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Die Bildungsenthalpien im System Kupfer-Selen Von G. GATTOW und A. SCHNEIDER Mit 1 Abbildung Inhaltsubersichl Nach der Methode der Direktcalorimetrie wurden die Bildungsenthalpien der fol- genden Cu-Se-Verbindungen bestimmt: a-Cu,Se: -13,Ol kcal/Mol Cu,Se, -23.64 kcal/Mol B-Cu,Se: -14,17 kcal/Mol , CuSe: - 9.4, kcal/Mol Cul&3e: -13,23 kcal/Mol CuSez : -10,3 kcal/Mol. 0 ber die Bildungsenthalpien der Kupferselenide liegen in der Literatur uneinheitliche Angaben vor : KUBASCIIEWSKI und EVANS^) bzw. WEIBKEund KUBASCHEWSKI~) benutzen einen Wert von -14,5 & 3,O kcal/Mol fur Cu,Se und -7,5 bzw. -19 kcal/Mol fur CuSe. Diese Werte sind abgeleitet aus Untersuchungen von FABRE 3, (Fallungs- bzw. Losungswiirme) bzw. Gleichgewichtsmessungen von TUBANDT und REINH~LD~). %inen hiervon stark abweichenden Wert von -5,5 kcal/Mol fur Cu$e tabellieren ROSSINI, WAGMAN, EVANS, LEVINE und JAFFE5) Wir haben deshalb eine Neubestimmung der Bildungsenthalphien fur das ganze System durchgefuhrt. I. Versuchsdurchfiihrung Fur die Bestiinmung der Bildungsenthalpien benutzten wir das Verfahren der direkten Vereinigung der Elemente (Direktcalorimetrie), das uns auf Grund von Vorversuchen geeigneter erschien als die Methode der Losungscalorimetrie bzw. der Bestimmung der Verbrennungswarmen mit den bekannten Nachteilen der Differenzverfahren. 1) 0. KUBASGHEWSKI u. E. L. EVANS, ,,Metallurgical Thermochemistry", London 2, F. WEIBKE u. 0. KUBASCHEWSKI, ,,Thermochemie der Legierungen", Berlin 1943. 3) C. FABRE, Ann. Chim. Physique 10, 535 (1887). 4, C. TUBANDT u. H. REINHOLD, Z. physik. Chem., Abt. A 140, 291 (1929). 5) F. D. ROSSINI, D. D. WAGMAN, W. H. EVANS, S. LEVINE u. J. JAFFE, ,,Selected 1951. Values of Chemical Thermodynamic Properties", Washington 1952.

Die Bildungsenthalpien im System Kupfer—Selen

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Page 1: Die Bildungsenthalpien im System Kupfer—Selen

Die Bildungsenthalpien im System Kupfer-Selen

Von G. GATTOW und A. SCHNEIDER

Mit 1 Abbildung

Inhaltsubersichl Nach der Methode der Direktcalorimetrie wurden die Bildungsenthalpien der fol-

genden Cu-Se-Verbindungen bestimmt:

a-Cu,Se: -13,Ol kcal/Mol Cu,Se, -23.64 kcal/Mol B-Cu,Se: -14,17 kcal/Mol , CuSe: - 9.4, kcal/Mol Cul&3e: -13,23 kcal/Mol CuSez : -10,3 kcal/Mol.

0 ber die Bildungsenthalpien der Kupferselenide liegen in der Literatur uneinheitliche Angaben vor : KUBASCIIEWSKI und EVANS^) bzw. WEIBKE und KUBASCHEWSKI~) benutzen einen Wert von -14,5 & 3,O kcal/Mol fur Cu,Se und -7,5 bzw. -19 kcal/Mol fur CuSe. Diese Werte sind abgeleitet aus Untersuchungen von FABRE 3, (Fallungs- bzw. Losungswiirme) bzw. Gleichgewichtsmessungen von TUBANDT und R E I N H ~ L D ~ ) . %inen hiervon stark abweichenden Wert von -5,5 kcal/Mol fur Cu$e tabellieren ROSSINI, WAGMAN, EVANS, LEVINE und JAFFE5)

Wir haben deshalb eine Neubestimmung der Bildungsenthalphien fur das ganze System durchgefuhrt.

I. Versuchsdurchfiihrung Fur die Bestiinmung der Bildungsenthalpien benutzten wir das

Verfahren der direkten Vereinigung der Elemente (Direktcalorimetrie), das uns auf Grund von Vorversuchen geeigneter erschien als die Methode der Losungscalorimetrie bzw. der Bestimmung der Verbrennungswarmen mit den bekannten Nachteilen der Differenzverfahren.

