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Chemiewirtschaft Die Chemie ist zurück Maren Bulmahn Viele Unternehmen bauten im letzten Jahr neue Anlagen, denn die alten waren oft fast vollständig ausgelastet. Im Produktportfolio gab es ebenso Änderungen wie beim Personal auf höchster Ebene und mancher meldete Rekordergebnisse. Für die Chemieindustrie war schon das Jahr 2010 ein Jahr der Chemie: Die fünf größten deutschen Unternehmen schlossen nicht nur besser ab als im Jahr 2009, sondern auch besser als im Jahr 2008 (Tabel- len 1 und 2, S. 534). Dabei erhöhten sie leicht die investierte Geldmenge, sei es in Sachanlagen oder bei For- schung und Entwicklung; die Zahl der Mitarbeiter änderte sich ebenso, aber nicht bei allen einheitlich. Investieren wollen in den nächs- ten Jahren alle Unternehmen mehr, glaubt man den Prognosen während der Bilanzkonferenzen. Da waren auch alle Konzerne davon über- zeugt, dass ihre Umsätze weiter stei- gen werden. Über das vergangene Jahr konnte kaum ein Unternehmen jammern: Stiegen die Rohstoffpreise, erhöhten sie die Verkaufspreise, sanken die Umsätze in Nordamerika, nahmen sie in Asien zu und wenn orale Ver- hütungsmittel nicht so gut liefen, sorgten Krebsmedikamente für stei- genden Umsatz. Dies und mehr un- termauern Details zu den einzelnen Unternehmenssparten. Euroanga- ben beziehen sich dabei auf die je- weiligen Umsätze, wenn nicht an- ders angegeben. BASF mit Ciba und Cognis Im letzten Jahr integrierte BASF die im Jahr 2008 gekauften Ciba- Spezialchemieaktivitäten vollstän- dig, erwarb den Spezialchemiekon- zern Cognis und verband das Styrol- geschäft mit Ineos, Lyndhurst/Groß- britannien, im Gemeinschaftsunter- nehmen Styrolution. Beispiele für Sachinvestitionen im Jahr 2010 sind der Ausbau des Standorts in Nan- jing/China und Anlagen für Spezial- chemikalien in Malaysia. Die gestie- genen Rohstoffkosten gab das Unter- nehmen größtenteils weiter: Um durchschnittlich 8 % nahmen die Verkaufspreise im letzten Jahr zu. Die BASF-Aktie stieg im Jahresver- lauf um über 37 % auf ein bisheriges Allzeithoch von 61,73 Euro, die Divi- dende um 50 Cent auf 2,20 Euro. Da- raus folgten hohe Rückstellungen für das Long-Term-Incentive-Programm, das die Bezüge von oberen Führungs- kräften mit der Aktie verknüpft. Ins- gesamt 50 Mio. Euro sollen zudem an alle 109 000 Mitarbeiter gehen, als Dank für die Krisenbewältigung der letzten Jahre. Fünf der sieben BASF-Segmente liefern jeweils knapp 20 % des gesam- ten Umsatzes. Dazu gehören Che- mikalien mit 11,4 Mrd. Euro im Jahr 2010, gut 50 % mehr als im Jahr zu- vor. Bei einigen der Petrochemika- lien, Anorganika und Zwischenpro- dukte war das Angebot knapp, gestie- gene Rohstoffkosten wurden über die Verkaufspreise weitergegeben. Das Kunststoff-Segment lag mit 9,8 Mrd. Euro um fast 40 % über Vor- jahr, denn der Hauptkunde, die Auto- mobilindustrie, erholte sich. Wäh- rend die Preise bei Polyurethanen sta- gnierten, stiegen sie bei Polyamiden und Schaumstoffen vor allem infolge höherer Rohstoffkosten. Das Segment Performance Pro- ducts profitierte nicht nur von der Ci- ba-Integration, sondern auch von der wirtschaftlichen Erholung: Nachfrage und Umsatz nahmen zu, sowohl bei Spezialitäten für Gesundheit und Kosmetik als auch bei Standards wie Dispersionen und Pigmenten. Denn besonders im ersten Halbjahr füll- ten die Kunden ihre Lager auf. Der Umsatz stieg auf 12,3 Mrd. Euro (+ 31 %). Katalysatoren, Bauchemikalien und Beschichtungen (Functional So- lutions) erreichten mengen- und Jürgen Hambrecht, der scheidende BASF-Vorstandsvorsitzende (rechts), und der kommende: Kurt Bock, noch Finanzvorstand. Hambrecht sagt: „Wir haben 2010 bei Umsatz und Ergebnis Spitzenwerte erzielt.“ (Foto: BASF) 532 Nachrichten aus der Chemie | 59 | Mai 2011 | www.gdch.de/nachrichten

