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Die Genesis der islamischen Kunst und das Mshatta-Problem. Von Ernst Herzfeld. L Teil Mit 19 Textabbildungen und 4 Tafeln. Die Denkmäler der ersten drei Jahrhunderte des Islam stellen dem Kunsthistoriker ein eigenartiges und verwickeltes Problem: wie kam es, daß eine einheitliche Kunst entstand im ganzen Umkreise der islamischen Welt, von Gi- braltar bis Indien, vom Sudan bis Turkestan? Die Vorgängerin der islamischen Kunst, die hellenistische, bietet eine Analogie zu dieser Erscheinung dar: ihr räumlicher Umfang deckt sich nahezu mit dem der islamischen Kunst, und ebenso ähnlich ist der Grad der Ver- wandtschaft und der Verschiedenheit ihrer Provinzen untereinander. Sicherlich liegt in der Tatsache, daß eine bei allen provinziellen Ver- schiedenheiten doch einheitliche hellenistische Kunst noch über die * Grenzen des Reiches Alexanders und des römischen Imperium hinaus bestand, eine Vorbedingung, ohne welche die islamische Kunst un- begreiflich und unmöglich geblieben wäre. Sie ist ihr festes Funda- ment Beleuchtet man aber den Vergleich heller, so treten die gründ- lichen Verschiedenheiten, die extremen Gegensätze hervor. Als der Hellenismus unter Alexander die Welt eroberte, da waren die Er- oberer das künstlerischste Volk, das die Erde getragen hat, da war der Siegeslauf der Heere Alexanders zugleich der Siegeslauf der helle- nischen Kunst Die Alexandrien, Seleukien, Antiochien waren die Zentren, von denen griechische Kunst und Kultur über die Länder ausstrahlten. Die Heere 'Umar's und Walld's brachten kein Volk von Handwerkern und Künstlern, keine künstlerischen Traditionen und keine ästhetischen Bedürfnisse mit. Es wird wenige Welteroberer Brought to you by | Universitaetsbibliothek der LMU Muenchen Authenticated | 129.187.254.47 Download Date | 6/30/14 11:36 PM

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Die Genesis der islamischen Kunst und dasMshatta-Problem.

Von

Ernst Herzfeld.

L TeilMit 19 Textabbildungen und 4 Tafeln.

Die Denkmäler der ersten drei Jahrhunderte des Islam stellen demKunsthistoriker ein eigenartiges und verwickeltes Problem: w i e k a me s , d a ß e i n e e i n h e i t l i c h e K u n s t e n t s t a n d i mg a n z e n U m k r e i s e d e r i s l a m i s c h e n W e l t , v o n G i -braltar bis Indien, vom Sudan bis Turkestan? Die Vorgängerin derislamischen Kunst, die hellenistische, bietet eine Analogie zu dieserErscheinung dar: ihr räumlicher Umfang deckt sich nahezu mit demder islamischen Kunst, und ebenso ähnlich ist der Grad der Ver-wandtschaft und der Verschiedenheit ihrer Provinzen untereinander.Sicherlich liegt in der Tatsache, daß eine bei allen provinziellen Ver-schiedenheiten doch einheitliche hellenistische Kunst noch über die*Grenzen des Reiches Alexanders und des römischen Imperium hinausbestand, eine Vorbedingung, ohne welche die islamische Kunst un-begreiflich und unmöglich geblieben wäre. Sie ist ihr festes Funda-ment Beleuchtet man aber den Vergleich heller, so treten die gründ-lichen Verschiedenheiten, die extremen Gegensätze hervor. Als derHellenismus unter Alexander die Welt eroberte, da waren die Er-oberer das künstlerischste Volk, das die Erde getragen hat, da warder Siegeslauf der Heere Alexanders zugleich der Siegeslauf der helle-nischen Kunst Die Alexandrien, Seleukien, Antiochien waren dieZentren, von denen griechische Kunst und Kultur über die Länderausstrahlten. Die Heere 'Umar's und Walld's brachten kein Volkvon Handwerkern und Künstlern, keine künstlerischen Traditionenund keine ästhetischen Bedürfnisse mit. Es wird wenige Welteroberer

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2g Ernst H e r z f e l d ,

gegeben haben, die in allen bildenden Künsten so amusisch warenwie diese Araber, denen das Beduinentum noch nach zweihundertJahren im Blute lag. Ihre Qa$r und Madmah, «Askar und Fustätkonnten keine Strahlen aussenden, sondern höchstens sammeln. Warendie makedonischen Eroberer der gebende, so waren die arabischender empfangende Teil. Was die hellenistischen Länder zusammen-schweißte, war die griechische Kultur; was die islamischen zu einerEinheit verband, nur die Religion und die Regierung. Alle Kunst-übung blieb in den Händen der Unterworfenen. Ihre Mitarbeit ver-ursachte im Hellenismus die Verwandlung und endliche Zersetzungder griechischen Kunst; im Islam führte ihre Arbeit zur Schöpfungder islamischen Kunst.

An einigen bekannten und neuen Denkmälern möchte ich diesesProblem zu erklären und zu beantworten versuchen. Vielleicht erhältdabei die Vorstellung vom Werden der islamischen Kunst eine plasti-schere Gestalt, und vielleicht gewinnt man damit zugleich ein Mittel, einDenkmal und seine zugehörige Gruppe zu bestimmen, das zu den meist-umstrittenen gehört: M s h a 11 ä. Das Studium der islamischen Kunst-geschichte und Archäologie ist ja sehr jung. Und'so haben gerade die aller-letzten Jahre eine Anzahl von Denkmälern neu oder besser kennen gelehrt,die der Beantwortung unserer Frage neue Wege weisen. Dazu ist diegesamte Kultur der ersten islamischen Jahrhunderte durch Editionenund Übersetzungen, durch das Corpus, die Enzyklopädie und be-sonders durch die Papyrusforschungen so aufgehellt worden, wie mannoch vor kurzem nicht erhoffen konnte. Das kunsthistorische Problemaber muß angegriffen werden im Zusammenhange der historischenund kulturellen Verhältnisse. Im Rahmen dieses Aufsatzes kannnatürlich nur eine Skizze gegeben werden. Aber- es wird jedem, derdie Denkmäler kennt, leicht sein, die angeführten Beispiele beliebigzu vermehren und die Parallelen herauszufinden, die die hier auswenigen Beispielen abstrahierten Verallgemeinerungen auf eine breiteBasis setzen und ihre Berechtigung und Gültigkeit bestätigen.

Als cAbd al-malik ibn Marwän im Jahre 69 den Bau des H a f a ma l - s h a r i f begann, verfolgte er den Zweck, ein universales Heilig-tum des Islam zu schaffen, dessen Glanz einen Teil des jährlichenPilgerstromes von Mekka nach Jerusalem ablenken sollte. Denn dieStädte'des Propheten waren damals in der Hand des Gegenkhalifen«Abdalläh ibn Zubair.. Die Q u b b a t a l - § a k h r a h ist in allenwesentlichen Teilen ein Werk.dieser Zeit. Der D j ä m i c a l - a q s ädagegen hat das Schicksal der meisten der ersten Moscheen des Islamgeteilt, daß immer neue Umbauten nur wenige Stücke von ihrer ersten

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Gestalt übrig gelassen haben x). Was lehrt nun dieses älteste der unsbekannten islamischen Heiligtümer über die künstlerischen Mittelund Tendenzen seiner Zeit?

Im Grundriß schließt sich der Bau den christlichen Wallfahrts-kirchen an. Die Stelle des heiligen Grabes nimmt hier der heiligeFelsen ein, nach islamischer Tradition der Mittelpunkt des dawidischenTempels. Ihn bedeckt die säulengetragene Kuppel. Zur Wallfahrtgehört das Umwandeln (tawäf) der heiligen Stätte, und diesem dientder Umgang, der hier achteckig und zweischiffig den inneren Kreisumgibt. Seine Form ist bedeutungsvoll: der Wechsel von Rund,Achteck und Quadrat ist für Grund- und Aufrisse eines der geläufigstenHilfsmittel der hellenistischen Baukunst. Die den christlichen Mar-tyrien -unentbehrliche Apsis fehlt der Qubbah; kein Mihräb zeigt dieQiblah des Gebetes an. Denn der Fels selbst ist der mystische Mittel-punkt der Welt. Der Aufbau hält sich in Materialien und Konstruk-tion, in Proportionen und Schmuck ganz in den Überlieferungen derspäthellenistischen Architektur. Der Rohbau ist weit entfernt vonder alle Vorstellung übersteigenden technischen Vollendung der an-tiken syrischen Werke des zweiten christlichen Jahrhunderts. DasSäulenmaterial ist klassischen Bauten entnommen. Die spitzbogigeGestalt der Arkaden des Tamburs rührt erst von der MarmorbekleidungSaladins her, der alte Bau zeigte überall den einfachen Halbkreisbogen.Über die Kämpferblöcke der Säulen des Umganges strecken sichschwere Holzbalken als Anker hin a). In Syrien, dem Lande des vir-tuosen Bogenbaues, ist diese Konstruktionsweise nirgends nachweisbar.Wohl aber kommt sie unauffällig und fast versteckt in den Neben-schiffen der Hagia Sophia vor. An allen Säulenbauten islamischenUrsprungs ist diese eine der unvermeidlichen, auffälligsten Erschei-nungen, von de Vogüo nicht mit Unrecht als eine Leitmuschel derislamischen Periode betrachtet. Allen Höhenmaßen liegt ein klaresSystem geometrischer Rationen zugrunde, ein Beweis für das Weiter-leben der architektonischen Schulüberlieferung des Altertumes und einwichtiger Hinweis dafür, in welchem Geiste diese Architekturen kom-poniert wurden.

*) Über die Baugeschicbte unterrichtet in vorbildlicher Weise DE Vocüi's Mono-graphie: Le Tcmfle de Jerusalem, Paris 1864. Die arabischen Quellen und Inschriftennach CH. SCHETER. Die Aufnahmen sind so umfassende, und weitere Photographicn soleicht zugänglich, daß hier von jeder Beschreibung abgesehen werden kann.

*) Wie einige andere byzantinische Eigentümlichkeiten der Qubbah, wird dieseErscheinung vielleicht daher rühren, daß ihr ein benachbarter, spezifisch byzantinischerBau zum näheren Vorbilde diente.

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In der D e k o r a t i o n mischen sich fremde Elemente mit alt-hergebrachten. Die schweren Holzanker des Umganges der Qubbahbesitzen noch die ursprüngliche Ummantelung von getriebenen K u p *f e r p l a t t e n . Drei Beispiele ihrer Soffiten bildet de \^ ab.Zwei haben eine graziöse, magere Weinranke, aus einem Akanthus-kelch und aus-einer Vase in der Mitte des Panneaus entspringend.Die dritte zeigt eine doppelte Wellenlinie im Spiegelbilde; wo sichdie Wellen berühren, ein kleiner Ring, eine „corona"; nur je eine zarteHalbpalmette zweigt sich jederseits ab, dazu eine Fruchtform als Mittedes Innenfeldes. Immer zwei Randstreifen fassen diese Ranken ein.Einmal eine einfache Bogenfolge mit Blütenendigungen; einmal einekleine Arkadenreihe mit alternierenden Füllungen, Rosetten undPalmettenkelchen, einmal längliche Rauten, Rosetten im Zentrum,Knospen in den Zwickeln. Die Weinranke aus Akanthuskelch oderVase, die Arkadenreihen, die Rankenfolge sind schlechthin syrisch -antik. In der doppelten Wellenranke und der Bogenbordüre klingtschon die arabeske Note an.

Von den alten K a p i t e l l e n des Djämic al-aq§ä gibt de Vogüezwei Beispiele. Säulen und Pfeiler mit ihren Kapitellen sind hier,am Bau des cAbd al-malik, vom J. 73 H., ad hoc verfertigt. Sie stehenin den drei'mittleren Schiffen vor der Kuppel des Saladin und sinduntereinander gleich. Die Säulenkapitelle haben eine Perlenreiheanstatt des Säulenablaufes und Astragales. Über einem unteren Kranzevon acht Akanthen liegt ein halbkugeliger Korb, oben von einemFlechtband eingefaßt. Aus ihm erwachsen wieder acht Akanthen.Die axialen, niedrig und breitgezerrt, sind umschrieben von einerverkümmerten Volute. Die diagonalen tragen die Ecken eines ge-schweiften Abakos, der auf dem halbverdeckten Kalathos ruht, indemsich die Rudimente eines Eierstabes noch dazwischen schieben. Diezugehörigen Pilasterkapitelle, das zweite Beispiel, haben die kanonischekorinthische Struktur: zwei wohlgebildete Akanthoskränze, überdenen normale Doppelvoluten mit Akanthosstützblättern aufwachsen;eine Blüte mitten vor dem Rückschwünge des Abakos. Es fehlt be-deutungsvollerweise der Säulenablauf.

