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UNIVERSITÄT LEIPZIG INSTITUT FÜR POLITIKWISSENSCHAFT Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan Eine Untersuchung anhand des Rentenökonomischen Ansatzes von Hartmut Elsenhans unter Zuhilfenahme des Sensitivitätsmodells von Frederic Vester Magisterarbeit im Fach Politikwissenschaften: Erster Betreuer: Dr. Rachid Ouaissa Zweiter Betreuer: Prof. Dr. Hartmut Elsenhans Leipzig, den 15. Juni 2008 Abgegeben von: Thomas Roth Kantstrasse 49 04275 Leipzig [email protected]

Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

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Eine Untersuchung anhand des Rentenökonomischen Ansatzes von Hartmut Elsenhans unter Zuhilfenahme des Sensitivitätsmodells von Frederic Vester

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Page 1: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

UNIVERSITÄT LEIPZIG

INSTITUT FÜR POLITIKWISSENSCHAFT

Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

Eine Untersuchung anhand des Rentenökonomischen Ansatzes von Hartmut Elsenhans unter Zuhilfenahme des Sensitivitätsmodells von Frederic Vester

Magisterarbeit im Fach Politikwissenschaften:

Erster Betreuer:

Dr. Rachid Ouaissa

Zweiter Betreuer:

Prof. Dr. Hartmut Elsenhans

Leipzig, den 15. Juni 2008

Abgegeben von: Thomas Roth

Kantstrasse 49

04275 Leipzig

[email protected]

Page 2: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

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1. Einleitung ........................................................................................................................... 2

2. Theoretische Grundlagen und Überlegungen..................................................................... 4

2.1 Rentenökonomische Theorie von Elsenhans.................................................................... 4

2.1.1 Entwicklungsziel: Kapitalismus................................................................................ 4

2.1.2 Ausgangslage: Rentenökonomie............................................................................... 7

2.1.3 Möglichkeitsraum von Entwicklung ......................................................................... 9

2.2 Das Sensitivitätsmodell von Vester................................................................................ 11

3. Analyse............................................................................................................................. 16

3.1 Systembeschreibung - Afghanistan geographische, wirtschaftliche und polithistorische

Standortbestimmung............................................................................................................. 16

3.2 Mustererfassung - Variablen des sozioökonomischen Systems Afghanistan ................ 30

3.2.1 Variablensatz des Systems Afghanistan.................................................................. 31

3.2.2 Kriterienmatrix:....................................................................................................... 46

3.2.3. Einflussmatrix ........................................................................................................ 46

3.2.4. Rollenverteilung: .................................................................................................... 48

3.3 Interpretation und Bewertung – Teilszenarien der Entwicklungshilfe in Afghanistan .. 49

4. Zusammenfassung............................................................................................................ 57

5. Literaturangaben............................................................................................................... 59

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1. Einleitung

Mit dem Begriff der „vernetzten Sicherheit“, der mir bei einem studienbegleitenden Prak-

tikum bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik begegnet ist und der in Verbindung mit

dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan verstärkt medial Verbreiterung gefunden hat, ist

die Verbindung von militärischen, zivilen, außen- und innenpolitischen Sichtweisen, Metho-

den und Instrumenten gemeint. Dabei wird immer mehr nach einer Stärkung der zivilen

Komponente des Begriffes gefordert, doch findet, meiner Meinung nach, in der Regel die

militärische Komponente stärkere Beachtung. Zwar wird der Einsatz humanitärer Hilfe bzw.

dessen Erhöhung in Umfang und Intensität stets gefordert, doch wird um seine Ausgestaltung,

dem Wie? Warum? Wofür?, weniger heftig und differenziert diskutiert. Während darüber ge-

stritten wird, ob Tornados eingesetzt werden sollen oder ob 3500 Soldaten ausreichend sind,

scheint eine Einigkeit darüber zu bestehen, wie die zivile Komponente dieses Engagements

auszusehen hat. Ein wenig überspitzt formuliert heißt dies konkret, mehr Mädchenschulen,

mehr Krankenhäuser, mehr Elektrizität und Wasser. Und da in Afghanistan weltweit das

meiste Mohn angebaut wird, alternative Anbaumethoden für die Bauern. Angeregt von diesen

rein subjektiven Beobachtungen unserer medialen Wirklichkeit entstand das Interesse, die

zivile Komponente von vernetzter Sicherheit am Beispiel der deutschen Entwicklungshilfe in

Afghanistan näher zu untersuchen.

Das bedeutet nicht, dass die Frage nach dem Erfolg einzelner Projekte oder Programme

der Entwicklungshilfe in Afghanistan zur Debatte steht, sondern vielmehr welche Faktoren,

die für die Entwicklung eines Landes wie Afghanistan ausschlaggebend sind, diese fördern

oder hemmen. Der Fokus meiner Arbeit liegt also in der Darstellung eines effektiven Wirk-

verbundes unterschiedlichster Faktoren für die Entwicklung und der Frage welche Folgen das

Instrumentarium der deutschen Entwicklungshilfe in Afghanistan in diesem Wirkverbund hat.

Zur Untersuchung dieses effektiven Wirkverbundes müssten verschiedene Aspekte be-

trachtet werden. Erstens sollte geklärt werden, woran das Ergebnis des Wirkverbundes ge-

messen wird. D.h. zu welchem Ziel sollte Entwicklung führen und welche Faktoren und Ein-

flussgrößen sind dafür notwendig? Zweitens sollten die Bedingungen, in der sich die Ent-

wicklung abspielt analysiert werden. D.h., wie sieht die Ausgangslage des sozioökonomi-

schen Systems Afghanistan aus? Drittens sollten die effektiven Möglichkeiten des Wirkver-

bundes, der die Entwicklung beeinflussenden Faktoren, aufgezeigt werden. Um den Rahmen

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dieser Arbeit nicht zu sprengen, sollte eine Methode angewendet werden, die auch mit weni-

gen Informationen ein komplexes System abbilden kann.

Zur Untersuchung des Wirkverbundes der vielfältigen Faktoren, die für die erfolgreiche

Entwicklung eines Wirtschaftssystems bedingend sind, orientiere ich mich in meiner Arbeit

an dem von Hartmut Elsenhans in seinem Aufsatz „Eklektizismus zur Erreichung von Kohä-

renz“ (Elsenhans 1997) beschriebenen Ansatz, der sich genau diesen Fragen nach dem Ent-

wicklungsziel von unterentwickelten Wirtschaftssystemen, ihrer Ausgangslage und den effek-

tiven Wegen vom einen zum anderen widmet. Hierbei berücksichtigt Elsenhans den Zusam-

menhang von ökonomischen, politischen und sozialen Faktoren in den Wirtschaftssystemen

an sich und in der sie umgebenden globalen Situation. Dabei definiert Elsenhans bestimmte

Variablen und ihre gegenseitige wirtschaftliche und politische Beeinflussung, die bei der po-

litökonomischen Betrachtung eines Wirtschaftssystems ausschlaggebend sind. Mit Hilfe die-

ser Variablen ist es möglich die politökonomische Situation in Afghanistan zu beschreiben.

Ergänzend zum Ansatz von Elsenhans wird das biokybernetische Planungs- und Analysemo-

dell von Frederik Vester hinzugezogen. Vester berücksichtigt Variablen, die mir im Zusam-

menhang dieser Arbeit wichtig erscheinen und die die Variablen von Elsenhans ergänzen sol-

len. Zudem bietet das Modell von Vester ein Handlungsmuster an, um das komplexe The-

mengebiet der sich gegenseitig beeinflussenden Variablen überschaubar zu gestalten.

Zunächst stelle ich in Kapitel zwei die Methodik der Arbeit vor, indem ich den Ansatz

von Hartmut Elsenhans und das Modell von Frederic Vester vorstelle. Dabei soll der Drei-

klang von Entwicklungsziel, Ausgangslage und den effektiven Wegen dazwischen konkreti-

siert und die Ansatzpunkte von Entwicklungshilfe identifiziert werden. D. h. Wie sollte das

politökonomische System Afghanistan nach der Entwicklung aussehen, wie sieht es jetzt aus

und welchen vernünftigen Möglichkeitsraum hat die deutsche Entwicklungshilfe. In Kapitel

drei, dem analytischen Teil der Arbeit, untersuche ich mit Hilfe der beschriebenen Methode

das politökonomische System Afghanistan. Aufbauend auf die Ergebnisse dieser Untersu-

chung, wird dann beleuchtet, wie die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan wirkt.

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2. Theoretische Grundlagen und Überlegungen

2.1 Rentenökonomische Theorie von Elsenhans

Der rentenökonomische Ansatz von Hartmut Elsenhans erweist sich für die vorliegen-

de Studie aus verschiedenen Gründen als besonders geeignet. Erstens liegt dem Ansatz eine

theoriepluralistische Herangehensweise zu Grunde, die die Neoliberale Schule, die neue en-

dogene Wachstumstheorie sowie Begriffe aus der Dependenztheorie und ihre neoklassische

Umdefinition mit einschließt. Des Weiteren wird auf der neoklassischen Konvergenztheorie

und der Zielsetzung der Modernisierungstheorie aufgebaut. Damit ist Elsenhans Ansatz nicht

eindimensional und bedenkt sowohl politische als auch ökonomische Faktoren. Zweitens eig-

net sich der Ansatz, weil er politökonomische Systeme mit wenigen Variablen und ihrem in-

terdependenten Zusammenwirken beschreiben kann und damit für die Erfassung eines kom-

plexen Systems auch im Rahmen dieser Arbeit möglich ist. Drittens sind die Variablen in ih-

rer Begrifflichkeit so definiert, dass sie einen Modellierungsspielraum auf der konkreten Fall-

beispielebene zulassen, ohne damit ihre Erklärungskraft und die von ihnen beschriebenen

Wirkzusammenhänge zu verlieren. Viertens liefert der Ansatz eine klare Zielformulierung

von Entwicklungspolitik, die eine Bewertungsblaupause für die Analyse des konkreten Fall-

beispiels Afghanistan liefert.

Im Folgenden werde ich drei Teile der Theorie von Elsenhans darstellen, da diese die

theoretische Grundlage meiner Arbeit bilden. Dazu gehört erstens die Darstellung des Ziel-

modells für Entwicklung, zweitens die Beschreibung der Variablen, die bei Elsenhans die

Ausgangslage in unterentwickelten Wirtschaften kennzeichnen und drittens die Vorstellung

der von Elsenhans vorgeschlagenen Wege zur Überwindung von Unterentwicklung mit be-

sonderem Fokus auf die Entwicklungshilfe.

2.1.1 Entwicklungsziel: Kapitalismus

Hartmut Elsenhans Zielmodell von Entwicklung ist ein sich selbst tragendes, marktwirtschaft-

liches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem.

Bedingungen dieses selbst tragenden Wirtschaftssystems, d.h. ohne massive staatliche

Eingriffe in Wirtschaftsstrukturen und –abläufe, sind erstens Beseitigung von Marginalität,

zweitens inländische Produktion von Investitionsgütern und dadurch drittens Teilnahme am

technischen Fortschritt.

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Elsenhans verwirft die gemeinsame Annahme der Marxistischen und der Neoklassischen

Theorie, „dass menschliche Arbeitskraft stets wenigstens so produktiv sei, dass sie bei Sub-

sistenzeinkommen einen Surplus erwirtschaftet.“ (Elsenhans 1995, S.140)

„In beiden Theorieansätzen werden bei ausreichend niedrigen Preisen von Arbeit die Ar-beitsmärkte geräumt, weil annahmegemäß das Grenzprodukt von Arbeit über den Reproduk-tionskosten liegt.“ (Elsenhans 2001, S.136)

Die Räumung des Arbeitsmarktes bewirkt eine Steigerung der Löhne, die wiederum bewirkt

in einem wirtschaftlichen Zirkulationsprozess, eine Arbeitsverknappung und darauf folgende

höhere Löhne, mit dem Resultat der gestiegenen effektiven Nachfrage, d.h. Kaufkraftzunah-

me. Nachfrage aber, besonders Massennachfrage, ist nach Elsenhans ein Engpassfaktor und

Motor der Wirtschaft zugleich. Erst die effektive, mit Kaufkraft ausgestatte Nachfrage gibt

Impuls zur Investition und damit zum Sparen, zur Kapitalakkumulation und dadurch wieder-

um zur Investition und zu Profit. In unterentwickelten Wirtschaftssystemen tritt aber der Fall

auf, dass die Grenzproduktivität unter den Reproduktionskosten liegt. Die Gründe dafür wer-

den im Verlauf dieser Arbeit näher erläutert.

Die Arbeiter, die davon betroffen sind, nennt Elsenhans Marginale. Bei der Existenz

von Marginalen kann kein Prozess der Arbeitsverknappung beginnen. Dies hat zwei Gründe.

Erstens können Marginale, ohne Gewalt, keine Einkommenssteigerungen aus eigener Kraft

erzwingen, denn sie können definitionsgemäß mit keiner Arbeitsniederlegung drohen, da sie

wirtschaftlich keinen Überschuss produzieren und somit nach marktwirtschaftlicher Rationali-

tät überflüssig sind. Zweitens können selbst die produktiv eingesetzten Arbeiter keine Ein-

kommenssteigerung durchsetzen, da sie durch Marginale ausgetauscht werden können. So

zeigt Elsenhans am Beispiel südasiatischer Arbeiter, dass diese erkannt haben, dass allein die

Arbeitsniederlegung wenig effektiv ist. Sie haben die Form des Streiks an die Umstände an-

gepasst neben der Arbeitsniederlegung zusätzlich die Verkehrswege gesperrt, um ihren Forde-

rungen effektiven Nachdruck zu verleihen. (Elsenhans, 1997, S.12) Eine homogene Massen-

nachfrage kommt bei Bestehen von Marginalität nicht zu Stande. Der Prozess, der zu Investi-

tionen führt, besonders in die Investitionsgüterindustrie, kommt nicht in Gang. Damit wird

schon die zweite Bedingung des selbst tragenden Wirtschaftswachstums angesprochen: die

Nettoinvestitionen in die inländische Investitionsgüterindustrie . Diese setzt sich selbst

verstärkende Multiplikatoreffekte frei, zum einen Schaffung zusätzlicher Einkommen außer-

halb der Konsumgüterindustrie, zum anderen Verknappung des Arbeitsangebots und damit

Marktmacht von Arbeit, was wiederum zu höheren Löhnen und mehr effektiver Nachfrage

führt und somit schneller zum selbst tragenden Wirtschaftswachstum.

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Der Aufbau der inländischen Investitionsgüterindustrie und eine homogene Massen-

nachfrage sind auch eine Voraussetzung der dritten Bedingung des selbst tragenden Wirt-

schaftswachstums, die Teilnahme am technischen Fortschritt. „Wenn Massenproduktion

die Grundlage für die Steigerung der Kapitalproduktivität und damit für die Erhöhung des

Performanz-Kosten-Verhältnisses bei Maschinen ist, dann wird eine egalitäre Gesellschaft

[und damit homogene Massennachfrage] günstige Voraussetzung für die Entwicklung von

Technologie bieten.“ (Elsenhans 2006, S.13) Teilnahme am technischen Fortschritt bewirkt

des Weiteren zukünftige inländische Wettbewerbs- und Investitionsmöglichkeiten. Diese

wiederum sind für die Akquirierung von Überschuss über den Markt, also Profit, essentiell.

Nach Elsenhans führt dies zu einer weiteren zentralen Kennzeichnung einer markt-

wirtschaftlichen Ordnung. In einem solchen System ist der einzig legitime Weg die Aneig-

nung des gesellschaftlich produzierten Überschusses zu akquirieren über den Markt. Diese

Form der Aneignung, also Profit, führt zu gesellschaftlichen Konsequenzen und beruht auf

ebensolchen Bedingungen.

Konsequenzen ergeben sich aus dem Charakter und dem Entstehen des Profites. Pro-

fit ist der Nettoinvestition gleichzusetzen. Besonders Nettoinvestitionen in die Investitionsgü-

terindustrie erweitern, über die dort gezahlten Löhne, die Nachfragemenge und erlauben den

Konsumgüterherstellern einen Aufschlag auf ihre Herstellkosten zu erheben. Diesen Pro-

fitaufschlag nehmen auch die Industriegüterproduzenten vor, sonst würde es sich für sie mehr

lohnen in der Konsumgüterindustrie zu arbeiten. Konkurrenz unter den Investitionsvorhaben

zwingt wiederum zum wirtschaftlichen Einsatz des Profites. Dies führt bei den Konsumgüter-

herstellern zu einem Zwang zur Re-Investition in Maschinen, die leistungsfähiger oder

gleichwertig gegenüber ihren Konkurrenten sind. Bei den Investitionsgüterherstellern zwingt

Konkurrenz dazu, in technischen Fortschritt zu investieren, der ebenso mindestens auf Höhe

der Konkurrenz sein sollte. In den sich selbst tragenden, marktwirtschaftlich organisierten

Wirtschaftssystemen existiert ein systemimmanenter Zwang zur Investition, denn nur so kann

Profit akquiriert werden.

Die Bedingung auf dem dieser Zwang zur Investition fußt, ist die gesellschaftliche

Einigung auf nur diese Art der Überschussaneignung. Diese Einigung setzt wiederum ein

ausbalanciertes Machtgleichgewicht zwischen Privilegierten und Nichtprivilegierten, bzw.

zwischen Arbeit und Kapital, voraus. In einem System, in dem Marginalität besteht, ist jedoch

ein solches Machtgleichgewicht kaum vereinbar. Anders formuliert bedeutet dies, dass in ei-

nem System, in dem Marginalität besteht, ein sich selbst tragendes Wirtschaftswachstum, d.h.

ein kapitalistisches System, nicht möglich ist. Somit ist, diesen durch Marginalität geprägten

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Wirtschaftssystemen, die nicht kapitalistisch organisiert sind, der Weg zur Entwicklung eines

Massenwohlstandes verbaut.

2.1.2 Ausgangslage: Rentenökonomie

Unterentwickelte Wirtschaftssysteme sind nach Elsenhans durch Marginalität, Rente und

Staatsklasse gekennzeichnet.

Marginalität ist auf eine „niedrige durchschnittliche Produktivität der Arbeit“ (Elsen-

hans 1997, S.5) in dem landwirtschaftlichen Sektor zurückzuführen. Begrenzte Flächen an

guten Böden, kein bzw. geringer Einsatz des Faktors Kapital, hier insbesondere Dünger, Was-

ser und Landmaschinen, und ein Bevölkerungswachstum, das nicht durch „bewusstes Repro-

duktionsverhalten beschränkt wird“, führen zu einer „Marginalitätsfalle“ (Elsenhans, 2001aa,

S.137). Denn bei stetiger Zunahme des Faktors Arbeit und bei gleichzeitigem Konstanthalten

der Faktoren Boden und Kapital, tritt das klassische Ertragsgesetz in Kraft. Im klassischen

Ertragsgesetz gibt es bei partieller Faktorvariation eine optimale, d.h. maximale Outputmenge

bzw. Ertrag, die bei weiterem Einsatz des partiellen Faktors, hier Arbeit bzw. ein weiterer

Landarbeiter, abnimmt. Bevor aber die Gesamtoutputmenge fällt, fällt zuerst die Outputmen-

ge, die der letzte Arbeiter erwirtschaftet. Ab diesem Punkt fällt die Grenzproduktivität. Fällt

sie unter das Niveau der Reproduktionskosten, können in einem marktwirtschaftlich organi-

sierten System diese Arbeiter nicht mehr beschäftigt werden. Elsenhans nennt diesen Über-

gang „Marginalitätsschwelle“ (Elsenhans 2001, S. 136) In einem vorkapitalistischen Wirt-

schaftssystem werden alle, die unter der Marginalitätsschwelle liegen, in Produktion von Lu-

xusgütern für die Privilegierten eingesetzt. Diese Produktionsweise wird durch das Auftreten

von kapitalistischen Ländern gefährdet, weil nun für die Privilegierten die Möglichkeit be-

steht, den angeeigneten Überschuss nicht für die Dienstleistungen und Produkte der Margina-

len zu verwenden, sondern auf dem Weltmarkt zu veräußern und dafür technologisch kom-

plexere Luxusgüter und -dienstleistungen aus dem kapitalistischen Ausland zu erwerben. Das

führt dazu, dass die Marginalen nun „marginalisiert“ (Elsenhans 1997, S.5) werden, d.h. dass

sie aus dem formalen Produktionsapparat hinausfallen und somit sämtliche Lebensgrundlage

verlieren. Es entsteht ein informeller Wirtschaftssektor, in dem diese Marginalisierten täglich

ums Überleben kämpfen und keine Perspektive über den Tag hinaus haben. Eine Möglichkeit

der Marginalen nicht in diesen lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, ist sich Patronage- und

Klientelnetzwerken der Privilegierten anzuschließen.