Die Chemie ist zurück

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Page 1: Die Chemie ist zurück

�Chemiewirtschaft�

Die Chemie ist zurück

Maren Bulmahn

Viele Unternehmen bauten im letzten Jahr neue Anlagen, denn die alten waren oft fast vollständig

ausgelastet. Im Produktportfolio gab es ebenso Änderungen wie beim Personal auf höchster Ebene

und mancher meldete Rekordergebnisse.

� Für die Chemieindustrie war schon das Jahr 2010 ein Jahr der Chemie: Die fünf größten deutschen Unternehmen schlossen nicht nur besser ab als im Jahr 2009, sondern auch besser als im Jahr 2008 (Tabel-len 1 und 2, S. 534). Dabei erhöhten sie leicht die investierte Geldmenge, sei es in Sachanlagen oder bei For-schung und Entwicklung; die Zahl der Mitarbeiter änderte sich ebenso, aber nicht bei allen einheitlich.

Investieren wollen in den nächs-ten Jahren alle Unternehmen mehr, glaubt man den Prognosen während der Bilanzkonferenzen. Da waren auch alle Konzerne davon über-

zeugt, dass ihre Umsätze weiter stei-gen werden.

Über das vergangene Jahr konnte kaum ein Unternehmen jammern: Stiegen die Rohstoffpreise, erhöhten sie die Verkaufspreise, sanken die Umsätze in Nordamerika, nahmen sie in Asien zu und wenn orale Ver-hütungsmittel nicht so gut liefen, sorgten Krebsmedikamente für stei-genden Umsatz. Dies und mehr un-termauern Details zu den einzelnen Unternehmenssparten. Euroanga-ben beziehen sich dabei auf die je-weiligen Umsätze, wenn nicht an-ders angegeben.

BASF mit Ciba und Cognis

� Im letzten Jahr integrierte BASF die im Jahr 2008 gekauften Ciba-Spezialchemieaktivitäten vollstän-dig, erwarb den Spezialchemiekon-zern Cognis und verband das Styrol-geschäft mit Ineos, Lyndhurst/Groß-britannien, im Gemeinschaftsunter-nehmen Styrolution. Beispiele für Sachinvestitionen im Jahr 2010 sind der Ausbau des Standorts in Nan-jing/China und Anlagen für Spezial-chemikalien in Malaysia. Die gestie-genen Rohstoffkosten gab das Unter-nehmen größtenteils weiter: Um durchschnittlich 8 % nahmen die Verkaufspreise im letzten Jahr zu.

Die BASF-Aktie stieg im Jahresver-lauf um über 37 % auf ein bisheriges Allzeithoch von 61,73 Euro, die Divi-dende um 50 Cent auf 2,20 Euro. Da-raus folgten hohe Rückstellungen für

das Long-Term-Incentive-Programm, das die Bezüge von oberen Führungs-kräften mit der Aktie verknüpft. Ins-gesamt 50 Mio. Euro sollen zudem an alle 109 000 Mitarbeiter gehen, als Dank für die Krisenbewältigung der letzten Jahre.

Fünf der sieben BASF-Segmente liefern jeweils knapp 20 % des gesam-ten Umsatzes. Dazu gehören Che-mikalien mit 11,4 Mrd. Euro im Jahr 2010, gut 50 % mehr als im Jahr zu-vor. Bei einigen der Petrochemika-lien, Anorganika und Zwischenpro-dukte war das Angebot knapp, gestie-gene Rohstoffkosten wurden über die Verkaufspreise weitergegeben.

