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Aus dem Norwegischen von Volker Oppmann Illustriert von Liv Raab DIE BIBLIOTHEK AUF DEM KLO Arnt Birkedal

Die Bibliothek auf dem Klo

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DIE BIBLIOTHEK AUF DEM KLO is a declaration of love to literature and all kind of arts.It all begins when a boy is sitting on the toilet while reading. To him the toilet is the best place to be and so he starts building a library in the toilet. But the room is to small. He needs more space for his books and creates new rooms around the toilet. There are constructions high up in the sky that lead him to other places where he meets friends he has found in the books. One day his way brings him to Bente, the girl from next door and he shows her his fantastic world

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  • Aus dem Norwegischen von Volker OppmannIllustriert von Liv Raab

    DIE BIBLIOTHEK AUF DEM KLO

    Arnt Birkedal

  • N1Bei uns zuhause war das Klo im Keller. Umge-ben von kalten, feuchten Mauern. Und zwischen dem ganzen Abfall auf der Fensterbank lagen tote Schnaken.

    Und nimm nicht wieder so viel Papier!, rief mein Vater nach unten, wo ich mich eingeschlossen hatte. Das tat ich nmlich. Man brauchte Blatt fr Blatt fr Blatt, wenn man sich wohl fhlen wollte. Man musste Schicht fr Schicht auf die Klobrille legen, wenn einem vor lauter Klte nicht der Hintern abschimmeln sollte. Man brauchte Blatt fr Blatt fr Blatt, wenn man nach-her wieder genauso sauber und trocken sein wollte wie zuvor. Und nimm nicht wieder so viel Papier!, rief mein Vater. Das tat ich nmlich, klar. Ich konnte locker eineinhalb Rollen am Stck verbrauchen. Denn hatte ich eine ganze aufgebraucht, nahm ich gerne noch eine halbe dazu. Damit es nicht nach so viel aussah.

    N2Beim Abendessen erzhlte mein Vater, was alles passieren konnte, wenn man rollenweise Klopapier nahm und dann die Splung zog. Dann konnte sich das Ganze nmlich verklumpen und die Rohre im Keller verstopfen. Irgendwo unter der Waschmaschine oder in

  • *

    der Nachbarschaft. Und der ganze Dreck und die Abla-gerungen und das zumeist saubere Papier quollen aus dem Abfluss wieder heraus.

    Das ist es, woran ich mich von ganz frher noch erinnere: Mein Vater macht die Kellertre auf und ruft zu mir, der ich schon lngst fertig bin, hinunter:

    Und nimm nicht wieder so viel Papier! Seine Stimme war durchdringend, wlzte sich die schmale Kellertreppe hinunter, fllte das ganze Kellergewlbe und sammelte noch etwas extra Echo, bevor sie sich der Klotr nherte.

    Ich fand kaum Ruhe und Zeit zu lesen.

    N3 Ich las nmlich. Das war es, was ich machte. Die ganze Zeit. Ich las, whrend ich frisches Klopapier auf die Klobrille legte. Las, whrend ich das machte, was man dort eben so macht. Whrend ich das machte und noch ein bisschen lnger. Und ich las, whrend ich mir wieder und wieder den Hintern abputzte.

    Das Klo war der beste Ort zum Lesen. Das habe ich gelesen, das habe ich gehrt und das wei ich schon, solange ich denken kann.

  • 10 *11

    Ich hatte also auch immer etwas zu lesen dabei. Etwas nahm ich unter den Arm, anderes stopfte ich mir in die Hose, unter das Hemd. Wieder anderes hatte ich bereits unten in einer Fahrradtasche versteckt.

    Donald Duck und Superman, gerne ganze Ordner voll, Jahrgnge davon. Zwei bis fnf Asterix-Hefte. Eine Bibel, ein Liederbuch mit Noten und die Mrchen der Gebrder Grimm.

    N4 Und bleib nicht wieder stundenlang sitzen!, schrie er von oben herunter. Obwohl da oben berhaupt niemand war, der gerade musste.

    Das ist es jedenfalls, woran ich mich von ganz frher noch erinnern kann, zumindest an das letzte Stckchen davon.

