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ZAW 124. Bd., S. 341–355 DOI 10.1515/zaw-2012-0024 © Walter de Gruyter 2012 Die eherne Schlange Zum literarischen Ursprung eines »mosaischen« Artefakts Christoph Berner (Georg-August-Universität Göttingen; [email protected]) Am Beispiel der ehernen Schlange wird die grundsätzliche Schwierigkeit deutlich, das Verhältnis zwischen israelitischer Religions- und alttesta- mentlicher Literaturgeschichte zu bestimmen. Wird mit der lediglich in Num 21,4–9 und II Reg 18,4b erwähnten Schlangenplastik ein archai- sches Kultobjekt greifbar, dessen Verehrung sich bis in die vorstaatliche Zeit zurückverfolgen lässt, oder handelt es sich um ein spätes literarisches Konstrukt, das allenfalls einen Einblick in die nachexilische Auseinander- setzung mit bestimmten religiösen Praktiken ermöglicht? Die Frage lässt sich naturgemäß nur durch eine kritische Analyse der alttestamentlichen Quelltexte angehen, wie sie in der Vergangenheit bereits verschiedent- lich unternommen wurde. Die folgende Untersuchung versucht zu zeigen, dass dabei der schriftgelehrte Charakter der Texte sowie ihre kontex- tuellen Verflechtungen mit anderen alttestamentlichen Passagen noch nicht hinreichend profiliert worden sind. Die Frage nach den Ursprüngen der ehernen Schlange ist zunächst und vor allem eine Frage nach den Ur- sprüngen eines literarischen Phänomens, das – wenn überhaupt – erst in einem zweiten Schritt mit bestimmten religionsgeschichtlichen Gegeben- heiten korreliert werden kann. Um sich diesen literarischen Ursprüngen anzunähern, gilt es zunächst, das literarhistorische Verhältnis zwischen Num 21,4–9 und II Reg 18,4b zu klären. 1. Das literarhistorische Verhältnis zwischen Num 21,4–9 und II Reg 18,4b In Num 21,4–9 wird berichtet, wie Mose anlässlich einer Schlangenplage auf göttliches Geheiß eine eherne Schlange anfertigt; wer auch immer nun gebissen wird, muss die Schlangenplastik nur ansehen, um wieder zu genesen. Eine eherne Schlange wird schließlich auch in II Reg 18,4b er- wähnt, nur handelt es sich hier nicht um ein therapeutisches Artefakt, sondern um ein von den Israeliten verehrtes Kultobjekt, das vom geset- zestreuen König Hiskia vernichtet wird. Obwohl sich somit die Funktion der ehernen Schlange in beiden Texten deutlich unterscheidet, kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass hier ein und derselbe Gegenstand be- Authenticated | [email protected] Download Date | 9/17/13 2:23 AM

Die eherne Schlange Zum literarischen Ursprung eines »mosaischen« Artefakts

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On the curious occurence of the 'bronze snake' in both Num 21,4–9 and II Reg 18,4b.

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ZAW 124. Bd., S. 341–355 DOI 10.1515/zaw-2012-0024© Walter de Gruyter 2012

Die eherne Schlange

Zum literarischen Ursprung eines »mosaischen« Artefakts

Christoph Berner

(Georg-August-Universität Göttingen; [email protected])

Am Beispiel der ehernen Schlange wird die grundsätzliche Schwierigkeitdeutlich, das Verhältnis zwischen israelitischer Religions- und alttesta-mentlicher Literaturgeschichte zu bestimmen. Wird mit der lediglich inNum 21,4–9 und II Reg 18,4b erwähnten Schlangenplastik ein archai-sches Kultobjekt greifbar, dessen Verehrung sich bis in die vorstaatlicheZeit zurückverfolgen lässt, oder handelt es sich um ein spätes literarischesKonstrukt, das allenfalls einen Einblick in die nachexilische Auseinander-setzung mit bestimmten religiösen Praktiken ermöglicht? Die Frage lässtsich naturgemäß nur durch eine kritische Analyse der alttestamentlichenQuelltexte angehen, wie sie in der Vergangenheit bereits verschiedent-lich unternommen wurde. Die folgende Untersuchung versucht zu zeigen,dass dabei der schriftgelehrte Charakter der Texte sowie ihre kontex-tuellen Verflechtungen mit anderen alttestamentlichen Passagen nochnicht hinreichend profiliert worden sind. Die Frage nach den Ursprüngender ehernen Schlange ist zunächst und vor allem eine Frage nach den Ur-sprüngen eines literarischen Phänomens, das – wenn überhaupt – erst ineinem zweiten Schritt mit bestimmten religionsgeschichtlichen Gegeben-heiten korreliert werden kann. Um sich diesen literarischen Ursprüngenanzunähern, gilt es zunächst, das literarhistorische Verhältnis zwischenNum 21,4–9 und II Reg 18,4b zu klären.

1. Das literarhistorische Verhältnis zwischen Num 21,4–9und II Reg 18,4b

In Num 21,4–9 wird berichtet, wie Mose anlässlich einer Schlangenplageauf göttliches Geheiß eine eherne Schlange anfertigt; wer auch immer nungebissen wird, muss die Schlangenplastik nur ansehen, um wieder zugenesen. Eine eherne Schlange wird schließlich auch in II Reg 18,4b er-wähnt, nur handelt es sich hier nicht um ein therapeutisches Artefakt,sondern um ein von den Israeliten verehrtes Kultobjekt, das vom geset-zestreuen König Hiskia vernichtet wird. Obwohl sich somit die Funktionder ehernen Schlange in beiden Texten deutlich unterscheidet, kann dochkein Zweifel daran bestehen, dass hier ein und derselbe Gegenstand be-

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schrieben wird: Sowohl Num 21,4–9 als auch II Reg 18,4b wissen voneiner ehernen Schlange (t>xnh >xn) zu berichten, die von Mose selbst an-gefertigt wurde (h>i). Die engen sachlichen und sprachlichen Bezüge er-weisen zudem zweifelsfrei, dass Num 21,4–9 und II Reg 18,4b in einemliterarischen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen.

Dass das literarische Gefälle dabei eindeutig von Num 21 nachII Reg 18,4b verläuft, zeigt sich schon daran, dass der Rückverweis aufden mosaischen Ursprung des Artefaktes ohne den Bericht im Numeri-buch in der Luft hängt. Die Notiz in II Reg 18,4bα1 (t>xnh >xn ttkvh>m h>i r>X) nimmt wörtlich auf die Anfertigung der ehernen Schlangein Num 21,9aα (t>xn >xn h>m >iyv) Bezug1 und bliebe ohne diesen Hin-tergrund letztlich unverständlich.2 Dagegen steht die Erzählung des Nu-meribuches in sich und verrät keine Kenntnis der in II Reg 18,4b voraus-gesetzten kultischen Verehrung der Schlange, der in Num 21 allein einetherapeutische Funktion zukommt. Folglich erweist sich die etwa vonHugo Greßmann vertretene These, Num 21,4–9 spiegele den Versuch, diekultische Verehrung der ehernen Schlange im Nachhinein mit einer ätio-logischen Begründung zu versehen, als falsch.3 Im Gegenteil: Der literari-sche Befund spricht eindeutig dafür, dass der in II Reg 18,4b artikulierteGedanke der kultischen Verehrung des Schlangenbildes erst nachträglichauf der Grundlage des Numeritextes entwickelt wurde.