1) 0. KUBASGHEWSKI u. E. L. EVANS, ,,Metallurgical Thermochemistry", London

2, F. WEIBKE u. 0. KUBASCHEWSKI, ,,Thermochemie der Legierungen", Berlin 1943. 3) C. FABRE, Ann. Chim. Physique 10, 535 (1887). 4, C. TUBANDT u. H. REINHOLD, Z. physik. Chem., Abt. A 140, 291 (1929). 5 ) F. D. ROSSINI, D. D. WAGMAN, W. H. EVANS, S. LEVINE u. J. JAFFE, ,,Selected

1951.

Values of Chemical Thermodynamic Properties", Washington 1952.

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G. GATTOW u. A. SCHNEIDER, Die Bildungsenthalpien ini System Kupfer-Selen 297

Durch Vorversuche konnten wir feststellen, dal3 locker zusammen- gedruckte Mischungen der reinen Komponenten Kupfer und Selen bereits bei ortlichem Erhitzen mit Hilfe eines gluhenden Drahtes lebhaft miteinander reagieren. Die Reaktion schreitet rasch durch die gesamte Reaktionsmischung fort, ohne daf3 hierbei merkliche Mengen Selen weg- sublimieren. Es erschien deshalb moglich, durch einfache Zundung der entsprechenden Gemische der reinen Komponenten die Verbindungen herzustellen und die dabei' auftretende Warmetoriung calorimetrisch zu messen.

Die Calor imeteranordnung mit der ,,Ika-Calorimeterbombe 5" entsprach voll- standig der von uns bereits friiher beschrieben6). Die Vereinigung der Elemente erfolgte in einem einseitig abgeschmolzenen Glasrohr (16 X 37 mm), in dessen Mitte der U-formig gebogene Ziinddraht angeordnet war. Der Ziinddraht selbst bestand aus Megapyr- Material und war an einen Kupferdraht befestigt, der die Verbindung zu den Stromzu- fiihrungen vermittelte. - Die Temperatur wurde rnit einem BECKMANN-Thermometer gemessen: Ablesegenauigkeit & 0,0005" unter Verwendung eines Vibrators zur storungs- freien Einstellung des Quecksilberfadens. - Die E i chung der gesamten Calorimeter- anordnung nahmen wir unter Verwendung von Benzoesiure vor, die nach iiblichem Ver- fahren in der Bombe verbrannt wurde. Der so ermittelte Wasserwer t (rund 3,5 kcal) wurde noch um einen kleinen Betrag von 6 cal korrigiert, um zu beriicksichtigen, daB unsere direktcalorimetrische Reaktion nicht wie die Verbrennung der Benzoesaure unter 25 Atm O,, sondern bei einem Stickstoffdruck von 1-2 Atm vorgenommen wurde. Die fur die Korrektur notweudige spezifische Warme des Sauerstoffs bzw. Stickstoffs entnahmen wir der Literaturl). - Fur die Bestimmung der Zi indwarme stiitzten wir uns jeweils auf Vorversuche, bei denen wir die Temperaturerhohung unter den gleichen Bedingungen wie bei der eigentlichen Reaktion (Ziindzeit, Gesamtaufbau der Calotrimetereinrichtung UEW.) ermittelten. Geziindet wurde im allgemeinen mit einem StromstoB von 4/100 bis

Minuten (Messung mi t in l/loo. Minuten geteilter Stoppuhr) aus einem Transformator mit 13,3 Volt (Stromstarke 15 bis 25 A). Diese kleine Ziindwarme war ausreichend, um das Gemisch vollig zur Reaktion zu bringen, ohne daB das ReaktionegefaB selber bei der Umsetzung zerstort wurde. Eine Prazisionsmessung der Ziindwarme war iiber- fliissig, da sie - vgl. Tab. 1-5 - nur 5-10% der gesamten, calorimetrisch bestimmten Warmetonung ausmacht. Genauigkeit der Ziindwarme-Bestimrnung : i 2%.