Das Kunststoff-Segment lag mit 9,8 Mrd. Euro um fast 40 % über Vor-jahr, denn der Hauptkunde, die Auto-mobilindustrie, erholte sich. Wäh-rend die Preise bei Polyurethanen sta-gnierten, stiegen sie bei Polyamiden und Schaumstoffen vor allem infolge höherer Rohstoffkosten.

Das Segment Performance Pro-ducts profitierte nicht nur von der Ci-ba-Integration, sondern auch von der wirtschaftlichen Erholung: Nachfrage und Umsatz nahmen zu, sowohl bei Spezialitäten für Gesundheit und Kosmetik als auch bei Standards wie Dispersionen und Pigmenten. Denn besonders im ersten Halbjahr füll-ten die Kunden ihre Lager auf. Der Umsatz stieg auf 12,3 Mrd. Euro (+ 31 %).

Katalysatoren, Bauchemikalien und Beschichtungen (Functional So-lutions) erreichten mengen- und

Jürgen Hambrecht, der scheidende BASF-Vorstandsvorsitzende

(rechts), und der kommende: Kurt Bock, noch Finanzvorstand.

Hambrecht sagt: „Wir haben 2010 bei Umsatz und Ergebnis

Spitzenwerte erzielt.“ (Foto: BASF)

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Nachrichten aus der Chemie | 59 | Mai 2011 | www.gdch.de/nachrichten

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Kenndaten großer deutscher Chemieunternehmen im Jahr 2010. Veränderungen zum Vorjahr in Prozent in Klammern. aEbit: Ergebnis vor Zinsen und Steuern. bEbitda-Marge: Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda)/Umsatz. cUmsatzrendite (return on sales, ROS): Ebit/Umsatz. dJahresdurchschnitt.

preisbedingt mit 9,7 Mrd. Euro 36 % mehr als im Jahr zuvor. Daran hatte die Bauchemie den geringsten Anteil.

Das Segment Öl und Gas erzielte mit 10,8 Mrd. Euro etwa 5 % weni-ger als im Vorjahr. Dabei glichen hö-here Rohölpreise und ein stärkerer US-Dollar die geringeren verkauften Mengen aus. Beim Gas nahm zwar der Absatz zu, aber niedrigere Preise verringerten den Umsatz.

Unter 10 % zum Gesamtumsatz trug das Pflanzenschutz-Segment bei. Es lieferte mit 4,0 Mrd. Euro 10 % mehr als im Jahr zuvor. Zwar verkaufte das Unternehmen mehr Insektizide, Herbizide und Fungizi-de, aber deren Preise sanken.

In Europa erhöhte sich der ge-samte Umsatz mit 35,2 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr um 16 %. Das Chemiegeschäft stieg hier um 32 % und übertraf mit 19,4 Mrd. Eu-ro das Vorkrisenniveau. In Nord-amerika erzielte BASF 41 % mehr (13,2 Mrd. Euro). In der Region Asien, Pazifischer Raum erhöhte sich der Umsatz um 46 % auf 11,6 Mrd. Euro. In Südamerika, Afrika, Naher Osten stieg er um 31 % auf 3,8 Mrd. Euro.

Bayer mit neuem Vorsitzenden

� Die Abschreibung des Namens „Schering“ machte mehr als die Hälfte der Sondereinflüsse von 1,7 Mrd. Euro aus, die das Ergebnis des Bayer-Konzerns im Geschäfts-jahr 2010 belasteten. Rechtsfälle schlugen mit 703 Mio. Euro zu Bu-

che, darunter 526 Mio. Euro für Ver-fahren wegen gentechnisch ver-änderter Reispflanzen in den USA.

