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mmmmmmm>,Macht hoch die Tür,die Tor macht weit Samstag, 16.10. '83 Nr. 1139/41. Woche, Jahrgang 6, Preis DM 1,20 Bremerhaven: Wasserwerfer durchbrach vorübergehend die Blockade Die Blockade geht weiter -trotz Festnahmen Bremerhaven (taz) - Blockade-Schlagzei- len: Alles ist friedlich und freundlich. Das stimmt für die Blockierer, aber für die Polizei trifft es nicht zu. Seit Donnerstag' nachmittag ging die Polizeieinsatzführung schärfer vor. Am frühen Mittag wurden erst Blockierer weggetragen, dann eine ganze Blockadeschicht mit rund 300 Leu- ten von der Polizei in Busse gebracht und auf umliegenden Dörfern ausgesetzt. Am späten Nachmittag wurden Schlagstöcke und Wasserwerfer eingesetzt. Eine Hetz- jagd auf auseinanderlaufende Blockierer mit einem Hochdruckwasserwerfer ent- lang einer engen Dorfstraße beendete den ersten Blockadetag. Die Festgenommenen wurden aufgrund des Bremer Polizeigeset- zes teils bis in die frühen Morgenstunden in eine Art Vorbeugehaft genommen. Die Blockierer hatten ihr Verhalten die ganze Zeit nicht verändert. Rechercheure der Blockierer machten Zugmaschinen der Firma MAN für Cruise Missiles im Erzha- fen des blockierten Areals aus. Laune macht die breite politische Zusam- menarbeit. Von Jusos und DKPlern, über Grüne, Gewaltfreie und Kirchliche bis zu den Autonomen und Berliner Häuser- kämpfern ist alles vertreten. Obwohl nor- malerweise nicht auf solch friedliches Ver- l halten festgelegt, halten auch letztere sich an den vereinbarten Aktionsrahmen. Auch die Organisation der Aktion ist aus- gezeichnet. „Herzlich willkommen im Tschada-Festzelt" steht am Eingang des Bremerhavener Camps. Im Zelt gibt es warmes fissen, die neuesten Informatio- nen, abends Veranstaltungen. Auf einem großen Plakat sieht man die Bezugsgrup- pen voirKid bis Kölnin Schichten aufge- teilt, denn die Blockade der Carl Schurz- Kaserne, die durch die weiträumigen Poli- zeisperren zur Blockade des Hafens ausge- weitet wurde, läuft an den drei Sperren rund Um die Uhr. Nur in Weddewarden scheiterte die nacht- liehe Blockade nach dem bisher größten Polizeieinsatz Donnerstag gegen 17 Uhr. Die LKWs Richtung Hafen und Kaserne waren alle nach Weddewarden umgeleitet worden und stauten sich dort schon kilo- meterweit; ihre Durchfahrt sollte nun poli- zeilich durchgesetzt werden. . - *** * - - - "-viT; cJ, Blockade am Zollamt Roter Sand, letzten Donnerstag geräumt Autobahnschilder besprühen ist Sachbeschädigung Israel Foto: Spontan-Foto, P. Homann Verurteilung nach§129a Regierungskrise wegen Wirtschaftsreform Fortsetzung auf Seite 2 Stammheim (tat) Die v^utobahnsprayer" haben nicht für eine terroristische. Verejni* gung geworben oder sie gar unterstützt.' Dies entschied gestern nach nur halbstün- diger Berätung der 5. Staatsschutzsenat beim OLG Stuttgart. "Die drei Angeklag- ten, denen vorgeworfen wird, Parolen, mit denen sie die Zusammenlegung der Gefan- genen aus der RAF forderten, im Frühjahr 1981 während eines RAF-Hungerstreiks auf Autobahnschilder gesprüht zu haben, wurden lediglich zu Geldstrafen zwischen 2400 und4800 DM verurteilt. Die Untersu- chungshaft von sechs Wochen wird damit sozusagen verrechnet. Der Staatsanwalt hat eine Verurteilung nach § 129a gefor- dert. Zwar habe, so begründete der Vorsitzende Foto: Dieter Klar Richter Mayer'das Urteil, der damalige RAF-Hungerstreik für die ^Zusammenle- gung vorzugsweise den Fortbestand einer •„terroristischen Vereinigung" auch im Gefängnis zum Ziel gehabt. Selbst wenn dies die Beschuldigten gewußt-hätten, könnte man es ihnen nicht verwehren, sich aus ihrer Sicht und aus menschlichen Gründen für diese Zusammenlegung ein- zusetzen. Dies gelte ganz besonders für Angehörige von am Hungerstreik beteilig- ten Personen und ihre Freunde. Damit werde, auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der-Meinung von Generalbundesanwalt Rebmann noch keine RAF-Werbung betrieben, da für den „Durchschnittsadressaten", den Au- tofahrer auf der Autobahn, keine Propa- ganda für RAF-Ziele ersichtlich sei. Auch „überzogenes Vokabular wie Isolations- folter" ändere daran nichts. Überdies sei davon auszugehen, daß aus der Sicht der Beschuldigten „gesundheitliche Gefahr durch die Haftbedingungen" für die Gefangenen aus der RAF gegeben gewe- sen sei. Bericht auf Seite 3 Jerusalem (afp) Kaum 56 Stunden nach Übernahme der Amtsgeschäfte ist die isra- elische Regierung bereits in eine Existenz- krise geraten. Der 50jährige Finanzmini- ster Toram Aridor erklärte in einer stürmi- schen Sondersitzung des Kabinetts am Donnerstag als erster seinen Rücktritt und begründete diesen Schritt mit mangelnder Unterstützung für seihe Wirtschaftspoli- tik. Als nächster hat der Minister für Wirt- schaft und inter-ministerielle Beziehung, Jaäcov Meridor, gestern vor der Presse in Jerusalem seinen Rücktritt angekündigt. Gestern morgen wurde in Jerusalem auch die Demission mehrerer hoher Finanz- funktionäre erwartet, namentlich genannt wurden der Generaldirektor des Ministe- riums, Ezzra Sedan und des Vize^Gouver» neurs der israelischen Staatsbank, Yajqr Plessner, die enge Mitarbeiter von Aridor waren. Oppositionsführer Schimon Peres, Chef der Sozialdemokratischen Arbeiter- •partei, kündigte im Fernsehen für den kommenden Montag einen Mißtrauens- antrag gegen die neue Regierung an. Gleichzeitig werde er beantragen, im Par- lament über Neuwahlen abstimmen zu lassen. Fortsetzung und Kommentar auf Seite 4 Lesefieber „Die Abenteuer des Mannes mit der abnehmbaren Schädeldecke" Von Kenneth Patchen Seite 7 .Für Feminismus habe ich keine Zeit" Ein Gespräck'tnitßuchiEmecheia : , l /-"}.''- /Seite 8 „Wo lassenSiedpi/fschreßen?" Heike Schwan: recherchiert ijr'einem Ghost- writer-Biiro f , '••<•:'•. Seite 9 „Die Gedanken sind frei! wer will sie verbraten?" Werner Pieper über „LSD- Raucher" undandereZensurmethoden ?;'• Seite 12; „Tulayil aus Tiavea und Lukanga. Multara" Knigge für Raubdrucker von Hermann Kropp \ Seite13 „Legal, illegal, IKEA-Regal" HD. Heilmann von A (wie Anarchismus) bis. Z (wie Zappendüster) Seite 14 „Es genügt nicht nur, keine Gedanken zu haben, man muß auch unfähig sein, sie; ; auszudrücken" Das Ende eines Holz- weges von und mit Wolfgang Neuss Seite 15 „Vollkommen matt im Kopf MÄRZ- Verleger Jörg Schröder erzählt von deutschen Reden und Rufen und von dem Zensurbalken, den man noch vom Mond aussieht ' Seite 17< Malle 6" Arno Widmann stellt Neuerscheinungen ausländischer Verlage vor " Seite 20 IGM-Gewerkschaftstag Siehe Seite 20 Metaller diskutieren den politischen Streik •München (taz)» Das war vor drei Jahren auf dem Berliner Gewerkschaftstag der IG Metall noch kaum,vorstellbar: In einer mehrstündigen, intensiven Debatte disku- tierte der IG MetaU-Gewerkschaftstag in der Münchener Bayernhalle den politi- schen Streik. Die abgeschwächte Vör- standsyersipn setzte sich schließlich durch: „Sollte"-die. Stationierung von Mittel- streckenraketen zu einer Situation führen, in "der die demokratische Grundordnung als Ganzes bedroht ist, fordert der Vor- stand der IG Metall in Zusammenarbeit mit dem DGB die Mitglieder auf, gewerk- schaftliche Aktions- und Kampfformen bis hin zur Arbeitsniederlegung gemäß Paragraph 2 unserer Satzung durchzufüh- ren." Das hat es in der großen IG Metall seit den 'fünfziger Jähren nicht mehr gegeben. Rund vier Stunden rangen die Delegierten um die gewerkschaftlichen Aktionsfor- men gegen die Aufrüster. Die Position der IG Metall zur aktuellen Nachrüstung ist ' eindeutig: Helmut Schmidts Doppelbe- schluß hat hier keine Chance mehr. Statt Nachrüstung wird die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Mitteleuropa gefordert. Die IG Metall beteiligt sich auch an den Kundgebungen am 22. Oktober. Umstritten dagegen ist," ob die Situation schon jetzt die Mobilisierungfür den politi- schen Streik erfordert. Der Vorstand setzte sich schließlich mit eindeutiger Mehrheit in der oben zitierten Fassung durch; die ihn nicht zwingend verpflichtet, in diesem und im nächsten Jahr die Nachrüstung-durch Streikaktionen zu verhindern. Aber immerhin: etw a. hundert Delegierte, stimmten für die folgende Formulierung: „Sollte die Stationierung von Mittel- streckenraketen durchgeführt werden.fqr- dert der Vorstand der IG Metall die Mit- glieder auf, gewerkschaftliche Aktions- und Kampfformen bis hin zur Arbeitsnie- derlegung gemäß Paragraph 2 unserer Sat- zung durchzuführen." Fortsetzung auf Seite 2