Eine «umfassendere Vorstellung, der Ornamentik ergeben dieM o s a i k e n beider Bauten. Der Umgang der Qubbah besitzt nochdie Mosaiken der Zeit cAbd al-malik's vom Jahre 72 H. Die Mosaikendes Tambur und seiner vier Hauptpfeiler stammen von einer Restau-ration des Imäm Zähir von 418, die der Transeptkuppel des Djämi'endlich gehören dem Bau Saladins von 583 an. Technisch unterscheidensich die beiden späteren Perioden von der ersten nur durch Einführung

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des Silbers und der Perlmutter als neuer Materialien. Stilistisch istdas Ornament sehr verschieden: die Saladin-Mosaiken sind deutlichabhängig von der gleichzeitigen naturalistischen Malerei und Miniaturund ahmen zugleich Elemente der ältesten Mosaiken nach. Die Zähir-mosaiken sind sehr klassizistisch, mischen aber unter ihre prächtigenAkanthosformen orientalische Einzelheiten, besonders die Flügel-palmette. Als ornamentales Motiv ist diese aus dem Kronen- undHelmschmuck des Warahrän II. und IV., Peroz, Khosrau II., Parwezund Yazdegerd III. entwickelt, welcher den Arabern als typische Helm-zier der Sasaniden erschien. Die Mosaiken *Abd al-malik's sind nichtso kurz zu analysieren. Sie nehmen die Zwickelflächen zwischen denBogen des Umganges ein. Die Bogenlinien selbst sind von einfachengeometrischen Bordüren rein byzantinischen Charakters umzogen.Der obere horizontale Abschluß ist ein blaues Band mit der datiertenInschrift *Abd al-malik's, in die al-Ma'mün seinen Namen substituierthat. Die Lettern sind golden und sind typisch für die ersten andert-halb Jahrhunderte der Hidjrah. Der Grund der Zwickel ist golden.Aber die Ornamentation der 32 Felder variiert jedesmal. Nur dergesamte Entwurf und das Verhältnis des Musters zum Grunde zeigtein wohldurchdachtes Gleichgewicht. Nur vier Felder sind bei de Vogüodargestellt. Der Komposition liegt immer die Idee der Blumenvasezugrunde. In der Vase steckt ein reiches, schweres Bukett, der Mittel-punkt des Zwickels. Aus ihm, bei den Eckfeldern auch aus der Vaseselbst, zweigen lose, freie Ranken ab. Aber die Detaillierung allerdieser Bestandteile ist höchst seltsam. Die Vase ist manchmal invegetabile Formen aufgeföst; das Bukett ist bald als eine üppige Blüte,bald ganz unpflanzlich gebildet; die Ranken sind bald Weinranken,bald ganz phantastische Gebilde. In den Buketts machen sich augen-fällige Ähnlichkeiten mit Blütenbildungen der sasanidischen Orna-mentik bemerkbar, daneben aber auch mit byzantinischen Kompo-sitionen aus Akanthosblättern x). Das Merkwürdigste aber, was indiesem Umfange hier neu auftritt, ist die Darstellung von Gold-schmiedearbeiten, die sich in die Vasen, Buketts und Ranken eindrängt,dem Ganzen einen höchst individuellen, antinaturalistischen Charakterverleihend. Kronen, Kolliers, Spangen, Agraffen in Gold, Juwelenund Perlen verwachsen hier mit den pflanzlichen Elementen, und da-

*) VgL die Pfeiler und die inneren Kapitelle de« Tfiq 5 bustän bei KirmOnshäh, dieKapitelle von BHutOn und I$fahan, bei FLANDIK &*CosTE, pl. 17, I7bi*i 27 u. 28;SARRE-HERZFELD, Iran. FtlsrelUfs(Berlin 1910), Abb. 100, Für die byzantin. Bildungen:WLAO. STASSOFF, Ornemmt slavc et oriental, Petersburg 1887, und PJUNCK GR£C. GAOARIKE,Recufil &orn*mtnts et (TarehiUcture byzanttns, Petersburg 1897.

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*2 Ernst Herzfeld,

neben unmißverständliche Darstellungen von limail-cloisom^-Arbeiten.De Vogii6 weist schon auf den Zusammenhang dieser Formen mit denKronen und Juwelen der Westgoten und Merowinger hin; danebendrängt sich heute der Vergleich mit den sasanidischen und frühisla-mischen Goldschmiedearbeiten auf1). Es fehlt unter den vier Bei-spielen die Flügelpalmette; doch machen es die späteren Mosaikenunzweifelhaft, daß diese unter den 28 anderen Variationen des Bukettsvorkommt, und wenn nicht hier, so in den alten verschwundenenMosaiken des Tambur vielfach vertreten war. Wir wissen durch Ibnal-Athir, daß Saladin zu seinen Mosaiken Material und Arbeiter ausKonstantinopel kommen ließ, und ebenso daß al-Walid die Mosaikender Umaiyadenmoschee von Damaskus in Konstantinopel bestellte.Es kann also kein Zweifel sein, daß ebenso die Mosaiken des €Abdal-malik und des Zähir in Jerusalem von byzantinischen Mosaizistenausgeführt sind.

Was charakterisiert nun diese Umaiyadenbauten von Jerusalemals Denkmale islamischer Kunst? Die Anknüpfung an alte Typenin neuer Verwendung, mit aus der Praxis erzeugten Anpassungen.Die Übernahme alter Konstruktionsweisen, wobei nur vereinzelt undhalbversteckt vorkommende Weisen hervortreten und zum Prinzipwerden. Die Verwendung antiker Spolien, besonders von Säulen undKapitellen, ohne daß die Fähigkeit eigener Fabrikation verlorengegangen wäre. Die Kenntnis der hergebrachten Gesetze der Ästhetikder Baukunst, die diese Werke aus der Sphäre einfacher Nützlichkeit,aus der Herrschaft des bloßen Bedürfnisses heraushebt. Die Kost-barkeit der Materialien, die Nichtbeachtung der ökonomischen Rück-sichten. Die Mitarbeit von fremden Meistern und Handwerkern, dievon fernher herbeigerufen werden. Und in der Dekoration: Das un-mittelbare Nebeneinander westlicher und östlicher, lokaler und im-portierter Elemente. Das freie Spiel der Phantasie, die Erfindungneuer Formen und Kombinationen aus der zum Prinzip gewordenenVariation. Das Übertragen besonderer technischer Künste in dieArchitektur und das architektonische Ornament. Bevor ich · dieseCharaktere^ zu erklären versuche, muß ich die Beispiele ver-mehren.

*) Die abendländischen Beispiele bei DE VOGÜE zitiert. Vgl. SMIRNOFF, ArgenierieOrientale, Petersburg 1909, pl. XXIV die Khosrau-Schale, auch bei M. DIEULAFOY, Dartantique V pl. XXII; besonders aber die Kanne Karls des Großen von St. Maurice, dasGeschenk Härün's; E. AUBERT, Le irhor de Fabbaye de Saint-Maurice d'Agaune, Paris1872, Tafel 19—22, und S. GUYER, Die christlichen Denkmäler des ersten Jahrtausendsin der Schweiz^ Leipzig 1907, pag. 102-104.

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Die Genesis der islamischen Kunst und das Mshatta-Problem, 33Als Friedrich Sarre und ich auf unserer Expedition durch Klein-

asien, Nordsyrien, die Djazirah und den clräq im Januar und Februar1908 in Baghdäd waren, fanden wir in dem D j ä m i * a l - K h ä § a k ieinen höchst altertümlichen M i h r ä b 1 ) . Er ist außen in einer niedrigenMauer verbaut, die den linken Teil einer gewölbten Vorhalle gegenden Hof abschließt, und besteht aus einem einzigen Block feinkristal-linischen, ins Gelbliche spielenden, weißen Marmors. Das Sockelstückist abgebrochen und schlecht versetzt. Soweit die Einmauerung dieMaße feststellen läßt, ist der Block 1,60 m hoch, 0,93 m breit unddie Nische 0,31 m tief. Der altertümliche Mihräb weist bereits denspäter kanonischen Typus auf: die runde Nische mit Konche aufeingebundenen Säulen (Tafel I).

Die Basis der Säulen ist die attische und sie ruht auf dem attischprofiliertem Sockel des Mihräb. Der Schaft, dreiviertel ausgearbeitet,hat gedrehte Kanneluren und einen Perlenring anstatt des Ablaufesund Astragales. Die beiden Kapitelle sind von korinthischem Schema(Tafel U). Die zwei Reihen von alternierenden Akanthen sind normal,die Voluten mit ihren Stützblättern ungewöhnlich gebildet: aus denStützblättern sind große Akanthos-Vollpalmetten geworden, die Volu-ten sind als freie Ranke von ihnen gelöst (Tafel II c). Alle Detailsder beiden Kapitelle variieren, so daß die vorhandenen 8 Voll- und6 Halbblätter nicht weniger als 4 Grundtypen und dazu 2 Varianten,also 6 Formen, aufweisen. Das linke Kapitell (Tafel II oben und ab )zeigt in den zwei Kränzen Akanthen mit umgelegter, windbewegterSpitze, in der unteren Reihe ein wenig geteiltes, in der oberen ein durchzwei Pfeifen tief geteiltes Blatt. Sein volles Stützblatt (Tafel II a)ist durch 6 Pfeifen tief gefiedert, das Halbblatt besitzt eine aufgelegteRanke. Das rechte Kapitell hat in den Kränzen den spitzigen syrischenAkanthos. Das volle Stützblatt ist durch 8 runde Pfeifenlöcher pal-mettenhaft gegliedert, das halbe (Tafel II c) ähnelt ihm, seine Lappengleichen einer sich einrollenden Ranke; schmale Lanzettblätter liegenauf den Mittelrippen. Ein Abakos fehlt beiden Kapitellen. Sie tragenvielmehr unmittelbar die prachtvolle Konche. Ihr Kontur ist huf-eisenähnlich, ihr Nabel als gesprengte Palmette gebildet (Tafel II d).

*) Professor Sarre gestattete mir die vorläufige Publikation dieses bedeutendenDenkmals an dieser Stelle. Ich fasse die Beschreibung so knapp wie möglich, da die Publi-kation in extenso im ersten Bande unsrcr „Archaologiuhen Reise durch das Eupkrat-und TYgrw^Hrf", Berlin, Dietrich Reimer, erfolgen soll, wo auch noch weitere Abbildungengegeben werden. Ein kurzer Hinweis auf diesen Mifcrab befand sich in MURRAY'S Reise-handbuch, eine kleine Abbildung gibt H. VIOLULT in den Pariser Comptes Rendu* 1909,Pg-37i, Fig. 2.

Itlaxo. L 3

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Auch die Rippen der Unterkanten~wachsen zu Halbpalmetten aus.Einen eigenartigen Schmuck besitzt der MifrrSb in einem senkrechtaufsteigenden Ornamentstreifen in^der Achse des sonst glatten zylin-drischen Teiles (Tafel I und Tafel II e). Seine Breite beträgt 16 cm,die erhaltene Höhe 84 cm, der Fvuß ist zerstört Den Mittelstammbildet eine Serie übereinandergesetzter Gefäßformen: ganz unten eineschlanke hohe Vase; darüber^ein Pinienzapfen (Ananas) zwischenzwei Akanthen; darüber ein reichverzierter Römer, aus dem sich eindreiblättriger Akanthoskelch aufrollt; sein Mittelblatt umschlingt eingerades hohes Füllhorn; auf diesem steht eine Vase mit kugeligem, orna-mentiertem Leib, Fuß und Henkeln; ganz oben vielleicht noch eineVasenform. Das Ganze umrankt, durchschlingt und durchwächst eineüppige Weinrebe, oben unsymmetrisch, unten symmetrisch-arabeskkomponiert. Die Stiele enden mit drei Beeren auf der Mitte des ge-zackten und gerippten, fünfteiligen Blattes.

Die Technik der ganzen Arbeit ist höchst virtuos; das Reliefkräftig und schwellend, die Detaillierung abgestuft vom vollen Reliefbis zur zarten Gravur; die Oberfläche war poliert. Wäre das Kunst-werk nicht ein Mihräb, man würde kaum darauf verfallen, es derislamischen Kunst zuzuweisen. Worin geht nun dieses Denkmal alsGanzes und in den Details über die möglichen Vorbilder hinaus?

Der Typus knüpft an gewisse Nischenarchitekturen, wie sie anchristlichen Kirchen, sei es in der Front zwischen den drei Türen,sei es vielleicht an andrer Stelle, vorkommen x). In allen Fällen bildendiese Nischen einen Teil der Wand, aus deren Steinen sie zusammen-gesetzt sind, und haben nur architektonisch-dekorativen Wert. Hierim Mihräb erhält diese Form einen neuen kultischen Zweck. Als Haupt-schmuck der Moschee, auf den aller Augen gerichtet sind, wird derMihräb aus e i n e m Block kostbaren Materiales hergestellt und aufsreichste dekoriert. Während alle Elemente des Dekors die herge-brachten sind, äußert sich in der Komposition, so dem Perlenringeder Säulenschäfte, der Struktur der Kapitelle, der grundsätzlichenVariation ihrer Blattformen, dem unmittelbaren Aufliegen der Koncheauf diesen Kapitellen ein neuer Geist. Am merklichsten tritt dieserbei der Komposition des Ornamentstreifen zutage: in der Häufungder gegenständlichen Motive, der Vasen und Füllhörner, die einen ganz

J) Beispiele bei STRZYGOWSKI, Kleinasien, pg. 162 ss. Alahan Monastyr (KodjaKalesi) haben S. Guyer und ich aufs neue untersucht und bereiten dessen Publikationvor. Weiter aber vgl. die Konchen aus koptischen Kirchen, STRZYGOWSKI, Catalog Nr. 7295,7300 usw. Nischen mit Konchen sind auch gerade in syrischen und chaldäischen Kirchenvon Mosul häufig.

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Die Genesis der islamischen Kunst und das Mshatta-Problem. 35wesentlichen Bestandteil der entwickelten Arabeske bilden, in demNebeneinander symmetrischer und asymmetrischer Anordnung.

