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Die Beurteilung konkreter wirtschaftspolitischer Probleme by Walter Adolf Jöhr Review by: A. v. Mühlenfels FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 11, H. 2 (1949), pp. 404-407 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40908569 . Accessed: 15/06/2014 05:45 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 91.229.248.111 on Sun, 15 Jun 2014 05:45:41 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die Beurteilung konkreter wirtschaftspolitischer Problemeby Walter Adolf Jöhr

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Die Beurteilung konkreter wirtschaftspolitischer Probleme by Walter Adolf JöhrReview by: A. v. MühlenfelsFinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 11, H. 2 (1949), pp. 404-407Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40908569 .

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404 Literatur

delikater Interessenfragen und Belastungsprobleme; eine deutsche Ausgabe des Buches wäre von Herzen zu wünschen. Günter Schmölders.

Johannes Koulis, Die öffentlichen Ausgaben als volkswirt- schaftliche Erscheinung. Frankfurt, Klostermann 1948.

Die Arbeit, offenbar eine Münchener Dissertation, verfolgt nicht den bisheri- gen Hauptzweig der an Alfred Pigou und Gerhard Colm anschließenden Debatte über die Rolle der Staatsausgaben und Staatseinnahmen im Volkseinkommen, sondern beschreitet den Weg der deduktiven Analyse, die Schritt für Schritt die Wirkungen öffentlicher Ausgaben auf den und in dem verkehrwirtschaftlichen Kreislauf untersucht, so wie es die Überwälzungstheorie von jeher für die Wir- kungen der steuerlichen Einnahmen tut. Das ist ein bis zu gewissem Grade neuartiges Unternehmen, und es scheint mir wohl gelungen, wenn man von einer gewissen Neigung zum Tautologischen absieht, die nun einmal von der empirisch nicht oder nur wenig unterstützten Deduktion untrennbar ist. Auch gliedert sich die Analyse weniger systematisch als in loser Reihung. Immerhin erfahren wichtige Kostenpunkte wie ζ. Β. ,,die Bedeutung der öffentlichen Ver- ausgabung für die endgültige Gestaltung der volkswirtschaftlichen Wirkungen der Besteuerung und öffentlichen Kreditaufnahme" (§ 7) scharfe und treffende Beleuchtung. Ein zweiter Teil versucht für eine ,,aus der Knappheit der volks- wirtschaftlichen Produktionsmittel sich ergebende Notwendigkeit der Maß- haltung der öffentlichen Ausgaben" die Grenzen näher zu bestimmen. Hier ist trotz offensichtlich starker Vorliebe für marktwirtschaftliche Lösungen und Abneigung gegen die angebliche staatswirtschaftliche Vernachlässigung des ,, Wirtschaftsprinzips" doch überall ein wissenschaftliches Streben zur Abwägung dt r Maßstäbe und Hypothesen der Beurteilung festzustellen und anzuerkennen. Gerade auch in ihrer theoretischen Unbefangenheit ist die Arbeit ein begrüßens- wertes Zeugnis für das Wiederaufleben der Verbindung von Finanzwissenschaft und allgemeiner Wirtschaftstheorie in der heutigen deutschen Wissenschaft.

Carl Brinkmann.

Walter Adolf Jöhr, Die Beurteilung konkreter wirtschafts- politischer Probleme. A. Francke A.G. Verlag, Bern. 1947, 62 S. Die einleitende Feststellung des Verfassers, daß der Kontakt zwischen