Die Blockade geht weiter -trotz Festnahmendownload.taz.de/taz_Archiv_TheGluehbirnenFake_taz151083.pdf · 2017. 5. 22. · Die Blockade geht weiter -trotz Festnahmen Bremerhaven (taz)

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mmmmmmm>,Macht hoch die Tür,die Tor macht weit

Samstag, 16.10. '83 Nr. 1139/41. Woche, Jahrgang 6, Preis DM 1,20

Bremerhaven: Wasserwerfer durchbrach vorübergehend die Blockade

Die Blockade geht weiter -trotz FestnahmenBremerhaven (taz) - Blockade-Schlagzei-len: Alles ist friedlich und freundlich. Dasstimmt für die Blockierer, aber für diePolizei trifft es nicht zu. Seit Donnerstag'nachmittag ging die Polizeieinsatzführungschärfer vor. Am frühen Mittag wurdenerst Blockierer weggetragen, dann eineganze Blockadeschicht mit rund 300 Leu-ten von der Polizei in Busse gebracht undauf umliegenden Dörfern ausgesetzt. Amspäten Nachmittag wurden Schlagstöckeund Wasserwerfer eingesetzt. Eine Hetz-jagd auf auseinanderlaufende Blockierermit einem Hochdruckwasserwerfer ent-lang einer engen Dorfstraße beendete denersten Blockadetag. Die Festgenommenenwurden aufgrund des Bremer Polizeigeset-zes teils bis in die frühen Morgenstunden ineine Art Vorbeugehaft genommen. DieBlockierer hatten ihr Verhalten die ganzeZeit nicht verändert. Rechercheure derBlockierer machten Zugmaschinen derFirma MAN für Cruise Missiles im Erzha-fen des blockierten Areals aus.

Laune macht die breite politische Zusam-menarbeit. Von Jusos und DKPlern, überGrüne, Gewaltfreie und Kirchliche bis zuden Autonomen und Berliner Häuser-kämpfern ist alles vertreten. Obwohl nor-malerweise nicht auf solch friedliches Ver- lhalten festgelegt, halten auch letztere sichan den vereinbarten Aktionsrahmen.Auch die Organisation der Aktion ist aus-gezeichnet. „Herzlich willkommen imTschada-Festzelt" steht am Eingang desBremerhavener Camps. Im Zelt gibt eswarmes fissen, die neuesten Informatio-nen, abends Veranstaltungen. Auf einemgroßen Plakat sieht man die Bezugsgrup-pen voirKid bis Kölnin Schichten aufge-teilt, denn die Blockade der Carl Schurz-Kaserne, die durch die weiträumigen Poli-zeisperren zur Blockade des Hafens ausge-weitet wurde, läuft an den drei Sperrenrund Um die Uhr.

Nur in Weddewarden scheiterte die nacht-liehe Blockade nach dem bisher größtenPolizeieinsatz Donnerstag gegen 17 Uhr.Die LKWs Richtung Hafen und Kasernewaren alle nach Weddewarden umgeleitetworden und stauten sich dort schon kilo-meterweit; ihre Durchfahrt sollte nun poli-zeilich durchgesetzt werden. . -

*** * - - - "-viT;

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Blockade am Zollamt Roter Sand, letzten Donnerstag geräumt

Autobahnschilder besprühen ist Sachbeschädigung Israel Foto: Spontan-Foto, P. Homann

Verurteilungnach§129a

Regierungskrisewegen Wirtschaftsreform

Fortsetzung auf Seite 2

Stammheim (tat) Die v^utobahnsprayer"haben nicht für eine terroristische. Verejni*gung geworben oder sie gar unterstützt.'Dies entschied gestern nach nur halbstün-diger Berätung der 5. Staatsschutzsenatbeim OLG Stuttgart. "Die drei Angeklag-ten, denen vorgeworfen wird, Parolen, mitdenen sie die Zusammenlegung der Gefan-genen aus der RAF forderten, im Frühjahr1981 während eines RAF-Hungerstreiksauf Autobahnschilder gesprüht zu haben,wurden lediglich zu Geldstrafen zwischen2400 und4800 DM verurteilt. Die Untersu-chungshaft von sechs Wochen wird damitsozusagen verrechnet. Der Staatsanwalthat eine Verurteilung nach § 129a gefor-dert.Zwar habe, so begründete der Vorsitzende

Foto: Dieter Klar

Richter Mayer'das Urteil, der damaligeRAF-Hungerstreik für die ̂ Zusammenle-gung vorzugsweise den Fortbestand einer•„terroristischen Vereinigung" auch imGefängnis zum Ziel gehabt. Selbst wenndies die Beschuldigten gewußt-hätten,könnte man es ihnen nicht verwehren, sichaus ihrer Sicht und aus menschlichenGründen für diese Zusammenlegung ein-zusetzen. Dies gelte ganz besonders fürAngehörige von am Hungerstreik beteilig-ten Personen und ihre Freunde. Damitwerde, auch nach der Rechtsprechung desBundesgerichtshofes und der-Meinungvon Generalbundesanwalt Rebmannnoch keine RAF-Werbung betrieben, dafür den „Durchschnittsadressaten", den Au-tofahrer auf der Autobahn, keine Propa-ganda für RAF-Ziele ersichtlich sei. Auch„überzogenes Vokabular wie Isolations-folter" ändere daran nichts. Überdies seidavon auszugehen, daß aus der Sicht derBeschuldigten „gesundheitliche Gefahrdurch die Haftbedingungen" für dieGefangenen aus der RAF gegeben gewe-sen sei. Bericht auf Seite 3

Jerusalem (afp) Kaum 56 Stunden nachÜbernahme der Amtsgeschäfte ist die isra-elische Regierung bereits in eine Existenz-krise geraten. Der 50jährige Finanzmini-ster Toram Aridor erklärte in einer stürmi-schen Sondersitzung des Kabinetts amDonnerstag als erster seinen Rücktritt undbegründete diesen Schritt mit mangelnderUnterstützung für seihe Wirtschaftspoli-tik. Als nächster hat der Minister für Wirt-schaft und inter-ministerielle Beziehung,Jaäcov Meridor, gestern vor der Presse inJerusalem seinen Rücktritt angekündigt.Gestern morgen wurde in Jerusalem auchdie Demission mehrerer hoher Finanz-funktionäre erwartet, namentlich genannt

wurden der Generaldirektor des Ministe-riums, Ezzra Sedan und des Vize^Gouver»neurs der israelischen Staatsbank, YajqrPlessner, die enge Mitarbeiter von Aridorwaren. Oppositionsführer Schimon Peres,Chef der Sozialdemokratischen Arbeiter-

•partei, kündigte im Fernsehen für denkommenden Montag einen Mißtrauens-antrag gegen die neue Regierung an.Gleichzeitig werde er beantragen, im Par-lament über Neuwahlenabstimmen zu lassen.

Fortsetzung undKommentarauf Seite 4

Lesefieber„Die Abenteuer des Mannes mit derabnehmbaren Schädeldecke" VonKenneth Patchen Seite 7.Für Feminismus habe ich keine Zeit"Ein Gespräck'tnitßuchiEmecheia

: ,l/-"}.''- /Seite 8„Wo lassenSiedpi/fschreßen?" HeikeSchwan: recherchiert ijr'einem • Ghost-writer-Biiro f , '••<•:'•. Seite 9„Die Gedanken sind frei! wer will sieverbraten?" Werner Pieper über „LSD-Raucher" undandereZensurmethoden

?;'• Seite 12;„Tulayil aus Tiavea und Lukanga.Multara" Knigge für Raubdrucker vonHermann Kropp \ Seite13„Legal, illegal, IKEA-Regal" HD.Heilmann von A (wie Anarchismus) bis.Z (wie Zappendüster) Seite 14„Es genügt nicht nur, keine Gedanken zuhaben, man muß auch unfähig sein, sie;

; auszudrücken" Das Ende eines Holz-weges von und mit WolfgangNeuss Seite 15„Vollkommen matt im Kopf MÄRZ-Verleger Jörg Schröder erzählt vondeutschen Reden und Rufen und von demZensurbalken, den man noch vom Mondaussieht ' Seite 17<Malle 6" Arno Widmann stelltNeuerscheinungen ausländischerVerlage vor " Seite 20

IGM-Gewerkschaftstag Siehe Seite 20

Metaller diskutierenden politischen Streik

•München (taz)» Das war vor drei Jahrenauf dem Berliner Gewerkschaftstag der IGMetall noch kaum,vorstellbar: In einermehrstündigen, intensiven Debatte disku-tierte der IG MetaU-Gewerkschaftstag inder Münchener Bayernhalle den politi-schen Streik. Die abgeschwächte Vör-standsyersipn setzte sich schließlich durch:„Sollte"-die. Stationierung von Mittel-streckenraketen zu einer Situation führen,in "der die demokratische Grundordnungals Ganzes bedroht ist, fordert der Vor-stand der IG Metall in Zusammenarbeitmit dem DGB die Mitglieder auf, gewerk-schaftliche Aktions- und Kampfformenbis hin zur Arbeitsniederlegung gemäßParagraph 2 unserer Satzung durchzufüh-ren."

