FEUILLETON - dp-freunde.dedp-freunde.de/comm/wp-content/uploads/2010/05/HINTERGRUND-2-1… · nachrichtendienstes, Brigadegeneral Achmed Sukendro, erweisen. Sukendro kümmerte sich

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  • 82 Hintergrund 2/2016 Quellenangaben: www.hintergrund.de

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    Der Schlchter: Unter Generalmajor Suharto (zweiter von links, mit Sonnenbrille) wurden in Indonesien Hunderttausende Oppositionelle umgebracht.

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    Neue Ordnung im Kalten KriegVor einem halben Jahrhundert entfesselte das indonesische Militr um General Suharto im Zeichen eines aggressiven Antikommunismus das bis dahin grte Massaker nach dem Zweiten Weltkrieg.

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  • 84 Hintergrund 2/2016 Quellenangaben: www.hintergrund.de

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    Von Rainer Werning

    Lavieren, taktieren, destabilisieren, trainieren nach westlichem Vor-bild, massakrieren im Namen von Freedom & Democracy das waren die Manahmen zur Schaffung einer Ent-wicklungsdiktatur als Neue Ordnung und die Hauptetappen eines Prozesses, der Ende der 1950er Jahre in Indonesien, dem grten und bevlkerungsreichsten Land Sdostasi-ens, einsetzte und ab Herbst 1965 ganze drei Jahrzehnte lang die Politik und Wirtschaft des Inselstaates prgen sollte.

    Eliten(aus)bildung in den USA

    Am 17. August 1945 erklrte Indonesien als erstes Land Sdostasiens nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges seine Unabhngig-keit vom ber drei Jahrhunderte whrenden Kolonialjoch der Niederlande gefolgt von Nordvietnam, das unter Ho Chi Minh am 2. September die Unabhngigkeit von Frank-reich deklarierte und gleichzeitig die Demo-kratische Republik Vietnam ausrief. Doch erst Ende des Jahres 1949 erkannten auch die Niederlande die Unabhngigkeit ihrer Ex-kolonie an, nachdem hollndische Soldaten durch sogenannte Polizeiaktionen vergeb-lich versucht hatten, das Rad der Geschichte zurckzudrehen. Pikanterweise waren es die USA, die Den Haag zu diesem Schritt bewo-gen hatten, weil man eine hnliche Entwick-lung wie in China tunlichst vermeiden wollte. Dort hatte Mao Tse-tung nach dem Sieg ber die Krfte Tschiang Kai-scheks wenige Wo-chen zuvor eine Volksrepublik ausgerufen und so neben der Sowjetunion das sozialisti-sche Lager betrchtlich vergrert.

    Vor allem die beiden groen Stiftungen in den USA, die Ford und die Rockefeller Foundation, votierten vehement dafr, der kommunistischen Aggression als probates Mittel die ffnung der eigenen Universit-ten und anderer Lehreinrichtungen inklu-sive Militrschulen fr den knftigen Ka-der befreundeter Lnder jenseits des Pazifik entgegenzusetzen. Auf diese Weise sollte ein sympathisierendes Milieu fr die heranwach-senden Eliten in den erst wenige Jahre zuvor unabhngig gewordenen Lndern geschaffen und jene im Geiste des freien Westens und Unternehmertums entsprechend geschult werden. Zu diesen Eliten zhlten als notwen-dige Fachkrfte im Prozess des State- oder Nation-building keineswegs ausschlielich

    Zivilisten; Militrs wurden gleichermaen ge-schtzt, sofern auch sie sich dem Aufbau eines modernen Landes verpflichtet fhlten.

    Was seinerzeit unter den Eliteuniversi-tten in den USA Rang und Namen hatte vornehmlich das Massachusetts Institute of Technology (MIT), Harvard, die Univer-sity of California in Berkeley und Cornell , verschrieb sich der Ausarbeitung von Ln-derprogrammen und dem Austausch von (angehenden) Sozial- und Wirtschaftswis-senschaftlern der entsprechenden Fakultten. Fungierten dabei die Ford- und die Rocke-feller-Stiftung als grozgige Mzene, waren es auerdem das Auenministerium (State Department), das Verteidigungsministeri-um (Pentagon), das von der CIA mageblich gesponserte Center for International Studies und die vorrangig der U.S. Air Force zuarbei-tende Rand Corporation im kalifornischen Santa Monica, welche je nach Interessenlage Gelder fr die Ausbildung von Experten in Asien, Afrika und Lateinamerika zuschossen.