Der Bericht über die Beseitigung des ]t>xn (II Reg 18,4b), vielleichtseinerseits sekundärer Zusatz4 zu dem bereits chronistischen Geist at-

1 Vgl. H. Spieckermann, Juda unter Assur in der Sargonidenzeit, FRLANT 129, 1989,173, Anm. 33. Anders R. Achenbach, Die Vollendung der Tora, BZAR 3, 2003, 350f.,nach dessen Ansicht der Hinweis auf die mosaische Herkunft der ehernen Schlange erstim Licht von Num 21,4–9 in die ältere Notiz II Reg 18,4 eingetragen wurde. Durch die-sen völlig unnötigen literarkritischen Eingriff wird nicht das Alter von II Reg 18,4, son-dern der der Argumentation zugrundeliegende Zirkelschluss erwiesen.

2 Gegen S. Beyerle, Die »Eherne Schlange«. Num 21,4–9: synchron und diachron gelesen,ZAW 111 (1999), 23–44, 31–35, der in II Reg 18,4 und Num 21,4–9* voneinander un-abhängige Traditionsbildungen findet. Die sprachlichen und inhaltlichen Bezüge deutenin eine andere Richtung.

3 Vgl. H. Greßmann, Mose und seine Zeit, FRLANT 18, 1913, 289f. Ebenso auch M. Noth,Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, 21960 (= 11948), 133f.; V. Fritz, Israel inder Wüste, MThSt 7, 1970, 94; E. Aurelius, Der Fürbitter Israels, CB.OT 27, 1988, 149–151; K. Koenen, Eherne Schlange und goldenes Kalb, ZAW 111 (1999), 353–372, 356;H. Seebass, Numeri. 2. Teilband: Numeri 10,11 – 22,1, BK.AT IV/2, 2003, 319.

4 So C. Levin, Der Jahwist, FRLANT 157, 1993, 379: »Die Notiz ist ein später Zusatz, wieaus der aramaisierenden Syntax hervorgeht.« Anders etwa Koenen, Schlange, 354f.,Anm. 2; Seebass, Numeri, 320. Auf den Zusatzcharakter von II Reg 18,4b könnteschließlich auch hindeuten, dass die Notiz in II Chr 31,1 keinen Nachhall findet, wasnicht unbedingt heißen muss, dass sie unterdrückt wurde. Vielleicht war sie dem Verfas-ser auch noch gar nicht bekannt.

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menden Reformbericht,5 ermöglicht allen gegenteiligen Spekulationenzum Trotz keineswegs Rückschlüsse auf Kultpraktiken am Ersten Tem-pel,6 sondern ist das Resultat schriftgelehrter Reflexion.7 Der Verfasserbedachte die weitere Geschichte der ehernen Schlange im Horizont vonEx 32; Dtn 9 und kam zum Schluss, dass die götzendienerischen Israelitenwie einst dem goldenen Kalb auch dem in Num 21 angefertigten Artefaktkultische Verehrung erwiesen haben werden (ynb vyh hmhh ,ymyh di ykvl ,yruqm lXr>y).8 Indem Hiskia die Schlange zerschlägt, imitiert er dieZerstörung des Kalbes durch Mose (Dtn 9,21) – an beiden Stellen begeg-net die seltene Wurzel ttk.9

Die Notiz in II Reg 18,4b ist demnach als außerordentlich späteschriftgelehrte Bildung anzusprechen, die nichts über die literarischen –geschweige denn die religionsgeschichtlichen – Ursprünge der ehernenSchlange verrät, sondern bereits eine erste Stufe der theologischen Trans-formation derselben zum Ausdruck bringt: Aus dem therapeutischenArtefakt ist ein illegitimes Kultobjekt geworden. Aufschluss über dieUrsprünge der ehernen Schlange kann demnach nur die Erzählung inNum 21,4–9 geben, bei der es sich um die älteste Belegstelle handelt.Dabei ist »alt« in diesem Zusammenhang wie so oft freilich eine relativeKategorie. Die folgende Untersuchung von Num 21,4–9 wird zeigen, dassschon diese Erzählung eine späte nachpriesterschriftliche Bildung darstellt,bei der bereits ganz ähnliche schriftgelehrte Reflexionen wirksam warenwie in ihrer inneralttestamentlichen Nachgeschichte in II Reg 18,4b.

5 Zur chronistischen Prägung vgl. E. Würthwein, Die Bücher der Könige. 1. Kön 17 –2. Kön 25, ATD 11/2, 1984, 411f.

6 Gegen Fritz, Israel, 95; Beyerle, Schlange, 32; Koenen, Schlange, 353–356; L. Schmidt,Das vierte Buch Mose. Numeri 10,11–36,13, ATD 7/2, 2004, 103f.

7 Das etwa von Beyerle, Schlange, 32, Anm. 48, als Beleg für das hohe Alter vonII Reg 18,4b angeführte Argument, die Notiz müsse aufgrund der mosaischen Begrün-dung einer später illegitimen Kultpraktik als altes Traditionselement gelten, wird vomText nicht gestützt. Dass die Anfertigung der ehernen Schlange durch Mose die kultischeVerehrung des Objekts zum Ziel hat, wird in II Reg 18,4b gerade nicht gesagt! Der Halb-vers reflektiert den kultischen Missbrauch des von Mose angefertigten Rettungszeichens.Dass schließlich die Bezeichnung der ehernen Schlange als »Nechushtan« (II Reg 18,4bβ:]t>xn vl Xrqyv) als Hinweis auf ein besonders hohes Alter zu werten sei (so etwaKoenen, Schlange, 354f.), vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Der nur hier bezeugteTerminus ist ein Kunstwort, das geschaffen wurde, um der in 18,4bα in den Rang einesKultobjektes erhobenen ehernen Schlange ein adäquates Appellativum zu bescheren.

8 Die Parallele zwischen der ehernen Schlange und dem goldenen Kalb notiert auch Koenen,Schlange, 370–372, sieht hier aber einen historisch verwertbaren Reflex auf die Integra-tion kanaanäischer Kultobjekte in den JHWH-Kult. Die literarischen Verbindungen zwi-schen den Texten, die unsere einzige Quellengrundlage darstellen, werden konsequentausgeblendet.

