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Dokumentation DIE ENTSTEHUNG DES KRUPPSCHEN NACHRICHTENDIENSTES Am 18. April 1913, während der Etatberatungen für die Verwaltung des Reichs- heeres, erklärte der sozialdemokratische Abgeordnete Karl Liebknecht im Reichs- tag : „Der Vorstand der Gußstahlfabrik Friedrich Krupp, Essen an der Ruhr, unter- hielt darf ich jetzt sagen - in Berlin bis vor wenigen Wochen einen Agenten namens Brandt, einen früheren Feuerwerker, der die Aufgabe hatte, sich an die Kanzleibeamten der Behörden, der Armee und der Marine heranzumachen und sie zu bestechen, um auf diese Weise Kenntnis von geheimen Schriftstücken zu erhal- ten 1 . Das Interesse der Firma Krupp konzentrierte sich, wie Liebknecht fortfuhr, auf die „Absichten der Behörden in Bewaffnungsfragen, Angaben über Konstruk- tionen der Behörden sowie der Konkurrenz, Ergebnisse von Versuchen, namentlich aber die Preise, welche andere Werke fordern". Rang und Namen der Firma Krupp hätten die Aufmerksamkeit der Öffentlich- keit schon allein gesichert; Liebknechts Anschuldigung: „Die berühmte Firma nutzt ihre Geldmacht systematisch dazu aus, um höhere und niedere preußische Beamte zum Verrat militärischer Geheimnisse zu verleiten" sorgte darüber hinaus für stürmische Reaktionen im Reichstag und in der Presse. Die unglücklich formu- lierte Erwiderung des preußischen Kriegsministers von Heeringen beschränkte sich im wesentlichen darauf, die Verdienste der Firma Krupp um die deutsche Armee und um das deutsche Vaterland mit Dankbarkeit festzustellen. Eine Untersuchung gegen die beteiligten Militärs war zu diesem Zeitpunkt allerdings aufgrund von Mitteilungen Liebknechts, der schriftliche Beweise für seine Anschuldigungen präsentierte, bereits im Gange. Die politischen Intentionen des radikalen Antimilitaristen Liebknecht auf Verstaatlichung der gesamten Rüstungsindustrie, sein Kampf gegen die Heeresvorlage von 1913 und gegen die internationale Kartellierung der Rüstungsinteressen, gerieten gegenüber dem pein- lichen Aufsehen, das seine Rede erregt hatte, in den Hintergrund. Hauptgegen- stand der Aufmerksamkeit wurden vielmehr die Geheimberichte, die vom Krupp- schen Büro in Berlin regelmäßig nach Essen gesandt worden waren; die Kriminal- polizei hatte sie bereits Mitte September 1912 im Büro des Dezernenten für Kriegs- material in der Essener Zentrale des Konzerns beschlagnahmt 2 . Hatte das Erscheinen der Staatsgewalt bei Krupp, unmittelbar nach der Hun- dertjahrfeier des Unternehmens, bei der einmal mehr die Firma als eine Art „vater- ländische Anstalt" gefeiert worden war, gewaltige Aufregung verursacht, so wur- 1 Reichstag, 143. Sitzung, 18. 4. 1913, Sten.Ber. S. 4911. 2 Gert von Klass, Die drei Ringe, Lebensgeschichte eines Industrieunternehmens, Tübingen 1953, S. 337.

Die Entstehung des Kruppschen Nachrichtendienstes · Die Entstehung des Kruppschen Nachrichtendienstes 201 sich Krupp Nachrichten beschaffte und was damit geschah, interessierte sich

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Dokumentation

D I E E N T S T E H U N G DES KRUPPSCHEN

N A C H R I C H T E N D I E N S T E S

Am 18. April 1913, während der Etatberatungen für die Verwaltung des Reichs­

heeres, erklärte der sozialdemokratische Abgeordnete Karl Liebknecht im Reichs­

tag : „Der Vorstand der Gußstahlfabrik Friedrich Krupp, Essen an der Ruhr, unter­

hielt — darf ich jetzt sagen - in Berlin bis vor wenigen Wochen einen Agenten

namens Brandt, einen früheren Feuerwerker, der die Aufgabe hatte, sich an die

Kanzleibeamten der Behörden, der Armee und der Marine heranzumachen und sie

zu bestechen, um auf diese Weise Kenntnis von geheimen Schriftstücken zu erhal­

ten1. Das Interesse der Fi rma Krupp konzentrierte sich, wie Liebknecht fortfuhr,

auf die „Absichten der Behörden in Bewaffnungsfragen, Angaben über Konstruk­

tionen der Behörden sowie der Konkurrenz, Ergebnisse von Versuchen, namentlich

aber die Preise, welche andere Werke fordern".

Rang und Namen der Firma Krupp hätten die Aufmerksamkeit der Öffentlich­keit schon allein gesichert; Liebknechts Anschuldigung: „Die berühmte Firma nutzt ihre Geldmacht systematisch dazu aus, um höhere und niedere preußische Beamte zum Verrat militärischer Geheimnisse zu verleiten" sorgte darüber hinaus für stürmische Reaktionen im Reichstag und in der Presse. Die unglücklich formu­lierte Erwiderung des preußischen Kriegsministers von Heeringen beschränkte sich im wesentlichen darauf, die Verdienste der Fi rma Krupp um die deutsche Armee und um das deutsche Vaterland mit Dankbarkeit festzustellen.

Eine Untersuchung gegen die beteiligten Militärs war zu diesem Zeitpunkt allerdings aufgrund von Mitteilungen Liebknechts, der schriftliche Beweise für seine Anschuldigungen präsentierte, bereits im Gange. Die politischen Intentionen des radikalen Antimilitaristen Liebknecht auf Verstaatlichung der gesamten Rüstungsindustrie, sein Kampf gegen die Heeresvorlage von 1913 und gegen die internationale Kartellierung der Rüstungsinteressen, gerieten gegenüber dem pein­lichen Aufsehen, das seine Rede erregt hatte, in den Hintergrund. Hauptgegen­stand der Aufmerksamkeit wurden vielmehr die Geheimberichte, die vom Krupp­schen Büro in Berlin regelmäßig nach Essen gesandt worden waren; die Kriminal­polizei hatte sie bereits Mitte September 1912 im Büro des Dezernenten für Kriegs­material in der Essener Zentrale des Konzerns beschlagnahmt2.

Hatte das Erscheinen der Staatsgewalt bei Krupp, unmittelbar nach der Hun­dertjahrfeier des Unternehmens, bei der einmal mehr die Firma als eine Art „vater­ländische Anstalt" gefeiert worden war, gewaltige Aufregung verursacht, so wur-

1 Reichstag, 143. Sitzung, 18. 4. 1913, Sten.Ber. S. 4911. 2 Gert von Klass, Die drei Ringe, Lebensgeschichte eines Industrieunternehmens, Tübingen

1953, S. 337.

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den die Reden Liebknechts im Reichstag als Skandal empfunden, der dadurch noch eine Steigerung erfuhr, daß sich das Direktorium der Fi rma in den Zeugenstand eines Gerichtsverfahrens begeben mußte, bei dem der kaufmännische Direktor der Abteilung für Kriegsmaterial, Eccius, auf der Anklagebank saß und nach 13 Ver­handlungstagen wegen „Beihilfe zur fortgesetzten Bestechung" zu 1200 Mark Geldstrafe verurteilt wurde3.

