicht selten unverrichteter Dinge wieder weg­geschickt. Erst langsam bildet sich dann ein Schwellungsgefühl aus, der Finger ist dann leicht gerötet, über die ganze Län­ge gleichmäßig angeschwollen und leicht gekrümmt. Jeder Versuch der Streckung des Fingers oder der starken Beugung ist sehr schmerzhaft, da sich der Druck in­nerhalb der Sehnenscheide dabei erhöht. Diese Anzeichen beschrieb Allen B. Kana­vel [9, 10] bereits vor 100 Jahren als Kar­dinalzeichen der Beugesehnenscheiden­infektion (. Abb. 1, 2 und 3):a. Spannung und Druckschmerz über

dem gesamten Verlauf der Beugeseh­nenscheide,

b. generalisierte Schwellung des gesam­ten Fingers – einschließlich der beu­geseitigen Abschnitte des Subkutan­gewebes,

c. extreme Schmerzen – besonders pro­ximal – bei der versuchten Streckung des Fingers und

d. gebeugte Stellung des Fingers.

Das empfindlichste und sicherste dieser Zeichen ist laut Literatur [10, 13, 18] der „Streckungsschmerz“.

Eine ganze Reihe anderer Zeichen (Rötung, Lymphangitis, Handrücken­ödeme und Fieber) sind nicht regelmä­ßig und in stark unterschiedlicher Aus­prägung vorhanden; diese können nicht sicher zur Diagnostik herangezogen wer­

Abb. 1 9 Kardinal-zeichen nach Kanavel: Gleichmäßige Schwel-lung des gesamten Fingers, Beugestellung des Fingers

Abb. 2 9 Kardinalzei-chen nach Kanavel: Ex-tremer Schmerz bei versuchter Streckung des Fingers

Abb. 3 9 Kardinal-zeichen nach Kanavel: Druckschmerz über dem gesamten Ver-lauf der Beugesehnen-scheide beim Zeige-finger bis in die Hohl-hand

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den. Wichtig ist nur, dass die Diagnose sehr schnell gestellt und die Operation zü­gig vorbereitet wird. Die Operation muss ohne Verzögerung erfolgen, ein Zuwar­ten mit Feuchtverbänden, Schmerzmedi­kation und Antibiotikagabe kann den Zu­stand des Patienten scheinbar verbessern, die Schädigung der Sehnen wird dadurch aber nicht aufgehalten.

Differenzialdiagnose

Als Differenzialdiagnosen kommen eine Reihe von Erkrankungen infrage, die aber meist nicht die typischen Kanaval­Kardi­nalzeichen aufweisen. Trotzdem ist es wichtig, daran zu denken und diese Er­krankungen auszuschließen [3]:

Herpesinfektion des FingersHerpesinfektionen am Finger können ebenso wie Beugesehnenscheideninfek­tionen zu heftigen Schmerzen führen, auch bevor die herpestypischen Bläs­chen auftreten. Die Schmerzen erschwe­ren die Diagnostik der Kardinalzeichen nach Kanavel.

GelenkempyemeInfektionen der Fingergelenke gehen meist mit einer spindelförmigen Schwel­lung des Fingers einher. Der betroffene Finger ist bei einer Infektion des Mittelge­lenks gebeugt und eine Streckung des Fin­gers ist schmerzhaft. Wenn die spindelför­mige Schwellung nicht besonders stark ausgeprägt ist und der Finger insgesamt etwas geschwollen ist, fehlt von den 4 Kar­dinalzeichen lediglich die Schmerzhaftig­keit entlang der Beugesehnenscheide.

KristallarthropathieBei den periartikulären Kristallarthropa­thien werden Kristallpartikel (Natrium­urat, Kalziumphosphat oder Kalziumhy­droxyapatit) in artikuläre oder periartiku­läre Strukturen eingelagert. Entsprechend der Kristallart werden die Erkrankungen Gicht, Chondrokalzinose oder Hydroxyl­apatitablagerungskrankheit genannt. Die Kristallansammlungen sind meist dünn­wandig abgekapselt. Bei kleinen unbe­deutenden Traumen können diese Kap­seln aufbrechen und sich die Kristalle in die Umgebung ausbreiten. Dies führt zu einer „chemisch bedingten“ Entzündung

mit akut auftretenden Schmerzen, Rö­tung und Überwärmung und allgemei­nen Entzündungszeichen, teilweise so­gar zu Fieber. Bei der Gicht/Pseudogicht spricht man an der Hand analog zur Pod­agra am Fuß von einer Chiragra.

