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Z. anorg. allg. Chem. 403, 23-34 (1974) J. A. Barth, Leipzig Die Gasmolekeln Re,CI,, Re3Br9 und Re,J,. Halogenaustausch und Fragmentierung Von HARALU SCHAFER, KLAUS RINKE und HELMUT RABENECK &fit 9 Abbildungen Professor Heinrich Hellmann zum 60. Geburtstage a m 10.12. 1973 gewiclmet Inhaltsubersicht. Das Massenspektrum von Re,J, wird mitgeteilt und rnit denen von Re,CI, und Re,Br, verglichen. Die Fragmentierung steht im sinnvollen Zusammenhang mit der unterschiedlichen Festigkeit der Bindungen Re-Cl, Re- J und Re-Re. I n den gemischten Molekeln Re,CI,-,X, (X = Br, J) 1a6t sich die beobachtete Haufig- keit der Molekeln rnit n = 0 bis 9 statistisch rnit gleichem Gewicht fur alle 9 Halogen-Posi- tionen beschreiben. Der von der Struktur her erwartete Unterschied von verbruckendem Halogen Xbr und terminalem Halogen Xt (entspr. Re,X!rXi) kommt im Halogenaustausch bei ~ 3 0 0 ° C nicht zum Ausdruck. The Gaseous Molecules Re,Cl,, Re,Br,, and Re,I,. Halogen Exchange and Fragmentation Abstract. The mass spectrum of ReJ, is communicated and compared with the spectra of Re,Cl, and Re,Br,. The fragmentation corresponds with the stability of the bonds Re-CI, Re-I, and Re-Re. In the mixed halides Re,CI,-,X, (X = Br, I) the observed abundance of molecules with n = 0-9 may be described statistically using the same weight for all the 9 positions of halogen. No difference of the 3 bridging halogens and the 6 terminal halogens can be seen regarding the halogen exchange a t 300°C. Die Massenspektren von Re,X, mit X = C1, Br, J lieBen gewisse Auf- schlusse uber die Bindungsverhatnisse in dieser interessanten Gruppe von Metallclusterverbindungen erwarten. Hinzu kommt die mogliche Mitwir- kung von Re,J,,, bei chemischen Transportexperimenten. Dies hat die folgende Untersucliung veranlal3t. 1. Massenspektroskopische Arbeitstechnik Die PrLparate wurden aus kleinen Quarztiegeln (L = 3 mm, Di = 1,5 mm) verdampft; Bodenkorpertemperatur 300-320°C (&l"C); Massenspektrometer CH 4 und CH 5 von Varian MAT (Bremen) ; Registrierung rnit dem Rekundiirelektronenvervielfacher ; Identi- fizierung der Ionen rnit der Massenzahl und der Isotopenverteilung. Bei den angegebenen Intensitaten ist die Isotopenverteilung berucksichtigt.

Die Gasmolekeln Re3Cl9, Re3Br9 und Re3J9. Halogenaustausch und Fragmentierung

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Z. anorg. allg. Chem. 403, 23-34 (1974) J. A. Barth, Leipzig

Die Gasmolekeln Re,CI,, Re3Br9 und Re,J,. Halogenaustausch und Fragmentierung

Von HARALU SCHAFER, KLAUS RINKE und HELMUT RABENECK

&fit 9 Abbildungen

Professor Heinrich Hellmann zum 60. Geburtstage a m 10.12. 1973 gewiclmet

Inha l t subers ich t . Das Massenspektrum von Re,J, wird mitgeteilt und rnit denen von Re,CI, und Re,Br, verglichen. Die Fragmentierung steht im sinnvollen Zusammenhang mit der unterschiedlichen Festigkeit der Bindungen Re-Cl, Re- J und Re-Re.

In den gemischten Molekeln Re,CI,-,X, (X = Br, J) 1a6t sich die beobachtete Haufig- keit der Molekeln rnit n = 0 bis 9 statistisch rnit gleichem Gewicht fur alle 9 Halogen-Posi- tionen beschreiben. Der von der Struktur her erwartete Unterschied von verbruckendem Halogen Xbr und terminalem Halogen Xt (entspr. Re,X!rXi) kommt im Halogenaustausch bei ~ 3 0 0 ° C nicht zum Ausdruck.

