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Chirurg 2013 · 84:999 DOI 10.1007/s00104-013-2633-6 Online publiziert: 11. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 O. Strobel · M.W. Büchler Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universität Heidelberg Die frühe laparoskopische  Cholezystektomie ist die Therapie  der Wahl bei akuter Cholezystitis Hintergrund und Fragestellung Die akute Cholezystitis ist eines der häu- figsten chirurgischen Krankheitsbil- der. Therapie der Wahl ist die laparosko- pische Cholezystektomie. Trotz mehrerer Studien und Metaanalysen blieb der beste Zeitpunkt für die Operation – die frühe Cholezystektomie oder die spätere Durchführung der Operation nach pri- mär konservativer Therapie – bisher umstritten. Gutt und Kollegen führten nun in Deutschland eine multizentrische, randomisiert kontrollierte Studie durch zum Vergleich der frühen Cholezystekto- mie (innerhalb von 24 h nach Aufnahme; „immediate laparoscopic cholecystecto- my“, ILC) und der primär konservativen Therapie und späteren Cholezystektomie (7 bis 45 Tage nach initialer Aufnahme; „delayed laparoscopic cholecystectomy“, DLC). Methoden In insgesamt 35 Zentren wurden 304 Patienten in die ILC- und 314 Patien- ten in die DLC-Gruppe randomisiert. Eingeschlossen wurden Patienten mit klinischen und sonographischen Zeichen einer akuten Cholezystitis, bei denen eine laparoskopische Cholezystektomie inner- halb von 24 h nach Aufnahme durchführ- bar war. Ausschlusskriterien waren unter anderem ein American Society of Anest- hesiologists (ASA) Score ≥4, ein septi- scher Schock sowie ein Verdacht auf Gal- lenblasenperforation oder Abszess. In je- dem Zentrum waren sowohl die Chirur- gen als auch die Gastroenterologen an der Studie beteiligt. In beiden Gruppen erhiel- ten die Patienten das Antibiotikum Mo- xifloxacin für mindestens 48 h intrave- nös. Primärer Endpunkt der Studie war die Morbidität (anhand zuvor festgelegter Komplikationen) innerhalb von 75 Tagen nach Aufnahme des Patienten. Als sekun- däre Endpunkte wurden unter anderem Mortalität, Konversionsrate, Liegedauer und Krankenhauskosten untersucht. Ergebnisse Als zentrales Ergebnis war die Morbidität in der ILC-Gruppe signifikant niedri- ger als in der DLC-Gruppe (11,8% vs. 34,4%). Dabei war in beiden Gruppen eine erhöhte Komorbidität (ASA-Score >2) signifikant mit einer erhöhten Kom- plikationsrate assoziiert. Mortalität (0,3% in beiden Gruppen) und Konversions- rate (ILC: 9,9%; DLC: 11,9%) waren ver- gleichbar. Die Gesamtliegedauer war bei ILC mit 5,4 Tagen signifikant niedriger als bei DLC mit 10,0 Tagen; bei vergleichbarer postoperativer Liegedauer (ILC: 4,7 Tage; DLC: 4,9 Tage). Dies führte zu signifikant niedrigeren medianen Krankenhaus- kosten bei ILC (2919 EUR) im Vergleich zur DLC (4262 EUR). Diskussion Die Studie zeigt eindeutig, dass die Morbi- dität bei früher Cholezystektomie wesent- lich niedriger ist als bei primär konserva- tiver Therapie und Cholezystektomie im Verlauf. Zudem hat die frühe Cholezyst- ektomie deutliche ökonomische Vorteile. Zu beachten ist, dass in der Studie Pa- tienten mit schwerer Komorbidität aus- geschlossen wurden und die Ergebnisse daher nicht auf solche Patienten übertrag- bar sind. Ob Patienten mit schwerer Ko- morbidität von einer präoperativen Opti- mierung ihres Zustandes durch eine pri- mär konservative Therapie profitieren, muss in weiteren Studien geklärt werden. Für operable Patienten mit akuter Cholezystitis stellt die frühe Cholezystek- tomie innerhalb von 24 h nach Aufnahme die Therapie der Wahl dar. Korrespondenzadresse PD Dr. O. Strobel Klinik für Allgemein-, Viszeral-   und Transplantationschirurgie,   Universität Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg [email protected] Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  O. Strobel und M.W. Büchler  geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.  Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen  oder Tieren. Originalpublikation Gutt CN, Encke J, Köninger J et al (2013)  Acute cholecystitis: early versus delayed  cholecystectomy, a multicenter randomized  trial (ACDC Study, NCT00447304). Ann Surg  258:385–393 999 Der Chirurg 11 · 2013| Journal Club

Die frühe laparoskopische Cholezystektomie ist die Therapie der Wahl bei akuter Cholezystitis; Early laparoscopic cholecystectomy as therapy of choice for acute cholecystitis;