„An dieser Marginalitätsschwelle gibt es einen allerdings in seiner Höhe nicht ableit-baren Überschuss der Landwirtschaft, so dass marginale Arbeitskräfte durchaus ernährt wer-den können, sofern die den Überschuss kontrollierende Klasse bereit ist, dies aus nichtöko-nomischen Gründen zu tun, z.B. im Rahmen eines gesellschaftlichen Paktes. Jede Art von

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Transfer wird aber erfordern, dass die begünstigten Arbeitskräfte keine Bedrohung der etab-lierten Gesellschaft darstellen. Wie immer die Verhaltensvorschriften im einzelnen lauten mögen, wird doch Willfährigkeit und Gehorsam ein grundlegendes Element ihrer Beziehung zu Überschuss aneignenden Klasse sein, so dass dieses Verhältnis als Klientelismus oder Pat-ronage bezeichnet werden kann. Gleichzeitig haben die Patrone Zugang zum Überschuss mit politischen Mechanismen, nämlich Macht.“ (Elsenhans 2001b, S.38)

Dieser Sozialvertrag besteht hauptsächlich, wie oben angemerkt, aus politischen Gründen, die

wiederum zweierlei Ursachen, das Vorhandensein von Rente und die sie politisch abschöp-

fenden Staatsklasse, haben.

Elsenhans bezeichnet Rente als eine Einnahmequelle der Privilegierten, die mit politi-

schen Mitteln abgeschöpft wird und die deshalb nicht dem systemimmanenten Zwang einer

Marktwirtschaft unterliegt, d.h. dem Zwang das Geld erneut wirtschaftlich zu investieren, um

eine dauerhafte Einnahmequelle zu sichern. Die Dauerhaftigkeit von Renten ist nicht von ih-

rem wirtschaftlichen Verwendungszweck abhängig, sie können investiert oder konsumiert

werden. Sie unterliegen aber einem Zwang zur politischen Investition, die sich nicht nach

marktwirtschaftlicher Wirtschaftlichkeit richtet, sondern nach politischem Machterhalt. Die

Art und Weise dieser politischen Investitionen, richtet sich sehr stark nach der Art der Rente

und den landesspezifischen Gegebenheiten, wie z.B. ethnisch heterogene Bevölkerung, politi-

sches System, etc. und ist in einer großen Bandbreite vorhanden.

„Renten lassen sich unter Ausschaltung wirtschaftlichen Wettbewerbs (z. B. durch Protektio-nismus, Marktreservierung und/oder Marktzugangsbeschränkungen) und im Rohstoffsektor (durch die Aneignung von Differentialrenten) erzielen, aber auch durch den Einsatz moderner Technologien (Aneignung von Produktivitätsfortschritten), in Staatsbetrieben mit monopolis-tischer Preisbildung sowie (wie Hirschman bereits aufzeigte) in Form von Entwicklungshilfe-zahlungen. Die Rente lässt sich dann durch einen politischen Prozess innerhalb der Eliten (um-)verteilen.“ (Fuhr 2000, S.213)

Genau so vielfältig sind die politischen Ausgestaltungsmittel ihrer Kontrolle. Den Zu-

gang zu der Kontrolle und Ausbeutung der Rente geschieht jedoch meistens über die Staats-

macht bzw. die staatlichen Institutionen. Somit bildet sich um den Staat eine politische Klas-

se, die Staatsklasse, der die Besetzung und Behaltung der Ämter oberstes Ziel ist. In der Re-

gel hat die Staatsklasse am Aufkommen einer finanziell von ihr unabhängigen und finanzstar-

ken Kapitalistenklasse kein Interesse. Um die politische Macht zu erhalten, pendelt die

Staatsklasse zwischen einer Politik der Selbstprivilegierung und dem Zwang zur Legitimati-

on. Dazu gehört vor allem der Aufbau von Patronage- und Klientelnetzwerken, die den politi-

schen Machterhalt sichern. Die Patronage- und Klientelnetzwerke bilden einen neuen Sozial-

vertrag. Es geht nicht mehr um die Produktion von Luxusgütern für die Privilegierten durch

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die Marginalen, sondern der Sozialvertrag sichert einerseits der Staatsklasse die Legitimation

und andererseits den Marginalen den Lebensunterhalt.

Diese Patronage- und Klientelnetzwerke sind im Rahmen von Segmenten aufgebaut,

die sich meistens entlang von ethnischen und kulturellen Bruchlinien einer Gesellschaft zie-

hen. Elsenhans ist jedoch der Meinung, dass die ethnischen und kulturellen Bruchlinien zwi-

schen den Segmenten dann keine Rolle spielen, wenn genug Renteneinnahmen vorhanden

sind, um die Netzwerke zu finanzieren. Erst wenn die Einnahmequellen versiegen, versucht

jedes Segment sich die verbleibenden Einnahmen zu sichern. Den Zusammenhang von Ren-

tenflüssen und dem Machtkampf der Segmente veranschaulicht Ouaissa am Beispiel Alge-

riens, wo es zu periodischen politischen Kämpfen kommt, die abhängig von dem Auf und Ab

des Ölpreises beeinflusst werden. (Ouaissa, 2004)

2.1.3 Möglichkeitsraum von Entwicklung

Da die Staatsklasse in solchen Systemen den wirtschaftlichen und politischen Hebel, wie oben

aufgezeigt, in der Hand hat, sind Entwicklungswege vom Verhalten der Staatsklasse abhän-

gig. Bei einer progressiven Ausrichtung der Staatsklasse zeigt Elsenhans mehrere Wege auf

wie Marginalität beseitigt und industrielle Entwicklung eingeleitet werden kann.

Als erste Möglichkeit nennt Elsenhans die Durchsetzung einer egalitären Bodenre-

form . Der Agrarsektor in unterentwickelten Ländern spielt eine herausragende Rolle, da typi-

scherweise mehr als 50 % der Arbeitsfähigen darin beschäftigt sind, dieser aber nur 25 % des

Bruttoinlandproduktes (BIP) ausmacht. Hier anzusetzen verspricht eine große Wirkung. Eine

gleichmäßige Verteilung des Bodens an alle Familien wirkt sich sowohl auf die Beseitigung

von Marginalität als auch auf die industrielle Entwicklung positiv aus. Eine egalitäre Boden-

reform verschiebt das Problem von Marginalität aus dem öffentlichen Bereich in den privaten,

denn die Marginalitätsschwelle wird durch die Reform nicht angehoben. Es herrscht immer

noch eine geringe Grenzproduktivität, nur trifft nun sie jede Bauernfamilie. Die Arbeitszeit

pro zugeteiltem Feld besteht nun aus einer produktiven Arbeitszeit, oberhalb der Reprodukti-

onskosten, in der der Großteil des Ertrages erwirtschaftet wird und einer weniger produktiven

Arbeitszeit, so genannter „marginalen Arbeitszeit“ (Elsenhans 1997, S. 23), in der zwar im-

mer noch notwendiger Überschuss produziert wird, aber mit einem höheren Arbeitsaufwand

für einen geringeren Ertrag. Trotzdem verbessert eine egalitäre Bodenreform die Lage der

Marginalen, denn sie stattet sie mit Verhandlungsmacht aus, da sie nun nicht mehr auf Klien-

telbeziehungen angewiesen sind. In Bezug auf die industrielle Entwicklung entfaltet eine ega-

litäre Bodenreform folgende Wirkungen. Erstens bieten die Bauern bzw. Mitglieder aus Bau-

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ernfamilien ihre Arbeitskraft, die oberhalb der marginalen Arbeitszeit auf den Feldern liegt,

zu Löhnen unter ihren Reproduktionskosten an. Somit sind die Löhne für meist ungelernte

Arbeit, in der Regel Fabrikarbeit, sehr gering, was zu Phänomenen wie „ländlicher Industria-

lisierung“ (Elsenhans 1997, S.24) und verstärkte Arbeitsmigration führt. Zweitens kommt es

aufgrund eines annährend gleichen Einkommens in der Bevölkerungsmehrheit zu einer Ho-

mogenisierung der Nachfrage. Einer Nachfrage die vornehmlich einfache Haushalts- und

Konsumgüter betrifft, die es nun industriell zu produzieren lohnt.

Einen ähnlichen Effekt auf die Nachfrage haben Subventionen von Marginalen bzw.

Marginalisierten. Die englischen Armengesetzte aus dem 18. Jahrhundert vor Augen, erläu-

tert Elsenhans, dass eine Besteuerung von Kapitaleinkommen, die genutzt wird damit die Ar-

beitslosen subventioniert werden, meist in Form von öffentlicher Arbeit, ebenso zu einer Aus-

stattung der Marginalen mit Kaufkraft führt und somit zu einer Bildung von Massennachfrage

nach einfachen Konsumgütern.

Ein weiterer Weg Marginalität zu beseitigen ist der technische Fortschritt, der die

Grenzproduktivität in der Landwirtschaft anhebt. Dabei schränkt Elsenhans ein, dass lediglich

die Art von technischem Fortschritt gemeint ist, der die Nachfrage nach Arbeitskräften in der

Landwirtschaft fördert und nicht die Produktivität der schon produktiven Arbeiter anhebt.

Zwar steigt in beiden Fällen der Überschuss in der landwirtschaftlichen Produktion, im letzte-

ren Fall jedoch bleiben die Marginalen weiterhin ohne Beteiligung an diesem.

Ein weiteres Feld der Handlungsmöglichkeiten in einem System mit einer progressi-

ven Staatsklasse ist der Einsatz einer flexiblen Zoll-, Handels-, Währungs- und Industrie-

politik . Sowohl eine exportorientierte Industrialisierung als auch eine binnenmarktorientierte

Industrialisierung versprechen, laut Elsenhans, einen Erfolg. Zentrale Bedingung für den Er-

folg ist eine wirkungsvolle Währungspolitik, mit einer exportfördernden schwachen Wäh-

rung.(Elsenhans 2000, S.252) Solch eine Politik kann am Besten durchgeführt werden, wenn

die Ernährung der Bevölkerung mindestens zum Selbsterhalt gewährleistet ist, d.h. ohne auf

Devisen angewiesen zu sein. Des Weiteren empfiehlt sich eine Zollpolitik, die den Aufbau

einer eigenen Investitionsgüterindustrie vom Weltmarkt abschottet und damit den Binnen-

markt fördert.

Bei einer rigiden Ausrichtung der Staatsklasse, bleibt für die Entwicklungshilfe, die

aus dem Ausland kommt, immer noch eine Möglichkeit Marginalität zu beseitigen und Ent-

wicklung anzustoßen. Hierfür schlägt Elsenhans die Installation künstlicher Industrien vor,

um den Marginalen ein Einkommen jenseits der Staatsklasse zu sichern. (Elsenhans 2001, S.

144) Auch damit könnte eine homogene Massennachfrage, durch Erhöhung des Einkommens,

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geschaffen und somit ein entscheidender Impuls zur industriellen Entwicklung gesichert wer-

den.

2.2 Das Sensitivitätsmodell von Vester

Elsenhans Ansatz, den ich oben, in den für diese Arbeit wichtigsten Punkten, dargestellt habe,

bietet ein Erklärungsmodell für die Analyse der Probleme in unterentwickelten Ländern. Dies

liefert auf der inhaltlichen Ebene der Arbeit griffige Variablen, die bei der Analyse eines un-

terentwickelten Wirtschaftssystems wichtige Muster erkennen lassen. Zudem zeigt Elsenhans

einen Lösungskorridor auf, in dem möglicherweise Entwicklung zustande kommt.

Auf der analytischen Ebene möchte ich jedoch Elsenhans Ansatz mit dem biokyberne-

tischen Planungsmodell, auch Sensitivitätsmodell, von Frederic Vester ergänzen, weil es ein

Handwerkszeug bietet, mit dem komplexe, nichtlineare Systeme gehandhabt werden können.

Dazu gehört in erster Linie die Visualisierung von, in einem gegenseitigen Wirkverbund ste-

henden, Einflussgrößen.

„Dem systemischen Vorgehen im Allgemeinen und der Simulation im Besonderen gelingt die Darstellung und das Sichtbarmachen von komplexen Sachverhalten. Die Einsicht in die Art und Weise beziehungsweise das Muster der Systemzusammenhänge wird hier anschaulich vermittelt, die Transparenz von Wirkungen und Nebenwirkungen innerhalb eines Systems beträchtlich erhöht. Insgesamt führt dies zu einem besseren Verständnis des Systemverhal-tens, insbesondere ist es durchaus in der Lage, beim Beobachter „Aha-Effekte“ oder sogar Betroffenheit auszulösen. Anders als in üblichen Simulationsverfahren sind die hinter den Bewertungen, Zuständen und Wirkungsbeziehungen stehenden Prämissen und Leitbilder je-derzeit transparent und abrufbar.“ (Steinbrecher, 1998, S.326)

Für die Analyse eines Systems nennt Vester bedingende Kriterien, die bei der Überprüfung

am Fallbeispiel erfüllt sein sollten. Damit stellt das Modell sicher, dass eine einseitige Sys-

temmodellierung ausgeschlossen wird, weil hinreichende Variablen vorhanden sind. Durch

die Fokussierung auf diese Kriterien bietet sich auch der Vorteil, ein komplexes System für

die Analyse verknappen zu können. Anders formuliert, mit wenigen Variablen können die

wichtigsten Muster in einem System erkannt und dargestellt werden.

„In der Tat dürfte man wohl schon ein weitaus getreueres Abbild und Funktionsbild eines realen Systems bekommen, wenn man mit 20 sorgfältig ausgesuchten Schlüsselvariablen und deren Vernetzung arbeitet statt wie bisher mit lediglich drei oder vier willkürlichen Größen oder gar mit nur einer Hauptvariable wie dem wachsenden Bruttosozialprodukt.“ (Vester, 1997, S.46)

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Hier ist es wichtig zu betonen, dass inhaltlich die Variabeln von Elsenhans bei der Suche nach

den Schlüsselvariablen, sprich Marginale, Rentenquelle, Staatsklasse, Produktionssystem, und

Machtverhältnisse, den Weg weisen wird.

Ein weiterer Vorzug von Vesters Planungsmodell ist ihre vernetzte Herangehensweise,

die die Gefahren linearen Denkschemata bei der Diagnose von komplexen Systemen auszu-

schließen versucht. Vester erkennt mehrere Gefahrenquellen, die sich bei der Diagnose erge-

ben können. Erstens spricht Vester das Problem einer zu starken Fokussierung auf Aus-

schnitte des zu untersuchenden Systems an. Dies kann die mangelhafte Zielerkennung

betreffen. Damit meint er, dass bei der Zieldiagnose ein System, ohne die Betrachtung auf

einer Metaebene, abgetastet wird. Dabei wird ein Problem nach dem anderen gesucht und

behoben, ohne deren Zusammenwirken zu kennen. Dieses „Reparaturdienstverhalten“

(Vester, 1997, S.25) kann manchmal mehr Schaden anrichten, als es Hilfe leisten würde.

„Infolge ihrer Vielfältigkeit, Vernetztheit und Dynamik hilft es nicht mehr weiter, Probleme in kleine überschaubare Teilprobleme aufzuspalten und deren Lösungen dann je für sich zu perfektionieren. So entstehen dann oft Lösungen, die am Ende nicht mehr zusammenpassen. Es gilt vielmehr, erfolgreiches Handeln gerade unter Berücksichtigung hoher Umfeld-Komplexität (strukturell und dynamisch) und Intransparenz der Rahmenbedingungen zu er-möglichen beziehungsweise zu sichern.“ (Steinbecher, 1998, S. 307)

In ähnlicher Weise stellt sich ein zweiter Gefahrenaspekt dar, nämlich das Sammeln hoher

Datenmengen, die in keinem Zusammenhang stehen oder ohne diese mit dem Gesamtsystem

zu verknüpften. Dabei lässt sich das Muster des Systems nicht erkennen. Bei dieser Art der

Schwerpunktbildung können leicht Nebenwirkungen der gegebenen Lösungsmöglichkeiten

übersehen werden, die gravierend für die Funktionen des Systems sein können. Eine dritte

Gefahr des linearen Problemlösens ist bei Vester die „Tendenz zur Übersteuerung“ (Vester,

1997, S.25). Nach zögerlichem Eingreifen, wird häufig stark nachgesteuert, wenn bemerkt

wird, dass sich im System nichts tut. Bei den ersten unbeabsichtigten Nebenwirkungen be-

steht die Tendenz das Eingreifen vollkommen zu unterlassen. Eine vierte Gefahr des nicht

vernetzten Problemlösens ist

„die Tendenz zu autoritärem Verhalten. Die Macht, das System verändern zu dürfen und der Glaube, es durchschaut zu haben, führen zum Diktaturverhalten, das jedoch für komplexe Systeme völlig ungeeignet ist. Für diese ist ein „anschmiegsames Verhalten“, welches mit dem Strom schwimmend verändert, am wirkungsvollsten.“ (Vester, 1997, S. 25)

Vester plädiert aus den oben genannten Gründen für die Anwendung seiner Methode, die in

verschiedenen Arbeitsschritten versucht, die Komplexität eines Systems erfassbar zu machen.

Vester stellt vier Stufen der Vorgehensweise bei der Diagnose dar, die im Folgenden

beschrieben werden. Die erste Stufe ist die Systembeschreibung. Der erste Arbeitsschritt

Page 14: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

13

der Systembeschreibung ist das Sammeln und Erfassen so vieler Variablen des Systems wie

möglich. Dies geschieht nach Vester am Besten in einem in einem „brain storming“, in dem

Experten des Systems alle relevanten Einflussgrößen, sprich Variablen des Systems, erfassen

(Vester 1997, S. 26). In dieser Arbeit habe ich das Expertenwissen aus der Literatur über Af-

ghanistan zu erfassen versucht und mich an den, von Elsenhans vorgeschlagenen, Variablen

in unterentwickelten Systemen orientiert. In einem zweiten Schritt wird dieser Variablensatz

durch eine Kriterienmatrix einer Prüfung auf Systemrelevanz unterzogen. In der Kriterienmat-

rix zählt Vester achtzehn für eine Systembeschreibung notwendige Themenbereiche auf. Er

unterteilt diese wiederum in sieben „Lebensbereiche“ und acht „Kategorien“, die die Variab-

len annehmen können. Die unten stehende Tabelle bietet eine Übersicht:

Tabelle: Kriterienmatrix Lebensbereiche Kategorien Bevölkerung Materie Wirtschaft Energie Raum Information Befinden Flussgröße Ressourcen Strukturgröße Infrastruktur Zeitliche Dynamik

Innere Ordnung und Organisation Räumliche Dynamik;

Öffnung des Systems durch Input Öffnung des Systems durch Output von Innen steuerbar

von Außen steuerbar

Hierfür muss der Variablensatz die oben genannten Grundkategorien und Lebensbereiche

abdecken. Die Überprüfung anhand der Kriterienmatrix dient zwei Zielen. Erstens wird damit

ein ausgewogener Variablensatz erstellt und zweitens können Variablen, die in manchen Le-

bensbereichen öfters vorkommen zusammen gesehen werden. D.h., dass die Menge der erho-

benen Daten reduziert werden kann, da eine Zusammenschau möglich ist.

Die zweite Stufe in Vesters Sensitivitätsmodell ist die Mustererfassung. Erster

Schritt der Mustererfassung ist die Erstellung einer so genannten „Einflussmatrix“ (Vester

1997, S. 27). In diesem auch „Papiercomputer“ (Vester 1997, S. 30) genannten Arbeitsschritt

wird die direkte Wirkung der Variablen aufeinander untersucht. Die Wirkung einer Variable

auf die andere wird antizipiert und bewertet. Die Bewertung wird in einer Übersicht festgehal-

ten, die angibt, wie die Einflussgröße der einen Variablen auf die andere ist. Aus diesen ein-

zelnen Bewertungen lassen sich in der Gesamtschau Eigenschaften der Variablen ableiten.

Diese Eigenschaften teilt Vester in zwei Kategorien. Die erste Kategorie unterteilt die Variab-

Page 15: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

14

len nach der Wirkung, die sie auf andere Variablen haben in: hochaktiv, aktiv, leicht aktiv,

neutral, leicht reaktiv, reaktiv, stark reaktiv. Die zweite Kategorie unterteilt die Variablen

nach der Wirkung, denen sie ausgesetzt sind in: hochkritisch, kritisch, leicht kritisch, neutral,

schwach puffernd, puffernd, stark puffernd. Der zweite Schritt der Musterfassung sieht wie-

derum eine zweidimensionale Matrix vor, in der die Variablen anhand ihres Einflussindexes

eingeordnet werden, um damit ihre Rolle im System zu beleuchten.

„Die Verteilung der Variablen in dieser Matrix vermittelt einen sehr unmittelbaren Eindruck von der Art des Systems und vor allem von der Qualität der Variablen im System.“ (Vester 1997, S 31)

Die Eckwerte dieser zweidimensionalen Matrix sind „aktiv-reaktiv“ und „kritisch-puffernd“

(Verster 1997, S. 34). Die Matrix besteht aus 50 Feldern, in die die Variablen anhand der er-

mittelten Indizes eingeordnet werden. Das Ergebnis dieser Rollenverteilung im System ist die

Ermittlung des Einflussindexes.

„Der Einflussindex gibt den in der Matrix bildlich dargestellten Sachverhalt mathematisch berechnet in Aktivwerten (Aktivsumme), Passivwerten (Passivsumme), als Produkt (Aktiv- mal Passivsumme) und als Quotienten (Aktivsumme durch Passivsumme) wieder.“ (Vester 1997, S. 31)

Der dritte Schritt der Musterfassung ist die Gesamtdarstellung der vernetzten Variablen an-

hand von Regelkreisen. Um die Regelkreise darzustellen, wird die inhaltliche Wirkung der

Variablen aufeinander, d.h. ob die Variable und damit ihre Bestandsgröße positiv oder negativ

von anderen Variablen beeinflusst wird, erfasst und bewertet.