Das hat es in der großen IG Metall seit den'fünfziger Jähren nicht mehr gegeben.Rund vier Stunden rangen die Delegiertenum die gewerkschaftlichen Aktionsfor-men gegen die Aufrüster. Die Position derIG Metall zur aktuellen Nachrüstung ist

' eindeutig: Helmut Schmidts Doppelbe-schluß hat hier keine Chance mehr. StattNachrüstung wird die Schaffung eineratomwaffenfreien Zone in Mitteleuropagefordert. Die IG Metall beteiligt sich auchan den Kundgebungen am 22. Oktober.Umstritten dagegen ist," ob die Situationschon jetzt die Mobilisierungfür den politi-schen Streik erfordert. Der Vorstand setztesich schließlich mit eindeutiger Mehrheit inder oben zitierten Fassung durch; die ihnnicht zwingend verpflichtet, in diesem undim nächsten Jahr die Nachrüstung-durchStreikaktionen zu verhindern. Aberimmerhin: etw a. hundert Delegierte,stimmten für die folgende Formulierung:„Sollte die Stationierung von Mittel-streckenraketen durchgeführt werden.fqr-dert der Vorstand der IG Metall die Mit-glieder auf, gewerkschaftliche Aktions-und Kampfformen bis hin zur Arbeitsnie-derlegung gemäß Paragraph 2 unserer Sat-zung durchzuführen."

Fortsetzung auf Seite 2

Page 2: Die Blockade geht weiter -trotz Festnahmendownload.taz.de/taz_Archiv_TheGluehbirnenFake_taz151083.pdf · 2017. 5. 22. · Die Blockade geht weiter -trotz Festnahmen Bremerhaven (taz)

n

„ Gnade kommt von Gott, alles anderekann man lernen. “

Nijinsky

Bei Thomas Pynchon las ich: „DieGeschichte von Byron, der Birne“, dieursprünglich von Tungsram in Budapesthergestellt werden sollte, aber dann nochim letzten Moment an Osram in Berlinzurückzediert wurde. Es handelte sich beidieser Glühbirne um eine „unsterbliche“,die von einer Orgsanisation namens„Phoebus“ verfolgt und vernichtet werdensollte. Hinter „Phoebus“ steckte ein inter-nationales Glühbimenkartell mit Haupt-sitz in der Schweiz: „Es wir im wesentlichenvon International GE, Osram und denAssociated Electrical Industries of Britainkontrolliert, welche sich ihrerseits, in glei-cher Reihenfolge, zu 100, 29 und 46 Pro-zent im Besitz von General Electric Com-pany von Amerika befinden. Phoebusmacht die Preise und bestimmt die Lebens-dauer 'jeder Glühbirne auf der ganzenWelt.“ („Die Enden der Parabel“, Seite1012) Ich las diese Geschichte der Verfol-gung der unsterblichen Glühbirne zwar'mit Spannung, aber als relativ unwichtigenAspekt in Pynchons ‘Gesamtwerk“, denich dann auch bald darauf wieder vergaß.

£Tinige Zeit später fiel mir in einem Cafedie ZEIT in die Hände, darin ein Interviewvon Ulrich Grejner mit Hans MagnusEnzensberger. Ich las ziemlich unaufmerk-sam . Ein völlig blödsinniger Satz blieb mirallerdings im Gedächtnis haften, eben weiler so blöde war „Enzensberger stand auf,um Licht zu machen. Eine der beidenTischlampen seitwärts der Sofas gab einklickendes Geräusch von sich und bliebdunkel. Enzensberger verschwand kurz imFlur und kehrte mit einer neuen Glühbirnezurück, die er einschraubte. Dann setzte ersich wieder aufs Sofa, usw. usw.“ Vielleichtwäre mit dieser Satz in dem bescheuertenInterview noch nicht einmal im Gedächt-nis haften geblieben, aber wenig später lasich in der TRANS ATLANTIK ein „Inter-view mit einem Hühnerficker“, in demgenau dieser eben aus der ZEIT zitierteSatz erneut vorkam, der Autor war dies-mal ein ‘Jimmy Cooke’. Banal, nicht

wahr? Aber in der Februar-Ausgabe derNEW YORK BOOK REVIEW standdann — ich bekam die Ausgabe erst späterin die Hand — ein Artikel von Sven Bir-kerts über das Buch „Selected Essays ofEugenio Montale“, einem italienischenLyriker, der im September 198 Lgestorbenwar. Der Artikel begann mit dem Satz:, „Literary trafFic between Italy and Ame-rica has always been fitful.“ Um dann zweiAbschnitte weiter sich über die „Tatsache“auszulassen, daß Eugenio Montale beigewissen Anlässen seine Freunde undGäste damit geschockt habe, daß er ausge-brannte Glühbirnen zerbiß, deren Scher-ben er dann ausspie. Nicht genug damitfand sich an anderer Stelle in dem Artikeleine weitere Bemerkung über die „Glüh-birne“: „Of Campana, forexample, whoseexcessive Rimbaudian style was far fromMontale's own ideal of compression andclanty, he wrote: ‘Dino Campana, who, asCecchi has said, ‘passed like a comet“, haswntten one of the greatest itaüen poemsabout incandescent bulbs!“ Der Autor desReview-Artikels — Sven Birkerts — hattediese Stelle zitiert als Beispiel für Montales„Objektivität“ (oder was weiß ich). Mirwar sie auf alle Fälle Beweis dafür, daß sichin der letzten Zeit die Glühbimen-Meta-pher in meinen Lektüre-Exkursionen aufbedenkliche Weise häufte. Aber es gingnoch weiter.

Im STERN las ich dann einen Artikel übereinen „mysteriösen Brand“ m einer Mie-derwarenfabrik bei Fürth, „mysteriös“,weil irgendwelche Versicherungsbetrüge-reien dahinterstecken sollten — nach Mei-nung des STERN-Autors; für mich war dieSache aber deswegen myteriös, weil dasFeuer, das das Warenlager der Firma zer-störte, alle Glühbirnen und Neonröhren—auch in den angrenzenden Gebäuden—hatte zerplatzen lassen. Sodann, ich warfür einige Tage nach Berlin gefahren, gabmit in der taz-Redaktion einer der Kultur-redakteure dort einen Artikel zu lesen —über ein merkwürdiges „alternatives Esta-blissement“. Der Artikel besaß keineAutoren-Unterschrift. Mittendrin stieß ichwieder auf den Glühbimen-Satz, den ichzuerst in dem Enzensberger-Interview

gefunden hatte, nur daß es diesmal statt desDichters eine Frau ohne Namen war, dieauf den Flur ging, um eine Glühbirne zuholen usw. Und dann, vorläufiger Schluß-punkt in dieser Glühbimen-Attentats-Se-rie auf meine paranoide Intuition, sah ichim Fersehen einen Film von Pakula:„Zeuge einer Verschwörung“: an einerziemlich belanglosen Stelle schraubt derHauptdarsteller— Warren Beatty—wäh-rend eines Gesprächs eine neue Glühbirnein die Fassung der neben seinem Sesselbefindlichen Stehlampe. Dabei hätte ich esbewenden lassen und mich wieder beru-higt, den Vorgang gewissermaßen zu denAkten gelegt. Aber dann zeigte mir jemandein Video von einem Film über die „Rol-ling Stones“: „Die ersten zwanzig Jahre“.Darin wird an einer Stelle kurz Bill Wymaninterviewt — der letzte von den Stones, dernoch an der Cote d‘Azur wohnt, und dernichts anderes zu sagen hatte als: „IchWechsel selber meine Glühbirnen aus!“Oas reichte. Was zumTeufel... Ichfuhrindie taz-Redaktion in der Wattstraße, setztemich in der Kulturredaktion an einenfreien Schreibtischundfmgan,herumzute-lefonieren — dort auch „recherchieren“genannt. Zuerst einmal schrieb ich unter-einander alle meine Glühbimen-Ereig-nisse auf. Als erstes „Thomas Pynchon“—Rowohlt-Verlag. Dann verlangte icham Telefon die Redaktion der reihe „NeuesBuch“ bei Rowohlt. Delf Schmidt war amApparat, der gab mir dann seinen Vorar-beiter Jürgen Manthey; nicht ohne zuvorvon „Pynchon“ als von einem „Jahrhun-dertwerk“ gesprochen zu haben, was miraber bei meinem Glühbimen-Anliegenwenig nützte. Auch Manthey konnte mirnicht weiter helfen, verband mich aberschließlich mit Ledig-Rowohlt. Der sagtesofort: „Pynchon, da sind Sie doch bei mitgenau richtig, das ist doch mem Mann, denhabe ich doch entdeckt!“ Nur leider, alleKontakte zum Autor würden überVIKIN G PRESS laufen, eigentlich gebe esgar keinen Kontakt zum Autor, nicht ein-mal VIKING PRESS wüßte, wo ersteckenwürde, und selbst hochdotierte ehrenvolleLiteraturpreise würde der scheue Pynchonausschlagen, auch gebe es genaugenom-

men keinen anderen Menschen, der ihnkenne. Selbst Recherchen würden imSande verlaufen. Zu allem Überfluß seienauch noch die Unterlagen in dem College,in dem er früher mal studiert hätte, beieinem Brand vernichtet worden, und dieAkten bei der US-Manne, wo er malgedient habe, seien unauffindbar, also ver-schwunden. „Mysteriös“, das war dasWort, was Ledig-Rowohlt benutzte. Michmachte das Ganze eher „argwöhnisch“.