The Gaseous Molecules Re,Cl,, Re,Br,, a n d Re,I,. Halogen Exchange a n d F ragmen ta t ion

Abs t rac t . The mass spectrum of ReJ, is communicated and compared with the spectra of Re,Cl, and Re,Br,. The fragmentation corresponds with the stability of the bonds Re-CI, Re-I, and Re-Re.

In the mixed halides Re,CI,-,X, (X = Br, I) the observed abundance of molecules with n = 0-9 may be described statistically using the same weight for all the 9 positions of halogen. No difference of the 3 bridging halogens and the 6 terminal halogens can be seen regarding the halogen exchange a t 300°C.

Die Massenspektren von Re,X, mit X = C1, Br, J lieBen gewisse Auf- schlusse uber die Bindungsverhatnisse in dieser interessanten Gruppe von Metallclusterverbindungen erwarten. Hinzu kommt die mogliche Mitwir- kung von Re,J,,, bei chemischen Transportexperimenten. Dies hat die folgende Untersucliung veranlal3t.

1. Massenspektroskopische Arbeitstechnik Die PrLparate wurden aus kleinen Quarztiegeln (L = 3 mm, Di = 1,5 mm) verdampft;

Bodenkorpertemperatur 300-320°C (&l"C); Massenspektrometer CH 4 und CH 5 von Varian MAT (Bremen) ; Registrierung rnit dem Rekundiirelektronenvervielfacher ; Identi- fizierung der Ionen rnit der Massenzahl und der Isotopenverteilung. Bei den angegebenen Intensitaten ist die Isotopenverteilung berucksichtigt.

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24 H. SCHHFER, K. RINKE u. H. RABERECK

2. Die Ausgangspraparate und ihr thermisches Verhalten Fur unsere Zwecke geeignete Rheniumjodid-Praparate sind aus Re,O,+

konz. HJ zugiiiiglich. Solche Praparate enthalten neben rontgenographisch nachweisbarem Re,J, stets oxidische Anteile (cvtl. auch Oxidjodid 2) . Von deren Menge (und Zusammensetzung 1 ) hangt es ab, ob im Massenspektrum naben dem stets vorhandenen Re0,J entweder Re,J, und vie1 Jod oder aber Re,O, uiid relativ wenig Jod auftreten.

Die folgenden Praparate lieferten im Massenspektiometer gut meBbare Ke,Jg-Intensitiiten :

[a] Eine altere wal3rige Losung von -1 g Re,O, in 5 ml H,O wurde mit 8 ml konz. H J versetzt. Die Losung wurde unter dem Oberflachenstrahler im Laufe von 2 Stunden ein- gedampft. Der dunkelbraune Riickstand zeigte im Rontgendiagramm die starkeren Reflexe von Re,J,I).

B e i m E r h i t z e n (-300°C) i m V a k u u m des Massenspektrometers wurde I(Re,J:): I(ReO,J+) = 1:0,36 beobachtet. HReO: t ra t nicht auf. Beim E r h i t z e n u n t e r A r g o n (1 atm) mit zeitlinearer Aufheizung bis 700°C hinterblieben -60 Gew.-% der Einwaage als gewichtskonstanter Riickstand von ReO, + Re (R'ontgenaufnahme). Dabei wurde vor allem Jod verfluchtigt'.

I n Ubereinstimmung mit diesen Beobachtungen zerfallen fevte Rheniumjodide beim Erhitzen weitgehend in Re,, + J2,g2)5). Das massenspektroskopisch beobachtete Re,J,,g steht vermutlich in dieser Konzentration nicht mit dem Bodenkorper im thermodynami- when Gleichgewicht und verdankt sein ,,Uberleben" der Existenz relativ schwach anein- ander gebundener Re,J,-Molekeln im Kristallgittm, die beim Erhitzen z. T. unzersetzt ins S'akuuni entweichen.