Die dritte Stufe in Vesters Sensitivitätsmodells ist die Interpretation und Bewer-

tung der Systemvernetzung. Der erste Schritt auf dieser Stufe sieht vor, handhabbare Teilsze-

narien aus dem Gesamtgefüge zu lösen und einer Wenn-Dann-Prognose zu unterziehen. Hier-

bei wird untersucht wie das System auf die Veränderung von Variabel reagiert.

Die vierte Stufe in Vesters Sensitivitätsmodells ist die Systembewertung, die durch

die Identifizierung der Schlüsselvariablen und Vorschläge von Alternativen des Systemver-

haltens, d.h. einer Eingreifstrategie in das vorhandene System, gekennzeichnet ist. Dabei ori-

entiert sich Vester an acht biokybernetischen Systembewertungsregeln, bei deren Befolgen

die Überlebensfähigkeit des Systems steigt. Die unten stehende Tabelle von Jörg Volkmann,

die er von Vester übernommen und modifiziert hat, fasst die acht biokybernetischen Regeln

noch einmal zusammen.

Page 16: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

15

Tabelle 1: Grundregeln der Biokybernetik (Volkmann 2006, S. 6) Biokybernetische Grundregel Beschreibung Dominanz der negativen Rückkopp-lung über die positiven

Positive Rückkopplungen sind Selbstverstärkungsmechanismen. Sie bringen Dinge zum Laufen. Negative Rückkopplungen wirken stabilisie-rend, indem sie Amplituden von Schwankungsbewegungen innerhalb eines Toleranzbereiches eingrenzen

Unabhängigkeit der Systemfunktion vom quantitativen Wachstum

Der Durchfluss von Energie und Materie ist langfristig konstant. Dies verringert den Einfluss von Irreversibilitäten und das unkontrollierte Überschreiten von Grenzwerten.

Funktionsorientierung statt Produkt-orientierung, z.B. -Nutzung des Jiu-Jitsu-Prinzips - Mehrfachnutzung von Produkten, Funktionen und Organisationen - Recycling - Symbiose - Biologisches Design von Produk-ten, Verfahren und Organisations-formen durch Feedbackplanung

Austauschbarkeit erhöht die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von Systemen.

Die Bewertungsregeln werden in dieser Arbeit keine Anwendung finden. Ich möchte mich bei

der Strategiefindung für die Entwicklung des afghanischen Wirtschaftssystems vorwiegend an

Elsenhans Entwicklungsstrategien orientieren, die ich im obigen Kapitel beschrieben habe, da

die Zielformulierung für Entwicklung aus Elsenhans Theorie abgeleitet ist und Vesters Be-

wertungsregeln allgemeiner gehalten sind.

Page 17: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

16

3. Analyse

3.1 Systembeschreibung - Afghanistan geographische , wirtschaftliche und

polithistorische Standortbestimmung

Geographie, Topographie und menschliche Siedlungsstruktur

Das heutige Afghanistan liegt am Kreuzpunkt zwischen Zentralasien, Südostasien und

der Ostgrenze des so genannten „Greater Middel East“ und ist dementsprechend von mehre-

ren Ländern umrandet. Im Nordwesten grenzt es an Turkmenistan ab. Im Norden und Nordos-

ten grenzt es an Usbekistan, Tadschikistan und in einem kleinen Grenzstreifen an China. Öst-

lich und Westlich hat es mit Pakistan die längste Grenze des Landes. Im Westen grenzt es an

den Iran. Mit 647,500 km² ist Afghanistan fast doppelt so groß wie Deutschland. Die Topo-

graphie des Landes prägt die Lebensbedingungen im Land entscheidend, denn sie erlaubt

nur in einigen Gegenden menschliche Siedlungen. Afghanistan gehört zum iranisch-

afghanischen Hochland, dessen nördliche und südliche Gebirgsketten im Nordosten zum Hin-

dukusch zusammenführen. Dies führt zu einer Zergliederung oder Kammerung des Landes in

sehr gebirgige Gebietsteile im Zentrum Afghanistans sowie im Nordosten, im Grenzgebiet zu

Pakistan, China und Tadschikistan und in etwas flachere wüstenhafte Gebietsteile im Westen

und im Süden des Landes. Im Nord-Nordwesten des Landes befindet sich die baktrische Tief-

ebene, die durch den Grenzfluss Amu Daria durchflossen wird. Afghanistan liegt im zentral-

asiatischen Trockengürtel und ist geprägt durch ein sehr trockenes Wüstenklima, in dem die

Verfügbarkeit von Wasser begrenzt ist und vor allem von der Regenzeit im Winter abhängt.

Aus diesem Grund befinden sich die meisten Siedlungen an den großen Flüssen des Landes,

die aus den Bergen mit Wasser gespeist werden. So ergeben sich vier wichtige Siedlungsräu-

me entlang des Kabul, des Amu Daria, des Helmand und des Hari Rud. Entlang des Kabul-

Flusses, der über das Indus-System in das Arabische Meer fließt, befindet sich das Kabul-

Becken, in dem die Hauptstadt liegt. Aus dem Kabul-Becken hinaus führt gen Osten über den

Kybar-Paß bei Jalalabad eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen ins Nachbarland Pakis-

tan und in die Indus-Tiefebene. In südwestlicher Richtung führt aus dem Kabul-Becken die

alte Zentralroute des Karavanenhandels zwischen Indien und Persien über das Arghandab-Tal

und das Helmand-Tal mit der Stadt Kandahar und dann in nordwestlicher Richtung schwen-

kend in das Tal des Hari Rud nach Herat. Das Kabul-Becken war und ist somit sowohl für die

Landwirtschaft als auch für den Handel bedeutend. Im oberen Helmand- und Arghandab-Tal

und um Herat liegen zwei weitere bedeutende Siedlungsräume in Afghanistan. Auch hier läuft

Page 18: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

17

eine alte und bedeutende Karavanenstrasse, die Seidenstrasse, entlang des Grenzflusses Amu

Daria, der die Grenze zu Usbekistan und Turkmenistan bildet. Hier in der baktrischen Tief-

ebene liegt das vierte Siedlungszentrum mit den Städten Mazar-i-Sharif und Kundus. In die-

sen Siedlungszentren leben ca. 29 Millionen Menschen, bei einem Bevölkerungswachstum

von 2,5 %. (Bertelsmann, 2007) Dabei ist Afghanistan eine junge Gesellschaft, denn 40 % der

Afghanen sind jünger als 15 Jahre. (Library of Congress, Country Profile 2006) Die Afghaninnen

gebären in Schnitt 6,5% Kinder. (Bertelsmann, 2007) Demgegenüber ist die Kindersterblich-

keit sehr hoch. Die Lebenserwartung der Afghanen liegt bei 45 Jahren.(Bertelsmann, 2007)

Wirtschaftsstruktur

Im Landwirtschaftssektor sind ca. 75% der arbeitsfähigen Bevölkerung beschäftigt,

das sind ungefähr 5 Millionen von ca. 8 Millionen Arbeitsfähigen. (Bertellsmann 2008) Der

Agrarsektor trägt aber nur mit 50% bis 30 %, je nach Wetter zum Bruttoinlandsprodukt bei.

(Ward et. All., 2008, S. 12) Ca. 12 % des Landes sind potentiell landwirtschaftlich nutzbar,

das sind 7,5 Millionen Hektar. Davon können ca. 60 % bewässert werden, davon noch mal 20

% können zwei Ernten im Jahr eintragen. Von dieser Fläche wird jedoch nach fast 30 Jahren

Krieg nur ca. die Hälfte bestellt. Trotz erstaunlicher Steigerungen der Erntemenge, so verdop-

pelte sie sich zwischen 2001 und 2007, ist Afghanistan immer noch auf Nahrungsmittelimpor-

te angewiesen, da die Produktivität in der Landwirtschaft sehr gering ist. (UN 2007)

„Landwirtschaftliche Anbaumethoden sind in Afghanistan vorwiegend auf künstliche Bewäs-serung angewiesen, während andere kaum nutzbare Gebiete im Wesentlichen nur der nomadi-schen Viehzucht offen stehen. Die Landwirtschaft ist durch den Gegensatz eines intensiven Ackerbaus in Flussoasen und durch extensive und saisonale Weidewirtschaft in weiten Teilen des Landes bestimmt.“ (Kreutzmann 2006, S.198)

Die Verteilung von Grund und Boden weisen auf den ersten Blick einen eher egalitären Cha-

rakter auf. Die Eigentumsverhältnisse teilen sich in einen hohen Anteil an kleinbäuerlichem

Eigentum, von ungefähr zwei Drittel der Erntefläche und einem Drittel Großgrundbesitzstruk-

turen, vor allem im Westen und Norden des Landes, auf.

„Die Eigentumsverhältnisse an den Schlüsselressourcen Wasser und Boden sind in einem Land, in dem drei Viertel der Bevölkerung direkt oder indirekt von der Landwirtschaft leben, von zentraler Bedeutung.“ (Kreutzmann 2006, S. 198)

Wenn man die zwei Drittel der Erntefläche betrachtet, die von Kleinbauern bewirtschaftet

werden, so ist der durchschnittliche Landbesitz in Afghanistan 14 Jerib groß, das sind 2 Hek-

tar. Ca. 70 % der in der Landwirtschaft Beschäftigen besitzen auch eigenes Land. Bei genaue-

Page 19: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

18

rer Betrachtung lässt sich eine Teilung der Gesellschaft in wohlhabende Haushalte, Haushalte

knapp über der Marginalitätsschwelle, Subsistenzbauern und marginalen Haushalten sichtbar.

Bei dieser flächenmäßigen Verteilung des Landes kommt noch hinzu, dass die Bodengüte und

die Frage ob das Land bewässert oder nicht bewässert ist, zwar von Bedeutung ist, jedoch in

einer Durchschnittsbetrachtung nicht mit einfließt. Die Wohlhabenden bewirtschaften im

Durchschnitt 28 Jjerib und machen ungefähr ein Drittel der Landeigentümer aus. Die Sub-

sistenzbauern bewirtschaften im durchschnitt 8,2 Jeribs und stellen ungefähr 48 % der Land-

eigentümer dar. Die Marginalen bewirtschaften gar kein eigenes Land und stellen ungefähr 28

% der in der Landwirtschaft Beschäftigten. (Mansfield 2004, S.16)

Abgesehen von den Eigentumsverhältnissen, sind die „Betriebsgrößen hingegen überwiegend kleinteilig, da auch Großgrundeigentum bei näherem Hinsehen in eine Vielzahl ausgeglieder-ter Pachtbetriebe zerfällt. Regionale Unterschiede sind hinsichtlich Teilbau- und Pachtstruktu-ren zu berücksichtigen. Staatliche Großbetriebe im Norden Afghanistans stellen eine Aus-nahme von der weitgehend privatwirtschaftlich organisierten Landwirtschaft dar. Der Norden des Landes diente als Experimentier- und Expansionsfeld. So ist auch die 1940 erfolgte Ein-führung des Zuckerrübenanbaus mit deutscher Hilfe zu verstehen.“ (Kreutzmann 2006, S. 201)

Die häufigste Form der Beschäftigung von Landlosen oder Landarbeitern sind Pachtverträge.

Diese können aber in ihren Konditionen sehr stark variieren. Ein Grund hierfür ist der Ver-

schuldungsgrad der Pächter. Abgesehen von der Tatsache, dass sie kein eigenes Land bewirt-

schaften, spricht noch ein Indiz dafür bei dieser Gruppe von Marginalen zu sprechen und

nicht nur von armen Landarbeitern: der Überschuldungsgrad und die Art der Schulden von

ländlichen Haushalten. Zwar weißen Klijn und Pain in ihrer Studie nach, dass alle drei

Schichten von ländlichen Haushalten informelle Kredite nachfragen, doch ist die Aussicht den

Kredit zurückzuzahlen bei der ärmsten Schicht eher illusorisch.(Klijn/Pain 2007, S.48) Sie

sind meistens nicht in der Lage ausreichend Einkommen zu erwirtschaften, um für ihren Le-

bensunterhalt zu sorgen. Dafür nehmen sie informelle Kredite auf, um diese Einkommens-

quelle zu schließen. Somit geraten sie in eine abhängige Lage zu ihrem Gläubiger, der nicht

pünktliche Rückzahlung und Zinsen erwartet, sondern meist Arbeitsleistung und politische

Unterstützung.

„Afghanistan without doubt can be characterised as an environment of extreme risk and inse-curity. Under such conditions the poor seek protection through the maintenance of and in-vestment in patronclient relations, which reinforce positions of dependency, as illustrated in the Ghor examples of contract labour. This protection system however reduces their long-term choices—The Faustian Bargain—where future prospects are traded against survival and security in the present. In economic terms the poor are risk averse: they sharply discount the future for the immediate present and emphasise loyalty over voice in the absence of exit op-tions. These are elements of the context that undoubtedly contribute to the investment in so-

Page 20: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

19

cial relations and the maintenance of informal credit practices, although how this plays out may be variable according to context and socio-economic status.” (Klijn/Pain 2007, S.48)

Die Strukturen der Großgrundbesitzer sind mit „Herrschaftsstrukturen verbunden, die sich aus

den Eliten der Stämme, der Fürstenfamilien und auch den Familien religiöser Würdenträger

ableiten. In jüngster Zeit sind ökonomisch einflussreiche Schichten wie städtische Händler

und bewaffnete Kommandeure hinzugekommen, die von Gewaltwirtschaft und Drogenhandel

profitieren. Ihren Einfluss machen sie sichtlich geltend, indem sie sowohl in den Handel als

auch in Landbesitz investieren. (Kreutzmann 2006, S.201)

Damit kommen wir zu den Produkten der Landwirtschaft. Zum Großteil werden auf den af-

ghanischen Feldern Nahrungsmittel, hauptsächlich Weizen, für den eigenen Bedarf angebaut.

Daneben spielt auch die Viehwirtschaft eine bedeutende Rolle. Nahrungsmittel und weiter-

verarbeitet Produkte aus der Viehwirtschaft werden auch für regionale Märkte und für den

Export angebaut. Die Landwirtschaft trägt mit der Ausfuhr von frischen Früchten, Trocken-

früchten,, Heilpflanzen sowie Häuten und Fällen mit 45 % zum selbst produzierten Export

bei. (bfai 2008) Erfolgsreichstes Produkt der Landwirtschaft ist jedoch der Schlafmohnanbau,

mit einem geschätzten Exporterlös von 3 Milliarden. Dollar. Die Produktion des Schlafmohns

hat sich seit dem Sturz der Taliban 2001 verzehnfacht. Von 800 Tonnen zu 8000 Tonnen

Rohopium.

„The UN Office on Drugs and Crime (UNODC) reported that in 2007 Afghanistan produced 93% of the world’s opium, on 193,000 hectares with a potential production of 8,200 metric tons. In February 2008, in its winter rapid assessment survey as to what is likely to happen this year, it essentially said “about the same.” (Schneider 2008, S. 1)

Schlafmohn, der illegal produziert und vertrieben wird, ist mittlerweile das wichtigste afgha-

nische Exportprodukt und hat zum Aufbau weiter verarbeitenden Chemielaboren, einer klei-

nen Chemieindustrie gewissermaßen. (Mansfield 2005, S. 37) In diesen Chemielaboren wird

Opium zu Heroin weiter verarbeitet. Das ist, könnte man sagen, das einzige Gebiet, in dem

Afghanistan einen technischen Fortschritt verzeichnet und in der Wertschöpfungskette höher

gerückt ist.

Der Drogenanbau und der Drogenhandel zeichnen sich durch geographische, politi-

sche und sozioökonomische Komponente aus. Die politische Komponente kennzeichnet sich

in der Abwesenheit von staatlichen Dienstleistungen, insbesondere Sicherheit. Der Drogenan-

bau in Afghanistan konnte sich erst im Krieg als Industriezweig etablieren und ist kein freier

Markt, sonder wird von Kriegsfürsten und Drogenhändlern beherrscht. Die geographische

Page 21: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

20

Komponente, dass Drogenanbaugebiete meistens infrastrukturell schlecht oder nicht erschlos-

senen sind korreliert mit der politischen insofern, dass Drogenanbau nur in Gebieten möglich

ist, die den staatlichen Sicherheitsorganen entzogen sind oder diese durch Korruption einge-

bunden sind.

“Anecdotal evidence that many officials at all levels in government are involved in or benefit-ing from drugs” (Byrd, Ward 2004, S. 9) Das heißt auch, dass der Drogenanbau oft in Gebieten stattfindet, die für die staatlichen Orga-

ne schwer zugänglich und kontrollierbar sind oder schwer kontrollierbar sind, weil die Bevöl-

kerung diesen gegenüber feindlich eingestellt ist. Das Letztere ist in der Helmand Provinz,

eines der größten Anbaugebiete, der Fall. Dort ist die geographische Zugänglichkeit zwar

gegeben, doch die Bevölkerung, in der Mehrzahl Paschtunen, bildet eine der Hochburgen des

Widerstandes gegen die ausländischen Truppen. Daneben gibt es Provinzen, die keine Zent-

ren des Widerstandes sind, in der aber die staatliche Kontrolle aus geographischen Gründen

erschwert ist, wie z.B. Badakhshan und Ghor. Zu diesem Wirtschaftszweig, der sich in Kri-

senzeiten etablieren konnte, passt auch, dass die Opportunitätskosten zum Drogenanbau, der

mit wenig Infrastruktur auskommt, relativ gering sind. Auch die Beschaffenheit von Schlaf-

mohn, der mit weniger Wasser auskommt als andere Getreidesorten, tut sein Übriges. Gerade

in Afghanistan, wo Wasser insbesondere auf wenig erschlossenen Anbaufeldern Mangelware

ist.. Dazu lässt sich Rohopium unkompliziert lagern und durch sein viel kleineres Volumen-

Ertrag Verhältnis auch leichter transportieren. (Mielke 2006, S. 209ff.)

Ein Beweis dafür, dass die oben genannten Gründe die Drogenökonomie begünstigen, zeigt,

dass es in anderen Gegenden Afghanistans nicht zum Anbau von Mohn kommt, weil Alterna-

tiven durch gute biologische Konditionen, eine bessere Infrastruktur, egalitäre Landverteilung

und die Verfügbarkeit von Arbeitskräften gering ist.

“Firstly, in contrast to Balkh and Helmand, the Kunduz irrigation system suffers less water scarcity. Moreover, a rising water table downstream biophysically restricts opium poppy cul-tivation. Secondly, in the better-drained areas, the availability of water allows for the cultiva-tion of both rice and cotton, which offer good returns. Kunduz has long had a labour deficit, attracting migrant labour from elsewhere. It also has a history of food security and relative land-access equality. These factors all point to an absence of the key drivers that have fuelled opium poppy cultivation elsewhere.” (Mansfield/Pain 2006, S.12)

Die sozioökonomische Komponente des Drogenanbaus und –handels wiederum besteht in

einer Kette von (Abhängigkeits-) Verhältnissen zwischen Kleinbauern, Kleinpächtern, Land-

arbeitern, Aufkäufern, Landeigentümern, lokalen Machthabern, Großhändlern und hohen Re-

gierungsvertretern. Das Verhältnis bzw. der Vertrag zwischen Kleinpächtern bzw. Kleinbau-

ern und den Aufkäufern gestaltet sich ähnlich wie ein informeller Kredit. Byrd und Ward ge-

Page 22: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

21

hen von ca. 350000 Kleinpächterhaushalten aus, die Drogen anbauen. (Byrd/Ward 2004, S.5)

Ein (niedriger) Festpreis, meist die Hälfte des Preises, den die Ernte auf dem Markt einbrin-

gen könnte, wird schon vor der Saat festgemacht und ausbezahlt. In diesem Zahlungssystem,

„salaam“ genannt, übernimmt zwar auch der Käufer ein Risiko, er bekommt eventuell seine

Ware nicht, aber im Fall einer Missernte ist der Bauer trotzdem verpflichtet seine Schuld zu

begleichen. (Mansfield 2004, S. 38) Dies kann schnell in ein Schuldverhältnis führen, beson-

ders dann, wenn der Bauer von Schlafmohn der marginalen Schicht angehört und ohnehin

unter dem Subsistenzminimum produziert, keine Möglichkeit zu Tilgung hat.

“UNODC survey data suggest a higher proportion of poppy farmers than others took out loans in 2003, in larger amounts, and poppy farmers tend to have more accumulated debt from pre-vious years. Small farmers tend to cultivate poppy more intensely than large farmers.” (Byrd, Ward 2004, S.9)

Zwar erhält der Bauer, der Mohn anbaut von dem Aufkäufer bis zu zehn Mal soviel wie für

eine legale Getreidesorte, aber diesen Einnahmen stehen Kosten gegenüber, die beim regulä-

ren Getreideanbau nicht anfallen. Ein Faktor, der die Ausgaben der Bauern, die Mohn anbau-

en, in die Höhe treiben, ist die Aufzucht des Mohns an sich. Mohn ist im Vergleich zu Weizen

sehr arbeitsintensiv. Obwohl in der Regel auch Frauen und Kinder auf dem Feld mitarbeiten,

reicht der Einsatz sämtlicher Familienmitglieder nicht. Hier zeigen sich wiederum empirisch

die gesellschaftlichen Chancenunterschiede zwischen wohlhabenderen Haushalten und denen

von Kleinpächtern. Es ist zu beobachten, dass Kinder von Kleinpächtern in den Saat- und

Erntemonaten nicht in die Schule gehen, im Vergleich zu ihren reicheren Schulkollegen, die

dies in der Regel weiterhin tun. Wegen der Arbeitsintensität im Mohnanbau ist es unerlässlich

Landarbeiter für das Säen und das Ernten des Mohns einzustellen. Ca. 500000 Landarbeiter

ziehen je nach Saat- und Erntezeitpunkt in die verschiedenen Mohnanbaugebiete und bilden

eine noch ärmere Gruppe unter den Marginalen. Noch zwei weitere Faktoren treiben die Kos-

ten für den Mohnanbau in die Höhe. Erstens eine Art Drogensteuern bzw. Bestechungsgelder

an die lokalen Inhaber der Machtstrukturen, seien es Aufständische, Kriegsfürsten, Komman-

deure oder sogar staatliche Angestellten. (Mansfield 2006b, S.5) Zweitens die Pacht an den

Landeigentümer, von dem der Kleinbauer das Land pachtet, auf dem er Mohn anpflanzt, falls

er kein eigenes oder nur wenig hat. Dabei erhält der Landeigentümer meistens ¾ der Ernte.