Zur H e r s t e l l u n g d e r Reakt ionsmischungen verwendeten wir Kupfer- bzw. Selenpulver von moglichst hohem Reinheitsgrad und in moglichst feiner Verteilung : Das Kupferpulver wurde zur Befreiung von Sauerstoff 24 Stunden im Waeeerstoffstrom bei 280" erhitzt, anschljeBend ebenso abgekiihlt und unter Vakuum aufbewahrt. - Das von uns verwendete Selen wurde trotz seiner relativ hohen Reinheit nochmals einem Rti- nigungsprozeB unterworfen : Losen in Salpetersaure, Abrauchen und Umsublimieren des SeO,; Losen des SeO, und Ausfallen mit gasformigem Schwefeldioxyd in der Siedehitze. AnschlieBend Trocknen bei 120". Das so erhaltene Praparat hatte nur noch spektral- analytisch nachweisbare geringe Verunreinigungen von Aluminium und Kupfer! Ront- genographisch lie8 sich eindeutig hexagonales Selen nachweisen.

Das Reaktionsprcdukt lag mit Ausnahme von Cu,Fe, als lackeres Pulver vor, das lediglich in unmittelbarer &he des Zunddrahtes etwas

6 , a. SCHNEIDER u. G. GATTOW, 2. anorg. allg. Chem. 277, 37 (1954).

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298 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 286. 1956

starker zusammengesiiitert war. Auf die Reaktionsniischung aufge- streutes Kupfer (bei Cu,Se) oder als Abdeckschicht dienende Glimmer- plkttchen waren ebensowenig wie der Zunddraht selbst angegriffen : d. h. bei der Reaktion selber sind offensichtlich keine Verluste an Selen eingetreten. Lediglich bei einigen Versuchen konnten praktisch un- wagbare Spuren eines Sublimates von rotem arnorphen Selen an der Nickelfolie nachgewiesen werden, mit der wir die Verbrennungsbombe ausgekleidet hatten.

Die Bildungsenthalpie AH, ergibt sich als Differenz')

AH, = AH, -AH, = (CE + C, + C;") (AT, - ATR) - C, -A ,B ,AB * A T R . ZD

11. Analyse der Beaktionsprodukte

Fur die Auswertung der calorimetrischen Versuche ist von be- sonderer Wichtigkeit die Bestimmung des Umsatzgrades . Die Auf- gabe lauft im vorliegenden Fall darauf hinaus, elementares Selen neben nicht umgesetztem Kupfer und Kupferselenid zu bestimmen. Wir haben eine Reihe von Vorversuchen durchgefuhrt, um elementares Selen aus einem Gemenge (Kupferselenid + Cu + Se) herauszulosen. Da die hierbei gemachteii Beobachtungen von allgemeinem Interesse sind, sollen sie kurz wiedergegeben sein :

a) Ein Herauslosen von Selen mit Hilfe yon Schwefelkohlenstoff ist nur moglich, sofern das Selen in amorpher oder monokliner Modifikation vorliegt. Hexagonales Selen ist praktisch in CS, unloslich. (Vgl. s)). Aus dem gleichen Grund versagen mehr oder weniger auch andere fur amorphes bzw. monoklines Selen brauchbare Losungsmittel : Methy len j~d id~) , K,SO3l0), KOH, NaOH1') und Ba(OH),12).

b) Eine direkte Bestimmung des nichtreagierten Selens mit ammoniakalischer AgN0,-Losung nach FRIEDR1CHl3) erweis sich auch als nicht moglich, da in Uberein- -. ~

7, Hierbei bedeutet: AH, = Zundwarme = -- (C: + C i D + C:") .AT, mit: C: = Wasserwert; C i D =

spezifische Warme des Zunddrahts : CE '= spezifische Warme des ReaktionsgefaBes ; AT, = Temperaturerhohung beim Zundvorgang.

AHR = Reaktionsenthalpie = -(Ci + C i D + C:'+ ?'B'AB ,, ) . AT, mit:CpA'B,BB = durchschnittliche spezifische Warme von Cu, Se und Cu,Se; 2 4 T ~ = Temperaturerhohung bei der Reaktion.

s, G. BRIEGLEB, 2. physik. Chcm., Abt. A 144, 356 (1929); F. ULLRICH u. H. DITZ, Z . anorg. allg. Chem. 224, 213 (1935).

9, J. W. RETGERS, Z. anorg. Chem. 3, 348 (1893). Iq) A. LUMIBRE u. Mitarb., Bull. Soc. Frany. Photogr., Ciuhnatogr. 16, 320 (1929) ;

11) P. ADAMI, Atti Accad. Padova Mem. Classe Sci. fis.-mat. 51, 13 (1935). 12) G. CALCAGNI, Gazz. chim. Ital. 53, 114 (1923). 13) K. FRIEDRICH, Z . angew. Chem. 15, 852 (1902).