9 Den Bezug notiert auch Würthwein, Könige, 411.

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2. »Und jeder, der gebissen wird und sie ansieht, wird leben« (Num 21,8):Zum literarischen Ort und theologischen Ziel der Erzählung

von der ehernen Schlange (Num 21,4–9)

Die Erzählung von der ehernen Schlange erweist sich bereits in Anbe-tracht ihrer literarischen Kontextualisierung als Spätling.10 Sie setzt inihrer erzählerischen Exposition (21,4b: „rdb ,ih >pn rjqtv) die in21,4a vorangehende Wandernotiz in ihrer Endgestalt voraus, denn derWeg, auf dem sich das Murren des Volkes ereignet, kann kein andererals der dort genannte »Weg zum Schilfmeer« sein.11 Die Erzählung istdamit jünger als die in 20,14–21 sowie in Einzelzusätzen zu 20,23; 21,4agreifbare, nachpriesterschriftliche »Edombearbeitung«, die aller Wahr-scheinlichkeit nach bereits das Ende der Textgenese des vorangehendenKapitels Num 20 markiert.12 Setzt man diese literarhistorische Verortungder Erzählung von der ehernen Schlange ins Verhältnis zu ihrer makro-kontextuellen Positionierung am Ende der Num 11–20 dominierendenSequenz von Murrgeschichten, so legt sich die Vermutung nahe, dassNum 21,4b-9 gezielt als Abschluss dieser Erzählsequenz konzipiertwurden. Wie sich im Folgenden zeigen wird, hat sich der Verfasser da-bei aufs Engste an seinem literarischen Vorkontext orientiert und mitNum 21,4b-9 eine Murrgeschichte geschaffen, deren oberflächlicheSpannungen nicht auf literarisches Wachstum hindeuten,13 sondern aus

10 Als literarischer Spätling gilt die Erzählung auch Noth, Überlieferungsgeschichte, 133,der in Num 21,4b-9 einen »Zusatz innerhalb des Werkes von J« findet.

11 Ebenso Schmidt, Numeri, 102; gegen Seebass, Numeri, 316f., der in 21,4a einen gegen-über 21,4b-9* (JE) jüngeren Zusatz findet. Wiederum anders Aurelius, Fürbitter,150–152, der Num 21,4a auf den Verfasser der Erzählung von der ehernen Schlangezurückführt, dabei aber übersieht, dass der Halbvers auf die Umgehung edomitischenTerritoriums zielt und damit ein Interesse verrät, das in 21,4b-9 keine Rolle spielt.Num 21,4b und damit die Erzählung von der ehernen Schlange ist jünger als die voraus-gesetzte Itinerarnotiz in 21,4a.

12 Die in Num 20,14–21 begründete Notwendigkeit einer Umgehung des edomitischen Ter-ritoriums wurde durch die sekundären Ortsangaben in 20,23 (,vdX /rX lvbg li rhh rhb)sowie in 21,4a (,vdX /rX tX bbcl [vc ,y „rd) nachträglich in der frühestens priester-schriftlich anzusetzenden Erzählung von Aarons Tod (20,22b-29*; 21,4aα1) verankert.Die für die besagten Zusätze und die Erzählung in 20,14–21 verantwortliche »Edombe-arbeitung« ist damit eindeutig einer nachpriesterschriftlichen Entwicklungsphase desPentateuch zuzuweisen. Wie ich an späterer Stelle zu zeigen hoffe, repräsentiert die»Edombearbeitung« genau genommen bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium inner-halb dieser hochkomplexen Entwicklungsphase.

13 So etwa Beyerle, Schlange, 23–35, der sämtliche Redeteile literarkritisch von einer ur-sprünglichen »narratio« in Num 21,(4a).4b.6.7aα1b.9 abhebt. Zur Kritik dieser Thesevgl. Seebass, Numeri, 317f., der den Text freilich auch nicht für literarisch einheitlichhält, sondern Num 21,4a.5a*.6aα.8 als Bearbeitung ausmacht.

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der Rezeption unterschiedlicher inneralttestamentlicher Quelltexte resul-tieren. Num 21,4b-9 sind literarisch einheitlich.14

Die Erzählung weist einen planvollen Aufbau auf, in dem sich dergestalterische Wille des Verfassers Ausdruck verschafft. Den Ausgangs-punkt bildet das Murren des unzufriedenen Volkes in 21,4b.5, dasin 21,6 die Schlangenplage nach sich zieht, der viele Israeliten zum Op-fer fallen. Das so geplagte Volk kommt vor Mose, bekennt seine Sünde(21,7aα) und ersucht bei Mose um Fürbitte (21,7aβ), damit JHWH dieSchlangenplage abwende (21,7aγ). Damit ist in nuce umrissen, was in21,7b-9 folgt: Mose leistet Fürbitte (21,7b; vgl. 21,7aβ), woraufhinJHWH in 21,8 (vgl. 21,7aγ) Anordnungen trifft, mit deren UmsetzungMose in 21,9 der Gefahr wehrt.

Dass die Erzählung von der ehernen Schlange wie eine theologischelaborierte Variante zur kurzen Tabera-Episode wirkt, die in Num 11,1–3den Reigen der Murrgeschichten des Numeribuches eröffnet, ist keinZufall. Der Verfasser fand hier das erzählerische Schema, das er mitMaterial aus Num 11–20 füllte,15 um so einen würdigen Abschlusstextzu schaffen,16 der erzählerisch und theologisch das Substrat der vorange-henden Murrgeschichten bildet. Bereits das »schriftgelehrte Murren«17 in21,5 erweist sich als ein aus Num 11; 20 zusammengesetzter Komposit-text:18 Den Auftakt bildet die Frage in 21,5a (tvml ,yrjmm vntylih hmlrbdmb), die die Ägyptenperspektive aus 20,5 (,yrjmm vntylih hmlv) mitdem Vorwurf aus 20,4 kombiniert, die Anführer hätten die Gemeinde »indiese Wüste gebracht, damit sie dort mitsamt ihrem Vieh den Tod finde«(vnryibv vnxnX ,> tvml hzh rbdmh lX hvhy lhq tX ,tXbh hmlv).19

Dass hier erstmals JHWH (!) und Mose (21,5aα1: ,yhlXb ,ih rbdyvh>mbv) für die Herausführung aus Ägypten kritisiert werden, hängt nichtetwa damit zusammen, dass der in Num 20 verstorbene Aaron nichtmehr zur Verfügung stand, sondern stellt die konsequente Fortsetzungjener Aussagen dar, die immer schon zu betonen wussten, dass sich IsraelsAufbegehren gegen seine Anführer in Wahrheit gegen JHWH selbst rich-

14 Vgl. Aurelius, Fürbitter, 149; Levin, Jahwist, 379; Achenbach, Vollendung, 349f.;Schmidt, Numeri, 104; B. U. Schipper, Die »eherne Schlange«. Zur Religionsgeschichteund Theologie von Num 21,4–9, ZAW 121 (2009), 369–387, 372. Als literarisch ein-heitlich gilt der Text auch Koenen, Schlange, 356–359, der allerdings überlieferungs-geschichtliche Vorstufen annimmt.

15 Ähnlich Aurelius, Fürbitter, 152; Schmidt, Numeri, 102.16 Zur konzentrischen Anlage der in Num 11,1–21,9 versammelten sieben Murrgeschich-

ten vgl. Schmidt, Numeri, 103.17 Aurelius, Fürbitter, 147.18 Ähnlich bereits Schmidt, Numeri, 105.19 Damit wird ein erfolgreicher Abschluss des in Ex 3,7f. umrissenen Exodus-Landnahme-

Projektes in Abrede gestellt; vgl. Fritz, Israel, 96; Aurelius, Fürbitter, 149.