[@I 1 g Re wurde durch Erhitzen im 0,-Strom in Re,O, ubergefuhrt. Dieses wurde in 6 ml H,O gelost und mit 5 ml konz. HJ versetzt. Von dieser Losung wurden einzelne kleine Tropfen mit einem Glasstab auf eine schrag liegende, auf etwa 160°C erhitzte Platin- schale getupft und auf diese IVeise schnell eingedampft. Der dunkle Ruckstand zeigt das Rontgendiagramni von Re,J, und im Rlassenspektrometer die Intensitaten I(Re,J;) : I(ReO,J+) = 1:0,93.

p)] -1 g Re,O,, gelost in 20 ml H,O, wurde mit 40 mi konz. HJ versetzt, an freier Luft bis auf -15 ml eingeengt und im Vakuum bei 100°C ganz eingedampft. SchlieBlich wurde der Riickstand im Vakuum langsam auf 250°C gebracht und dort 3 Stunden gehalten. Wieder wird das Rontgenbild von Re,J, beobachtet. Massenspektrum I(Re,.J;) : I(Re0,Jf) = 1 : 29.

[d] Langsames Eindunsten der Re,O,/HJ-Losungen an freier Luft vermindert den Sodidgehalt der Praparate. Auch mehrtagiges Liegen der Praparate an freier Luft kann zur Folpe haben, da5 Re,J, im Massenspektrum nicht mehr auftritt.

I ) 31. J. BEXNETT, F. A. COTTOX 11. B. M. FOSMAN, Inorg. Chem. [Washington] 7, 1563

2, R . D. PEACOCK, A. J. E. WELCH u. L. F. I\'ILSOX, J. ehem. SOC. [London] 1958,

,) T'. G. TROKEV 11. R. A. D o v L r a ~ s H ~ x a , Russ. J. inorg. Chem. 10, 1230 (1965).

(1968).

2901.

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Re,CI,. Re,Br, und Re,J,. Halogenaustausch 25

3. Fragmentierung von Re3X, (X = C1, Br, J) Tab. 1 bringt die im Massenspektrum beobachteten Fragmente. Neben

den dort, aufgefuhrten werden auch die Ionen Re3J:+ (n = 2-9) registriert. Nicht in die Tabelle aufgenommen wurden die mit hoher Intensitat auf-

Tabelle 1 IVIassenspektren von Re,X, (X = C1, Br, J). Haufigkeit der Pragmente

ReaC1, ReaBr, Re,J,

6OeT 70eV 60eV 50eV 70eV 70 eV Ion B~CHLER') RINKE') B ~ C H L E R ~ ) RINKE') Priiparat [r] Priiparat [a]

Re+ R e x Rex: Rex: Rex:

Re: Re,X:

Re,X: Re,X: Re,X: Re,Xt Re,X:

Re: ResX: ResX: ResX: ReaX: Re,X:

&*X:

ResX: ResX: ResXt RerX:

6 4 6

12 1

1 2 3

10 9

31 23 0

0 1 1 2 2 4 3 3

19 100

1 2 4 8 3

0 2 5

12 14 18 8 0

0 2 5 9 14 21 17 20 74

100

(364) (3,5) (210) (4,7) iiberlagert 1,7 0,08 1 2 0 0

26,2 15,7 iiberlagert 4.7 tiberlageri

3,1 2,1 1,o 0 0

5,6 133 23,3 27,8 40,O 42,2 38,9 46,7 86,7

100

4 9 3,4 2 3 l , B 0 0

14,7 18,3 29,7 34.1 45,7 44,3 37.7 48,3 89,9

100

trcjtenden Ionen Jf und JH. Zum Beispiel wurden mit Praparat [a] die Intensitatsverhaltniese Re3Ji : J+: JE = 1 : 57: 130 gemessen. Ebenfalls nicht erfal3t sind sauerstoffhaltige Teilchen.

I n der Re,J,-Spalte fallt der grole Unterscliied bei den PrLparaten [a] und ( y ] in der HLnfigkeit von Re' und ReJf auf. Dies findet seine ErklLrung darin, d a l diese Ionen auch Brnchstdcke von Re0,J sind. Der Re0,J-Anteil ist aber bei Praparat [ y ] vie1 groDer als bei [a] ; vgl. Abschn. 2.

4. Cl/,J-gemischte Molekeln Etwa gleiche Mengen des Rheniumjodidpraparates [a] (Abschn. 2) und

von Rheniumtrichlorid wurden kurz verrieben und gemeinsam im Quarz- tiegel erhitzt (310 "C). Das dabei aufgenommene Massenspektrum bringen die Tab. 2a, b, c. Das intensitatsstkrkste Ion war Jzf.