„A few actors profit, while most have no say in the development of their own society.”

(Rubin, 2000, S.1789)

Die ca. 15000 Aufkäufer im Land verkaufen ihr Rohopium in Opium Bazars weiter an Groß-

händler. Diese lassen das Rohopium im Land zu Heroin weiterverarbeiten, lassen es über die

Grenze schmuggeln und verkaufen es dort weiter. Diese Großhändler stehen auch in Verbin-

Page 23: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

22

dung mit der nationalen Bürokratie, meist Distriktgouverneure und höhere Regierungsvertre-

ter und lassen sich diesen Handel gewissermaßen Konzessionieren.

Die einschlägigsten Handelsrouten verlaufen über den Iran Richtung Türkei und Balkan, die

so genannte Balkanroute und über Turkmenistan, Usbekistan oder Tadschikistan Richtung

Russland, die baltischen Staaten und Osteuropa, die so genannte Nördliche Route. Weitere

Märkte sind in Pakistan, Indien und China. Die Wertschöpfungsspanne sieht zurzeit wie flogt

aus: 100 US-Dollar pro Kg Rohopium, die der Bauer bekommt im Verhältnis zu 1000 US-

Dollar pro Kg Rohopium, die der Großhändler auf iranischen Opium Bazars gezahlt be-

kommt. Dabei schwanken die Preise übers Jahr hinweg relativ stark, mit einem Minimum zur

Erntesession und einem Maximum zur Saatzeit, und fallen seit ihrem Hoch 2004 mit 170 Dol-

lar pro Kg wieder in Richtung des Niveaus der 90ziger Jahre des letzten Jahrhunderts mit 90

Dollar pro Kg.

An diesem Preisverfall kann das makroökonomische Gewicht der Drogenindustrie unter ande-

rem aufgezeigt werden. Dies war 2004 der Fall, als die Preise stark gefallen waren und ver-

mutete 800 Millionen US$ an Einkommen für die Bauern verloren ging. Bei einem BIP von

6,2 Mrd. kann von einem makroökonomischen Schock gesprochen werden. Die Drogenin-

dustrie sichert das Einkommen von Kleinbauern, Landarbeitern und anderen Arbeitern, die in

der Drogenindustrie beschäftigt sind, erzeugt dadurch in Afghanistan Nachfrage. Mit dem

dort gewonnenen Geld werden je nach Position in der Wertschöpfungskette Nahrungsmittel,

Dienstleistungen, Konsumgüter, hochwertige Güter (wie Autos, Fernsehapparate usw.), Im-

mobilien usw. erworben. Für 1/3 des BIPs verantwortlich ist die Drogenindustrie ein wichti-

ger Impulsgeber für andere wirtschaftliche Aktivitäten. Würde die Drogenökonomie mit in

die offizielle Handelsbilanz hinzugerechnet, wäre diese ausgeglichen. Sie trägt zur Handelsbi-

lanz ca. 1 Milliarde US$ jährlich bei. Von ihr gehen aber auch negative makroökonomische

Aufwirkungen aus. Da Unmengen von Devisen ins Land geführt werden, kann die Drogen-

ökonomie zur so genannten „Holländischen Krankheit“ führen. Dies ist in Afghanistan auch

aufgrund der Entwicklungshilfegelder der Fall.

„Afghanistan’s real exchange rate appreciated by an estimated 24% in 2001/02, 0% in 2002/03, and 13% in 2003/04. But aid and remittances also could have contributed to possible “Dutch disease” effect.” (Byrd, Ward 2004, S, 9) Weitere Gefahren sind, dass erstens die Regierung riskiert ihr internationals Ansehen und

damit internationale Ressourcen zu verlieren, wenn sie in der Drogenbekämpfung nicht er-

folgreich ist. Zweitens ist der Einbruch der Drogenökonomie in die ländliche Wirtschaft so

stark dominierend, dass z.B. informelle Kredite, Pachtanbau sowie sozialer Status nur verge-

ben werden, wenn sie in Zusammenhang mit Mohnanbau stehen und somit fast alle gesell-

Page 24: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

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schaftlichen Strukturen durchdringt. Drittens wächst die Gefahr, dass die Drogenabhängigkeit

im eigenen Land höher wird.

"Limited data suggest an addiction rate of 0.6% in part of the country, but it could well be higher and rising.” (Byrd, Ward 2004, S. 9)

Zahlen und Fakten zur afghanischen Industrie sind kaum vorhanden. Es lässt sich

davon ausgehen, dass zwanzig Jahre Krieg eine verheerende De-Industrialisierung bewirkt

haben. Die afghanische Industrie, die allerdings auch vor dem Krieg sehr gering war, basierte

zum überwiegenden Teil auf dem Lebensmittelverarbeitendem Gewerbe. Dieses befand sich

schwerpunktmäßig im Norden, um Masar-i-Sharif, Kundus und der Hauptstadt Kabul. (Fuji-

mura, 2004, S. 109ff.) Erste zaghafte Versuche des erneuten Aufbaus der Konsumgüterindust-

rie stellen z.B. der Wiederaufbau der Zuckerfabrik in Baghlan oder der Wiederaufbau Fabrik

zur Herstellung von Medikamenten in Kabul oder dem Einrichten von Industrieparks in Ma-

sar-i-Sharif, Herat und Kabul dar. (Böll 2007) Die Investitionsgüterindustrie besteht haupt-

sächlich in der Gewinnung von Energie und der Förderung von Rohstoffen. Dazu gehören

Wasserkraftwerke, die den Krieg unbeschadet überstanden haben, Bergwerke, in denen Kohle

gefördert wird, sowie Erdgasfelder. Weitere natürliche Ressourcen sind Vorkommen an Gas,

Chrom, Kupfer, Eisen, Lapislazuli, Beryll und Salz. Gas, Kohle und Salz werden abgebaut.

Weniger häufig kommen Gold, Silber und Uran vor. Öl wurde zwar entdeckt, aber noch nicht

erschlossen. (Library of Congress – Federal Research Division Country Profile: Afghanistan

2005) Weiter werden in der Investitionsgüterindustrie Zuliefermaterial für die Bauwirtschaft

produziert, wie z.B. Zement und Baustoffe. Diese haben stark von den akquirierten Geldern

aus der Drogen- und Schmuggelwirtschaft profitiert.

Page 25: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

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(Quelle:http://www.inwent.org/v-ez/lis/afghanistan/landnutzung_wirtschaft.jpg)

Der Dienstleistungssektor trägt 30% zum Bruttoinlandprodukt (BIP) bei. Auch hier

gibt es einen Anteil von legaler und illegaler Wirtschaft. Zum legalen Teil, somit dem Teil,

der in die offiziellen Statistiken einfließt, tragen schwerpunktmäßig die Baubranche, die

Transportbranche und die Telekommunikationsbranche bei. (Böll 2007, S. 3) Der illegale Teil

setzt sich aus dem Schmuggel von illegalen Waren zusammen. Dazu gehört der Schmuggel

von zollfrei importierten Gütern, über Iran und Pakistan in diese Länder zurück. Dieser Reex-

port ist deshalb profitabel, weil Pakistan und Iran restriktive Importgesetzte haben. D.h. Wa-

ren aus Europa und Japan werden nach Iran und Pakistan importiert und dann in diese Länder

zurück exportiert. Das ist möglich, da mit beiden Ländern ein Transit- und Handelsabkommen

besteht, dass Afghanistan erlaubt zollfrei Waren über iranische und pakistanische Häfen ein-

zuführen. (Rubin, 2000, S.1793) Ein weiteres illegales Geschäft ist das Schmuggeln von billi-

gem iranischem Treibstoff. Dieser ist deshalb so günstig, weil Treibstoff im Iran staatlich

subventioniert wird.

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“Devastated Afghanistan has become both the world’s leading producer of opium (75% of world production in 1999) and a transport and marketing corridor where armed groups protect a region-wide arbitraging center where profits are made of policy-induced price differentials. The region in question includes Dubai, the world’s largest duty-free shopping mall; Pakistan, a state where the two ISIs–the Directorate of Inter-Services Intelligence and import-substitution industrialization–have created a highly armed and corrupt society where eco-nomic interest in evading high tariffs and the imperatives of covert action combine to under-mine enforcement of Fiscal rules and public order; Iran, where subsidized gasoline sells for three cents a liter;” (Rubin, 2000, S.1790)

Die Gelder, die dem Staatssektor zufließen, akquirieren sich wie folgt. Das staatliche Budget

wird überwiegend von Entwicklungshilfegeldern subventioniert. Sie machen 90 % des Bud-

gets aus. (Waldman 2008, S.1)Das steuerliche Aufkommen ist mit 6,5% vom Bruttoinland-

produkt eins der niedrigsten Weltweit und zeigt die schwache, offizielle, staatliche Durch-

dringung. Seit 2001 bis 2008 sind ca. 15 Milliarden Dollar nach Afghanistan geflossen, die

eigentlich staatliche Dienstleistung finanzieren und über teils über NRO’s abgewickelt wer-

den und zu 40% wieder .zurück in die Ursprungsländer fließen. Teils über den Gewinn der

mit Entwicklungshilfegeldern gemacht wurde, teil über die Gehälter der Berater. (Waldman

2008, S.1) Auswirkungen sind einerseits schwache staatliche Institutionen, andererseits eine

parallele Bürokratie der inländischen Behörden mit den internationalen NRO’s und den

supragouvernamentalen Institutionen, wie die Weltbank, die UN und ihre Institutionen. Allein

in Kabul sind zum Beispiel an die 1000 NRO’s präsent. Der Zufluss von Entwicklungshilfe-

geldern hat zwei augenfällige Wirkungen. Auf der einen Seite bewirkt er, dass eine Unzahl

von öffentlichen Leistungen bereitgestellt wird, wie Schulen, Krankenhäusern oder Infra-

struktur. Auf der anderen Seite bewirkt die Konzentration der Entwicklungshilfe auf die we-

nigen städtischen Zentren, eine Verteuerung der Lebenshaltungskosten und durch die starke

Nachfrage nach englisch sprechendem und ausgebildeten Personal der internationalen Institu-

tionen und NRO`s, werden die gebildeten Afghanen den staatlichen Behörden abgeworben.

Entwicklungshilfegelder, die über staatliche Kanäle fließen begünstigen andererseits Korrup-

tion und Misswirtschaft.

Aus all diesen Fakten lässt sich eine Strukturierung der afghanischen Wirtschaft

erkennen, die abschließen noch einmal zusammengefasst wird. Die folgende Tabelle zum BIP

in Afghanistan stellt eine Übersicht dar.

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BIP nach Entstehung (in %; 2005/06 *)

Landwirtschaft 39

Industrie 25

Dienstleistungen 34

Importzoll 3

*) Finanzjahr 21.3. bis 20.3.; Differenz durch Runden Quelle: Schätzungen der afghanischen Regierung (Böll 2007, S.3)

Wie aus der Tabelle zu erkennen ist, stellt die Landwirtschaft (ohne Schlafmohnanbau) den

größten Beitrag zum BIP. Daneben folgen der Dienstleistungssektor und die Industrie. Daraus

lässt sich folgern, dass Afghanistan ein unterentwickeltes, d.h. nicht industrialisiertes Agrar-

land ist. Aus der offiziellen Handelsbilanz geht hervor, dass Afghanistan Güter im Wert von 2

Milliarden US$ jährlich mehr importiert als exportiert. Nach Afghanistan werden überwie-

gend billige Konsumgüter des täglichen Gebrauchs aus Pakistan, Indien und China importiert.

Dafür exportiert Afghanistan selbst produzierte Güter im Wert von 300 Millionen US$, wie

Teppiche, Wolle und Trockenfrüchte. Der Reexport schlägt sich mit 1 Milliarde US$ zu Bu-

che. Damit ergibt sich eine negative Handelsbilanz. Es lässt sich daraus folgern, dass der

Drogenexport, Opium und das weiter verarbeitete Heroin, und die Gelder, die durch Korrup-

tion der ausländischen Entwicklungshilfe abgezweigt werden, die 2 Milliarden US$ negative

Handelsbilanz finanzieren. Wahrscheinlich stellt der Anbau und Export von Drogen die grö-

ßere Einnahmequelle dar, denn es fließen lediglich ca. 1,3 Milliarden US$ Entwicklungsgel-

der in das Land, von denen, so wollen wir doch hoffen einiges zur Entwicklungshilfe beiträgt.

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Bevölkerungsgruppen

Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat. Eine Übersicht über die größten ethnischen

Gruppen ihre Sprache und Konfession bzw. Religion bietet die untere Tabelle.

Tabelle: Übersicht über die größten ethnischen Gruppen in Afghanistan, ihre vorherr-schende Sprache und Religion

Ethnie Sprache Konfession

Paschtunen Paschtu Sunniten

Tadschiken Dari (= Persisch) Sunniten

Usbeken Usbekisch Sunniten

Hazara Dari Schiiten

Aimaq Dari Sunniten

Farsiwan Dari Schiiten

Turkmenen Turkmenisch Sunniten

Belutschen Belutschisch Sunniten

Nurestani Nurestani-Sprachen Sunniten

(Quelle: Orywal 1986, 70f.)

Tendenziell gibt es eine Aufteilung der gesellschaftlichen Schichten in Afghanistan nach eth-

nischen Merkmalen. Von einer ethnisch begründeten Ober- Mittel- oder Unterschicht kann

jedoch nicht gesprochen werden. Die Gründe für eine Schichtzugehörigkeit sind eher auf

geographische oder wirtschaftliche Faktoren zurückzuführen. So sind z.B. die Hasaras durch

ihre traditionellen Siedlungsgebiete im zentralen Hochland wirtschaftlich benachteiligt. Ande-

rerseits stellen die Paschtunen tendenziell die staatstragende Schicht. Gruppen der Paschtunen

wiederum, wie z.B. die paschtunischen Kuchi-Nomaden leben aufgrund ihrer traditionellen

Lebensweise und Einkommensart am Rande der Gesellschaft.1

Die zahlenmäßig größte und in der Geschichte Afghanistans dominanteste Gruppe

bilden die Paschtunen, deren Stammesgebiete an der Pakistanischen Grenze bzw. im Grenz-

gebiet Pakistans zu Afghanistan liegen. Die zusammenhängenden Siedlungsgebiete der

Paschtunen, die sunnitische Muslime sind und eine eigene dem persischen ähnelnde Sprache,

das Paschtunische, haben, befinden sich im Süden und Osten Afghanistans sowie in angren-

1 Bei der Zusammenfassung der Bevölkerungsgruppen lehne ich mich an die Darstellungen dieser bei Bernd

Glatzer (Glatzer 2002) sowie Luc van de Goor und Mathijs van Leeuwen (Goor, Leeuwen, 2000).

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zenden Teilen Westpakistans. Kleinere Enklaven gibt es in Kundus und im Westen Afghanis-

tans. Die zweitgrößte Gruppe in Afghanistan bilden die Tadschiken. Das ist eine Sammelbe-

zeichnung für persisch sprechende sunnitische Muslime. Sie stellten überwiegend die Mittel-

schicht, da sie häufig in den großen Städten lebten und historisch den Handel und das Gewer-

be vor allem im Norden Afghanistans dominierten. Hier liegen auch ihre Hauptsiedlungsge-

biete, die an Tadschikistan grenzen. Drittgrößte Gruppe sind die Usbeken, die schwerpunkt-

mäßig an der Grenze zu Usbekistan siedeln. Die Usbeken sind ebenso sunnitische Muslime.

Sie sprechen usbekisch. Die viertgrößte Gruppe sind die schon oben erwähnten Hazara, die

Dari sprechen. Sie stellen die ärmste Bevölkerungsschicht im Land, weil sie im rauen zentra-

len Hochland leben, das mit natürlichen Ressourcen, wie gute Böden und ganzjährig Wasser

tragenden, großen Flüssen zur intensiven Landwirtschaft spärlich ausgestattet ist. Sie sind

Muslime schiitischer Glaubenrichtung und haben einen mongolischen Ursprung. Die restli-

chen Gruppen in Afghanistan sind geringerer Anzahl, die in politischer Hinsicht keine bedeu-

tenden Gruppen mehr stellen. Darunter zählen sowohl andere Ethnien, wie die Aimaq, Farsi-

wan, Turkmenen, Belutschen und Nurestani, die alle der sunnitischen Glaubensrichtung an-

gehören, als auch Angehörige anderer Glaubensrichtungen.

Politisch betrachtet spielen zwar die ethnischen Zugehörigkeiten innenpolitisch eine

gewisse Rolle, es gab jedoch historisch keine Tendenzen zu einer Sezession von Landesteilen,

die überwiegend von einer Ethnie bewohnt werden, obwohl die Siedlungsgebiete der einzel-

nen Ethnien in der Regel die staatlichen Grenzen Afghanistans überschreiten. So erwähnt

Glatzer, dass „sich bei näherem Hinsehen [die Volksgruppen] kulturell weit weniger vonein-

ander unterscheiden, als es die oft beklagten ethnischen Differenzen erwarten lassen.“ (Glat-

zer 2002, S.85) Daraus lässt sich schlussfolgern, dass einerseits die eher regionale Ausrich-

tung der lokalen Eliten und ihrer Verankerung in den Dorf-, Tal- und Stammesstrukturen, die

von der Kammerung des Landes stark begünstigt wird, stärker ausschlaggebend sind, als das

Interesse an nationalen Strukturen. Andererseits sind die heutigen Grenzen Afghanistans Er-

gebnis historisch überregionaler Prozesse, auf deren Bildung die regionalen Eliten keinen

Einfluss hatten, die aber fernerhin regional keine große Rolle spielen. Diese historischen Pro-

zesse und ihr Wirken werde ich im Folgenden grob skizzieren und damit die allgemeine Sys-

tembeschreibung von Afghanistan abschließen.

Historische Pfade und ihre Wirkungen in die Gegenwart

Zwei eigentlich widersprüchliche, geopolitische Phänomene kennzeichnen die afgha-

nische Geschichte. Einerseits überregionale, ja transkontinentale Eingebundenheit und lokale

Page 30: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

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Zersplitterung. Diese Phänomene beherrschten Afghanistan, als es zur Gründung des ersten

afghanischen Reiches 1747 durch Ahmed Shah Durrani führte. Dieser paschtunische Stam-

mesführer schaffte es die zwei Phänomene zu durchbrechen. Er einigte die Stämme und ent-

band Afghanistan aus der politischen Kontrolle durch benachbarte Reiche. Zuvor war die Re-

gion, in dem heute Afghanistan liegt, politisch in drei Teile gespalten. Die Teile gehörten un-

terschiedlichen Reichen und Machtblöcken an. Den Osten mit Kabul beherrschte das indische

Reich der Moguln. Der Westen um Herat wurde vom persischen Reich unter den Safawiden

beherrscht. Der Norden lag unter der Kontrolle usbekischer Fürsten. Das Afghanische Reich,

das im 18 Jahrhundert das zeitweilig größte muslimische Reich war und weit über die heuti-

gen Afghanischen Grenzen hinausreichte, überdauerte nur zwei Generationen. Dies weist auf

die schwierige geopolitische Lage der Region und die schwierigen innenpolitischen Gemen-

gelage. Der Stamm der Durrani, bzw. die Stammeseliten, vermochte es dem ungeachtet eine

Zentralgewalt in der Region zu etablierten. Von 1747 mit Ahmed Shah Durrani bis 1973 mit

dem letzten afghanischen König, Muhamad Zahir Shah, stellte der paschtunische Durrani

Stamm den König in Kabul. Die Grenzen des Königreiches veränderten sich stets mit dem

Auftreten neuer überregionaler Mächte. Auch nach innen gestaltete sich die Festigung der

Zentralmacht als schwierig, weil die meisten Könige seit Durrani innere Aufstände und usur-

pierende Lokaleliten niederzukämpfen hatten. Unter den paschtunischen Stämmen musste

ständig ein prekäres Gleichgewicht gehalten werden. Denn gerade die Kammerung des Lan-

des, die oben beschrieben wurde, führte zu dieser schwachen Ausgestaltung der Zentralgewalt

und zur Präsenz parallel existierender, dezentraler Herrschaftsstrukturen, mit starken regiona-

len Eliteschichten. Diese konnten erst wieder bei der Bedrohung durch eine äußere Macht,

nämlich in Form der britischen Indienarmee 1839-42 im ersten aglo-afghanischen Krieg, ver-

einigt werden.