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tet.20 Was vordem lediglich in deutender Rückschau auf das Murren fest-gestellt wurde, wird in Num 21,5 erstmals explizit auf der Erzähl-ebene vermerkt: Das Murren richtet sich nun ausdrücklich auch gegenJHWH.21

Als Begründung für seine Befürchtung, es werde in der Wüste ster-ben, verweist das murrende Volk in Num 21,5bα auf den vorherrschen-den Brot- und Wassermangel (,ym ]yXv ,xl ]yX yk), worin auch die Be-schreibung der Wüstensituation in 20,5b nachklingt (irz ,vqm Xltvt>l ]yX ,ymv ]vmrv ]pgv hnXtv). Entscheidender aber ist, dass mit Brotund Wasser die Leitbegriffe der Murrgeschichten in Ex 15–17; Num 11;20 aufgenommen und miteinander verbunden werden. Das geschieht imRahmen der Murrgeschichten nur hier und verdeutlicht erneut den kom-pendienartigen Charakter der Erzählung von der ehernen Schlange. Be-klagt wird aber nicht nur der Mangel an Brot und Wasser, sondern dieverabscheuungswürdige »leichte« Nahrung (21,5bβγ: ,xlb hjq vn>pnvlqlqh).22 Dass hiermit nur das Manna gemeint sein kann,23 zeigt dieVorlage in Num 11,6 (vnynyi ]mh lX ytlb lk ]yX h>by vn>pn htiv),24

die der Verfasser in 21,5bβγ komprimiert wiedergibt. Über die gewählteFormulierung (hjq vn>pnv) bildet er gekonnt eine Klammer mit 21,4b(„rdb ,ih >pn rjqtv), welche die Exposition als erzählerische Einheitvon ihrem Kontext abgrenzt.

Als Reaktion auf das Murren des Volkes sendet JHWH in 21,6 diebereits erwähnten Seraphenschlangen, die das Volk beißen und viele zuTode bringen. »Damit war genau das passiert, was die Israeliten hattenvermeiden wollen. Viele von denen, die murrten, um nicht zu sterben,starben gerade wegen ihres Murrens.«25

Die Verbindung zwischen der in 21,6 beschriebenen Schlangenplageund der rettenden Errichtung der ehernen Schlange (21,8f.) läuft wie inden meisten der rezipierten Murrgeschichten über eine Fürbitte des Mose

20 Vgl. Ex 16,7f.; Num 16,11.21 Dass es hier wörtlich heißt, das Volk rede gegen Elohim (,yhlXb ,ih rbdyv), wäh-

rend die Israeliten in der Rückschau bekennen, gegen JHWH geredet zu haben (21,7:hvhyb vnrbd), ist sicherlich kein Zufall. Vermutlich wollte der Verfasser durch den Be-griffswechsel den Erkenntnisgewinn des Volkes unterstreichen.

22 Zur Ableitung des hapax legomenon lqlq von der Wurzel llq vgl. Seebass, Numeri,313.

23 So explizit Targum Pseudo-Jonathan ad loc.24 Gegen Seebass, Numeri, 316, der wie Achenbach, Vollendung, 348, keinen Mannabezug

annimmt. Letzterer leitet lqlq von der Wurzel hlq I (»rösten«) ab und will die Aussagewie in Jos 5,11 auf »geröstetes Getreide« bezogen wissen. In beiden Fällen wird die Pa-rallele in Num 11,6 übersehen, vor deren Hintergrund Num 21,5bβγ nur das Mannameinen kann. Vgl. zu dieser Deutung Fritz, Israel, 93; Aurelius, Fürbitter, 147; E. Blum,Studien zur Komposition des Pentateuch, BZAW 189, 1990, 123.

25 Koenen, Schlange, 357.

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(21,7b: ,ih dib h>m llptyv), die hier gleichwohl ein singuläres Ge-präge aufweist. Mose wird nämlich nicht wie sonst aus eigenem Antriebtätig, um eine Vernichtungsdrohung JHWHs abzuwenden, sondern rea-giert auf ein entsprechendes Ersuchen des Volkes, das zuvor bei ihm vor-stellig wird und seine mit der Attacke auf JHWH und Mose (21,5) began-gene Sünde bekennt (21,7a). Folgte in der Vorlage Num 11,2 auf denNotschrei der Israeliten direkt die Fürbitte des Mose, so ist hier wohl inAnlehnung an das ausführliche Richterschema in Jdc 10,6–16 das Sün-denbekenntnis des Volkes dazwischengeschaltet worden.26 Diese theolo-gische Akzentsetzung will auch im Horizont von Num 14,40 verstandenwerden, wo das Sündenbekenntnis der Israeliten (vnXux yk) nur zu einerneuerlichen Missachtung von JHWHs Befehl führte.27 Dem setzt der Ver-fasser von Num 21,4b-9 die Aussage in 21,7a als positives Gegenstück28

und damit auch als versöhnlichen Abschluss der Murrgeschichten inNum 11–20 entgegen.

Indem das Volk in Num 21,7a Buße tut und sein in 21,5 geschilder-tes Aufbegehren gegen JHWH und Mose ausdrücklich bereut, kehrt esletztlich zu einer Haltung des Vertrauens zurück, wie sie betont am Endedes Meerwunderberichts in Ex 14,31b steht: »Da glaubten sie JHWHund seinem Knecht Mose« (vdbi h>mbv hvhyb vnymXyv).29 Dieser inNum 21,5.7 hergestellte Bezug zu Ex 14,31 unterstreicht, dass die Er-zählung von der ehernen Schlange intertextuelle Querverbindungen auf-weist, die weit über den direkten literarischen Vorkontext in Num 11–20hinausreichen und den ersten Teil der Wüstenwanderung im Exodusbuchdezidiert mit einschließen. Dies gilt einmal für das Glaubensmotiv, dasin Ex 14,31 an exponierter Stelle den Übergang vom Exodus zur Wüsten-wanderung markiert. Es gilt sodann aber in besonderen Maße auch fürdie allererste Episode, die sich nach Ex 15,22–26 auf dieser Wanderungzuträgt. Das in mehreren Stufen gewachsene Erzählstück30 schließt in

26 Zur Abhängigkeit von Jdc 10 vgl. Aurelius, Fürbitter, 148, der ferner auf Parallelen inI Sam 7; 12 verweist.

27 Das einzige weitere Sündenbekenntnis in der von Num 21,4b-9 abgeschlossenen Sequenzvon Murrgeschichten findet sich in Num 12,11, wo Aaron für sich und stellvertretendfür Miriam die von beiden begangene Sünde bekennt.

28 Ähnlich Achenbach, Vollendung, 348f.29 Vgl. Aurelius, Fürbitter, 147; Koenen, Schlange, 357; Schmidt, Numeri, 105. Dass

JHWH in Num 21,8 nicht vom Anblicken (21,9: uybh), sondern vom Sehen (hXr) derehernen Schlange spricht, könnte damit zu tun haben, dass es hier nicht allein um dentechnischen Vorgang geht. Die Wurzel hXr erinnert im Verbund mit der über Ex 14,31evozierten Glaubensthematik an die Ankündigung von Wunderzeichen (Ex 34,10) unddie Geißelung des Unglaubens Israels »trotz all der von JHWH gewirkten Zeichen«(Num 14,11). Will Num 21,8 die eherne Schlange auch in diesem Zusammenhang ver-standen wissen?