Die Verwandtschaft dieser Charakterzüge mit denen, die dieMonumente von Jerusalem zu umaiyadischen machen, ist trotz desganz inkongruenten Gegenstandes eine einleuchtende. Der Bestimmungder genauen Zeit und des Kunstkreises dieses Mihräb aber stellen sichungewöhnliche Hindernisse in den Weg. So gering ist noch unsreKenntnis der frühen Denkmäler. Ich vermute als Datum das derGründung von Baghdäd, das Jahr 145; für den Kunstkreis kommender nordsyrische, Antäkiyah-LädhiqTyah, oder der nordmesopotamische,Diyär bakr, weniger Mosul, in Frage x).

») Heute umgrenzt den Platz des Djämi« al-Khä§akI das Christenviertel von Baghdäd.Und Baghdader Christen erzählten uns, daß an Stelle der Moschee einst eine Kirche ge-standen habe. Das gleiche sagt J. F. JONES (Memoir on the Province o} Baghdäd in denSelections from the Records of the Bombay Government^ XLIII 1857, pg. 312), der im Jahre1853 zu dem Djämi« al-Kha§aki kurz notiert: »Mosque said to have been an old Christianchurch; built A. H. 10944. Diese Lokaltradition könnte zu falschen Vermutungen führen,besäßen wir nicht die berichtigende literarische Quelle. MURTADA -ZADAH, dessenVater ein Chronogramm für die Moschee dichtete, erzählt ihre Erbauungsgeschichte imGuishan i khulafff (Ci~ Hu ART, Hist. de Bagdad^ Paris 1901, pag. 100). Danach hörteMuhammad Pasha al-Khä§aki al-Silifcdär (1067—69 H.), christliche Mönche hätten nahedem Grabe des Schaikh Muhammad al-Azhari eine Kirche gebaut, Empört hierüber —denn seit der Gründung Baghdads sei weder Kirche noch Kloster je dort gebaut worden —ließ der Pasha diese Kirche wieder abreißen und gründete an derselben Stelle seine Moschee(1069), in der sich sein Grab befindet und die erst 1094 unter Ibrahim Pasha vollendetwurde, durch die Fürsorge eines Anhängers des Khä§aki. — Daß der Mi^räb aus dieserMoschee stammte — und die ganze Moschee stammt aus dieser modernen Zeit —, oderaus einer unmittelbar vor ihr erbauten Kirche, davon kann gar keine Rede sein. Der ganzeStadtteil, die Mafeallat al-fatfl, liegt auf einem Gebiet, das unter den letzten (Abbäsidcndas Dar al-khfläfah mit seinen Schlössern und Parks einnahm. Bevor al-Mucta<Jid zuihm den Grund legte, war dort, nach ausdrücklicher Überlieferung, freies Feld. Keines-falls also steht der Mifrräb an seiner ursprünglichen Stelle, sondern ist in dem beschädigtenZustande an den jetzigen Ort gebracht. Mithin kann er damals, 1069 H., nicht von fernimportiert sein. Das ganze mittelalterliche Baghdäd umgaben im N und W die weitenRuinenfelder seiner frühen Blütezeit. Aus diesen Ruinen allein kann der Mi trab stammen.Das Material des Mifcräb ist nun zweifellos importiert. Daß man aber den fertigen Mifrräbin der Blütezeit von Baghdäd importiert hätte, etwa nach der Sezession nach Sämarrä,ist, wo man am Orte Gebetsnischen in jeder Technik herstellen konnte, höchst unwahr-scheinlich. Der Miferäb muß sich vielmehr seit der Gründungszeit von Baghdäd dort be-funden haben, und es gibt, in Anbetracht seiner Kunstformcn, nur die Alternative: DerMiferäb stammt aus einer Moschee der vorabbasidischen Zeit und ist von al-MansOr nachBaghdäd überführt, wie etwa die Tore der Madlnat al-saläm, oder er ist von ihm für Baghdädbestellt. Die erste Annahme hat weniger Wahrscheinlichkeit: Türflügel, Mimbar, andremobile Objekte mag man stets transportiert haben« Die Entfernung einer solchen Gcbcts-nische aber setzt die Zerstörung der Qiblahwand voraus. Um eine* Mifcrab willen wird mankaum eine Moschee verwüstet haben. Und im Jahre 145 H. dürfte es verfallene Moscheen

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3(5 Ernst Herzfeld,

Die Denkmäler der beiden ersten Jahrhunderte der Hidjrah sindselten und über die ganze islamische Welt verstreut. Nirgends einegrößere Zahl, eine geschlossene Gruppe beisammen: es sei denn, wirfinden diese noch in neuen oder noch nicht erkannten Denkmälern.Aus Vereinzeltem schnelle Verallgemeinerungen zu ziehen, ist gefähr-lich. Und bevor ich zu erklären versuche, welche Kräfte den Wandelder künstlerischen Entwicklung bewirkten, muß ich noch einen ge-schlossenen Kunstkreis, eine Denkmälergruppe betrachten, die inreicher Anzahl vertreten ist. Dazu müssen wir in das dritte Jahr-hundert hinabsteigen.

Einen solchen Kunstkreis repräsentiert die O r n a m e n t i kder M o s c h e e des A h m a d ibn T ü l ü n in Kairo x). VomGrund- und Aufriß der Moschee sehe ich hier ganz ab 2) und beschäf-

kaum gegeben haben. Diese allgemeinen Gründe geben also einen Anhalt dafür, den Mifciäbum 145 H. zu datieren, um das Jahr der Gründung Baghdads. Die Kunstformen machendieses Datum völlig wahrscheinlich. Das hat die Entdeckung von Qu§air cAmrä eindring-lich gelehrt: wie antik die frühen Denkmale des Islam aussehen. Wenn dieses um 94 bis97 H. entstand, so mag der Miträb um 145 H. entstanden sein. Der Vergleich mit byzan-tinischen Denkmalen aus Heraklios und späterer Zeit bestätigt das.

Für die Bestimmung des Kunstkreises sind fast gar keine Anhalte vorhanden. Einesscheint mir sicher: als Beispiel irakenischer Kunst kann man den Mi^träb n i c h t ansehen.Ob er fertig importiert oder erst in Baghdad zugerichtet sein mag, immer muß der Stein-metz ein Fremder gewesen sein. Wir wissen, daß al-Man§ür Handwerker jeder Art ausSyrien, der Djazirah, Persien und dem flräq kommen ließ, Ägypten wird kaum ausge-schlossen gewesen sein. Daß außer den Arbeitern auch Material importiert wurde, lehrte,wenn es nicht von vornherein gewiß wäre und aus der Gründungsgeschichte von Sämarräzu folgern wäre, eben dieser Mifcräb. Nun ist weder der Marmor mineralogisch bestimmt,noch kennen wir die Marmorbrüche der nördlicheren Provinzen. So bleibt die Wahl offenzwischen Nordsyrien oder der nördlichen Djazirah. Für die Landschaft von Antäkiyahund Lädhiqlyah spricht die Analogie von Sämarrä, bei dessen Gründung von dort Marmorimportiert wird. Aber die Ruinen von Sämarrä haben nur blauweißen Marmor in zahl-reichen Splittern ergeben*. Von Bälis (Eski Meskene) an hätte der Transport auf demWasserwege stattfinden können. Für Diyär bakr spricht die Möglichkeit des Transportesallein auf dem Wasserwege. Ein ähnlicher, gelblicher Marmor kommt, auch ohne daßseine Herkunft bekannt wäre, in den assyrischen Skulpturen von Nimrüd vor. -Violleta. a. O. spricht von Mosul-Marmor. So pflegt man indessen den kristallinischen Alabasterdes Djabal Maqlüb, das Material der assyrischen Skulpturen, zu nennen (arab. marmar),also keinen Marmor.

x) Zeichnungen bei PRISSE D'AVENNES; Analyse des Ornaments bei A. RIEGL, Stil-fragen; die Baugeschichte bei E. K. CORBET, J. R. A. S. 1891; kürzer behandelt mit ver-schiedenen Abbildungen bei FRANZ PASCHA, Kairo, SALADIN, Manuell, STRZYGOWSKI,Mshattä.

a) Um so mehr, als ich auf diese beziehungsreiche Frage in einem Kapitel ,Samarra'in SARRE-HERZFELD, Archäologische Reise durch das Eupkrat- und Tigrisgebiet (Berlin,D. Reimer, im Druck) eingehe.

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Die Genesis der islamischen Kunst und das Mshatta-Problem. 37tige mich nur mit seiner Ornamentik, in der uns zum ersten Maledie Arabeske in altertümlicher und lokal gefärbter, aber in allen wesent-lichen Zügen fertiger Form entgegentritt. Das Ornament ist ausfreier Hand in den frischen Gips geschnitten. Es besteht aus denFriesen, die alle Bogen umlaufen und in Kämpferhöhe wagerecht ver-bunden sind, aus dem wagerechten Streifen, der alle Mauern obenabschließt, aus dem Archivoltenschmuck der Fensternischen, aus denPanneaux auf den Leibungen der Großen Bogen und der Fenster-bogen und aus den Kapitellen der großen eingebundenen Pfeiler-säulen und der Zwergsäulen der Fensternischen. Nur weniges ist inHolzschnitzerei ausgeführt, so die lediglich epigraphischen Friese, die

/*· 72U*

Abb. i.

einen beträchtlichen Teil des Korans enthalten, und die S o f f i t t e n -b r e t t e r d e r T ü r e n , von denen die der Südosttür des yaram,durch die man heute gewöhnlich die Moschee betritt, erhalten sind.

Mit diesem Stück beginne ich, denn es gibt den Schlüssel zumVerständnis der ganzen Ornamentik der Moschee: das P r i n z i pd e r Z e i c h n u n g , Abb. l '). Der Schmuck ist bandartig angeord-net, derart, daß die ungeschmückten Flächen ebenfalls bandartig er-scheinen. Das Ornament erscheint auf den ersten Blick als ein Gewirrlinearer, gewaltsam gebogener Kurven, die alle in eine spiraligeEinrollung auslaufen. Das Profil dieser Spirallinien ist dreieckig,

') Diese und die folgenden Skizzen aus Kairo habe ich 1908 dort gemacht und hieraus meinem Skizzenbuche unmittelbar, ohne Retusche reproduziert.

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^g Ernst Herzfc ld ,

kerbschnitthaft. Der erste Anblick täuscht: nicht diese Linien, sonderndie von ihnen gegliederten Flächen sind das Ornament. Sie als dasOrnament zu sehen, wird das Auge durch die kleinen Einkerbungengezwungen, die bald vom geraden Rande, bald von den Spiralen aus-gehen. Sehr bemerklich machen sie sich an dem quadratischen Mittel-stück. Dieses wirkt sofort als eine Gruppe von vier Blattformen, diedoch nur durch je eine Spirale aus den Ecken und je zwei Einkerbungenvom Rande aus erzeugt werden. Zu diesen zwei Elementen, der Spiral-linie und der Einkerbung, kommt noch ein drittes, das an diesem Bei-spiele fehlt: ein tiefer Punkt mit einem flach geritzten Strich daran.Diese drei Elemente erzeugen die Ornamente der kilometerlangenFriese. Akzidentiell tritt noch das Punktieren oder Schraffieren einerFläche auf. Das Prinzip der Zeichnung ist also von einer erstaun-lichen Einfachheit. Im Ornament selbst treten z w e i P r i n z i p i e nhervor: d ie a b s o l u t e F l ä c h e n f ü l l u n g , der wirklichehorror vacui, und d a s V e r w a c h s e n d e r e i n z e l n e n G l i e d e rohne bestimmte Trennung. Man kann zweifeln, was das prius, wasdas posterius sei, das Prinzip der Zeichnung oder die beiden Prinzipiender Ornamentation. Sie bedingen sich gegenseitig. Wir werden nochsehen, daß beide Erscheinungen ihre Vorstufe besitzen. Wenn mansich nun fragt, wieso sie hier zur Alleinherrschaft gelangt sind, so wirdman den Grund eben in der Einfachheit des Zeichenprinzips erblickenmüssen. Bei den Städtegründungen des eAmru und des Ahmad ibnTülün galt es möglichste Zeit- und Arbeitsersparnis. Und so ergibtsich ein wirtschaftlicher Faktor als derjenige, der die Auslese derkünstlerischen Prinzipien bestimmt. Was a priori und deduktiv wahr-scheinlich ist, wird so zur greifbaren Erkenntnis: die neuen wirtschaft-lichen Verhältnisse werden zu einem unmittelbar entwickelnden Momentder Kunst.

Die Elemente des Ornaments sind keine neuen. Die Türsoffittenlassen ihr Wesen kaum erkennen; ganz selten, wie etwa im Mittel-felde, Anklänge an vegetabile Formen. .Deutlicher werden sie in denmehr durchgearbeiteten G i p s o r n a m e n t e n . Zunächst * d a sg r o ß e B a n d , das alle Mauern oben abschließt (vgl.Tafel III oben)1).Die erzeugenden Linien sind hohe, gestelzte Bogen, unten durch Drei-viertelkreise verbunden, als Doppellinien ausgeführt. In der Achseder Bogen unten eine Einkerbung, in einen senkrechten Strich aus-laufend. Im Zentrum der Dreiviertelkreise ein tiefer Punkt. Vom

0 Vgl. VAN BERCHEM, Corp. Inscr. Arab. Iß, Cairo, pl. XIV, r; eine ähnliche Tafelbei CoRBETj 1. c. — STRZYGOWSKI, Mshatia Fig. 113.

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Die Genesis der islamischen Kunst und das Mshatta-Problcm. 39

oberen Rande zwischen den 'Bogenscheiteln zwei Einkerbungen. Soentsteht das Ornament, dessen Ableitung aus dem Schema des bogen-verbundenen Blüten-Knospen-Bandes klar ist. Dies Schema ist seitUrzeiten in Ägypten heimisch und nie ausgestorben. An der Tuluniden-moschee tritt es daneben in vielen Varianten auf x) und gehört über-haupt zu den vorherrschenden Schematen dieser Ornamentik.