Der Prozeß gegen den Bürovorsteher der Berliner Krupp-Vertretung, Maximi­lian Brandt, und den Kruppvertreter Eccius fand vom 23. Oktober bis 8. November 1913 im Kriminalgericht Berlin-Moabit statt. (Das militärgerichtliche Verfahren gegen sieben untere Chargen der bewaffneten Macht — Zeugfeldwebel, Feuerwer­ker und Zeugleutnants — war zu diesem Zeitpunkt bereits beendet.) Als Zeugen traten außer den Kruppdirektoren, von denen einige wegen des Verdachts der Mit­täterschaft nicht vereidigt wurden, der ehemalige Kruppvertreter in Berlin, von Metzen, und Karl Liebknecht auf. Von Metzen, der sich von dem Verdacht nicht ganz reinigen konnte, aus Rache für seine fristlose Entlassung aus Krupps Dien­sten die Angelegenheit ins Rollen gebracht und den Abgeordneten Liebknecht anonym informiert zu haben, war durchaus bereit, mit Interna der Nachrichten­beschaffung und -Verwertung durch das Berliner Büro aufzuwarten. Er wirkte nur wenig glaubwürdig. Karl Liebknechts Angebot, seine Informationen „über das nicht unwesentliche Kruppsche Nachrichtenbureau und dessen Tätigkeit insbeson­dere im Auslande und insbesondere die Bestechung von ausländischen Zeitungen durch dieses Kruppsche Nachrichtenbureau" preiszugeben, wurde aus formalen Gründen zurückgewiesen4. Überhaupt wollte das Gericht nicht mehr wissen, als unbedingt nötig schien. Die Geheimberichte, die jahrelang zu Hunderten unter dem Decknamen „Kornwalzer" von Berlin nach Essen gelangt waren und im wesentlichen die Preisangebote der Konkurrenz, Resultate von Ausschreibungen und dgl. enthielten, wurden als Beweise vom Gericht gewürdigt, zum größten Teil unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Der Angeklagte Brandt, ein ehemaliger Feuer­werker bei der Artillerieprüfungskommission, der nach seiner Verabschiedung zu Krupp gekommen war, wurde für schuldig befunden, fortgesetzt Nachrichten von ehemaligen Kameraden durch Bestechung sich beschafft zu haben. Brandt erhielt vier Monate Gefängnis. Die Anklage wegen Verrats militärischer Geheimnisse entfiel; das Gericht ging in der Urteilsbegründung davon aus, daß der Firma Krupp gegenüber eine Geheimhaltung nicht geboten war. Fü r die Art und Weise, auf die

3 Zum Krupp-Prozeß vgl. Ad. Zimmermann, Prozeß Brandt und Genossen, Der sogenannte Krupp-Prozeß, Verhandlungsbericht, Aus dem Reichstag, Zeitungsstimmen, Berlin 1914. Zimmermann hatte den Prozeß als Berichterstatter der „Täglichen Rundschau" verfolgt. Sein Buch ist trotz seiner leidenschaftlich kruppfreundlichen Kommentare die wichtigste Quelle zu dem Prozeß. - S. a. Bernhard Menne, Krupp, Deutschlands Kanonenkönige, Zürich 1937, S. 273 f. - Gert von Klass, Die drei Ringe, S. 336 f. - George W. F. Hallgarten, Impe­rialismus vor 1914, Die soziologischen Grundlagen der Außenpolitik europäischer Groß­mächte vor dem Ersten Weltkrieg, München 19632, Bd. 2, S. 390 f. - Albert Südekum, Kriegsindustrie, in: Die Friedenswarte 1913, S. 163 f.

4 Zimmermann, Prozeß Brandt, S. 214.

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Die Entstehung des Kruppschen Nachrichtendienstes 201

sich Krupp Nachrichten beschaffte und was damit geschah, interessierte sich das

Gericht nur so weit, als Beamtentreue in Versuchung geraten war5.

Der Kruppsche Nachrichtendienst entstand in einer Zeit, als sich die Fi rma einer

unfreundlichen Presse, mit Bestellungen zurückhaltenden Behörden und einer

technisch überlegenen Konkurrenz gegenüber sah. Reichstag und Presse kritisier­

ten ebenso wie das Kriegsministerium und das Reichsmarineamt die monopoli­

stische Preispolitik für Rüstungsgüter. Vor und nach der Jahrhundertwende be­

schäftigte den Reichstag immer wieder das Thema, Krupp liefere ins Ausland er­

heblich billiger als für. die deutsche Armee. Gelang es der Firma auch stets, durch

gute Beziehungen zur staatlichen Administration wie zum Hause Hohenzollern,

die Geschäfte am Florieren zu halten6, so waren die ziemlich plumpen Versuche,

die öffentliche Meinung durch Subventionen an Zeitungen direkt zu beeinflussen,

wenig erfolgreich7. Am unangenehmsten war für Krupp die Konkurrenz. So gut

die Zusammenarbeit mit Rüstungsfirmen wie den „Deutschen Waffen- und Mu­

nitionsfabriken" funktionierte, die auf dem Gebiet der Infanterieausrüstung die

gleiche Rolle spielten wie Krupp für die Artillerie, so waren Krupp viele Mittel

recht, um Konkurrenten auf seinem eigenen Feld auszuschalten. Als die Magde­

burger Fi rma Gruson, bis dahin führend bei Panzerplatten, Ende der 80er Jahre

auch in der Geschützfabrikation — und zwar mit moderneren und technisch besse­

ren Konstruktionen8 - Fuß zu fassen begann, kaufte Krupp heimlich so lange Gru­

son-Aktien auf, bis 1892 die Mehrheit erreicht war und das Grusonwerk 1893,

sehr zum Schaden der Minderheitsaktionäre, in das Krupp-Imperium eingeglie­

dert werden konnte. Die Machinationen der Kruppschen Repräsentanten in Berlin,

die 1913 im Mittelpunkt des Prozesses gegen Brandt und Eccius standen, waren

nicht zuletzt gegen die Rheinische Metallwarenfabrik Heinrich Ehrhardts gerich­

tet gewesen: den Preis- und Leistungsangeboten dieses lästigen Konkurrenten galt

zu jener Zeit das Hauptinteresse Krupps. Sogar ein Bündnis zwischen Schneider-

5 Ebenda, S. 354 f. (Urteil gegen Brandt und Eccius). 6 Das versteuerte Vermögen F. A. Krupps stieg von 1895 bis 1902 von 119 auf 187 Millionen,

das versteuerte Jahreseinkommen zwischen 1897 und 1902 von 7,1 auf 21 Millionen Mark. Vgl. Willi Boelcke, Krupp und die Hohenzollern, Aus der Korrespondenz der Familie Krupp 1850-1916, Berlin (Ost) 1956, S. 63 f. - Die Belegschaft des Unternehmens wuchs von 21 000 Arbeitern im Jahre 1887 auf 43 000 im Jahre 1902. S. Tony Kellen, Die Entwickelung der Kruppschen Werke unter Friedrich Alfred Krupp, in: Westermanns Monatshefte 1904, S. 679 ff.