Im Gesundheitsgeschäft erhöhte sich der Umsatz im Jahr 2010 ins-gesamt um 6 % auf 16,9 Mrd. Euro. Er stieg bei verschreibungspflichti-gen Medikamenten um 4 % auf 10,9 Mrd. Euro. Dabei wuchs das Geschäft in den Regionen Asien/Pa-zifik und Lateinamerika/Afrika/Nah-ost, in Nordamerika hingegen ging es zurück. Das Blutermedikament Kogenate und das Krebsmedikament Nexavar erhöhten den Umsatz, die

Verhütungsmittel der Yaz-Familie und das Multiple-Sklerose-Medika-ment Betaferon/Betaseron ver-schlechterten ihn. Die rezeptfreien Produkte stiegen um 8,8 % auf 6,0 Mrd. Euro. Dazu trug besonders Nordamerika bei. Im Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln führten das Schmerzmittel Aleve und die Hautpflegemittel Bepanthen/Bepant-hol. Im Diabetes-Markt in den USA ging der Umsatz sowohl preis- als auch mengenbedingt zurück. Die Division Tiergesundheit erhöhte den Umsatz dagegen in den USA, beson-ders mit Floh-, Zecken- und Ent-wurmungsmitteln.

Beim Segment Cropscience lag der Umsatz lag im Jahr 2010 mit 6,8 Mrd. Euro zwar um 5 % über dem des Vorjahres, währungs- und portfoliobereinigt ging er jedoch um 1,3 % zurück. Der Pflanzenschutz (Crop Protection) erreichte 5,5 Mrd. Euro (– 5 %). Zuwächse gab es nur in Lateinamerika/Afrika/Nahost. Schädlings- und Unkrautbekämp-fungsmittel sowie Saatgut und Pflan-zeneigenschaften stiegen um 23,1 % auf 1,3 Mrd. Euro.

Das Segment Materialscience war im letzten Jahr durch die konjunktu-relle Erholung nach der Wirtschafts- und Finanzkrise geprägt: Der Um-satz erhöhte sich um 35,0 % auf 10,2 Mrd. Euro. Fast ein Drittel mehr Polyurethane verkaufte das Unternehmen, vor allem in Europa und Asien/Pazifik. Der Umsatz mit Polycarbonat stieg um gut 40 %, die Granulate hatten den größten Anteil

Bilanz 2010 BASF Bayer Henkel Evonik Industries Merck

Umsatz [Mrd. Euro] 63,9 (+ 26) 35,1 (+ 13) 15,1 (+ 11) 13,3 (+ 27) 8,9 (+ 21)

Ebita [Mrd. Euro] 7,8 (+ 111) 2,7 (– 9) 1,7 (+ 60) 1,6 (+ 78) 1,1 (+ 79)

Ergebnis vor Steuern [Mrd. Euro] 7,4 (+140) 1,7 (– 8) 1,6 (+ 75) 1,0 (+ 416) 0,9 (+ 77)

Ergebnis nach Steuern [Mrd. Euro] 4,6 (+ 223) 1,3 (– 4) 1,1 (+ 86) 0,8 (+ 154) 0,6 (+ 70)

Sachinvestitionen [Mrd. Euro] 2,6 (+ 1) 1,6 (– 3) 0,2 (– 30) 0,7 (+ 15) 0,4 (– 15)

F+E-Aufwand [Mrd. Euro] 1,5 (+ 7) 3,1 (+ 11) 0,4 (– 1) 0,3 (+ 13) 1,4 (+ 4)

F+E-Quote [% vom Umsatz] 2,3 8,8 2,7 2,5 15,6

Umsatz pro Beschäftigte [Mio. Euro] 0,6 (+ 20) 0,3 ( 0) 0,3 ( 0) 0,4 (+ 75) 0,2 (±0)

Ebitda-Margeb [%] 17,4 17,9 17,8

Umsatzrenditec ROS [%] 12,2 7,7 11,4 12,0

Ergebnis je Aktie [Euro] 4,96 (+ 223) 4,19 (+ 15) 1,91 (– 13) 2,91 (+ 73)

Beschäftigte (31.12.2010) 109 140 (+ 4) 111 400 (+ 0,4) 48 141 (– 6)d 34 407 (+ 1) 40 562 (+ 23)

Für Marijn Dekkers, den Bayer-Vorstandsvor-

sitzenden seit Oktober 2010, war 2010 ins-

gesamt ein gutes Jahr: „Mit 35,1 Milliarden

Euro Umsatz verzeichneten wir den höchs-

ten Wert der Unternehmensgeschichte.“

(Foto: Bayer)

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Chemiewirtschaft �Blickpunkt� 533

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daran. Das Geschäft mit Rohstoffen für Lacke, Klebstoffe und Spezialitä-ten lag etwa ein Drittel über Vorjahr.