4, A. BVCHLER, P. E. BLACKBURN u. J. L. STAUFFER, J. physic. Chem. 70, 685 (1966). 5 ) K. RINKE XI. H. SCHAFEI~, Angew. Chem. 77, 131 (1965); Angew. Chem. int. Edit.

4, 148 (1965); vgl. ferner K. RINKE, Dissertation Munster 1967.

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H. SCHAFER, R. RINKE u. H. RABENECK

Tabelle 2 s ReC1,Jn. Elektronenenergie 70 eV, Beschleunigungsspannung 1000 V. Intensitaten der einfach positiven Ionen, bezogen auf ReaC1,J: 5 1000

Re 912

KeCl ReJ 407 239

ReCl, ReClJ KeJ, 285 278 85

XrCL ReC1,J ReClJ, ReJs 129 277 213 35

Tabelle 2b Re,Cl,J, ; Xedingungen wie Tab.2a

Re, 463

Re,Cl ReJ 444 101

Re,Cl, Re,CIJ ReJ, 514 244 45

Re&% Re,Cl,J Re,ClJ, ReJa i59 664 200 22

Re,CI, Re,Cl,J Re,Cl,J, ReBCIJs ReJI 326 351 213 63 0

Re,Cl, Re,Cl,J Re,Cl,J, Re,Cl,Js Re,ClJ, ReJ. 86 155 167 90 26 0

Re&], Re,Cl,J Re,Cl,J, RelClaJs Re,Cl,J, Re,ClJ, ReJ, 0 0 28 22 13 0 0

Tabelle 2c Re,Cl,Jn: Bedingungen wie Tab. 2a

Re8 104

Re&1 265

Re,Cl, 449

Re& 815

ReSCl, 862

Red& 962

Re,Cl, 456

Re&& 315

Re,CI, 220

Re,CI, 26

ReJ 61

Re,CIJ 152

Re,Cl,J 277

Re,Cl,J 479

Re,Cl,J 833

Re,Cl,J 477

Re,CI,J 638

ReBC1,J 611

Re,Cl,J 118

ReJ, 24

Re.ClJ, ResJs 79 11

ReSCl,J, ResCIJ, 239 46

13esC1,J, ResC1,Jt 408 144

ResC1,J, RerClsJJ 382 220

Re,Cl,J, Re3C14J3 800 585

Re,Cl,J, ResC1,J3 952 1000

RerC1,J, Re,C1,Js 378 729

R e J I

ReJCIJd

Re,CI,J,

ResClsJ, 292

ResCl, J, 768

ReJCIJ, 855

6

23

71

R e J , 0

Re8C1J,

ReJCl,J3

13

82

ReaCls J. 386

Re,Cl,J, 671

R e J , 0

Re,ClJ. ReJ, 20 0

Re,Cl,J, ResCIJ, R e J , 120 20 0

ResClsJ, ResC1,J, Re.ClJ8 ReJ, 344 112 20 0

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Re,Cl,, Re,Hr, und Re,J,. Halogenaustausch 27

5. Diskussion Die Kristallgitter von ReCl,, ReBr, und ReJ, enthalten Re,X,-Ein-

h~?itenl)~)7) entsprechend Abb. 1. Drei Re-Atome sind zu einem Dreieck verknupft, wobei die Re-Re-Bindungen jeweils durch ein in gleicher Ebene liegendes Halogen Xb' uberbruckt sind, so da8 Re,X,-Gruppen resultieren. Daruber hinaus tragt jedes Re-Atom 2 terminale Halogene Xt. Rhenium besitzt also eine (deformiert) planar quadratische Umgebung.

Abb. 1. Struktur der Re,X,-Molekel

Die Position senkrecht zur Rex,-Ebene (Pfeil in Abb. 1) kann durch Liganden, in der Struktur der festen Trihalogenide durch ein terminales Halogen einer benachbarten Re,X,-Einheit besetzt werden. Dies geschieht in der Re,CI,-Struktur 6 , bei allen 3 Re-Atomen, in der Re,J,-Struktur I)

jedoch nur bei 2 Re-Atomen. Dabei sind die Re-X-Abstande zwischen den Re,X,-Einheiten deutlicli groBer als innerhalb der Re,X,-Einheiten ; jedoch sind die Wechselwirkungen zwischen den Gruppen noch so groB, da13 sie eine Verzerrung der Re,X,-Gruppen bewirken.