    Nur folgerichtig entwickelten sich neben intensiven amerikanisch-indonesischen Be-ziehungen im akademischen Bereich glei-chermaen enge Kontakte zwischen und rege Austauschprogramme auf hchsten militri-schen Ebenen. Hauptansprechpartner auf in-donesischer Seite war die in Bandung, etwa 100 Kilometer sdstlich von Jakarta, gelege-ne Armee- und Kommandoschule (Seskoad). An dieser militrischen Eliteeinrichtung ent-schied die Generalitt ber organisatorische wie politische Angelegenheiten. Gleichzeitig erhielten hier hhere Offiziere eine Zusatz-ausbildung und wurden mit neuen Metho-den und Counterinsurgency-Handbchern ausgestattet, die an der US-Militrakademie in West Point sowie in Fort Leavenworth (Kansas) oder in Fort Bragg (North Carolina) entwickelt worden waren.

    Als wichtiges Bindeglied zwischen dem indonesischen Generalstab und der CIA so-wie den Militrattachs an der US-Botschaft in Jakarta sollte sich der Chef des Heeres-nachrichtendienstes, Brigadegeneral Achmed Sukendro, erweisen. Sukendro kmmerte sich nicht nur um die Fortbildung seiner Agenten in den USA, vielmehr studierte er selbst dort in den frhen 1960er Jahren an der University of Pittsburgh. Sukendro war es auch, der in der Frhphase der Suharto-Herrschaft mit den Geheimdiensten be-freundeter westlicher Staaten enge Kontakte pflegte und ber diese Kanle offensichtlich logistische Hilfen zu beschaffen vermochte.

    Als beraus kritisch hatte die US-Regierung die politische Situation in Indonesien Anfang des Jahres 1965 eingeschtzt. Verstrkt kam es in dieser Zeit zu Konsultationen zwischen US-amerikani-schen und indonesischen Militrs.

    Erst nach ber 30 Jahren endete die Schreckensherrschaft Suhartos nach anhaltenden Studentenprotesten im Jahr 1998.

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    Im ersten Band der Reihe ARD & Co. beschreiben 17 Autorinnen und Autoren in verschiedenen Beitrgen Beispiele und Strukturen von zielgerichteter Informationsvermittlung und Manipulationen aus den letzten Jahren.

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    Es kommt auf das richtige Wort an. Richtiger gesagt: auf das falsche. Das richtig falsche. So funktioniert Propaganda: verwirrend. Propaganda muss ihre Adressa-ten verwirren, das ist ihr Auftrag. Sie muss das Offensichtliche vernebeln und uns zu blindem Glauben und Gehorsam erziehen zu dem Glauben, das Unwahre sei wahr, das Richtige falsch, das Gute bse, das Bse gut.

    Eckart Spoo

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    In der zweiten Novemberhlfte 1965 kam Sukendro auch in die Bundesrepublik ber die eigentliche Agenda dieses Besuches be-wahrt die deutsche Regierung bis heute strik-tes Stillschweigen.

    Bedrohungsfaktoren Sukarno und PKI

    Als beraus kritisch und das nicht nur wegen der Entwicklungen in Vietnam hatte die US-Regierung unter Lyndon B. Johnson die politische Situation in Indonesien An-fang des Jahres 1965 eingeschtzt, nachdem die britische Exkolonie Malaysia als nicht-stndiges Mitglied in den UN-Sicherheitsrat aufgenommen worden war. Daraufhin kehr-te Indonesien den Vereinten Nationen den Rcken, da das Land territoriale Ansprche an Malaysia stellte. Auslser des Konfronta-tionskurses war die Befrchtung Jakartas, die Briten verfolgten in ihrer ehemaligen Kolonie Malaysia ein neokoloniales Projekt auf Kos-ten Indonesiens. Verstrkt kam es in dieser spannungsgeladenen Zeit zu Konsultationen zwischen hochrangigen britischen, vor allem aber US-amerikanischen und indonesischen Militrs.