7 Von den „Berliner Neuesten Nachrichten" hatte sich Krupp 1901 getrennt, da das Blatt als allgemein bekanntes Krupp-Organ auch der Firma eher Schaden brachte; seine Anteile hatte F. A. Krupp an „industrielle Körperschaften verschenkt", trotzdem subventionierte Krupp die Zeitung weiter (vgl. Boelcke, Krupp und die Hohenzollern, S. 89 f.). Der „Berliner Lokalanzeiger" wurde ebenfalls von Krupp unterstützt, aber auch die „Etoile Beige" oder die „International Review of all the Armies and Navies" (vgl. Menne, Krupp, Deutschlands Kanonenkönige, S. 305). S. a. den Briefwechsel im Jahre 1897 zwischen F. A. Krupp und Wilhelm II. bzw. dem Chef des preuß. Geheimen Zivilkabinetts, v. Lucanus, über die Grün­dung einer „Süddeutschen Korrespondenz" bei Boelcke, S. 79 ff.

8 Bernhard Menne, Krupp, Deutschlands Kanonenkönige, S. 198 f.

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Le Creuzot und Krupp gab es gegen den Konkurrenten Ehrhardt : der französische

Konzern unterbot vereinbarungsgemäß Rheinmetall-Angebote: die Verluste wur­

den mit Krupp verrechnet9.

Das Anfang der 90er Jahre eingerichtete Nachrichtenbüro des Krupp-Konzerns

spielte bei allen diesen Vorgängen eine wichtige Rolle. Direktor Eccius, dessen

Kriegsmaterialdezernat es unterstand, rühmte das Nachrichtenbüro im Krupp-

Prozeß 1913, es stehe „in seiner Art einzig in der Welt da"10. Sein Vertreter und

Nachfolger als kaufmännischer Direktor für Kriegsmaterial, Wilhelm Muehlon11,

wunderte sich nicht nur über die Größe des Apparats - etwa 60 Angestellte im

Jahre 1912 - , er unternahm auch Versuche, das Büro abzubauen, vor allem aber

die undurchsichtige Einflußnahme auf die Presse zu unterbinden. Das war keines­

wegs einfach, da der Apparat im Laufe der Zeit erhebliches Eigenleben gewonnen

hatte und eine weitverzweigte Organisation innerhalb der Fi rma Krupp darstellte.

Muehlon bescheinigte dem Chef des Nachrichtenbüros persönliche Integrität; sei­

nen Vorgänger, „der das ganze Zeug eingerichtet hat und dafür zu anspruchsvoll

wurde", habe man „mit Ehren kalt gestellt"12. Der Leiter des Nachrichtenbüros

war aber selbst nicht über alles informiert, was seine Organisation trieb: „Es ge­

hören auch noch verschiedene Beamte zum Nachrichtenbureau, die gar keine Wei­

sungen seitens des jetzigen Vorstehers entgegennehmen, sondern anderswo Rück­

halt auf Grund undurchsichtiger Verdienste oder Arbeiten genießen."13

Im Bereich des Nachrichtenbüros waren Tätigkeiten wie das Beschaffen und

Aufbereiten von Zeitungsausschnitten, Drucksachen und dgl. für den internen Ge­

schäftsbetrieb eng verwoben mit einer Informationspolitik nach außen, bei der

zweifelhafte Methoden eher die Regel als die Ausnahme zu bilden schienen: „Aus

dem Nachrichtenbureau fließen nicht nur Nachrichten ins Werk, es hat auch aus­

gedehnte Beziehungen nach außen, namentlich die gesamte artilleristische Fach­

presse beeinflußt es im Kruppschen Sinne. . . . Manchmal ist nicht nur die Zeit­

schrift im geheimen subventioniert, sondern der Herausgeber, ein General a. D.,

oder ein sonstiger angesehener Mann, bezieht auch noch persönlich im geheimen

ein vertragliches Gehalt und richtert nun, als ob er unabhängig wäre, in seinem

Blatt über die verschiedensten technischen Angelegenheiten auf Grund der von

Krupp stammenden Materialien und Wünsche. Oder ein Major a. D., der sich ganz

9 Ebenda, S. 285 f. 10 Zimmermann, Prozeß Brandt, S. 243. 11 Wilhelm Muehlon war am 1. April 1908 vom Auswärtigen Amt beurlaubt worden, um vor­

übergehend in die Dienste der Firma Krupp zu treten; er wurde dann definitiv als Assi­stent des Direktoriums angestellt. 1911 wurde er stellvertretender Direktor, 1913 kam er als kaufmännischer Direktor für Kriegsmaterial in das Direktorium der Firma, aus der er nach Beginn des Ersten Weltkriegs freiwillig ausschied. Vgl. W. Benz, Der Fall Muehlon, Bür­gerliche Opposition im Obrigkeitsstaat während des Ersten Weltkriegs, in dieser Zeitschrift 18 (1970), S. 343-365.

12 Wilhelm Muehlon, Erinnerungen, ungedr. Manuskript, Archiv des Instituts für Zeitge­schichte, S. 77 f.

13 Ebenda.

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Die Entstehung des Kruppschen Nachrichtendienstes 203

als freier Fachschriftsteller gebärdet und bald hierhin bald dorthin seine Artikel

unterbringt, arbeitet für Krupp, gedeckt durch feste monatliche Bezüge."14

General Keim, Gründer und Vorsitzender des Deutschen Wehr-Vereins, all­

deutscher Agitator und erfolgreicher Vorkämpfer für die Milliardenheeresvorlage

von 1913, erhielt von der Fi rma Krupp regelmäßige Barzuwendungen in beträcht­

licher Höhe und gelegentliche Sonderzahlungen — ebenfalls bar im Briefumschlag —

für seine patriotischen Bemühungen. Wenn ein Mann wie Muehlon die Usancen

seines Vorgängers nicht übernehmen wollte und sich weigerte, die Verbindung mit

General Keim fortzusetzen, so ging die Pflege derartiger Beziehungen eben auf

ein anderes Ressort über. Bei einer Sache von der Bedeutung des Wehr-Vereins

übernahm dann der Vorsitzende des Direktoriums, Geheimrat Hugenberg15 , die

Regie selbst. Muehlon überliefert ein Beispiel dafür, wie Maßnahmen zur Reini­

gung des Nachrichtenbüros dadurch vereitelt wurden, daß die höhere Instanz den

entsprechenden Tätigkeitsbereich an sich zog. Hugenberg erklärte dann dem Direk­

torium: „es geht nicht an, daß die Presse vernachlässigt wird. Ich werde von nun

an für diesen Zweck mir jährlich eine Million Mark zur Verfügung stellen lassen,

Ihnen jedoch keine näheren Einblicke in die Verwendung mehr geben. Die Erfah­

rungen im Krupp-Prozeß haben gezeigt, wie mißlich für das Direktorium die Mit­

wisserschaft ist. Dafür nehme ich auch einen eventuellen Skandal ganz auf meine

Kappe."16

Von mehr als einer Million Mark spricht auch Bernhard Menne1 7 ; diese

Höhe soll der Etat des Nachrichtenbüros, das er als „halb Korruptions-, halb Spio­

nagezentrale" apostrophierte, kurz vor dem Ersten Weltkrieg gehabt haben. Das

nachfolgend abgedruckte Dokument beleuchtet die Entstehung des Nachrichten­

büros im Jahre 1890. Das Dokument, eine mit der Schreibmaschine hergestellte

Abschrift aus der Registratur des Kruppschen Kriegsmaterialdezernats, umfaßt

15 Seiten. Große Sorgfalt wurde offensichtlich auf eine möglichst originalgetreue

Kopie verwandt; Registraturvermerke und Randbemerkungen wurden handschrift­

lich und der ursprünglichen Anordnung wohl möglichst entsprechend eingetragen.