Mikrobiologie

Die Bakterien, die aus einer infizierten Beugesehnenscheide angezüchtet wer­den können, sind zu 40−75 % Staphylo­coccus aureus. Methicillinresistente Sta­phylokokken (MRSA) werden in bis zu 29 % gefunden [3, 11]. Andere häufige Keime sind Staphylococcus epidermidis, ß­hämolysierende Streptokokken und Pseudomonas aeruginosa. Mischinfek­

tionen mit gramnegativen Keimen sind nicht selten. Lille [16] fand sogar in 26 % seiner Fälle Mischinfektionen von anae­roben und aeroben Keimen. Bei Men­schenbissen muss man mit Eikenella cor­rodens, bei Tierbissen mit Pasteurella multocida rechnen [24]. Zahlreiche selte­ne Keime wurden beschrieben und kein Keim kann prinzipiell ausgeschlossen werden [13].

Es ist aber bei weitem nicht so, dass immer ein Keim nachgewiesen werden kann. Einige Autoren geben an, dass in den Kulturen zu 20–63 % keine Keime ge­funden wurden [3, 20]. Dies kann daran liegen, dass bereits vor Probenabnahme mit Antibiotika behandelt wurde, oder dass eine „chemische“ Tendosynovialitis

Obere Extremität 2013 ∙ 8:129–135 DOI 10.1007/s11678-013-0223-3© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

M. F. Langer · C. Surke · B. Wieskötter

Die Beugesehnenscheideninfektion der Finger und des Daumens

ZusammenfassungInfektionen der Beugesehnenscheide müs-sen schnell erkannt und gezielt behandelt werden. Die spezielle Anatomie der Beuge-sehnenscheiden und der Ausbreitungswege der Infektion müssen ebenso bekannt sein wie die klinischen Zeichen einer beginnen-den Infektion, Differenzialdiagnosen, Mikro-biologie und das perioperative Management wie Anästhesieform. Nur eine frühzeitige Be-handlung ermöglicht eine vollständige Wie-derherstellung der Funktion der Hand. Ver-spätete oder verschleierte Diagnosen haben häufig unbefriedigende Langzeitergebnisse zur Folge. Die operative Therapie muss den Infekt gezielt angehen und ihn möglichst in

einer Operation vollkommen beseitigen. Da-bei ist der intraoperative Befund der Beuge-sehne ausschlaggebend für die chirurgischen Maßnahmen. Die Rehabilitation nach einer Operation einer Beugesehnenscheideninfek-tion spielt eine besondere Rolle. Das Spekt-rum der Komplikationen dieser Erkrankung ist hoch, doch lassen sich heute bei frühzeiti-ger Behandlung viele gute und sehr gute Re-sultate erzielen.

SchlüsselwörterBeugesehne · Sehnenscheideninfektion · Infektion · Hand · Chirurgie

Flexor tendon sheath infections of finger and thumb

AbstractInfections of the flexor tendon sheath must be quickly identified and specifically treat-ed. The special anatomy of the flexor ten-don sheath and spread of infection must be known as well as the clinical signs of a be-ginning infection, differential diagnoses, microbiology and perioperative manage-ment, such as anesthesia. Only by early treat-ment can a full recovery of hand function be achieved. Late or masked diagnoses often have unsatisfactory long-term results. Surgi-cal treatment must address the specific infec-tion and completely eliminate the infection if

possible in one operation. The intraoperative findings of the flexor tendon are decisive for the surgical procedure. Rehabilitation after surgery for flexor tendon sheath infections plays a special role. The spectrum of compli-cations of this disease is high but good and very good results have now been achieved with early treatment.

KeywordsPyogenic flexor tenosynovitis · Infection · Surgery · Hand · Flexor tendon

Zusammenfassung · Abstract

Leitthema: Übersicht

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durch Bestandteile auf Pflanzenstacheln vorlag [13, 26].