Unter diesen Umstanden sind die Strukturen in erster Naherung als Molekelgitter zu betrachten. Da die Re-X-Wechselwirkung zwischen den Molekeln die schwachste im Bindungssystem ist, sind unzersetzte Molekeln Re,X, verdampfbar. Weder Re-haltige Re,X,-Bruchstucke noch Gitter- bruchstucke Re,X, mit n > 9 gehen von der Kristalloberflache in den Gas- raum uber.

In den isolierten Re3X,-1Clolekeln sind Verzerrungen nicht mehr anzu- nehmen; es gibt demnach nur zwei unter sich identische Halogensorten, ver- bruckende Xb' und terminale Xt. Dabei sind die Abstande Re-Xb' langer als Re-Xt.

6 ) F. A. COTTON u. J. T. MAGUE, Inorg. Chem. [Washington] 3, 1402 (1964). Af. A. BUSH, P. M. DRUCE u. M. I?. LAPPERT, J. chem. Soc. [London], Dalton 1972,

600.

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28 H. SCHHFER, K. RINRE u. H. RABENECK

5.1. Reaktionsfahigkeit der verbruckenden und der terminalen Halogene Von der Struktur her ist vorstellbar, daIj die terminalen Halogene Xt

trotz ihres kurzeren Re-X-Abstandes leichter substituierbar sein werden, als die verbriickenden Xb'. Tatsachlich haben ROBINSON und FERGUSSON~) bei kinetischen Messungen mit salzsauren Losungen des strukturana- logen Cs,Re,CI,, gefunden, daI3 die Re,Cl,-Gruppe intakt bleibt, wahrend alle anderen C1 gegen 36Cl ausgetauscht werden. Diese Resistenz der Re,X,- Gruppe kommt auch in den praparativ erhaltenen Verbindungen Re,Cl,(SCN), (dithio~arb),~) und Re3Br,(As0,),(DMSO),9) zum Ausdruck.

Offenbar hat diese unterschiedliche Substituierbarkeit der Xb' und Xt kinet ische Ursachen. Sie ist massenspektroskopisch bei 300"Cnicht mehr deutlich erkennbar. Hiernach wird die Bindung von Xb' an 2 Re durch den kurzeren Re-Xt-Abstand energetisch etwa ausgeglichen.

Abb. 2. Haufigkeitsvcrtei- lung fur Re,Cl,-nBrn. a) Beobachtet rnit dem Mischsublimat Re3C16,,2Brz,28. b) Berech- net mit glcichem stati- stischem Gewicht fur allc 9 Positionen, ausgehendvon der . Bruttozusammenset- zung

Abb. 3. Hiiufigkeitsvertei- lung fur RC,Cl,-nBrn. a) Beobachtct rnit dem Misch- sublimat Rc,CI,,,, Brz,67. b) Bercchnet rnit gleichem statistischcm Gcwicht fur allc 9 Positionen, ausgehend von dcr Bruttozusamrnen-

8 ) B. H. ROBINSON u. J. E. FERGUSSON, J. chem. SOC. [London], SLIPPI. 1, 5683 (1964). g, F. A. COTTOX u. S. J. LIPPARD, J. Amer. chem. SOC. 88, 1882 (1966).

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Re,Cl,, Re,Br, und Re,J,. Halogenaustausch 29

Fruhere massenspektroskopische Untersuchungenlo) haben ergeben, daB bei der gemeinsamen Sublimation von Re,Cl, und Re,Br, (Quarz- ampulle, 500 -+ 250'C) Halogenaustausch stattfindet. Dieser trat auch ein, wenn unter ihnlichen Bedingungen Re,Cl, in Gegenwart von HC1 sublimiert wurde. Die Verteilung von C1 und Br auf a l le 9 H a l o g e n p l i t z e e r fo lg t o h n e e r k e n n b a r e Bevorzugung b e s t i m m t e r Pos i t ionen5) , wie aus Abb. 2-4 hervorgeht.