A. SEYEWETZ, Rev. Fran:. Photogr. 11, 332 (1930).

Page 4: Die Bildungsenthalpien im System Kupfer—Selen

G. GATTOW u. A. SCHNEIDER, Die Bildungsenthalpien im System Kupfer-Selen 299

stimmung mit den Angaben von GEILMANN und W R I I ~ Q E ~ ~ ) sowohl Selen als auch Kupfer- selenid mit AgNO, reagieren. - Ebensowenig gelingt ein selektives Herauslosen von elementarem Selen aus dem Gemisch mit Hilfe von verdunnten Sauren (auch in Gegen- wart von Br,, KClO,, KNO,): Kupferselenid geht mit in Losung. Dasselbe wurde beob- achtet bei Verwendung von KCN- 15) bzw. (NH,),S-Losungeu.

Das durch die Zusammensetzung der Reaktionsprodukte gegebene analytische Problem la ,13t sich jedoch - wie genauere Versuchsreihen erwiesen - klaren unter Verwendung von Natriumsulfid, das sowohl amorphes, monoklines, glasiges als auch hexagonales Selen, wahr- scheinlich unter Bildung von Selenosulfiden Na,SSe, lost 16). Cu,Se sowohl wie reiiies Kupfer gehen in ifbereinstimmung rnit den sich auf Cus beziehenden Angaben von HOLTJE und BECKERTl') nicht in Losung. Eine genaue ifberprufung der Verwendbarkeit von Natriumsulfid- Losungen fur reines Selen (hexagonal, amorph und glasig) und Mi- schungen von Selen mit Cu,Se und Cu ergaben, da13 die Abweichungen der gefundenen gegenuber der vorgegebenen Selenmenge in der Gro13en.- ordnung von maximal & 0,7% lagen (Einwaagen: 140 mg Se).

\Vir gingen folgendermanen vor : Behandlung der bekannten Mengen der reinen Substanzen bzw. Mischungen wahrend etwa 10 Minuten mit einer Natriumsulfidlosung bei Zimmertemperatur. Filtration des Ungelosten und Ausfallung des Selens durch tropfenweise Zugabe von HCl (1:l). Kochen der triiben Losung bis zur Zusammen- ballung des Schwefels, Abtrennung der wabrigen Phase durch Filtration und Losen des Ruckstandes in konzentrierter Salpetersaure unter Zugabe einiger Tropfen konzentrierter Salzsaure in der Kalte. Vorsichtiges Eindampfen auf dem Wasserbad, Aufnehmen mit Wasser, Abtrennen vou ungelostem Schwefel durch Filtration und erneutes Ausfallen des Selens mit Schwefeldioxyd.

111. Versuchsergebnisse 1. Cu,Se (33,3 At.- % Se): Tab. 1 gibt die Versuchsergebnisse fiir

das Mischungsverhaltnis Cu: Se = 2 : 1 wieder. Wir fanden Umsatz- grade, die von 100% nur sehr wenig verschieden sind. Die rontgeno- graphische Untersuchung der Reaktionsprodukte ergab, dafi sich er- wartungsgernafi 18) nur ,B-Cu,Se, d. h. die bei Zimmertemperatur stabile Modifikation gebildet hat. In Tab. 1 bedeuten AT, = Temperatur- erhohung bei der Reaktion und AT, = Temperaturerhohung bei der Ziindung.

Bei der Berechnung von AH, wurden zusatzliche Korrekturen angebracht unter Berucksichtigung der spezifischen Warme des Zunddrahts. - Fur die spezifische Warme

14) W. GEILMANN u. F. W. WRIGGE, Z. anorg. allg. Chem. 210, 378 (1933). 15) L. BIRCKENBACH u. K. KELLERMANN, Ber. dtsch. chern. Ges. 65, 790 (1925). 16) Vgl. B. ORMONT, Z. analyt. Chem. 83, 338 (1931). 1 7 ) R. HOLTJE u. J. BECKERT, Z. anorg. allg. Chem. 222, 240 (1935). l9) W. BORCHERT, Z. Kristallogr., Mineralog. Petrogr., Abt. A 106, 5 (1945).

