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Die Elektronenaffinitaten von Selen und Tellur Von KI,AI:E DOERFFEL Mit 1 Abbildung 1nha.ltsiibersicht Dic Elektronenaffinitaten voii Selen und Tellur wurden auf Grund. des BORN- HABERSChen Icreisprozesses zu 8G & 45 kcal/Mol (Se) bzw. 82 f 40 kcal/Mol fTe) be- rechnet. Die Elektronenaffinitiit E bezeichnet die Wiirmetijnung, die bei der Bnlagerung von einem oder nielireren Elektronen an ein elektro- neutrales Atom auftritt. Ge- wohnlich ermittelt nian diesen Energiebetrag auf indirektem Wege aus deni KreisprozeQ nach ROHN~) und HABER~) Dabei zerlegt man die f DCI2 - Fc sNa g *y kl 'Na (Abb. 1). > ), Reaktion [ & I - uNaC/ Na' S + n @ + Sn- Abb. I < ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ B nach B~~~ und H~~~~ inmehrereEinzelschritte, deren Wiirmetenungen bekannt sind. Nach dem ersten Hsuptsatz der Therniodynamik gilt dann wobei Wi die Wamietonungen der Teilreaktioii darst,ellt. Folgende Za.hlenwerte werden fur die eiiizelnen Elektronenaffinitiiten angegeben (siehe Tabelle 1). Die von SHERMAN angegebenen Werte der Elektronenaffinitiiten der zweiwertigen Anioiieii passen nicht recht in die allgemeine Gesetz- manigkeit herein, wonach die Elelitroiienaffinitiit niit steigendem Ionen- radius abniniriit. Fur die Reaktion Te --> Te2- konrit,e in der verfug- baren Literatur uberhaupt kein IVert aufgefuiiden werden. Es sol1 daher in1 folgendeii versucht werden, diese beiden Elektronenaffinitiiten QNffCl E=ZW,, l) M. BORN, \'erh. physik. Ges. 51, 679 (1919). 3, F. HABEK, Verh. physik. Ges. 51, 750 (1919).

Die Elektronenaffinitäten von Selen und Tellur

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Die Elektronenaffinitaten von Selen und Tellur

Von KI,AI:E DOERFFEL

Mit 1 Abbildung

1nha.ltsiibersicht Dic Elektronenaffinitaten voii Selen und Tellur wurden auf Grund. des BORN-

HABERSChen Icreisprozesses zu 8G & 45 kcal/Mol (Se) bzw. 82 f 40 kcal/Mol fTe) be- rechnet.

Die Elektronenaffinitiit E bezeichnet die Wiirmetijnung, die bei der Bnlagerung von einem oder nielireren Elektronen an ein elektro-

neutrales Atom auftritt. Ge- wohnlich ermittelt nian diesen Energiebetrag auf indirektem Wege aus deni KreisprozeQ nach R O H N ~ ) und H A B E R ~ )

Dabei zerlegt man die

f DCI2 - Fc sNa g *y k l 'Na (Abb. 1). > ), Reaktion [&I- uNaC/ Na' S + n @ + Sn-

Abb. I < ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ B nach B~~~ u n d H~~~~ inmehrereEinzelschritte, deren Wiirmetenungen bekannt sind.

Nach dem ersten Hsuptsatz der Therniodynamik gilt dann

wobei Wi die Wamietonungen der Teilreaktioii darst,ellt. Folgende Za.hlenwerte werden fur die eiiizelnen Elektronenaffinitiiten angegeben (siehe Tabelle 1).

Die von SHERMAN angegebenen Werte der Elektronenaffinitiiten der zweiwertigen Anioiieii passen nicht recht in die allgemeine Gesetz- manigkeit herein, wonach die Elelitroiienaffinitiit niit steigendem Ionen- radius abniniriit. Fur die Reaktion Te --> Te2- konrit,e in der verfug- baren Literatur uberhaupt kein IVert aufgefuiiden werden. Es sol1 daher in1 folgendeii versucht werden, diese beiden Elektronenaffinitiiten

QNffCl

E = Z W , ,

l) M. BORN, \'erh. physik. Ges. 51, 679 (1919). 3, F. HABEK, Verh. physik. Ges. 51, 750 (1919).