wetzt zum Enzensberger-Interview mitUlrich Greiner. In der ZEIT-Redaktionwar er nicht mehr, aber eine Sekretärin gabmir seine Privatnummer. Ich hatte Glück.Wie er etwas gehetzt bemerkte, hatte ichihn gerade noch beim Rausgehen erwischt,er war just auf dem Weg, um eine Einla-dung zu einer Wildschwein-Treibjagdwahrzunehmen, stand also gewisserma-ßen schon Gewehr bei Fuß—am Telefon.Das letzte dachte ich mir nur. Ich fragte ihnnach dem Enzensberger-Interview bzw.ich wollte ihn nach der Glühbimen-Stellefragen, was er sich dabei gedacht hätte,vielleicht irgendwelche genaueren Hin-weise, natürlich nicht die Wattstärkebetreffend. Aber er kam mir zuvor, nochgehetzter, schon unwirsch: das sei ebensein Stil, Atmosphärisches einzufangen,hauptsächlich a'us Schriften der Befragtenzu zitieren, statt Fragen zu stellen undAntworten hinzuschreiben, er sagte „zuregistrieren“. Ich kam har nicht dazu, dasMißverständnis aufzuklären, da hatte erschon angelegt, sein Gewehr sichgeschnappt und durchgeladen. Das letztevermutete ich natürlich nur. Schon etwasweniger forsch rief ich bei der nächstenAdresse an, bei TRANSATLANTIK.Sofort stelle man mich zur neuen Heraus-geberin — Marianne Schmidt — durch.Die war zuvorkommender. Ja gewiß, mitdem Autor hätte man schon mehrfach zutun gehabt, d.h. genaugenommen nur mitdem Büro, in dem er arbeiten würde...Büro?! Ich verstand nicht ganz. „EinenMoment bitte, ich suche Ihnen mal dieKorrespondenz heraus. Hier haben wir esschon: ‘Standard Texte S.A., GermanBranch*.“ Und dann folgte die genaueAdresse. Ich schrieb sie mir auf, bedanktemich bei der Herausgeberin und hängteden Hörer ein. Um die taz-Telefongebüh-ren nicht übermäßig in die Höhe zu trei-ben, stellte ich die NEW YORK BOOKREVIEW erst einmal hintenan. Für denSTERN-Artikel hatte ein Werner Metzgerverantwortlich geezichnet. In der Ham-burger Redaktion erfuhr ich, daß es sichdabei um einen Korrespondenten in Ulmhandeln würde, man gab mir auch seineAdresse nebst Telefonnummer. Ich riefdort an. Eine verschlafene Männerstimmemeldete sich mit „Media Matrix“. Ich ver-langte Herrn Metzger zu sprechen. EinenMoment, ich stelle durch. Dann: „Der istleider nicht im Büro zur Zeit, rufen Siedoch morgen mal wieder an.“ Der nächsteTag war aber ein Feiertag. Und dannmußte ich wieder nach Frankfurt. Ein paarTage lang hatte ich dort anderes zu tun.Nach ungefähr einer Woche versuchte iches noch einmal. Diesmal war Herr Metzgerzu sprechen: „Äh, der Artikel über denBrand in der Miederwarenfabrik ist genau-genommen nicht von mir“, sagte er, „ichhabe nur einen Anruf dazu entgegenge-nommen, von wem der kam, kann ich jetzt,äh, gar nicht mal mehr sagen. Stimmtirgendetwas damit nicht?“ Ich beruhigteihn und bedankte mich für die Auskunft.Er war aber ganz und gar nicht beruhigt.Ich unterbrach das Gespräch und legte denHörer auf. Ich war auch nicht beruhigt.Am Spätnachmittag suchte ich mir dieAdresse des „Standard Text“ heraus, siehatte ihr Büro in Frankfurt-Bockenheim.Als ich dort ankam, erwies sich das Büroals eine im dritten Stockwerk gelegene ehe-malige Zahnarztpraxis, oder jedenfallsstand am Ende eines schwarz gestrichenenFlurs ein weißer Zahnbehandlungsstuhl.In den verschiedenen Räumen arbeitetenetwa fünf Leute, man hörte Schreibma-schinengeklapper. Ich wurde nach meinenWünschen gefragt und verlangte JimmyCooke zu sprechen, sagte, daß ich Näheresüber einen mit seinem Namen Unterzeich-neten Artikel wissen wollte. Eine Fraukam hinzu und meinte: Normalerweisewären sie mit Recherchen über andereLeute beschäftigt, es sei bisher noch nichtvorgekommen, daß jemand sich mit ihnenbeschäftigt hätte. Im übrigen gäbe es einenderartigen Autoren nicht bei ihnen, daß seiein Pseudonym, das sie mitunter benutzenwürden. Wer „sie“ denn überhaupt seien,fragte ich — zugegebenermaßen etwasdümmlich—zurück. „Sie“ seien eine Text-Agentur, Zweigstelle einer Firma in Berlin.Sie gab mir die Adresse. Ich verabschiedetemich.

Alls ich am nächsten Tag bei der taz inBerlin anrief, erzählte mir der Kulturre-dakteur, daß er herausbekommen hätte,woher der Artikel über jenes merkwürdige„alternative Establissement“, in dem sichebenfalls dieses Glühbirnen-Zitat befand,stammte: von der „Standard Text S.A. —Büro Berlin“. Und er war auch schon dortgewesen, eine erstklassige Adresse —Uhlandstraße/ Ecke Kurfürstendamm I.Stock. Die hätten ihm aber überhauptnichts gesagt, ihn vielmehr sogleich höflichhinauskomplimentiert, er solle sich, wenner Fragen hätte, an das Amsterdamer Bürowenden. Die Adresse wenigstens hätten sieihm gegeben. Der Kulturredakteur gab siemir. Und dann erzählte er mir noch, daß erdort in dem Berliner Büro eine Weile meiner Art Wartezimmer gesessen hätte unddabei hätte er eine Ausgabe der PariserZeitschrift „Actuel“ durchgeblättert, inderer auf einen angekreuzten Artikel gestoßenwäre, ein Artikel über den Untergang oderunaufhaltsamen Niedergang der PariserStriptease-Etablissements. Nichts Aufre-gendes an sich, nur daß an einer Stellestand, daß die Künstlennnen sich immerAusgefalleneres einfallen lassen müßten,um wenigstens noch ein Minimum an Auf-merksamkeit und interessierten Zuschau-ern zu bekommen. So würde z.B. im„Chez Tout“ eine jüdische Striptease-Tän-zerin mit dem Namen Sarah auftreten, diegewissermaßen als krönenden Abschlußihrer Darbietung, eine Glühbirne in ihrerMöse zum Erleuchten bringe. Ob uns dasirgendwie weiterhelfe—in unserer Recher-che, wollte der Kulturredakteur wissen.Der Artikel sei im übngen von einem odereiner K. Jaubenstem unterschrieben wor-den. Wenn ich nach Amsterdam führe, wiebekäme ich da meme Unkosten und Spe-sen irgendwie ersetzt, fragte ich zurück. Ichsolle erst einmal so hinfahren, darüberkönne man dann später immer noch ver-handeln, erwiderte der Kuiturredakteur.Und das tat ich dann auch, gleich amnächsten Tag. Ich blieb mehrere Wochenin Amsterdam.

Die ominöse „Standard-Text“-Agenturbefand sich tatsächlich unter der angegebe-nen Adresse: in der Herengracht, gleichneben dem „Institut vor Sociale Geschie-denis“. Aber dort waren sie noch mißtraui-scher als m ihren Zweigstellen der Büros inBerlin ufid Frankfurt. Diesmal ließ' ichjedoch nicht locker. Und endlich hatte ichGlück, oder man hatte Mitleid mit mir. dieGeschäftsführerin der „European Branch-“ — Ruth Halberstam, sie sah aus wie einefreundliche Ausgabe von Margret That-cher, empfing mich zu einem halbstündi-gen Gespräch, aus dem dann eine ganzeSerie von Gesprächen wurde, in deren Ver-lauf sie mir so ziemlich alles über ihreFirma erzählte, was zur Aufhellung derGlühbimen-Vorkommnisse notwendigwar.

Huth Halberstam war nur eine von dreiGeschäftsführerinnen, die anderen beiden—Jacky Coyben und Dorothy Twither—arbeiteten in den USA. Hinter ihren „Stan-dard-Text“-Agenturen stand eine „Gesell-schaft“ — die „Arensberg-Stiftung“ Daich den Namen „Arensberg“ noch megehört hatte, las Ruth Halberstam mireinmal an einem Vormittag eine Sequenzaus einem Marcel Duchamp Interviewvor, in dem dieser über Arensberg gespro-chen hatte.

ISuchamp war eng mit Arensbergbefreundet gewesen, der ihm mehrereObjekte abgekauft sowie ein Atelier zurVerfügung gestellt hatte. Duchamp sagteüber ihn: „Er war ein reizender Kerl,ursprünglich Dichter; ein Harvard-Mann,der genug Geld zum Leben hatte und ima-gistische Gedichte schrieb. Es gab damalsnämlich in New York eine englische litera-rische Schule, die Imagisten, zu denen ermit einer Reihe anderer amerikanischerDichter, die ich alle kennenlemte, gehörte.Aber er hatte einen schwierigen Charakter,der Arme. Er war etwas älter als ich, nichtviel, aber da ihm eine rasche oder allge-meine Anerkennung als Dichter zunächstversagt blieb, bekam er das Dichten baldleid und hörte schon so um 1918-19 damitauf. Daraufhin wendete er sich einem tol-len Hobby zu und zwar der Kryptogra-phie, mittels derer er die Geheimnisse Dan-tes in der ‘Göttlichen Komödie' und dieShakespeares in dessen Thaterstücken zuentdecken suchte. Na, Sie kennen das ja:wer war Shakespeare, wer war er nichtusw... Damit hat Arensberg sich dann seinganzes Leben lang befaßt. Über Dante hater auch ein Buch veröffentlicht, auf eigeneKosten natürlich, weil kein Verleger etwasdavon wissen wollte. Und schließlich grün-dete er noch eine Gesellschaft, die FrancisBacon Stiftung oder sowas ähnliches, mitderen Hilfe er beweisen wollte, daß Bacon

Heike Schwan

THE GLÜHBIRNEN-FAKE

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der Verfasser der ShakespeareschenStücke war. Sein System bestand darin, imText spätestens in jeder dritten ZeileAnspielungen auf alles mögliche zu ent-decken. Das Ganze war ein Spiel für ihn,ähnlich wie es auch das Schachspiel seinkann, und machte ihm unheimlich vielSpaß.' Er hatte drei Sekretärinnen, die fürihn arbeiteten, und ihnen hat er soviel Geldhinterlassen, daß sie sich nach seinem Todein kleines Haus in Kalifornien kaufen undseine Shakespeare-Forschung fortsetzenkonnten. Da haben sie den ganzen Mann."