Vom Geschäftserfolg sollen so-wohl die Aktionäre als auch die Mit-arbeiter profitieren: Die Dividende soll je Aktie von 1,40 Euro auf 1,50 Euro steigen. Für die 111 000 Beschäftigten sind im Rahmen des Incentivierungsprogramms über ei-ne halbe Milliarde Euro vorgesehen.

Henkel mit neuen Konzepten

� Der Umsatz der Henkel-Klebstof-fe (Adhesive Technologies) macht fast 50 % des Gesamtumsatzes aus und stieg im Jahr 2010 um 17 % auf 7,3 Mrd. Euro. In den Märkten Ost-europa, Afrika/Nahost, Lateiname-rika und Asien (ohne Japan), spe-ziell in der Region Asien/Pazifik, er-höhte sich der Umsatz stärker als in den Märkten Westeuropa und Nord-amerika, in denen er im Vorjahr zu-rückgegangen war. Klebstoffe für Konsumenten und Handwerker stie-gen um 8 % auf 1,9 Mrd. Euro, In-dustrieklebstoffe um 21 % auf 5,4 Mrd. Euro.

Der Unternehmensbereich Wasch-/Reinigungsmittel steigerte den Um-satz um fast 5 % auf 4,3 Mrd. Euro, er wuchs um 2 % mehr als der leicht rückläufige Markt. Der Wettbewerb führte zwar zu sinkenden Preisen, aber größere verkaufte Mengen überkompensierten dies. Regional betrachtet lag der Schwerpunkt des Umsatzwachstums in Europa und Afrika/Nahost. Bei den Waschmit-teln wuchsen Universalwaschmittel und Weichspüler am stärksten. Das Umsatzwachstum des Geschäfts-bereichs Reinigungsmittel trugen weiterhin vor allem Geschirrspül-mittel und WC-Produkte.

Der Umsatz des Unternehmens-bereichs Kosmetik/Körperpflege

stieg um 9 % auf 3,3 Mrd. Euro und damit 5 % stärker als der Markt. Aus regionaler Sicht wuchs das Geschäft vor allem in Westeuropa, war in Nordamerika dagegen rückläufig. Bezogen auf die Marktsegmente wuchs der Bereich Haarkosmetik be-sonders stark.

Der gesamte Umsatz stieg in der Region Westeuropa um 4 % auf 5,5 Mrd. Euro, die Region Osteuropa erhöhte sich um 14 % auf 2,6 Mrd. Euro. Die Region Afrika/Nahost wies ein Umsatzwachstum von 19 % auf 0,9 Mrd. Euro auf. Nordamerika wuchs um 7 % auf 2,7 Mrd. Euro. Die Region Lateinamerika legte um 19 % auf fast 1 Mrd. Euro und in Asien/Pazifik zeigte sich der Auf-wärtstrend mit einem Umsatzwachs-tum von 31 % auf 2,2 Mrd. Euro am deutlichsten. Dabei wuchsen die Unternehmensbereiche Kosmetik/Körperpflege und Adhesive Tech-nologies zweistellig. In den Wachs-tumsregionen wie Osteuropa und Asien stieg der Umsatz um 20 % auf 6,1 Mrd. Euro. Damit erhöhte sich ihr Anteil von 38 % auf 41 %.

Vorstand, Aufsichtsrat und Ge-sellschafterausschuss schlagen der

Hauptversammlung eine um 36 % erhöhte Dividende je Vorzugsaktie von 0,72 Euro vor. An Bonuszahlun-gen für die 48 000 Beschäftigten sind 80 Mio. Euro geplant, wenn Henkel für das Jahr 2012 eine Rendite von 14 % erreicht.