I

Abb. 1. Haufigkeitsverteilung fur Re,CI,-,Br,,. a) Beobachtet mit dem Mischsublimat Re,Cll,12Br,,ss. b) Berechnet mit gleichem statistischem Gewicht fur alle 9 Positionen, ausgehend yon der Rrottozusammensetzung

Die jetzt ausgefuhrten Experimente mit einem Gemenge von Re3C1, und Re,J, zeigten, da13 der analoge Halogenaustausch schon bei der gemein- samen Verfluchtigung (300 "C) im Massenspektrometer erfolgt. Hierbei be- fand sich die Substaiiz in einem kleinen offenen Tiegel und nicht etwa in einer KNUDSEN-Zelle mit liingerer Aufenthaltsdauer der Gasmolekeln. Der Austausch erfolgt also schnell. Ergebnisse bringt Abb. 5.

Zu der wesentlichen Frage, ob die Xb'- und Xt-Positionen gegenuber C1 und J gleichwertig sind, ergibt sich folgendes :

1. Die ausschlieljliche Besetzung der 3 Xb'- oder der 6 Xt-Positionen durch nur eine Halogensorte kann schon wegen des Auftretens aller ge- mischten Molekeln Re3C1,-,Br, bzw. Re3Clg-,Jn (n = 0- 9) ausgeschlossen werden (Abb. 2 - 5).

2. Die massenspektrometrisch ermittelten Haufigkeiten lassen sich recht gut statistisch mit Verteilung der Halogene auf 9 gleichgewichtete Halogen- positionen beschreiben (Abb. 2- 5).

10) K. RINKE, M. KLEIK u. H. SCHXBER, J. Less-common metal8 [Amsterdam] 12, 497 (1967).

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30

^ ^ I

H. SCHAFER, K. RINKE u. H. RABENECK

Abb. 5. Haufigkeit der Molekeln Re,C19-nJn bei der Bruttozusammensetzung Re,C1,,,,J,,g4. a) Beobachtet. [l]. [a], [ 3 ] berechnet fur die im Text angegebenen Formeln

3. Die genauere Betrachtuiig schrankt diese Aussagen etwas ein : Die nus dem Massenspektrum ermittelten Anteile an Chlor und Jod

betrageii 56,2 und 43,8 At.-%, entsprechend einer Bruttozusammensetzung von R.e3C15,06J3,94. Sind die beiden Halogensorten gleichmaBig auf die 9 Bindungspositionen verteilt, so fuhrt das zu der Formel Re3Clll)f69J&1 C1i,37Jk,65. Hier siiid also die 3 verbruckenden und die 6 terminalen Posi- tionen mit den Halogenen gema13 ihren Anteilen statistisch besetzt. Verteilt man die beiden Halogene nicht mit ihrem VerhZiltnis von 56,2% zu 43,8y0 auf die beiden Positionen, so entspricht dies einer Bevorzugung einer Halo- gensorte auf den 3 verbruckenden bzw. 6 terminalen Positionen. Bei der Bercchiiung solcher Verteilungen wird die Bruttozusammensetzung bei- belialten ; inncrhalb einer Bindungsart erfolgt die Besetzung der Positionen wiedci- statistisch.

Auf Abb. 5 werden berechnete Haufigkeiten der Spezies mit der experi- meniell ermittelten verglichen. Die Berechnung erfolgte fur die Halogen- vertcilungen [I], [a] und [3],

[I1 R e , C l ~ , ~ ~ J ~ ~ ~ ~ C 1 ~ , 3 7 J ~ , ~ ~

PI Re,Cl~~nJob~lC1~,*7Jt3,53

131 Re,Cl~~,Job~,,Cl~,,GJ~,g~

von denen [I] die statistische Verteilung auf alle 9 Positionen und [3] die Besrtzung der Xb'-Positionen allein mit C1 erfa5t. Man erkennt (Abb. 5), daB

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Re,CI,, Re,Br, und R.e,J,. Halogenaustausch 31

die statistische Verteilung [l] die Experimente sehr gut wiedergibt, daB je- doch die Haufigkeitskurve auf Abweichungen von der statistischen Ver- teilung nur relativ unempfindlich reagiert. Eine gewisse Bevorzugung in der Besetzung der Platze ist daher nicht auszuschlieBen.