Obwohl beide Invasionsversuche, einen zweiten Krieg gab es 1878-81, der britischen

Indienarmee erfolgreich abgewehrt werden konnten, beugte sich der damalige afghanische

Herrscher Mohammed Yakub, im Vertrag von Gudamak, dem britischen Druck und übergab

die außenpolitische Vertretung Afghanistans an Großbritannien ab, akzeptierte somit einen

halbkolonialen Status und erhielt dafür jährliche Zuwendungen.

Hier zeigte sich wiederum der Kreuzpunktcharakter Afghanistans (Seidenstrasse, Transitland

vom Arabischen Meer, Indischer Ozean nach Innerasien und zu den Ölquellen des Kaspi-

schen Meeres), denn es geriet erneut in die Interessensphäre von mächtigen Reichen. Dafür

machten die Zahlungen das Königshaus in Kabul unabhängiger von den lokalen Eliten. Durch

die ausländischen Einnahmen konnte das Königshaus das Gewaltmonopol der lokalen Eliten

Page 31: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

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endgültig brechen. Damit verschwand diese Schicht aber nicht, sonder sie wandelte nur ihre

Machtstruktur. Es entstand eine neue Mittelsmännerschicht, die nun eine Art Scharnierfunkti-

on zwischen dem Staat und der vornehmlichen Dorfbevölkerung einnahm. Auf der einen Sei-

te bildeten sie die reiche Oberschicht in den Dörfern, organisierten die wenigen Steuern und

vor allem die Soldatenrekrutierungen für Kabul, auf der anderen Seite schützten sie ihre eige-

ne Bevölkerung, wenn es einen zu starken staatlichen Zugriff auf die Ressourcen der Region

ihres Verantwortungsbereiches gab. (vgl. Grevenmayer 2000) Versuche zur Etablierung eines

modernen Staates, mit einer königstreuen Bürokratie misslangen. So wurde Amanullah Khan,

der nach der Unabhängigkeit von England 1919 verstärkt versuchte hatte das Land zu moder-

nisieren, 1929 gestürzt. Die Staatsmacht in Kabul war stets auf die regionalen Eliten angewie-

sen und versuchte nun diese in ihren Beamtenapparat einzubinden.

Auch die Geschichte des 20. Jahrhunderts änderte nichts an den zentralen Phänome-

nen, der überregionale Eingebundenheit und der regionale Zersplitterung. Im Gegenteil, die

Situation verschärfte sich. Seit dem Einmarsch der Roten Armee 1979 bis heute ist jeder Ver-

such inländischer (Bürgerkriegsparteien, Taliban, Mujahedein) und ausländischer Kräfte

(Russland und jetzt USA und die westliche Gemeinschaft) der Etablierung einer zentralen

Staatsmacht nicht oder noch nicht gelungen.

3.2 Mustererfassung - Variablen des sozioökonomisc hen Systems Afghanis-

tan

Das Sensitivitätsmodell von Vester geht davon aus, dass mit wenigen Variablen ein

hochkomplexes System abgebildet werden kann. Der Vorteil liegt, wie erwähnt, in der gerin-

gen Anzahl, und somit in der Übersichtlichkeit und Handhabbarkeit eines solchen Modells.

Die Nachteile liegen demgegenüber in der Schwierigkeit die richtigen Variablen auszuwäh-

len. (Bonkowski, Romp 1998, S. 9) Um die Auswahlmöglichkeit der Variablen einzuschrän-

ken werde ich in dieser Arbeit die Variablen nach drei Gesichtpunkten auswählen. Als Erstes

gibt Vester mit der Kriterienmatrix in seinem Sensitivitätsmodell unbedingte Faktoren bzw.

Themenbereiche vor, die von Variablen abgedeckt werden müssen. Dazu ist in dieser Arbeit

als Zweites wichtig, auf den Fall Afghanistan speziell einzugehen. Diese ergeben sich aus der

Systembeschreibung, die im obigen Kapitel vorgenommen wurde. Als drittes Korrektiv dient

der Elsenhans’sche Ansatz, der wesentliche Systemvariablen vorgibt. Diese Dreifachbegrün-

dung der Variablen soll einerseits verhindern, nicht zu wenige Variable zu identifizieren und

dadurch einseitig zu werden, anderseits die Anzahl der Variablen modellierbar zu halten.

Page 32: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

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An den sieben Lebensbereichen von Vester orientierend, werden zuerst die Variabeln,

die die Akteure des Systems betreffen definiert. Daraufhin werden die Variablen der Wirt-

schaft, hier besonders die in Afghanistan typischen Rentenquellen bzw. Profitquellen einbe-

zogen. Im Anschluss daran werden Variabeln zum Raum, den Ressourcen und der Infra-

struktur Afghanistans aufgenommen, um dann auch Variablen der Humanökologie und der

inneren Ordnung zu beachten.

Im Folgenden werden die Variablen aufgelistet, die nach oben beschriebenen Ge-

sichtspunkten, meiner Meinung nach, für das System Afghanistan von Bedeutung sind. Im

Anschluss daran werden die einzelnen Variablen ausgearbeitet. Es wird begründet, weshalb

die einzelnen Variablen in das Systemmodell einbezogen werden und wie sie sich konkret

zusammensetzen. Zudem wird die direkte Wechselwirkung zu andern Variablen des Systems

angesprochen sowie der proportionale und überproportionale Einfluss beschrieben. Im An-

schluss an die Ausarbeitung der Variablen die Wechselwirkungen in einer Cross-Impakt-

Matrix, einer Einflussmatrix dargestellt.

3.2.1 Variablensatz des Systems Afghanistan

1. Steigendes Bevölkerungswachstum

Das Bevölkerungswachstum in Afghanistan ist als Variable wichtig. Ein hohes Bevölke-

rungswachstum ist nach Elsenhans ein Verstärker für das Auftreten von Marginalität. Das

Bevölkerungswachstum in Afghanistan ist mit 2,9 % und mit 6,5 Kindern pro Frau eines der

höchsten weltweit. Eine Veränderung des Bevölkerungswachstums wirkt auf die Variable

Anzahl der Marginalen. Eine Verringerung des Bevölkerungswachstums würde den Über-

schuss an Arbeitskräften regulieren. Dieser Mechanismus betrifft auch die Variable Anzahl

der Eigentümerbauern. Durch die Tradition der Erbteilung wird das Land auf die Kinder auf-

geteilt, was wiederum dazu führt, dass bei vielen Kindern das Land zur Subsistenz nicht

mehr beiträgt.

2. Anzahl der Marginalen

Die Anzahl der Marginale ist die Schlüsselvariable in einem unterentwickelten Land. Wie

oben erläutert, kann es zu einer selbst tragenden, industriellen Entwicklung nur kommen,

wenn Marginalität beseitigt bzw. eingedämmt wird. D. h. die Anzahl der Marginalen ist eine

Zielvariable für Entwicklung Aus der afghanischen Wirtschaftsstruktur geht hervor, dass all

die von Elsenhans bedingenden Indikatoren für Marginalität in Afghanistan auftreten, sprich

hohes Bevölkerungswachstum, geringe Produktivität in der Landwirtschaft, begrenzte land-

Page 33: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

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wirtschaftliche Ressourcen, Grenzproduktivität geringer als die Reproduktionskosten, es herr-

schen vermachtete Klientelbeziehungen. Unter Marginale können alle Kleinpächter, Klein-

bauern und Landarbeiter gerechnet werden. Des Weiteren gibt es eine rasant wachsende urba-

ne Marginalenschicht. Diese setzt sich zusammen aus zurückkehrenden Flüchtlingen aus dem

Ausland und Binnenflüchtlingen. Beide Gruppen haben entweder ihr Land aus Kriegsgründen

verloren oder sehen für sich keine Existenzmöglichkeit in der Landwirtschaft. Zur urbanen

Marginalenschicht gehören auch Frauen und Kindern, die keine familiäre Gebundenheit ha-

ben und deshalb gesellschaftlich einen niedrigen Status einnehmen, in der Regel Witwen und

Weisen. Diese sind auf die Hilfsprogramme und die Zuwendungen aus den Administrationen,

seien sie von internationalen NRO’s oder der afghanischen Regierung, angewiesen. Diese

Variable hat eine Wechselwirkung mit dem Bevölkerungswachstum, der Anzahl der produk-

tiven Eigentümerbauern, der Entwicklungshilfe, mit (gut bezahlte) Arbeitsplätze in der In-

dustrie, dem Lebensstandart. Das Wachsen der Marginalen erhöht das Stadt-Land Gefälle.

Die Erhöhung der landwirtschaftlichen Nutzfläche kann Marginalität senken.

3. Anzahl der produktive Eigentümerbauern

Bei dieser Variable handelt es sich sind um Bauern, die noch genügend Land haben, um ihre

Selbstversorgung zu gewährleisten und die sich in keinen Schuld- und Abhängigkeitsverhält-

nissen befinden. Zwar sind auch solche Bauern in informellen Kreditnetzwerken eingebun-

den, mit dem Unterschied aber, dass sie meist eine Tilgungsmöglichkeit haben und im Notfall

auf Substanz in Form von Land oder Vieh zurückgreifen können. (Klijn 2007, S.13) Diese

Gruppe ist für die Entwicklung des Systems relevant, weil sie eine der anzustrebenden Ziel-

schichten der marginalen Bevölkerungsgruppe darstellt. Die Variable hat folgende Wirkung.

Der Erhöhung der Anzahl der produktiven Eigentümerbauern würde eine Reduzierung der

Großgrundbesitzer bedeuten. Dies würde auch die Produktivität in der Landwirtschaft erhö-

hen, da sie im Wettbewerb zueinander stünden. Der Anteil der genutzten Flächen in der

Landwirtschaft würde erhöht, ebenso der Lebensstandart. Das Stadt-Land Gefälle würde ver-

ringert werden.

4. Macht der Großgrundbesitzer oder Mittelsmänner

Diese Variable betrifft die unterste Schicht der Staatsklasse. Die Entwicklung dieser Gesell-

schaftsschicht leitete sich in Afghanistan aus alten dezentralen Herrschaftsstrukturen heraus,

die jedoch eine wichtige Mittlerfunktion zwischen der Zentralmacht in Kabul und den dörfli-

chen Strukturen innehatten. Sie stellen die klassische lokale Elite dar. Diese Variable hat in

Page 34: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

33

den ländlichen Bereichen Afghanistans eine wichtige, wirtschaftliche und politische Schlüs-

selstellung. Die Ausgestaltung dieser Variable, d.h. die Varietät von Machtausübung dieser

Mittelmänner, ist je nach Region sehr unterschiedlich. (Glassner 2006, S. 53ff) Der Kern-

punkt besteht in der Verantwortung für die dezentrale Gestaltung der Staatsklasse. Je nach

Rahmenbedingung bzw. Verhalten dieser Variable, lässt sich eine Veränderung im positiven

oder negativen Sinne für Entwicklung im Land ausgestalten. Die Handlungsmöglichkeiten

eines solchen Mittelsmannes, wie sie z.B. bei Bernd Glatzer am Beispiel eines ‚khans’ be-

schrieben werden, zeigen auf, welche Wirkung von dieser Variablen ausgehen kann.

„Wer solche Fähigkeiten im überdurchschnittlichen Maß besitzt und obendrein in der Lage ist, seinen Anhängern materielle Vorteile zu verschaffen, indem er ihnen externe Ressourcen zugänglich macht, wird traditionellerweise ‚khan’ genannt. Diese Ressourcen kann eine Stra-ßensperre einbringen, an der von Reisenden Mautgebühren erpresst oder von Nomaden hohe Weideabgaben kassiert werden; ein ‚khan’ kann staatliche oder internationale Hilfsgüter ein-werben und umverteilen, seinen Anhängern Jobs im nahen Straßenbau verschaffen, eine NRO ins Dorf holen oder den größeren Teil der amerikanischen Zuwendungen an seine Anhänger weitergeben, die er für seine Mithilfe beim‚Enduring Freedom’ erhält; es gibt also viele Mög-lichkeiten, Ressourcen ausfindig und nutzbar zu machen, um damit Klienten an sich zu bin-den. Der ‚khan’ wird gerufen, um Streit zu schlichten, und er fungiert als Sprecher seiner An-hänger.“ (Glatzer, 2005, S.88)

Diese Variable beeinflusst die Anzahl der Marginalen, die Anzahl der Eigentümerbauern, die

progressiven Kriegsfürsten sowie die Kabuler Regierung, dadurch die prekäre Sicherheitslage

und den Stadt-Land Gefälle.

Andererseits ist die Macht der Mittelsmänner, im Vergleich zu der nächst höheren Stufe der

Staatsklasse, den Kriegsfürsten, geographisch und wirtschaftlich begrenzt, weil ihre Position

sehr stark von der Landwirtschaft abhängig ist.

“A different culture of dependency developed on the other side. Food production fell by half to two-thirds as Soviet counterinsurgency devastated the rural economy. This destruction not only impoverished the rural population but weakened the elites whose power depended on control of rural resources.” (Rubin 2000, S. 1793)

Diese Variable ist abhängig vom ariden Klima und von der potentiellen landwirtschaftlichen

Nutzungsfläche.

5. Einfluss der Drogenhändler (Großhändler, Kleinhändler)

Diese Variable ist wichtig, weil sie für 1/3 des BIPs in Afghanistan verantwortlich ist. Die

Zahl der Drogenhändler bewegt sich zwischen 15000 Kleinhändlern und 30 – 40 Großhänd-

lern. (Byrd, Ward 2004, S.6) Drogenhändler agieren im illegalen Bereich und sind somit an

der Beeinflussung mehreren Variablen des afghanischen Systems interessiert. Dazu gehören

Page 35: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

34

eine prekäre Sicherheitslage, eine korrupte rentenabhängige Kabuler Regierungselite, eine

hohe Anzahl von Marginalen, die den Drogenanbau und –Handel kostengünstig produzieren

können, und der Schmuggel, denn damit teilen sie sich die Kosten des Transportes. Sie erhö-

hen damit das Stadt-Land Gefälle und die Korruption.

6. Macht der progressive Kriegsfürsten (Warlords)

Diese Variable bezeichnet die regionalen Machthalter des afghanischen Staatsklassensystems.

Sei besitzen, ähnlich den Großgrundbesitzern und Mittelsmännern, zivile und ökonomische

Macht. Zudem verfügen sie über bedeutende militärische Machtmittel. Sie sind die Gewinner

der letzen zwanzigjährigen Kriegsperiode. Zurzeit gibt es ca. 16 Warlords (Stand. Glazer

2002). Der Großteil von ihnen bildet seit 2001 die mächtigste Schicht in der Staatsklasse.

Manche von ihnen, wie z. B. Gulbuddin Hekmatyar, haben sich jedoch nicht der Staatsklasse

angeschlossen und ein Regierungsamt übernommen. Sie bilden den derzeitigen politischen

und militärischen Widerstand im Land. Die Variable der Warlords ist von entscheidender Be-

deutung. Sie und ihre Klientelnetzwerke sind die hauptsächlichen Nutznießer der Rentenein-

kommen im Land. Sie leiten Entwicklungshilfe, Konzessionieren den Drogenanbau, kontrol-

lieren den Schmuggel oder nehmen Zölle ein.

“Die ‘warlords’ unterscheiden sich von einfachen Kriegs- und Milizkommandanten dadurch, dass sie umfassende Macht in fast allen militärischen, zivilen und ökonomischen Bereichen einer Region ausüben.“ ….“In allen Fällen benötigen die ‚warlords’ finanzielle Einkünfte, um ihre Streitkräfte zu bezahlen. Meist sind dies Zolleinnahmen, die nicht an die Staatskasse ab-geführt werden, Zwangsabgaben aus der Bevölkerung, Zuwendungen aus dem Ausland und Einnahmen aus Schmuggel und Drogenexport.“ (Glatzer 2005, S. 97)

Aus dieser Position heraus ist diese Variable an einer prekären Sicherheitssituation und am

Stadt-Land Gefälle interessiert, weshalb sie eine überregionalen Verkehrs- und Energieinfra-

struktur behindert. Sie steht zudem in einer Wechselwirkung mit einer unabhängigen Unter-

nehmensschicht, eine überregionale Verkehrs- und Energieinfrastruktur, der Prosperität des

Drogenhandels und des Schmuggels.

7. Rentenabhängige Kabuler Regierungselite

Diese Variable ist deshalb wichtig, weil sie die Führungsspitze der Staatsklasse darstellt. Sie

setzt sich zusammen aus den Feldzugsgewinnern aus 2001. Dazu gehören die Führungsspitze

der Nordallianz, die ihre Hausmacht im Norden von Afghanistan stützen und zurückgekehrte

Exilafghanen um Hamid Karzai, die sich Teils auf paschtunische Stämme stützen und durch

das Ausland gefördert werden. Diese Variable finanziert sich ähnlich, wie die Kriegsfürsten

Page 36: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

35

durch Renteneinnahmen. Zentrale Einnahmequelle ist die Entwicklungshilfe, die von der Re-

gierungselite kanalisiert wird. Durch Korruption, Aufblähung der Bürokratie und Misswirt-

schaft wird ein Teil der internationalen Entwicklungshilfegelder in Klientelnetzwerke umge-

leitet. Neben der Entwicklungshilfe ist aber auch der Drogenhandel eine wichtige Einnahme-

quelle. Diese Variable ist eine wichtige Schlüsselvariable. Sie wirkt mit ihrer Sozial- und

Förderungspolitik stark auf die Anzahl der Marginalen sowie die Anzahl der produktiven Ei-

gentümerbauern, der Freie Unternehmer, der Grenzproduktivität in der Landwirtschat, der

Produktivität in der Landwirtschaft, der Verkehrs- und Energieinfrastruktur und der sozialen

Infrastruktur. Des Weiteren nimmt sie Einfluss auf die prekäre Sicherheit und auf die Korrup-

tion. Sie selbst wird beeinflusst von der Macht der Großgrundbesitzer und der Mittelsmänner-

schicht, von der Macht der Kriegsfürsten und der Korruption.

8. Freie Unternehmer

Eine statistisch signifikante Schicht von Freie Unternehmern gibt es in Afghanistan nicht.

Sogar das Vorhandensein freier Märkte ist in dem Land eingeschränkt. (vgl. Patterson 2006,

S. 8) Es gibt zwar vereinzelte ausländische Investitionen, wie z.B. die Zuckerfabrik in Bagh-

lan oder die CocaCola Abfüllanlage in Kabul, diverse Hotelketten usw., aber inländische Un-

ternehmen von signifikanter Größe, die ausschließlich von Profit leben und nicht auch in ille-

gale Geschäfte involviert sind, gibt es nicht. Einen freien Unternehmerischen Mittelstand ist

nicht vorhanden. Diese Variable ist jedoch insofern wichtig, da sie eine Zielvariable von Ent-

wicklung ist. Ein freies industrielles Unternehmertum würde (gut bezahlte) Arbeitsplätze

schaffen und damit Arbeitsangebote für die Marginalen bereitstellen, würde Steuern zahlen

und damit die Regierung unabhängig von Renteneinnahmen machen. Zudem würden Unter-

nehmen im Landwirtschaftssektor die Produktivität, die Grenzproduktivität und die landwirt-

schaftliche Nutzfläche erhöhen. Ein freies Freie Freies Unternehmertum hätte ein Interesse

am Senken der Korruption, weil es die Transaktionskosten senkt.

9. Landwirtschaftliche Grenzproduktivität

Diese ist eine Variable, die der Ansatz von Elsenhans vorschlägt. Sie ist wichtig, da sie an-

gibt, wann die Variable der Anzahl der Marginale steigen oder fallen kann. Die Grenzproduk-

tivität gibt an, wie viel der zuletzt eingesetzte Arbeiter produziert. Je höher die Grenzproduk-

tivität, desto mehr Arbeiter können gewinnbringend eingesetzt werden. Die Grenzproduktivi-

tät kann beeinflusst werden, indem der richtige technische Fortschritt eingesetzt wird, z. B.

grüne Revolution. Im Fall Afghanistan hat der Anbau von Mohn die Grenzproduktivität e-

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norm gesteigert, da erstens für die Produktion sehr viele Arbeiter eingesetzt werden müssen

und zweitens Mohn einen sehr hohen Marktwert hat. Die Problematik in diesem Fall besteht

darin, dass der Drogenmarkt illegal und nicht unter Bedingungen der freien Marktwirtschaft

produziert und vermarktet wird, sonder stark vermachtet ist. Die Grenzproduktivität könnte

gesteigert werden von Unternehmen, von der rentenabhängigen Kabuler Regierungselite, von

Entwicklungshilfe, von Drogenanbau und -handel und von der Erhöhung der landwirtschaftli-

chen Nutzfläche.