Anästhesie

Da bei der Operation der proximale Rand des Sehnenscheidensackes in der Hohl­hand für die Finger 2–4 eröffnet werden muss und generell keine örtlichen Injek­tionen im Infektionsgebiet gemacht wer­den sollen, ist eine Oberst­Anästhesie, ge­nauso wie Leitungsblöcke, ein „wide awa­ke approach“ [12] oder auch eine IV­Re­gionalanästhesie nicht empfehlenswert. Da eine Lymphangitis nicht immer so­fort erkannt werden kann und fast alle Lymphkollektoren die Gefäße und Ner­ven in der Axilla begleiten, sollte unserer Meinung nach die Operation auch nicht unter Plexusanästhesie erfolgen. Eine Lymphangitis ist dagegen keine Kontra­indikation für eine Blutsperre. Eine ech­te Blutleere mit Auswickeln der Hand sollte vermieden werden, eine Blutsper­re bietet aber zahlreiche Vorteile: bessere Übersicht, schnelleres und schonenderes Präparieren und bessere Beurteilbarkeit der infizierten/nicht infizierten Struktu­ren. Die Blutsperre sollte gegen Ende der Operation dann aber geöffnet werden, da das entzündliche Gewebe stark hyperämi­siert ist und die Wunde stärker blutet als erwartet.

Schnittführung

In der Vergangenheit wurden zahlreiche Schnittführungen für die Eröffnung der Beugesehnenscheide beschrieben. Wel­che Schnittführung gewählt wird, hängt von den individuellen Bedingungen ab. Folgende Kriterien müssen bei der Eröff­nung erfüllt werden:a. Die (infizierte) Eintrittspforte sollte

mit exzidiert werden.b. Die gesamte Beugesehnenscheide

muss durch die Spülung erreicht wer­den, d. h. mindestens das proximale und distale Ende der Sehnenscheide.

c. Der proximale Sehnenscheidensack („Dreckfang“) muss besonders gründ­lich gereinigt oder exzidiert werden können.

d. Die Schnittführung sollte so angelegt werden, dass im Falle einer Wundde­hiszenz wichtige Strukturen nicht frei­liegen und austrocken können (z. B. freiliegende Beugesehne nach Nekrose der Sehnenscheide und Ringbänder).

e. Das Risiko der Verletzung von Lei­tungsbahnen muss minimiert werden.

f. Hautlappen dürfen nicht zu spitzwin­kelig geschnitten werden, da bei Infek­tionen die Durchblutung der Lappen durch Schwellungen beeinträchtig sein kann und leichter Spitzennekrosen auf­treten.

Operatives Vorgehen

Bei uns hat sich folgendes Vorgehen be­züglich der Schnittführung bewährt:

Wenn die Eintrittspforte noch sichtbar ist, wird diese Stelle schmal – oder wenn Infektionszeichen vorliegen −entspre­chend im Verlauf einer Bruner­Inzision exzidiert. Dies hat den Vorteil, dass an die­ser Stelle manchmal noch Fremdkörper in der Sehnenscheide oder Sehne stecken und dann entfernt werden können. Dann wird zumindest das distale und das pro­ximale Ende der Sehnenscheide ebenfalls in einer kurzen Bruner­Inzision eröffnet. An allen Eröffnungsorten sollten Gewebs­proben für die mikrobiologische Untersu­chung entnommen werden. Abstriche von der Flüssigkeit sind meist nicht so ergiebig für die Mikrobiologie. Die Bruner­Inzisi­on sollte passend zur Schnittführung der Exzision der Eintrittspforte sein, um bei ausgedehnteren Infektionen die Schnit­te verbinden zu können. Am Zeige­, Mit­tel­ und Ringfinger wird distal über der Endgelenkbeugefurche und knapp pro­ximal des A1­Ringbandes eröffnet. Wenn das A1­Ringband nicht infiziert ist, sollte es auf jeden Fall geschont werden. Wenn mehrere Ringbänder nekrotisch sein soll­ten, ist jeder kleine Rest an intakten Ring­bändern sehr wertvoll, um ein „bowstrin­ging“ zu vermeiden.