Von anderer Hand als der des Kopisten sind An- und Unterstreichungen vorgenom­

men worden. Der Urheber dieser Zusätze ist vermutlich Wilhelm Muehlon, der, 14 Ebenda. Die Beziehungen eines Majors Wangemann zur Firma Krupp kamen auch im

Krupp-Prozeß zur Sprache. Wangemann erhielt nach seinem Ausscheiden aus der preußi­schen Artillerieprüfungskommission ein monatliches Salär von 400 Mark aus Essen, weil dort der Wunsch bestand, „ihn zur Verfügung zu haben" (Eccius). Daß schon vor Wange­manns Verabschiedung ähnliche Verbindungen bestanden, wurde nicht bestritten. Wange­mann unterhielt außer seiner Schriftstellerei einen Klub, in dem er sich regelmäßig mit aktiven Kameraden von der Artillerieprüfungskommission traf, um Nachrichten für Krupp zu beschaffen. Diese Aktivitäten, nicht aber die Existenz des Klubs, wurden im Prozeß natür­lich dementiert. Vgl. Zimmermann, Prozeß Brandt, S. 243 f.

15 Der spätere Chef des deutschnationalen Pressekonzerns war 1909-1918 Vorsitzender des Kruppschen Direktoriums.

16 Aufzeichnung W. Muehlon: „General Keim", Archiv IfZ. Vgl. auch Menne, a. a. O., S. 269, 304 und 328.

17 B. Menne, Krupp, Deutschlands Kanonenkönige, S. 304 f.

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als er zwischen 1911 u n d 1914 das K r i e g s m a t e r i a l b ü r o le i te te , w o h l auch die A b ­

schrift a n f e r t i g e n l i eß . D e r G r u n d dür f t e in se iner Abs ich t ge legen h a b e n , das

N a c h r i c h t e n b ü r o z u r e f o r m i e r e n . I m N a c h l a ß M u e h l o n s 1 8 , d e m das D o k u m e n t en t ­

n o m m e n ist , f inden sich dazu ke ine w e i t e r e n A n h a l t s p u n k t e .

W o l f g a n g Benz

D o k u m e n t

Abschrift aus der Akte des Bureaus für Kriegsmaterial 0.111.1 Vol. 1 1890/93 betr. Organisation

des Nachrichten-Bureaus19

K. M . N r . 4196 v. 30. 5. 9020

A n das Di rec tor ium 2 1 der F i r m a Fr iedr . Krupp .

Die in den letzten J a h r e n in nicht zu unterschätzendem Grade zur En twick lung ge­langte u n d mi t g roße r Energ ie fortschreitende Concurrenz in der Fabr ika t ion von Kriegsmater ia l h a t verdoppelte Ans t rengungen der Gußs tah l fabr ik auf technischem Gebiete zur Folge gehabt , deren Erfolge auch nicht ausgeblieben sind.

Diese Erfolge in durchschlagender Weise zur V e r w e r t u n g nach a u ß e n zu br ingen, ist eine fast ebenso wichtige Aufgabe u n d glaubt der Unterzeichnete2 2 , gestützt auf die in

18 Der Nachlaß Muehlons wurden unlängst vom Institut für Zeitgeschichte erworben. Er ent­hält außer dem Manuskript seiner Erinnerungen nur wenig Material über seine Tätigkeit als Kruppdirektor.

19 Alle Unterstreichungen, die vom Kopisten aus dem Original übernommen und mit der Schreibmaschine ausgeführt worden sind, wurden durch kursiven Druck kenntlich gemacht.

20 Die Registraturvermerke sind, wie auch bei den nachfolgenden Schriftstücken, handschrift­lich eingetragen. Ebenso übertrug der Kopist die Bemerkungen auf dem linken Rand der ersten Seite mit der Hand: „Zunächst zur Circulation bei den Herren Mitgliedern des Direktoriums. 17. 5. 90 gez. Jencke." - „K. M. Nach Rückkunft des He. Gross zu reprod. 30. 5. 90 gez. Jencke." - „Herrn Gross vorzulegen. 16. 6. 90 gez. Jencke." - Joh. Friedrich Jencke (1843-1910), ehem. sächsischer Geheimer Finanzrat, war 1879-1902 Vorsitzender der Prokura bzw. des Direktoriums. Wilhelm Gross (1839-1908) war Chef des Kanonenkonstruk­tionsbüros, später Mitglied des Direktoriums.

21 Nach dem „General-Regulativ" von 1872 bildete die Prokura, der fünf bis neun Herren angehörten, die höchste Instanz der Geschäftsführung des Unternehmens. Nach dem Tod Alfred Krupps 1887 wandelte Friedrich Alfred Krupp die Prokura in ein Direktorium um, das nun auch größere Befugnisse in der Leitung der Firma erhielt. Die unmittelbare Ein­flußnahme des Alleininhabers auf die Tagesgeschäfte begann seit der Ära Friedrich Alfred Krupp geringer zu werden. Nach Alfred Krupps Testament erhielt der gesamte Besitz die Rechtsform als bürgerliches Fideikomiß, letzte entscheidende Instanz blieb also auf jeden Fall der Inhaber der Firma. Daran änderte sich auch nach der Umwandlung in eine AG im Jahre 1903 wenig, da die Aktien in einer Hand blieben und der Aufsichtsrat lediglich deko­rative Funktionen hatte. Vgl. Tilo v. Wilmowsky, Rückblickend möchte ich sagen . . . An der Schwelle des 150jährigen Krupp-Jubiläums, Oldenburg 1961, S. 159 ff.; Gert von Klass, Die drei Ringe, S. 220 f.; Bernhard Menne, Krupp, Deutschlands Kanonenkönige, S. 172.

22 Carl Menshausen (1847-1909), 1893-1904 Mitglied des Direktoriums als kaufmännischer Direktor für Kriegsmaterial, zuvor Generalvertreter der Firma Krupp in den Mittelmeer­ländern, mit F. A. Krupp freundschaftlich verbunden. Vgl. Klass, Die drei Ringe, S. 224 f.

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Die Entstehung des Kruppschen Nachrichtendienstes 205

seiner Tät igkei t als Ver t re te r u n d Bevollmächtigter der F i r m a gemachten Beobachtun­gen, dem Di rek to r ium der F i r m a Fr ied . K r u p p auf dem Gebiete der Tät igkei t der aus­wär t i gen Ver t re tungen u n d deren Verkehr mi t der F i r m a einige Gesichtspunkte ent­wickeln u n d Vorschläge zu folgerichtigerer W a h r u n g der Interessen der Fab r ik un te r ­bre i ten zu dürfen.

Soweit dem Unterzeichneten bekannt , bewegt sich einerseits, abgesehen von den Fä l ­len spezieller Missionen, die Ber ichters ta t tung der Ver t re te r inne rha lb zu enger Gren­zen u n d erstreckt sich im al lgemeinen n u r auf den Lauf der eventuel l m i t auswär t igen Regierungen gepflogenen Verhandlungen . Liegen solche nicht vor, so stockt in vielen Fäl len die Korrespondenz fast ganz u n d die Aufmerksamkei t der Ver t re te r mi t Bezug auf die Vorgänge auf arti l leristischem Gebiete schläft m e h r oder minder ein, die Be­ziehungen zu den maßgebenden Behörden u n d Persönlichkeiten w e r d e n schlaffer, die Tät igkei t der Konkur renz w i r d wen ige r scharf beobachtet u n d die Folge ist in man­chen Fäl len , daß diese in überraschender Weise an Te r r a in gewinn t u n d Aufträge an sich re iß t , die i h re Macht in höchst unl iebsamer Weise stärken.

