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Albert Obholz Die germanischen Wurzeln der russischen Zaren Kaiserlautern - 2019

Die germanischen Wurzeln der russischen Zaren · Sloboda“, wo deutsche Kriegsgefangene und Fachkräfte aus dem russischen Nordwesten, Baltikum und aus deutschen Landen angesiedelt

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Page 1: Die germanischen Wurzeln der russischen Zaren · Sloboda“, wo deutsche Kriegsgefangene und Fachkräfte aus dem russischen Nordwesten, Baltikum und aus deutschen Landen angesiedelt

Albert Obholz

Die germanischen Wurzeln der russischen Zaren

Kaiserlautern - 2019

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Einleitung

Der Norden des heutigen Russland war im 9. Jahrhundert n. Chr. von slawischen, finnischen und

estnischen Stämmen besiedelt. Die Beziehungen zwischen germanischen und ostslawischen Völkern

dauern bereits über tausend Jahre an. Um 820 kamen von Südschweden her germanische Krieger

und Händler, die sich Waräger nannten. Unter diesen Warägern waren Rurik, Sineus und Truwor, die

als erste russische Großfürsten anerkannt wurden. Ihren Nachkommen waren Herrscher eigener

Fürstentümer, in denen sie lange Zeit selbstständig herrschten.

Mit Unterstützung der Goldenen Horde wurde bis 1328 die Rolle des Moskauer Fürstentums

gestärkt, das sich später in den heutigen Staat Russland entwickelte. Zum ersten russischen Zaren

wurde 1547 Iwan der Schreckliche aus Ruriks Dynastie gekrönt. Von 1613 bis 1918 herrschte in

Russland die Romanow-Dynastie. Diese Dynastie hatte womöglich deutsche Wurzeln.

Interessant ist hierbei, wie die Zaren in diesem Zeitraum die Verhältnisse der Deutschen in Russland

mitbestimmt haben.

Verschiedene russische Fürstentums Moskauer Großfürstentum

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Iwan IV. der Schreckliche (1530-1584) 1

Großfürst Iwan Wassiljewitsch hatte keinen Nachnamen und stammte aus der Dynastie des nordgermanischen Fürsten Rurik, der aus Südschweden nach Nowgorod kam. Iwan IV. wurde am 25.08.1530 in Kolomenskoje bei Moskau geboren. Als Iwan drei Jahre alt war, starb sein Vater. Schon in seiner Kindheit zeigte er sich als „unchristlicher, gräulicher, blutdurstiger und schrecklicher Tyrann“. Er warf kleine Tiere aus den Kremlstürmen, schlug seinen Untertanen mit der Knute ins Gesicht.

Am 16.01.1547 ließ sich Iwan IV. durch den Metropoliten von Moskau zum Zaren krönen. Im selben Jahr heiratete er Anastassija Sacharjina (? -1560), die Tochter des Bojaren Roman Jurjewitsch Sacharjin-Jurjew. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: Anna (1549-1550), Maria (1551-1552), Dimitrij (1552-1553) und Johann (1554-1581). Danach heirate er noch sieben Mal und bekam weitere Kinder.

Seine Macht war ohne Grenzen. Mithilfe des Kirchenordens „Opritschina“ führte er seine Repressalien durch; er ermordete seine Frauen, seinen Sohn und tausende seiner Untertanen.

Beim Anfang seiner Regierung hatte Iwan IV. gute Beziehungen zu Deutschen gehabt. Seine Leibärzte waren Deutsche. Er wurde von Arnolph, Elesius Bommel, Standisch, Johann, Richard Elmes und Robert Jakob betreut. 2

Unter Iwan IV. dienten viele Deutsche im Militärdienst als Legionären, denen der Zar Landgute verschenkte. In Moskau existierte ein Stadtteil namens „Nemezkaja Sloboda“, wo deutsche Kriegsgefangene und Fachkräfte aus dem russischen Nordwesten, Baltikum und aus deutschen Landen angesiedelt waren. Besonders benötigt wurden von Iwan IV. deutsche Waffenschmiede, Waffenschlosser und Mineure. Deutsche Kriegsbaumeister halfen 1550 mit Sprengkraft, die Festung Kasan zu erobern. Der Zar bediente sich hierbei deutscher Kriegsgefangener. 3

1 http://www.referate-max.de/biografien/iwan-der-schreckliche.htm

2 Albert Obholz. Medizinische Betreuung der deutschen Kolonisten in Russland. Novum Verlag 2016, S, 9

3 Ingeborg Fleischhauer. Die Deutschen im Zarenreich. Area Verlag. 1986, S. 23-24

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1558 begann der livländische Krieg gegen den Deutschen Orden und viele Bürger aus Narwa und Dorpat (heute Tartu) wurden damals zwangsweise ins Innere Russlands umgesiedelt.4