£ war fand ich das alles amüsant, konnteaber nicht allzuviel damit anfangen. RuthHalberstam erklärte min Arensberg hatteihr sowie ihren beiden Miterbinnen mehrGeld hinterlassen als für die Fortsetzungseiner merkwürdigen Shakespeare-For-schungen notwendig gewesen wäre, imübrigen wurden siedieser Arbeit bald über-drüssig und fingen an, sich nach 'anderenProjekten umzuschauen. Sie waren nochjung und untemehmenslustig, damals inden 30er und 40er Jahren. Zwar blieben siein Kalifornien wohnen, hielten sich aberdie meiste Zeit in New York auf. Hierlernten sie eine Gruppe junger von Rim-baud, Lautreamont und den Surrealistenbegeisterter Dichter kennen, von denendann allerdings die meisten mit Kriegsein-tritt der USA zum Militär einrückten und.in Richtung Europa verschwanden. Zweischafften es sogar, sich in ihrem Mekka—Paris — durchzuschlagen, das nach derLandung der Alliierten in der Normandiezum Sperrgebiet erklärt worden war. Mitvollen Jerrycans (Benzinkanistern) undmehreren Stangen Lucky Strikes desertier-ten sie von einer Einheit derlll. Armee undfanden in Paris Unterschlupf, in der Buch-handlung „Skakespeare & Company".Später wurden sie dann als Deserteureverhaftet und von einem Militärgericht zumehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt,einer der beiden starb unter nicht geklärtenUmständen in dem Gefängnis, der anderekam nach seiner Entlassung wieder nachNew York und bald traf sich die Gruppedann auch wieder regelmäßig mit ihrendrei Mäzenatinnen: Ruth Halberstam,Jacky Coyben und Dorothy Twither. Siefingen alle an, gemeinsam einen Gedicht-band zusammenzustellen und herauszuge-ben. Als erfertig war, schlug Jacky Coybenvor, es unter dem Autorennamen JackArnold erscheinen zu lassen, zum Anden-ken an den im Militärgefängnis Gestorbe-nen.

Bei den Gedichten handelte es sichzumeist um Anti-kriegs-Lyrik, und derBand wurde wider Erwarten zu einem gro-ßen Erfolg. In den Lesungen, die JackArnold daraufhin in diversen Buchhand-lungen und Cafes halten sollte, trug dannabwechselnd jeder aus der Gruppe seineeigenen Gedichte vor. Niemand merkteetwas von der Nicht-Existenz des Autors.Das ermutigte die Gruppe, mit JackArnolds weitere Coups zu starten. Eswaren spannende Experimente, einen

Texte unter falschen Namen, einfach ausSpaß am Verwirrspiel, und vielleicht auch:„weil wir weniger als die Männer scharfdarauf waren, unsere Namen fettgedrucktzu sehen", wie Ruth Halberstam hinzu-fügte. Außerdem wollten sie, daß ihreTexte gelesen wurden, anstatt daß man sieum einen Autorennamen gruppierte oderaortierte. In den 50er und 60er Jahrenließen sie sich von den Beatnick-Dichternbegeistern. Dann zog Ruth Halberstamnach London. Dort organisierte sie einesog. „Fait Divers"-Abteilungihresgemein-samen Projektes, d.h. die' liefertebestimmte ausgearbeitete Aspekte —zumeist amerikanische — für irgendwel-che Bücher oder Artikel von englischenSchreibern, denen es hier und da an Detail-genauigkeit oder Phantasie mangelte. DieAutoren zahlten dafür. Und mit der Zeitentstand daraus ein regelrechtes Geschäftfür Ruth Halberstam, das dann ähnlichJacky Coyben und Dorothy Twither inden USA übernahmen. Nachdem ersteredann nach Amsterdam übergesiedelt war,mußte sie schon Leute anstellen, jungeSchriftsteller zumeist, die mit ihr zusam-.men die anfallende Auftragsflut erledig-ten. Bald fertigten sie auch gegen Bestel-lung Diplom-, Magister- und Doktorar-beiten an sowie kleine Vorträge und Textefür schon bekanntere Autoren, die aberaus irgendeinem Grund keine Zeit hattenoder dazu nicht in der Lage waren —jüngeren, meistens solche mit einer hoch-gejubtelten ersten Veröffentlichung, denen .plötzlich alle Welt über die Schulterschaute — als Phantom, und die deshalbkeine Zeile mehr zustande brachten, aberauch ältere, die von ihrem tatsächlichenRuhm gebeutelt wurden und nur nochstammeln könnten.

flieh erinnere mich an die ersten Texte inder Art, wir haben uns irrsinnige Mühegegeben, um ja den richtigen Ton, Stil oderSatz- bzw. Erzählduktus zu treffen vondemjenigen, der das Ding zu signierenhatte. Aber wir waren viel zu vorsichtig, dahat nie jemand auch nur den leisesten Zwei-fel gehabt, oft haben die Autoren selbstgedacht, daß sie es sozusagen eigenhändigverfaßt hätten." Ruth Halberstam lachte.Anfang der 70er Jahre gab es dann auchähnliche Gruppen in Deutschland undFrankreich, die alle unter dem Firmenna-men „Standard Text" arbeiteten, in Düs-1seldorf sogar eine Gruppe von Malern —„Standard Oil Painting" — die aber nichtlange existierte. „Um eine immer größereBeweglichkeit zu erreichen, haben wir ver-sucht, alle möglichen Arten von Texten zuerstellen bzw. sie auf alle möglichen Ebe-nen zu lancieren. In den USA haben wirz.B. unter dem Namen 'Pynchon' einigeziemlich anspruchsvolle Texte verfaßt,aber auch Werbesprüche, Nachrichten-meldungen, weiterhin auch pazifistischeoder beatnikmäßige Gedichte, von deneneinige sogar in verschiedene Anthologienaufgenommen worden sind, Drehbücherfür Werbespots, Krimi-Serien, Filmbü-cher nach Romanen, Romane nach Fil-

oder wie man das nennt.

A ber nicht nur so was, die ganzen Nach-richten werden ja von Meldern geliefert,selbst der Wetterbericht und der Verkehrs-funk. Und derlei, das geht dann ja schonwieder in Konkrete Poesie über." Ich hätte

'von Ruth Halberstam gerne noch gewußt,welche bekannten deutschen oder franzö-sischen Autoren bei ihr schreiben ließen,aber sie wollte keine Namen rausrücken.Das Cover von Pynchon zu lüften sei nurdeswegen nicht weiter tragisch, weil auchdie US-Kritik schon von der kollektivenAutorenschaft seiner Bücher überzeugt seimittlerweile. .Jede Indiskretion in dieserHinsicht schadet sowohl unseremGeschäft (was meinen Sie, wieviele Leuteda allein ihre akademischen Grade zurück-geben müßten) als auch der Idee." Aberwäre dann nicht bereits das zu viel, was siemir alles darüber schon erzählt hatte?

• wollte ich von ihr wissen. „Erstens werdenwir das vor einer Veröffentlichung nocheinmal durchsehen — daraufhin, undzweites ist das, was ich Ihnen bishererzählthabe, durchaus auch als Werbung für unsgedacht. Wir haben da lange hin und herüberlegt. Ich habe Ihretwegen teure Tele-fongespäche geführt, aber da zum Schlußnur noch Jacky Coyben dagegen war..."

Ich war gerührt, hatte aber noch mehrFragen auf Lager. Ist es denn noch nievorgekommen, daß irgendeine Ihrer Auf-tragsarbeiten entlarvt worden ist? wollteich z.B. wissen. „Doch", Ruth Halberstamschmunzelte und schob ihr Schmetter-lings-Brillengestell in ihr Haar hoch, „aberdas geschah meistens aufgrund irgendei-ner Schlamperei, viele unserer Mitarbeitersind 'Freie' und manchmal müssen wir aufwelche zurückgreifen, die dann bei einemAuftrag einfach überfordert sind, wobeidie Schuld natürlich bei uns liegt, bei unse-ren Büros, die das anschließend nichtgenug überprüft haben,bevorsiees rausge-ben. Da wäre zum Einen das Buch 'DasSchicksal der Erde' zu nennen, das in Ame-rika von einem freien Mitarbeiter zusam-mengestellt worden ist, im Namen undAuftrag von Jonathan Schell, und das eingroßer Erfolg wurde, ein zu großer, dennein australischer Theologe — GroverFoley, hieß er glaub ich—entdeckte darinmehrere Ideen, ja ganze Passagen, die ausBüchern des deutschen Philosophen Günt-her Anders abgeschrieben worden waren.Der Agent von Günther Anders verklagtedaraufhin unseren Auftraggeber Schell,der sich natürlich seinerseits dann bei unsschadlos hielt, und nicht zu knapp, dennder Prozeß endete zwar mit einem Ver-gleich, aber Schells Ruf als Autor schiendoch irgendwie darunter gelitten zu haben.Die nächste Arbeit für ihn wird deswegeneine lupenreine sein, das kann ich verspre-chen. Ähnlich verhielt es sich mit einerhistorischen akademischen Arbeit, dieirgendjemand aus einem deutschen Büromal für irgerndeinen der Hohenzollern-Prinzen erstellt hatte und in der ebenfallszu viel plagiiert wurde, was den Prinzen inziemliche Schwierigkeiten brachte. Ein