Evonik ohne Energieaktivitäten

� Im Kerngeschäft Chemie erzielte Evonik mit 12,8 Mrd. Euro und fast 30 % mehr als im Vorjahr das bisher beste Ergebnis. Das Unternehmen konzentriert sich seit Ende des Jah-res 2010 auf die Spezialchemie.

Nach einer Belebung des Chemie-geschäfts im zweiten Halbjahr 2009 setzte sich diese Entwicklung im ge-samten Jahr 2010 fort; insbesondere die Nachfrage aus Asien und Europa wuchs. 26 % des Umsatzes von Evo-nik entstehen in Deutschland, 28 % im übrigen Europa, 20 % in Asien, 19 % in Nordamerika, 5 % in Mittel-und Südamerika und 2 % anderswo.

Das Rating durch die Agenturen Standard & Poor's und Moody's im Herbst 2010 verbesserte Evoniks Zugang zum Kapitalmarkt. Das Ra-ting zum Jahresende 2010 (Standard

Im März 2010 öffnete Wash & Coffee, der erste Waschsalon mit integriertem Café von

Henkel und Bosch. (Foto: Henkel)

Kenndaten großer deutscher Chemieunternehmen im Dreijahresvergleich.

BASF Bayer Henkel Evonik Industries Merck

Jahr 2008 2009 2010 2008 2009 2010 2008 2009 2010 2008 2009 2010 2008 2009 2010

Umsatz [Mrd. Euro] 62,3 50,7 63,9 32,9 31,2 35,1 14,1 13,6 15,1 11,5 10,0 13,3 7,6 7,4 8,9

Sachinvestitionen [Mrd. Euro] 2,5 2,5 2,6 2,0 1,7 1,6 0,5 0,3 0,2 1,2 0,6 0,7 0,4 0,5 0,4

F+E-Aufwand [Mrd. Euro] 1,4 1,4 1,5 2,7 2,8 3,1 0,4 0,4 0,4 0,3 0,3 0,3 1,2 1,3 1,4

Beschäftigte [in Tausend] 97 105 109 109 108 111 56 51 48 32 30 34 33 33 41

Nachrichten aus der Chemie | 59 | Mai 2011 | www.gdch.de/nachrichten

�Blickpunkt� Chemiewirtschaft 534

Page 4: Die Chemie ist zurück

Marketing- und Vertriebskosten stie-gen um 20 %. Der Anstieg der Verwal-tungskosten um 12 % beruhte eben-falls auf den Millipore-Gesellschaften.

Sondermaßnahmen beliefen sich im Jahr 2010 auf – 0,8 Mio. Euro: Einerseits ergab sich aus dem Ver-kauf des in Monaco ansässigen Pharmaunternehmens Théramex ein Gewinn in Höhe von 69 Mio. Euro. Andererseits resultierten aus einer Vergleichszahlung Aufwen-dungen von 67 Mio. Euro aus dem Rechtsrisiko für die frühere, ame-rikanische Tochtergesellschaft Dey. Außerdem erfolgte eine Vergleichs-zahlung dafür, bestimmte Preis-informationen falsch berichtet zu haben.

Die Sparte Merck Serono erhöhte den Umsatz um 8,3 % auf 5,4 Mrd. Euro. Erneut beruhte das Wachs-tum vor allem auf den Biopharma-zeutika: Rebif bei multipler Sklero-se, das Krebstherapeutikum Erbi-tux, Gonal-f zur Behandlung der Unfruchtbarkeit bei Frauen, das re-kombinante menschliche Wachs-tumshormon Saizen, Serostim bei Aids-bedingten Stoffwechselstörun-gen, die umsatzstärksten, erzielten 3,3 Mrd. Euro, was 61 % der Spar-tenumsätze entspricht. Als Arznei-mittel für die Allgemeinmedizin lie-ferten die Concor-Herzmedikamen-te 373 Mio. Euro (–5,3 %), die Glu-cophage-Diabetesmittel 316 Mio. Euro (+8,4 %) und Schilddrüsen-präparate wie Euthyrox 170 Mio. Euro (+ 7,6 %).

