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Die Bildungswarme von Selendioxyd Von A. SCIINEIDER und G. GATTOW Inhaltsubersiaht Durch Verbrennung von amorphem Selen in der Calorimeterbombe wurde ein Wert fur die Bildungswarme von SeO, von 57,5 kcal pro Mol & 1,0 ermittelt. Im Zusammenhang rnit der Bestimmung der Bildungswarme von Al,Se,1) war die Ermittlung der Verbrennungswarme von amorphem Selen notwendig, uber die hier getrennt berichtet wird, da in der Litera- tur *--B) nur uneinheitliche Angaben vorliegen. Die Verbrennungen wurden in einer V 2 A-Bombe (,,Ika-Calorimeterbombe 5", 2720 g, 800 em3) durchgefiihrt: Die Bombe besitzt ein selbstschlieBendes EinlaBventil und eine bei Druck automatisch schliel3ende Kunststoffdichtung. Die Calorimeteranordnung zeigte den iiblichen Aufbau: CalorimetergefaS Bauart Fa. Petersen, Berlin, mit ellip- tischem Querschnitt des Calorimeterbechers (Wasserinhalt etwa 3000 em3). Der Becher ist umgeben mit einem ,,convection-shield" und befindet sich in einem Kupferkessel, dessen Wandung und Boden mit 21,7 1 Wasser gefiillt ist. Der auf dem ,,convection- shield" aufliegende Deckel ist doppelt durch eine Hartholz- bzw. Filzscheibe gegen die Urngebung abgeschirmt. Riihrung mit Hubriihrer und konstantem elektrischen Antrieb. Temperaturablesung rnit normalem BECKMANN-Thermometer (Ablesegenauigkeit: *0,0005") unter ,Verwendung eines Vibrators zur storungsfreien Einstellung des Queok- silberfadens. - Ziindung mit Hilfe eines Zunddrahtes iiber einen Transformator. - Die Sauerstoffiillung der Bombe - nach vorherigem Durchspulen mit Sauerstoff - erfolgte mit 25 atm. Druck. - Eine Korrektur fur gebildete Stickoxyde erwies sich als unnotig, sofern Eichungen (siehe unten) und eigentliche Verbrennung unter gleichen Bedingungen durchgefiihrt werden. - Bei allen Verbrennungen wurde der ,,RuMroRDsche Kniff" angewendet und die Temperaturerhohung graphisch ermittelt. Vgl. die nachfolgende Mitteilung: A. SCHNEIDER u. G. GATTOW, Z. anorg. allg. Chem. 277, 44 (1954). 2, J. THOMSON, Therrnochemische Untersuchungen Bd. 2, Leipzig 1882, S. 272. 3, E. PETERSEN, Z. physik. Chem. 8, 601 (1891). *) W. G. MIXTER, Amer. J. Sci. 29, 492 (1910). 6, F. R. BICHOWSKY, F. D. ROSSINI, The Thermochemistry of the Chemical Sub- stances, NewYork 1936, s. 30. 6, 0. KUBASCHEWSKI, E. LL. EVANS, Metallurgical Thermochemistry, London 1952. - Derselbe berechnete Wert in F. D. ROSSINI, D. D. WAQMAN, W. H. EVANS, S. LEVINE, I. JAFFE, Selected values of Chemical Thermodynamic Properties, Washington 1952.

Die Bildungswärme von Selendioxyd

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Page 1: Die Bildungswärme von Selendioxyd

Die Bildungswarme von Selendioxyd

Von A. SCIINEIDER und G. GATTOW

Inhaltsubersiaht Durch Verbrennung von amorphem Selen in der Calorimeterbombe wurde ein Wert

fur die Bildungswarme von SeO, von 57,5 kcal pro Mol & 1,0 ermittelt.

Im Zusammenhang rnit der Bestimmung der Bildungswarme von Al,Se,1) war die Ermittlung der Verbrennungswarme von amorphem Selen notwendig, uber die hier getrennt berichtet wird, da in der Litera- tur *--B) nur uneinheitliche Angaben vorliegen.