30 Vgl. grundlegend Levin, Jahwist, 348–351.

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15,25b.26 mit einer vorgezogenen Gesetzesoffenbarung sowie der Selbst-vorstellung JHWHs als Israels Arzt („Xpr hvhy). Eben jenes Motiv wirdnun in Num 21,4b-9 gezielt ausgestaltet, insofern sich JHWH, indemer die Gebissenen vor den tödlichen Folgen des Schlangengifts bewahrt,der Ankündigung in Ex 15,26b entsprechend als Arzt Israels erweist.31

Die Heilungsthematik verklammert damit die erste (Ex 15,24.25a) mitder letzten Murrgeschichte (Num 21,4b-9) und bildet auf diese Weiseeinen thematischen Rahmen um die gesamte Wüstenzeit.

Dass die in Ex 15,26b vorgefundene Heilungsthematik für den Ver-fasser von Num 21,4b-9 von zentralem Interesse war, zeigt auch der be-wusst inszenierte Bruch der Gattungstypik einer Murrgeschichte: Derin 21,7 geäußerten Bitte des Volkes um eine Beendigung der Schlangen-plage wird bezeichnenderweise gerade nicht entsprochen, sondern diePlage dauert an und JHWH wehrt lediglich ihren tödlichen Folgen, indemer Mose die eherne Schlange anfertigen lässt. Auf diese Weise wird eineSituation inszeniert, die den Aspekt der Heilung betont hervortreten lässtund JHWHs Selbstvorstellung als Israels Arzt exemplifiziert. Wenngleichdamit das erzählerische und theologische Interesse das Verfassers deut-lich zutage tritt, ist doch bislang nicht geklärt, warum er die Heilungs-thematik am Beispiel einer Schlangenplage verhandelt und welche ge-naue Rolle dabei dem Artefakt der ehernen Schlange zukommt. Auf beideAspekte gilt es im Folgenden genauer einzugehen.

3. Die eherne Schlange im Horizont des literarhistorischenund religionsgeschichtlichen Befundes

Im Unterschied zu vielen der in Num 11–20 vorangehenden Murrge-schichten fehlt in Num 21,4b-9 ein eindeutiges Entsprechungsverhältniszwischen den Vorwürfen der murrenden Israeliten und der sie ereilendenStrafe.32 Die Schlangen, die in 21,6 als Instrument der Züchtigung auf-geboten werden, sind aus dem vorangehenden Erzählverlauf unableitbar.Sie finden allerdings an anderer Stelle einen plausiblen Hintergrund, aufden in der Vergangenheit bereits des Öfteren verwiesen wurde:33 Da

31 Den Bezug notieren u.a. auch Achenbach, Vollendung, 348, und Schipper, Schlange,379.

32 So soll den Israeliten nach Num 11,18–20 das zuvor verlangte Fleisch zur Plage werden,nach Num 14,21–25.26–35 wird die Wüstengeneration zur Strafe für die Verweigerungder Landnahme das Land nicht sehen, Datan und Abiram steigen lebendig in die Unter-welt herab, da sie sich weigerten, zu Mose hinaufzusteigen (Num 16,12.33), und die 250Männer werden durch den verheerenden Ausgang der Opferprobe davon überzeugt, dassihr egalitäres Heiligkeitskonzept einen Irrweg darstellte (Num 16,3.35).

33 Vgl. Aurelius, Fürbitter, 151; Levin, Jahwist, 379; Schmidt, Numeri, 105; Schipper,Schlange, 382–385.

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ist auf der einen Seite die göttliche Strafandrohung in Jer 8,17, giftigeSchlangen über Israel loszulassen, gegen deren Biss keine Beschwörunghilft (>xl ,hl ]yX r>X ,ynipj ,y>xn ,kb xl>m ynnh yk). Auf der anderenSeite steht Dtn 8,15, wo die Bewahrung Israels während der Wüsten-wanderung Thema ist und dabei unter den Gefahren der Wüste auch jenefeurigen Schlangen ([r> >xn) erwähnt werden, mit denen die Israelitenin Num 21,6 unliebsame Bekanntschaft machen.34 Der Verfasser vonNum 21,4–9 schuf aus dem in Dtn 8,15 und Jer 8,17 vorgefundenen Ma-terial eine Murrgeschichte mit eigenem theologischen Gepräge, in der sichdie Aspekte der Gefährdung und der Bewahrung verbinden, wobei die Be-wahrung nun im Licht von Ex 15,26 konkret als Heilung gefasst ist.

Es fragt sich freilich, ob diese Erklärung bereits hinreichend ist.Schließlich wäre es ohne weiteres möglich gewesen, den Beweis fürJHWHs heilendes Wirken auch am Beispiel einer anderen Plage zu erbrin-gen, etwa den in Ex 15,26 vorgegebenen »Krankheiten Ägyptens«. Dasssich der Verfasser hingegen ausgerechnet für die Schlangen aus Dtn 8,15;Jer 8,17 entschied, verlangt nach einer weiterreichenden Erklärung, beider naturgemäß auch der über die eherne Schlange vermittelte Modus derHeilung im Horizont des religions- und ritualgeschichtliches Befundes zuberücksichtigen ist. Geht es also möglicherweise um eine kritische Aus-einandersetzung mit bestimmten Praktiken der Schlangenbeschwörung?

In eben diese Richtung hat Bernd Schipper in einem jüngst erschie-nenen Beitrag in dieser Zeitschrift argumentiert.35 Schipper geht von derzutreffenden Beobachtung aus, dass die im Alten Testament vereinzeltreflektierte Tätigkeit von Schlangenbeschwörern36 Teil jenes Spektrumsmagisch-mantischer Praktiken ist, die in Dtn 18,9–22 zugunsten deralleinigen Autorität des mosaischen Prophetenamtes verdrängt werden.Num 21,4b-9, so seine These, sei vor dem Hintergrund der in Dtn 18 ge-führten Auseinandersetzung zu deuten: Der Verfasser von Num 21 wollezeigen, dass Heilung allein von Gott, vermittelt über das mosaische Pro-phetenamt, nicht aber durch rituelle Praktiken zu erwarten sei.

Hierfür spricht nach Schipper auch der religionsgeschichtliche Befundim Alten Orient: Zwar gibt es eine Vielzahl von Ritualbeschreibungen, indenen auch die archäologisch belegten Schlangenappliken und -amuletteErwähnung finden, es existiert aber schlechterdings kein einziger Belegfür die Vorstellung, dass ein Artefakt durch bloßen Blickkontakt eine the-rapeutische Wirkung entfaltet.37 Dass der Verfasser von Num 21,4b-9 einderart singuläres Konzept mit der ehernen Schlange verbindet, ist daher

34 Gegen Koenen, Schlange, 358, Anm. 10, der Dtn 8,15 von Num 21,4–9 abhängig sieht.35 Vgl. Schipper, Schlange, 369–387.36 Vgl. Jes 3,20; Jer 8,17; Ps 58,6; Koh 10,11.37 Der Befund wurde von Schipper, Schlange, 372–379, gründlich aufgearbeitet und muss

hier nicht mehr im Detail rekapituliert werden.