rechte und Ähnliches zu, also auch, wenndie jeweilige Arbeit übersetzt in einemanderen Lande erscheint. Dabei hat sichübrigens eine Idee von Dorothy Twitherbewährt, die wir jetzt immer öfter prakti-zieren: Nehmen wir mal an, wir sollen füreinen Genetiker eine Arbeit über irgendei-nen Aspekt der Drosophila-Forschungverfassen oder meinetwegen eine Recher-che über das Papst-Attentat undseine Hin-tergründe, wobei herauskommen soll, daßdie Kurie dahintersteckte und beides sollim deutschen Sprachraum veröffentlichwerden. Gegen einen geringen Aufpreisfertigen wir dann während der Arbeitdaran gleich eine englische Übersetzungan, die wir dann vorab im „Journal forGenetic Studies", oder wo auch immerbzw. im anderen Fall im „Playboy" oderim „New Yorker" veröffentlichen, es gibtdabei natürlich auch immer Absagen, aberdas sind für uns nur Verzögerungen; undhernach bieten wir diese Arbeiten dann aufdeutsch gleich als Übersetzungen, erschie-nen im Soundso-Magazin in den USA denentsprechenden Medien an, das hat einenReputations-Effekt, der sich fast immerauszahlt." Ich wollte noch auf mein Kern-Problem bei der ganzen Sache zu sprechenkommen, aber zuvor' mußte ich michgedulden, denn Ruth Halberstam hatte inihrem Büro, das vollgestopft war mit allennur denkbaren Nachschlagewerken, Enzy-klopädien und Kompendien, eine Mitar-beiter-Besprechung anberaumt, an der ichnicht teilnehmen durfte. Ich ging derweilzum Essen in ein indonesisches Restau-rant.

Anschließend, meine Gesprächspartne-rin hatte für uns beide ins BesucherzimmerKaffee kommen lassen, kam ich sofort zurSache: was hat es denn nun mit den Glüh-birnen auf sich? (Meine Glühbirnen-Listehatte ich ihr schon gleich zu Anfang über-geben.) Sie wäre längst nicht vollständig,hatte sie dazu nur gemeint, aber mir trotz-dem anerkennend die Hand getätschelt,woraufhin ich errötet war. Jetzt sagte sie:„An sich ist das Ganze ziemlich läppisch,wie Sie sich vielleicht mittlerweile schongedacht haben. Einer unserer LondonerMitarbeiter, Jack Moore von den 'Video-Heads', der hier lange im AmsterdamerBüro gearbeitet hat, hat mal zusammenmit Dorothy Twithej- eine Zeitlang ver-sucht, mit verschiedenen neuen Medien zuexperimentieren. Das Problem bei uns istja: wo investieren wir unsere Gewinne, alsVerlust-Abschreibungen? Und die beidenwollten dazu so etwas wie eine „StandardFilm" auf die Beine stellen, zusammen miteinigen anderen Leuten, mit Ed Sandersz.B. Aber das Ding ist nie so richtig inGang gekommen. Trotzdem gab es einigeganz schöne Projekte darunter.

S i e kennen ja jetzt die Idee, die hinterunserem 'Standard'-Projekt steht, dieseIdee, die kam bei dem Film-Ding irgend-wie nicht so richtig zum Tragen, da kameneinfach nur ein paar gute oderwenigerguteFilme bei raus, und das war denen offen-

l)crColoncl sit/t wartenduntcreinernackicn Glühbirne. DieBirne empfängt ihre U-uehtkraft von einem weiteren Mann-uhaftMÜenugnil, welcher hinten in Jen Schatten .im und beid-händin an den Kurbeln eine, Zwillingsgencrators pedalt. V\ istEddies Freund, Private Paddy (-Fleetro.) McGoniglc, ein jun-ger Ire aus New Jersey, einer aus jenem Millionen heer von recht-schaffenen und angepaßten städtischen Proleten, die man auslicrn Kino l"*rt;li. uie „tfn tan7.cn. \ine.e«\ uic Wasche vor dieFenster hangen. Sei [.eichenfeiern sich besaufen und sich sorgen

• gesehen hat, da« ihre Kinder auf diesehiefe Bahn Beraten könn-ten, ich weiß nich, Pater, er is ja "n guter Junge, aber icui licht erimmer mit so 'ncr coolen Bande rurn - iede elende Lüge der gan-zen Hollywood-Palette, bis ni und inklusive dem großen Hitdes Jahres, Et michil ein Baum In Brooklyn. Mit seiner Kurbelpraktiziert der junge Paddy hier eine andere Spielart von RddiesTalent, wenn auchals Senderund nicht als Empfänger. Uic Birnescheint zwar gleichförmig zu brennen, iber in Wirklichkeit han-delt es sich natürlich um ein elektrisch« Gcschlottcr. cjne Folgevon Gipfeln und Tälern, deren Frequenz von Padüy« Kurbel-eifer abhängt. Nur weil der Glühdraht in der Birne sieh langsamgenug verdunkelt, um uns das Tal vordem nächsten Gipfel nichtbemerken zu lassen, haben wirden Eindruck von stetiger Helle,wo in Wahrheit eine Kette von unmerklichen Hell/Dunkel-Wechseln an uns vorüberzieht. Normalerweite unmerklich. Die

, Botschaft ist, was Paddy« Teil betrifft, niemals bewufit. Sie seht' von seinen Muskeln, feinem Skelett aus, von iener Schaltung in

DIE GESCHICHTE VON BYRON. Df II BIRNE

Byron hätte ursprünglich von Tungsram in Budapest hergestelltwerden sollen. In diesem Fall wäre er wahrscheinlich dem Ver-treter-As Sandor Rözsavölgyi, dem Viter von Geza, in die Hän-de gefallen, der ganz Transsylvanicn bereiste und dort dermaßenheimisch zu werden begann, daß lieh im Summhau« schon dasvage paranoische Gefühl verbreitete, er konnte sich womöglichmit einem fürchterlichen Zauber an dem ganzen Unternehmenrächen, wenn man ihm nicht jeden Wunsch erfüllte. In Wahrheit,war er ein Vertreter, dessen Wunsch darin bestand, daß seinSohn einmal ein Doktor werden tolltet und so kam's ja auch.Aber es mochte an der ghulengiftigen Aura rings um Budapestgelegen haben, daß die Geburt Byrons im letzten Augenblick anOsram in Berlin zurückzediert wurde. Zuruckzediert, genau.Vorher gibt's nämlich einen Baby-Birncn-Himmel, wie man dasto liebenswert-satirisch untertitelt, ganz als waVt ein StückTraumfabrik oder dergleichen. Big Butinta, ha. ha! Aber laßteuch nicht in die Irre führen von DENEN, es ist in enter Linie eineBürokratie, und Baby-Bimen-Himmel nur als Abfallprodukt.

'Standard'-Urheberschaft, jetzt ist es zueinem Insider-Joke geworden, d.h, da unddort schummelt jemand aus unseren Büroseine Glühbirne in die Texte und ihre bzw.seine Kollegen freuen sich dann, wenn siebei ihrer täglichen Lektüre mal wieder aufeine Glühbirne stoßen. That's all there is toit. Zugegeben, das hat bisweilen auchschon haarsträubende Formen angenom-men und oft genug haben wir diese Glüh-birnen anschließend auch wieder aus denfertigen Texten rausgesehrnissen. i;Es gibtaber doch noch jedd MengfeiaiidtihJijanaleDinge oder Gesten,"-wagte1Mi als-Ein-wand vorzubringen. „Gewiß,*5 murrteRuth Halberstam,,, also, wenn Sie es ganzgenau wissen wollen, dann muß ich jetztnebenan mal eben ein Buch raussuchen, dasteht es mämlich genau drin." Sie ging inihr Büro und kam nach kurzer Zeit miteinem Buch von Ed Sanders wieder. Wäh-rend sie nach einer bestimmten Passagedarin suchte, erzählte sie mir kurz, worumes dabei ging:„ Wir haben ja damals in den 'Dichter-Kreisen im East Village verkehrt,genauso auch Ed Sanders und der hat,Jahre danach, für irgendeine Zeitung maleine Reihe von Artikeln über diese Szene,über diese Anfänge und Hochzeiten derNew-York-Beatniks, geschrieben, ziem-

Neun mal Shakespeare — Zoust-Porträt

Autoren durchzusetzen, der man kollektivselber war. Und dann vor allen Dingen dieakademische Literaturkritik und dieRezensenten, die sich fortgesetzt bemüh-ten, die Arnold-Geschichte anhand derihnen zugänglichen frühkindlichen, High-school- und Militär-Daten des JackArnold zu interpretieren. Trotzdem fiel dieDichter-Gruppe bald auseinander, jederwollte sich eben selbst einen Namenmachen. Als Dichter bekannt wurde vorallen Dingen einer aus der Gruppe: KenPatchen, der in den40er Jahren ein gemein-sam hergestelltes pazifistisches Pamphlet,als Roman „Sleeper*s Awake" veröffent-lichte. Mit seinem eigenen Namen. DiedreiFrauen machten weiter, d.h. genaugenom-men fingen sie jetzt erst richtigan, zu schrei-ben nämlich. Und wieder signierten sie die