Von den L e i b u n g e n der g r o ß e n B o g e n skizzierte ichzwei Beispiele im Norden der Westhalle. Da die Bogen breit sind,sind die Ornamente Flächenmuster: geometrisch geteilte Felder mit

Abb. 2.

Bordüre. Bei Abb. 2 a besteht die Bordüre aus einem Zickzack-Streifen. Die erzeugten Dreiecke sind durch kleine Einkerbungen blatt-ähnlich gerandet. Den Zickzackstreifen begleitet ein immer wieder-kehrendes Motiv: zwei Knopfreihen. Im Mittelfelde lassen größere,wagerecht gestellte und kleinere über Eck gestellte Quadrate acht-eckige Sterne zwischen sich entstehen. Dieses geometrische Gerippeist als Bandflechtung ausgeführt. Die vegetabilen Füllungen seinerKompartimente sind allein durch das geschilderte Prinzip der Zeich-nung hergestellt. Die Füllungen variieren in jeder Reihe. Es ist ohne

*) VgL die Archivolten der Fensternischen, STRZYGOWSKJ, MshattS, Abb. 113; vglauch das Prachtstück der Colkction Fouqutl, die fatimid.-ägypt. Goldlüstcrvasc, MICEOK,Manuel //, Abb. 225.

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AQ <- Ernst Her*feld,

weiteres klar, daß die überwiegende Menge der zahllosen Variationender vegetabilen Gebilde hier an Ort und Stelle erfunden sein muß,aus dem Prinzip der Zeichnung und der absoluten Flächenfüllung imbeliebigen Rahmen. Die Proben zeigen ein bewußtes Gleichgewicht.Alle Füllungen sind Varianten des gleichen Schemas. Die Mitte nimmtein Herzblatt ein, das manchmal einer Frucht, manchmal einer Vaseähnelt. Zu beiden Seiten eine Art Füllhorn, Fackel, Trompete oderBlatt. Man stelle sich diese Motive vervielfältigt aneinandergereihtvor, so entsteht eine Abwandlung des Schemas des Blüten-Knospen -Bandes mit Bogenverbindung. Noch treffender aber begreife mandiese Formen als Einzelelemente einer intermittierenden Ranke: dieTrompetenformen enthüllen sich dann als Variationen einer Halb-palmette, eines Stützblattes oder einer Gabelranke. Zwei Prinzipienoffenbaren sich in diesen Motiven: sie sind aus dem in einer Richtungu n e n d l i c h e n R a p p o r t komponiert, und ihre Isolierung er-zeugt V a r i a n t e n , d i e z u n e u e n T y p e n w e r d e n .

Das zweite Beispiel, Abb. 2 b, zeigt als Bordüre ein Muster, dasaus der endlosen Reihung auf der Spitze stehender Herzblätter ab-strahiert ist (vgl. Abb. 9 B). Das Feld ist ein einfaches, T-förmigesFlechtungsmuster, etwas bereichert durch Abschrägung der Endender Flechtelemente, wodurch sternähnliche Restfelder entstehen.Wiederum unendliche, gleichwertige Varianten in den Füllungen derKompartimente. Da alle Phantasie nicht imstande ist, eine solcheUnzahl symmetrischer Muster zu erfinden, tritt hier die unsymme-trische Komposition 'daneben, die bei dieser Gestalt des geometrischenGerippes nicht einmal im Spiegelbild ihre Auflösung findet. Wiederist alles aus dem einheitlichen Prinzip der Zeichnung geschaffen. Wiederbeweisen die Varianten die Originalität und das Indigenat der Er-findung. Für diesen Gesichtspunkt ist es auch von Bedeutung, daßdie gesamte Ornamentation der Moschee aus freier Hand, selbst ohneirgendwelche Vorzeichnung in den frischen Gips geschnitten ist. Daslehren die fortwährenden kleinen Unebenmäßigkeiten und Ungleich-heiten im Detail wie in der Gesamtanordnung. Als Prinzip ergibtsich wieder, daß sich die Füllungen in e i n e r Richtung in infinitumausdehnen lassen, die symmetrischen in der Höhe, die asymmetrischenin der Breitenrichtung. In diesem letzteren Falle enthüllt sich alsSchema wieder eine intermittierende Ranke in üppiger Detaillierung.Im ersten Falle ist es nicht ohne weiteres verständlich.

Zum Vergleich diene das L e i b u n g s o r n a m e n t e i n e sF e n s t e r s am Ostende der Qiblahwand, Abb. 3 a. Das ist nichtsanderes als die unendliche Reihung jener symmetrischen Elemente in

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Die Genesis der islamischen Kunst und das Mshatta-Problem.

Abb. 3.

der Höhenrichtung. Der vegetabile Charakter tritt hier zurück. DieEinzelformen haben etwas Gegenständliches: das Herzblatt ähnelteiner Vase, die seitlichen Halbpalmetten gleichen einem Hörn. Denktman sich aber ein solches Glied in der Breite vervielfältigt, so ergibtsich wieder eine Blüten-Knospen-Reihungoder eine intermittierende Ranke. Allebisher erkannten Charakterzüge haften auchdiesem Ornament an. Recht faßbar wirdhier, w i e das Prinzip der Zeichnung undder Flächenfüllung je nach dem Rahmenneue Varianten schafft. Eine neue Wesens-eigenschaft ist deutlich ausgeprägt: dieE i n-z e l e l e m e n t e sind in solchemGrade a b s t r a k t e s O r n a m e n t ge-worden, daß ihre objektive Bedeutung undihre Herkunft sich völlig verwischen. Nenneman sie Vase oder Herzblatt, Hörn, Trom-pete oder Palmette, Gabelranke, sie sindbeides und keines von beiden.

Doch ist das Schema, aus dem diese Form abgeleitet ist, nichtzweifelhaft. Ein Stück B o r d ü r e vom Ornament einer großenB o g e n l e i b u n g der östlichen Seitenhalle läßt das erkennen,Abb. 4. Die vasenartige Ausbildung des zentralen Herzblattes in dem

obigen Beispiel verdunkelte den Zusammenhang.Hier in der aufsteigenden Bordüre ist er klar: dasSchema ist das der aufsteigenden Reihung des kop-tischen Fingerblattes (vgl. Abb. 12). Das wagerechteBordürenstück gibt ein gutes Beispiel dafür, wiedie Füllungen von Abb. 2 a, in Breitenrichtung an-einandergereiht, eine intermittierende Wellenrankeergeben.

Zwei weitere Beispiele von den F e n s t e r -1 e i b u n g e n bestätigen und erweitern die Vor-stellung von dieser Ornamentik. Beide haben ein

geometrisches Gerippe, das eine, Abb. 3 b, eine Wellenlinie imSpiegelbilde, das andere, Abb. 5, Kreise, die mit länglichen Rautenwechseln. Die Spitzovale des ersten Beispieles haben, durch die Rah-menform bedingte Varianten des Vascnmotives; die Gebilde sind sounregelmäßige, daß sie ohne den Zusammenhang der ganzen Orna-mentik kaum verständlich wären. Die Kreise des zweiten Beispieleshaben Füllungen, die durch die größere Zahl von Einkerbungen den

Abb. 4.

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^2 Ernst Herzfeld,

blattlichen Charakter deut'icher betonen und sich von koptisch-antikenVorbildern kaum unterscheiden. Von den Rautenfüllungen, die allevariieren, zeigt eine eine Abwandlung des Vasenmotivs, wie es in derspäteren Ornamentik besonders beliebt wird; das andere eine nur halbsymmetrische Bildung, ein mittleres Palmettenblatt zwischen zweiSeitenblättern, für die Abb. II eine Parallele bietet. Die Zwickelfüllen unmittelbar aus dem Prinzip der Zeichnung geborene Gebilde,verwandt mit den Gabelranken und Hornformen.

Der ganze Reichtum der Ornamentik derTuluniden - Moschee kann hier nicht behandeltwerden. Die große Zahl einfacherer Ranken,nach dem Schema der Wellenranke, der Wellen-ranke im Spiegelbilde, der intermittierendenWellenranke mit Halbpalmetten und Gabel-ranken, die Alois Riegl zur Unterlage seinerStudien über die Arabeske gemacht hat, und dieden Zusammenhang mit der koptischen Antikeohne weiteres erkennen lassen, übergehe ich hier.Nur einen Charakterzug, den Riegl als spezifischarabesk und als Ableitung aus den koptischenRanken erkannt hatx), erwähne ich hier: dasUmschlagen des fortlaufenden Rankenschößlingsin eine entgegengesetze Richtung. Eine kurzeAnalyse verlangt noch das reichste der Ornamente,der H a u p t f r i e s , der alle großen Bogengleichmäßig umzieht, da gerade er geeignet ist,mißverstanden zu werden (Tafel III oben)2). DieRanke ist eine intermittierende, mit der Ab-weichung, daß die unteren Füllungen nicht ausdem oberen Berührungspunkte der Rankenteile

als hängende Pflanzen erwachsen, sondern aus unteren Abzweigungenals stehende, und dann von der intermittierenden Ranke „umschrieben"werden. Ihre Mitte ist ein stehendes Herzblatt, das oben in ein -Drei-blatt auswächst. Die Schlankheit und die starken Einkerbungenlassen den vegetabilen Eindruck überwiegen. Auch der Rest derFüllung bewahrt die vegetabilen Formen. Von dem Herzblatt zweigenunten zwei umschlagende Ranken ab, die nach oben in ein Weinblatt,nach unten in eine Traubenform enden. Die oberen Kompartimente

Abb. 5.

0 Stilfragen, pag/304—305 und 296.a) Vgl. STRZYGOWSKI, Mskattä, Abb. 113.

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Die Genesis der islamischen Kunst und das Mshatta-Problem. 43

l it/t« TS/J/i ^

Abb. 6.

der intermittierenden Ranke sind ähnlich gefüllt: ein spitzes Herzblatterwächst aus dem unteren Berührungspunkte der eigentlichen Ranke.Den Rest des Grundes füllt ein losgelöstes Motiv: ein sich einrollendesBlatt, durch seinen Stiel mit einer der bekannten ̂ Füllhornformenverbunden, die hierdurch ihre Detail-lierung mit Punktenund Fransen beson-ders unpflanzlich er-scheint. Nicht eineinziges Element,das der übrigenOrnamentik fremdwäre.

Zuletzt die K a -p i t e 11 e , Abb. 6.Die großen Pfeiler-kapitelle unterschei-den sich nur in ganzsekundären Abweichungen. Ihre Abkunft vom korinthischen Kapitellist ^ ganz klar. Die beiden Akanthoskränze ersetzt eine zweischichtigeRanke. Von den zwei Doppelvoluten mit ihren Stützblättern sind hierdie Voluten als dreizackiges Blatt, die Stützblätter als breite Blatt-

fläche mit umgeschlagener Spitze(in zwei Varianten) ausgebildet.Der Abakos bewahrt noch alsRudiment den mittleren Vor-sprung des spätkorinthischenKapitells. In dem Grade derUmbildung der antiken Formenin das Arabeske hinein stehendiese Kapitelle auf der gleichenStufe, wie der große Friesder intermittierenden Wellen-ranke.

Anders die K a p i t e l l e der Z w e r g s ä u l e n der Fenster,Abb. 7. Ihre Silhouette ist die der großen: der einfache, vasenförmigeKalathos, der oben ins Quadrat übergeht. Ihre Komposition gleichtsich immer in einem lyraförmig geschwungenen Bande. Die meistenKapitelle sind wie Abb. 7 a, einige von dem reicheren Typus 7 b, mitVarianten in den Einzelheiten. Der erste Typus ist leicht verständlich:

Abb. 7.

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44 Ernst Herzfeld,

man stelle sich den oben geschilderten einfachen Fries, der alle Mauernabschließt (vgl. Tafel III oben), um den Kalathos gelegt vor. Manch-mal ist das breite Blatt zerlegt durch kleinere Pflanzehkombinationenin den Ecklinien. Dadurch ist der Übergang zum zweiten Typus her-gestellt. Dieser zweite Typus aber erklärt sich unmittelbar als um denKelch gelegte intermittierende Ranke, unter Anähnlichung an denersten Typus. Diese Kapitelle sind also so völlig mit der ganzenOrnamentik verwachsen, daß man für ihre Komposition kein älteresVorbild zu suchen brauchte. Und doch gibt es ein solches, und zwarin der Moschee selbst Es sind die antiken K a p i t e l l e d e r S ä u l e ndes a l t e n M i l i r ä b 1 ) : kelchförmige Kämpferkapitelle. IhreMitte nimmt ein aufrechtes Weinblatt ein, das Urbild des vasenhaftenHerzblattes. Die lyraähnlichen Zweige der intermittierenden Rankesind hier von Akanthoshalbblättern begleitet. Über Eck eine Kombi-nation von Pflanzenformen, ein Traubenmotiv. Diese Kapitelle ausMarmor sind so unterschnitten, daß ihr Schmuck ganz a jour gear-beitet erscheint. Sie stammen aus Konstantinopel. Völlig identischeExemplare schmücken den alten Mihräb der Moschee des Sidi TJqbahin Qairawän und kommen sonst in dieser Moschee vor2). Dieselbenfinden sich auch an der Hauptfassade von San Marco und sonst an denMittelmeerküsten, im Wirkungskreise des Seetransportes von Kon-stantinopel her. Es ist kein Zweifel, daß gerade von dieser konstan-tinopolitanischen Form die kleinen Kapitelle der Tuluniden-Moscheein ihrer Komposition abhängen, und damit. die späteren lyraförmigdekorierten Kapitelle 3).