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für Schipper weiterer Ausdruck einer polemischen Auseinandersetzungmit der gängigen Ritualpraxis. »Wenn hier von einer ehernen Schlangeberichtet wird, dann offenbar, weil es nach wie vor Schlangenapplikengab, gegen die mit Num 21 Position bezogen werden sollte.«38

Ob man dem Text eine derartige polemische Stoßrichtung unterstel-len kann, scheint indes fraglich. Ginge es dem Verfasser wirklich darum,die Verwendung von Schlangenappliken bei der Behandlung von Schlan-genbissen zu diskreditieren, da Heilung direkt und exklusiv von JHWHkomme, so hätte er ganz auf die eherne Schlange verzichten oder aberexplizit auf die Wirkungslosigkeit des Artefakts abheben können.39 Diesaber ist dezidiert nicht der Fall, im Gegenteil: Die Anfertigung der eher-nen Schlange erfolgt ausdrücklich auf JHWHs Befehl, und sie ist das fürden Heilungsprozess konstitutive Element. Zwar ist das Vertrauen dervon den Schlangen Gebissenen in JHWHs heilende Kräfte die Grund-voraussetzung, um Heilung zu erfahren, der Blick zur ehernen Schlangelässt sich aber nicht auf eine reine Glaubensprobe reduzieren, wie diesspäter in Sap 16,6f.12f. geschieht. Die Darstellung in Num 21,4b-9 lässtkeinen Zweifel daran zu, dass es sich bei der ehernen Schlange um ein au-ßerordentlich potentes Artefakt handelt, welches man allein anzublickenbraucht, um der göttlichen Heilkräfte teilhaftig zu werden.

Eine derart konzipierte Erzählung will kaum als Plädoyer für einealternative Behandlung von Schlangenbissen gelesen werden, die auf denEinsatz ritueller Artefakte verzichtet. Sie beschreibt vielmehr, dass JHWHsich gemäß Ex 15,26 als Israels Arzt erweist, indem er dem Volk ein un-vergleichliches Artefakt beschert, das sein heilendes Wirken verfügbarmacht. Dass hierin ein deutliches Überlegenheitsbewusstsein gegenüberden in Dtn 18 gebannten Ritualpraktiken greifbar wird, ist sicher richtig,doch wird die Erzählung hierdurch nicht zum Propagandatext für odergegen eine bestimmte Ritualpraxis in der Gegenwart des Verfassers.Das Ziel von Num 21,4b-9 ist zunächst und vor allem auf der Ebene derpentateuchischen Großerzählung von Auszug und Wüstenwanderung zusehen, wo sie in makrokontextueller Symmetrie zu Ex 15,26 die Erfül-lung eines weiteren Aspektes von JHWHs heilvollem Wirken für seinVolk Israel dokumentiert.

Dass dabei mit der ehernen Schlange ein in seiner Wirkweise unver-gleichliches Artefakt eingeführt wird, um JHWHs heilendes Wirkenfür das Volk verfügbar zu machen, ist ein für die Spätphase der pentateu-chischen Literaturwerdung keineswegs ungewöhnliches Phänomen. Ge-rade in späten nachpriesterschriftlichen Texten lässt sich nämlich einwachsendes Interesse an besonders wirkmächtigen Artefakten dokumen-

38 Schipper, Schlange, 384.39 Wie auch Schipper, Schlange, 384, zugestehen muss, hätte »auch eine alleinige Anrufung

JHWHs ausgereicht, um vom Schlangenbiss zu befreien.«

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tieren, wie es beispielhaft der sog. »Gottesstab« (,yhlXh hum) zeigt. Erwird in Ex 4,17.20b eingeführt und durch eine Reihe knapper Notizen40

dergestalt im weiteren Erzählverlauf verankert, dass der Eindruck ent-steht, Mose habe sämtliche Wunder und Plagen vor der Ankunft am Si-nai mithilfe eben jenes Gottesstabes gewirkt. Die Analogien zur ehernenSchlange liegen auf der Hand: Hier wie dort handelt es sich um JHWHsMacht kanalisierende Gegenstände von besonderer Potenz, die literarhis-torisch gesprochen zu den letzten Dingen gehören, die die nachpriester-schriftlichen Bearbeiter der Pentateucherzählung durch Moses Hände ge-hen ließen.

Wie der Verfasser von Num 21,4b-9 auf den singulären Gedankenkam, mit der ehernen Schlange ein allein durch Blickkontakt wirksamestherapeutisches Artefakt einzuführen, ist damit freilich nicht geklärt. DieWirkweise der ehernen Schlange, die wie dargelegt im Rahmen der be-kannten Ritualpraxis analogielos bleibt, ist jedoch mitnichten unableit-bar. Die eherne Schlange findet einen klaren Hintergrund, nur ist die-ser nicht in der altorientalischen Religionsgeschichte, sondern, bei einemdurch schriftgelehrte Auslegung geprägten Text wie Num 21,4b-9 eigent-lich wenig verwunderlich, im direkten literarischen Vorkontext des Nu-meribuches zu suchen.

Bei allen Diskussionen um den möglichen Hintergrund der ehernenSchlange wird bezeichnenderweise durchweg übersehen, dass die in 21,9geschilderte Herstellung des Artefakts eine auffällige Parallele in Num 17findet. So wird in 17,25f. der Aaronstab aufgestellt, um den widerspens-tigen Israeliten als Warnzeichen (yrm ynbl tvXl) zu dienen, damit sienicht sterben (vtmy Xlv). Die Parallele zur Zweckbestimmung der ehernenSchlange liegt auf der Hand, denn nach Num 21,9b (vgl. 21,8b) soll jederGebissene, der sie erblickt, leben (>xn lX uybhv >yX tX >xnh „>n ,X hyhvyxv t>xnh).

Nun ist aber auch das zweite warnende Zeichen zu berücksichtigen,das in Num 17 das Leben der Israeliten retten soll, nämlich der von Elea-zar in 17,1–5 angefertigte Altarüberzug, der daran erinnern soll, dass sichkein Unberufener dem Heiligtum nähert. Dieser Überzug ist auffälliger-weise aus Kupfer (t>xn) und damit neben der ehernen (sc. kupfernen)Schlange in 21,9 der einzige weitere Gegenstand dieses Materials, vondessen Herstellung das Numeribuch berichtet. Berücksichtigt man ferner,dass beide Gegenstände auf ihre Weise der Bewahrung der Israelitenvor drohender Lebensgefahr dienen, so ist eine zufällige Parallele ausge-schlossen. Die Texte stehen in einem literarischen Abhängigkeitsverhält-nis, dessen Gefälle eindeutig von Num 17 nach Num 21 verläuft, wo

40 Vgl. Ex 7,15b.17b*.20aα*; 14,16a*; 17,5aβb.6bβ.9bβ. Zum literarhistorischen Hori-zont und Ziel der Bearbeitung vgl. C. Berner, Die Exoduserzählung, FAT 73, 2010,118–122.