— Das Dunford-Porträt

men, Nachrufe, Interviews—ausgedachteund richtige usw. In Deutschland habenwir eine Zeitlang sogar als 'Melder1 gear-beitet, da rief dann beispielsweise jemandmorgens bei den Grenzübergängen zurDDR an, fragte die BRD-Grenzbeamten,wie die Abfertigung der DDR-Grenzbe-hörden vor sich gehe — schleppend oderwie auch immer, wie lang die Auto-schlange sei — und rief dann anschließendbeim Rundfunk, Nachrichten-Redaktionan, gab denen die Information. Wenn diedas dann in den 8-Uhr-Nachrichten, 9-Uhr, 10-Uhr, 11-Uhr und 12-Uhr-Nach-richten brachten, dann gab das jedes Mal30 Mark, also täglich 150 Mark. Und nacheiniger Zeit brauchte man überhaupt nichtmehr an der Grenze anzurufen, sondernkonnte gleich die 'Wahrheit' halluzinieren

— Der Tauchnitz-Edition-Stahlstich

anderer Fall war eine Arbeit für HaraldSzeemann, irgendein Auststellungskata-log für eine Monte-Verita/Ascona-Au-sstellung von dem, auch dabei ist irgendwiegeschlampt worden. So etwas ist natürlichentsetzlich. Pfusch. Und ich erwähne dasauch höchst ungerne, ich muß aber hinzu-fügen, daß das die absoluten Ausnahmensind, von denen es nicht viele gibt. On theother hahd haben wir z.B. weltweit schonmehr als 500 Literaturpreise und sonstigeAuszeichungen, darunter vier Pulitzer-Preise und sechs Concourts bekommen,die wir natürlich nicht besitzen—die befin-den sich alle in den Händen bzw. Vitrinenunserer Auftrageber, die uns aber einengewissen Prozentsatz von dem Geld, dassie mit dem Preis bekommen haben, abge-ben müssen; gleiches trifft für die Neben-

— Das Zucchero-Porträt

sichtlich zu wenig, ich habe mich nie richtigdarum gekümmert. Kurz und gut. Ed San-ders hat wenigstens dabei noch eine kleineBoheme-Idee realisieren können: In jedem'Standard'-Filmprqjekt mußte irgendeinMitwirkender an einer x-beliebigen Stelleirgendetwas mit dem Wort 'Glühbirne'sagen, oder, wenn schon nicht sagen, dannwenigstens eine Glühbirne in eine bzw. auseiner Fassung schrauben. Ed war nämlichaufgefallen, daß eine derartig banale Gesteso gut wie nie in einem Film vorkommtund eine andere banale Geste - Scheißenetwa - das wäre gleich zu einem Markenzei-chen aufgebauscht worden. Stellen Sie sichvor, plötzlich tauchen da und dort Filmeauf, in denen jemand scheißt, das wäredoch aufgefallen. Dieses Glühbirnen-Ding, das war ein winziger Hinweis auf die

— Das Zincke-Porträt

lieh ironisch und eben in demythifizieren-der Absicht, aber natürlich auch, weil erGeld brauchte. Nun gut. Ein Erlebnis vondamals hat ihm wohl besonders gefallen,egal mal ob es wahr war oder nicht, und dashat er dann in einem der Artikel'ausge-walzt. Es geht darin kurz gesagt um folgen-des: Da sitzen also wie üblich diese schondamals angestaunten langhaarigen Dich-ter-Kapazitäten in ihrem Stamm-Cafe, imRienzi, und plötzlich kommt zu dem einenein Mädchen an den Tisch. Zitternd klaubtsie einen Stoß Blätter mit Gedichten ausihrer Tasche und hält sie ihm unter dieNase, fragt ihn, ob er sie nicht mal lesenkönne. Damals waren Frauen als Kolle-ginnen und Kampfgenossinnen ja nochviel weniger von den Männern gelitten alsheute. Und dementsprechend reagierte

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taz 11Inzwischen ist es dunkel geworden. Enzensber-

ger steht aus seinem Sessel auf, um Licht zu ma-chen. Eine der beiden Tischlampen seitwärts desSofas gibt ein klickendes Geräusch von sich undbleibt dunkel. Enzensberger vefSehwindet kurz imFlur und kehrt mit einer neuen Glühbirne zurück,die er einschraubt. Er setzt sich Jetzt auf das Sofa,nimmt die Beine hoch und legt M* auf das Polster..Ich bin skrupellos', sagt er. Mit der Revolte der

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und Buchte im Jchrunic nuch einor Slühblrne» Ich

ob lcli ihr helfen könne und während ich, tuf einem Jtuhl

b.iluncioren>^ die oinu* c*t-i::ii'i •/ iMn^.EastG sie, dn'-l sich

«orada znsi 3'ieto flir der. Abend angemeldet hatten Und sie

deshalb jetzt noch .ünkaufen gehen müsse, für än3 ßemeinetune

i'aoen, Jas tun Anfang Jedes Abends stehe. f;ir fiel ürnst 31ooJ

oim t̂c.J.t dem Wunder fän{!t &llos an', und darüber sinnierend,

ob er damit auch' .Ion ZuaunimenhunK von Appetit und sexuellem

Verlangen ,-omiint hatte, wäre loh beinahe von Stuil gestol-

pert. Jedenfalls fragte Julia, ob ich nicht ein anderes l.'al

kommen wolle, sie wurde sich dann den Abend freihalten und t

wir könnten in Ruhe über alle.s quatschen, .i'ir verphredeten

und als S V J I * » « . . « ' - « " 1 1 " ' ISuns fUr den kommenden Jonntag :

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wir .•iici'-t hierher kanicrt. wolmi.konnie man mir ih* e;m'e M0111^1

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Fotos aus: »Der Shakespeare-Dichter, wer wars undwie sah er aus« von Edwin Bonnann. Leioni 1902Neckermann (mit Bildunterschrift) aus: DER SPIE-GEL, 1/54

auch dieser komische revolutioäre Dich-ter, Levine-d.h. der las erst mal dieseSachen flüchtig durch, mit professoralemGestus und holte dann seinen langen Füll-federhalter raus, mit einem unheilverkün-dendem Blick. Währenddessen wurdediese Szene von einem anderen DichteramNachbartisch beobachtet, von einem Typnamens Barren (auch ein von Ed Sanderserfundener Name!), und der hatte eben-falls einen Füllfederhalter in der Hand undmachte sich Notizen dazu. Es gab damalsünterdiesenDichterneineregelrechte Füll-federhalter-Kultur. Typischerweise hatte "'die junge Dichterin keinen Namen, wahr-scheinlich auch eine frühe Standard-Text-Mitarbeiterin." Ruth Halberstam lachtemeckernd. -„Aber ich les jetzt mal aus demEd Sanders-Artikel die Stelle vor, dannhabenb Sie es genau." Sie begann:« 'Duhast hoffentlich nichts dagegen," war alles,was Levine noch rausbrachte, als er jetztloslegte und in Windeseile verschiedeneskappte, Phrasen und Sätze strich undsogar-Horror aller Dichterhorrors-ganzeZeile umschrieb, kurz ein fürchterlichesChaos veranstaltete. Sie beobachtete ihnruhig und mit bleichem Gesicht. „SiehstDu diese Zeile?" fragte er und drehte dasBlatt ein wenig, damit sie es besser lesen

rief:,. Beweis mir, daß diese Glühbirne exi-stiert. Beweis es!" Barrett war ganz ausdem Häuschen, griff nach seinem Notiz-buch und notierte hastig dieses ungewöhn-liche Perlenpaar.Ich habe null kapiert. Beweis mir, daß dieseGlühbirne existiert.(Rienzi, 1.7.1959)

fhr könnt es nachprüfen, in der Manus-kriptsammiung von Browns Universitäts-bibliothek." Ruth Halberstam klappte dasBuch zu.„Das war also die Glühbirne. Istdoch ne schöne Geschichtet oä*er?"fra*gteSie mich.'Ich Wa'rbÄind^uSkt.daSmußfchschon Sagen. Und einigermaßenzüfrieden-gestellt. „Ed Sanders brütet jetzt übrigensschon wieder über eine neue Boheme-Idee-:'Standard-Pur\ Aber fragen Sie michbitte nicht, was das nun wieder soll, ichhabe nicht die leiseste Ahnung, ich habe esnur neulich von Dorothy gehört." Jetzthatte ich eine Idee: vielleicht soll das denqualitativen Umschlag in der Standard-Produktion einleiten? mutmaßte ich, sollheißen, daß zukünftig mehrund mehr Auf-traggeber darauf bestehen, daß die Textemit 'S.P.\also 'Standard Pur'gekennzeich-net werden, weil Ihnen damit von vornher-ein gleich ein bestimmtes Gütesiegel aufgedrückt wird so wie in der Rennaissance

noch in unseren Büros arbeiten, und dasbeileibe nicht aus finanziellen Gründenund am allerwenigsten picken die sich, wasdie Bearbeitung von Aufträgen angeht-dabei die Rosinen aus den Kuchen. Nein,die bearbeiten genauso die ganze Paletterauf und runter wie die anderen in denjeweiligen Büros auch* jedenfalls so weitwie sie dazu in der Lage sind bzw. es sich2utrauen. Was diese Leute an eineT derarti-gen Produktionsform reizt, daß ist geradedie Anonymität daran. Den übergroßenTeil aller Aufträge erteilen wir uns jaimmer noch selber und das soll auch sobleiben, d.h. wir überlegen uns irgendeineText-Idee, die wir dann unter Pseudonymirgendwohin lancieren, bzw. unter einemreal existierenden Namen, der davon vor-her in Kenntnis gesetzt wird, da wird einVertrag gemacht und derjenige bekommtdann das Honorar dafür, wovon wir wie-der einen bestimmten Prozentsatz kassie-ren. Unsere Medienkontakte, unser

1 Medienüberblick, das ist es wohl, wasdiesehochkarätigen Schreiber zur Mitarbeit ver-anlaßt und dann kommt natürlich und dasist wirklich gut, mehr und mehr bei solchenLeuten die Idee dazu: ich will jetzt maleinen Text in Umlauf schicken, in denMedienbetrieb einfuttern und mal sehen,was der so bewirkt, als Text, ohne meinenbereits soundso eingeführten Namen."