Nationalökonomie und Wirtschaftspolitik noch sehr lose sei, gilt für Deutsch- land wahrscheinlich in noch höherem Maße als für die Schweiz; sie gilt - viel- leicht mit Ausnahme der USA., Schwedens und Englands - für die meisten Länder der Welt. Die Ursachen dafür liegen sowohl auf Seiten der national- ökonomischen Wissenschaft wie auch auf Seiten der wirtschaftspolitischen Pra- xis. Vermutlich liegt die Hauptursache nicht - wie man vielleicht annehmen könnte - in der zunehmenden Kompliziertheit und Schwerverständlichkeit der nationalökonomischen Theorien, obwohl auch sie ohne Zweifel ein gut Teil zu der Lockerung der - in früheren Jahrzehnten wesentlich engeren - Fühlung beigetragen hat. Denn gerade in den oben als Ausnahmen genannten Ländern ist die Theorie auf ein immer höheres Niveau der Abstraktion hinaufgetrieben und sind immer weitergehende Ansprüche an den Leser nationalökonomischer Bücher gestellt worden. Das Fehlen enger Verbindungen zwischen Wirtschafts- wissenschaft und wirtschaftlichen Praxis hat noch mancherlei andere Gründe.

Der Verfasser sagt: ,,Die Hauptaufgabe der Nationalökonomie besteht darin, die von der Wirtschaftspolitik zu treffenden Entscheidungen vorzube- reiten". Wahrscheinlich hat er Recht, wenn er meint, daß ,,dies ziemlich all- gemein anerkannt4' sei. Aber von der Anerkennung eines Grundsatzes bis zu seiner Durchführung ist oft ein weiter Weg.

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Literatur 405

Die nationalökonomische Theorie kann der Erkenntnis der historischen Wirklichkeit und sie kann der Anwendung auf praktische Probleme der Wirt- schaftspolitik dienen. Für jeden dieser beiden Zwecke bedarf sie eines besonderen Ausbaues. Überblicken wir die methodologische Literatur über das Verhältnis der Theorie zu anderen Teilgebieten der nationalökonomischen Wissenschaft, so finden wir, daß dem Verhältnis der Wirtschaftstheorie zur Wirtschafts- geschichte bedeutend mehr und vor allem bedeutend eindringendere Arbeit ge- widmet worden ist, als der Erörterung des Verhältnisses von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik.

Zwar wird in den meisten Lehrbüchern der ,, Wirtschaftspolitik" program- matisch festgestellt, daß die Erörterung der wirtschaftspolitischen Fragen auf der Grundlage der Ergebnisse der Theorie zu erfolgen habe, die Durchführung dieses Programmes kommt jedoch in der Regel über geringfügige Ansätze nicht hinaus. Das gilt besonders für diejenigen Länder, in denen es üblich geworden ist, Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik lehrmäßig getrennt zu behandeln. Der Hauptinhalt der wirtschaftspolitischen Lehrbücher ist teils historisch-des- kriptiver Natur, teils „politisch" in dem Sinne, daß entweder mehr oder minder zureichend begründete allgemeine Werturteile über die einzelnen Mittel der Wirt- schaftspolitik gefällt oder daß Kataloge von Einerseits-andererseits-Beurtei- lungen aufgestellt werden, mit denen der Wirtschaftspolitiker, der sich mit konkreten Situationen auseinanderzusetzen hat, nicht allzuviel anfangen kann. Dem Hauptproblem der Wirtschaftspolitik (und der Wissenschaft von der Wirt- schaftspolitik), nämlich der Analyse der Folgen von Eingriffen in das Wirt- schaftsleben, die stets nur auf der Grundlage einer bestimmten Situation und niemals allgemein erfolgen kann, und der (auf einer solchen Analyse beruhen- den) Beurteilung der Eignung der verschiedenen wirtschaftspolitischen Mittel zur Erreichung bestimmter Ziele, ist bisher eine recht bescheidene Rolle im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit zugefallen.

Die vorliegende kleine Schrift steuert mit ihren Erörterungen über die Be- urteilung wirtschaftspolitischer Probleme - oder genauer gesagt: mit ihrer kurz- gefaßten theoretisch-praktischen Anleitung zur Anfertigung wirtschaftspolitischer Gutachten - auch zur Erhellung der grundlegenden Problematik der Wirt- schaftspolitik einiges bei, vielleicht sogar mehr als manche anspruchsvolle Ab- handlung über die Methodologie der Wirtschaftspolitik.