Was charakterisiert nun diese Ornamentik des Djämf ibn Tülünals Arabeske?

Es sind zunächst nicht das Prinzip der Zeichnung, noch das derabsoluten Flächenfüllung, noch einige Qualitäten, die durch das Mate-rial bedingt sind. Dies alles sind Akzidentien, die nicht das Wesentreffen. Ebensowenig liegt der arabeske Charakter in den Schematender Komposition und ihren Elementen. Wie Riegl 4) bereits festgestellthat: d e r U n t e r s c h i e d z w i s c h e n s p ä t a n t i k e r u n da r a b e s k e r O r n a m e n t i k i s t b l o ß e i n g r a d u e l l e r ,n i c h t ein h a b i t u e l l e r. In der spezifischen Umwandlung der

*) Abgebildet bei FRANZ PASCHA, Kairol pag. n.2) SALADIN, La mosqule de Sidi Okba a Kairouan, Paris 1899, Tafel XXII, und

Manuel, Fig. 134—135.3) Sie sind typisch für die Bauten Nur al-din's und seiner Zeit, z. B. in Raqqah und

Mosul.Stilfragen, pag. 306.

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Die Genesis der islamischen Kunst und das Mshatta-Problem. 45

Formelemente liegt der arabeske Charakter. Das Spiel der Phantasie,das Prinzip der Variation, welches neue Kombinationen und Varia-tionen erzeugt, die Komposition aus dem Grundsatze des unendlichenRapports in ein oder zwei Achsenrichtungen, die Entmaterialisierungder Elemente, die ihren ursprünglichen pflanzlichen oder gegenständ-lichen Sinn völlig verschwinden macht und neue, abstrakt dekorativeWerte schafft; und damit verknüpft das Verwachsen und Auseinander-Hervorwachsen der Elemente, die Verquickung von Vase, Stiel, Blatt,Blüte und Frucht ohne akzentuierte Trennung, — das alles charakte-risiert diese Ornamentik als Arabeske.

Die Ornamentik der Moschee steht nicht allein, im Gegenteil, sieist nur das G l i e d e i n e r G r u p p e so umfassend und so ein-heitlich, wie kaum eine zweite. Es ist dies die ganze H o l z o r n a -m e n t i k , von der zahlreiche Beispiele in der koptischen Abteilungdes ägyptischen Museums, im Mus6e Arabe in Kairo, in den koptischenKirchen von Mi§r al-catlqah vorhanden sind. Der Vergleich mit ihrerschließt erst das letzte Verständnis der Ornamentik der Tuluniden-Moschee. Auf Abb. 8 stelle ich fünf Beispiele davon, die Nummern16—20 des Saales VI des Arabischen Museums zusammen x). DieVerwandtschaft dieser Ornamente mit denen der Moschee ist so treffend,daß die Ähnlichkeiten im einzelnen hier nicht aufgeführt zu werdenbrauchen. Etwas^anderes ist wichtiger. Es herrscht hier das gleichePrinzip der Zeichnung. Die Spirallinien sind in Schrägschnitt, demKerbschnitt ähnlich, ausgeführt. Die Einkerbungen sind einfacheKerbschnitte. Die vertieften^ Punkte mit dem flachen Strich daransind hier mit einem ringförmigen Instrument gestanzt, als feine Kreise.Malerei bereichert die größeren Flächen, wo im Gips eine Flächen-musterung durch Linien und Punkte auftritt. Man sieht also, d a ßd i e O r i g i n a l i t ä t i n d e r H o l z t e c h n i k l i e g t : d a sPrinzip der Zeichnung ist aus der Holztechnik geboren. Die für Holzamaterialgerechtet Form ist in den Gipsstuck übertragen, in diesesnachahmungsfähigste, keine Formbedingungen und daher auch keineschaffende Originalität in sich tragende Material. Gerade dieses Über-tragen der Formenwelt aus einem Materiale in das andere ist eine

') Publizierte Beispiele bei STKZYGOWSKI, Calalog, Nr. 7242, 7243 und 8796, dortauch Zitate der Stflcke des Brit. Mus.; M. HERZ BEY, Caialogue du Mus. Nal., Sallc VI,16—20, 24 (obne Abb.); FKAXZ PASCHA, Kairo, pag. 8; MIGEON, Manuel //, Abb. 78 ausdem Louvrc. Andere Stücke in Berlin, Kaiser Friedrich - Museum, und SammlungSarre, 2 Stücke aus Takrit am Tigris, die in der »Archaol Reise* publiziert werden. All-gemein gehören die Stücke in die Zeit der Tuluniden-Moschee, einige mögen alter, einigejünger sein. Das Stück 16 Saal VI Kairo itt durch die Schriftform zweier identischer Bretterpaläographisch auf nicht früher als 285 H. zu datieren.

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Ernst Herzfe ld ,

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Abb. 8.

spezifisch arabeske Eigenschaft. Wie keine andere Ornamentationmacht sich die arabeske, kraft der Abstraktion ihrer Formen, vomMateriale .unabhängig. . Bei unseren Beispielen machen sich in demEierstabe (Nr. 20) und den Ranken der Bordüren (17 und 19) »sur-vivals« geltend, wie sie auch unter den Ornamenten der Moschee vor-kommen x).

x) Zu dem Rande von VI 17 vgl. besonders das koptische Beispiel bei STRZYGOWSKI,Catalog, Nr. 8793.

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Die Genesis der islamischen Kunst und das Mshatta-Problem. 47Schon die erstaunliche Einheitlichkeit, der abgeschlossene Cha-

rakter, die Häufigkeit machen es wahrscheinlich, daß diese ganzeOrnamentik in Ä g y p t e n b o d e n s t ä n d i g ist. Darauf führtauch, daß so vielesvon ihr aus ihrenPrinzipien heraus anOrt und Stelle er-funden sein muß.Diesen Beweis zuschließen, diene einschneller Vergleichmit einigen M o n u -m e n - t e n aus derder a r a b i s c h e nE r o b e r u n g u n -m i t t e l b a r v o r -h e r g e h e n d e nZ e i t . Skizzen vondrei koptischen Gie-belskulpturen gebeich^ in Abb. 9 und IO. Abb. 9.Diebeiden erstensinddie Nrn. 8676 und 8677 des Inventars des ägyptischen Museums, dasdritte war noch unnumeriert x). An den beiden ersten, die sich nur

im Beiwerkunterscheiden,interessieren

hier besondersdie AkanthenderAkroterienund die Bor-düren : DieReihung vonHerzblättern(8677 B), ausder die eineBordüre der

Moschee (Abb. 2 b) hervorgegangen ist, und die Wellenrankeder Sima 8676, mit ihrer absoluten Flächenfüllung, wie bei den

*) Sie fehlen noch in SrRZYCOweici's Cat&log. Die Akanthosiirna wird noch inspäterem Zusammenhange Bedeutung gewinnen (Teil II dieses Aufsatzes).

Abb. .

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Ernst Herz fe ld ,

Akroterien, und den erzeugenden Spiralen und Einkerbungen. Dasunnumerierte Stück, Abb. 10, ist noch charakteristischer. Es istnoch durchaus koptisch und doch besitzt es schon die zwei be-stimmenden Merkmale der Tuluniden-Ornamentik, das Prinzip derabsoluten Flächenfüllung und das Prinzip der Zeichnung: das ganzeOrnament ist durch wenige spiralige Linien und Einkerbungen er-zeugt. Ein viertes Beispiel ist die Reliefplatte, Abb. II (STRZYG. Catal.7369). Die Zickzackbordüre stimmt fast völlig mit der von Abb. 2 aüberein. Die ganze Komposition des geometrisch durchflochtenenMittelfeldes mit der von Flechtbändern begleiteten Bordüre ist genauwie auf den großen Bogenleibungen des Djämi* ibn Jülün. Die Fül-lungen der Kompartimente des Innenfeldes haben pflanzliche Motive,die absolut füllen und nur durch wenige Einkerbungen und mittlere

Abb. li. Abb. 12.

Punkte hergestellt sind. Es erscheinen hier die nur halb symme-trischen Bildungen, die erst im Spiegelbilde symmetrisch aufgelöstwerden, und die mit Füllungen wie in Abb. 5 ganz und gar überein-stimmen. — Schließlich in Abb. 12 ein gutes Beispiel der steigendenReihung des koptischen Fingerblattes (STRZYG., Catal. 8750). Es besitzt

'die gleichen grundsätzlichen Eigenschaften, und die Blattmitte zeigtschon eine Form, die in den arabesken Beispielen dieses Kompositions-schemas, wie Abb. 4 und noch mehr Abb. 3 a, weitergebildet ist. -DenUrsprung des Fingerblattes aber lehren ältere Formen, wie der Akan-thos der Konsole 8777, Abb. 13, wo auch das Prinzip der Zeichnung,die spiralig eingerollte Linie und die Kerbung schon vernehmlichanklingt.

Es ist also kein Zweifel: die Ornamentik der Ibn-Tülün-Moscheeund ihr ganzer Formenkreis ist in Ä g y p t e n b o d e n s t ä n d i g .Sie ist die entwickelte, aber noch spezifisch ägyptische Arabeske.Das entwickelnde Moment ist ein kulturelles. Kein neues Volk tritt

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an die Stelle eines alten. Die Tradition des Handwerkes bricht nichtab, seine Übung liegt zunächst in denselben Händen wie vorher. Diewirtschaftlichen Verhältnisse nur bedingen die Veränderung. DieGründungen von Fusfät, «Askar und Qatä'i' stellten große Aufgaben,erforderten viele arbeitende Hände und schnelle Ausführung. So fanddie Auslese der geeignetsten Prinzipien und Mittel statt. Wie immerhaben solche Neubildungen etwas Sprunghaftes: Anfang und Enderücken so nahe aneinander, daß das Resultat beim ersten Anblickals etwas Neues, Fremdes erscheint. So dicht zusammen liegen dieStufen der Entwicklung. Dabei sprießen viele Einzelheiten auf, die sichnicht bewähren und im Fluß der Entwicklung später wieder untergehen.

Als etwas Eingeborenes lebt die Tuluniden-Ornamentikin Ägyptenauch in den s p ä t e r e n D e n k m ä l e r n fort; darauf muß hierein knapper Hinweis genügen. Ich meine die Ornamentik der yäkim-Moschee, der A^har-Madrasah und der abhängigen Monumente. DieRichtung, die die Entwicklung einschlägt, ist die der Reduktion derunendlichen Variationen auf eine klassisch geringe Zahl von Formen;innerhalb dieser Formen wird ein schönes Gleichgewicht ihrer Einzel-teile angestrebt, vgl. Abb. 15 d. Als etwas auffällig Charakteristischestreten solche Spiralformen hervor, die lebhaft an die irische Trompeten -Ornamentik erinnern, vgl. Abb. 17 b, c. Die geometrischen Flech-tungen werden wesentlich komplizierter; und als neues Prinzip trittdas Kontrastieren flachen und tieferen Reliefs, oder der spezifischenTuluniden-Ornamentik mit anderen Gattungen hervor.

Denn neben der bisher analysierten Ornamentik schreiten inÄgypten a n d e r e W e i s e n , allerdings von ganz sekundärer Be-deutung, her; besonders in anderen Materialien: Stoffen,. Elfenbein,Inkrustationen und Metall. Nur auf eine Gattung muß ich kurz ein-gehen. Das arabische Museum zu Kairo besitzt einige Tausend, dasKaiser Friedrich-Museum, das British Museum und das Louvre einigeDutzend a r a b i s c h e r G r a b s t e i n e , aus Marmor oder Kalk-stein, meist von Friedhöfen der Nachbarschaft Kairos. Über sie existiertschon eine kleine Literatur, die sich hauptsächlich mit ihren stereotypenInschriften beschäftigt, weniger mit ihrer Paläographie und so gut wiegar nicht mit ihrem Ornament *). Berlin besitzt die ältesten bekannt

*) Des näheren kann hier nicht von diesen Steinen die Rede sein. Mit Hilfe Dr.M- SoBEftNHcm's, als Philologen, bereite ich eine Publikation über die Berliner Steine,vorn paläographischem Standpunkte aus, vor. Das Folgende ist ein Resultat dieser ge-nauen Untersuchung, Die Ornamentik dieser Steine wähle ich hier als Beispiel, weil mansie bei der Untersuchung von Mshattl in einen großen Zusammenhang hineingestellt hat,in den sie nicht gehört.