Andererseits ist es eine kaum zu wider legende Tatsache, daß die Ver t re te r von Sei­t en der F i r m a nicht i m m e r in einer der Lage entsprechenden Weise von den For t ­schrit ten auf arti l leristischem Gebiete, soweit sie davon Kenntn is haben sollten, von den Vorgängen al lgemeinen Interesses u n d nament l ich der S te l lungnahme der F i r m a zu diesen Vorgängen un te r r ich te t sind u n d werden .

Die Folge dieses Zustandes, für den bei der bestehenden Organisat ion u n d der gro­ß e n Belastung der einzelnen Ressort-Chefs n iemand ein Vorwur f gemacht w e r d e n kann, ist, daß die F i r m a auf der einen Seite häufig in Unkenntn i s von Verhältnissen u n d Vorkommnissen bleibt, von denen der Ver t r e t e r ann immt , daß sie von unter ­geordneten Interesse für die Fab r ik oder vielleicht auch dieser schon bekann t sind, w ä h r e n d das Gegentei l der Fal l ist, u n d daß auf der anderen Seite der Ver t re te r über Dinge im Unkla ren bleibt, die er wissen sollte u n d zu auftauchenden oft anscheinend unwicht igen F r a g e n in einer Weise Ste l lung n immt , die den Anschauungen der F i r m a nicht voll entspricht oder i hnen zuwiderläuft .

E i n einheitliches2 3 u n d folgerichtiges Zusammenwi rken l äß t sich in der erforder­lichen Weise bei der jetzigen Praxis nicht erzielen u n d erscheint es erwünscht , daß h ie r in R e m e d u r geschaffen werde .

Da eine Ausdehnung der ak tenmäßigen u n d auf konkre te Verhand lungen oder Geschäfte sich beziehenden2 4 Korrespondenz resp. eine Verquickung derselben mi t Meldungen, Berichten u n d Ins t ruk t ionen al lgemeiner A r t nicht wünschenswer t er­scheinen kann , so empfiehlt sich für diesen Te i l des Verkehrs m i t den V e r t r e t e r n die Schaffung einer Zentralstel le , in der die e inlaufenden Nachr ichten al lgemeiner N a t u r zusammenfließen, in der sie gesichtet u n d verarbei te t w e r d e n u n d von der die Quin t ­essenz des Einge laufenen nebst dem von der F i r m a aus E igenem Hinzuzufügenden wieder in die entsprechenden Kanäle geleitet w i rd .

Es w ü r d e sich also u m die Schaffung eines artil leristischen Informat ions-Bureau 's , e iner Ar t Intel l igence Office, hande ln , von dessen E in r i ch tung u n d Zweck die Ver­t re te r zu benachrichtigen wären , zugleich mi t der Aufforderung, an dasselbe u n t e r besonderer Chiffre alle Nachrichten, Zeitungsausschnit te u n d Broschüren gelangen zu lassen, die sich i rgendwie auf Kriegsmater ia l beziehen oder die nach ih r em Ermessen von Einf luß auf Bestellungen in solchem Mate r i a l sein können, also auch finanzielle, persönliche u n d eventuell politische Nachrichten.

23 Mit Blaustift von späterer Hand (Muehlon?) unterstrichen. 24 Hierzu handschriftlich am linken Rand mit Blaustift zugefügt: ,,K[riegs]M[aterial]"; An-

Streichung am Rand.

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206 Dokumentation

Was speziell die persönlichen Nachrichten betrifft, so würde es sich empfehlen, von den Vertretern in erster Linie genaue Angabe der respektiven, gegenwärtig bestehen­den Behörden und der in diesen wirkenden Persönlichkeiten, welche offiziell oder auch extraoffiziell maßgebend oder von Einfluß auf die Geschäfte sind, einzufordern und sie dahin zu instruieren, daß Änderungen unverzüglich zu melden sind. Kurze Notizen über die betreffenden Persönlichkeiten, namentlich über deren Stellungnahme für oder gegen die Fabrik und deren Produkte dürften erwünscht sein. Ferner wäre der Gang der Geschäfte, d. h. der Instanzenweg, welchen ein solches bis zu seinem Abschlusse zu durchlaufen hat, kurz zu skizzieren und wären auch hierin Änderungen rechtzeitig zu melden. Die im Rayon des Vertreters bestehenden Regierungs- oder Privat-Fabriken wären namhaft zu machen und über die Tätigkeit derselben alles das zu berichten, was irgend in Erfahrung gebracht werden kann.

Vieles von dem im Vorstehenden, als in erster Linie von den Vertretern einzufordern­des Material, skizzierten Daten, vielleicht das Meiste, ist der Firma allerdings bereits bekannt, aber im allgemeinen ist es doch nur dem Gedächtnis einzelner Personen ein­verleibt, kann in dubio erst mit Zeitverlust aus der Korrespondenz herausgesucht oder durch Nachfrage bei den Vertretern festgestellt werden.

Es erscheint erwünscht, ein für alle Mal eine Stelle zu schaffen, an der jederzeit schnell zuverlässige Auskunft über die betreffenden Verhältnisse zu finden ist. Es be­ruht dies auch auf dem Prinzip, daß die Firma mindestens ebenso viel von den sie tan­gierenden Verhältnissen und Persönlichkeiten eines Landes wissen muß, als der von ihr für dasselbe bestellte Vertreter, mit dessen Scheiden aus seiner Stellung nicht auch die der Firma wertvollen Wissenschaften und eventuell Freundschaften verschwinden dürfen, welche er sich im Dienst und auf Kosten derselben erworben hat.

Außer den Berichten der Vertreter würde das in Vorschlag gebrachte Informations25-Bureau möglichst alle bessern in- und ausländischen auf Kriegsmaterial bezüglichen Zeitschriften, offizielle Publikationen der Regierungen etc. zu bearbeiten und Maß­regeln zu treffen haben, daß ihm von irgendwie interessanten Artikeln und Notizen in der Tagespresse nichts entgehe.

Das so von allen Seiten zufließende Nachrichtenmaterial würde von dem Informa­tions-Bureau zu sichten, nach einem übersichtlichen System zu klassieren und je nach Wichtigkeit zu registrieren sein.

Nachrichten von aktuellem Interesse würden dem betreffenden Ressort der Fabrik sofort mitzuteilen resp. die Vorsteher dieses Ressorts auf dieselben interessierenden Publikationen aufmerksam zu machen sein, womit ihnen die mit erheblichem Zeit­verlust gepaarte Mühe erspart werden würde, eine Unmenge von Veröffentlichungen durchzusehen und in denselben erst das sie Interessierende zu suchen. Artikel und Noti­zen aus der Tagespresse werden seitens des Informations-Bureaus der von der Firma zu bezeichnenden Stelle in übersichtlicher Weise je nach Dringlichkeit und Wichtigkeit täglich oder in kurzen Zwischenräumen eingereicht werden.

Die Verwertung des Materials nach außen26 würde auf Vorschlag des Informations-Bureau's und nach eingeholter Genehmigung des Direktoriums zu geschehen haben und zwar im allgemeinen durch an alle oder einzelne Vertreter zu richtende Noten, be­gleitet von den Umständen entsprechenden Instruktionen über die weitere Verwen­dung des Mitgeteilten.