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sich die zentralen Aspekte aus 17,1–5 und 17,25f. verbinden: Die auf derStandarte befestigte eherne Schlange ist bildlich gesprochen nichts ande-res als der auf dem Aaronstab befestigte Altarüberzug Eleazars.41

Die singuläre Konzeption der ehernen Schlange als eines allein durchBlickkontakt wirksamen therapeutischen Artefakts ist damit vollständigals literarisches Konstrukt erklärbar, das auf der Grundlage von Num 17entwickelt wurde. Der Verfasser von Num 21,4b-9, dessen zentrales An-liegen wie dargelegt darin besteht, die Sequenz der Murrgeschichten miteiner Erzählung zu beschließen, die JHWH als Israels Arzt tätig werdenlässt, hätte somit zunächst auf der Grundlage von Jer 8,17; Dtn 8,15 eineSchlangenplage als Beispiel gewählt, um dann die lebensbedrohlichenFolgen der Schlangenbisse mithilfe eines Artefakts zu behandeln, das dieWirkweise der in Num 17 erwähnten, lebensrettenden Warn- und Erin-nerungszeichen in einen therapeutischen Rahmen überführt. Er wäre alsoausgehend von der gewählten Plage (Stichwort >xn) auf den lautlich ähn-lichen Altarüberzug aus Kupfer gestoßen (Stichwort t>xn) und hätte bei-des im Rettungszeichen des t>xnh >xn begrifflich zusammengezogen.

Das skizzierte Modell, in dem ausgehend von der auf dem Hinter-grund von Dtn 8,15; Jer 8,17 entwickelten Schlangenplage das passendeRettungszeichen konstruiert worden wäre, ist freilich nicht alternativlos.Theoretisch lässt sich das Verhältnis auch exakt umgekehrt fassen, indemman dem Rettungszeichen die sachliche Priorität einräumt: Auf der Suchenach einer geeigneten Möglichkeit, JHWHs Wirken als Israels Arzt zu be-schreiben, könnte der Verfasser zunächst auf die beiden lebensrettendenWarn- und Erinnerungszeichen in Num 17 gestoßen sein, aus denen erdie Vorstellung eines kupfernen Gegenstandes entwickelte, dessen bloßerAnblick Heilung wirkt. Die konkrete Gestalt dieses einmaligen Rettungs-zeichens und die seine Anfertigung auslösende Plage wären in diesem Fallallein durch das in Num 17 vorgegebene Metall motiviert: Die eherneSchlange (t>xnh >xn) wäre also nur deshalb eine Schlange, weil sich dieWahl dieses Tieres (>xn) ausgehend vom kupfernen Material (t>xn) laut-lich nahelegte, und der Verfasser hätte die gesamte Schlangenplage von

41 Dass die eherne Schlange nach Num 21,8f. nicht auf einem Stab (hum), sondern auf einerStandarte (cn) befestigt wird, dürfte kaum ausschließlich praktisch motiviert sein. DasLexem cn begegnet zuvor nur ein einziges Mal, und zwar auffälligerweise in Ex 17,15,wo Mose den Altar »JHWH ist mein Banner« (ycn hvhy) errichtet. Da Ex 17 und Num 20nachweislich parallel gestaltet wurden, liegt der Schluss nahe, dass auch Num 21,4b-9im Horizont dieses Prozesses sinaitischer Symmetriebildung zu deuten sind. Der Verfas-ser nahm das in der Altarbaunotiz vorgefundene Leitwort cn (»Standarte«) auf – es hathier im militärischen Kontext der Amalekiterschlacht seinen ursprünglichen Ort –, umdie Errichtung der ehernen Schlange als transsinaitisches Gegenstück zur Erbauung desJHWH-Altars zu markieren. In beiden Fällen agiert Mose im Anschluss an eine direktvorangehende Aufstiegserzählung (Ex 17,8–13; Num 20,22–29).

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Anfang an mit Blick auf das so konzipierte Artefakt hin inszeniert und imLicht von Dtn 8,15; Jer 8,17 ausgestaltet.

Man wird freilich mit Recht einwenden, dass die Annahme, das Ret-tungszeichen der ehernen Schlange habe die Schlangenplage aus sichherausgesetzt, in der dargestellten Weise wenig plausibel ist. Zu vage blei-ben die Gründe, warum der Verfasser auf der Suche nach einem Beweisfür JHWHs unvergleichliche heilende Kräfte ausgerechnet auf Num 17gestoßen sein sollte, und die Annahme, die gesamte Schlangenthematikhabe sich allein aus einem Wortspiel mit dem Material des kupfernenAltarüberzugs entwickelt, verleiht dem gesamten Vorgang einen recht be-liebigen und konstruierten Zug. Dass der ehernen Schlange die sachlichePriorität vor der ihr korrespondierenden Plage zuzumessen ist, erscheintdamit allein im Licht des literarischen Befundes als nahezu ausgeschlos-sen. Der Fall stellt sich freilich anders dar, wenn man die Perspektivenoch einmal weitet und auch einen religionsgeschichtlichen Befund in dieBetrachtung mit einbezieht, der in der älteren Forschung weitaus stärkereBeachtung fand als in der aktuellen Diskussion.

Schon 1803 notierte Carl August Böttiger die auffälligen Berührun-gen zwischen der ehernen Schlange und dem Schlangenstab des Askle-pios.42 Während in den ältesten Darstellungen des Asklepios Stab undSchlange noch getrennt voneinander begegnen, kann eine Verbindung derbeiden Elemente schon für das 4. Jh. v.Chr. vorausgesetzt werden, so dassentsprechende Darstellungen durchaus auch dem Verfasser des spätennachpriesterschriftlichen Textes Num 21,4b-9 bekannt gewesen seinkönnten.43 Nimmt man hinzu, dass in griechischen Quellen ferner Paral-lelen zum heilenden Blick belegt sind,44 so wird man immerhin erwägen

42 Vgl. C. A. Böttiger, Die heilbringenden Götter, in: J. Sillig (Hg.), C. A. Böttiger’s kleineSchriften archäologischen und antiquarischen Inhalts 1, 1837, 98f.

43 Vgl. B. Holtzmann, Asklepios, LIMC 2/1, 1984, 863–897; M. Meyer, Zwei Asklepios-typen des 4. Jahrhunderts v.Chr., Antike Plastik 23 (1994), 7–52. In fortgeschrittener hel-lenistischer Zeit setzte sich auch eine Identifikation von Asklepios mit dem phönizischenEshmun durch, dem bereits zuvor Züge eines Heilgottes zugewachsen waren (vgl. grund-legend P. Xella, Eschmun von Sidon, in: M. Dietrich/O. Loretz (Hg.), Mesopotamica –Ugaritica – Biblica (Festschrift Bergerhof), AOAT 232, 1993, 481–498). Erste Belege fürEshmun-Asklepios mit Schlangenstab finden sich vielleicht auf Münzen aus dem 3. Jh.(vgl. W. W. Graf Baudissin, Adonis und Esmun, 1911, 221). Dass der Schlangenstab schonunabhängig von Asklepios mit Eshmun verknüpft war, lässt sich indes nicht belegen.