Danach ordnete Iwan IV. offenbar einen Pogrom in der deutschen Vorstadt „Nemezkaja Sloboda“ an. Die Garde des Zaren, die Agenten der „Opritschina“, plünderte deutsche Häuser und zerstörte die Kirche der Deutschen. Öffentliche deutsche Gottesdienste durften nicht mehr abgehalten werden. 5

Iwan IV starb am 18.03.1584 und wurde in der Kathedrale „Archangelski“ (Moskau) beigesetzt.

Seine Eltern waren Zar Wassilij III (1479-1533) und Elena Glinskaja (?-1538).

Romanow, Pjotr – Pjotr (Peter) I. (1672-1725) 6

Bild von Joseph Mecou (1771-1837)

Nach den Überlieferungen stammte die Sippe der Romanows von Gland Kamil Diwonowitsch aus Preußen oder Litauen ab, der am Ende 13. Jahrhundert nach Russland kam. 7

Großfürst Pjotr Alexejewitsch Romanow, wurde am 09.06. 1672 in Moskau geboren. Als er vier Jahre alt war, starb sein Vater. Ab 1682 wuchs Pjotr unter der Aufsicht seiner Mutter in den Moskauer Vorort Preobraschenskoje auf. Hier absolvierte er eine dürftige traditionelle Schulausbildung. In diesem Dorf entdeckte Pjotr seine Begeisterung für Kriegsspiele. Ein Lehrer aus Holland unterrichtete den jungen Pjotr in Mathematik, Festungsbau und Waffenkunde. Durch seinen väterlichen Ratgeber Patrick Gordon (1635-1699) wurde Pjotr in die „deutsche Vorstadt“ eingeführt.

4 Ebenda S. 25 5 Ebenda S. 25

6 Ingeborg Fleischhauer. Die Deutschen im Zarenreich. Area Verlag. 2005, S. 30-64

7 Л.А. Федорова. От Рюрика. Омск 1991, С. 90

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Nach dem Tod von Pjotrs Halbbruder Fjodor III. (1661-1682), der seinem Vater auf den Thron gefolgt war, ließ sich seine Halbschwester Sophia (1657-1704) mithilfe der Strelitzen 8 zur Zarin krönen. Sie übernahm in Vertretung der unmündigen Zarenbrüder die Regentschaft.

1689 gab Pjotr den Befehl nach Moskau, dass Strelitzenoberst Johann Zickler (?) sich mit zwei Regimentern zu seiner Bewachung herbeibegeben sollte, denn er hatte vor, Sophia von der Herrschaft abzulösen. Auch die in der deutschen Vorstadt angesiedelten ausländischen Militärs der regulären Truppen machten dem jungen Zaren ihre Aufwartung. Unter ihnen war Franz Jakob Lefort (1656-1699), der durch seine wiederholte und unter Gefahr bewiesene Treue das Vertrauen und die Freundschaft des Monarchen gewann. So konnte Pjotr sich am 12.09.1689 zum Herrscher ernennen.

Der junge Pjotr verbrachte viel Zeit in „Nemezkaja Sloboda“, wo er sich mit seinem Freund Franz Lefort zu Unterhaltungen traf. Ein besonderes Motiv, die deutsche Vorstadt zu besuchen, war sein langjähriges inniges Verhältnis zu Anna Margaretha Mons, der Tochter eines Goldwarenhändlers aus Deutschland.

Unter der Aufsicht von Lefort nahm die deutsche Vorstadt einen sprunghaften Wirtschaftsaufstieg. Hier wurde von A. Paulsen die erste Seidenmanufaktur in Russland entwickelt. Danach wurde erlaubt, auch Bier zu brauen und an Ausländer verkaufen.

In dieser Zeit kamen der Apotheker Johann Gottfried Gregori (?) und die Leibärzte des Zaren Daniel, Gutbier, Carbonari von Bisenegg, Zopoth, Kellermann und Blumentrost nach Russland. Beim Militär dienten schon damals 80 deutsche Obristen.

Die Kenntnis der deutschen Vorstadt, die Kontakte mit Deutschen und die lange Reise durch Mittel- und Westeuropa hatten einen großen Einfluss auf politische Entscheidungen des Zaren.