Dem Eingangs dargelegten Zwecke des Informations-Bureau's entsprechend würden die Mitteilungen an die Vertreter sich keineswegs nur auf Weitergabe des von anderer Seite Erfahrenen beschränken, sondern diesen Mitteilungen wäre je nach Umständen

25Unterstreichung mit Blaustift und Anstreichung am linken Rand. 26„Verwertung . . . außen" mit Blaustift unterstrichen, Anstreichung am linken Rand.

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Die Entstehung des Kruppschen Nachrichtendienstes 207

die Auffassung, welche die Firma von den Nachrichten hegt und der sie an anderer Stelle Eingang zu verschaffen wünscht, hinzuzufügen sein. - Da das dem Informations-Bureau zu Gebote stehende ausgiebige Material an Nachrichten, statistischen, persön­lichen und sonstigen Notizen bei konkreten Verhandlungen in ausgiebigster Weise zur Unterstützung der betreffenden Vertreter ausgenützt werden kann und sollte, so wird es erforderlich sein, daß der Chef des genannten Bureau's von solchen Verhandlungen und deren Verlauf stets Kenntnis erhalte resp. autorisiert sei, die bezüglichen Korres­pondenzen einzusehen.

Des weiteren wäre das Informations-Bureau namentlich als Mittel zu benutzen, durch welches die Vertreter Kenntnis erhalten von den Neuerungen und Fortschritten der Fabrik auf artilleristischem Gebiete, sofern dieselben so weit gediehen sind27, daß die Vertreter die Regierungen, bei denen sie akkreditiert sind, darauf aufmerksam machen können. In den meisten Fällen erhalten die Vertreter erst durch die für ihre Herstellung mehr oder weniger Zeit erfordernden Schießberichte, Preisbücher und even­tuelle Nachträge zu denselben Nachricht von dem Neuen, das die Fabrik geschaffen hat, von einzelnen Dingen, wie z. B. der in den letzten Jahren ganz erheblichen Vervoll­kommnung der Schiffslafetten, nur durch Zufall oder überhaupt nicht. Die Einführung neuer Fabrikationszweige, wie z.B. der Panzerplatten-Fabrikation, sollte nach An­sicht des Unterzeichneten den Vertretern möglichst früh bekannt gegeben werden; daß das betreffende Walzwerk noch nicht arbeitet oder daß es vorläufig keine Aufträge übernehmen kann, ändert daran nichts. Es ist jedenfalls wünschenswert, daß frühzei­tig bekannt sei: „Krupp macht auch Panzerplatten."28

Auch über die Stellung, welche die Firma beispielsweise zu neuen Pulversorten ein­nimmt, die Verwendung derselben in Rohren früherer Konstruktionen und einschlä­gige Fragen, sowie über die Ansicht, welche die Firma von neuen Erfindungen der Konkurrenz hegt etc. etc., sollten die Vertreter in einheitlicher Weise seitens der Firma durch das Informations-Bureau instruiert werden29.

Eine weitere Aufgabe des genannten Bureaus wäre, Fühlung mit der einheimischen und auswärtigen Presse30, entweder direkt oder durch die Vertreter zu suchen, um auch auf diesem Wege, allerdings mit weisester Beschränkung, für die Interessen der Firma zu wirken. Letztere sollte in jeder Hauptstadt mindestens ein Blatt der Tages­presse für sporadische kürzere Notizen oder auch längere Artikel zur Verfügung haben. Die Praxis würde bald die geeignete Form für diese Benutzung der Presse finden las­sen und erachtet der Unterzeichnete, daß die Firma diesen mächtigen Faktor in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung nicht unberücksichtigt lassen sollte.

In Vorstehendem dürften die hauptsächlichsten Gesichtspunkte für Schaffung der vorgeschlagenen Einrichtung skizziert sein.

Weiteres würde die Praxis ergeben. Der Unterzeichnete ist überzeugt, daß in der dargelegten Weise dem Interesse der

Firma ersprießliche Dienste geleistet werden können. Essen, den 7. Mai 1890. gez-. C. Menshausen.

27 Anstreichung mit Blaustift am linken Rand vom Beginn des Absatzes an. 28 Krupp begann erst 1890/91 mit dem Aufbau einer Panzerplattenproduktion; bis dahin hatte

das Grusonwerk praktisch das Monopol auf Landpanzerungen in Deutschland. Vgl. Menne, S. 175 f.

29 Anstreichung mit Blaustift am linken Rand an der zweiten Hälfte dieses und am Beginn des nächsten Absatzes.

30 „der einheimischen . . . Presse" mit Blaustift unterstrichen.

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208 Dokumentation

H e r r F . A. Krupp 3 1 ha t Kenntnis von gegenwär t iger Eingabe, deren I n h a l t der Gegen­stand wiederhol te r Un te r r edungen mi t dem H e r r n Chef gewesen ist32.

gez. C. Menshausen.

K. M . N r . 1760 v. 19. 11 . 90. Düsseldorf, 12. November 1890.

H e r r n Fr ied . K r u p p Essen.

U n t e r Bezugnahme auf die wiederhol ten Besprechungen in Sachen der in meiner anbei zurückerfolgenden ergebenen Eingabe vom 7. M a i d. J. in Vorschlag gebrachten Ein­r ichtung eines Nachrichten-Bureaus für Kriegsmater ia l beehre ich mich, in der Anlage einen E n t w u r f der vorläufigen Organisat ion dieses Bureaus ergebenst zu un te rb re i t en u n d zeichne in E r w a r t u n g I h r e r we i te ren Entschl ießungen 3 3

hochachtungsvoll gez. C. Menshausen.

K . M . N r . 1760 v. 13. 1 1 . 9 0

Entwurf der vorläufigen Organisation

eines Nachrichten-Bureaus für Kriegsmaterial.

D e r Zweck desselben ist in der E ingabe des H e r r n C. Menshausen vom 7. M a i d. J. dargelegt.

Das Bureau w i r d in Essen eingerichtet . Die Organisat ion u n d L e i t u n g desselben w i r d H e r r n C. Menshausen über t ragen ,

welcher seinen Wohns i t z in Düsseldorf beibehäl t u n d so oft als erforderlich nach Essen kommen wi rd .

Bis sich herausstell t , welche Arbeitskräfte für den Betrieb des genannten Bureaus erforderlich sind, w e r d e n die H e r r e n Lau t e r , Schinzinger, Berger u n d von Nida 3 4 dem­selben zugeteilt .

Das Engagemen t eines Artillerie-Offiziers behufs Bearbei tung artilleristischer F r a ­gen w i r d in Aussicht genommen 3 5 .

I n erster L in ie ist an die auswär t igen Ver t r e t e r der F i r m a ein Rundschreiben nach anl iegendem, für Einzelne zu modifizierendem, E n t w ü r f e zu erlassen.

Des W e i t e r e n ist an H a n d einer Liste derjenigen Zeitschriften u n d Zei tungen, welche bereits gehal ten werden , zu erwägen, was eventuell noch zu bestellen sein dürfte.

Die e ingehenden Drucksachen sind nach einem festzustellenden Modus von den oben genannten H e r r e n aufmerksam durchzusehen u n d alle Nachr ichten von Interesse durch

31 Friedrich Alfred Krupp (1834-1902), seit 1887 Inhaber der Firma Krupp. 32 Anstreichung des ganzen Absatzes mit Blaustift am linken Rand. 33 Randbemerkung, vom Kopisten handschriftlich aus dem Original übertragen: „He. Gross,

div. Punkte wollen wir noch eingehend besprechen. 19./11. gez. Jencke." 34 Ursprünglich „Nieda", nachträglich mit Blaustift korrigiert. 35 Die letzten drei Absätze sind am linken Rand angestrichen und mit Fragezeichen versehen

(vom Kopisten handschriftlich aus dem Original übertragen).