44 Bereits der Satiriker Hippónax (6. Jh. v.Chr.) spielt nach einer Scholie zu Platons Gorgias da-rauf an, dass der Anblick des gelben Regenpfeifers Gelbsucht heilt (ebenso im 1./2. Jh. n.Chr.Plutarch, quaestiones convivales V 7 C-D). Ferner berichtet Pausanias (115–180 n.Chr.),dass beim Anblick eines von Asklepios gesandten Schriftstücks die Augen des Phalysios ge-sund wurden (Beschreibung Griechenlands X 38,13). Nach Plinius dem Älteren (23–79n.Chr.) hat der Anblick indischer Achate heilende Wirkung (Naturgeschichte XXXVII 53).Weitere, z.T. späte Belege bei O. Weinreich, Antike Heilungswunder, RVV 8/1, 1909, 169f.

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dürfen, ob der Verfasser von Num 21,4b-9 die Heilkraft JHWHs nichtmöglicherweise auch gegenüber der hellenistischen Konkurrenz profilie-ren wollte. Dass bereits der Anblick der ehernen Schlange Heilung er-möglicht, verschafft dieser jedenfalls einen uneinholbaren Vorsprung vordem Stab des Asklepios, dem keinerlei vergleichbare Kräfte zugeschrie-ben werden.

Nimmt man eine Vertrautheit des Verfassers von Num 21,4b-9 mitdem Schlangenstab des Asklepios an, so gewinnt die oben noch skeptischbeurteilte Möglichkeit, dass der ehernen Schlange die sachliche Prioritätgegenüber der ihr korrespondierenden Plage zukommt, deutlich an Plau-sibilität. In diesem Szenario hätte der Verfasser die Erzählung von Anfangan mit dem Ziel konzipiert, JHWHs unvergleichliche Heilkraft durch dieEinführung eines Artefaktes zu betonen, das den Schlangenstab des As-klepios in den Schatten stellt. Dabei hätte er die konkrete Gestalt undWirkweise der ehernen Schlange wie oben dargelegt vor dem Hinter-grund von Num 17 entwickelt und abschließend aus dem in Dtn 8,15;Jer 8,17 vorgegebenen Material die passende Plage geschaffen.

Ob man einen Einfluss der mit Asklepios verbundenen Ikonographieauf Num 21,4b-9 annehmen kann, lässt sich natürlich nicht mit letzterSicherheit erweisen. Sollte er ursprünglich nicht bestanden haben, wäreder aus Dtn 8,15; Jer 8,17 entwickelten Schlangenplage die sachlichePriorität vor der ehernen Schlange zuzumessen. Auch in diesem Fallwürde indes gelten, dass die singuläre Konzeption der ehernen Schlangeals eines durch Blickkontakt wirksamen therapeutischen Artefakts vordem Hintergrund von Num 17 konstruiert wurde und mithin als das Re-sultat schriftgelehrter Reflexion zu bewerten ist.

Damit gilt für den Stab des Asklepios, was auch für das altorienta-lische Vergleichsmaterial geltend zu machen ist: Man ist nicht zwingenddarauf angewiesen, ihn als Hintergrund von Num 21,4b-9 zu postulie-ren. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die Bezüge der ehernen Schlangezum Asklepiosstab weitaus deutlicher ausfallen als jene zu den bekann-ten altorientalischen Analogien zur Verbindung von Stab und Schlange,welch letztere durchweg einen therapeutischen Horizont vermissen las-sen.45 Wenn überhaupt die Erzählung in Num 21,4b-9 außeralttesta-mentlich beeinflusst wurde, dann durch die Asklepiostradition, von dersich der Verfasser in diesem Fall abgegrenzt hätte, indem er durch schrift-gelehrte Rekonfiguration vorgefundener pentateuchischer Topoi doku-mentierte, dass es nur einen wahren Arzt Israels geben kann, nämlichJHWH, der sich seinem Volk bereits unmittelbar nach dem Auszug alssolcher vorgestellt hatte (Ex 15,26).

45 Vgl. den kurzen Überblick bei Seebass, Numeri, 322f., sowie Schipper, Schlange, 384.

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The narrative in Num 21,4b–9 is a late post-Priestly creation which is intended to demon-strate how YHWH becomes active as Israel’s healer, in accordance with his presentation ofhimself in Ex 15,26. For this purpose a threat from snake-bite was dramatised in the light ofDeut 8,15 and Jer 8,17. For its cure YHWH commanded the making of the bronze serpent,which a person had only to look at to be healed. This conception of the bronze serpent,which is unique in the history of religion, might alsready have been devised to outdo the staffof Asclepius, but it owes its specific form and mode of operation to a combination of thewarning and memorial signs which were introduced in Num 17,1–5.25f. with the altarcovering of Eleazar and Aaron’s rod. The bronze serpent is therefore ultimately a literaryconstruct, which already in II Reg 18,4b is transformed theologically and turned, under theinfluence of Ex 32, into an illicit object of worship.

Le récit de Nb. 21,4b–9 est une formation post-sacerdotale tardive, dont le but est d’illustrercomment Yhwh – selon son auto-présentation en Ex. 15,26 – agit en tant que médecind’Israël. A cet effet est introduite la menace de morsures de serpents, à la lumière de Dtn. 8,15et Jér. 8,17; pour s’en défendre, Yhwh ordonne la confection du serpent d’airain, qu’il suffitde contempler pour être guéri. Cette conception du serpent d’airain, singulière dans l’histoiredes religions, pourrait indiquer la suprémation sur le symbole d’Asclépios, mais doit son as-pect et son mode d’action spécifiques à une contamination avec Nb. 17,1–5.25 s., le revête-ment de l’autel dû à Eléazar et les signes d’avertissement et de mémoire concentrés dans le»bâton d’Aaron«. Le serpent d’airain est ainsi dès l’origine une construction littéraire, qui aété transformée au plan théologique déjà en 2 Rois 18,4b, puis en objet cultuel illégitime sousl’influence d’Ex. 32.

Die Erzählung in Num 21,4b–9 ist eine späte nachpriesterschriftliche Bildung, die verdeut-lichen soll, wie JHWH gemäß seiner Selbstvorstellung in Ex 15,26 als Arzt Israels tätig wird.Zu diesem Zweck wurde im Licht von Dtn 8,15 und Jer 8,17 eine Bedrohung durch Schlan-genbisse inszeniert, zu deren Abwehr JHWH die Anfertigung der ehernen Schlange anordnet,die man nur anzublicken hat, um zu genesen. Diese religionsgeschichtlich singuläre Konzep-tion der ehernen Schlange könnte bereits auf eine Überbietung des Asklepiosstabes hin ange-legt sein, verdankt ihre spezifische Gestalt und Wirkweise allerdings einer Verschmelzungder in Num 17,1–5.25f. mit dem Altarüberzug Eleazars und dem Aaronstab eingeführtenWarn- und Erinnerungszeichen. Die eherne Schlange ist damit von Anfang an ein literarischesKonstrukt, das in II Reg 18,4b bereits theologisch transformiert wurde und sich unter demEindruck von Ex 32 zu einem illegitimen Kultobjekt wandelte.

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