1700 wurde Russland in der Schlacht von Narwa von Schweden geschlagen. Dies zwang Pjotr I. zu einer Reorganisation der russischen Streitmacht. Aber er wollte nicht den langwierigen Weg der Ausbildung eigener Truppen beschreiten, sondern im Ausland für Russland anwerben. Am 16.04.1702 erschien das erste Berufungsmanifest des Zarenreichs, das die systematische Herbeiführung der notwendigen ausländischen Fachkräfte einleitete. Der Verfasser dieses Berufungsmanifests war der deutsch-livländische Adlige Johann Reinhold von Patkul (1660-1707). Das Manifest wurde in den deutschen Landen in Landessprache veröffentlicht und gab Impuls zu einer Einwanderungswelle.

Eine neue, intensive Anwerbungskampagne deutscher Gelehrter setzte mit der Idee der Gründung einer kaiserlichen Akademie der Wissenschaften ein. Gegen Ende der Zeit Pjotrs I. lebten in Sankt Petersburg ca. 70.000 Bewohner, meist Deutsche.

Imperator Pjotr I. war zwei Mal verheiratet. Die erste Gattin war Jewdokija Lopuchina (1689-1698). Aus der Ehe stammt Sohn Alexej (1690-1718), der von Baron Huyssen erzogen wurde.

1712 heiratete Pjotr I. seine Lebensgefährtin Martha Skawronskaja (1684-1727), die Tochter eines Bauern aus Jakobstadt (heute Jēkabpils, Lettland), die nach dem Tod Pjotr I. als Katharina I. die Herrschaft übernahm. Aus der Ehe mit Martha gingen 12 Kinder

8 Die Strelitzen wurden als erstes stehendes Heer im Moskauer Staat von Iwan IV. gegründet.

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hervor, von denen nur zwei Töchter am Leben blieben: Anna (1708-1728) und Elisabeth (1709-1762).

Eine besondere Stärkung der Deutschen in Russland war die Heiratspolitik, die der Zar von 1710 an betrieb. Für seine Nichten und Kinder wählte er ausschließlich dynastische Verbindungen mit deutschen Fürstenhäusern. Die beiden Töchter seines Halbbruders Ioann Alexejewitsch (1666-1696), Jekaterina (1691-1733) und Anna (1693-1740), vermählte Pjotr I. mit den Häusern Mecklenburg und Kurland. Jekaterina heirate 1716 den Herzog von Mecklenburg Karl Leopold (1678-1747) und Anna war mit Herzog Friedrich Wilhelm (?-1711) verheiratet.

Am 14.10.1712 wurde Pjotrs Sohn Alexej aus erster Ehe mit Prinzessin Charlotte Christine Sophie von Braunschweig-Wolfenbüttel (1694-1715) vermählt. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, darunter Peter II.

Die Tochter Anna Pjotrs I. wurde mit Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorp (1700-1739) vermählt. Ihr gemeinsamer Sohn Karl Peter Ulricht (1728-1762) wurde als russischer Zar Pjotr III. bekannt. Auch die Tochter Elisabeth (Kaiserin Elisaweta Petrowna) war einem Prinzen von Hessen-Homburg versprochen. Nach anderen Quellen war der Bräutigam Karl August von Schleswig-Holstein-Gottorp (1706-1727), protestantischer Fürstbischof von Lübeck. 9 Aber die Ehe wurde nicht geschlossen, weil der Bräutigam an Pocken starb.

Pjotr der Große starb am 08.02.1725 in Sankt Petersburg und wurde in der Peter- und Paul-Kathedrale beigesetzt.

Seine Eltern waren Zar Alexej Micheilowitsch Romanow (1629-1676) und Natalia Naryschkina (1651-

1694).

Romanow, Pjotr - Pjotr III. (1728-1762) 10

Bild von Lucas Conrad Pfandzelt (1716-1786)

9 https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_(Russland)

10 https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_III._(Russland)

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Zar Pjotr Fjodorowitsch Romanow (Karl Peter Ulrich von Holstein-Gottorp – Pjotr III.), wurde am 21.02.1728 in Kiel geboren. 1739 wurde er mit elf zum Waisenkind. Seine Tante, Kaiserin Elisabetha Petrowna (1709-1762), die keine eigenen Kinder hatte, ernannte Pjotr 1742 zum Thronfolger. 1745 wurde er mit Prinzessin Sophie Auguste von Anhalt-Zerbst-Dornburg (1729-1796), der künftigen Katharina II., vermählt. Aus der Ehe ging ein Sohn namens Paul (der spätere Kaiser Paul I.) hervor.

Als Kaiserin Elisabeth 1762 starb, bestieg Pjotr III. den Kaiserthron. Er wurde jedoch bereits nach sechs Monaten von seiner Gattin abgesetzt und am 17.07. 1762 in Ropscha ermordet.