Die Verbrennungen wurden in einer V 2 A-Bombe (,,Ika-Calorimeterbombe 5", 2720 g, 800 em3) durchgefiihrt: Die Bombe besitzt ein selbstschlieBendes EinlaBventil und eine bei Druck automatisch schliel3ende Kunststoffdichtung. Die Calorimeteranordnung zeigte den iiblichen Aufbau: CalorimetergefaS Bauart Fa. Petersen, Berlin, mit ellip- tischem Querschnitt des Calorimeterbechers (Wasserinhalt etwa 3000 em3). Der Becher ist umgeben mit einem ,,convection-shield" und befindet sich in einem Kupferkessel, dessen Wandung und Boden mit 21,7 1 Wasser gefiillt ist. Der auf dem ,,convection- shield" aufliegende Deckel ist doppelt durch eine Hartholz- bzw. Filzscheibe gegen die Urngebung abgeschirmt. Riihrung mit Hubriihrer und konstantem elektrischen Antrieb. Temperaturablesung rnit normalem BECKMANN-Thermometer (Ablesegenauigkeit: *0,0005") unter ,Verwendung eines Vibrators zur storungsfreien Einstellung des Queok- silberfadens. - Ziindung mit Hilfe eines Zunddrahtes iiber einen Transformator. - Die Sauerstoffiillung der Bombe - nach vorherigem Durchspulen mit Sauerstoff - erfolgte mit 25 atm. Druck. - Eine Korrektur fur gebildete Stickoxyde erwies sich als unnotig, sofern Eichungen (siehe unten) und eigentliche Verbrennung unter gleichen Bedingungen durchgefiihrt werden. - Bei allen Verbrennungen wurde der ,,RuMroRDsche Kniff" angewendet und die Temperaturerhohung graphisch ermittelt.

Vgl. die nachfolgende Mitteilung: A. SCHNEIDER u. G. GATTOW, Z. anorg. allg. Chem. 277, 44 (1954).

2, J. THOMSON, Therrnochemische Untersuchungen Bd. 2, Leipzig 1882, S. 272. 3, E. PETERSEN, Z. physik. Chem. 8, 601 (1891). *) W. G. MIXTER, Amer. J. Sci. 29, 492 (1910). 6, F. R. BICHOWSKY, F. D. ROSSINI, The Thermochemistry of the Chemical Sub-

stances, NewYork 1936, s. 30. 6, 0. KUBASCHEWSKI, E. LL. EVANS, Metallurgical Thermochemistry, London 1952.

- Derselbe berechnete Wert in F. D. ROSSINI, D. D. WAQMAN, W. H. EVANS, S. LEVINE, I. JAFFE, Selected values of Chemical Thermodynamic Properties, Washington 1952.

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38 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 277. 1954

Der Wasse rwer t des Calorimeters rnit Bombe wurde zunachst mit Benzoesaure (p. a. MERCK, fur calorimetrische Zwecke) als pri- marer Eichsubstanz bestimmt : Verbrennungswarme 6323 cal/g (20" C ) 7) .

Die Benzoesaure (0,l-0,8 g) wurde im Quarzschdchen zusammen mit dem Zunddraht eingeschmolzen. Un ter Berucksichtigung aller in der Verbrennungscalorimetrie ublichen Korrelrturen ergibt sich ein Wasser- wert von 3410 cal & 7 (mittlere Abweichung vom Mittel 0,2%). - Zur Kontrolle wurde mit K a m p f e r (MERCK, fur kalorimetrische Zwecke) als sekundarer Eichsubstanz gearbeitet. Einwaagen etwa 0,3-0,4 g. Als Verbrennungswarme wurde ein Wert von 9285 callg 5 22 (mittlere Abweichung vom Mittel i 0,2 %) bestimmt, der in guter uberein- stimmung rnit dem international festgelegten Wert von 9273,6 cal/gs) steht. - Als H i l f s s u b s t a n z fur die Verbrennung wurden F a d e n a u s ungebleichter, farbloser Ba umw ol le verwendet,. Die Verbrennungs- warme wurde gesondert bestimmt und ergab:' 3932 cal/g i 25cal (mittlere Abweichung vom Mittel: & 0,6%). - Das uns zur Verfugung st,ehencle Selen ( RIEDEL-DE HAEN, in Platten, % Gliihruckstand) wurde fur die Verbrennungsversuche nochmals gereinigt : Losen in heil3er konz. HNO,, Abrauchen und Umsublimieren des SeO,; Losen des Selendioxyds in Wasser, Ansauern mit HC1 und Fallen mit SO, in der Hitzes). Nach dem Absaugen wurde das so gefallte Selen rnit Methanol gewaschen und eine Stunde bei 110" C im Trockenschrank getrocknet. Rontgenaufnahmen des Produktes erwiesen eine amorphe Struktur. -