Es ist richtig, wenn der Verfasser gleich am Anfang seiner Ausführungen betont, daß ein Fortschritt in der Nutzbarmachung der nationalökonomischen Forschung für wirtschaftspolitische Zwecke weniger von einer weiteren Ver- feinerung der Markttheorie als von einer Verbesserung der Methoden ihrer An- wendung und von der Mitberücksichtigung der soziologischen (ideologischen, staats-politischen, interessen-politischen usw.) Bestimmungsfaktoren zu er- warten ist. Die - früher bei der Grenznutzentheorie und heute wieder bei der Lehre von den Marktformen zu beobachtende - Neigung der Theoretiker zu möglichst weitgehender Verfeinerung und Differenzierung ihrer Lehren hat oft nicht - wie es wohl beabsichtigt wurde - zu größerer Lebensnähe, sondern im Gegenteil zu einer Entfernung von den Problemen der Wirklichkeit geführt.

Die Interdependenz der sozialen Erscheinungen erfordert eine Begrenzung der Fragestellung und ihre Einordnung in die (regionale, zeitliche und sachliche) Hierarchie der Probleme. Jöhr zeigt einige der Gefahren auf, die sich bei dieser Begrenzung ergeben. Ein Sichverlieren in übergeordnete Probleme führt von der angestrebten Problemlösung fort, statt zu ihr hin. Meist müssen die übergeord- neten Probleme hypothetisch als gelöst ,, gesetzt" werden, um den Weg für die Beantwortung der gestellten Sonderfrage zu öffnen. Aber diese hypothetische Lösung der übergeordneten Probleme muß mit Fingerspitzengefühl festgelegt werden, denn ein Fehlgriff in diesem Punkte kann das Ergebnis der weiteren Arbeit entwerten. Ebensowenig wie in die Erörterung der übergeordneten Pro- bleme darf sich der - ähnlich wie der Journalist unter dem Druck der Aktua- lität stehende - wirtschaftspolitische Gutachter auf der Suche nach einer mög- lichst guten theoretischen Fundierung seiner Erwägungen und Schlüsse ins Uferlose verlieren. Er muß sich in dieser Hinsicht den für den praktisch Han-

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406 Literatur

delnden gegebenen Notwendigkeiten anpassen und eine Ökonomie der Kräfte betreiben, die in diesem Maße in der Wissenschaft sonst nicht üblich ist.

Das wirtschaftspolitische Problem enthält drei konstitutive Elemente: die Zielsetzung, die Lage und - aus dem Widerspruch beider sich ergebend - die Frage, was zu tun sei. Jedes dieser drei Elemente kann Ausgangspunkt der Er- örterung sein, aber alle drei müssen bei der Untersuchung des ,, Falles" in Rück- sicht gezogen werden. Jöhr weist besonders auf die Gefahr hin, die sich für die Problemlösung aus der Verwendung unzweckmäßiger Begriffe ergibt.

Bei der Erörterung der Zielsetzung setzt sich der Verfasser mit der Wert- urteilsfrage zunächst nur kurz, aber in sehr praktischer Weise auseinander. Er verlangt von dem wirtschaftspolitischen Gutachter, daß er zwar die Zielsetzungen seines Auftraggebers zum Richtpunkt seiner Untersuchungen machen müsse, daß er jedoch den Gutachterauftrag nur übernehmen dürfe, wenn er sich mit diesen Zielsetzungen identifizieren könne. Oft wird er finden, daß die Ziel- setzungen der Praxis verschwommen sind und daß sie logische Mängel und Widersprüche aufweisen, deren Beseitigung ihm manche Einflußmöglichkeit auf die Zielsetzung des Auftraggebers bietet. Vor allem ist es von Bedeutung, daß der Unterschied zwischen (festliegenden) End- und (diskutier baren) Zwischen- zielen klar herausgearbeitet wird.

Die Ausgangslage läßt sich niemals für sich beurteilen, sondern stets nur in Konfrontierung mit einer Zielsetzung. Die richtige Erfassung der Lage ist durch einseitige Betrachtungsweise und persönliche Vorurteile gefährdet.