K. DOERFFEL, Die Elektronenaffinitaten yon Selen und Tellur 213

H + H - F -+ F- c1+ c1- Br -->. Br-

(gemessen J + J-

abzuschatzen. Wie bei der Berechnung aller dieser Elektronenaffini- taten sol1 dabei vorausgesetzt werden, daf3 zwischen Kation und Anion

-16,5 -95,O -86,5 -81,5 -88) -74,2

-

der benutzten Verbindungen nur rein palare Krafte wirksam sind. Naturlich mu13 man dann bei der Anwendung dieser Zahlen stets bedenken, da13 sie - wie auch die Werte der Ta- belle 1 - nur mehr oder weniger for- male Rechengrofien darstellen, da die ideal gedachte polare Rindung mit reinem Coulombschen Kraften in keinem Stoff verwirklicht ist.

Unter dieseii Voraussetzmigen gestattet der Kreisprozefi nach HABER und BORN die Bestimmung der beiden fehlenden Elektronenaffinitaten. Die Berechnung wird an den Seleniden und Telluriden der Erdalkalirnetalle durch- gefuhrt. Alle diese Verbindungen kristallisieren im NaC1-Typ mit Aus- nahnie des Magnesiumtellurids, das ein Wurtzitgitter besitzt. Magnesium- tellurid wird daher in den folgenden Berechnungen ausgelassen, da irn Wurtzitgitter infolge der geringeren ICoordinat,ionszahl grol3ere Polarisa- tionseffekte auftreten als im Steinsalz-

0 + 0 2 -

s + s2- Se + Se2-

+150i. 50 (+168) + go+ 50 (+ 79)

(+ 97)

gitter. Diese konnten sich bei eineni so leicht polarisierbaren 1011 wie dem zweifach negativ geladenen Telluridion recht storend bemerkbar machen. Die benotigten Gitterenergien findet man aus den rontgeno- graphisch gemessenen Gitterabstanden mit Hilfe der BoRNschen Glei- - -

chung

U = Gitterenergie A z MADELuNGsche Zahl, fur NaCl-Typ

z = Ionenwertigkeit

e, = elektrisches Elementarquantum m = AbstoRungsexponent

wird A = 1,74 NL = LOSCHMIDTSChe Zahl.

3) H. LANDOLT u. R. BORNSTEIN, Physikalisch-chemische Tabellen, herausgegeben

4) G. G. GLOCKLER u. M. CALVIN, J. chem. Physics 3, 492 (1935). 5 ) P. P. SUTTON u. J. E. MAYER, J. chem. Physics 3, 20 (1935). 6 , J. SHERMAN, Chem. Rev. 11, 93 (1932).

von W. A. ROTH u. K. SCHEEL.

214 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 281. 1955

5,45 5,91 6,23 6,59

Als AbstoBungsexponenten kann man einen mittleren Wert von m = 9 benutzen. (Die RoRNsche Gleichung ‘ist gegen Ariderungen von m nicht sehr ernpfindlich, KAPUSTINSKY’) gibt ari, da13 U nur um etwa 3% scliwankt, wenn man 121 um 30% andert.) Alle anderen benijtigten therinochemischen Daten kann man den Nachschlagewerken entnehmen. Damit kann man nun den HABER-RoRxschen Kreisprozefi nunierisch auswerten. Dies ist in‘ Tabelle 2 geschehen.

I -745 1 -60 -693 -82 -658 -83 -622 -8 1

I

Tabelle 2 Auswe r t ung d e s HABER-BoRNs c h e n K r e i s p r o zesses. (Bildungswarmen sind ent- mommen KUBASCHEWSKY~), iibrige Warmetonungen und Gitterkonstanten den Taschen- buchern von STAUDE~) bzw. D’ANs-LAx~~). Alle Warmetonungen in kcal/Mol, Gitter- konstanten in Angstrom.) Es bedeuten

Q = Bildungswarme aus den Elementen U = Gitterenergie S = Sublimationswarme (Kation oder Anion)

I = Tonisiernngsenergie E = Elektronenaffinitat a. = Gitterkonstante

+519 +412 +383 +348 Mittel:

+412 +383 +348

I) = Dissoziationsenergie fur die Spaltung der Molekel

+72 + 92 +92 +88 +86

$77 +83

~

+87 ~

-__ m a g .