10. Landwirtschaftliche Produktivität

Diese Variable ist wichtig, da ihre Veränderung auf viele Variable einwirken würde. Die Pro-

duktivität der Landwirtschaft gibt die Produktivität pro Arbeiter an. In Afghanistan, wo 2/3

der Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt sind, ist diese Variable von entscheidender

Bedeutung für die Entwicklung. So konnte in den letzten sechs Jahren die landwirtschaftliche

Produktionsmenge an Weizen durch die Modernisierung der Produktion und aufgrund guten

Wetters, von 2 Millionen Tonnen auf 4, 6 Millionen Tonnen mehr als verdoppelt werden. Die

Unabhängigkeit vom Weltmarkt konnte aber noch nicht erreicht werden, es werden immer

noch 700.000 Tonnen für die Selbstversorgung benötigt. Diese Variable hat positive und ne-

gative Auswirkungen auf andere Variablen im System Afghanistan. Wenn die Produktivität

erhöht wird, ohne dass die Grenzproduktivität steigt, steigt die Anzahl der Marginalen im

Land. Andererseits kann sie einen positiven Einfluss haben, wenn gleichzeitig die Grenzpro-

duktivität erhöht wird, d.h. wenn durch einen technischen Fortschritt oder strukturelle Um-

wandlungen mehr Arbeiter benötigt werden. Weiterhin kann die Steigerung der Produktivität

sowohl eine Stärkung der produktiven Eigentumsbauern als auch der Macht der Großgrund-

besitzer und Mittelsmänner und der Macht der Kriegsfürsten bewirken. Für die Beseitigung

der Marginalität, ist bei dieser Variable, auf die genaue Art und Weise der Produktivitätsstei-

gerung und ihrer Folgen zu achten.

11. Drogenanbau und Drogenhandel

Diese Variable macht zurzeit 1/3 des BIPs in Afghanistan aus. Der Drogenanbau und –handel

wirkt ambivalent auf die Anzahl der Marginalen. Einerseits ist durch die Erhöhung der

Grenzproduktivität eine hohe Anzahl von Marginalen in eine profitable Beschäftigung ge-

kommen und hätten, wenn es einen freien Drogenmarkt gebe, die Chance aus der Marginalität

zu entkommen. Da jedoch der Drogenmarkt, wie oben gezeigt, vermachtet ist, ist dies in Af-

ghanistan nicht eingetreten. So stieg die Marktnachfrage nach ungelernten Landarbeitern 2003

Page 38: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

37

so stark an, dass ihre Arbeitskraft das Elffache mehr erbracht hat, als auf legalen landwirt-

schaftlichen Märkten. Daraufhin sanken die Preise für Schlafmohn wieder rapide. Dies lässt

die Vermutung nahe, dass die Großhändler ein Teil ihrer Vorräte aufgelöst haben, um den

Preis zu senken. (Byrd, Ward 2005, S.5)

Der Drogenanbau und –handel wirkt außerdem noch auf die Korruption, Macht der progressi-

ven Kriegsfürsten und die Erhöhung der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Wiederum würde

der Drogenanbau durch die prekäre Sicherheitslage, durch gut bezahlte Arbeitsplätze in der

Industrie, durch eine gute Verkehrs- und Energiestruktur, durch den Lebensstandart und durch

die Korruption beeinflusst werden.

12. Schmuggel

Die Variable Schmuggel stellt eine der Haupteinnahmen der progressiven Kriegsfürsten und

etabliert somit deren Macht. Der Schmuggel hat eine starke Wechselwirkung mit der Variable

Korruption Schmuggel wird zudem einerseits beeinflusst von der Kammerung des Landes, die

ihn teilweise ermöglicht und andererseits durch die Zollgesetzgebung der Nachbarländer, die

ihn überhaupt profitabel bzw. sinnvoll macht.

13. Entwicklungshilfe

Die Variable Entwicklungshilfe ist in Afghanistan neben der Drogenökonomie und dem

Schmuggel eine der Haupteinnahmequellen des Landes. Die Entwicklungshilfe setzt sich zu-

sammen aus staatlichen und zivilgesellschaftlichen Zuflüssen. Diese Gelder werden in Af-

ghanistan wiederum über zwei Kanäle verteilt. Erstens über die afghanische Administration

und zweitens über die Organisationen der Entwicklungshilfegeber selbst. Diese Variable be-

einflusst über seine Programme direkt die Anzahl der Marginalen und sie wirkt auf die Macht

der Großgrundbesitzer- und Mittelsmänner, indifferent ob sie die Gelder nach Projektsinn

weiterleiten oder in ihre Klientelnetzwerke verteilen. Im selben Stil wirkt Entwicklungshilfe

Macht fördernd auf die Kriegsfürsten und die Kabuler Regierungselite. Des Weitern kann sie

Unternehmen fördern, Grenzproduktivität und Produktivität in der Landwirtschaft steigern,

landwirtschaftliche Nutzfläche steigern, zur Ausbeutung der Bodenschätze beitragen, Ver-

kehrs- und Energieinfrastruktur sowie die soziale Infrastruktur ausbauen. Diese Maßnahmen

können alle den Lebensstandard steigern. Ebenso kann durch Entwicklungshilfeprogramme

die prekäre Sicherheit gesenkt werden. Demgegenüber kann die Entwicklungshilfe die Kor-

ruption stark fördern und indirekt negative Einflüsse auf die eben aufgezählten Variabeln ha-

ben. Diese Ambivalenz von Entwicklungshilfe führt dazu, dass die staatlichen Kanäle oft um-

Page 39: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

38

gangen werden, was nach Rubin zu einer weitern Ambivalenz von Entwicklungshilfe führt,

nämlich der Schwächung der ohnehin schwachen staatlichen Organe.

“The way that we deliver aid in Afghanistan and in many other places actually undermines that effort because it puts the money largely outside of government channels and forces the government to divert a lot of its energy to responding to 60 different donors.” (Rubin 2008, S. 10) D.h., diese Variable kann aufgrund der finanziellen und strukturellen Stärke wichtige Impulse

für die Entwicklung geben, diese aber auch hemmen. Aus diesem Grund ist die Ausgestaltung

dieser Variable von enormer Wichtigkeit.

14. (gut bezahlte) Arbeitsplätze in der Industrie

Der Variable, (gut bezahlte) Arbeitsplatze in der Industrie, ist eine Zielvariable von Entwick-

lung, wohl wissend, dass bei einer großen Anzahl von Marginalen keine gut bezahlten Ar-

beitsplätze entstehen können. Diese Variable wird durch eine Abnahe der Anzahl der Margi-

nalen, durch ein florierendes Freie Freies Unternehmertum und weiteren essentiellen Rah-

menbedingungen, wie gute Verkehrs- und Energieinfrastruktur, eine soziale Infrastruktur und

wenig Korruption. Gut bezahlte Arbeitsplätze wirken Marginalität mindernd und den Lebens-

standart erhöhend.

15. Kammerung des Landes

Die Auswirkungen der Variable, Kammerung des Landes, kann ausschließlich durch eine

gute Verkehrs- und Energieinfrastruktur verbessert werden. Sie selbst wirkt fördernd auf die

Macht der Großgrundbesitzer und Mittelsmänner sowie die Macht der progressiven Kriegs-

fürsten, da sie deren Herrschaftsbereiche gegenüber dem Zugriff der Zentralregierung ab-

schirmt. Sie fördert das Geschäft der Schmuggler, den Drogenanbau und –handel und er-

schwert die Entwicklungshilfe wie auch die Ausbeutung von Bodenschätzen. Des Weiteren

führt sie zu einer Verteuerung der Verkehrs- und Energieinfrastruktur sowie der sozialen Inf-

rastruktur. Letztendlich trägt sie zum Stadt-Land Gefälle bei.

16. Arides Klima

Die Klimavariable ist wichtig, weil Afghanistan ein Agrarland ist. Der Landwirtschaftliche

Sektor kann durch klimatische Veränderungen starken Schwankungen ausgesetzt sein. Be-

sonders die Regenzeit im Winter entscheidet über die Höhe der Ernte im nächsten Jahr. Da-

durch beeinflusst diese Variable direkt die Produktivität in der Landwirtschaft und den Dro-

genanbau und –handel, indirekt die Akteure, die in der Landwirtschaft tätig sind. Die Variable

Arides Klima kann nicht direkt beeinflusst werden, muss jedoch in die Überlegung einließen,

Page 40: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

39

zur Veränderung der Wirtschaftslage eventuell auf Wirtschaftszweige und Techniken zu set-

zen, die vom Wetter unabhängig sind.

17. Potenzielle Landwirtschaftliche Fläche

Durch die vergangenen Kriegsunruhen, nutzt Afghanistan nur etwa die Hälfte seiner poten-

tiellen landwirtschaftlichen Fläche. Diese Variable stellt eine Ressource dar, die ausbaubar ist.

Würde dies geschehen, hätte diese Variable Auswirkungen auf folgende Variablen. Zum ei-

nen auf die Akteure der Landwirtschaft, denen mehr Land zur Verfügung stehen würde, das

sie entweder als produktiver Eigentümerbauer bestellen können oder als Landarbeiter bei ei-

nem Großgrundbesitzer. In beiden Fällen erhöhen sich die Grenzproduktivität und damit der

Bedarf an Arbeitskräften, Zudem erhöht sich die Produktivität von Landwirtschaft.

18. Potenzielle Bodenschätze

Afghanistan verfügt über eine Anzahl von Bodenschätzen, die schon gefördert oder abgebaut

werden bzw. der Abbau in Planung ist. Zu den Bodenschätzen, die im Land gefunden wurden,

gehören Gas, Kohle, Lapislazuli und eines der größten Kupfervorkommen der Welt. Der Ab-

bau von Rohstoffen hat die Eigenschaft in Entwicklungsländern Korruption zu fördern. Ohne

Korruption und ihre Folgen, verstärkt der Abbau von Rohstoffen die Macht des progressiven

Kriegsfürsten, in dessen Gebiet die Rohstoffe liegen wie auch die Kabuler Regierungselite.

Wenn keine Korruption vorliegen würde, könnte es auch das afghanische Freie Freies Unter-

nehmertum stärken und somit Arbeitsplätze in der Industrie bereitstellen.

19. Ausreichende Verkehrs- und Energieinfrastruktur

Eine gut ausgebaute Verkehrs- und Energieinfrastruktur ist an sich Grundlage einer modernen

Wirtschaft. Schon die Erstellung der Infrastrukturen würde Arbeitskräfte erforderlich machen,

die die Anzahl der Marginalen senken würde. In Afghanistan ist die Verkehrs- und Energie-

infrastruktur noch nicht ausreichend ausgebaut. Seit 2001 versucht die internationale Ent-

wicklungshilfe und die afghanische Regierung diese Variable auszubauen. Trotzdem kann

von einer Erschließung des Landes in dieser Hinsicht nicht gesprochen werden. Es sind nur

ca. 6%-10% der Bevölkerung mit Strom versorgt (Böll 2007, S. 3). Diese Variable würde

neben Senkung der Anzahl der Marginalen, den Lebensstandart heben, das Stadt-Land Gefäl-

le vermindern, die Kammerung des Landes überwindbar machen und damit die Situation der

produktiven Eigentümerbauern, da diese nun einen besseren Zugang zu Märkten hätten. Ein

Page 41: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

40

selbständiges Freie Freies Unternehmertum würde ebenso dadurch gefördert. Der Drogenan-

bau wiederum würde vermindert werden.

20. Ausreichende Soziale Infrastruktur (Gesundheits- und Bildungsinfrastruktur)

Die Bereitstellung von einer kleinstmöglichen Gesundheitsinfrastruktur ist essentiell für das

Überleben und die Aufrechterhaltung eines minimalen Lebensstandards. Bildungsinfrastruk-

tur trägt zwar nicht zum unmittelbaren Überleben bei, doch ist eine Grundbildung Vorrausset-

zung für jegliche Art moderner Entwicklung. So führt auch rudimentäre Bildung erfahrungs-

gemäß zu einer Verminderung des Bevölkerungswachstums. Die reduzierende Wirkung auf

diese Variable, wirkt auch indirekt auf die Verminderung von Marginalität. Marginalität wird

auch in direkter Wirkung gemindert, wenn (Aus-)Bildung zu einem produktiven Tätigkeitsbe-

reich führt. Aus diesem Grund ist es eine für die Entwicklung ausschlaggebende Variable. In

Afghanistan ist die Gesundheitsversorgung noch unzureichend. 75% der Bevölkerung haben

Zugang zu Basisgesundheitsdiensten. Dieser Anteil konnte erst in den letzten Jahren erreicht

werden und ist eine Folge erfolgreicher Entwicklungshilfe in diesem Bereich. In Afghanistan

ist der Zugang zu Bildung seit 2001 für Jungen wie für Mädchen frei. Unter den Taliban gin-

gen nur ca. 36% der Jungen und ca. 3% der Mädchen in die Schule. Auch diese Situation hat

sich mittlerweile zum Besseren gewendet, mit einer Einschulungsquote von 56% und 4 Milli-

onen Kindern, davon 1/3 Mädchen. Dennoch hat Afghanistan mit einer Alphabetisierung von

36% Alphabeten eine sehr niedrige Quote weltweit. Bei Frauen liegt diese mit 19,3% sogar

am niedrigsten. (Rubin et. All. 2005, S.15)

Wie oben schon erwähnt, wirkt sich die Soziale Infrastruktur auf die Hebung des Lebensstan-

dards, die Verringerung des Bevölkerungswachstums und der Marginalität. Da nun verstärkt

ausgebildetes Personal auf den Arbeitsmarkt drängt, können auch die Arbeitsplätze in der

Industrie steigen.

21. Lebensstandard

Lebensstandard ist eine Zielvariable im System, in der all die Entwicklungsindikatoren ein-

fließen, die ein pursuit of happiness anzeigen können. BIP pro Kopf und HDI können dies

wohl am Besten. Sie gilt es zu erhöhen. Mit der anderen wichtigen, zu verändernden Zielvari-

ablen, nämlich Anzahl der Marginalen, steht die Variable Lebensstandard in einer direkten

und einer indirekten Wechselwirkung. Steigt die Eine, heißt das in der Regel, die Andere ist

gefallen. Wenn aber nur bei einem Teil der Bevölkerung der Lebensstandard gestiegen ist,

Page 42: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

41

und nicht bei den Marginalen, bewirkt dieser Anstieg, wenn er bei einer ausreichenden Menge

erfolgt ist, über deren Nachfrage, eine Verringerung der Marginalität.

22. Konfliktionäre Ethnische Heterogenität

Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat und ohne die Variable ethnische Heterogenität nicht mo-

dellierbar. Doch an sich gibt es wie oben erwähnt, keine großen ethnisch-kulturellen Unter-

schiede. Die Machtsegmente der Staatsklasse verlaufen eher an regionalen als an ethischen

Grenzen. Trotzdem versuchen immer wieder Akteure den ethnischen Unterschied zu politisie-

ren und zu radikalisieren. Bestes Beispiel ist Rashid Dostum, der sich als Fürsprecher der Us-

beken profilieren will. In dieser Hinsicht wirkt die Variable auf die Macht der Kriegsfürsten

und einzelne Segmente in der Kabuler Regierungselite, indem sie ihnen Legitimation liefern.

23. Prekäre Sicherheit

Die prekäre Sicherheit, in der sich Afghanistan befindet, ist eine weitere Variable ohne die,

das Funktionieren des Systems nicht erklärbar wäre. So ist es seit dem Bruch des Gewaltmo-

nopols der Taliban, das diese in ca. 85% des Landes innehatten, durch die westliche Koalition

und die Nordallianz zu einer Verschlimmerung der prekären Sicherheit gekommen. Nicht nur,

dass das Banditentum wieder aufgekommen ist, sondern auch der talibanisch-paschtunische

Widerstand im Süden und Osten trägt zu einem massiven Sicherheitsdefizit bei. Dieses Defi-

zit wirkt sich verheerend auf jegliche Form legalen Handelns aus. So leidet nicht nur der Auf-

bau eines freien Freie Freies Unternehmertums darunter, sondern auch der Ausbau der Ver-

kehrs- und Energieinfrastruktur sowie der sozialen Infrastruktur, hier besonders Mädchen-

schulen. Zur prekären Sicherheit tragen auch die vielen Landminen bei, die noch im ganzen

Land verlegt sind und einen Ausbau der landwirtschaftlichen Nutzfläche verzögern. Demge-

genüber profitieren durch die Variable prekäre Sicherheit die Drogenhändler, die besser ihren

Geschäften nachgehen können und die Macht der Kriegsfürsten, weil sie die Unsicherheit

legitimiert noch eigene Milizverbände aufrechtzuerhalten. Die Wirkung auf die Kabuler Re-

gierungselite ist ambivalent. Einerseits profitieren bzw. beziehen Teile von ihr Renten durch

die illegalen Geschäfte, andererseits haben sie auch die Aufgabe diese illegalen Geschäfte zu

unterbinden, was ihnen Reputation auf internationalem Parkett einbringt. Da jedoch die Kor-

ruption in einem prekären Sicherheitsfeld prächtig gedeiht, wird es der Kabuler Regierungs-

elite schwer fallen diese Ambivalenz aufzulösen.

Page 43: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

42

24. Stadt-Land Gefälle

Glatzer bezeichnet in seiner Konfliktanalyse das Stadt-Land Gefälle als Bruchlinie der afgha-

nischen Gesellschaft. (Glatzer 2003, S.13ff.) Dabei stellt er zwei Aspekte dieser Bruchlinie

fest, die für das afghanische System von Bedeutung sind. Einerseits nimmt Kabul als Inbe-

griff der Stadt und als Regierungssitz eine zentrale Stellung ein, die den Rest des Landes als

ländliche Peripherie erscheinen lässt. Andererseits gibt es ein Stadt-Land Gefälle im eigentli-

chen Sinne, das zwischen den vornehmlich Provinzstädten und dem echten Land, Dörfern,

Kanal- und Talschaften, besteht. Dieser Unterscheid, der sich in der besseren Versorgung der

Städte bemerkbar macht, mit allen Arten von Infrastruktur, staatlichen Leistungen und Ent-

wicklungshilfe (Urban bias), kann für den sozialen Zusammenhalt und die Regierbarkeit ent-

scheidend sein. So hat die Beseitigung des Stadt-Land Gefälles auf die Legitimation der Ka-

buler Regierungselite eine Wirkung, die ihre Legitimation verlieren würde, denn von einem

solchen Gefälle profitiert die Macht der Kriegsfürsten wie auch die Großgrundbesitzer und

Mittelsmännerschicht. Es erhöht auch die Anzahlt der Marginalen auf dem Land, da die Men-

schen dort von öffentlichen Leistungen eher ausgeschlossen und somit auf die Gunst der loka-

len Machthaber angewiesen sind. In diesem Zusammenhang kann auch das NSP (National

Solidarity Program) der Kabuler Regierung gesehen werden, das mit der direkten Zahlung

von 20.000 Dollar an einen gewählten Dorfgemeinschaftsrat Hilfe bei der Umsetzung von

Entwicklungsprogrammen verspricht. Die Regierung verspricht sich davon, dass die Bindung

zwischen den Mittelsmännern und den Kriegsfürsten gelockert wird und sich damit die Ver-

bindung dieser zur Regierung des Landes verstärkt wird.(Barnett et. All. 2005, S. 13)

25. Korruption

Die Variable Korruption ist als Einkommensart der Staatsklasse in Afghanistan sehr ernst zu

nehmen. Dabei kann die Beschaffung von Geldern über Korruption erstens die Abzweigung

von Entwicklungsgeldern betreffen, zweitens den Aufbau einer aufgeblähten Bürokratie, drit-

tens durch Bestechung, um den Handel mit Drogen und den Schmuggel zu ignorieren, so ge-

nannte Drogensteuern. Die Variable hat also eine starke Korrelation mit den Variabeln,

Macht der Großgrundbesitzer und Mittelsmännerschicht, Macht der progressiven Kriegsfürs-

ten, Einfluss der Drogenhändler, der prekäre Sicherheit und verstärkt die Rentenabhängigkeit

der Kabuler Regierungselite. Des Weiteren besteht eine starke Wechselwirkung mit dem Dro-

genanbau und –handel und dem Schmuggel. Die Korruption wirkt sich negativ auf die Ver-

kehrs- und Energieinfrastruktur aus, da die dafür vorgesehen Gelder aus staatlichen Quellen

Page 44: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

43

kommen und oft veruntreut werden. Zudem wird noch die Wirkung der Entwicklungshilfe

behindert

26. Zollgesetzgebung der Nachbarländer

Diese Variable wird nur in das Systemmodell aufgenommen, da sie dafür verantwortlich ist

den Schmuggel erst zu konstituieren. Sie wirkt also nur auf den Schmuggel.

Page 45: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

44

Tabelle: Übersicht der wichtigen Variabeln im afghanischen Wirtschaftssystem

Nr. Variablen Bezeichnung Warum ist die Variable wichtig Erläuterung/Indikatoren

01 Steigendes Bevölkerungs-

wachstum

• Verstärker für das Auftreten von Margi-

nalität

- 2,9 %Bevölkerungswachstum – eines der

höchsten weltweit

02 Anzahl der Marginale • Indikator für ein unterentwickeltes Wirt-

schaftssystem

• Wichtige Zielvariable für Entwicklung,

die verändert bzw. beseitigt werden soll.

- Personen, die weniger als ihr Subsistenzmi-

nimum erwirtschaften

- Landlose, Arbeitslose, Kleinpächter in

Abhängigkeit

- Flüchtlinge

03 Anzahl der produktiven Eigen-

tümerbauern

• Wichtige Zielvariabel für Entwicklung.

Eine anzustrebende Zielschicht für Mar-

ginale

- Bauern mit genügend eigenem Land, das zu

ihrer Subsistenz beitragen kann. und die in

keinem Abhängigkeitsverhältnis stehen.

04 Macht der Großgrundbesitzer

oder Mittelsmänner

• Wichtige Mittlerfunktion zwischen der

rentenabhängige Kabuler Regierungselite

und den dörflichen Strukturen.