Seine Eltern waren Herzog Karl Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorp (1700-1739) und Anna

Petrowna Romanowa (1708-1728).

Romanowa, Katharina Alexejewna – Katharina II. (1729-1796)

Gemälde von 1780

Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst wurde am 02.05.1729 in Stettin (heute Polen) geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie im Schloss von Stettin. Ab 1739 lebte sie im Schloss von Eutin (Schleswig-Holstein), wo sie ihrem zukünftigen Gatten (Karl Peter Ulrich von Holstein-Gottorp – Pjotr III.) erstmals begegnete. 1742 zog die Familie ins Schloss von Zerbst (Sachsen-Anhalt).

Die russische Kaiserin Elisaweta Petrowna begann 1743, eine Braut für Thronfolger Großfürst Pjotr Fjodorowitsch (später Pjotr III.) zu suchen. Der König von Preußen, Friedrich II. (1712-1786), riet seine Cousine zweiten Grades, Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst, an.

Im Januar 1744 begann Sophies Reise von Zerbst nach Russland über Berlin, wo sie Friedrich II. besuchte. Mit Ehrgeiz und Zielstrebigkeit erlernte Sophie schnell die russische Sprache und versuchte, sich am Hof zu integrieren. Sie konvertierte zum orthodoxen Glauben und wurde umbenannt in Katharina Alexjewna. Die Verlobung mit Großfürst Pjotr Fjodorowitsch (Pjotr III.) fand am 10.07.1744 statt; am 01.09.1745 die Hochzeit. Nach neunjähriger Ehe brachte Katharina 1754 ihren Sohn Paul (später Kaiser Paul I.) zur Welt.

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Mit Unterstützung einiger Garderegimenter unter der Leitung der Gebrüder Orlow setzte Katharina 1762 ihren Gatten Zar Pjotr III. ab und ließ ihn wahrscheinlich insgeheim ermorden. 1762 übernahm die deutsche Prinzessin den Kaiserthron in Russland. 11

Ihre vordringliche Aufgabe war, Russlands Wohlstand zu mehren. Zuerst fing Katharina mit landwirtschaftlichen Reformen an. Aber das unterbevölkerte Land hatte zu wenig Bauern, um die leeren Territorien zu erschließen. So rief Katharina Ausländer nach Russland und versprach ihnen vorteilhafte Bedingungen. 1764-1767 kamen mehr als 27.000 Einwanderer aus deutschsprachigen Ländern und ließen sich an der Wolga nieder.

Während Katharinas Regierungszeit wurden individuell verschiedene Fachkräfte (Ärzte, Wissenschaftler, Architekten, Maler, Bergingenieure, Porzellanmeister) und viele andere Spezialisten nach Russland eingeladen.

1775 fing Katharina mit dem Bau neuer Städte an; bis 1785 wurden es 216. Sie reformierte das Schulsystem in Russland: In jeder Bezirksstadt sollte nun eine Grundschule mit zwei Lehrern und in jeder Provinzhauptstadt eine höhere Schule mit sechs Lehrern eingerichtet werden. Katharina ließ ein Kloster in ein Internat (Smolny-Institut) für Adelstöchter umwandeln, in dem mehr als 400 Mädchen für einige Jahre erzogen wurden.

Das Gesundheitswesen betreffend startete sie einen Angriff auf die Pocken und ließ Impfstationen in Sankt Petersburg herrichten. 1763 gründete Katharina die erste medizinische Hochschule. Dann verfügte sie, dass jede Provinzhauptstadt ein Krankenhaus haben müsse, jeder Bezirk einen praktischen Arzt und einen Chirurgen mit einem Assistenten. Da es nicht genügend russische Ärzte gab, rief Katharina zahlreiche Deutsche ins Land. 1783 wurde ein Krankenhaus mit 60 Betten für Geschlechtskranke gegründet. Auch für Waisenkinder ließ Katharina ein großes Findelhaus in Moskau bauen.

In der Außenpolitik setzte sich Katharina das Ziel, Russlands Macht zu mehren. Sie annektierte Teile von Polen und nach dem russisch-türkischen Krieg 1774 annektierte Russland die Krim. 12

Im Privatleben verschaffte sich Kaiserin Katharina II. stets hilfreiche Beziehungen, die ihre Position stärkten. Sie starb am 17.11.1796 in Sankt Petersburg.

Ihre Eltern waren Fürst Christian August von Anhalt-Zerbst (1690-1747) und Johanna Elisabeth von Holstein-Gottorp (1712-1760).