    Im Juni 1964 hatte die Zeitung der Kom-munistischen Partei Indonesiens (PKI), Harian Rakyat (Volkszeitung), die Zahl der Parteimitglieder mit ber drei Millionen angegeben ein nachgerade phnomenales Wachstum gegenber den 8 000 Mitgliedern zur Zeit der Ausrufung der Unabhngigkeit. Insgesamt gab es der Zeitung zufolge Mitte der 1960er Jahre 18 Millionen Mitglieder und Sympathisanten darunter die Gewerkschaft Sobsi, die Volksjugend, die Frauenbewegung Gerwani sowie die Bauernfront BTI. Damit bildete die PKI nach der KP Chinas und der KPdSU die weltweit drittgrte kommunis-tische Partei aus Sicht einflussreicher kon-servativer Krfte im Lande und in Washing-ton eine veritable Bedrohung. Zumindest in der Auenpolitik herrschte zwischen der PKI und Prsident Sukarno Einigkeit ber einen antiimperialistischen Kurs. Nicht nur dem Westen gegenber zeigte Jakarta sich skeptisch. Im Jahr 1955 hatte Sukarno gar als Gastgeber bei der Grndung der Blockfreien-bewegung in der javanischen Stadt Bandung gestrahlt.

    berdies waren fhrende PKI-Kader wie Generalsekretr Dipa Nusantara Aidit und Njoto (zweiter Vizeprsident der PKI) im-

    merhin bis August 1964 Mitglieder der Su-karno-Regierung. Ihre Theorie von den zwei Aspekten der Staatsmacht, einem volks-freundlichen und einem volksfeindlichen (reprsentiert durch das Militr) wobei ersterer in einer Regierungsbeteiligung be-stehen und damit die Mglichkeit erffnen sollte, den Kommunismus etappenweise und auf friedlichem Wege zu verankern , erwies sich im Nachhinein als fatale Fehleinscht-zung. Anfang 1965 forderten PKI-Mitglieder als Minister im Sukarno-Kabinett den Prsi-denten auf, unter den Arbeitern und Bauern die Einrichtung bewaffneter Volksmilizen zuzulassen. Doch in seltener Einmtigkeit waren bereits 1959 der ehemalige Verteidi-gungsminister und Stabschef der Streitkrfte, General Abdul Haris Nasution, und Sukarno als Wortfhrer der gelenkten Demokratie aufgetreten, die letztlich der Zentralisierung und Konzentration der Staatsapparate frei-lich unter militrischer gide dienen sollte. Die Jahre spter ausgesprochene PKI-Forde-rung nach Volksmilizen war gnzlich illuso-risch, weil zu diesem Zeitpunkt das Militr lngst eigentlicher Staat im Staate war.

    Konsultationen zwischen hochrangigen indonesischen und US-amerikanischen Mi-

  • 86 Hintergrund 2/2016 Quellenangaben: www.hintergrund.de

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    litrs lieen innerhalb eines Teils des jn-geren Offizierskorps und in der PKI-Spitze die Befrchtung aufkeimen, ein Washington zugeneigter und wohlgesonnener Rat der Generle plane Schritte, um Sukarno zu entmachten, linke Nationalisten, Gewerk-schafter und Kommunisten auszuschalten, eine auenpolitische Kehrtwende (in Rich-tung Westen) vorzunehmen, zwischenzeit-lich verstaatlichten Besitz an die frheren auslndischen (niederlndischen, britischen und amerikanischen) Eigentmer zurckzu-geben und das Land gezielt fr auslndische

    Investitionen zu ffnen. Dieser Plan, so die Befrchtung, werde aller Voraussicht nach am 5. Oktober ausgefhrt, am Jahrestag der indonesischen Streitkrfte, an dem die Kon-zentration grerer Truppenverbnde in der Hauptstadt wenig Verdacht schpfen liee.

    Putsch! Putsch?

    Diesem Plan, so er denn tatschlich be-stand, kam der in der Nacht vom 30. Sep-tember auf den 1. Oktober 1965 von Oberst-leutnant Untung, dem Chef der Leibgarde

    Sukarnos, inszenierte Gegenputsch zuvor. Seinen Truppen gelang es, sechs ranghoher Generle habhaft zu werden. Die gefangen genommenen Generle und einer ihrer Ad-jutanten, ein Leutnant, wurden gettet und ihre Leichen anschlieend in einen Brunnen in der Nhe des Flughafens und Luftwaffen-sttzpunktes Halim geworfen, wo sich Un-tung und seine Leute verschanzt hatten.