Am Daumen und am Kleinfinger rei­chen die Sehnenscheiden bis an den dista­len Unterarm. Die Eröffnung distal unter­scheidet sich nicht von den übrigen Fin­gern. Proximal sollte aber nicht primär in der Hohlhand, sondern proximal der Raszetta eröffnet werden. Die Schnittfüh­rung am distalen Unterarm kann relativ geradlinig in Längsrichtung erfolgen, da durch starke Zickzackschnittführung z. B. der Ramus palmaris des N. medianus ge­schädigt werden kann. Für die Eröffnung der Sehnenscheide des Daumens verwen­den wir einen Längsschnitt radial der M.­flexor­carpi­radialis­Sehne, für die Eröff­nung der Sehnenscheide des Kleinfingers einen Längsschnitt radial der A. ulnaris.

Das weitere Vorgehen richtet sich dann nach dem Lokalbefund.

Szenario 1: Spiegelnde Oberfläche der Beugesehnen und leicht trübe Synovia (. Abb. 4 und 5). Finden sich noch spie­

Abb. 4 9 Eröffnung der Beugesehnen-scheide am Zeigefin-ger an 3 Stellen: dista-les und proximales En-de der Sehnenscheide, Exzision der Eintritts-pforte

Abb. 5 9 Vol-le schmerzfreie Stre-ckung des Zeigefingers am 2. postoperativen Tag mit noch liegen-den Drainagen

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gelnde Beugesehnen und eine nur leicht trübe Synovia ohne Gewebsnekrosen, wird die Sehnenscheide intensiv von dis­tal nach proximal und umgekehrt mit 0,9 %iger NaCl­, Ringer­ oder 2 %iger Be­taisodona­Lösung gespült. Über Polyhe­xin­Lösungen (Prontosan) sind uns noch keine negativen Meldungen bekannt. Auf gar keinen Fall darf mit Octenisept gespült werden. Hierdurch kommt es zu wochen­

lang bestehenden harten, geröteten Öde­men der gesamten Hand mit einer ent­sprechenden bleibenden Versteifung der Finger.

Die intensive Spülung (500 ml) und doppelte Eröffnung der Sehnenscheide reicht als operative Maßnahme i.d.R. aus. Distal und proximal über den Scheiden­scheidenöffnungen muss ein Abfluss von Sekreten gewährleistet bleiben. Locker ad­

aptierende Hautnähte und Feuchtverbän­de auf einer Schiene in „Intrinsic­plus“­Stellung beschließen die Operation.

Nach Öffnung der Blutsperre kann ein systemisches Antibiotikum verabreicht werden. Wir verwenden ein Cephalos­ porin.

Szenario 2: Trübe Synovia, stark verdick-te Synovialis (. Abb. 6, 7 und 8). Zeigt sich bei der Eröffnung, dass die Synovia­lis stark verdickt ist, sollte der Finger wei­ter, meistens sogar über die ganze Län­ge eröffnet werden. Die Infektion besteht schon länger und die Oberfläche der Seh­nen erscheint nicht mehr spiegelnd glatt, sondern ist schon stumpf. Das gewucher­te Synovialgewebe verbindet an einigen Stellen die Sehnenscheide mit der Beuge­sehne. Dies kann später zu derben Ver­wachsungen führen. Außerdem werden Fremdkörper und Bakterien vom Syn­ovialgewebe eingekapselt. Das gewucher­te Synovialgewebe wird möglichst voll­ständig entfernt ohne dabei die Ringbän­der zu verletzen. Anschließend wird der gesamte Wundbereich und die Beuge­sehnen intensiv gespült. Von einer Dau­erspülbehandlung sind wir in den vergan­genen Jahren zunehmend abgekommen. Die Anlage und Pflege einer solchen Dau­erspülbehandlung ist aufwändig und häu­fig schmerzhaft. In der Wunde bilden sich schnell Spülstraßen, d. h. Kurzschlussver­bindungen zwischen Einlauf und Ablauf mit zweifelhaftem therapeutischen Wert. Unserer Meinung nach ist es besser, bei ausgeprägten Infektionen eine geplante zweite Operation am Folgetag oder am 2. postoperativen Tag durchzuführen und das gesamte Gebiet erneut zu debridieren, falls notwendig. Andererseits hat Pillu­kat [18] gute Ergebnisse mit der Behand­lung von Spül­Saug­Drainagen erzielt, so­dass im Einzelfall individuell intraopera­tiv über den Einsatz von Spül­Saug­Drai­nagen frei entschieden werden kann.