11

https://de.wikipedia.org/wiki/Katharina_II. 12

Vincent Cronin. Katharina die Große. Im Buch „Menschen die die Welt bewegten“, Verlag „Das Beste“

Stuttgart-Zürich-Wien. 1994, S. 165-333.

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Romanow, Paul Retrowitsch – Paul-I. (1754-1801)13, 14

Bildnis von Stepan Schtschukin (1754-1828)

Paul Petrowitsch Romanow (Kaiser Paul I.) wurde am 01.10.1754 in Sankt Petersburg geboren. Es

existieren Vermutungen, wonach Paul nicht der leibliche Sohn von Peter III. war, aber es existieren

keine Beweise. Nach der Geburt wurde Paul von seiner Mutter getrennt und wuchs am Hof der

Kaiserin Elisabetha Petrowna auf. Als seine Mutter Katharina II. 1762 an die Macht kam, lebte Paul

mit seiner Familie auf Schloss Gattschina.

Nach Krönung und Übernahme der Regierung (05.04.1997) bemühte sich Paul I. um engere

Verbindungen zum Vatikan. Er wurde 1799 zum Großmeister des Malteserordens ernannt. Paul

gründete die deutsch-evangelische Fakultät an der Universität Dorpat (heute Tartu, Estland). Er ließ

die Jesuiten wieder nach Russland kommen und dort missionieren. Besonders willkommen waren die

Jesuiten in den katholischen Kolonien an der Wolga.

Mit Nachdruck nahm Paul I. sich der Fürsorge um die Ausländerkolonien in Russland an. Er wollte die

ausländischen Siedlungen als Muster zur Verbesserung der einheimischen Siedlungen nutzen. Paul I.

wollte jedoch zuerst den Zustand der Ausländerkolonien überprüfen.

Er schickte Karl Ludwig Hablitz (1752-1821) auf Reise in die Wolgakolonien. Das Resultat der

Überprüfung war die Wiederöffnung des Saratower Vormundschaftskontors. Die Kolonie Sarepta,

die von der Gemeinde Herrnhutern gegründet wurde, bekam das Privileg, Manufakturen und

Fabriken zu erbauen und Lehranstalten zu schaffen.

Die Überprüfung der deutschen Kolonien in der Umgebung von Sankt Petersburg brachte ein

ähnliches Resultat wie die der Wolgakolonien. Als Ergebnis der nördlichen Prüfungsreise trat am

20.06.1797 die neue Ordnung der Kolonien in Kraft.

Besonderen Nutzen versprachen sich die Kolonien der Mennoniten in Chortitza. Aber die

Überprüfung im Jahr 1797 brachte keine vorbildlichen Resultate hervor. Deswegen stellten die

Mennoniten die Einwanderung nach Russland ein. Zar Paul I. schickte Georg von Trappe (?) nach

13

https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_I._(Russland) 14

Ingeborg Fleischhauer. Die Deutschen im Zarenreich. Area Verlag. 1986, S. 120-133

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Danzig (Preußen), um Mennoniten anzuwerben. Durch Erlass vom 06.04.1800 bekamen die

Mennoniten 32 Desjatinen Land für jede männliche Seele und für die neu gewachsenen Familien

neue Siedlungsplätze in der Umgebung von Molotschansk im Gouvernement Taurien.

Noch eine Prüfungsreise durch die deutschen Kolonien der Gouvernements Woronesch

(Riebensdorf), Tschernigow (Rundewiese, Groß- und Kleinwerder) und durch die in südrussischem

Gebiet nahm Samuel Contenius (1748-1830) im Jahr 1797 vor. Für die neurussischen ausländischen

Siedler wurde 1800 das Vormundschaftskontor gestiftet.

Die Überprüfungen der deutschen Kolonien, die 1797 durchgeführt wurden, zeigten, dass die

Kolonien für ihre weitere Entwicklung Hilfsmaßnahmen benötigten.

Kaiser Paul I. war zweimal verheiratet. Seine erste Frau war Prinzessin Wilhelmine Luise von Hessen-

Darmstadt (1755-1776), mit orthodoxem Namen Natalja Alexejewna. Sie starb nach dreijähriger Ehe

im Kindbett. Die zweite Ehe mit Prinzessin Sophie Dorothea von Württemberg (1759-1828), mit

orthodoxem Namen Maria Fjodorowna, war hingegen kinderreich. Aus der Ehe gingen 10 Kinder

hervor, darunter vier Söhne. Zwei dieser Söhnen, Alexander und Nikolaus, wurden später Kaiser von

Russland. Alle Söhne und Tochter waren mit Deutschen verheiratet.