    Nunmehr berschlugen sich die Ereig-nisse: ber Radio Jakarta wurde am Mor-gen des 1. Oktober die Konstituierung eines Revolutionsrates bekannt gegeben (eine

    Systematischer Staatsterror: Ein vermeintlicher Sympathisant der Kommunisten wird von Soldaten abgefhrt.

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    zweite Rundfunkansprache der Untung-Ge-folgsleute, die sich den Namen Bewegung 30. September gegeben hatten, erfolgte am Nachmittag desselben Tages). Auffllig war, dass sich der ausgerufene Revolutionsrat aus zahlreichen Militrs und zig Personen zusammensetzen sollte, die darber nicht einmal selbst informiert waren oder offen der anderen Seite zuarbeiteten. ber die Grn-de der Unternehmung wurde nur mitgeteilt, dass sich fhrende Militrs der Komplizen-schaft mit der CIA schuldig gemacht htten und deshalb kaltgestellt worden seien. Pr-

    sident Sukarno, so die Rundfunkerklrung, befinde sich in Sicherheit und werde auch weiterhin wie gewohnt die Staatsgeschfte lenken.

    So nebuls der Plan und die politische Plattform der Gefolgsleute Untungs waren, so rasch strzten sie auch wieder in sich zu-sammen. Sukarno, der sich ebenso wie Aidit zum Zeitpunkt dieser Geschehnisse in Halim aufhielt, bewahrte Stillschweigen und uerte sich weder pro noch kontra zu den sich um ihn herum abspielenden Ereignissen. Weder von Aidit noch von der PKI-Parteispitze oder

    parteinahen Publikationen waren Aufrufe an die Bevlkerung zur Untersttzung der Be-wegung 30. September ergangen. Stattdessen lautete allerorten die Parole: Ruhe bewahren, alles ist unter Kontrolle und das Wohlergehen des Prsidenten gesichert.

    Cui bono? Der Chef der strategischen Heeresreserve (der Eliteeinheit Kostrad) unter dem Befehl von Generalmajor Suharto hatte binnen weniger Stunden alles unter Kont-rolle. Nicht zuletzt deshalb, weil einige der Putschisten der Bewegung 30. September namentlich Oberst Latief zu seinen Ver-

    Nachwirkungen des autoritren Regimes: Die Polizei greift Studenten an, die im Januar 2002 in Jakarta an den vierten Jahrestag des Sturzes Suhartos erinnern.

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    trauten zhlten. Bereits am spten Abend des 1. Oktober war der Putsch wie ein Karten-haus in sich zusammengebrochen. Was folgte, war die gnadenlose Rache der Sieger.

    Zu den noch immer bestehenden Wis-senslcken ber den genauen Verlauf jener verhngnisvollen Stunden zhlt auch die eigentmliche Ausgabe der PKI-Zeitung Harian Rakyat vom 2. Oktober. In ihr wur-den noch selbst im Leitartikel die Taten der Untung-Leute vom Vortag gelobt, wh-rend deren Scheitern bereits bei Erscheinen besiegelt war und laut Anweisung Suhartos an diesem Tag (dem 2. Oktober) keine Zei-tung ohne Zustimmung kurzfristig eingesetz-ter Zensoren htte publiziert werden drfen. Vieles spricht dafr, dass da professionelle Flscher am Werk waren. Kein Wunder, dass Suharto und seine Gefolgsleute spter gerade diese Ausgabe der Harian Rakyat als unumstlichen Beweis fr die tie-fe Verstrickung der PKI in die Bewegung 30. September heranzogen und damit ihren erklrten Vernichtungsfeldzug gegen den Kommunismus rechtfertigten. Die fortan offiziell verkndeten Suberungsaktionen gegen tatschliche und vermeintliche Mit-glieder und Sympathisanten der Partei for-derten mindestens ber eine halbe Million manche Quellen sprechen von bis zu drei Millionen Tote!

    US-Logistik fr Suhartos Staatsterror

    Indonesien ist das Beste, was Uncle Sam nach dem Kriegsende passierte.

    Ein hochrangiger Weltbankmitarbeiter, zitiert in: D. Ransom (1970, S. 26)

    Durch ein peinliches Missgeschick, so Mark Mansfield, ein Sprecher der CIA, Ende Juli 2001 gegenber der New York Times, sei ein Exemplar eines vom State Department erstellten Geschichtsbuches ber die Rol-le der USA im Indonesien der 1960er Jahre an Mitarbeiter des National Security Ar-chive der George-Washington-Universitt in Washington gelangt. Deren Mitarbeiter platzierten dieses Dokument Titel: Die auswrtigen Beziehungen der Vereinigten Staaten, 196468 Band XXVI: Indonesien; Malaysia-Singapur; Philippinen am 27. Juli 2001 auf ihrer Internetseite.