Die eigentliche Lö3ung des wirtschaftspolitischen Problems liegt in der Ab- leitung der zu empfehlenden Maßnahme (oder Maßnahmen) auf Grund der Ziel- setzung und der Lage, die sich ihrerseits als eine dynamische Erscheinung dar- stellt. Hier ist der Ort, wo die nationalökonomische Theorie herangezogen wer- den muß; denn die mannigfachen Nah-, Fern- und Nebenwirkungen einer Maß- nahme lassen sich in ihrer komplizierten Wirklichkeit gedanklich nicht erfassen: sie müssen an Hand von vereinfachten Modellen des Wirtschaftslebens abge- 1 eitet werden. Aber der Forscher darf in der Abstraktion nicht weiter gehen, als zur Erreichung seines Zweckes unbedingt erforderlich ist. Der Aussagewert hi- storischer Erfahrungen ist zwar nicht so schlüssig wie der der theoretischen Überlegung, er kann jedoch - da die Theorie den Quantitäten des Wirtschafts- lebens noch ziemlich hilflos gegenübersteht - von großer Bedeutung sein.

Nur selten ist es so, daß die Diskrepanz von Lage und Zielsetzung nur durch eine Maßnahme überbrückt werden könnte. Meist gibt es verschiedene Möglich- keiten und oft wird man den richtigen Weg in der Kombination mehrerer Maß- nahmen finden. Es leuchtet ein, daß diese Überlegungen zu recht komplizierten Gedankengängen führen können. In der Abschätzung der Bedeutung der Nah-, Fern- und Nebenwirkungen und in der Bewertung der verschiedenen Alter- nativen für die Problemlösung taucht noch einmal die Werturteilsfrage auf. Entscheidend wird sie für die Beantwortung der Frage, wie weit der Forscher bei seiner Stellungnahme gehen kann und soll. Einerseits kann und darf der wissenschaftliche Gutachter dem Politiker die Entscheidung nicht abnehmen. Auf der anderen Seite ist er besser mit der Materie vertraut als der auftragge- bende Politiker und es wäre daher unrationell, seine Sachkunde beim Fällen des Entscheids nicht maßgebend mitwirken zu lassen. In der Regel wünscht der Wirtsc haftspolitikfcr vom Wissenschafter nicht nur eine wissenschaftliche Ab- handlung und einen Katalog^ der Für und Wider, sondern einen Rat, wie er entscheiden soll. Die begründete Stellungnahme des Forschers ist für ihn auch dann von großem Wert, wenn er sie schließlich ablehnt. Jöhr leitet aus dieser Sachlage eine Pflicht des Gutachters zur Wertung ab, meint jedoch: ,, Solange aber die Frage, ob der Wissenschafter werten dürfe oder nicht, in der Wissen- schaft und in der Öffentlichkeit umstritten ist, sollte der Forscher Mißver- ständnisse und Angriffe in der Weise vermeiden, daß er ausdrücklich erklärt: Dies ist meine Stellungnahme; sie beruht auf der folgenden Wertung' '. Gegen eine solche hypothetische Stellungnahme werden auch die Vertreter werturteils- freier Wissenschaft wenig einzuwenden haben.

Die schwierige Aufgabe des Abwägens der Vor- und Nachteile einer wirt-

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Literatur 407

schaftspolitischen Maßnahme stellt der Verfasser wohl etwas einfacher dar als sie in Wirklichkeit ist. Die von ihm empfohlene Methode des ,, schritt weisen Vor- gehens" hilft über die grundsätzliche Schwierigkeit, die aus der unzureichenden Quantifizierbarkeit der deduzierten Wirkungen folgt, nur unvollkommen hin- weg. Die Quantifizierung durch Skalierung zu ersetzen, dürfte mißlingen, so- bald eine nicht ganz geringe Zahl von Wirkungen in eine „Rangordnung" ge- bracht werden soll und wenn nachher mehrere Skalierungsergebnisse mitein- ander in Vergleich gestellt werden sollen.