„Was sind das denn für Namen?" hierhakte ich nach und wollte wissen, welchebekannteren Autoren Mitarbeiter derStandard-Text wären. „Das muß nichtunbedingt ein Geheimnis bleiben," entgeg-nete Ruth Halberstam gleichmütig,, aberich kenne längst nicht alle und außerdemgibt es doch natürlich auch viele Mitarbei-ter, die neben ihrer Arbeit im Büro, nachFeierabend gewissermaßen, noch für sichauch arbeiten. Dabei passiert es immerwieder, daß jemand unter seinem Namenwissenschaftliche Studien publiziert, mei-netwegen in einer Kontroverse über Kern-energie, oder Astrophysik oder zur Entzif-ferung babylonischer Keilschriften enga-giert ist, Partei ergreift, wie man sosagt undim Standard-Büro schreibt er dann dieentsprechenden Studien oder Artikel sei-nes wissenschaftlichen Kontrahenten inder Sache, die seines Gegners also, alsAuftragsarbeit. Und dazu ist der dann

,, auch bestens geeignet, möchte ich meinen..„Mindestens genausooft passiert es auch,,n daß jemand beauftragt wird, seine eigenen

. Bücher zu rezensieren und glauben Sienicht, daß deretwa keinen Verriß zu schrei-ben vermag, etwa zimperlich mit sichumgehen würde, eher ist das Gegenteil derFall. Namen, ja Namen kann ich Ihnennatürlich da schon nennen : Im PariserBüro sind das z. B. einige Leute von derZeitschrift 'Critique' u.a. Michel Foucaultund Michel Serres, beide aus unterschiedli-chen Gründen. Letzterer kennt viele Philo-sophie-Professoren mit einer-in Paris gera-dezu als Seuche zu bezeichnenden -Angstvor weißem Papier' und weil erderen Über-legungen und Ideen nicht alle unter seinemeigenen Namen verbraten will, deswegenproduziert er gelegentlich -anonym- für

kraten, und oft gerade in Deutschland,aber auch in Holland ist das schon vorge-kommen. Aber im Grunde genommen istdie Zusammenarbeit mit solchen Leutenunbefriedigend, das hat sich irgendwie soeingeschlichen und wir wollen das auchwieder abstellen. Sehr schön war dagegendie mehrmalige Zusammenarbeit mitJorge Luis Borges, das ist schon eine Weileher, das war ein Austausch zwischen demund unserem Büro in New York. Der istschon seit vielen Jahren blind, müssen siewissen, und als sich das noch nicht herum-gesprochen hatte, da bekam der immerwieder Anfragen von Redaktionen undVerlagen, hochdotiere Angebote, er sollefür die was schreiben, irgendwas. Dazuhatte der aber überhaupt keine Lust, warwohl auch nicht mehr so in der Lage dazu,obwohl er das Zeugs natürlich hätte diktie-ren können, der hat doch alles Zitierwür-dige an der abendländischen Kultur imKopf. Jedenfalls, er hat dann unseremNew Yorker Büro, wo eine junge jüdischeJournalistin arbeitet, die mit ihm befreun-det ist, der hat er angeboten, das Zeugsdoch für ihn zu schreiben, und die habendann auch das volle Honorar von ihmbekommen, aber sie haben dann dafür, imAustausch, für ihn was geschrieben, klei-nere Sachen, die erdann in seine gesammel-ten Werke mit aufgenommen hat. Das istdoch toll, oder? Aber das Tollste daran ist,daß darunter auch eine Kurzgeschichtevon Gombrowicz ist, der für einige Zeitmal in unserem Berliner Büro gearbeitethat. -Da ist übrigens - umgekehrt - jetztauch mal was nicht so Tolles passiert. ImBerliner Büro gab es einen Mitarbeiter -Kurt Bartsch, der hat jetzt unter seinemNamen ein Buch veröffentlicht - mit allenmehr oder weniger gelungenen Stil-Plagia-ten, die die sich da so in den letzten Jahrenerarbeitet hatten. Daß er eitel genug war,das zu tun, ist mir ehrlich gesagt scheißegal,aber er hat damit ein interessantes Projektdes Berliner Büros torpediert: Die „PierreMenard*-Arbeit. Dieser inzwischen ver-storbene Schriftsteller aus Nimes hat Zeitseines Lebens am 'Don Quijote'gearbeitet,und zwar wollte er nicht einen anderen'Quijote' verfassen - was leicht ist -, son-dern den Quijote. Dabei hatte er keinemechanische Übertragung des Originalsins Auge gefaßt; es ging ihm nicht um einebloße Kopie. Sein bewundernswerter Ehr-geiz war vielmehr darauf gerichtet, einpaar Seiten hervorzubringen, die - Wortfür Wort und Zeile für Zeile - mit denenvon Miguel de Servantes übereinstimmensollten. Und das ist ihm, abgesehen voneinpaar kleinen Fehlern auch gelungen. Dieseseine Arbeit zu vollenden sowie einigeandere ähnlich gelagerte in Angriff zu neh-men, das war das 'Pierre Menard'-Projektim Berliner Büro. Und daraus hat dieserTrottel Bartsch nun so etwas Lächerlichesgemacht. Na gut. Schwamm drüber.

« a c h dieser Geschichte hatte Ruth Halb-erstam das Gefühl, mir genug über ihreFilme erzählt zu haben. Mit einemSchwung trank sie den letzten Rest ihres

— Flüchtimgsfrauen machen sich schön:Neckermann

konnte. „Ich habe nichts kapiert," zitierteer. „Also, statt nichts, schreibe ich gewöhn-lich null oder zero, verstehst Du? Weil,nichts ist so, äh, so unauffällig, aber nullist...klingt mehr wie, na ja, eben so, wie einDichter sich ausdrücken würde!" Sieschien da gar nicht so sicher. Ihre Unter-lippe kräuselte sich zitternd. Und wennman sah, wie Levine die Blätter achtlos inder Hand zerknüllte, wußte man haarge-nau, daß er sie keineswegs für eine Dichte-rin hielt, „ich hab null kapiert," las erzufrieden und kritzelte die neue Versionauf das Papier. Im selben Moment, alsLevine diesen Satz laut vorlas, beugte sichhinter ihm an einem anderen Tisch ein Typmit einem abgetragenen roten Filzhut überdas Gesicht seiner Begleiterin, hielt ihreineordinäre GlUbirne unter die Nase und

— Das Gilliland-Porträt

bei bestimmten Handwerkstätten oderspäter dann im Schreibbüro von DumasPere...Ruth Halberstam unterbrachmich:„ Das wäre das Aus fürden Standard--Text S.A....Idiotisch-, entschuldigen Sie,aber so etwas hat Ed Sanders bestimmtnicht im Kopf, das hat der schon währendseiner Beatnik-Ära ad aeta gelegt...Trotz-dem, Sie wären da beinahe auf einen Punktzu sprechen gekommen, auf eine Entwick-lung in unserem Projekt, in unseren Büros,die wir noch gar nicht abschätzen können,die aber wohl eher in ejne genau entgegen-gesetzte Richtung geht als die eben vonIhnen angetippte. In den letzten Jahrenhaben mehr und mehr hochkarätigeSchreiber uns ihre Mitareit angeboten, ichmeine damit: wirklich etablierte Autoren,teilweise Lehrstuhlinhaber, die nebenher

— Das Stratford-Ponrät

uns.

» a r m e s hat oft für uns gearbeitet, aberdieser Alltags-Mythologe ist dann ausge-rechnet von einem Gemüsewagen überfah-ren worden! FÜrdieStandardTextS.A.zuarbeiten, war für ihn wichtig wegen seinerSemiologie, genauer gesagt: seiner Arthro-logie. Dann könnte man noch Eric Amblererwähnen. Vor einiger Zeit hat auch RegisDebray ein paar Mal was gemacht. Beidem hatte das aber nun wiedergan? andereGründe - politische, wenn man so will. Derhat über unser Büro nur die Sachen vomStapel gelassen, die er woanders - unterseinem Namen - nicht unterbringenkonnte, aus Ängstlichkeit wohl. Das pas-siert natürlich auch öfter mal, meistenssind es Kommunisten oder Sozialdemo-

—. Das Ely-Haus-Porträt

mittlerweile kalt gewordenen Kaffees aus.Dann wies sie mir mit meinem Tonband-Gerät einen gerade freien Schreibtisch inder Buchhaltung zu,two ich begann, dieganzen Gespräche abzutippen und zusam-menzufassen. Zwei Tage brauchte ichdafür. Anschließend-mußte ich ihr denfertigen Text für weitere zwei Tage überlas-sen - zur Überprüfung. Dann konnte ichdamit nach Hause gehen, das heißt zurücknach Deutschland fahren. Mit dem Kul-tur-Redakteur der taz hätte ich vereinbart,ihm das Material zu schicken, was ich dannauch tat. Von ihm bekam ich dafür - inretour - einen Brief von der „Standard-Text S.A.-Büro Berlin", den er an michweiterleiten sollte. Darin stand, ob ich

. nicht Lust hätte, für sie gelegentlich zuarbeiten.

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