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6! Die Elektropolarit it histologischer Farbstoffe. Vorl~iufige Mitteilung. Yon Rudolf Keller (Prag). Seit langem bemtiht, ein zuverlassiges Verfahren zum mikr, o- skopischen Nachweis der Elektrizitat auszuarbeiten, war es mir schon gelungen, eine Methode der Kathoden-, spi~ter auch der Anodentinktion zu finden, die scharfe und am Galvanometer verifizierte Bilder lieferte. Ich entdeckte allerhand Uberein- stimmungen mit der hlteren Literatur und auch mit neueren Schriften, die sparer erschienen als meine Voraussagungen und genau mit ihnen tibereinstimmten, obzwar sie keineswegs yon elektrochemischen Gesichtspunkten aus angestellt wurden. Noch sicherer war ich meiner Sache, als sich z. B. bei Pfianzenwurzeln und Holz Widerspriiche mit alteren fitichtigen Literaturangaben herausstellten und die Nachuntersuchung am Galvanometer und Elektrometer ergab, dass meine elektrohistologischen Methoden das Richtige ergeben hatten. Ich benutze ftir Kathoden Schwer- metallsahl(isungen (Eisen und Kobalt), die naeh dem Abwaschen mit Ferrozyankalium bezw. Schwefelammon die Kathoden blau oder schwarz anzeigen, ftir Anoden U n n a s Methode der Sauerstoff- orte (RW und NV) 1), ferner Safranin, dessen anodische Tinktion kirschrot ist und einige andere Kontrollmethoden. Meine Mtere Eisen-Anoden-Methode') habe ich wegen der in meinem Buch geschilderten Nachteile aufgegeben. Trotz aller 0bereinstimmungen blieb ein Umstand sehr unbefriedigend, dass namlich die yon den Histologen fast aus- schliesslich angewandten Teerfarbstoffe sich nur i~usserst gewalt- sam in mein System einordnen liessen und dass deshalb die Literatur der Mteren Lebendfarbungen nur wenig Brauchbares ergab ftir die Best•tigung meiner Grundanschauung vonder Bedeutung der elektrischen Zelladungen ftir den husfall mikro- skopischer Farbungen. Wie alle Welt glaubte ich fest an die Wichtigkeit der Einteilung in basische und saure Farbstoffe. i) Diese Zeitschrift Bd. 87, Abt. I, 1915 und sp~,tere Arbeiten. ") Die Elektrizit~t in der Zelle, Wien 1918.

Die Elektropolarität histologischer Farbstoffe. Vorläufige Mitteilung

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Die Elektropolarit it histologischer Farbstoffe. Vorl~iufige Mitteilung.

Yon

Rudolf Keller (Prag).

Seit langem bemtiht, ein zuverlassiges Verfahren zum mikr, o- skopischen Nachweis der Elektrizitat auszuarbeiten, war es mir schon gelungen, eine Methode der Kathoden-, spi~ter auch der Anodentinktion zu finden, die scharfe und am Galvanometer verifizierte Bilder lieferte. Ich entdeckte allerhand Uberein- stimmungen mit der hlteren Literatur und auch mit neueren Schriften, die sparer erschienen als meine Voraussagungen und genau mit ihnen tibereinstimmten, obzwar sie keineswegs yon elektrochemischen Gesichtspunkten aus angestellt wurden. Noch sicherer war ich meiner Sache, als sich z. B. bei Pfianzenwurzeln und Holz Widerspriiche mit alteren fitichtigen Literaturangaben herausstellten und die Nachuntersuchung am Galvanometer und Elektrometer ergab, dass meine elektrohistologischen Methoden das Richtige ergeben hatten. Ich benutze ftir Kathoden Schwer- metallsahl(isungen (Eisen und Kobalt), die naeh dem Abwaschen mit Ferrozyankalium bezw. Schwefelammon die Kathoden blau oder schwarz anzeigen, ftir Anoden U n n a s Methode der Sauerstoff- orte (RW und NV) 1), ferner Safranin, dessen anodische Tinktion kirschrot ist und einige andere Kontrollmethoden. Meine Mtere Eisen-Anoden-Methode') habe ich wegen der in meinem Buch geschilderten Nachteile aufgegeben.