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CQ Ernst H e r z f e l d ,

gewordenen Exemplare. ^ Bis nahe an a. H. 200 sind diese absolutschmucklos in Rand und Schrift. Die Schmucklosigkiet der Plattebleibt auch später die Regel Von 200 H. an aber werden die Endender Buchstaben apiciert, zunächst sehr einfach, dann etwas reicher inHalbpalmettenform. Letzteres ist vom »blühenden« Küfl durchauszu unterscheiden und beginnt zunächst nur in der ersten Zeile derInschriften, dem Basmalah. Gleichzeitig treten ganz einfache Um-randungen von Kettenlinien oder Wellenlinien auf, und ab und zueine Dreiecksform am Kopf der Stele. Diese Form ist verschiedentlich

a

Uneare Araber fCt Ctnoto(-Dj*ZlraAj mit Surittficm Ba/tj

Abb. 14.

mißverstanden worden. Was sie bedeutet, zeigen ganz eindeutig Steinein Breitformat, wo diese Dreiecke zu beiden Seiten des Steines an-gebracht sind: es ist 'die Ansa der Tdbella ansata. Welche Rolle dieserömische Form der Inschriften für die arabische Epigraphie besitzt,braucht nicht erst gesagt zu werden, die Beispiele sind überall zahllos.Zum Überfluß bewahren die Grabsteine auch die Darstellung derNägel dieser Tabellen in Form von kleinen Rosetten oder Davids -Schilden. Bereichert wird diese Umrahmung dadurch, daß die Apicesder Buchstaben in das Dreieck und die Wellenlinie, die so zur Wellen-ranke wird, hineingesetzt werden. Die Zeit von 230 H. bis an das Endedes dritten Jahrhunderts ist die der üppigen Apizes in Halbpalmettenund in Fünfblattform. Die seitlichen Ränder zeigen jedesmal die genaueForm dieser Apices als Blätter der Wellenranke und der Ansa in vielen

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Varianten. Seit etwa 240 tritt daneben eine Gattung von Steinen auf,die Inschriften en relief, — die bisherigen waren alle en creux —, be-sitzen, genau wie die Bauinschrift des Djämi* ibn Tülün. Nur seltenhaben diese irgendwelchen Schmuck. Wo das der Fall ist, bestehter in einer simplen Wellenranke, ganz analog den kleinen Bordürenwie in Abb. 8'Nr. 17 oder Abb. 13 Nr. 8676, daneben Knopfreihenund einfache Kerbschnittmuster. Die Ornamentik dieser Grabsteine,die vereinzelt auchauf ändern Objekten —— "vorkommt, ist alsodeutlich eine Funk-tion der Schriftent-wicklung und andieser Stelle ent-standen x). Ihre Be-deutung ist eineganz lokale, und sielehrt nur, wie ausden Wurzeln alterMotive neue Kom-binationen unterWirkung neuer kul-tureller Faktorenüberall aus der Erdewachsen.

Die typischägyptische Tuluni-den-Ornamentik hateine weite V e r -b r e i t u n g i mA u s l a n d e gefunden. Vorzüglich geschah dies unter denletzten Fatimiden, unter Nur al dm Mahmud und unter Saladin.In dieser Zeit findet überhaupt ein lebhafter Austausch zwischenden proviziellen Entwicklungen statt. Er ist es, der die all-gemein-islamische Kunst auf ihren Kulminationspunkt führt. Derausgeprägte Stil der Werke Nur al-dm's und seiner Zeit unterscheidetdiese sofort von allen anderen. Dabei mischen sich in ihnen die ägyp-tischen, syrischen und nordmcsopotamischen Weisen in völligemGleichgewicht. Abb. 14 stellt einige Ornamente des alten Mimbar des

Abb. 15.

') Eine Abbildung der Ornamente bei STÄZYGOWSKI, Mthatfff, Abb« 59—63.4* '

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Ernst Herzfe ld ,

Abb. 16.

DjSmi' Nur! in yamäh zusammen '). Vollständig gleichen diesen dieDetails vom Mimbar NOr al-dm's in Jerusalem, den Saladin ausAleppo dorthin verpflanzte, und vom MiljrSb Nur al-dm's im MasdjidIbrahim auf der Burg von Aleppo. Die gleiche Mischung ägyptischer

und mesopotamischer Ele-mente zeigt der von 545H. datierte alte Miljräbder Großen Moschee vonMö?ul, die Nur al-dm 566bis 568 H. gründete2},Abb. 15. Man beachte,in welch eigenartiger Weisehier die Tuluniden-Kapi-telle in den Mosuler Stilübersetzt sind! Von denislamischen Bauten auserobert sich dieser Nur al-dm-Stil die syrische undchaldäische Kirchenbau-kunst Moduls und seiner

Provinz. In Aleppo finden sich zur gleichen Zeit die gleichen Er-scheinungen. Abb. 16 gibt einige ägyptische und syrische Ornamente,die sich an dem noch ganz klassischen Hauptgesims eines von 545 H.datierten fatimidischen Ge-bäudes am Bäb Antäkiyah inAleppo befinden. Endlich gibtAbb. 17 ein Beispiel von derOrnamentik einer Gruppe vonGräbern des sechsten undsiebenten Jahrhunderts inSälihm bei Aleppo. * Wie mansieht, hat die Tuluniden-Orna-mentik hier eine gewisseWeiterbildung erfahren, und Abb. 17.

J) Diese Aufnahme, ebenso wie die folgenden Beispiele aus Aleppo, nahm ich imFrühjahr 1908 auf, bei Gelegenheit, da Dr. SOBERNHEIM, mit dessen gütiger Zustimmungdiese Abbildungen hier publiziert werden, die Inschriften dieser Orte für das Corpus sam-melte. Die ausführliche Publikation des reichen Materiales wird in den Bänden Aleppound Hamäh-Homs des Corpus erfolgen.

*) Aufgenommen auf der Expedition F. SARRE'S und mit seiner gütigen Erlaubnishier abgebildet. Die ausführliche Publikation dieses Mihräb und zahlreicher andererBeispiele in SARRE-HERZFELD, Archäolog. Reise.

V«n fall·,

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zwar die gleiche wie sie in'der Ornamentik der Irläkim- und derAzhar-Moschee vorliegt. Daraus folgt, daß diese Formen nicht in Syrienund Mö§ul weiterentwickelt sind, sondern vielmehr ein neuer Importaus Ägypten stattgefunden hat. Noch weiter reicht der Kreis dieserägyptischen Ornamentik. Er tritt auch in Kleinasien seit dem sechstenJahrhundert auf, so an den Kapitellen, die das Tor des Djämi* al-qal'a

.in Diwrigi schmücken (576 oder 596 H.) x) oder an den Kronen derGenien im Museum von Qoniah, dem einzigen Rest der Mauern des*Alä al-dm Kaiqubädh L aus dem Anfange seiner Regierung, 618 bis634 H. *). Besonders aber gehören hierher zwei Holzschnitzereien, diezu den schönsten und reifsten der islamischen Kunst überhaupt zählen,nämlich der Mimbar der cAlä al-dm-Moschee in Qoniah, vom Jahre550 H., und die Fensterläden der Turbat cAlä al-din dort, vom Jahre616 H. 3).

Daß sich die ägyptische Ornamentik noch in der alten tulunidi-schen Form in andere Provinzen verbreitet hat, nicht in der reiferenForm, dafür gibt es bisher nur ein höchst merkwürdiges Beispiel. ImJahre 1899 durchquerte Dr. Max Freiherr von Oppenheim auf seinerForschungsreise in Syrien und Mesopotamien als erster Europäer denDjabal *Abd al-'aziz, ein Gebirge zwischen Ballkh und Khäbür in derDjazirah. Etwa im Zentrum des Gebirges liegt der kleine Ort a l -G h a r r a h, und in ihm entdeckte Freiherr von Oppenheim den M a k ä ndes *Abd a l - ' a z T z und nahm davon eine Anzahl von Photo-graphien, die er mir in bewährter Bereitwilligkeit zur Verfügungstellte 4). Das Heiligengrab liegt auf einer Bergzunge, halbvertieft,deren obere Schichten vielleicht keine geologische, sondern Bildungmenschlicher Bewohnung sind. Die jetzige Gestalt des Kuppelbauesrührt, wie eine Inschrift über dem modernen, reichverzierten Portalerkennen läßt, von einer Restauration des Jahres 1313 H. her. —Im Innern ist eine alte Gebetsnische mit ihrer Stuckdekoration nochteilweise erhalten. Tafel IV. Der erhöhte moderne Fußboden ver-deckt den Fuß der alten Wand. Die Nische ist roh zugesetzt, und viel-leicht verbergen sich hinter dieser Zusetzung noch Teile des alten

*) M. YAK BERCHKM, Corpus Insc. Arab. Band Siwas-Diwrigi von VAN BERCHEMund HALIL EDHEM BEV. VgL meinen Artikel Arabeske in der Enzyklopädie des Islam.

a) VgL F. SARRE, Seldsehukitche Kleinkunst, Leipzig 1909, Tafel I.3) VgL F. SAURE, a. a. O. Tafel VI und Abb. 25.4) Nach diesem Grabe ist das ganze Gebirge Djabal €Abd al-^zlz genannt. Die In-

schrift ist sehr schwer lesbar, sie scheint hinter dem Namen des «Abd al-^zlz das Wort:muhadjir zu nennen* Trotz gütiger Hilfe M. VAN BERCHEM'S u. J. GOLDZIHER'S ist esbisher nicht gelungen, etwas über die Persönlichkeit des Inhabers des Grabes zuermitteln

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CA Ernst Henfeld,

Schmuckes. Nur die Konche der Nische, ist offen gelassen. Je zweigekuppelte Säulchen flankieren die Nische. Ihr Kapitell haben siegemeinsam. Wand, Rahmen der Konche und die Konche selbst sindim flachen Stile der Tuluniden-Moschee ornamentiert. Die Mittel derZeichnung sind die bekannten Spirallinien, Einkerbungen und, hier ingroßem Umfange wegen der vielen ungegliederten Flächen, Flächen-musterung durch Punktierung. Die Ausführung ist eine fühlbar rohere,als in der Tuluniden-Moschee. Wie dort ist alles Ornament unmittelbaraus freier Hand in den weichen Gips geschnitten, ohne Vorzeichnungund Abzirkelung, scheinbar auch ohne vorherige Disposition derZeichnung.

Die Umrahmung der Konche zeigt oben eine Blüten-Knospen -Reihung. Die Detaillierung derselben ist gegenüber den entsprechendenFriesen des Djami* ibn Tülün ein wenig im Sinne der ausgeglicheneren,späteren ägyptischen Arabeske vorgeschritten. Die Ecken sind überdie Diagonale komponiert. In der Tuluniden-Moschee kommt das nochnicht von Vielmehr herrscht dort die primitivere Art und Weise,daß bei den Knickungen oder Umkröpfungen der Friese die Mustertot aneinanderstoßen. Eigenartigerweise hat auch die altägyptischeOrnamentik nie eine befriedigende Ecklösung umbrechender Orna-mentstreifen versucht. Mit dem Umbrechen des Musters in unseremBeispiele hängt es zusammen, daß in den seitlichen Stücken des Rah-mens das Schema wechselt. Sie sind als steigende Ranke komponiert,in etwas gröblicher Weise, mit Anklang ah Vasenform, wie die steigen-den^ Ranken der Abb. 3 a; wiederum in einer etwas weitergebildetenForm. Die von diesem Rahmen umschlossenen Zwickel sind geschicktdurch ein diagonal gestelltes Herzblatt gefüllt, mit hornähnlichen Halb-blättern in den Restdreiecken. Die Konche hat an ihrer Kante einlangösiges Flechtband, und im übrigen bestreitet ein Element dersteigenden Ranke des Rahmens die ganze Grundfüllung. Gerade

'dieses Motiv ist sehr flüchtig ausgeführt und sieht aus, als sei das auchin Ägypten besonders häufige Motiv (Abb. 2 a, b, 3 a, 4, 8 Nr. 17 u.19) nicht ganz verstanden. Ferner zeigt es eine etwas vorgerücktereStufe auf dem Wege zu Formen wie Abb. 14d, 15 d, lob, c. DieKapitelle .haben einen Ausschnitt aus einer intermittierenden Rankewie ein liegendes S. Der Schmuck der Wand ist ein geometrischesFlächenmuster zwischen schmalen Bordüren. Die an eine Kachel-teilung erinnernde Einfachheit des Musters spricht für sein Alter. DieBordüre ist ein schräges Flechtband, wie an der Kante der Koncheund wie oft in der Tuluniden-Moschee. Das Muster besteht aus Qua-draten mit abgeschrägten Ecken, die kleine Rauten zwischen sich

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Die Genesis der islamischen Kunst und das Mshatta-Problem. 55lassen. Unten an der Wand löst sich das Muster in die Form zweierkleiner Gebetsnischen auf, wie es auch sonst, ganz ähnlich in Qairawänvorkommt. Die beiden Nischen haben abweichende Form der Bogen,und zwar sehr komplizierte, wie immer bloße Darstellungen von Archi-tektur phantastischer sind als wirkliche Architekturen. Alles Ornamentder Kompartimente ist nach den Prinzipien der Tuluniden-Ornamentikgezeichnet. Auch hier ein Variieren, aber ohne bestimmten Rhythmus.Soweit der Schmuck der kleinen Gebetsnischen noch erkennbar ist,stimmen seine Motive mit der Füllung der großen Konche überein.Ebenso enthalten die Achtecke nichts als je ein Element der steigendenRanke der Konchenumrahmung, inzwei Varianten. Freier sind nur dieFüllungen der kleinen Rauten.