Page 5: Die Bildungsenthalpien im System Kupfer—Selen

300 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 286. 1956

99,84 99,88

Tabelle 1 Bi 1 d u ng sen t ha1 pi e von &Cu,Se (Wasserwert: 3,531 f 0,007 kcal)

8,0638 7,9542

1 2,9307 2 2,9428

3 1 3,0514 4 3.0767 5 3,0954 6 I 3,0519 7 I 2,9136

4,7249 4,7378 4,9759 5,1622 5,0227 5,0759 4,8235

4

Uber- xhuli %CU

0,17 0,03 1,23 4,25 0,82 3,35 2,88

5 6 7 Umsatz

Selen (g)

nicht reagiert

0,0000 0,0034 0,0072 0,0016 0,0051 0,0036 0,0043

I I ,

I AT, ATZ

0,158 0,169 0,168 0,170 0,174 0,169 0,166

0,009 0,019 0,014 0,014 0,017 0,014 0,018

AH, kcal/Mol)

____

-14,16 -14,24 -14,ll --14,15 -14,17 -14,18 --14,19

- 14,17 ____

Mittlere Abweichung vom Mittel: & 0,03 i- ____ _ _

der unverbundenen Komponenten bzw. des Reaktionsgemisches benutzten wir einen Durchschnittswert von 0,09 cal/g, der aus den Einzelwerten der spezifischen Warmen von Cu, Se und Cu,Se nachlg) berechnet wurde. Die Dauer der StromstoSe betrug 7/1w bzw. a/lao Minuten.

Eine Diskussion der Fehlermogl ichkei ten fiihrt zu folgendem Ergebnis: Der Wasserwert der gesamten Calorimeteranordnung ist mit einer Genauigkeit von & 0,2% bestimmt. Dieser Fehler geht in die Endbestimmung der Bildungsenthalpie unmittelbar ein. - Die Unsicherheiten bei der Festlegung der spezifischen Warmen der nicht irn Wasserwert enthaltenen Substanzen mu13 auf f 1% angesetzt werden. Dieser Fehler geht jedoch nur mit maximal & O , l % in den Endwert fur AH, ein. - Fehler bei der Ermittlung des Umsatzgrades nach der von uns verwendeten analytischen Methode konnen keine hoheren Abweichungen fur AH^"' als maximal 5 0;5% ausmachen. - Die wesentlichste Unsicherheit bei der direktcalorimetrischen Bestimmung liegt bei der Ermittlung der Temperaturerhohung, die relativ niedrige Werte aufweist. - Bei se h r hoch angesetzter Fehlermoglichkeit ergibt sich ein Gesamtfehler von maximal& 0,6%.

Damit glauben wir, die Bildungsenthalpie fur p-Cu,Se aus hexa- gonalem Selen und Kupfer mit

AH[iC"aSe - - - 14,17 kcal/Mol & 0,08 kcal/Mol = - 4,72 kcal/Grammatom Legierung

angeben zu konnen. Dieser Wert lie@ innerhalb der Fehlergrenzen der von KUBASCHEWSKI 2) tabellierten Bildungsenthalpie von -14,5 f 3,O kcal/Mol. Unter Berucksichtigung der von KELLEY 19) bestimmten

19) K. K. KELLEY, U. S. Dep. Interior. Bur. Mines, Bull. 476, 62, 67, 151 (1949).

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G. GATTOW u. A. SCHNETDER, Die Bildungsenthalpien im System Kupfer-Selen 301

Umwandlungsenthalpie b-Cu,Se --f a-Cu,Se = -t 1,160 kcal/Mol er- gibt sich eine Bildungsenthalpie fiir a-Cu,Se von

AH:-cuase - - -13,Ol & 0,09 kcal/Mol = -4,34 kcal/Grammatom Legierung.

2 . Cu,,$3e (35,7 At.- % Se) : Fur die Bestimmung der Bildungsenthal- pie der Zusammensetzung Cu,,89 Se wurden ebenfalls stochiometrische Nengen von Kupfer und Selen eingewogen. Der Urnsatz betrug bei allen Versuchen genau 100 %: nichtreagiertes Selen konnte nicht nachge- wiesen werden. Die Ergebnisse der direktcalorimetrischen Umsetzung sind in Tab. 2 wiedergegebenzo).

Tabelle 2 B i l d u n g s e n t h a l p i e v o n Cul,,,Se

(Wasserwert: 3,503 & 0,003 kcal) ~ .~

1

Vers.- I Nr. - ~

8 9

10 11 12

1

2 3

Einwaage Selen (g)

3,5049 3,7463 3,5887 3,8380 4,1165

-~

Kupfer (9)

_ _ _ ~

5,0764 5,4259 5,1990 5,5585 5,9610

~~

4

Cu,,,oSe ge bildet

(g)

8,5813 9,1722 8,7877 9,3965

10,0775

-~ 0,184 0,194 0,189 0,194 0,203

0,016 0,015 0,018 0,Ol I 0,006

7

AH, (kcal/Mol)

- _ __.