Trotz aller 0bereinstimmungen blieb ein Umstand sehr unbefriedigend, dass namlich die yon den Histologen fast aus- schliesslich angewandten Teerfarbstoffe sich nur i~usserst gewalt- sam in mein System einordnen liessen und dass deshalb die Literatur der Mteren Lebendfarbungen nur wenig Brauchbares ergab ftir die Best•tigung meiner Grundanschauung v o n d e r Bedeutung der elektrischen Zelladungen ftir den husfall mikro- skopischer Farbungen. Wie alle Welt glaubte ich fest an die Wichtigkeit der Einteilung in basische und saure Farbstoffe.

i) Diese Zeitschrift Bd. 87, Abt. I, 1915 und sp~,tere Arbeiten. ") Die Elektrizit~t in der Zelle, Wien 1918.

62 Rudol f Keller :

Die tibereinstimmenden Angaben der Handbticher der organischen Elektrochemie, dass bei der Elektrolyse basische Farbstoffe an die Kathode g ehen, und der Lehrbticher der Kolloidchemie, dass basische Farbstoffe zur Kathode wandern, saure zur Anode, be- gegnete auch bei mir keinem Zweifel, da sie Selbstverstandliches zu enthalten schienen. Schliesslich aber entschloss ich reich doch, diese Angaben experimentell nachzuprtifen. Ich hatte eine Anzahl yon Pflanzenschnitten zur Hand, die mir als Testpraparate dienten, da mir ihre Elektropolaritat aus zahlreichen fibereinstimmenden Versuchen mit Metallelektrolysen und mit Galvanometer und Elektrometer ganz zuverlassig vertraut war. Diese Testobjekte nun gaben mit typischen Basenfarbstoffen elektive Anodenbilder, mit gewissen Si~urefarbstoffen deutliche und scharfe Kathoden- bilder. Ich schritt also zu Wanderungsversuchen unter dem elektrischen Strom.

Diese Versuche machten es zur vollen Gewissheit, dass die Angaben der Lehrbticher f a l s c h waren und dass meine Test- objekte die Elektropolaritat der Farbstoffe richtig demonstriert hatten. Ich habe die meisten histologischen Farbstoffe unter- sucht; die Experimente werden fortgesetzt. Als allgemeine Regel hat sich bereits ergeben, dass die Farbstoffkolloide in wasseriger L0sung sich im allgemeinen dem Typus der Eiweisskollo~de ge- mass verhalten, das heisst, ihre Wanderungsrichtung im elek- trischen Feld hangt yon der bTatur der LSsung 1) ab, sie wandern in b a s i s c h e r L 0 s u n g z u r A n o d e , in s a u r e r z u r K a t h o d e . Einige, z. B. dasvielgebrauchte M e t h y l e n b l a u , zeigen eine Annaherung an den Typus Goldkolloid, indem sie auch in neutraler L(isung zur Anode gehen, einige, z. B. Auramin, sind auch bei 70 Volt elektroneutral.

Aus dieser Reget ergibt sich, dass im allgemeinen eine INeigung der basisch reagierenden Li)sungen vorhanden ist, an die Anode zu wandern, also basische Farbstoffe mit Vorliebe eine anodische Tendenz erkennen lassen, ebenso, dass saure Farbstoffe unter Umstanden elektive Kathodenbilder ausfarben, ganz im Gegensatz zu der gelaufigen Ansicht; dass auch in diesem Falle meine mikroelektrische Methode sich bewahrt butte, wird ihr, wie ich bestimmt hoffe, den Eingang in die histologische Praxis

1) Nach der Regel yon Hardy, J'ourn. of Physiol. 24 (1899)S. 288, zitiert nach Zsigmondy, KoUoidchemie, Leipzig 1918, 8. 59.