Szenario 3: Trübe Synovia, stark verdick-te und teilweise nekrotische Synovialis (. Abb. 9). Finden sich bereits Nekrosen in den tieferen Anteilen, so muss radikal und kompromisslos débridiert werden. Je­des Gewebe, das sich nicht mehr erholen kann, muss entfernt werden. Auch hier ist zur Beurteilung die Öffnung der Blutsper­

Abb. 6 9 Eitrige Beu-gesehnenscheidenin-fektion mit Eiteraustritt bei Streckung des Fin-gers in Narkose

Abb. 7 9 Wundexzi-sion und Erweiterungs-schnitte mit Eiteraus-tritt aus der Beugeseh-nenscheide zwischen dem A3- und dem A4-Ringband

Abb. 8 9 Raue Ober-fläche der Beugeseh-ne nach radikaler Ex-zision sämtlicher nek-rotischer und infizier-ter Strukturen. Nur das A1-, A2- und A5-Ring-band waren noch zu erhalten.

Leitthema: Übersicht

134 | Obere Extremität 3 · 2013

re wichtig. Nicht mehr durchblutete Ge­webeanteile können manchmal erst dann erkannt und entfernt werden. Sehnenan­teile, die locker – faserig oder grünlich er­scheinen, müssen ebenfalls reseziert wer­den. Ziel der Operation ist es, den Körper bei der Beseitigung der Bakterien und Ab­stoßung der Nekrosen zu unterstützen – je gründlicher, desto schneller setzt die Hei­lung ein und desto früher kann mit der Rehabilitation begonnen werden.

Die Diskussion, ob eine kontinuierli­che Spülung notwendig ist, ist noch nicht endgültig abgeschlossen. Der Trend geht aber dazu, nicht in jedem Falle eine konti­nuierliche Spülung durchzuführen [6, 16].

Begleitende Medikamentöse Therapie

Eine begleitende antibiotische Therapie ist nach wie vor obligat. Bei einer perfo­rierenden Verletzung wird heute meist bis zum Vorliegen des Antibiogramms ein Cephalosporin (z. B. Cefazolin) i. v. alle 8 h empfohlen. Bei einer Penicillinal­lergie wird bevorzugt Clindamycin 600–900 mg/8h i. v. oder Erythromycin 500–1000 mg/6 h i. v. eingesetzt.

Immunsupprimierte Patienten, Dia­betiker oder Patienten mit Bissverletzun­gen erhalten Ampicillin­Sulbactam 1,5–3 g/6 h i. v., oder Cefoxitin 2 g/8 h i. v., bei Penicillinallergie Clindamycin 600–900 mg/8 h i. v. in Kombination mit Le­vofloxacin 500 mg/d i. v. für Erwachsene, für Kinder Clindamycin mit Trimetho­prim­Sulfamethoxazol.

Die i.v.­Antibiose wird meist über eine Dauer von 5−14 Tage eingesetzt, abhängig vom intraoperativen Befund, von den Be­

gleiterkrankungen des Patienten, der Art der kultivierten Keime und dem Heil­erfolg des Patienten auf die Behandlung.

Draeger [4] berichtete über gute Er­folge der lokalen Injektion von Antibio­tika in die Sehnenscheide zusammen mit lokalen Kortikosteroiden im Tierversuch bei Hühnern. Kortikosteroide sollen an­geblich einen günstigen Einfluss auf die Verklebungen und Kontrakturen der Finger haben. Beim Menschen wird diese Therapie meines Wissens noch nicht ein­gesetzt, daher gibt es hier noch keine kli­nischen Ergebnisse oder Empfehlungen.

Rehabilitation

Die Operation muss die Krankheitspha­se abkürzen. Dabei muss soviel infizier­tes und irreversibel geschädigtes Gewe­be wie möglich reseziert werden. Ande­rerseits muss so viel Gewebe wie mög­lich geschont werden, damit keine Sekun­därheilungen die Rehabilitation verzö­gern. Direkt nach der Operation sollten Feuchtverbände verhindern, dass Sekrete antrocknen und die Wundöffnungen wie Korken verstopfen. Die Feuchtverbän­de kühlen das infizierte Gebiet, was nicht nur angenehm ist, sondern auch das Bak­terienwachstum hemmt (Bakterien sollten jetzt möglichst nicht mehr da sein!) und die Durchblutung und damit die Abwehr steigert.