In der Nacht des 23.03.1801 fiel Paul I. einem Attentat von Verschwörern zum Opfer. Unter diesen

befanden sich auch zwei Deutsche: Graf Levin August von Bennigsen (1745-1816) und Peter Ludwig

Graf von der Pahlen (1745-1826).

Die Eltern von Paul I. waren Zar Peter III. (1728-1762) und Katharina II. (1729-1796).

Romanow, Alexander Pawlowitsch – Alexander I. (1777-1825)15, 16

Bildnis von Maler Stepan Tschschukin (1754-1828)

15 https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_I._(Russland) 16

Ingeborg Fleischhauer. Die Deutschen im Zarenreich. Area Verlag. 1986, S. 138-180

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Großfürst Alexander Pawlowitsch Romanow, der zukünftige Kaiser Alexander I., wurde am 23.12.1777 in Sankt Petersburg geboren. Er wurde vom Schweizer Frederic Cesar Lahrpe (1754-1838) und von Peter Simon Pallas aus Preußen (1741-1811) erzogen und ausgebildet.

Im Alter von 15 Jahren wurde Großfürst Alexander mit Prinzessin Louise Marie Auguste von Baden (1779-1826) vermählt. Ihr orthodoxer Name wurde Elisaweta Alexjewna. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor, die jedoch kurz nach ihrer Geburt starben.

Nach Ermordung seines Vaters Paul I. trat Alexander am 24.03.1801 seine Herrschaft an. Während seiner Regierungszeit war Kaiser Alexander I. sehr eng mit den Deutschen verbunden. Viele Deutsche dienten am Zarenhof, im russischen Herr (vor allem während des Krieges mit Napoleon), im Innen- sowie im Außerministerium.

Seine beiden ältesten Schwestern, Alexandra (1783-1801) und Anna (1795-1865), wurden mit dem österreichischen Erzherzog Joseph Anton Johann Baptist (1776-1847) und dem niederländischen König Wilhelm II. (Wilhelm Friedrich Georg Ludwig von Oranien-Nissau – 1792-1849) vermählt.

Die beiden jüngeren Schwestern Jelena (1784-1803) und Maria (1786-1859) waren mit Herzog Friedrich Ludwig zu Mecklenburg-Schwerin (1778-1819) und Carl Friedrich von Sachsen-Weimar (1783-1853) verheiratet.

Die jüngste Schwester, Jekaterina (1788-1819), wurde mit Herzog Peter Friedrich Georg von Oldenburg (1784-1812) vermählt.

Die Brüdern Alexanders I., Konstantin (1779-1831), Nikolaus (1796-1855) und Michail (1798-1849), waren alle mit deutschen Prinzessinnen verheiratet: Konstantin mit Juliane Henriette Ulrike von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1781-1860), Nikolaus mit Friederike Luise Charlotte Wilhelmine von Preußen (1781-1860) und Michail mit Friederike Charlotte Marie von Württemberg (1807-1873).

Im russischen Heer befand sich damals eine ansehnliche Zahl von Deutschen und Russlanddeutschen, auch unter den Offizieren und Generälen: General Levin von Bennigsen (1745-1826), General Friedrich Buxhöveden (1750-1811), Ludwig von der Schulenberg (1799-1880). In der ersten Phase des Krieges 1812 stand die russische Armee unter dem Oberbefehl von Michail Barclay de Tolly (1761-1818).Viele Deutsche kämpften in diesem Krieg für Russland (s.o.): Partisanenführer Alexander Figner (1783-1813), Friedrich von Schubert (1789-1865), Baron Georg Wrangell (1797-1870), Prinz Eugen von Württemberg (1788-1857), Baron Ferdinand Winzingerode (1770-1818) und andere. In den oberen Rängen der russischen antinapoleonischen Armee waren 69 Generäle, 96 Oberste, Kapitäne und 760 Offiziere deutschbaltischer Herkunft.

Im russischen Generalstab dienten Deutsche aus dem Baltikum und aus Deutschland selbst: Fabian Osten-Sacken (1752-1837), Alexander von Benckendorff (1781-1844), Konstantin von Benckendorff (1785-1828), Friedrich Berg (1763-1811), Paul Pahlen (1775-1834), Johann Rosen (1752/55-1817), Fromgold Sievers (1784-1862), Karl Budberg (1775-1829), Friedrich Korff (1774-1826), Karl Löwenstern (1770-1840), Otto Lieven (1798-1856), Gottlieb Manteuffel (1771-1813) und viele andere. In diesen Jahren wurde im russischen Herr sogar eine „deutsche Legion“ gebildet, zu der ca. 10.000 Volontäre gehörten. In dieser Legion dienten die deutschstämmigen Überläufer, Kriegsgefangenen, Emigranten und 271 Freiwilligen Kolonisten des Wolgagebiets.