Abb. 6. Haufigkeit der Bragmente Re,XL mit X = C1, Br, J. Vergleich der verschiedenen MeBreihen. Die Nummern entsprechen den Spalten der Tab. 1

BUSH, DRUCE und LAPPERT') setzten Re,CI, bei 280-3OOOC mit einem OberschuB von BBr, um und erhielten nach Sublimation (>360"; 0,Ol Torr) ein Produkt mit der analyti- when Zusammensetzung Re,CI,Br,. Sie nehmen an, daB C1 in den Briicken undBr terminal gebunden ist. Nach unseren friiherenlo) und den jetzigen Erfahrungen ist bei der beschrie- benen Darstellungsweise eine solche Verteilung der Halogene auf die Xbr- und Xt-P1atze nicht zu erwarten. Auch diirften die Molekeln keineswegs einheitlich die Znsammensetzung Re,Cl,Br, haben; es handelt sich vielmehr um eine Durchschnittszusammensetzung des Praparsts, in dem aus statistischen Griinden die Molekel Re,Cl,Br, vorherrscht. Mit dieser Problematik hLngt es auch zusammen, daB die mehrfache Sublimation von ,,Re,Cl,Br," zu ,,Re,CIBr," fiihrte7).

5.2. Bevorzugte Fragmente Da anzunehmen ist, daB die Re,X,-Molekeln im Gaszustand den gleichen

Aufbau haben wie im Kristallgitter, konnte man vermuten, daB Fragmente des Typs Re,Xi mit doppelt gebundenem Halogen relativ stabil sind und

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32 H. SCHAFER, K. RINKE u. H. RABENECR

daher mit grol3erer Haufigkeit auftreten. Dies ist jedoch, wie Abb. 6 zeigt, nicht der Fall. Dagegen ist das Bruchstiick Re,Xi deutlich bevorzugt. Dies geht aus Abb. 6 hervor und unabhiingig davon auch aus Tab. 2c, in der man beim Gang der Haufigkeiten in den senkrechten Spalten 1 und 2 irregular hohe Werte fur Re,Cl,J+ und Re,Cl,J; findet.

Eiiie einleuchtende Struktur fiir Re,Xj ware die planare Re,X,-An- ordnung (Abb. 7) mi t je einem zusatzlichen Halogen zentral unter und uber dem Re,-Dreieck. Freilich ist bei solchen Interpretationen Vorsicht am Platze, solange man nichts uber die Struktur der Fragmente und uber die Art der abgespaltenen Neutralteilchen weiB.

Abb. 7 . Hypothetische Struktur fur das Fragment Re,Xi. Das zentrale Kreuz markiert je eine Position iiber und unter der Zeichenebene

5.3. Konkurrenz der Bindungsfestigkeiten Re-CI, Re- J iind Re-Re Zwischen Re,Cl, und Re,Br, bzw. Re,J, erfolgt der Halogenaus’causch

fur alle 9 Halogene innerhalb der Fehlergrenze statistisch (Absclin. 5.1.) Die Unterschiede in den Bindungsfestigkeiten Re-Xt und Re-Xbr konnen also nicht groB sein. Daher bleiben auch die erheblichen Unterschiede in der Biiidungsenergie von Re- C1 und Re- J innerhalb einer Re,X,-Familie ohne TVirkung. Dies wird anders, wenn die Fragment ie rung betrachtet wird, bei der die verschiedenen Bindungen miteinander konkurrieren. Hier zeigt sich die erwartete grol3ere Pestigkeit der Bindung Re-C1 im Vergleich zu Re- J (Abschn. 5.3.1.). AufschluBreich sind auch Betrachtungen, in die noch die Re-Re-Bindung mit einbezogen wird (Abschn. 5.3.2.-5.3.4.) : Beim Chlorid mit der relativ stabilen Re -C1-Bindung fuhrt die Fragmen- tierung bevorzugt zur Spaltung der Re -Re-Bindung. Beim Jodid dagegen wird bevorzugt die Re - J-Bindung gespalten.