So ist es auch mit der Sicherheit des Urteils in wirtschaftspolitischen Fragen meist noch schlechter bestellt, als der Verfasser es annimmt, und die Wahr- scheinlichkeit, daß das Urteil und die Stellungnahme richtig sind, wird trotz aller Bemühungen in sehr vielen Fällen recht gering bleiben. Das wirft die Frage auf, ob der Forscher richtig handelt, wenn er den Ruf der Wissenschaft durch Stellungnahmen gefährdet, die er als Wissenschafter nur sehr bedingt ver- treten kann.

Maßnahmen vorzuschlagen, ohne ihre Durchführbarkeit zu untersuchen, wäre eine halbe Lösung der wirtschaftspolitischen Aufgabe. Die Einschätzung und Überwindung der Widerstände, die sich einer wirtschaftspolitischen Maß- nahme entgegenstellen, ist jedoch eine Aufgabe überwiegend politischer Natur. Will der wissenschaftliche Gutachter sie in seinem Vorschlag berücksichtigen, so steht er vor einem neuen Dilemma. Die Widerstände sind keine fest gegebenen Daten. Vielmehr gehört es zu den Aufgaben des Wirtschaftspolitikers, sich nach Möglichkeit zu überwinden, günstigenfalls ohne, nötigenfalls aber auch mit einem Kompromiß. Die Arbeit des wissenschaftlichen Gutachters kann dabei helfen, aber es ist zweifelhaft, ob es richtig wäre, bereits in dem Gutachten ein Kompromiß vorzuschlagen. Jöhr sucht diese Schwierigkeit durch den Vorschlag zu überwinden, neben dem Hauptgutachten ein anderes auszuarbeiten, in dem ein - den Widerständen Rechnung tragender - „zweitbester Weg" gezeigt wird.

Es ist selbstverständlich, daß der wirtschaftswissenschaftliche Gutachter die juristische Formgebung für seinen Vorschlag nicht ganz aus der Hand geben darf und daß er bei der Abfassung seines Gutachtens in einem demokratischen Lande (und nicht nur in einem solchen) nach Möglichkeit auch auf seine Propa- gierung Rücksicht nehmen sollte. Wenn der Verfasser im Schlußabschnitt seiner Schrift noch einmal die Anforderungen herausstellt, die bei so extensiver Inter- pretation seiner Aufgabe an den wirtschaftspolitischen Gutachter gestellt werden müssen, so zeigt er damit, daß diese Aufgabe über den eigentlichen Arbeitsbereich des Wissenschafters erheblich hinausgeht und weit in den des Politikers hinein- reicht.

Der Verfasser beglückwünscht sich im Vorwort seiner anregenden Ab- handlung dazu, daß er der Versuchung widerstehen konnte, die Studie zu einem methodologischen Werk auszubauen, und er tut das mit Recht. Es bedeutet keinen Widerspruch zu dieser Zustimmung, wenn hier zum Abschluß die An- sicht geäußert wird, daß manche der Erörterungen ohne Schaden für den Zweck der Schrift umfassender und eindringender hätten gestaltet werden können. Insbesondere die Klärung der wichtigen Fragen der Wirkungsanalyse und der Ergänzungsbedürftigkeit einer rein ökonomischen Untersuchung wirtschafts- politischer Probleme hätten durch eine ausführlichere Erörterung zweifellos ge- wonnen. Wenn dabei der Umfang der Schrift auf das Doppelte angewachsen wäre, so hätte der Leser das - angesichts der anschaulichen Schreibweise des Verfassers - vermutlich nicht übel vermerkt. A. v. Mühlenfels..

Anton Tautscher, Bankenverstaatlichung. Zur Frage des ge- stuften Zinses. Otto Müller Verlag, Salzburg 1946, 171 S. Die Forderung nach Verstaatlichung des .Bankwesens ist bereits menrfacxi

unter verschiedenen Aspekten diskutiert worden. Der Verfasser will in. diese»

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