Das größte Problem nach Beugeseh­nenscheideninfektionen stellen langstre­ckige Verklebungen der oberflächlich ge­schädigten Sehnen dar, die nur durch eine frühzeitige Übungsbehandlung verhin­dert werden können. Ein weiteres Prob­lem bei der Rehabilitation sind die in­

fekttypischen Schwellungen und Ödeme des Weichteilgewebes, die die Beweglich­keit der Finger zusätzlich behindern. Hier müssen reichlich Maßnahmen zur Ab­schwellung ergriffen werden, ohne dabei jedoch das Gewebe zu reizen.

Eine Tenolyse nach einer Beugeseh­nenscheideninfektion ist möglich, jedoch sollte diese frühestens 3−4 Monate nach Ausheilung vorgenommen werden [13].

Komplikationen und deren Behandlung

Mit 38 % ist auch heute noch die Kom­plikationsrate der Beugesehnenscheiden­infektion enorm hoch [13, 25]. Die Pro­gnose ist von verschiedenen Variablen abhängig: Nach Pang [19] und [2] ist ein schlechtes Ergebnis besonders häufiga. bei über 43­jährigen Patienten;b. bei Patienten mit Diabetes mellitus,

einer peripheren Gefäßerkrankung oder Niereninsuffizienz;

c. bei Patienten, bei denen gleichzeitig eine subkutane Infektion vorliegt;

d. bei Patienten mit einer digitalen Isch­ämie oder

e. bei Patienten, bei denen eine Infektion mit verschiedenen Keimen vorliegt.

Nach Maloon [17] haben Beugesehnen­scheideninfektionen, die nach Menschen­bissen auftraten oder erst 7 Tage nach Be­ginn der Infektion operiert wurden, keine gute Prognose.

Zunächst muss zwischen Akut­, in­traoperativen und Spätkomplikationen unterschieden werden.

Zu den Akutkomplikationen zählen Hautnekrosen, die besonders bei Diabe­tikern gehäuft auftreten [1, 8] und zu er­höhten Amputationsraten führen kön­nen. Durch Arrosion der Gefäße kann es zu spontanen Blutungen, Gefäßverschlüs­sen an den Fingern, Sepsis oder metastati­schen Ausbreitungen der Infektion kom­men. Die Infektion kann sich in den Kno­chen, in Gelenke oder andere Räume (Pa­rona­Raum) ausbreiten. Durch die Ver­dickung des Synovialgewebes kann sich auch ein Karpaltunnelsyndrom zusätz­lich bemerkbar machen. Auch chronische Schmerzsyndrome (CRPS) sind nach In­fektionen nicht selten.

Abb. 9 9 Entfernung einer komplett nek-rotischen Beugeseh-ne (Sehnenwurm) aus dem Endgliedbereich des Daumens

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Intraoperativ kann es aufgrund der Unübersichtlichkeit im Operationsgebiet leichter zu Gefäß­ und Nervenverletzun­gen (R. thenaris des N. medianus) kom­men.

Die häufigste Spätkomplikation ist die Sehnenverklebung, die zu bedeuten­den Funktionsbehinderungen der Finger führen kann. Nicht selten sind auch Bo­gensehnenphänomene („bowstringing“) der Beugesehnen zu beobachten, die re­lativ leicht durch Nekrosen der Ringbän­der entstehen. Die Narben nach Infektio­nen sind nicht selten hypertroph und bil­den häufig Narbenkontrakturen. Auch die Nerven sind nach überstandener In­fektion von Narbengewebe umgeben und nicht selten sind Hyp­ oder Parästhesien als Spätschäden festzustellen.

Zweizeitige Beugesehnentransplanta­tionen und Ringbandersatzplastiken sind nach überstandener Beugesehnenschei­deninfektion möglich, aber sehr aufwän­dig.

Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. M. F. LangerKlinik für Unfall-, Hand- und Wiederher- stellungschirurgie, Sektion Handchirurgieund MikrochirurgieUniversitätsklinikum Münster Waldeyerstr. 1, 48149 Mü[email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.

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