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Page 1: Die frühe laparoskopische Cholezystektomie ist die Therapie der Wahl bei akuter Cholezystitis; Early laparoscopic cholecystectomy as therapy of choice for acute cholecystitis;

Chirurg 2013 · 84:999DOI 10.1007/s00104-013-2633-6Online publiziert: 11. Oktober 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

O. Strobel · M.W. BüchlerKlinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universität Heidelberg

Die frühe laparoskopische Cholezystektomie ist die Therapie der Wahl bei akuter Cholezystitis

Hintergrund und Fragestellung

Die akute Cholezystitis ist eines der häu­figsten chirurgischen Krankheitsbil­der. Therapie der Wahl ist die laparosko­pische Cholezystektomie. Trotz mehrerer Studien und Metaanalysen blieb der beste Zeitpunkt für die Operation – die frühe Chole zystektomie oder die spätere Durchführung der Operation nach pri­mär konservativer Therapie – bisher umstritten. Gutt und Kollegen führten nun in Deutschland eine multizentrische, randomisiert kontrollierte Studie durch zum Vergleich der frühen Cholezystekto­mie (innerhalb von 24 h nach Aufnahme; „immediate laparoscopic cholecystecto­my“, ILC) und der primär konservativen Therapie und späteren Cholezystektomie (7 bis 45 Tage nach initialer Aufnahme; „delayed laparoscopic cholecystectomy“, DLC).

Methoden

In insgesamt 35 Zentren wurden 304 Patienten in die ILC­ und 314 Patien­ten in die DLC­Gruppe randomisiert. Eingeschlossen wurden Patienten mit klinischen und sonographischen Zeichen einer akuten Cholezystitis, bei denen eine laparoskopische Cholezystektomie inner­halb von 24 h nach Aufnahme durchführ­bar war. Ausschlusskriterien waren unter

anderem ein American Society of Anest­hesiologists (ASA) Score ≥4, ein septi­scher Schock sowie ein Verdacht auf Gal­lenblasenperforation oder Abszess. In je­dem Zentrum waren sowohl die Chirur­gen als auch die Gastroenterologen an der Studie beteiligt. In beiden Gruppen erhiel­ten die Patienten das Antibiotikum Mo­xifloxacin für mindestens 48 h intrave­nös. Primärer Endpunkt der Studie war die Morbidität (anhand zuvor festgelegter Komplikationen) innerhalb von 75 Tagen nach Aufnahme des Patienten. Als sekun­däre Endpunkte wurden unter anderem Mortalität, Konversionsrate, Liegedauer und Krankenhauskosten untersucht.

Ergebnisse

Als zentrales Ergebnis war die Morbidität in der ILC­Gruppe signifikant niedri­ger als in der DLC­Gruppe (11,8% vs. 34,4%). Dabei war in beiden Gruppen eine erhöhte Komorbidität (ASA­Score >2) signifikant mit einer erhöhten Kom­plikationsrate assoziiert. Mortalität (0,3% in beiden Gruppen) und Konversions­rate (ILC: 9,9%; DLC: 11,9%) waren ver­gleichbar. Die Gesamtliegedauer war bei ILC mit 5,4 Tagen signifikant niedriger als bei DLC mit 10,0 Tagen; bei vergleichbarer postoperativer Liegedauer (ILC: 4,7 Tage; DLC: 4,9 Tage). Dies führte zu signifikant niedrigeren medianen Krankenhaus­kosten bei ILC (2919 EUR) im Vergleich zur DLC (4262 EUR).

Diskussion

Die Studie zeigt eindeutig, dass die Morbi­dität bei früher Cholezystektomie wesent­lich niedriger ist als bei primär konserva­

tiver Therapie und Cholezystektomie im Verlauf. Zudem hat die frühe Cholezyst­ektomie deutliche ökonomische Vorteile.

Zu beachten ist, dass in der Studie Pa­tienten mit schwerer Komorbidität aus­geschlossen wurden und die Ergebnisse daher nicht auf solche Patienten übertrag­bar sind. Ob Patienten mit schwerer Ko­morbidität von einer präoperativen Opti­mierung ihres Zustandes durch eine pri­mär konservative Therapie profitieren, muss in weiteren Studien geklärt werden.

Für operable Patienten mit akuter Cholezystitis stellt die frühe Cholezystek­tomie innerhalb von 24 h nach Aufnahme die Therapie der Wahl dar.

Korrespondenzadresse

PD Dr. O. StrobelKlinik für Allgemein-, Viszeral-  und Transplantationschirurgie,  Universität Heidelberg,Im Neuenheimer Feld 110, 69120 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  O. Strobel und M.W. Büchler  geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Originalpublikation

Gutt CN, Encke J, Köninger J et al (2013) Acute cholecystitis: early versus delayed cholecystectomy, a multicenter randomized trial (ACDC Study, NCT00447304). Ann Surg 258:385–393

999Der Chirurg 11 · 2013  | 

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