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Nach dem Rückzug der napoleonischen Armee setzen sich hunderte von deutschen Soldaten ab und ließen sich in Russland nieder. Einige von ihnen wurden in die Kolonien an der Wolga aufgenommen.

Zar Alexander I. bemühte sich auch im zivilen Bereich um Verstärkung aus dem Ausland. Nach dem Edikt vom 20.02.1804 wurden deutsche Bauern und Handwerker aufgenommen und in Südrussland angesiedelt. In kurze Zeit entstanden im Schwarzmeerraum mehr als 100 katholische, lutherische und mennonitische Kolonien.

Im Herbst 1820 vertrieb Kaiser Alexander I. die Jesuiten jedoch wieder aus Russland, obgleich sie segensreich in den katholischen Kolonien an der Wolga und Schwarzmeergebietes gewirkt hatten. 17

Während einer Reise mit der Kaiserin wurde Alexander I. krank und verstarb am 01.12.1825 in Taganrog.

Die Eltern von Alexander I. waren Zar Paul I. (1754-1801) und Prinzessin Sophie Dorothea von Württemberg (1759-1828).

Romanow, Nikolai Pawlowitsch – Nikolaj I. (1796-1855)18, 19

Bildnis von Maler George Dawe (1781-1829)

Großfürst Nikolaj Pawlowitsch Romanow (Nikolaj I.), wurde am 06.07. 1796 in Zarskoe Selo (Sankt Petersburg) geboren. Seine Babysitterin war Charlotte Magrarete von Lieven, geborene von Gaugreben (1743-1828). Nikolajs Erzieher waren General Gustav Matthias von Lambsdorff (1745-1828), H. Storch (?) und Friedrich von Adelung (1768-1843).

17 Joseph Kessler. „Geschichte der Diözese Tyraspol“. 1930. Verlag von Rev. Georg Aberle, Dickinson N.Dakato

USA, S.21 18 https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_I._(Russland) 19

Ingeborg Fleischhauer. Die Deutschen im Zarenreich. Area Verlag. 1986, S. 181-240

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Nikolaj Pawlowitsch unternahm 1814/1815 eine große Reise durch mehrere Länder Europas.

1817 wurde er mit Prinzessin Friederike Luise Charlotte Wilhelmine von Preußen (1798-1860) vermählt, die in Alexandra Fjodorowna umbenannt wurde. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor, darunter vier Söhne und drei Töchter: Alexander (1818-1881), Maria (1819-1876), Olga (1822-1892), Alexandra (1825-1844), Konstantin (1827-1892), Nikolaj (1831-1891), Michael (1832-1909).

Alle Kinder wurden später mit Deutschen verheiratet: Alexander, der zukünftige Zar, war mit Maximiliane Wilhelmine Auguste Sophie Marie von Hessen (1824-1880) vermählt, Maria mit Maximilian Josèphe Eugène Auguste Napoléon de Beauharnais (1817-1852), Olga mit Karl Friedrich Alexander von Württemberg (1823-1891), Alexandra mit Friedrich Wilhelm Georg Adolf von Hessen (1820-1884), Konstantin mit Alexandra Friederike Henriette Pauline Marianne Elisabeth von Sachsen-Altenburg (1830-1911), Nikolaj mit Alexandra Friederike Wilhelmine von Oldenburg (1838-1900), Michael mit Prinzessin Cäcilie Auguste von Baden (1839-1891).

Die Verbindung Nikolajs I. mit dem preußischen Königshaus förderte den preußischen Lebensstil am russischen Hofe.

Als Nikolaj I. unerwartet auf den Zarenthron kam, drohten am 26.12.1812 Dekabristen, seine Herrschaft zu beenden. Mitglieder des russischen Adels hatten zwei Geheimbünde gegründet und versuchten, mit militärischer Unterstützung einen Aufstand zu organisieren. In beiden Bünden spielten deutschrussische und deutschbaltische Offiziere eine bedeutende Rolle.

Der Führer und Organisator des Südlichen Bundes war Paul Pestel (1792-1826) und im Nördliche Bund war Konrad Rylejew (1795-1826) als führende Persönlichkeit beteiligt. Unter den 112 Dekabristen befanden sich insgesamt 16 deutschstämmigen Personen.