Bei der Selbstmedikation (Consu-mer Health Care) stieg der Umsatz im Jahr 2010 um 1,1 % auf 472 Mio. Euro. Die Strategie der Sparte setzt auf starke Marken und regionale Ex-pansion. In China führte Merck Re-strukturierungsmaßnahmen durch, denn die Sparte expandierte dort au-ßerhalb der vier wichtigsten Städte zu schnell. So ergaben sich große La-gerbestände, vor allem mit dem Vita-minergänzungspräparat Diabion. Zusätzlich belasteten außerordentli-che Abschreibungen in Mexiko das operative Ergebnis. Außerdem ver-zeichnete Merck Verluste aus einem Lagerbrand in Großbritannien.

Merck Millipore, eine Kombinati-on der akquirierten Millipore mit ei-nem Großteil der ehemaligen Merck-Sparte Performance & Life Science Chemicals, erzielte mit 1,7 Mrd. Euro 80 % mehr als im Jahr zuvor.

Performance Materials setzt sich aus Flüssigkristallen, Pigmenten und dem Kosmetikgeschäft zusam-men. Die Produktionskapazitäten sowohl bei den Flüssigkristallen als auch bei den Pigmenten waren aus-gelastet und spiegelten die Erholung vom Abschwung im Jahr 2009 wi-der. Die Umsätze der Sparte stiegen um 38 % auf 1,4 Mrd. Euro.

Im September wurde das Che-mie-Forschungszentrum am Stand-ort Darmstadt eingeweiht, mit 50 Mio. Euro die größte Einzel-investition der Forschung und Ent-wicklung im Unternehmensbereich Chemie.

& Poor's: BB+, positiver Ausblick; Moody's: Ba1, positiver Ausblick) spiegelt die Ausrichtung des Kon-zerns auf die Spezialchemie und den Verkauf der Energieaktivitäten. Es befindet sich knapp unterhalb der Einstufung „Investment Grade“.

Als Reaktion auf die Wirtschaftskri-se hatte Evonik Anfang 2009 das Effi-zienzsteigerungsprogramm On Track gestartet. Ziel sind Einsparungen in Höhe von 500 Mio. Euro jährlich ab dem Jahr 2012. Mit fast 400 Mio. Euro waren zum Jahresende bereits über drei Viertel davon erreicht.

Im Jahr 2010 flossen etwa 60 % der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in neue Produkte und Technologieplattformen: Im Oktober 2010 startete Evonik die Vorbereitungen für ein neues Pro-jekthaus in Taiwan: Das „Advanced Project House Light & Electronics“ fokussiert die optoelektronische In-dustrie. Das Projekthaus ist Evoniks erstes außerhalb Deutschlands. Pro-jekthäuser zählen zur strategischen Forschung; aus dieser erwartet Evo-nik ab dem Jahr 2015 einen zusätzli-chen Umsatz von jährlich 600 Mio. Euro.

Merck mit Millipore

� Der Umsatz von Merck errreichte im Jahr 2010 ein um 20 % höheres Ni-veau als im Jahr zuvor. Dies lag an Ak-quisitionen, vor allem am Zukauf von Millipore. Die Herstellungskosten er-höhten sich dadurch um 18 %, die

Für Klaus Engel (Mitte), Vorsitzender des Vorstands von Evonik Industries ist die Neuausrichtung

fast abgeschlossen: „Evonik steht künftig für weltweit führende Spezialchemie.“ (Foto: Evonik)

Das neue Merck-Forschungszentrum in Darmstadt, besteht aus zwei

Laborgebäuden und einem Reinraum-Technikum (Mitte). (Foto: Merck)

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Chemiewirtschaft �Blickpunkt� 535

Page 5: Die Chemie ist zurück

Merck schlägt der Hauptver-sammlung eine Dividende von 1,25 Euro je Aktie vor statt 1,00 Euro im Jahr 2009.