Vorversuche zeigten, daB das Selen lnit Baumwolle oder Ziind- draht allein nicht genugend sicher zu zunden ist. Die RoTHsche ,,Pythia- Methode" 10) erschien uns wegen des grol3en calorischen Ballastes wenig vorteilhaft. Dagegen erwies sich die Verwendung von Benzoesaure als Hilfssubstanz als auDerordentlich wertvoll. Wir zundeten in den Haupt- versuchen mit einem Baumwollfaden, der rnit Benzoesaure impragniert war bzw. mit einem Baumwollfaden, der rnit Benzoesaure im Quarz- schalchen eingeschmolzen war. Das Selen befand sich im Ietzteren Fall uber der Benzoesaure.

'9 VERKADE, Chem. Weekbl. 25, 666 (1928); W. JAEGER u. H. v. STEINWEHR, Z. physik. Chem. 135, 305 (1928); W. A. ROTH, Z. physik. Chem. 136, 317 (1928); E. WASH- BURN, Bur. Standards J. Res. 10, 525 (1933).

*) Nach J. D'ANs, E. LAX, Taschenbuch fur Chemiker und Physiker, Berlin 1949, Nach Angaben der Fa. Merck: 9275 cal/g. Vgl. auch W. SWIETOSLAWSKI, J. BOBINSKA, Roczniki Chem. [Ann. SOC. chim. Polonorum] 9, 723 (1929); M. S. KARASCH, Bur. Stan- dards J. Res. 2, 359 (1929).

O) S. S. BHATNAQAR, M. R. VERMA u. M. ANWAR-UL-HAQ, Kolloid-Z. 78, 15 (1937); J. DICK, 2. analyt. Chem. 82, 401 (1930).

lo) W. A. ROTH u. E. BORQER, Ber. dtsch. chem. Ges. 70, 48 (1937).

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A. SCHNEIDER u. G. GATTOW, Die Bildungswarme von Selendioxyd 39

Bei der Verbrennung entstand ausschliel3lich Se0,ll). Kleinere Anteile von Selen blieben unverbrannt im Quarzschalchen : vgl. Spalte 4 in Tabelle 1. Zur Bestimmung der nicht umgesetzten Selenmengen wurden die Bombe und die gesamte Innenarmatur mit Wasser ausge- spult. Das nichtreagierte Selen wurde abfiltriert, getrocknet und ge- wogen. Im Filtrat wurde nach dem Fallen mit SO, der Selengehalt nach Filtration durch Wagung ermittelt.

Die Ver suchse rgebn i s se sind in Tabelle 1 zusammengestellt12). Die Berechnung der B i l d u n g s w a r m e von SeO, aus amorphem Selen und gasformigem Sauerstoff bei 20" C ergibt sich nach der Gleichung

-AH:'' = W, . AT + AH? + AH:" + AH?.

Hierin bedeutet:

W,: Wasserwert, -AH?: Verbrennungswarme des Zdnddrahtes, - bzw. - AH:' : Verbrennungswarrne von Baumwolle (3,932 kcal/g) bzw. Benzoesaure (6,323 kcal/g).

Die Streuungen des Meljwertes sind begrundet in der Unsicherheit der Bestimmung des Umsatzgrades bei der Verbrennung. Der Mittelwert (Abweichung vom Mittel f 1,7 %) steht jedoch in guter Ubereinstimmung mit dem Wert von P E T E R S E N 3 ) (57,25 kcal/Mol) und mit THOMSENS (1882) Wert von 57,079 kcal"), dessen Groflenordnung auch bis heute noch als am zuverlassigsten gilt. BICHOWSKI und ROSSINI (1936) nehmen als wahrscheinlichsten Wert fur die Bildungswarme von SeO, aus hexa- gonalem Selen 56,36 kcal pro Mol an5). Neuerdings (1952) bevorzugt ROSSINI ohne Angabe neuerer Literatur einen Wert von 55,06). Mit unserem Wert kombiniert lage dann die U m w a n d l u n g s w a r m e Selen (amorph) -+ Selen (hexagonal) zwischen etwa 1,0 und 2,5 kcal pro Grammatom. Das wurde in Ubereinstimmung sein mit Literatur- angaben von M O N D A I N ~ ~ ) (1,08 kcal pro Grammatom), SOUNDERS**),

(1,s kcal) bzw. PETERSENIS) (1,43 kcal), wahrend altere Angaben von

l1) J. MEYER, A. PAWLETTA, Ber. dtsch. chem. Ges. 60, 985 (1927). lz) Bei der Berechnung der Bildungswarme (Spalte 8) ist durch Anbringung der

entsprechenden, kleinen Korrekturen berucksichtigt : spezifische Warme des Quarz- schalchens (rund 0,5 cal), das sich bei der Grundeichung des Wasserwerts nicht in der Bombe befand. Verbrennungswarme des verwendeten Zunddrahtes (7,l-8,2 cal) und Schwankungen der Versuchstemperatur (zwischen 290" und 292" K).

l 3 ) P, MONDAIN-MONVAL, Bull. SOC. chim. 39, 1363 (1926); C. R. hebd. SPances Acad. Sci. 182, 1467 (1926).

14) A. P. SOUNDERS, J. physic. Chem. 4, 423 (1900). l5) E. PETERSEN, 1. e.

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40 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 277. 1954

FABRE'~) (5,34-5,76 kcal) hiervon stark abweichen und unwahrscheinlich sind .

Wir glauben deshalb, da13 der von uns ermittelte Wert fur die Bil- dungswarme (292" K) von Selendioxyd aus amorphem Selen

- dHEo1 = 57,5 kcal/Mol 5 1 , O

innerhalb der angegebenen Fehlergrenze als gultig angesehen werden kann. Eine Prazisionsbestimmung der Bildungswarme des SeO, sowohl wie der Selen-Umwandlungswarme ist von uns vorgesehen.

Hsleo. kcal/Mol

55,3 58,8 5 7 3 57,5 55,9

TabelIe I Verbrennungswarme von Selen

Versuchs- Nr.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

--

2

Einwaage g Se

0,4435 0,9203 1,3074 1,1945 1,3792 1,0397 1,3989 1,3536 0.3674

3 1 4 1 5

-____

0,1843 0,5810 1,1645 0,9489 1,0857 0,6167 0,9744 1,2103 0,2258

41,6 63,2 89,2 79,4 78,s 59,4 69,7 91,6 61,4

103,o 134,9 128,6 124,7 177,l 111,3 138,O 170,7 369,2

6

H F cal

544,4 1209,O 1642,5 11 23,5 1536,7 876,4

1136,O 1611,O 3385,O

7

ATkOII. 0

0,230 0,523 0,770 0,532 0,676 0,422 0,587 0,800 1,151

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danken wir sehr fur die notwendigen Mittel zur Durchfuhrung der Untersuchung.

16) CH. FABRE, C. R. hebd. Seances Acad. Sci. 103,54 (1886) ; Ann. Chim. Physique 10, 480 (1887).

Gottingen, Institut fur Anorganische Chemie der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 4. Januar 1954.