    Das 570 Seiten umfassende Kapitel ber Indonesien liefert nachgerade eine Flle von Beweismaterial staatsterroristischer Schur-kereien. So leitete beispielsweise die US-

    Nach dem eher eigenstndigen Kurs seines Vorgngers Sukarno (links) zielte die Politik Suhartos auf eine enge Westbindung (oben mit Helmut Kohl). Nach dem erzwungenen Rcktritt 1998 blieb der Diktator ein freier Mann (unten) fr das massenhafte Morden wurde er nie zur Verantwortung gezogen.

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    Rainer Werning, Politikwissenschaftler und Publizist mit dem Schwerpunk Sdost- und Ostasien, ist Autor zahlrei-cher Publikationen zum Thema und unter anderem

    Lehrbeauftragter fr den Fachbereich Kultur- und Sozialwissenschaften der Universitt Osnabrck.

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    Botschaft in Jakarta am 13. November 1965 Informationen der indonesischen Polizei weiter, wonach jede Nacht zwischen 50 und 100 PKI-Mitglieder in Ost- und Zentraljava gettet wurden.

    Dieselbe Behrde kabelte am 15. April 1966 die Notiz nach Washington: Wir wis-sen ehrlich gesagt nicht genau, ob die tatschliche Zahl (getteter PKIler, Anm. d. Autors) nher bei 100 000 oder bei 1 000 000 liegt, doch wir halten es fr klger, vor allem im Falle von Nachfragen seitens der Presse, von der niedrigeren Schtzung auszugehen. Auf Seite 339 heit es, man habe sich auf In-itiative des Auenamtsmitarbeiters Richard Cabot Howland im Jahr 1970 schlielich auf die Zahl von 105 000 getteten Personen ver-stndigt. Der damalige US-Botschafter in Ja-karta, Marshall Green, funkte am 10. August 1966 nach Washington, die Botschaft habe eine von ihr erstellte Liste mit den Namen fhrender PKI-Kader den indonesischen Si-cherheitskrften bermittelt, denen es offen-sichtlich an solchen Informationen geman-gelt habe. Am 2. Dezember 1965 gab Green in Absprache mit William P. Bundy, seiner-zeit im State Department verantwortlich fr ostasiatische und pazifische Angelegenheiten, grnes Licht fr die Bereitstellung von 50 Millionen Rupiah an die Kap-Gestapu-Bewe-gung, die als eine von der Armee inspirierte, doch aus Zivilisten gebildete Aktionsgruppe (...) die Brde der andauernden repressiven Manahmen gegen die PKI trgt.

    So hatte sich jenes Szenario realisiert, das sich Greens Vorgnger, US-Botschafter Howard Jones, sehnlichst herbeigewnscht hatte: Aus unserer Sicht wre natrlich ein erfolgloser Coupversuch seitens der PKI die mit Abstand beste Entwicklung, um die poli-tischen Trends in Indonesien umzukehren, hatte Jones am 10. Mrz 1965 anlsslich einer gemeinsamen Regionalkonferenz von US-Chefdiplomaten in der philippinischen Stadt Baguio erklrt (zit. in: Kahin & Kahin, 1995, S. 225).

    Im Juni 1966, nachdem das groe Schlachten vorbei war, kommentierte dies die New York Times mit der Schlagzeile: Ein Lichtschimmer in Asien. James Reston, da-mals der angesehenste politische Bericht-erstatter und Kommentator der Zeitung, verglich die entmutigenden Nachrichten aus Vietnam mit den hoffnungsvolleren Entwicklungen in Asien, wo sich die scho-nungslose Transformation Indonesiens von einer prochinesischen Politik unter Sukarno

    hin zu einer herausfordernden antikommu-nistischen Politik unter Suharto vollzogen habe. In beiden Lndern, so fgte er hinzu, sei es immerhin um eine synchronisierte und miteinander verwobene Planungspolitik Wa-shingtons gegangen.