Prognosen ohne Gewähr

� BASF rechnet für das laufende Jahr mit einem Wachstum der Welt-wirtschaft von 3,3 % und der welt-weiten Chemieproduktion (ohne Pharma) von 5,2 %. Der US-Dollar-Wechselkurs wird durchschnittlich 1,35 US-Dollar pro Euro und der Öl-preis 90 US-Dollar pro Barrel betra-gen. BASF will in diesem Jahr bei Umsatz und Ergebnis der Betriebs-tätigkeit die Spitzenwerte des Jahres 2010 signifikant übertreffen. Der BASF-Chef Jürgen Hambrecht sagt: „Wir werden auch im Jahr 2011 eine hohe Prämie auf unsere Kapitalkos-ten verdienen. Was die aktuelle Lage in Libyen betrifft, hoffen wir auf eine baldige Beruhigung.“

wachstum erneut besser als seine rele-vanten Märkte entwickeln und erwar-tet ein Umsatzplus von 3 % bis 5 %. Mit Blick auf das Geschäftsjahr 2011 sagte der Vorstandsvorsitzende Kasper Rorsted: „Die wirtschaftlichen Rah-menbedingungen bleiben herausfor-dernd, insbesondere durch das inten-sive Wettbewerbsumfeld und steigen-de Rohstoffkosten. Vor diesem Hinter-grund werden wir weiterhin entschie-den und zügig auf Veränderungen in unseren Märkten reagieren und den Transformationsprozess im Unterneh-men fortführen.“

Evoniks Vorstandsvorsitzender Klaus Engel will auch künftig zu den Besten gehören. Dafür wird der Kon-zern für eine halbe Milliarde Euro eine neue Methionin-Anlage für Futtermit-teladditive in Singapur bauen. Zudem erweitert das Unternehmen bis zum Jahr 2014 in Asien und Europa die Ka-pazität für gefällte Kieselsäuren (Silica) um 25 %. In der Isophoronchemie plant das Unternehmen eine neue An-lage, wahrscheinlich in Asien. Evonik trennt sich von Geschäften, die nicht in das strategische Wachstumsprofil pas-sen oder deren Wachstumsmöglichkei-ten innerhalb des Konzerns begrenzt sind: Für die Carbon-Black-Aktivitäten wurde im vierten Quartal 2010 mit den Vorbereitungen des Verkaufsprozesses begonnen. Zudem sollen mittelfristig die Aktivitäten zu Rohstoffen für die Lack- und Klebstoffindustrie (Colo-rants) veräußert werden.

Merck rechnet mit einer guten Geschäftsentwicklung, kann aber konjunkturelle Rückschläge in ein-zelnen Ländern, auch bedingt durch hohe Staatsverschuldungen, nicht ausschließen. Die durch die Millipo-re-Akquisition entstandenen Fi-nanzschulden der Merck-Gruppe sollen in den nächsten Jahren stetig zurückgeführt werden. Dies soll auch weiterhin zu soliden Bilanz-relationen führen. Die Umsätze für das Jahr 2011 können zwischen 13 % und 18 % und für das Jahr 2012 weiter wachsen. Die Geschäftslei-tung geht davon aus, dass das opera-tive Ergebnis der Gruppe im Jahr 2011 zwischen 35 % und 45 % und im Jahr 2012 ebenfalls steigen wird, wie das Ergebnis nach Steuern. ��

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Zur Geschäftsentwicklung bei Bayer sagt der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers: „Wie sich die Welt-wirtschaft entwickeln wird, wenn die Förderprogramme in vielen Staaten auslaufen, müssen wir abwarten. Wir jedenfalls schauen zuversichtlich auf das laufende Jahr.“ Bayer rechnet mit einem Umsatzanstieg von 4 bis 6 % bei einem durchschnittlichen Euro-US-Dollar-Kurs von 1,40. Bis zum Jahr 2013 sollen etwa 15 Mrd. Euro für Forschung und Entwicklung so-wie in Sachanlagen investiert werden. Bayer rechnet mit sechs neuen Sub-stanzen, die zwischen 2010 und 2012 auf den Markt kommen und ein jähr-liches Spitzen-Umsatzpotenzial von insgesamt über 1 Mrd. Euro erzielen sollen.

Bei der Prognose für das laufende Jahr geht Henkel von einem Anstieg des weltweiten Bruttoinlandsprodukts von etwa 3 % aus. Das Unternehmen will sich beim organischen Umsatz-

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