-13,26 -13,22 -13,18 --13,22 --13,25

-13,23 Mittlere Abweichung vom Mittel: & 0,02

Die Bildungsenthalpie fiir diese Zusammensetzung, die der Grenz- konzentration des Phasengebietes Cu,,,Se-Cu,,8,Se entspricht, betragt

L ~ H P ' ' ~ ' ' ~ = -13,23 3 0,08 kcal/Mol = - 4,72 kcal/Grammatom Legierung.

3. CuSe (50,O At.-% Se): Bei der Reaktion eines der Zusammen- setzung CuSe entsprechenden Gemisches beobachteten wir im Gegen- satz zu den vorstehend beschriebenen Versuchen keine vollstandige Um- setzung : An den Glimmerplattchen, die die Reaktionsmischung ab- deckten, wurde ein Selenkondensat beobachtet ; im Rontgendiagramm zeigte sich das Interferenzmuster des CuSe neben den starksten Linien der Zusammensetzung Cu,,,,Se. Fur die Umrechnung unserer calori- metrisch bestimmten Warmetonung haben wir deshalb die Zusammen- setzung des Reaktionsproduktes aus dem Verhaltnis ( Sereagiort : Cu)

20) Die Zunddauer betrug bei diesen und den folgenden Versuchen 4/100 bis 5/100Mi- ~ -_ .

nuten.

Page 7: Die Bildungsenthalpien im System Kupfer—Selen

302 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 286. 1956

AH, (kcal/Mol)

___-_

-9,52

__ 1

V e x - Nr.

13 14 15 16 17 18

5,3204 1 4,2784 5,1371 4,1337

Tabelle 3 B i l d u n g s e n t h a l p i e v o n CuSe (Wasserwert: 3,503 0,003 kcal)

0,2231 0,1981

~ ~~

2 3 4 5 Einwaage I Umsatz

0,189 0,179 0,195 0,172

(6)

0,010 0,007 0,010 0,008

5,5349

%

95,81 96,14 96,52 95,60 96,32 95,53

5,4540 0,1928

.-

6

% Se reag. fur

CuSe

94,545 94,443

-

95,450 94,150 95,177 94,070

9,45 1 Mittlere Abweichnng vom Mittel: &0,02 I

~- __ -1 - -~

graphisch unter der Annahme ermittelt, da13 das Reaktionsprodukt im Phasendiagramm (vgl. Abb. 1 a) innerhalb des zweiphasigen Gebietes (CuI,&3e +CuSe) liegt. Tab. 3 gibt die Versuchsergebnisse und die daraus berechnete Bildungsenthalpie fur die Phase CuSe wieder.

Fiir die Reaktion von hexagonalem Selen und Kupfer zu CuSe ergibt sich :

= - 9,4, 3: 0,l kcal/Mol = - 4,72 Ircal/Grammatom Legierung.

Unter Rerucksichtigung des in 4. besprochenen Wertes fur Cu,Se, ergeben sich folgende Reaktionsenthalpien :

Cu,Se + 1/2 Se + CuSe

Se -+ CuSe

AH = -- 2,36 kcal/Mol CuSe

AH = - 1,57 kcal/Mol CuSe. I/, Cu,Se, + Es ist auffiillig, da13 - pro Grammatom Se berechnet - der Wert fur

die Bildungsenthalpie d ~ ~ ' ' " praktisch vollstandig iibereinstimmt mit dem Wert fur die Bildungsenthalpieri der Zusammensetzungen Cu,Se bzw. Cu,,,, Se.

Der yon uns ermittelte Were fur CuSe liegt zwischen dern yon KUBASCHEWSKI und 2,0 kcal/Mol. Der alte Wert yon F A B R E ~ ) (- 19 keal/Mol) EVANS^) tabellierten von -- 7,5

scheint damit in jedem Fall uberholt zu sin.