    Schtzenhilfe fr die Neue Ordnung auch aus der alten BRD

    Helfershelfer Suhartos war seitens der Bundesrepublik auch der Bundesnachrich-tendienst (BND), der die indonesischen Mi-litrs mit Logistik und Waffen untersttzte. Von der Bundeswehr und dem Bundesgrenz-schutz gab es fr die fernen Freunde Hilfe-stellung in Form von Ausbildungskursen fr Offiziere an der Bundeswehrakademie Ham-burg-Blankenese sowie Spezialtrainings bei der Elitetruppe GSG 9 in Hangelar bei Bonn. Dort erhielt unter anderen auch ein Schwie-gersohn Suhartos, der damalige Hauptmann und sptere General Prabowo Subianto, vom 1. April bis zum 18. Dezember 1981 ein Training. In seine Heimat zurckgekehrt, avancierte Subianto zum Chef der indone-sischen militrischen Spezialeinheiten und bernahm zudem das Kommando ber das wegen seiner Brutalitt gefrchtete Detach-ment 81.

    Bis dahin hllt sich jede Bundesregierung in Schweigen, wenn es um die bilateralen deutsch-indonesischen Beziehungen in der Frhphase der Suharto-Herrschaft geht. Bei der letzten entsprechenden Kleinen Anfrage von Abgeordneten der Linken-Fraktion im Jahre 2014 im Bundestag verschanzte sich die Bundesregierung bei der Beantwortung von Fragen stets hinter Formulierungen wie Der Quellenschutz stellt fr die Aufga-benerfllung der Nachrichtendienste einen berragend wichtigen Grundsatz dar. (...) (D)ie entsprechenden Informationen (sind deshalb) als Verschlusssache gem der Ver-schlusssachenanweisung mit dem VS-Grad VS-Vertraulich eingestuft oder die Offen-legung der entsprechenden Informationen (knnte) die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefhrden oder ihren Interes-sen schweren Schaden zufgen. Daher ist der entsprechende Antwortteil als Verschlusssa-che gem der Verschlusssachenanweisung mit dem Geheimhaltungsgrad Geheim ein-gestuft.

    Fr die in- wie auslndische Imagepflege Suhartos als stets lchelnder General zeich-nete jedenfalls mit dem 1912 in Leipzig gebo-

    renen Rudolf Oebsger-Rder ein glhender Exnazi und SS-Obersturmbannfhrer verant-wortlich. Vorgesetzte beim Sicherheitsdienst der SS hatten Rder eine tadellose Auffas-sungsgabe attestiert und ihn als jemanden beschrieben, der sich stets mit seiner ganzen Person fr den Nationalsozialismus einge-setzt habe. Nach dem Krieg war Rder unter anderem hauptberuflich fr die Organisation Gehlen, den Vorlufer des BND, ttig, setzte sich Ende Dezember 1959 nach Indonesien ab und arbeitete in Jakarta unter dem Namen O.G. Roeder sowohl als BND-Mitarbeiter als auch als Korrespondent fr die Sddeutsche Zeitung und die Neue Zrcher Zeitung. In der indonesischen Metropole gelang es ihm, Zugang zu Suharto zu finden und als dessen Berater und Biograf zu wirken.

    Erloschenes Irrlicht

    Am 21. Mai 1998 wurde Suharto, des-sen Familienvermgen das Londoner Wirt-schaftsblatt The Economist seinerzeit auf bis zu 40 Milliarden US-Dollar schtzte, nach 32-jhriger Herrschaft infolge massiver po-litischer Unruhen im Sog der sogenannten Asienkrise zum Rcktritt gezwungen. Doch es war ein Abgang in geschmeidiger Suhar-to-Manier: Selbst im Moment der Niederla-ge fhrte er lchelnd Regie, wohl wissend, dass seine guten Geister ihn nicht gnzlich verlassen hatten. Sein langjhriger Intimus Bacharuddin Jusuf Habibie beerbte den Prsidenten und leistete unverzglich sei-nen Amtseid. Dann schttelte bapak, der Vater der Nation, als der sich Suharto stets verstanden hatte, die Hand seines Ziehsohns Habibie und trat von der Bhne ab. Unbehel-ligt von internationalen wie nationalen Jus-tizbehrden verbrachte Suharto noch knapp ein Jahrzehnt in seiner Residenz in Jakartas Menteng-Viertel, wo er am 27. Januar 2008 friedlich verstarb.