• Nimmt eine wichtige, wirtschaftliche und

politische Schlüsselstellung ein.

- ‚khan’‚malik’ oder ‚arbab’ = Dorf- oder

Talschaftssprecher, Mullahs, usw.

- Regierungsbeamte auf Distriktebene

05 Einfluss der Drogenhändler

(Großhändler, Kleinhändler)

• Erwirtschaften 1/3 des BIPs in Afghanis-

tan

- Großhändler und Kleinhändler

06 Macht der progressiven

Kriegsfürsten (Warlords)

• Verfügen über bedeutende zivile, öko-

nomische und militärische Macht

• Ebene der Staatsklasse, die zu den haupt-

sächlichen Nutznießern von Rentenein-

kommen sind.

- Kommandanten

- Regierungsbeamte auf Provinzebene

07 Rentenabhängige Kabuler

Regierungselite

• Führungsspitze der Staatsklasse

• Wichtige Zielvariable für Entwicklung,

denn über sie werden Entwicklungsgelder

und Programme geleitet

- Regierungsbeamte in Kabul

- Führungsspitzen der Nordallianz

- Exilafghanen um Hamid Kazai

08 Freie Unternehmer • Zielvariable für Entwicklung, das Me-

chanismen einer selbst tragenden markt-

wirtschaftlichen Wirtschafts- und Gesell-

schaftssystems freisetzt

- Unternehmen, die auf freien nicht vermach-

teten Märkten agieren und die im Wettbe-

werb stehen.

9 Landwirtschaftliche Grenz-

produktivität

• Wichtige Zielvariabel, weil über sie die

Marginalität geändert werden kann.

- Technischer Fortschritt, der Arbeitskräfte

nicht überflüssig macht.

10 Landwirtschaftliche Produkti-

vität

• Wichtige Zielvariable, da 2/3 der afgha-

nischen Bevölkerung von der Landwirt-

schaft leben.

• Zielvariable zur Entwicklung des Landes,

die sowohl positive als auch negative Fol-

gen haben kann.

- Technischer Fortschritt

- Strukturelle Umwandlungen

11 Drogenanbau und Drogenhan-

del

• Trägt zu 1/3 des BIPs in Afghanistan bei.

• Destabilisierender Faktor der freien Wirt-

schaft

- Ca. 3 Mrd. Dollar Einnahmen jährlich.

12 Schmuggel • Eine der Haupteinnahmen der progressi-

ven Kriegsfürsten.

• Destabilisierender Faktor der freien

Marktwirtschaft.

- Ca. 1 Mrd. Dollar

13 Entwicklungshilfe • Kann aufgrund der starken finanziellen - ODA Gelder, NRO’s in Afghanistan

Page 46: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

45

und strukturellen Stärke, wichtige Impul-

se für die Entwicklung geben, diese aber

auch hemmen.

14 (gut bezahlte) Arbeitsplätze • Wichtige Zielvariable der Entwicklung - Arbeitsplätze, die zumindest das Sub-

sistenzminimum gewährleisten.

15 Kammerung des Landes • Beeinflusst die geopolitischen Gegeben-

heiten im Land.

- schlechte Infrastruktur

- erschwerte Kontrolle durch für staatliche

Organe, besonders Sicherheitsorgane.

16 Arides Klima • Afghanistan als Agrarland ist stark von

den klimatischen Bedingungen abhängig.

- Jahresniederschläge, -Temperatur,

17 Potenzielle Landwirtschaftli-

che Fläche

• Ausbaubare Ressource, die möglicher-

weise zusätzliche Arbeitskräfte schafft

und damit die Marginalität senken kann.

- Quadratkilometer

18 Potenzielle Bodenschätze • Ausbaubare Ressource in der Wirtschaft. - Explorationsergebnisse, und Investitions-

vorhaben

19 Ausreichende Verkehrs- und

Energieinfrastruktur

• Wichtige Vorraussetzung einer freien

Marktwirtschaft.

- Kilometeranzahl ganzjähriger Straßen;

erster und zweiter Ordnung ausgebaute

Flughäfen Stromversorgung, Wärmever-

sorgung

20 Ausreichende Soziale Infra-

struktur (Gesundheits- und

Bildungsinfrastruktur)

• Voraussetzung zum unmittelbaren Über-

leben und für jede Art moderner Entwick-

lung.

• Wichtige Zielvariable für Entwicklung

- 75% hat Zugang zu Basisgesundheitsdien-

sen.

- 56% Einschulungsquote (1/3 Mädchen)

- hohe Zahl von Analphabeten

21 Lebensstandard • Indikator füreeine Erfolgreiche Entwick-

lung

- Lebenserwartung, Kindersterblichkeit, etc.

22 Konfliktionäre Ethnische

Heterogenität

• Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat, der

von Machthabern politisiert werden kön-

nen.

- Zugänge zu Segementen der Wirtschaft

sind an ethischen Zugehörigkeiten nicht

festzumachen.

23 Prekäre Sicherheit • Wichtige Zielvariable der Entwicklung - Überfälle, Anschläge, Mord und Totschlag

- Landminen

24 Stadt Land Gegensatz • Beeinflusst die Machtverhältnisse im

Land.

- Unterschied von Lebensstandard Stadt-

Land

25 Korruption • Beeinflusst die Machtverhältnisse im

Land

• Verhindert als Variable entscheidend die

Entwicklung eines freien Wirtschaftssys-

tems.

-

26 Zollgesetzgebung der Nach-

barländer

• Ermöglicht in hohem Maße den Schmug-

gel.

- Exportverbote, Importquoten, etc.

Page 47: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

46

3.2.2 Kriterienmatrix:

Mit der Kriterienmatrix soll der oben erarbeitete Variablensatz auf Systemvollständigkeit und

Systemrelevanz überprüft werden.

Wie an der Tabelle ersichtlich ist, wurden alle „Lebensbereiche“ und „Kategorien“ abgedeckt.

Dadurch ist, nach Vester, ein ausreichend, breit gefasster Variablensatz vorhanden, der die

Vernetzung eines Systems modellieren kann.

3.2.3. Einflussmatrix

Im Folgenden werden anhand einer Cross-Impact-Matrix die direkten Wechselwir-

kungen zwischen den einzelnen Variablen des oberen Variablensatzes abgebildet. Diese Ein-

flussmatrix basiert auf den oben erläuterten Überlegungen. Ziel dieser Matrix ist es den Cha-

rakter einzelner Variablen im System herauszufinden. Hierzu werden die Wirkungen nach

folgender Werteskala bewertet.

„Hierbei wird […] die Einflussstärke jeder Variablen auf alle anderen Variablen erfasst. Die jeweilige Frage lautet: ‚Hat eine Änderung in der Variable A potenziell (oder tatsächlich) ei-nen direkten Einfluss auf Variable B?’ Die Bewertung erfolgt in einer 4-stufigen Skala (0 = kein Einfluss, 1 = schwacher, unterproportionaler Einfluss, 2 = deutlicher, proportionaler Ein-fluss, 3 = starker, überproportionaler Einfluss).“ (Volkmann 2006, S. 9)

Bevölkerung

Wirtschaft

Raum

Befinden

Ressourceen

Infrastruktur

Ordnung/O

rganisation

Materie

Energie

Information

Flussgröß

e

Strukturgröß

e

Zeitliche D

ynamik

Räum

liche Dynam

ik

öffnet durch Input

öffnet durch Output

von innen Beeinflussbar

von außen B

eeinflussbar

1 steigendes Bevölkerungswachstum x x x x x2 Anzahl Marginale x x x x x x3 Anzahl produktive Eigentümerbauern x x x x x4 Großgrundbesitzer x x x x x5 Drogenhändler x x x x x x6 progressive Kriegsfürsten x x x x x7 kohärente Kabuler Regierungselite x x x x8 Unternehmer x x x x x x x9 Grenzproduktivität der Landwirtschaft x x x x x x x x

10 Produktivität der Landwirtschaft x x x x x x x11 Drogenanbau und -handel x x x x x12 Schmuggel x x x x x x13 Entwicklungshilfe x x x x x x x x14 Arbeitsplätze in der Industrie x x x x15 Kammerung des Landes x x16 Arida Klima x x x17 landwirtschafliche Nutzfläche x x x x x18 Bodenschätze x x x19 Verkehrs- und Energieinfrastruktur x x x x x x x x x20 Soziale Infrastruktur x x x x x x x21 Lebensstandard x x x x x x x x22 ethnische Heterogenität x x23 prekäre Sicherheit x24 Stadt-Land Gegensatz x25 Korruption x x26 Zollgesetzgebung der Nachbarländer x x

Dynamische Kategorie Systembeziehungen

Kriterien -->

Lebensbereiche Physikalische Kategorie

Page 48: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

47

Aus der so entstandenen Einflussmatrix lässt sich die Rolle der einzelnen Variable im System

graphisch erfassen. Dieses geschieht über die rechnerische Zusammenfassung der oben ver-

teilten Werte.

Es ergeben sich daraus jeweils vier Zahlen pro Variable, die sich wie folgt erklären:

„• Aktivwert (AS): Aus der Summe der Einflüsse einer Variablen auf die übrigen Variablen; zeigt, ob und wie stark eine Variable andere beeinflusst. • Passivwert (PS): Aus der Summe der Einflüsse der übrigen Variablen auf die betrachtete Variable; zeigt, wie stark die Variable beeinflussbar ist. • Aktiv-Passiv-Quotient (Q): Quotient aus Aktivsumme und Passivsumme zeigt, ob eine Vari-able eher einen aktiven (die aktiven Komponenten überwiegen deutlich die passiven), einen reaktiven (passive Komponenten überwiegen deutlich die aktiven), oder neutralen Charakter (aktive und passive Komponenten halten sich etwa die Waage) besitzt. • Produkt (P) aus Aktivsumme und Passivsumme: Verdeutlicht, wie stark eine Komponente überhaupt am System beteiligt ist. Je höher der Wert, desto kritischer ihr Charakter, je gerin-ger ihr Wert, desto puffernder wirkt die Variable im System.“ (Volkmann 2006, S.10)

Tabelle: Einflussmatrix:

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26AS P1steigendes Bevölkerungswachstum x 3 2 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 0 0 0 9 1082Anzahl Marginale 2x 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 2 0 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 6 2103Anzahl produktive Eigentümerbauern 1 0x 2 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 0 2 0 0 0 2 0 0 2 0 0 10 2104Macht der Großgrundbesitzer & Mittelsmänner 0 2 2x 1 2 2 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 2 0 0 17 4085Einfluss Drogenhändler 0 2 2 1x 0 0 1 0 0 2 2 0 1 0 0 2 0 0 0 1 0 2 2 2 0 20 2406Macht progressive Kriegsfürsten 0 2 1 1 0x 2 1 1 2 2 2 2 0 0 0 0 0 2 0 0 2 2 2 2 0 26 7547Rentenabhängige Kabuler Regierungselite 0 2 2 1 2 1x 2 2 2 1 1 1 1 0 0 1 3 2 2 1 2 2 0 3 1 35 9458Unternehmer 0 2 0 1 0 0 2x 1 2 0 0 0 3 0 0 2 0 0 0 0 0 0 0 2 0 15 2409Grenzproduktivität der Landwirtschaft 0 3 2 0 0 0 0 0x 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5 70

10Produktivität der Landwirtschaft 0 1 2 2 0 2 0 0 1x 2 0 1 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 13 22111Drogenanbau und -handel 0 2 1 1 3 2 0 0 3 0x 1 0 0 0 0 2 0 0 0 0 1 0 2 3 0 21 50412Schmuggel 0 0 0 1 0 3 0 0 0 0 0x 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 3 1 9 14413Entwicklungshilfe 1 2 1 2 0 2 2 2 3 3 0 0x 0 0 0 3 2 3 3 3 1 2 2 2 0 38 41814gut bezahlte Arbeitsplätze in der Industrie 1 3 1 0 0 0 2 1 0 0 0 0 0x 0 0 0 0 0 0 3 0 0 2 0 0 12 16815Kammerung des Landes 0 0 0 3 0 2 1 0 0 0 2 2 2 0x 0 1 2 3 3 0 0 1 2 0 0 24 9616Arides Klima 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 2 0 0 0 0x 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5 1017Erhöhung landwirtschafliche Nutzfläche 0 2 2 2 0 1 0 1 2 2 1 0 0 0 0 0x 0 0 0 0 0 0 0 0 0 13 22118Ausbeutung von Bodenschätze 0 1 0 0 0 3 3 2 0 0 0 0 0 2 0 0 0x 0 0 2 0 0 0 3 0 16 17619Verkehrs- und Energieinfrastruktur 1 2 2 0 0 2 2 2 0 0 2 0 0 2 3 0 1 2x 1 2 0 0 2 0 0 25 37520Soziale Infrastruktur 3 2 0 0 0 0 2 0 0 0 1 0 0 1 1 1 0 0 0x 3 0 0 0 0 0 11 13221Lebensstandard 2 2 0 0 0 0 1 0 0 0 2 0 0 0 0 1 0 0 0 0x 0 0 0 0 0 6 15022konfliktionäre ethnische Heterogenität 0 0 0 0 0 2 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0x 0 1 1 0 7 4923prekäre Sicherheit 0 0 1 2 2 2 2 3 0 0 2 2 2 1 0 0 2 1 2 1 1 1x 0 2 0 29 40624Stadt-Land Gegensatz 1 2 0 2 2 1 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 0 0x 0 0 12 22825Korruption 0 0 0 3 3 3 3 0 0 0 3 3 1 0 0 0 0 0 2 0 1 0 2 0x 0 24 60026Zollgesetzgebung der Nachbarländer 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2x 5 10

12 35 21 24 12 29 27 16 14 17 24 16 11 14 4 2 17 11 15 12 25 7 14 19 25 275 17 48 71167 90130 94 36 76 88 56345 86600250 76145167 92 24100207 63 96 40

Wirkung von auf -->

PSQx100

Page 49: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

48

3.2.4. Rollenverteilung:

Aus den Werten der Einflussmatrix lässt sich jetzt ableiten, welche Rolle die einzelnen Vari-

ablen im System annehmen und wie das System als Ganzes zwischen den vier Eckwerten, als

aktiv, reaktiv, kritisch, und puffernd aufgestellt sind. Das Sensitivitätsmodell spricht den ein-

zelnen Eckwerten verschiedene Rollen zu.

„Aktive Variablen: Eine Variable dieser Kategorie ist als Steuerungsinstrument geeignet. Sie hat eine starke Wirkung in das System. Sie zu verändern, bewegt etwas. Aber sie wird vom System (den übrigen Variablen )nicht so stark beeinflusst, dass sie eine ungewollte Eigendy-namik entwickelt. Reaktive Variablen: Eine Variable dieses Wirkungsbereichs ist als Systemindikator geeignet. Sie hat selber eine geringe Wirkung in das System, wird aber vom System stark beeinflusst. Deshalb kann man an ihr leicht ablesen, wenn sich im System etwas ändert Träge, puffernde Variablen: Diese Variablen charakterisieren sich sowohl durch geringe Wirkung als auch durch geringe Beeinflussbarkeit. Sie können deshalb gezielt in Regelkreisen eingebunden werden, um eine stabilisierende Wirkung zu erreichen. Kritische Variablen: Kritische Variablen sind als Motoren im System geeignet. Sie haben eine starke Wirkung in das System und werden vom System ebenso stark zurück beeinflusst. Ihre Veränderung kann deshalb zu unkontrollierten Aufschaukelungsprozessen führen.“ (Bühl,et.all. 2004, S. 20) Rollenverteilungsgraphik:

5 4 P-WertAS Aktivsumme Q-Wert

450 aktiv kritisch

453

40

35

30

25

neutraler Bereich 20

15

10Q-Wert

5

puffernd reaktiv Passiv-0 summe

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

945

504

210

754

0,5

1,5

2,5

1

6,5 6 5,5 4,5

4

20

8

3

2

1

15

16

17

18

19

14

12

13

11

10

9

7

6

21

5

22

24

23

25

26

Page 50: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

49

Bei Betrachtung der Rollenverteilungsgraphik kann festgestellt werden, dass das System eher

puffernd gelagert ist, mit den meisten Variablen in der Mitte der Grafik. Dies bedeutet einer-

seits, dass der Vernetzungsgrad der Variablen untereinander nicht sehr hoch ist und auf der

anderen Seite, die Steuerbarkeit des System eher gering. Trotzdem fallen ein paar Variablen

in dieser Graphik auf. Es ist ersichtlich, dass die Variable rentenabhängige Kabuler Regie-

rungselite als kritischste Variable heraussticht. Die Staatsklassenspitze hat sich als Motor des

Systemmodels herausgestellt. Die Veränderung dieser Variablen hätte entscheidende Auswir-

kungen auf das System, da sie sehr viele andere Variable beeinflusst und im Gegenzug in ei-

nem Netz von Wirkungen verknüpft ist. Es wird ersichtlich, dass von ihrem Verhalten, dem

Austarieren mehr oder weniger rentenabhängig zu sein, die Systemstabilität abhängt.

Daneben stehen die Variablen progressive Kriegsfürsten und Korruption in einer ähnlich kri-

tischen Rolle und die Einwirkung auf beide kann nicht beabsichtigte Folgen nach sich ziehen.

Am anderen Ende der Skala, steht die Variable konfliktionäre ethnische Heterogenität, die

stark puffernd wirkt, aber auch nicht sehr aktiv auf andere wirkt. Dies bedeutet, dass die eth-

nische Variable in dem System keine große Rolle spielt, zumindest keine sofortige Wirkung

zeigt. In welchen indirekten Regelkreisen und Wirkungsgefügen sie eingebunden ist, lässt

sich aus dieser Grafik nicht ableiten.

Die Variablen Entwicklungshilfe und Kammerung des Landes weisen beide eine aktive, doch

auch puffernde Funktion auf. Damit eigenen sich eigentlich beide dafür, das System zu ver-

ändern, da sie beide auf sehr viele Variablen wirken und selbst nicht so stark in Wechselwir-

kung ausgesetzt sind.

Als ein Messfühler des Systems, hat sich die Variable Anzahl der Marginalen erwiesen, sie

wirkt nicht viel auf andere ein, stellt aber selbst das Ziel vieler Wirkungen dar. An ihr kann

der Zustand und die Veränderungen des Systems festgestellt werden.

3.3 Interpretation und Bewertung – Teilszenarien d er Entwicklungshilfe in

Afghanistan

Auf dieser Stufe des Verfahrens angelangt, sieht Vester eigentlich vor, ein Wirkungsgefüge

zu modellieren. Nachdem nun die direkten Wirkungen der Variablen und ihre Rolle bekannt

sind, zielt das Wirkungsgefüge auf die Vernetzung der Variablen, also auf ihre Wirkung über

andere Variablen hinweg.

Die Verknüpfungen der Variablen werden deswegen in so genannten Regelkreisen

dargestellt. Mit Wirkungspfeilen wird dabei die Wirkung der Variablen gekennzeichnet. Liegt

Page 51: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

50

eine gleichsinnige Wirkung vor, d.h. wenn die Erhöhung der Ausgangsvariablen zu einer Er-

höhung oder Verstärkung der Zielvariablen führt, wird ein durchstrichener Wirkungspfeil

gezeichnet. Führt die Erhöhung der Ausgangsvariablen zu einer Verminderung der Zielvariab-

len, wird ein gestrichelter Wirkungspfeil gezeichnet. Wenn die Wirkung in beide Richtung

gleichsinnig ist, spricht Vester von einem positiven Regelkreis. Ein negativer Regelkreis liegt

vor, wenn gegenteilige Wirkungen, also zwei unterschiedliche Wirkungspfeile die Beziehung

der Variablen kennzeichnen.

Ein Beispiel für einen positiven Regelkreis stellt die Beziehung zwischen Bevölke-

rungswachstum und Marginalität dar. Je größer die Anzahl der Marginalen, desto höher ist für

sie der Anreiz Kinder zu zeugen, damit wenigsten eines in den Genuss von Klientelbeziehun-

gen kommen kann und somit zu Einkommen für alle. Je höher aber das Bevölkerungswachs-

tum ist, desto mehr wächst der Druck auf die wenigen produktiv Beschäftigten. Die natürli-

chen Ressourcen und die zu verteilende Rente reicht nicht mehr aus und die Anzahl der Mar-

ginalen nimmt zu. Ähnliches lässt sich bei der Beziehung zwischen Korruption und Drogen-

anbau und –handel beobachten. Positive Regelkreise schaukeln sich gegenseitig hoch und

haben eine destabilisierende Wirkung für das System. Sie sind aber auch ein Motor für Ver-

änderung und Wachstum innerhalb des Systems.

Ein Beispiel für einen negativen Regelkreis ist die Beziehung zwischen der Anzahl der

Marginalen und der Entwicklungshilfe. Steigt die Anzahl der Marginalen, steigt auch die

Summe der Entwicklungshilfe, was zu einer Verminderung der Anzahl der Marginalen führt.

Dies wiederum führt zu einer Verminderung der Entwicklungshilfe. Wenn jedoch die Ursa-

chen der Marginalität nicht beseitigt wurden und die Entwicklungshilfe lediglich wie eine zu

kurze Rente gewirkt hat, steigt die Anzahl der Marginalen wieder, sobald der Entwicklungs-

hilferegen aussetzt. Wenn keine Massennachfrage entsteht, können keine Massenproduktion

und damit keine Massenarbeitsplätze und Masseneinkommen entstehen.