Mg Se Case SrSe Base

CaTe SrTe BaTe

Der diesen berechneten Elektronenaffinitaten anhaftende groBtmogliche Fehler ergibt sich durch Summation der grofltmoglicher, Fehler der Einzelschritte des Kreis- prozesses. Danach wird

dE = dU + d Q + dS, + dS.4 + dD + dI.

Fur dU kann man einen Wert von ungefahr 4% abschatzeu, wenn man beiden Oxyden und den Sulfiden die Gitterenergien vergleicht, die einmal nach der obigen BoRNschen Formel

?) A. F. KAPUSTrNSKY, 2. physik. Chem., Abt. B 22, 257 (1933). 8) 0. KUBA~CHEWSKY u. E. L. EVANS, Metallurgical thermochemistry, Butter-

9, H. STAUDE, Physikalisch-chemisches Taschenbuch, Akademische Verlagsgesell-

lo) J. D’ANS u E. LAX, Taschenbuch fur Physiker und Chemiker, Springer Verlag,

worth-Springer Ltd. London 1951.

schaft Leipzig 1949.

Berlin 1943.

K. DOERFFEL, Die Elektronenaffinitaten von Selen und Tellur 2 15

und zum anderen nach der vier- bzw. fiinfgliedrigen Formel von BORN und MAYER be- rechnet wurden. Dns entspricht bei den Seleniden etwa 30 kcal/Mol und bei den Telluriden 35 kcal/l\lol.

Nach den Literaturangaben kann man fur d Q, dS und d D annehmen

d Q % dS, w dS, % dD L\S 3 kcal/Mol.

Damit wird dQ + dS, + dS, + dD m 12 kcal/Mol.

Bei den sehr genau bestimmbaren Ionisierungsenergien durfte der Fehler 1 % nicht iiberschreiten. Dainit wird im Falle der Erdalkali- ionen d I 5 5 kcal/Mol. Der grofltmogliche Fehler der Elektronen- affinilaten ist also

dE,,z- w 45 lrcal/Mol; dE,,z- w 40 kcal/Mol.

Damit kann man als Elektronenaffinitat fur Selen bzw. Tellur die Werte der Tabelle 3 angeben. Die Genauigkeit der gefiindenen Werte ist etwa die gleiche wie bei der in Tabelle 1 sngegebenen Elektronenaffinitat fur

Tabelle 3 E l e k t r o n e n a f f i n i t a t e n f u r

Selen u n d T e l l u r

1 Reaktion I Warmetonung 1 1 S e + SeZ- ~ 86 & 45 1 I Te -+Te2- I 82 & 40 I

Schwefel. Rei dieser Fehlerangabe handelt es sich um einen Maximal- fehler, der wirklich auftretende Fehler durfte gcringer sein. Allerdings ist sein zahlenm8Biger Wert schwer angebbar.

Die beiden ber,echneteri Elektroneiiaffiiiitaten fiigen sich besser in den allgemeinen ,,Gang" als die von SHERMAN angegebenen Zahlen. Auch passen sie gut zu den Eigenschaften der Chslkogenide. Sauerstoff nimmt eine gewisse Sonderstellung gegenuber den drei iibrigen Ele- menten Schwefel, Selen und Tellur ein, wahrend sich die ubrigen Chal- kogene untereinander weitgehend ahnlich sind. (Eine ahnliche, aller- dings nicht so stark ausgepragte Erscheinung findet man ubrigens auch bei den Elektronenaffinitaten der Halogenide Fluor, Chlor, Brom und Jod.)

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AbschlieBend rnochte ich Herrn Professor Dr. LEUTWEIN danken fur die Erlaubnis, diese Arbeit in seinern Institut ausfuhren zu diirfen, und fur die freundlichen Ratsehlage beim Abfassen des Manuskriptes.

Freiberg (Sachsen), Mineralogisches Institut der Bergakademie.

Eei der Redaktion eingegangen am 4. Juli 1955.