    Feucht und kalt, Schimmel und Schnaken, Geschrei und Spektakel.

    Mir wurde mehr und mehr klar, dass es weder meinen Bchern noch meinen Comicheften oder mir selbst guttat, in einer derart feuchten Nasszelle zu sitzen. Es gab kaum ein trockenes Eckchen, wo man die Bcher und Hefte hinlegen konnte, whrend man sich

  • die Hnde wusch. Ich legte sie in die offene Hose oder den trockensten Rand des Waschbeckens.

    Aber mit dem Kopf in einem Buch, und mit dem Buch im Kopf, hat man sich auch schnell vergessen.

    Und allzu oft ging das schief.Denn neben dem Klo war noch der Waschkeller.

    N5War das Klo schon nasskalt, war der Waschkel-ler noch schlimmer. Er war eine Sumpflandschaft aus schleimigem Dschungel, beherrscht von Fruchtfliegen. Die Tse-Tse-Fliegen stachen einen, bis man wochenlang schlief. Und im Abfluss hausten Schleimaale.

    Es zog mich also berhaupt nichts dorthin. Nur im Sommer sprang ich schnell hinein, drehte den Wasser-hahn zu, drehte ihn wieder auf. Und auch wenn ich die Wsche holen musste, sprang ich nur so kurz wie irgend mglich hinein und wieder heraus.

    Freiwillig bin ich da nie reingegangen.Auer wenn ich vllig in Gedanken war. Wenn ich

    mitten in einem Buch war und es unbedingt zu Ende lesen musste. Ich schlenderte dort auf den letzten Seiten

  • 12 *13

  • die englischen Treppen hinauf. Die Mwen schrieen, und ein Schiff lag am Kai und wartete. Die Schiffsglocke lutete.

    Na, wirds bald!, rief der dritte Steuermann, als ich gerade aufhren musste zu lesen und die Welt sich wieder um mich herum ausbreitete.

    Ich war mitten im tiefsten und feuchtesten Wasch-keller gelandet und sa auf einem umgedrehten Bottich. Da hrte ich ein Wiehern und ein Glckchen.

    N6Das Wiehern kam von einem hbschen kleinen Eselchen, das auf mich zutrippelte. Das Glckchen lag in der Hand eines Mnches. Der Mnch sa auf dem Eselchen und lutete dann und wann mit seinem Glck-chen. Unter dem anderen Arm trug er eine Lehrermappe ltester Schule. Er zog seine Kutte zur Seite und stieg von seinem Eselchen, um mir die Hand zu geben. Ich konnte sehen, dass er einen Schirm vor den Augen trug, einen Blindenschirm, wie er spter erklrte. Das Glck-chen war dazu da, die unreinen Geister zu vertreiben. Es knurrte etwas in meinem Magen, fhlte ich knurrte und verschwand.

  • 14 *15

    Er stellte sich als Habakuk vor, als einer der letzten Propheten. Ich hab nur 3 Seiten in der Bibel bekom-men, erzhlte er mir. Ich sah das Licht und wurde blind. Und konnte nicht mehr schreiben. Aber ich habe es geschafft, das hier zu zeichnen.

    Habakuk stieg von seinem Eselchen, ffnete die Lehrermappe und holte eine Rolle Ziegenleder heraus. Ein ganzes Buch, so wie Bcher frher eben waren. Er legte sich auf alle viere auf den Zementboden und brei-tete dort die Rolle aus.

    Jetzt schau mal her und hr gut zu.

    N7Und ich dachte, dass er mir jetzt bestimmt die Leviten lesen wrde. Jetzt bekomme ich die Strafe dafr, dass ich so viel Klopapier verschwendet habe. Fr all die Regenwlder, die ich abgeholzt habe, ohne an die India-ner, ein Heilmittel fr Krebs, die Affen und den letzten Dinosaurier zu denken. An der Rolle gezogen und abge-rissen. Papier, das man noch htte verwenden knnen. Fr Bcher, Hefte und Zeichenblcke.

    Er sagte aber etwas ganz anderes: