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AKTUELLE MEDIZIN KRITISCH GELESEN Die bislang gründlichste Beurteilung der Homöopathie Kommentar Der NHMC-Report zeichnet sich durch min- destens drei besonders hervorstechende Qualitäten aus: Erstens ist er gründlicher und umfassender als alle Vorberichte zu diesem Thema. Zweitens ist er transparent, unab- hängig und von sehr guter methodischer Qualität. Drittens stammt er von einer höchst angesehenen Institution, die man nicht einfach als parteiisch abtun kann. In seiner derzeitigen Fassung ist der NHMC- Report aber nur ein Entwurf. Homöopathen sind jetzt eingeladen, ihn zu kritisieren und Evidenz, die eventuell vernachlässigt wurde, nachzureichen. E. Ernst Frühe Thrombolyse bei Schlaganfall: Jede Minute rettet einen Tag Die Thrombolyse bei ischämischem Apoplex ist umso wirksamer, je früher sie beginnt. Jetzt hat man versucht, den Lebenszeitgewinn durch frühzeitige Behandlung zu quantifizieren. Kommentar Die Thrombolyse nach akutem ischämi- schem Schlaganfall ist umso wirksamer, je früher die intravenöse Thrombolyse beginnt. Im Mittel rettet jede Minute einen Lebenstag ohne Behinderung. Ein wichtiger, organisa- torisch modifizierbarer Faktor ist die Zeit zwi- schen Ankunft in der Klinik und Beginn der Lyse, der in vielen spezialisierten Zentren in- zwischen auf etwa 30 Minuten verkürzt wer- den konnte. Zwei wichtige Anmerkungen: Den individuel- len Therapieerfolg kann man nur schwer prognostizieren, weil die Schwankungsbreite des Therapieerfolgs erheblich ist. Für den mittleren, behinderungsfreien Lebensgewinn von 1,8 Tagen liegt der Interquartalsabstand zwischen 0,1 und 4,6 Tagen. Außerdem weiß man, dass die Lyse nur bei jedem zweiten Pa- tienten zur Rekanalisierung führt. Könnte man die Patienten ohne Erfolg identifizieren und ausschließen, würde sich der Erfolg ver- doppeln. H. Holzgreve - Die Autoren stützen sich auf acht kontrollierte Studien zur rombolyse bei akutem Schlaganfall. Daraus wurde – in Abhängigkeit vom Schweregrad des Schlaganfalls und dem Beginn der rombolyse sowie anderen Einfluss- faktoren – der Behandlungserfolg nach drei Monaten gemessen. Zusammen mit anderen Verlaufsdaten wurden da- raus die Lebenserwartung und der langfristige Grad der Behinderung er- rechnet. Für jede Minute, um die der Behand- lungsbeginn verkürzt wurde, stieg die Lebenserwartung bei guter Gesundheit um 1,8 Tage. JA. Meretoja, M. Keshtkaran, J. L. Saver et al. Stroke Thrombolysis. Save a Minute, Save a Day. Stroke 2014:45; 5 5 10531058 Das australische „National Health and Medical Council“ hat eine Evaluation der Homöopathie vorgelegt, die ihresgleichen sucht. Insgesamt wurden 57 systematische Reviews analysiert und kritisch beurteilt. - Die Datenlage wurde nach zuvor festgelegten Gesichtspunkten kategori- siert. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Vielleicht am beeindruckendsten ist die Liste der Indikationen, für die die Ho- möopathie eindeutig widerlegt ist, weil die Primärstudien einheitlich keine Überlegenheit gegenüber Placebo auf- zeigen: adenoide Vegetationen, Asthma, Angstzustände und stressbedingte Er- krankungen, kindlicher Durchfall, Kopfschmerzen und Migräne, Geburts- hilfe, Schmerzen bei Zahnbehandlun- gen, Schmerzen bei orthopädischen Eingriffen, postoperativer Ileus, prä- menstruelles Syndrom, Infekte der obe- ren Atemwege, Warzen. In dieser Liste nden sich auch Indikationen, von de- nen Homöopathen meinen, dass sie eine Domäne ihrer Heilkunst seien – z. B. Kopfschmerzen und Asthma. JNHMRC draft information paper: Evidence on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions. (April 2014) http://consultations.nhmrc.gov.au/files/ consultations/drafts/nhmrcdrafthomeopathy informationpaper140408.pdf © Arteria Photography Frischer frontaler Hirninfarkt im MRI. 32 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (9)

Die bislang gründlichste Beurteilung der Homöopathie

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AKTUELLE MEDIZIN_KRITISCH GELESEN

Die bislang gründlichste Beurteilung der Homöopathie

Kommentar

Der NHMC-Report zeichnet sich durch min-destens drei besonders hervorstechende Qualitäten aus: Erstens ist er gründlicher und umfassender als alle Vorberichte zu diesem Thema. Zweitens ist er transparent, unab-hängig und von sehr guter methodischer Qualität. Drittens stammt er von einer höchst angesehenen Institution, die man nicht einfach als parteiisch abtun kann.In seiner derzeitigen Fassung ist der NHMC-Report aber nur ein Entwurf. Homöopathen sind jetzt eingeladen, ihn zu kritisieren und Evidenz, die eventuell vernachlässigt wurde, nachzureichen.

E. Ernst ■

Frühe Thrombolyse bei Schlaganfall:Jede Minute rettet einen Tag

Die Thrombolyse bei ischämischem Apoplex ist umso wirksamer, je früher sie beginnt. Jetzt hat man versucht, den Lebenszeitgewinn durch frühzeitige Behandlung zu quanti� zieren.

Kommentar

Die Thrombolyse nach akutem ischämi-schem Schlaganfall ist umso wirksamer, je früher die intravenöse Thrombolyse beginnt. Im Mittel rettet jede Minute einen Lebenstag ohne Behinderung. Ein wichtiger, organisa-torisch modi� zierbarer Faktor ist die Zeit zwi-schen Ankunft in der Klinik und Beginn der Lyse, der in vielen spezialisierten Zentren in-zwischen auf etwa 30 Minuten verkürzt wer-den konnte.Zwei wichtige Anmerkungen: Den individuel-len Therapieerfolg kann man nur schwer prognostizieren, weil die Schwankungsbreite des Therapieerfolgs erheblich ist. Für den mittleren, behinderungsfreien Lebensgewinn von 1,8 Tagen liegt der Interquartalsabstand zwischen 0,1 und 4,6 Tagen. Außerdem weiß man, dass die Lyse nur bei jedem zweiten Pa-tienten zur Rekanalisierung führt. Könnte man die Patienten ohne Erfolg identi� zieren und ausschließen, würde sich der Erfolg ver-doppeln. H. Holzgreve ■

−Die Autoren stützen sich auf acht kontrollierte Studien zur � rombolyse

bei akutem Schlaganfall. Daraus wurde – in Abhängigkeit vom Schweregrad des Schlaganfalls und dem Beginn der � rombolyse sowie anderen Ein� uss-faktoren – der Behandlungserfolg nach drei Monaten gemessen. Zusammen mit anderen Verlaufsdaten wurden da-raus die Lebenserwartung und der langfristige Grad der Behinderung er-rechnet.

Für jede Minute, um die der Behand-lungsbeginn verkürzt wurde, stieg die Lebenserwartung bei guter Gesundheit um 1,8 Tage.

■ JA. Meretoja, M. Keshtkaran, J. L. Saver et al. Stroke Thrombolysis. Save a Minute, Save a Day. Stroke 2014:45;45;45 1053–1058

Das australische „National Health and Medical Council“ hat eine Evaluation der Homöopathie vorgelegt, die ihresgleichen sucht. Insgesamt wurden 57 systematische Reviews analysiert und kritisch beurteilt.

−Die Datenlage wurde nach zuvor festgelegten Gesichtspunkten kategori-siert. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Vielleicht am beeindruckendsten ist die Liste der Indikationen, für die die Ho-möopathie eindeutig widerlegt ist, weil die Primärstudien einheitlich keine Überlegenheit gegenüber Placebo auf-zeigen: adenoide Vegetationen, Asthma, Angstzustände und stressbedingte Er-krankungen, kindlicher Durchfall, Kopfschmerzen und Migräne, Geburts-hilfe, Schmerzen bei Zahnbehandlun-

gen, Schmerzen bei orthopädischen Eingri� en, postoperativer Ileus, prä-menstruelles Syndrom, Infekte der obe-ren Atemwege, Warzen. In dieser Liste � nden sich auch Indikationen, von de-nen Homöopathen meinen, dass sie eine Domäne ihrer Heilkunst seien – z. B. Kopfschmerzen und Asthma.

■ JNHMRC draft information paper:Evidence on the e� ectiveness of homeopathyfor treating health conditions. (April 2014)http://consultations.nhmrc.gov.au/� les/consultations/drafts/nhmrcdrafthomeopathyinformationpaper140408.pdf

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32 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (9)