4. Cu,Se, (40,O At.- % Se) : Die Phase der Zusammensetzung Cu,Se, bildet sich nach dem noch nicht endgultig sichergestellten Zustands- digramm wahrscheinlich durch Reaktion im festen Zustand (unterhalb etwa 130-150" C) zwischen CuSe und Cu,,,,Se. Es uberraschte daher nicht, da13 wir bei unseren Umsetzungen mit Mischungen ( 3 Cu: 2 Se)

Page 8: Die Bildungsenthalpien im System Kupfer—Selen

G. GATTOW u. A. SCHNEIDER, Die Bildungsenthalpien im System Kupfer-Selen 303

kein Reaktionsprodukt der stochiometrischen Zusammensetzung Cu,Se, erhielten. AuIjerdem beobachteten wir ein Selenkondensat an den Glimmerplattchen, d. h. also, da13 mit dem Kupfer weniger Selen reagiert haben muB, als der stochiometrischen Einwaage Cu,Se, entspricht. Rontgenographisch wur- de beobachtet, daB auch bei eincm geringen IocJ (0,lproz.) Se-UberschuB IGOO

Q

Cu,Se, neben wenig CuIa,Se entstanden war. In anderen Fallen (mit einem SeleniiberschuIll zwischen 0 und 0,04%) beabachteten wir dagegen die Interferenzmuster von Cu,,,,Se, CuSe und wenig Cu,Se, und Cu,Se. Das bedeutet, daIj sich das gebildete Cu,Se, offen- sichtlich teilweise ent- sprechend dem hypo- thetischen Zustandsdia- gramm (vgl. Abb. la) durch uberschreiten der Temperatur von rund 150 O C unter Bildung von CuIa,Se und CuSe zer- setzt hat. Dieser Befund steht im Einklang damit, daB es bisher noch nicht --+ Aiom . ?h Se

ist7 reines Cu3Se2

0 Iil 20 30 40 50 6G 70 80 90 100

Abb. la und Ib. Zuatands- und Energiediagramm synthetisch herzustel- des Systems Kupfer-Selen len 21).

Zur Auswertung dieser keine exakt definierten Endprodukte lie- fernden, thermochemischen Versuche nehmen wir an, dalj sich Cu3Se, neben wenig CuIa,Se bildete, ohne den teilweise eingetretenen Zerfall des Cu,Se, zu berucksichtigen. Den Anteil an gebildetem Cu,Se, er- mittelten wir graphisch aus dem Verhaltnis ( Sereagiert: Cu). NaturgemaB

21) W. BORCHERT u. I. PATZAK, Heidelberger Beitrage Mineral. Petrograph. 4, 434 (I 955).

Page 9: Die Bildungsenthalpien im System Kupfer—Selen

304 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 286. 1956

_ _ _

0,0294 0,0292 0,0394 0,0180

leidet unter diesen Bedingungen die Genauigkeit Tab. 4 gibt die Ergebnisse unserer Versuche wieder.

99,33 99,33 99,16 99,71

3 Einwaage

Vers. Nr. 1 'i;" 19 4,3564 20 1 4,3524 21 ' 4,4578 22 I 4,4910

Tabelle 4 B i l d u n g s e n t h a l p i e v o n Cu,Se, (Wasserwert: 3,503 & 0,003 kcal)

Kupfer (€9

5,2583 5,2533 5,3787 5,4151

~

6 % Se reag.

Cu,Se,

96,500 96,658 95,750 98,530

zu

~

0,193 0,197 0,201 0,207

der A H,-Werte.

0,007 0,011 0,012 0,016

9

AH, (kcal/Mol)

~~ ~~

-23,69 -23,72 -23,55 -23,59

~~ .-

-23,64 Mittlere Abweichung vom Mittel: 0,05

Hierzu sei noch folgendes bemerkt: Bei den Versuchen Nr. 19 u. 21 (genaustochionie- trische Einwaage bzw. 0,04% Se-UberschuS) wurde rontgenographisch iiberwiegend Cu,,,, Se und CuSe neben wenig Cu,Se, beobachtet. Andererseits fanden wir bei den Ver- suchen 20 und 22 (Se-UberschuS 0 bzw. 0,11%) uberwiegend das Interferenzmuster von Cu,Se, neben schwachen Linien, die dem Gitter des Cu,,, Se entsprechen. Da trotzdein die Endwerte fur die Bildungsenthalpien keine allzu starken Streuungen aufweisen, glauben wir, daB die Bildungsenthalpie fur Cu,Se, wohl doch im wesentlichen richtig durch unsere Annahmen und Korrekturen wiedergegeben wird : AH, betragt - 23,154 kcal/Mol Cu,Se,, das entspricht einem Werte von - 4,78 kcal/Grammatom d. h. also wieder derselbe Wert, der sich auch fur die benachbarten Phasen CuSe bzw. Cu,,,, Se ergab.

5. CuSe, (66,7 At.- % Se) : Die Riintgenanalyse von Reaktions- produkten aus Pulvermischungen (Cu: Se = 1 : 2 ) ergab folgenden Befund: Das Reaktionsprodukt besteht im wesentlichen aus CuSe,21), daneben finden sich aber auch x. T. grol3ere Mengen von CuSe. In un- mittelbarer Nahe des Ziinddrahtes dagegen fanden wir iiberwiegend reines CuSe.