In einem Wirkungsgefüge werden nun alle Variablen und ihre Beziehungen unterein-

ander mit dieser Art Wirkungspfeilen dargestellt. Es entsteht ein Geflecht aus direkten Regel-

kreisen und indirekten Regelkreisen, also auch solchen, welche erst nach ein paar Stationen

auf die Ausgangsvariable zurückwirken. Dominieren in einem System die negativen Regel-

kreise, so ist das System als Ganzes stabil. Dominieren in einem System die positiven Regel-

kreise, so zeigt dies erst einmal lediglich an, dass sich das System verändert. Führt diese Ver-

änderung nicht zu einem neuen Zustand, in dem negativen Regelkreise dominieren, droht das

System zu kollabieren.

Page 52: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

51

Die Darstellung des gesamten Wirkungsgefüges des Afghanischen Systems würde den

Rahmen dieser Arbeit sprengen. Für die Beantwortung der Leitfrage: Welche Folgen das In-

strumentarium der deutschen Entwicklungshilfe in dem Wirkverbund des afghanischen sozio-

ökonomischen Systems haben kann, reicht es ein Teilszenario zu entwickeln. Dieses wird

nach Vester aus dem Wirkungsgefüge generiert, indem eine Konzentration auf die Variablen

vorgenommen wird, die es näher zu untersuchen gilt, d.h., die für die Beantwortung der Fra-

gestellung relevant sind.

„Bei der Entwicklung von Teilszenarien geht es darum, das Gesamtwirkungsgefüge weiter aufzugliedern und zu öffnen, um der internen Kybernetik näher zu kommen. Der Aufbau ei-nes Teilszenarios und damit die Auswahl der Variablen aus dem Wirkungsgefüge fragt dazu weniger nach Hierarchie und Zugehörigkeit bestimmter Systemteile, sondern geht unmittelbar von konkreten Fragen aus, die von der Thematik der Systemuntersuchung her von besonde-rem Interesse sind. Trotzdem geht hier der Zusammenhang mit dem Gesamtsystem nicht ver-loren, da die Teilszenarien aus den Wirkungsgefügen der großen Teilmodelle entwickelt wer-den und sich zudem noch in manchen Punkten überlappen“ (Bühl 2004, S. 24)

Kern des effektiven Wirkverbundes der Entwicklung fördert, ist die Beseitigung von

Marginalität, so wie es auch Elsenhans vorschlägt. In der Rollenverteilung hat sich herausge-

stellt, dass die Variable Anzahl der Marginalen als guter Indikator für den Zustand des Sys-

tems dienen kann. Nach Elsenhans ist die Anzahl der Marginale eine Schlüsselvariable, deren

Beseitigung sogar ein ganz anders, ein marktwirtschaftliches System anstoßen könnte. Zur

Beantwortung der Frage, wie das deutsche Entwicklungshilfeinstrumentarium auf diese Vari-

able einwirkt, unter Beachtung der mit dieser Variablen vernetzten anderen Variablen, werden

nun folgende Teilszenarien konstruiert.

Die Kernbestandteile dieser Teilszenarien setzen sich zusammen aus den Variablen

Anzahl der Marginalen, Arbeitsplätze in der Industrie, Grenzproduktivität, rentenabhängige

Kabuler Regierungselite, Drogenanbau und –handel, freie Unternehmer, Entwicklungshilfe,

Verkehrs- und Energieinfrastruktur, Soziale Infrastruktur, Erhöhung der Landwirtschaftli-

chen Nutzfläche. Diese sind einerseits Variablen, die auf die Variable Anzahl der Marginalen

wirken und durch sie beeinflusst werden - wie aus der Einflussmatrix ersichtlich. Andererseits

sind mit den Variablen Entwicklungshilfe, Verkehrs- und Energieinfrastruktur, Soziale Infra-

struktur und freie Unternehmer Variablen vorhanden, die die Wirkungsrichtung des deut-

schen Entwicklungshilfeinstrumentariums in Afghanistan widerspiegeln.

3.3.1. Teilszenario 1: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

Die deutschen Entwicklungshilfeleistungen für Afghanistan unterteilen sich in die Bereiche,

bilaterale Technische Zusammenarbeit, bilaterale Finanzielle Zusammenarbeit und multilate-

Page 53: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

52

rale Finanzielle Zusammenarbeit. Der gemeinsame Etat hatte 2006 eine Höhe von 110 Milli-

onen Euro. Diese Gelder verteilten sich mit 41 Millionen Euro für die Technische Zusam-

menarbeit, 27 Millionen Euro für die bilaterale Finanzielle Zusammenarbeit und 42 Millionen

Euro für die multilaterale Finanzielle Zusammenarbeit. Für die Untersuchung ist die Techni-

sche Zusammenarbeit von besonderer Bedeutung, da hier das deutsche Entwicklungsinstru-

mentarium und die deutsche Entwicklungshilfeinstitutionen mit der Konzeption und ihrer

Durchführung betraut sind. Bei der bilateralen und multilateralen Finanziellen Zusammenar-

beit sind nicht die deutschen Entwicklungshelfer für Konzeption und Durchführung zustän-

dig, obwohl versucht wird Bedingungen an die Verwendung zu knüpfen. Dazu gehören unter

anderem gute Regierungsführung oder die Transparenz bei der Verwendung der Mittel. Ver-

antwortlich für die Gelder der bilateralen Finanziellen Zusammenarbeit ist die Regierung in

Kabul und für die multilaterale Finanzielle Zusammenarbeit sind es die internationalen Insti-

tutionen, wie UN, Weltbank, etc.. Da im Teilszenario keine Variable für diese Geber vorgese-

hen ist, kann nur die Wirkung der Mittel nachgezeichnet werden, die entweder zu deutschen

Durchführungsorganisationen fließen oder der afghanischen Regierung überwiesen werden.

Deutschland hat für seine Technische Zusammenarbeit in Afghanistan schwerpunktmäßig

vier Aufgaben der Entwicklungshilfe übernommen.

• Energie (insbesondere erneuerbare Energien)

• Trinkwasserversorgung

• Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung (vor allem Einkommensschaffung)

• Grundbildung

Bei der Entwicklung der Energieversorgung wird vornehmlich in Kabul, den Städten in Nord-

afghanistan wie Kundus und Mazar-i-Sharif und in ländlichen Gebieten in Nordafghanistan

gearbeitet. Besonderes Augenmerk wird auf die erneuerbare Gewinnung von Energie gelegt.

Unter nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung laufen Programme der Micro-Finanzierung, der

Schaffung einer staatlichen Investitionsagentur, zur Förderung von in- und ausländischen In-

vestitionen, und Programme zur Existenzgründerförderung.

Bei der Implementierung der deutschen Entwicklungshilfekonzeptionen in das Teilszenario

kann, wie oben erwähnt, auf die schon aufgestellten Variablen zurückgegriffen werden. Diese

sind für die Aufgabenschwerpunkte Trinkwasserversorgung und Energiebereitstellung, die

Variable Verkehrs- und Energieinfrastruktur. Für den Aufgabenschwerpunkt Grundbildung,

die Variable Soziale Infrastruktur, die aus den beiden Komponenten Gesundheits- und Bil-

dungsinfrastruktur besteht. Für den Aufgabenschwerpunkt Nachhaltige Wirtschaftsentwick-

lung wird eine neue Variable Wirtschaftsförderung eingeführt.

Page 54: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

53

Tabelle: Teilsszenario 1:

Das Teilszenario mit den Variablen der deutschen Entwicklungshilfe weist neun Regelkreise,

mit vier positiven Regelkreisen und fünf Negativen auf. Das Teilszenario als System ist somit

stabil. Es sind jedoch nur fünf Regelkreise bei der Untersuchung der deutschen Entwick-

lungshilfe interessant.

Die erste Wirkungskette geht von dem Drogenanbau und –handel aus. Steigt dieser,

wirkt sich das fördernd auf die Korruption und somit auf die Renten und damit auf die Regie-

rung in Kabul aus. Steigt die Rentenabhängigkeit der Staatsmacht, ist sie auf den Drogenan-

bau und –handel angewiesen und unternimmt nichts mehr gegen diesen oder ist sogar in den

Drogenhandel verstrickt. Dies erhöht wiederum den Drogenhandel womit ein sich gegenseitig

fördernder Prozess in Gang kommt.

Der zweite Regelkreis läuft über drei Stellglieder. Erhöht sich die Entwicklungshilfe,

hier die Entwicklungshilfe, die direkt an die Regierung in Kabul fließt, erhöht sich das Budget

Wirtschaftsförderung

Soziale Infrastruktur

Verkehrs- u. Energieinf.

Freie Unternehmen

Arbeitsplätze in der Ind.

Anzahl der Marginalen

Grenzproduktivität

Entwicklungshilfe

Rentenabängige Reg.

Drogenanbau u. Handel

Page 55: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

54

der Regierung. Hier wird nun die Ambivalenz der Regierung, zwischen Legitimationszwang

und Selbstbereicherung klar. Denn einerseits laufen jetzt über die regierungseigenen Entwick-

lungsmaßnahmen Regelkreise im System an, auf die ich gleich eingehe, aber andererseits

wird ein Teil des Geldes umgeleitet. Dieser Teil finanziert nun wiederum die Teile, die sowie-

so in Drogenhandel und anderen Rentenökonomien tätig sind. Darum die erhöhende Wirkung

auf die Drogenökonomie. Diese nun wirkt in zweifacher Hinsicht auf die Anzahl der Margi-

nalen. Erstmals gibt es eine direkte gleichgesinnte Wirkung, also eine Erhöhung der Margina-

lenzahl durch die vermachtete Beziehung dieser Variablen untereinander. Zum Zweiten wirkt

aber die Drogenökonomie auch vermindernd auf die Zahl der Marginalen, da der Drogenan-

bau die Grenzproduktivität erhöht und diese Variable eine nicht gleichgesinnte Wirkung auf

die Anzahl der Marginalen ausübt. Dieser Umweg über die Grenzproduktivität und damit mit

einer gewissen Verzögerung, ergibt eine positive Wirkung der Drogenökonomie auf die Be-

seitigung von Marginalität. Sie steht gegensätzlich direkten vermachteten Beziehung der Dro-

genbarone und Kriegsfürsten zu den Marginalen und gibt deshalb nicht den entscheidenden

Durchbruch.

Der dritte Regelkreis startet mit der Erhöhung der Entwicklungshilfe, hier nun in Form

der technischen Hilfe, wie zum Beispiel Dünger oder verbesserte Bewässerungsmethoden, die

zur Erhöhung der Grenzproduktivität führt. Höhere Grenzproduktivität führt zur Verringerung

der Marginalen und das wiederum erfordert weniger Entwicklungshilfe.

Der vierte Regelkreis, der die deutsche Entwicklungshilfe beleuchtet, verläuft über die

Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Die Verbesserung der Infrastruktur erhöht auch den

Zugang der Marginalen zu Märkten und zu Energie. Damit senken sich für Sie die Opportuni-

tätskosten, sich anderswo ein profitables Auskommen zu suchen. Investition in die Verkehrs-

und Energieinfrastruktur sind aber oft korruptionsanfällig und neigen zu Misswirtschaft. Die-

se Wirkung mindert nun den Effekt der deutschen Entwicklungshilfe. Im Weitern läuft die

Wirkung, bis sie zu einer Absenkung der Marginalen führt, wiederum über Zeit verzögernde

und manchmal auch Geld verschlingende Variablen.

Der fünfte Regelkreis, der im Zusammenhang der deutschen Aufgabenschwerpunkte

interessant ist, ist die Wirkung der Wirtschaftsförderung auf die Anzahl der Marginalen Ver-

stärkte Wirtschaftförderung soll freie Unternehmen in die Lage versetzen Arbeitsplätze zu

schaffen, und hier besonders in der Industrie. Diese Arbeitsplätze senken zuerst direkt, allein

aufgrund ihres bestehen, die Anzahl der Marginalen und indirekt aufgrund der Nachfrage, die

sie schaffen. Aber auch hier wird es schwierig freie Unternehmen zu finden, die sich auf den

vermachteten Märkten in Afghanistan durchsetzten können. Des Weiteren gibt es auch hier

Page 56: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

55

aufgrund der vielen Variablen dazwischen einen eher langsamen Effekt auf die Reduzierung

der Anzahl von Marginalen.

3.3.2 Teilszenario 2: Der Vorschlag der Einführung einer künstlichen Industrie in

Afghanistan

Im nun folgenden zweiten Teil der Analyse eines Teilszenarios werde ich Elsenhans Modell

der Etablierung einer künstlichen Industrie zur Reduzierung der Marginalen im oben be-

schriebenen Teilszenario nachzeichnen und seine Wirkungen antizipieren. Unter künstlicher

Industrie versteht Elsenhans das Abwerfen von genau gekennzeichneten, fälschungssicheren

Steinen über unbewohntem Terrain. Diese Steine werden dann an wenigen Aufkaufstellen

wieder aufgekauft, um erneut gekennzeichnet und abgeworfen zu werden. Der Preis der Stei-

ne richtet sich danach, wie viel ein Mann an einem Tag einsammeln kann und wie hoch die

Subsistenzkosten im jeweiligen Land sind. Der Kerngedanke besteht darin, den Marginalen

unmittelbar ein Einkommen jenseits der Staatklasse zu verschaffen und mittelbar genügend

Nachfrage zu erzeugen, um dadurch wirtschaftliche Entwicklung in Gang zu bringen. Im

nachfolgenden Teilszenario wird die Variable künstliche Industrie die Variable Entwick-

lungshilfe ersetzten, um zu sehen in welche Wechselwirkungen und Regelkreise diese Variab-

le eingebunden ist und wie sie sich auf die Anzahl der Marginalen auswirkt.

Page 57: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

56

Tabelle: Teilszenario 2:

Der erste Regelkreis ist der positive Regelkreis zwischen künstlicher Industrie und der

Anzahl der Marginalen. Steigt die künstliche Industrie, fällt die Anzahl der Marginalen, stei-

gen im Gegenzug die Anzahl der Marginalen, steigt die künstliche Industrie. Diese positive

Rückkopplung besteht aus zwei negativen Wirkungspfeilen.

In einem weiteren Regelkreis ist die künstliche Industrie mit der Anzahl der Margina-

len verbunden. Durch die Einführung der künstlichen Industrie steigt die Grenzproduktivität

für einfache Aufgaben. Damit steigen auch die Grenzkosten der Marginalen, die nicht in der

künstlichen Industrie beschäftigt sind, da sie nun eine Wahl haben, damit Marktmacht, und

am Arbeitsmarkt höhere, produktive Löhne durchsetzten können.

Keinen Regelkreis, aber eine gegenseitige indirekte Beeinflussung, durch die Variab-

len Anzahl der Marginalen und Grenzproduktivität, schafft eine Spannung zwischen den Va-

riablen Drogenökonomie und künstliche Industrie. Die Drogenökonomie muss nun um ihre

Arbeitskräfte konkurrieren. Dies würde sich auf die Renteneinnahmen der rentenabhängigen

Kabuler Regierungselite negativ auswirken.

Soziale Infrastruktur

Verkehrs- u. Energieinf.

Freie Unternehmen

Arbeitsplätze in der

Ind.

Anzahl der Marginalen

Grenzproduktivität

Rentenabhängige Reg.

Drogenanbau u. Han-

del

Künstliche Steine

Page 58: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

57

Nach der Beobachtung dieses Teilszenarios, komme ich zu dem Schluss, dass die Etablie-

rung einer künstlichen Industrie sich unmittelbarer auf die Beseitigung von Marginalität aus-

wirkt als die Entwicklungshilfe. Des Weiteren erzeugt sie durch die Erhöhung der Grenzpro-

duktivität einen mittelbaren Druck auf die Drogenökonomie. Diesen Druck konnte bisher

noch kein Programm der Entwicklungshilfe ausüben, da das Verhältnis zwischen Arbeitsin-

tensität und Ertragsverhältnis nicht an das der Drogenökonomie heranreicht. Dies wäre mit

der künstlichen Industrie durchaus möglich.

4. Zusammenfassung

In dieser Arbeit habe ich versucht, auf Grundlage der theoretischen Überlegungen zur Ent-

wicklungshilfe bei Hartmut Elsenhans und mit Hilfe des Sensitivitätsmodells von Frederic

Vester, das Wirtschaftssystem in Afghanistan zu untersuchen und davon ausgehend darzustel-

len, welche Faktoren für die Entwicklung des Wirtschaftssystems in Afghanistan ausschlag-

gebend sind und welche Folgen die Instrumentarien der deutsche Entwicklungshilfe auf diese

Faktoren haben.

Nach Elsenhans sollte das Ziel jeder Entwicklung zur Ausgestaltung eines selbst tra-

genden Wirtschaftssystems führen. Ein selbst tragendes Wirtschaftssystem setzt sich zusam-

men aus einem sich immer weiter anstoßenden Wirtschaftskreislauf, der über Nachfrage, In-

vestition, Fortschritt, Profit und den freien Markt gekennzeichnet ist. Das Problem in unter-

entwickelten Ländern besteht darin, dass dieser Kreislauf an diesen Eckpfeilern des Wirt-

schaftskreislaufs gestört sein kann. Es kann also keine Nachfrage vorherrschen, dadurch keine

Investition in die Industrie des Landes geschehen, dadurch bedingt auch kein technischer

Fortschritt stattfinden oder kein freier Markt vorhanden sein. In unterentwickelten Ländern

herrscht deshalb, nach Elsenhans, Rentenökonomie, die sich durch Marginalität kennzeichnet

und dem Bestehen einer Macht besetzenden Staatsklasse, die an einer freien Marktwirtschaft

kein Interesse hat, da sie sich durch Renteneinnahmen finanziert. Elsenhans schlägt aus die-

sem Grund bei Entwicklungshilfe vor, zunächst bei der Verminderung von Marginalität anzu-

setzen. Dies kann seiner Meinung nach, durch eine egalitäre Bodenreform, die Steigerung der

Grenzproduktivität durch technischen Fortschritt in den vorhandenen Wirtschaftssektoren, die

Ankurbelung der Industrie durch eine angemessene Zoll-, Handels- und Währungsreform o-

der durch die Errichtung künstlicher Industrien geschehen. Nun besteht das Problem, dass bei

jeglicher Veränderung eines Faktors möglicherweise Phänomene in den jeweiligen Wirt-

Page 59: Die deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan

58

schaftssystemen angestoßen werden, die den systemimmanenten Zusammenhängen folgen,

nicht jedoch von der Entwicklungshilfe intendiert waren. Bei der Frage nach den Folgen, die

das Instrumentarium der deutschen Entwicklungshilfe in Afghanistan hat, geht es genau dar-

um, eine solche Problematik zu überschauen. Aus diesem Grund wurde in dieser Arbeit das

Sensitivitätsmodell von Frederic Vester angewendet, das die Überschaubarkeit solcher Folgen

ermöglicht. Bei der genauen Analyse des Wirtschaftssystems Afghanistan konnte festgestellt

werden, dass, auch nach der Definition von Elsenhans, Afghanistan ein wirtschaftlich unter-

entwickeltes Land ist, das geographische, politische und wirtschaftliche Besonderheiten auf-

weist, auf die eingegangen werden sollte. Im Analyseteil wurden diese Besonderheiten als

Variablen identifiziert und dargestellt. Daraufhin wurden ihre Wirkung aufeinander in einer

Einflussmatrix und ihr Wirkungsgefüge in einer Rollengraphik visualisiert. Aufgrund dieser

Ergebnisse konnte ein Teilszenario herausgezogen werden, in dem die Variable der Margina-

len, der Ansatzpunkt den Elsenhans für Entwicklungshilfe vorschlägt, im Fokus steht. In die-

sem Teilszenario wurden sämtliche Wirkungszusammenhänge, die direkt oder indirekt auf die

Variable der Marginale wirken und die direkte und indirekte Wirkung, die von dieser ausgeht,

beobachtet. Darin wurden auch die Instrumente der deutschen Entwicklungshilfe integriert

und Folgen im Wirtschaftssystem Afghanistans antizipiert. Demgegenüber habe ich einen

Vorschlag Elsenhans, die Etablierung einer künstlichen Industrie in Afghanistan, in das Teil-

szenario integriert und ebenso die Folgen dieser Maßnahme antizipiert. Das Ergebnis, dass

sich daraus ergab, lässt sich wie folgt zusammenfassen. Die Folgen der deutschen Entwick-

lungshilfe in Afghanistan stellen sich ambivalent dar. Zwei kritische Faktoren sind nicht bere-

chenbar. Dazu gehören die rentenabhängige Kabuler Regierungselite und das Verzögerungs-

moment in der Wirkung der Programme auf die Beseitigung von Marginalität. Diese zwei

kritischen Komponenten umgeht der Vorschlag Elsenhans, eine künstliche Industrie in Af-

ghanistan zu etablieren. Einerseits wirkt eine künstliche Industrie unmittelbar auf die Zielva-

riable Marginalität und setzt andererseits indirekt die Entwicklungshemmenden Variablen wie

Drogenanbau und –handel und dadurch die rentenabhängige Kabuler Regierungselite unter

Druck. Unmittelbar erhöht die künstliche Industrie das Auskommen der Marginalen, das über

den Reproduktionskosten liegt und mittelbar erhöht sie die Grenzproduktivität für einfachste

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