Überall sieht man, daß ungeübteHände dies Werk geschaffen haben.Und die Phantasie ist arm. TrotzdemVariationen angestrebt sind, bestfeitenausschließlich zwei, von der Tuluniden-Moschee her bekannte Motive;[dieganze Ornamentik: die steigendeRanke mit vasenhaftem Stamm unddie Blüten-Knospen-Reihung. Ohneseine Abhängigkeit von der Orna-mentik des Djämf ibn Tülün wäreder Miliräb des 'Abd al-'azlz ganzunverständlich. Andrerseits befindetsich seine Ornamentik deutlich aufdem Wege zu der Formenwelt* der yäkim- Moschee, besondersder Tür dieser Moschee im Mus£e Arabe in Kairo. Damit istdie Zeit des Monumentes begrenzt auf die Jahre 255 bis 393 H.,also auf die erste Hälfte des vierten Jahrhunderts der Hidjrah. —Auch ein Stück Stuckgesims, welches Freiherr von Oppenheimaus dem Heiligtume mitgebracht hat, und von welchem Tafel III(unten) die Ansicht, Abb. 18 das Profil gibt, wird .der gleichen Zeitangehören, wiewohl es eher altertümlicher aussiehtJ). Das Original

») Das Heiligtum muß in allen Zeiten in Ehren gehalten undjintcrhaltcn wordensein* Das zeigen einige Stücke von Fayencen, die Freiherr von Oppenheim cbcnfalls'mit-gebracht hat. Einige sind glatt und h eil türkisblau glasiert, nicht eine Glasur auf Farbe,sondern eine in der Masse gefärbte Paste, wie sie in den Fayencen des 7. und 8. Jahr-hunderts H. üblich ist. Ein anderes Stück ist eine Fliese mit kobaltblauer, durchscheinenderGlasur über schwarzer Zeichnung auf leicht relicfiertem Gründe, etwa dem l o. bis n. Jahr-hundert angehörig.

Abb. 18.

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^6 . Ernst Henfcld,

läßt erkennen, daß das Gesims mit einer Schablone aus dem Gipsgestrichen ist und die Ornamente mit Formen hineingepreßt sind.Daher wohl die größere Breite jedes dritten Zwischenblattes des Eier-stabes und jedes zweiten Lanzettblattes der Sima. Die Sima hateine in stehende S:Formen aufgelöste intermittierende Ranke, mitKleeblättern und lanzettlichen Dreiblättern. Der Vergleich mitspäteren gepreßten Gipsornamenten Kleinasiens lehrt, daß eineähnliche Ornamentik in der Zeit des Mifrräb wohl denkbar ist.Noch weniger darf das Profil und der Eierstab überraschen:solche »survivals«, die wir ja auch in der Tuluniden-Ornamentikbeobachteten, gibt es in Syrien noch im fünften und sechstenJahrhundert

So haben wir den V o r g a n g d e r E n t s t e h u n g d e r A r a -b e s k e als einer typischen Erscheinung der islamischen Kunst ineiner ihrer bedeutungsvollsten und originellsten Provinzen kennen ge-lernt und ebenso ihre Verbreitung nach anderen Provinzen. Ganzanaloge Vorgänge kann man etwa in Spanien, in Syrien beobachten,und ebenso findet der Austausch nicht nur in der einen beschriebenenRichtung statt. Würde man die Betrachtung auf a n d e r e P r o -v i n z e n ausdehnen, so würden sich nur formell, nicht aber wesentlichverschiedene Resultate ergeben. So läßt die spanische Arabeske alsvorwiegendes Element den Akanthos immer deutlich erkennen. Inder syrischen Arabeske erhalten sich Weinranke mit Blatt und Traube,Akanthos und Vase weit naturalistischer als in Ägypten. Nirgends istdie gut-antike Tradition so lebensstark wie in Syrien. Der Grad derRaumfüllung ist aber überall verschieden, und ebenso die Prinzipiender Zeichnung, und etwa das Relief. Nur ahnen können wir bisherdie Evolution im 'Iräq, dessen Ornamentik in sicheren Beispielen nuraus dem Mimbar und einem Teil der Lüsterfliesen des Mihräb vonQairawän — beides Werke vom Ende des dritten Jahrhunderts —,und in Teilenx) der Gipsornamentik des Dair al-süriyärii aus derersten Hälfte des vierten Jahrhunderts bekannt ist. Zu diesen wenigen,alle außerhalb ihres Ursprungslandes befindlichen Stücken gehören wohlauch die geschnitzten Holzbretter des Arabischen Museums in Kairo,Saal VI Nr. 21 2). Vor allem aber die gepreßten Stuckreliefs des Kaiser

.x) Andere Teile, so die Flachornamente, sind schlechtweg ägyptisch, vgl. STRZYGOWSKI,Mshaüä, Abb. 109. · *

2) Abb. im Catalog, Fig. 26 und bei STRZYGOWSKI, Mshattä, Abb. 94. Am Originalund auf einer guten Photographie, die ich Dr. M. SOBERNHEIM verdanke, kommt der Cha-rakter der Schnitzerei besser zum Ausdruck, und kann man aus der Schrift das paläogra-phische Datum 230—260 H. ableiten.

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Die Genesis der islamischen Kunst und das Mshatta-Problem. 57Friedrich-Museums x). Was sich in diesen wenigen Stücken offenbart,ist fast der extreme Gegensatz zur ägyptischen Arabeske. Ein hohes,schwellendes Relief im Kontrast zu dem tiefen Ornamentgrunde unddie Kontrastwirkung dieser hochplastischen Formen gegen eine un-abhängige, flache und unendlich feine Grundfüllung sind ihre wichtig-sten Charaktere. Beide Prinzipien leben in den Denkmälern vonBaghdäd und Ba$rah aus demsiebenten bis neunten Jahrhun-dert weiter. Darin liegt einerseits die Bestätigung, daß dieseCharaktere irakenisch sind, andrer-seits daß die Tradition vom ira-kenischen Ursprung jener ändernStucke richtig ist2). Aus derDjazirah fehlen die frühen Bei-spiele noch fast vollständig, mitAusnahme einiger Reste aus derersten Umaiyaden - Zeit. Dochglaube ich die in Abb. 14 b > und15 a, b und c dargestellten Formenfür\ spezifisch mesopotamisch Abb. 19.

0 Publiziert von F. SARRE, Makam Ali, im Jahrbuch d. Preuß. Kunstsammlungen1908 II, Abb. 7. Die Herkunft dieser Stücke aus dem clraq ist jetzt sicher. t

a) Während der Korrektur erschien die Studie H. VIOLLET'S vLe Palais de AI-Moutasim a Samara* in den Mem. $. par div. sav. a VAcad. des Inscr. XII, 2, Paris1909 (herausgegeben im Febr. 1910), die der Verfasser mir gütigst zusandte. Auf pl. XVIsind Reste der ornamentalen Dekoration in Marmor und in Stuck zusammengestelltDiese stammen von Bauten, die mit dem 221 H. von Mu'tasjm gegründeten Dar al-Khalifah in Zusammenhang stehen. Der eine Teil dieser Ornamentreste, Fig. i, zeigtnoch fast unverändert die Formen der persischen Ornamentik aus spätsasanidischer Zeit,unter Khosrau Parwcz, 590—629 Chr., wie wir sie außer wenigen anderen Beispielenvom Täq i bustSn her kennen; vgl. FLANDIN & COSTE I, pl. 6; — SARRE-HERZFELD.Iranische Felsreliefs, pL XXXVII; — F. SARRE, Mittelalterliche Knüpfappiche kltinasiat.und span. Herkunft, in Kunst- M. Kunsthandwerk X, München 1907, Heft X, Abb. 16.Nur in der dichteren Raumfüllung zeigt sich eine Veränderung. Der andere Teil, Fig. 3,aber entspricht getreu der abgekürzten Art der Tuluniden-Ornamentik, wie sie in denTürsoffitten, Abb. i, zutage tritt, und ähnelt besonders auch einem der aus Takritstammenden Holzbrctter im Besitze FRIEDRICH SARRE'S. Das Material ist noch sehr geringan Zahl, aber es scheint nunmehr, als mischten eich in dem Ornament des ' Iraq im2. und 3. Jahrhundert H. bereits nordmcsopotamische oder nordsyrischc (Khasakl-Mibräb), irakenische (Gipsituckroscttcn d. K. Friedrich-Museum, Qairawan-Minbar),persische (Vioixrr pl. XVI, Fig. x) und ägyptische (Vioixrr, XVI, 3) Elemente. Soläßt dies wenige gerade das Bild der Entwicklung ahnen, das wir erwarten müssen.

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cg Ernst Herrfe ld ,

(Mosul) halten zu dürfen. Die syrische Arabeske erscheint in Abb. 14 cund 16 a und d und ein älteres, völlig klassisches Beispiel der syrischenAkanthos- Arabeske sind die Ornamente vom großen Minaret der Haupt-moschee von Aleppo, vom Jahre 483, in Abb. 19. Die syrische Wein-laubarabeske ist durch das fünfteilige Blatt mit aufgelegter Traubecharakteristisiert, wovon in Tafel I und II die Anfangsstadien, inAbb. 17 a ein nicht gerade typisches späteres Beispiel vorliegen. Wollteman den Unterschied der frühägyptischen Arabeske gegen alle anderennach einer auffälligen äußeren Erscheinung kurz bezeichnen, so wärees, daß die tulunidische Arabeske k e i n e Ü b e r s c h n e i d u n g e nkennt

Auf einen Umstand bin ich bei Besprechung der Ornamentik derTuluniden-Moschee noch nicht eingegangen: das Material, in dem dieseholzmäßige Ornamentik ausgeführt ist, ist der S t u c k . Wohl wirdman den Stuck seit der Antike in Ägypten gekannt haben, aber indiesem Umfange als Material des bildnerisches Schmuckes ist es hierdoch wohl etwas Neues. Nun ist das Baumaterial der Moschee, derg e b r a n n t e Z i e g e l , in älterer Zeit in Ägypten ja nicht dasallgemein übliche Baumaterial, wenigstens ist der reine Ziegelbau nichtdas Gewöhnliche. Und da in der Zeit des Ahmad ibn Tülün die Be-ziehungen Ägyptens zum Reichszentrum, dem 'Iräq, sehr enge waren,und die ganze geistige und wirtschaftliche Kultur starke Einflüsse vom'Iräq aus empfing, so ist es gewiß richtig, die Verwendung des reinenZiegelbaus und des Stuckes auf Anregungen von Baghdäd und Sämarräher zurückzuführen. Man darf aber nicht vergessen, daß auch in jenenLändern der gebrannte Ziegel durchaus das nicht gewöhnliche Bau-material war, wie die Ruinen von Sämarrä lehren. Für die Einführunggaben wirtschaftliche Momente, die wir auch schon als die Kunstformenbeeinflussend erkannt haben, den Ausschlag: die Erbauung von QatäYverlangte schnelle Arbeit. Und r'das Spolienmaterial, das noch inFustät und cAskar so reichlich benutzt war, begann, wie ausdrücklichüberliefert wird und wie von vornherein vorauszusetzen ist, zu ver-sagen r). So macht man sich die Erfahrungen und Methoden andrerLänder zu Nutzen, und ohne daß damit ein unmittelbarer Kunst-

r) Eine ganz analoge Erscheinung kann man an den frühen Basiliken Italiens undSüdfrankreichs beobachten. Auch da findet der Übergang vom Säulenbau zum Pfeilerbaustatt, und auch da ist das Versagen des Spolienmateriales ein wesentlicher Faktor in derEntwicklung der Architektur. -Auch hier kommt man zum Pf eilerbau, mit eingebundenenSäulen, wie in Ägypten. Andere Beispiele findet man in Deutschland, oder etwa im west-lichen Mesopotamien. Die Gleichheit der äußeren Verhältnisse und der aus ihnen erzeugtenFormen ist eine so weitgehende, daß der Gegenstand zu einer fruchtbaren Studie ver-gleichender Architekturgeschichte gemacht werden könnte.

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Die Genesis der islamischen Kunst und das Mshatta-Problem. 59import ohne weiteres verbunden ist, tragen solche Erscheinungen dochwesentlich zum Ausgleich und zur Ausbildung gleicher Prinzipien inder frühen islamischen Kunst bei.

Diese Überlegungen führen wieder auf den Ausgangspunkt derUntersuchung zurück. Wir haben nunmehr eine ganze Reihe vonCharakterzügen der frühislamischen Denkmäler kennen gelernt undeine Anzahl von Triebkräften und wirksamen Momenten, die dieseCharaktere erzeugten. Und nunmehr dürfen wir an das Z i e l d e rU n t e r s u c h u n g , das zuletzt scheinbar etwas aus den Augenverloren wurde, herantreten. Indem wir die verstreuten Ergebnissezusammenfassen, haben wir vielleicht die A n t w o r t auf dasP r o b l e m , das wir im Anfang formuliert haben, gefunden.

Für alle Anforderungen der neuen Herrscher und der neuen Reli-gion suchen Künstler und Handwerker aus ihrem Schatz überkomme-ner Typen die geeigneten hervor und passen sie dem neuen Zweckedurch leichte Abwandlungen an, so bei Bauten, einzelnen Objektenwie den Gebetsnischen und Grabsteinen, so auch in der Dekoration.Mit den Bautypen werden auch die Bauweisen übernommen und dieBaumaterialien. Zunächst lokal, aber sogleich auch unter Über-tragung von einer Provinz zur anderen. Hierbei ergibt sich, daß ge-wisse Konstruktionsweisen, die vorher gewissermaßen nur in embryo-nalem Zustande Vorhanden waren, zum ausgebildeten Konstruktion -prinzip entwickelt werden. So etwa die Holzanker im Bogenbau;ein anderes Beispiel ist der Spitzbogen, welcher mit dem Islam zu-gleich sich über die halbe Welt verbreitet. Die Schultradition derBaukunst und anderer technischer Künste lebt fort. Aber die altenHandwerker können alle zunächst nur in ihrer provinziellen Übungarbeiten. Das Übertragen der Weisen von Provinz zu Provinz setzteine Übertragung der Arbeiter selbst voraus, und hierbei lernen diesezu ihrer angestammten noch die Schulübung ihres neuen Milieus hin-zu. Das Übertragen der Formenwelt eines Materials in ein andereshängt damit eng zusammen: so finden sich heimische Arbeiter mitimportiertem Materiale, importierte Arbeiter mit lokalem Materiale ab.Dies Verhältnis der Mischung der handwerklichen Lehre spiegelt sich sehrdeutlich in den Details, in der Dekoration: die Phantasie, die sich in derErfindung lauter neuer Kombinationen, in dem Prinzip der Variationäußert, das unmittelbare Nebeneinander von Formen provinziell ver-schiedener Abstammung, der Umstand, daß die antiken Ornamenta-tionselemente ihre alte Bedeutung einbüßen und zu neuen dekorativenWerten werden — alles dies setzt eine Arbeitermischung und eigen-artige Organisation der Arbeit voraus.