Die Erklarung hierfur wird im Hinblick auf das unvollstandig bekannte Zustands- diagramm dariu zu sehen sein, daS das Reaktionsprodukt am Zunddraht uber die Tem- peratur erhitzt wurde, bei der CuSe, in CuSe und elementares Selen zerfallt. Eine Er- niedrigung der Zunddauer bis auf 3,5/100 Minuten ergab dementsprechend, daB sich zwar weniger CuSe bildet, daS aber andererseits die Zundtemperatur nicht vollkommen aus- reichend war, um die gesamte Reaktionsmischung quantitativ umzusetzen. AuBerdem fanden wir bei erniedrigter Ziinddauer an den kalteren Stellen des ReaktionsgefaRes elementares Selen und unreagiertes Kupfer im Reaktionsgeuiisch. Da eine quantitative Bestimmung von nichtreagiertem Selen neben dem beim CuSe,-Zerfall entstandenen Selen nicht moglich ist, nahmen wir bei der Auswertung der Versuche willkurlich an, daB

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G. GATTOW u. A. SCHNEIDER, Die Bildungsenthalpien im System Kupfer-Selcn 305

das analytisch erfaI3bare freie Selen nur aus dem Zerfall von CuSe, herstammt. Hierdurch wird eine groI3ere Fehlerbreite dieser Messungen unvermeidlich.

Auf Grund der in Tab. 5 zusammengestellten Mefiergebnisse ergibt sich fur die Bildung von CuSe, aus hexagonalem Selen und Kupfer

A H F e s = - 10,3 z;;; kcal/Mol = - 3,43 kcal/Grammatom Legicrung.

Die mittlere Abweichung vom Mittel liegt wesentlich hoher als bei den kupferreicheren Verbindungen : +3 %.

' 23 24 25 26

Tabelle 5 Bi ldungsentha lp ie von CuSe, (Wasserwert: 3,503 5 0,003 kcal)

6,5137 6,4712 6,4033 5,5042

4

2,6198 2,5991

0,0027 0,0115

uber- schul3

Kupfer (g) -___-

2,5559 (1,9625 2,4964 2,0565 1,3734 5,1233 1,9086 12,3274

4,6124 4,5059 2,4811 3,4445

__ 8

0,122 0,119 0,120 0,103

0,009 0,006 0,007 0,006

10

A H , (kcal/Mol:

-lO,O,

-lO,O, -10,4,

-10,6 1

-10,2, Mittlere Abweichung vom Mittel: 0,2,

6. Legierungen mit 20,O und 25,O At.- % Selen: Zur Vervollstandigung des Energiediagramms Kupfer- Selen bestimmten wir weiterhin noch die Bildungsenthalpie zweier Legierungen mit 20,O und 25,O At.- % Se. Sowohl bei den Messungen als auch bei der Auswertung der Versuchsergebnisse wurden keine Besonderheiten beobachtet. Die Rontgendiagramme zeigten eindeutig entsprechend dem Zustandsdiagramm lediglich die Interferenzen von Cu und Cu,Se. Da die Ergebnisse sich zwanglos dem gesamten Energiediagramm einordneten, beschrankten wir uns auf je eine Messung 1

20,O At.-% Se: AH, = -14,14 kcal/Mol = -2,83 kcal/Grammatom Legierung;

25,O At.-% Se: AH, = -14,22 kcal/Mol = -335 kcal/Grammatom Legierung.

Die Gesamtergebnisse unserer Untersuchung sind zusammen- gestellt in Abb. 1. Das Energiediagramm ist dem Zustandsdiagramm soweit es bisher bekannt ist, gegenubergestellt. Das Energiediagramm selbst zeigt die besondere Auffalligkeit, da13 zwischen den Phasen Cu,Se Z. anorg. allg. Chemie. Bd. 286. 20

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und CuSe praktisch keine h d e r u n g der Bildungsenthalpie - berechnet pro Grammatom Selen - auftritt. Dieser Befund laBt es als not- wendig erscheinen, das Zustandsdiagramm Cu- Se auf der selenreichen Seite noch einer uberprufung zu unterziehen.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft sind wir fur die Bereitstellung von Hilfs- mitteln zu groDem Dank verpflichtet.

Gottingen, Anorganisch-chemisches Institut der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 4. Februar 1956.