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Die Entstehung des Kruppschen Nachrichtendienstes 209

Anstreichen, bei voluminöseren Veröffentlichungen im Index oder durch andere Zei­chen, ersichtlich zu machen.

Das gesichtete Material an Drucksachen geht an Herrn C. Menshausen, welcher nach Durchsicht dem zuständigen Mitgliede des Direktoriums Vortrag hält und nach ge­pflogener Rücksprache eventuell das Weitere wegen Verwertung der betreffenden Nachrichten zu veranlassen hat.

Das Archiv des Informations-Bureaus ist nach Ländern und in Unterabteilungen nach den in denselben existierenden Fabriken von Kriegsmaterial zu klassieren.

Für jedes Land wird die Firma dem Nachrichten-Bureau kurze Auszüge aus dem mit der betreffenden Regierung (excl. Deutschland) bisher abgeschlossenen Verträgen überweisen, resp. gestatten, diese Auszüge zu machen. Je nach Bedürfnis wird dem Bureau Einsicht in die betreffenden Akten gestattet.

Demselben ist ferner eine vollständige Kollektion der Schießberichte und sonstigen auf Kriegsmaterial bezüglichen Veröffentlichungen der Firma, sowie aller existieren­den Zeichnungen und Photographien von Interesse zu überweisen und alles neu Er­scheinende demselben sofort mitzuteilen.

Es dürfte sich empfehlen und dem Wesen des Nachrichten-Bureaus entsprechen, daß der Versand der Schießberichte etc. demselben in Zukunft übertragen wird.

Der Leiter des Nachrichten-Bureaus hat die laufende Korrespondenz mit den Ver­tretern der Firma oder Regierungen über in Verhandlung resp. Ausführung befind­liche Geschäfte in Kriegsmaterial zu lesen und eventuell Auszüge aus derselben für das Nachrichten-Bureau zu veranlassen36.

Von dem Bureau ausgehende Briefe an die Vertreter der Firma oder andere Per­sonen sind vor Unterzeichnung durch das Direktorium von dem Leiter des Bureaus zu paraphieren.

Jede von dem Bureau im Druck zu versendende Mitteilung nach außen ist vor dem Druck der Firma im Manuskript vorzulegen und die Genehmigung zum Druck und Versand einzuholen.

Weiteres muß die Praxis ergeben und sind eventuelle Vorschläge hinsichtlich Ein­schränkung oder Ausdehnung der Funktionen des Nachrichten-Bureaus von Herrn C. Menshausen der Firma zu unterbreiten.

In Abwesenheit des Herrn C. Menshausen vertritt denselben ein von der Firma zu bezeichnender Stellvertreter.

Für Installierung des Nachrichten-Bureaus in seiner vorgeschlagenen vorläufigen Zusammensetzung sind drei in einander gehende Zimmer anzuweisen37.

gez. C. Menshausen.

K. M. Nr. 1760 v. 13. 11. 90.

Essen, den . . . Rundschreiben.

Herrn . . .

Die große Entwicklung, welche die Kriegsmaterial produzierende Industrie in den letzten Jahren in verschiedenen Ländern genommen hat, erfordert sowohl meinerseits als auch seitens meiner Vertreter im Auslande eine erhöhte Aufmerksamkeit für alle Vorgänge auf diesem Gebiete und einen regeren Austausch der darauf bezüglichen Nachrichten.

36 Der Absatz ist am linken Rand angestrichen und mit einem Fragezeichen versehen (vom Kopisten handschriftlich aus dem Original übertragen).

37 Anstreichung des Absatzes, handschriftlich vom Kopisten aus dem Original übertragen.

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210 Dokumentation

Von dieser Erwägung ausgehend, habe ich die Errichtung eines besonderen Nach­richten-Bureaus beschlossen, das mit heutigem Tage in Tätigkeit tritt.

Alle Mitteilungen für dieses Bureau sind an mich zu adressieren. Briefe haben am Kopf und Kreuzbandsendungen auf der Adresse die Chiffre N. B. zu tragen.

Ich ersuche Sie, mir unter dieser Chiffre von jetzt ab alle nicht direkt auf in Unter­handlung oder Abwicklung befindlichen Geschäfte bezüglichen Mitteilungen zugehen zu lassen, die sich irgendwie auf Kriegsmaterial beziehen oder sonst für mich von Inter­esse sein können.

Um den beabsichtigten Zweck zu erreichen, ist der Kreis dieser Mitteilungen sehr weit zu ziehen und sind selbst solche Nachrichten, die Ihnen vielleicht unwesentlich erscheinen, mir nicht vorzuenthalten, sofern sie nur in irgend einer Weise in Bezie­hung zu Kriegsmaterial stehen oder auf Bestellungen in dieser Branche, sei es an mich oder die Konkurrenz, von irgend welchem Einfluß sein können.

Sie wollen mir daher für das genannte Bureau in Zukunft alle Zeitungsartikel, Bro­schüren oder sonstige Veröffentlichungen zugängig machen und mir alles das mittei­len, was Sie sonst in Erfahrung bringen über:

Artillerie-Material Panzerplatten Handwaffen Pulver- und Explosivstoffe Schiffbau Anlage von Forts, Festungen Errichtung neuer Fabriken von Kriegsmaterial Bestellungen an die Konkurrenz Ankunft, Abreise & Verhandlungen von Bevollmächtigten der Konkurrenz die Budgets der Kriegs- & Marine-Ministerien Anleihen zu Kriegszwecken Personal-Veränderungen von Interesse Schießversuche etc. etc.

Ferner bitte ich Sie, mir mitzuteilen, welche auf Kriegsmaterial bezüglichen periodi­schen Zeitschriften in . . . veröffentlicht & welche (auch ausländische) von Ihnen ge­lesen werden. Es würde mich auch interessieren zu hören, ob & welche Beziehungen Sie zu den Herausgebern haben, oder ob Sie in solche treten können, sowie ob und wel­ches Blatt der Tagespresse Ihnen eventuell für gelegentliche kürzere oder längere Ver­öffentlichungen zu diskreter Verfügung stehen würde, und in diesem Falle unter wel­chen Bedingungen.

Zur Bildung einer Grundlage für mein Nachrichten-Bureau wollen Sie mir in näch­ster Zeit gefl. möglichst vollständige Angaben, & zwar selbst solche, von denen Sie annehmen, daß sie mir schon bekannt sein könnten, über folgende Punkte verschaffen:

1) Die für Bestellung von Kriegsmaterial in Betracht kommenden Behörden mit kurzer Skizzierung ihrer Organisation und unter Angabe der maßgebenden Persön­lichkeiten vom Minister herunter.

2) Den gewöhnlichen Gang der auf Bestellungen bezüglichen Verhandlungen bis zum Abschluß38.

3) Die in . . . bestehenden Staatsfabriken von Kriegsmaterial. 4) Die betreffenden Privat-Etablissements. 5) so weit möglich den vorhandenen Bestand von Geschützen, deren Provenienz etc.

38 Fragezeichen und Anstreichung am linken Rand dieses und des vorhergehenden Absatzes, handschriftlich vom Kopisten aus dem Original übertragen.

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Die Entstehung des Kruppschen Nachrichtendienstes 211

Was Sie nicht bald erfahren können, mögen Sie mit Muße zu eruieren suchen, ohne durch Fragen besondere Aufmerksamkeit zu erregen.