Die Elektropolarit~,t histologischer Farbstoffe. 63

ermSglichen. In bezug auf die Elektrohistologie der Pflanze habe ich gegenwartig einen ziemlich sicheren Uberblick fiber die einzelnen Teile, ausgenommen die Feinheiten des Zellkerns, die sich bekanntlich am lebenden Objekt, das allein ffir Elektro- Mikroskopie taugt, nicht ausfarben lassen. Was das Tier an- belangt, so erhalte ich das Material entweder nicht genfigend frisch oder es sind sonstige Umstande, die meine Praparate un- scharfer oder ganz diffus erscheinen lassen; nur selten gelingt es mir, die Kathoden und Anoden so scharf herauszubringen, wie die Sch0pfer der yon mir adaptierten Methoden yon U n n a , G o l o d e t z und M a c a l l u m . Ich kann nur bestatigen, dass diese rein chemisch gedachten Methoden in allen Fallen, wo ich sie kontrollieren konnte, genau dasselbe Bild ergeben haben. Zu den yon den chemischen Mikroskopikern und yon mir bereits mitgeteilten Bestimmungen, wobei Kaliumorte und Reduktionsorte als Kathoden zu fibersetzen sind, Sauerstofforte als Anoden, ist nur hinzuzufrigen, dass die Saurezellen des Magens nach meinen sicheren Feststellungen nicht die Belegzellen sind, sondern die Hauptzellen, dass die B r u n n e rschen Drtisen des Darms ent- gegen meiner Erwgrtung anodisch tingieren.

Eine besondere Erwahnung verdienen noch zwei Umstande. Erstens die elektrohistologische Ausfarbung des Gegensatzes zwischen l~ervenoberflache und l~ervenanschnitt (oder -querschnitt, wie sich die Elektrophysiologie ausdrtickt). Wie bekannt, ist makroskopisch die Oberfliiche anodisch, der Schnitt kathodisch. Ein Verfahren nun, bei dem der Nerv ausschliesslich yon der Oberfiliche angefarbt wird, ist E h r l i c h s Methylenblau-Injektion ins Blut, welches das Metylenblau in farbloses Leukoprodukt fiberftihrt und durch die Ernithrungswege an die unversehrte Oberflache des l~erven heranbringt. E h r l i c h hat gleichsam U n n as RW auf nattirlichem Wege erzeugt und an Oberflachen herangeftihrt, also ein Anodenbild erzeugt, ebenso K r e i b i c h :), tier in neuerer Zeit in ganzen Stricken direkt mit RW farbte und ein Anodenbild erzeugte. Demgegenriber hat U n n a Quer- schnitte (Gefrierschnitte) mit demselben RW behandelt und die Schnittflachen weiss in blauer Umgebung, also kathodisch reprodu- ziert. Derselbe Farbstoff RW erzeugt a]so, je nachdem, ob er

') Prager medizin. Wochenschrift, 1913.

64 R u d o l f K e l l e r : Die Elektropolarit~tt histologischer Farbstoffe.

auf ganze oder auf angeschnittene Zellen gelangt, in gewiinschter Weise Kontrastbilder seiner selbst.

Zweitens babe ich nach der Feststellung, dass die saure oder basische Natur der FarblSsung eine so entscheidende Be- deutung ftir den elektrischen Wanderungssinn hat,. systematisch denselben Farbstoff sauer und basisch appliziert. Es ergibt sich ein gewisser Unterschied, das getibte Auge des mit tier Elektro- polariti~t der betreffenden Objekte vertrauten Untersuchers sieht sogar hier und da eine Annaherung an das Kathodenbild oder das Anodenbild. Doch ist diese nur sehr schwach angedeutet. Die Ursache liegt wahrscheinlich darin, dass die Zellpole des lebenden Gewebes ihre Ladung, solange sie noch Leben in sich haben, zahe festhalten, also als Kathoden dem Eindringen yon Siiureanionen. als Anoden umgekehrt dem der Kationen einen gewissen Widerstand entgegensetzen. Schliesslich werden ausser Methylenblau auch zahlreiche andere Farbstoffe wie z. B. Neutral- rot, Saurefuchsin an den Kathoden der Zellen durch Reduktions- wirkung oder Alkali farblos, also unsichtbar.

Die Gesamtresultate meiner diesjahrigen Versuche werden unter dem Titel ,,Neue Versuche fiber mikr. Elektr.-Nachweis!' demmtchst bei Braumfiller, Wien, gesammelt erscheinen.