5.3.1. Aus Tab 2 c (Waagerechte 9) wird die statistische Verteilung von CI und J auf die 9 X-Platze in Re,X, qualitativ erkennbar.

Bei den Fragmenten zeigen sich die Unterschiede in der Festigkeit der Bindungen Re - CI und Re - J :

Die reinen Choridfragmente (Senkrechte 0) sind vie1 haufiger als die reinen Jodidfragmente (Diagonale).

Page 11: Die Gasmolekeln Re3Cl9, Re3Br9 und Re3J9. Halogenaustausch und Fragmentierung

Re,Cl,, Re,Br, ulid Re,J,. Halogenaustausch 33

Mit wachsender Fragmentierung verschiebt sich das Haufigkeitsmaxi- mum zur jodarmen Seite (vgl. Linie Re,Cl,J, nach Re,Cl,, Tab. 2 6 ) .

Die Haufigkeitskurve der reinen Chloridfragmente geht bei Re,Cl, durch cin Maximum (Senkrechte 0). Sie hat hier, bei der gemeinsamen Verdamp- fung von Re,CI, und Re,J, einen ganz anderen Verlauf, als wenn Re,CI,

70

Abb.8. Haufigkeit der Fragmente Rex, (X = C1, J). Nach Tab.1, Spalte 2 und 6

700

50

20

x 9, t

7

0,5

Abb.9. HLufigkeit der Fragmentre Re,X, (X = C1, J). Nach Tab.1, Spalte 2 und 6 3 2. anorg. allg. Chemie. Bd. 403

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34 H. SCHHFER, K. RINKE u. H. RABENECK

allein verdampft wird (Tab. 1, Abb. 6). Dies hangt mit der groBen Haufigkeit der geniischten Molekeln Re,Cl,_,J,, zusammen und der bevorzugten J -Ab- spaltuiig aus solchen Molekeln.

5.3.2. Die Spaltung Re,X, --f Re,X, + Rex, liefert erhebliche Mengen an Re,Cl, und ReCI,, wahrend die Fragmente Re,J, und ReJ, von ganz untergeordneter Bedeutung sind (Abb. 8 und 9).

5.3.3. Die groBere Festigkeit der Re-Cl-Bindung fiihrt zu kleinen An- teilen von ReCI,, wahrend diese ,,irregulare" Spaltung mit X = J nicht beobachtet wird (Tab. 1).

5.3.4. Bei X = CI nimmt die Haufigkeit der Fragniente Re,X,, bzw. Re,X, mit abnehmendem m stark ab (Abb. 6) bis hin zu sehr kloinen Mengen an Re; bzw. Re;. Die Fragmentierung fiihrt bevorzugt zur Spaltung der Re -Re-Bindung.

illit X = J dagegen fuhrt die Fragmentierung bevorzugt zur Spaltung der Re- J-Bindung, so daB relativ grol3e Anteile an Re; und Re; beobaehtet werdrn ; vgl. auch Tab. 1. Re;-Haufigkeit beim Chlorid. Bromid, Jodid.

6. SchluBhemerkungen Im AnschluB an diese Untersuchung ergeben sich zwei interessante

Fragestellungen :

1. Nach welchem Mechanismus erfolgt der auffallend schnelle Halogen- austausch. selbst bei Anwendung heterogener Gemenge der binaren Halo- genide ?

2. Kann die beobachtete Gleichwertigkeit der verbruckenden und der terminalen Halogene bedeuten, da13 fur eine Rotation der vier in einer Ebene um ein Re angeordneten Halogene ( 2 Xb'+ 2 Xt) nur eine niedrige Energie- schwelle existiert, so da13 die bei hinreichender Temperatur rotierenden X ununterscheidbar werden ?

Frau M. TRER'KEL danken wir fur die priiparative Hilfe, Herrn C . BRENDEL fur Messun- gcn mit der Thermowaagc.

Miin s t er , Anorgaiiisch-Chemisches Institut der Universitkt.

Rei der Redaktion eingegangen am 13. April 1973.

Anschr. d. Verf.: Prof. Dr. H. BCHAFER, Dr. K. RINKE und H. RABENECK anorg.-chem. Inst. d. Univ. Munster BRD-44 Munster, Gievenbeckerweg 9