Mit Bezug auf obige Punkte im Laufe der Zeit eintretende Veränderungen bitte ich, regelmäßig zu meiner Kenntnis zu bringen.

Aus Vorstehendem, vorbehaltlich etwaiger aus der Praxis sich ergebender Ein­schränkungen oder Erweiterungen ersehen Sie, in wie weit ich auf Ihre Mitwirkung bei Organisierung und Alimentierung meines Nachrichten-Bureaus rechne.

Meinerseits beabsichtige ich, Ihnen durch das genannte Bureau alle solche Mittei­lungen zugehen zu lassen, die Ihnen meines Erachtens für die wirksame Wahrung mei­ner Interessen nützlich sein werden, je nach Umständen mit meinen Instruktionen für die weitere Verwertung des Mitgeteilten.

Da mir daran liegen muß, daß meine Vertreter über Vorkommnisse oder auftau­chende Fragen sich in einer Weise äußern oder zu denselben Stellung nehmen, die von meiner Ansicht darüber nicht abweicht, so werde ich Sie durch das Nachrichten-Bureau je nach Erfordernis informiert halten.

Andererseits ersuche ich Sie, wo immer Sie in dieser Hinsicht im Zweifel sein mögen, bei mir Nachfrage zu halten und werden Sie jede erforderliche Aufklärung empfangen.

gez. F. K.39

Gußstahlfabrik, Essen, den 30. Januar 1893.

. Herrn F. A. K r u p p , Berlin.

Aus Besprechungen, welche Sie zu wiederholten Malen mit mehreren Mitgliedern des Direktoriums gehabt haben, und aus den hier geführten Personal-Akten ist zu konsta­tieren gewesen, daß die Verwendung des Premierlieutenant a. D. Grünweiler für das Nachrichten-Bureau zunächst nicht in Ihrem Sinne gelegen hat, daß Sie vielmehr Ihre Zustimmung zu dessen Delegierung nach Meppen40 gegeben hatten, und daß somit für die Beschäftigung des p. Grünweller im Nachrichten-Bureau Ihre vorgängige Zustim­mung hätte eingeholt werden müssen. Das Direktorium bedauert, daß letzteres nicht geschehen ist und ersucht Sie, diese Unterlassung entschuldigen zu wollen.

' Was nun die Sache selbst betrifft, so darf darauf Bezug genommen werden, daß zur Zeit, als p. Grünweller dem Nachrichten-Bureau zugeteilt wurde, für das letztere eine Arbeitskraft überhaupt nicht mehr vorhanden war. Herr Schinzinger war demselben durch seine Mission nach Brasilien, Herr Lauter dagegen dadurch entzogen worden, daß er durch Erledigung der Arbeiten für die Chicagoer Welt-Ausstellung voll in Anspruch genommen war. Wenn die Tätigkeit des Nachrichten-Bureaus nicht vollständig ein­gestellt werden sollte, erübrigte daher nur die Heranziehung einer besonderen Arbeits­kraft für dieselbe. Als solche qualifizierte sich p. Grünweller nach diesseitigem Ermes­sen in ausreichendem Maße, da er die hauptsächlichsten modernen Sprachen insoweit beherrscht, daß er die ausländische Literatur verfolgen kann und als die ihm im Nach­richten-Bureau zugedachte Tätigkeit der, welcher er in der Artillerie-Prüfungs-Kom-

39 Es ist bemerkenswert, daß der Entwurf dieses Rundschreibens mit den Initialen Friedrich (Alfred) Krupps gezeichnet wurde. Diese Tatsache spricht ebenso für die Bedeutung, die dem Nachrichtenbüro beigemessen wurde, wie für den Rang der Kruppschen Auslandsver­treter.

40 Bei Meppen, im Regierungsbezirk Osnabrück, unterhielt Krupp seit 1877 den größten Artil­lerieschießplatz Europas.

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212 Dokumentation

mission obgelegen hatte, in der Hauptsache entsprach. p. Grünweiler hat auch bisher mit großem Fleiße im Nachrichten-Bureau gearbeitet und gezeigt, daß er mit der Zeit sich zu einer nützlichen Arbeitskraft an dieser Stelle entwickeln wird. Daß er außerdem vielfach zur Führung fremder Offiziere verwendet werden muß, ist man­gels anderer hierzu geeigneter Personen Ihnen bekannt.

Wir richten an Sie das ergebene Ersuchen, sich mit der Belassung p. Grünweilers auf dem bis jetzt innegehabten Posten im Nachrichten-Bureau geneigtest einverstan­den erklären zu wollen.

Was die Verwendung der aus dem Nachrichten-Bureau kommenden Extrakte und Notizen betrifft, so darf bemerkt werden, daß dieselben sämtlich, wie alle übrigen Eingänge, bei dem Direktorium zur Vorlage gelangen und dort je nach dem Gegen­stande, welchen sie betreffen, an die zuständigen Bureaus zur Verteilung kommen. Der größere Teil der Vorlagen des Nachrichten-Bureaus betrifft selbstredend Kriegs­material und gelangt somit in das Kanonenbureau, wo die Zuteilung an die einzelnen Abteilungen desselben bewirkt wird.

Vorlagen allgemein technischer Natur gelangen an die zuständigen Techniker Ihrer Verwaltung.

Diese Verteilung der Vorlagen aus dem Nachrichten-Bureau an die speziell an dem Gegenstande derselben interessierten Dienststellen hat sich bis jetzt als die zweck­mäßigste und geeignetste Art der Verwendung erwiesen.

Fried. Krupp. Das Direktorium.

gez. Klüpfel.41 gez-. Jencke.

Herrn Fried. Krupp.42

Es ist noch in keinem Fall bisher meinen Wünschen so wenig Rechnung getragen wor­den, als in diesem. Es mag dies an Zufälligkeiten gelegen haben und will ich mich mit dem Ausdruck Ihres Bedauerns deshalb befriedigt erklären.

Jede Aenderung im Nachrichtenbureau, sowie jeden Wechsel in der Stellung des p. Grünweller bitte ich vor definitiver Ausführung zu meiner Kenntnis zu bringen.

9. 2. 93. gez. Krupp.

Ich bitte, daß die Herren Mitglieder des Dir. von Gegenwärtigem Einsicht nehmen und den Erfolg auf dem Schriftstück notieren. Letzteres erbitte ich mir dann zurück.

17.2.93. gez. Jencke.

Ich verstehe das Verfahren gegen Herrn Grünweller43 nicht. 18- 2 - 93. gez. Gr(oss).

41 Ludwig Klüpfel (1845-1916), ehem. Finanzassessor der württ. Staatseisenbahn, 1876-1881 jurist. Hilfsarbeiter bei Krupp, 1581 Prokura, 1888-1910 Mitglied des Direktoriums, 1910 bis 1916 des Aufsichtsrats. Vgl. Wilhelm Berdrow, Alfred Krupp, Berlin 1927, Bd. 2, S. 380.

42 Vermutlich Schlußadresse des vorstehenden Schreibens. Die nachfolgenden Bemerkungen von Krupp, Jencke und Gross, auf dem vorliegenden Dokument in Maschinenschrift, sind wohl dem Brief an F. A. Krupp vom 30.1. 1893 handschriftlich zugefügt worden.

43 Nach Mitteilung des Hist. Archivs der Firma Krupp soll ein Herr Grünweller lediglich in den Jahren 1908 bis 1919 in den Diensten der Firma Krupp gestanden haben.