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6o Ernst Herzfeld,

Es sind also im wesentlichen w i r t s c h a f t l i c h e F a k -t o r e n , die die Umwandlung der Kunstformen bestimmen. Und dieDenkmäler lehren, daß es sich nicht um vereinzelte Erscheinungen,sondern um ein wirtschaftliches Prinzip, e i n e a l l g e m e i n e In-s t i t u t i o n handeln muß, welche bei allen öffentlichen Bauten,Städten, Moscheen und Schlössern in Wirkung tritt Die Gründungender zahlreichen Städte im ganzen Bereiche des Islam stellten enormeAnforderungen an die Ausführung. Mittel waren in Menge vorhanden,Kosten spielten keine Rolle. Aber Menschen gebrauchte man in un-geheurer Zahl und verlangte erstaunliche Schnelligkeit der Ausführung.Die Papyrusforschungen haben die Institution kennen gelehrt, kraftderen diese Anforderungen erfüllt werden konnten: es ist d a s L e i t -u r g i e w e s e n 1 ) . In größter Klarheit tritt es uns in Ägyptenentgegen. Es erstreckt sich nicht nur auf die Beistellung von Arbeitern,Beförderungsmitteln, Werkzeugen zum Bau von Straßen, Kanälen, aufNaturallieferungen aller Art, sondern auch auf Versorgung mit ge-schulten Beamten, auf Lieferung von Materialien für die öffentlichenBauten und andere Bedürfnisse des öffentlichen Lebens in verschiede-nen Ländern. Die Papyri zeigen, daß Ägypten — und das ist dochnur ein zufälliges Beispiel — zu den Umaiyadenbauten in Syrien bei-steuern mußte. Es werden da aus Aphrodite Geld, Material und Ar-beiter z. B. für die Moscheen von Jerusalem und Damaskus verlangt.Wir wissen jetzt also, daß diese und alle großen Bauten auf dem Wegeder Leiturgie erbaut wurden. Natürlich orientieren die Papyri geradeüber die ägyptischen Verhältnisse. Und wenn daraus auch die Tat-sache der Institution für das ganze Reich folgt, so ist es nicht ohneweiteres klar, in welchem Umfange sie auch in den östlichen Provinzengalt, und wie lange Zeit hindurch sie in gleicher Form bestand. Schonin Ägypten findet ein Übergang von der reinen Naturalleiturgie zurGeldsteuer statt. Aber immer wieder mahnen die Beamten in ihrenSchreiben, nicht die Ablösung in Geld, den Apargyrismos, sonderndie Menschen und Materialien selbst zu stellen.

Einige literarische Nachrichten scheinen mir zu zeigen, daß diesesL e i t u r g i e w e s e n n o c h u n t e r d e n e r s t e n A b b a s i d e n

J) C. H, BECKER hat uns, neben H. J. B£LL, dieses Material erschlossen. Und schonwiederholt hat er auf die kunsthistorische Seite »dieser wichtigen Neuigkeiten, die nichtnur Einzelheiten aufklären, sondern die ganze Perspektive erweitern und korrigieren«,hingewiesen. Jeder Eingeweihte wird sofort merken, wie sehr ich im folgenden von ihmabhänge, wo ich ganze Sätze fast'wörüich zitiere, weil ich die Tatsachen nicht besser aus-sprechen kann. Vgl. seine »Grundlinien der wirtschaftlichen Entwicklung Ägyptens in denersten Jahrhunderten des Islam«, Klio, IX 2, 1908 und *Papyrusstudien<i, Z. /. Assyr. XXI1909, pag. 137 ss., besonders pag. 153/154. Auch sein ^Mshatiä^ Z. A. XIX1907, pag. 420 ss.

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bei der Gründung von Baghdäd und Sämarrä in W i r k u n g t r a t .So sagt al-Khaöb über die Gründung von Baghdäd1): »al-Man§ürschrieb an jede Stadt, zu schicken, wer irgend von Bauarbeiten etwasverstand, und er begann den Bau nicht eher, als bis er viele Tausendevon Handlangern und Handwerkern vollzählig beisammen hatte.«Al-Tabari ») nennt Syrien, Mosul, Persien (Djabal), Küfah, Wäsit undBa§rah als die Provinzen, aus denen man die Arbeiter verschrieb.Gewiß war dabei Ägypten nicht ausgeschlossen. Ya'qübi 3) spricht wieTabari und gibt die festgesetzte Zahl der Arbeiter auf Hunderttausendan. Die Bauleitung der Stadt lag in den Händen von vier Männern,unter ihnen dem Imäm Abu yamfah. Und bei der Gründungsgeschichtevon SSmarrä berichtet Ya'qübl ganz ähnlich 4): »al-Mu'tasim ver-schrieb, (kataba ff) Arbeiter und Maurer und Handwerker, wie Schmiedeund Zimmerleute und aller Gewerke; und den Import von Teakholzund allen .Bauhölzern und Palmstämmen aus Ba§rah und seiner Um-gebung, aus Baghdäd und dem ganzen Sawäd und aus Antäkiyah undsämtlichen Küstenplätzen Syriens; und den Import von Arbeitern inMarmor und Marmorpflaster, worauf in Lädhiqiyah und anderswoWerkstätten für Marmorarbeiten aufgetan wurden.« Auch hier mußdie Anzahl der Arbeiter eine ungeheure gewesen sein, wie aus den inunglaublich kurzer Zeit geschaffenen Bauten hervorgeht. Nicht anders,als etwas später im. Jahre 245 H. al-Mutawakkil im Laufe eines Jahresdie nördlich an Sämarrä angrenzende Stadt Dja'fariyah erbaute,deren Ruinen den Raum von etwa 17 qkm bedecken, und wo alleinam Kanalbau 12 ooo Arbeiter tätig waren 5). Das Zusammenbringensolcher Menschenmassen ist ohne die Leiturgien nicht recht begreif-lich, und anders als ein Leiturgienerlaß ist das „Verschreiben" desKhalifen wohl kaum aufzufassen. Wofür die Khalifen die Bevöl-kerung fast des ganzen Reiches in Anspruch nahmen, dafür benutztendie Gouverneure der Provinzen wie 'Amru, Ahmad ibn Tülön ihrenprovinziellen Machtbereich. Daneben aber verschrieben auch sie sichMeister und Materialien für besondere Zwecke aus fernen Provinzenund aus dem Auslande. So soll ein Aghlabide Ibrahim den Mimbarvon Sidi 'Uqbah in Qairawän in Baghdäd bestellt6) und dorther

*) G. SALMON, Liniroduction lofographiquc h Thistoire df Dagdadh etc., Paris 1904,Text pag. i t Übersetzung pag. 75.

*) ed. DE GOEJE III 276.3) ed. DE GOEJE 238.«) DE GOEJE 258, 11 $5.5) VgL für das tbige mein Sämarrä^ Berlin 1907.«) VgU SALADIX, La mosqule de Sidi Okba pag. 16: . Rov, nach einem Kiiäb

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auch einen Teil der Lüsterfliesen (tshfnt) des Mimbar und ebensoeinen Meister haben kommen lassen, der die übrigen -an Ort undStelle verfertigte und die Technik somit nach'Qairawän verpflanzte.Und 'Abd al-rabm5n L läßt im Jahre 168 H. byzantinische Mosai-zisten für seine Moschee nach Cordova kommen, die dort die Schuleder spanischen tmufassast gründenx).

So sehen wir, wie allerdings die R e l i g i o n und die R e g i e -r u n g , welche allein die Länder des Islam zu einer Einheit verbinden,zwei wesentliche Faktoren der Entstehung der islamischen Kunst sind,in ihrer Rolle als Besteller. $ Das Lei turgiewesen und sein Nach-leben ist der wirtschaftliche Faktor, der die Mischung, den Ausgleichzwischen den Provinzen besorgt, und im selben Sinne wirkend der un-mittelbare Import, nicht als vereinzelte, sondern als allgemeine Erschei-nungen. Die Organ i sa t i on der Arbei t gibt weiter den Schlüsselzum Verständnis der einzelnen Charakterzüge der frühislamischenKunst. Bei allen großen Bauten finden wir die Leitung verschiedenenPersönlichkeiten anvertraut. Die geschäftliche liegt immer in denHänden großer Würdenträger. Neben sie treten eine Anzahl tech-nischer Leiter, gewöhnlich Mauläs der Khalifen von nichtarabischerAbkunft. So wirkt beim Bau der Umaiyaden-Moschee von Damaskusein Perser als ausführender Baumeister 2). Beim Bau des yaram vonJerusalem ist der geschäftliche Leiter Abu Miqdam Ridjä' ibn. Härulal-Kindi, und ihm zur Seite stehen der jerusalemitische Maulä des'Abd al-malik, Yazid ibn Sallam und zwei seiner Söhne 3). So müssenwir uns die Organisation nach unten hin fortgesetzt vorstellen. Dieverschiedenen Handwerker arbeiten. gruppenweise, auch die impor-tierten, unter Aufsicht von bauführenden Beamten und mit billigeren,einheimischen Handlangern. Die beaufsichtigenden Organe konntenden fremden Arbeitern, wie etwa den byzantinischen Mosaizisten, nichtin die Einzelheiten des ihnen fremden Handwerkes hineinreden. Sobesitzen die Arbeiter gerade in ihrer Verpflanzung eine größere Frei-heit. Wer daheim* als Geselle nach der Vorschrift des Meisters ar-beitete, wird in der Fremde ein Meister und Lehrer seines Metiers.So erklärt sich aus der selbständigen Arbeit vieler die reiche Phantasie,·das Prinzip der Variation, im Gegensatz zur klassischen Einheitlich-keit und zu den schüchternen Anfängen der Variation in der spät-

al-iftikhär. Nur dies ist eine Quelle, deren <Richtigkeit geprüft werden müßte; alleanderen Nachrichten und Zitate sind unrichtig.

x) Nach iDRTsT, vgl. SALADIN, Manuel I 224 und MIGEON, Manuel II, 80.5) Vgl. C. H. BECKER, Z.'A. XXI pag. 154, Brit. Mus. Papyrus Nr. 1368, 1334.3) Vgl. DE VOGUÄ, Temple de förusalem.

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hellenistischen Kunst, so die Ausführung aus freier Hand, nur unterEinhaltung eines allgemeinen Gleichgewichtes. Dieses Gleichgewichtaber muß auf einer allgemeinen Direktive beruhen, in der sich derEinfluß der bauführenden Meister äußert. Ihr Eingreifen erklärt zu-gleich das Auftreten irakenischer Elemente in der Ornamentik derMosaiken von Jerusalem. Aus dem Geist der byzantinischen Mosaizistenkönnen diese nicht geschaffen sein, und doch können nur sie dieseausgeführt haben. So müssen, wie ein Perser in Damaskus, Irakenerbei dem £Iaram von Jerusalem tätig gewesen sein.

In der durch die Leiturgien bewirkten Mischung der Arbeiterlernen diese zu ihrer heimischen Lehre noch die Lehre ihrer fremdenGenossen hinzu. Daher das ursprüngliche Nebeneinander von Formenfremder Herkunft und der schnelle Ausgleich. Denn in den Hand-langern und Lehrlingen wächst ein neuer Stamm heran, in dessenAusbildung die Lehren vieler Herkunft zusammenfließen. Die nächsteGeneration pflanzt die fremden Kunstübungen im neuen Lande ein.Daher die Ausbildung gleicher Grundanschauungen bei allen provin-ziellen Verschiedenheiten. Kein neues Volk tritt an die Stelle desalten. Erst später vollzieht sich unmerklich auch ethnisch eine Ver-schiebung. So lösen sich in Ägypten die übergetretenen Maulä vonden noch Christen gebliebenen Kopten und vermischen sich mit denarabischen Einwanderern, die ursprünglich als Herren, Beamte undKrieger, gekommen, kunstlos und von nomadischem Blute, allmählichin tiefere soziale Schichten hinabsinken und bei den Unterworfenen indie Lehre gehen. Diese Entwicklung kommt im Laufe des drittenJahrhunderts zum Abschluß, und gleichzeitig sind die wesentlichenCharaktere der islamischen Kunst entwickelt.

Die nächsten drei Jahrhunderte führen diese Kunst auf ihrenhöchsten Gipfel hinauf. Und es erfolgt dabei ein weiterer Ausgleich.Aber es sind von nun an andere Faktoren, die diese Entwicklungfördern. Die politischen Trennungen und Zusammenhänge spielen dieRolle der wirtschaftlichen Faktoren. Das lehren die Werke der spätenFatimiden, des Nur al-din und Saladin. Das ist eine andere Frage.Aber als R e s u l t a t dieser Untersuchung dürfen wir festhalten: dasim Anfang formulierte Problem, wie die islamische Kunst entstand,löst sich durch das Verstehen der kulturellen und wirtschaftlichenVerhältnisse* Die islamische Kunst konnte und mußte von diesenallgemeinen Faktoren ihren Charakter erhalten. Und auch die Um-kehrung dieser Erkenntnis wird sich bestätigen: Kunstwerke, welchediesen Charakter tragen, müssen und können nur Werke der frühenislamischen Kunst sein.

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