Die deutsche Dominanz im Russland Nikolajs I. war sehr bemerkbar. Viele wichtige Staatsämter wurden von Untertanen deutscher Herkunft bekleidet, darunter Hans von Diebitsch (1785-1831), Alexander von Benckendorff (1781-1844), Georg Cancrin (1774-1845), Karl von Nesselrode (1780-1862) und andere.

Fast 57% der höheren und höchsten Positionen des Außenministeriums, 46% des Kriegsministeriums und 62% des Ministeriums für Post und Verkehr waren in den Händen deutscher Kräfte.

Mit der Stärkung der Deutschen bei Hofe, im Heer, in der Verwaltung und in den Ministerien nahm auch die Anzahl der Deutschen in den Städten zu, besonders in Sankt Petersburg und Moskau.

Nach der Niederschlagung des polnischen Aufstands 1830/1831 wurden zahlreiche Polen ins innere Russland, nach Sibirien und in den fernen Osten verbannt, wo sie neue katholische Gemeinden gründeten.

Wolgadeutschen und Schwarzmeerkolonisten waren sehr zufrieden mit der Regierung Nikolajs I. 1848 erlaubte der Zar den Kolonisten an der Wolga, ein Denkmal für Katharine II. in der Kolonie Katharinenstadt aufzustellen, das 1852 enthüllt wurde. In dieser Zeit bekamen die Kolonisten auch neuen Boden für die Gründung von Tochterkolonien an der Wolga. 1856 wurde für katholischen Kolonisten die Tyraspol-Diözese mit Bischofsitz in Saratow errichtet.

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1853 versuchte Nikolaj I., die Türkei zu erobern, wurde jedoch besiegt. Er starb am 02.03.1855 an einer Lungenentzündung.

Seine Eltern waren Zar Paul I. (1754-1801) und Prinzessin Sophie Dorothea von Württemberg (1759-1828).

Romanow, Alexander Nikolajewitsch – Alexander II. (1818-1881) 20, 21

Bildnis von Maler Ivan Tyurin (1824-1905)

Alexander Nikolajewitsch Romanow (Zar Alexander II.) wurde am 29.04.1818 in Moskau geboren.

Vom sechsten bis zum sechzehnten Lebensjahr wurde er von General Karl Mörder (1788-1834)

erzogen.

Seine gute Ausbildung erhielt der junge Alexander von zwei russischen Gelehrten: Michail Speranskij

(1772-1839) und dem Poeten Wassilij Shukowskij (1783-1852).

Auf einer Reise durch die Wolgakolonien im Sommer 1837 besuchte Großfürst Alexander einige

deutsche Kolonien an der Wieseseite der Wolga. Er wurde in Katharinenstadt im Haus von Kolonist

Johann Lippert (?) mit großen Ehren empfangen. Im Bericht an seinen Vater beschrieb er den

Wohlstand der Kolonisten im Wolgagebiet. Während seiner Reise durch Deutschland 1839 lernte

Zarewitsch Alexander seine spätere Frau, die Prinzessin Maximiliane Wilhelmine Auguste Sophie

Marie von Hessen-Darmstadt (1824-1880), kennen. Am 04.04. 1841 fand die Hochzeit statt. Aus der

Ehe gingen acht Kinder hervor, darunter sechs Söhne: Alexandra (1842-1849), Nikolaj (1843-1865),

Alexander (1845-1894), der zukünftige Zar Alexander III, Wladimir (1847-1909), Alexej (1850-1908),

Maria (1853-1920), Sergej (1857-1905) und Pawel (1860-1919).

Alle Kinder von Alexander II. waren mit ausländischen Gattinnen und Gatten verheiratet: Alexander

war mit Marie Sophie Frederike Dagmar, Prinzessin von Dänemark (1847-1928), vermählt, Wladimir

mit Marie Alexandrine Elisabeth Eleonore von Mecklenburg-Schwerin (1854-1920), Alexej mit

Alexandra Schukowskaja (1842-1899; Tochter von Poet Wassilij Schukowskij, der 1841 nach

Deutschland übersiedelte und bis seinem Tod dort lebte), Maria mit Prinz Alfred Herzog von

20

https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_II._(Russland) 21

Ingeborg Fleischhauer. Die Deutschen im Zarenreich. Area Verlag. 1986, S. 241-357

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Edinburgh (1844-1900), Sergej mit Elisabeth Alexandra Luise Alice von Hessen-Darmstadt und bei

Rhein (1864-1918), Pawel mit Alexandra von Griechenland und Dänemark (1870-1891).

1856 würde der Thronfolger Großfürst Alexander zum Zar gekrönt und bekam den Titel Alexander II.

In dieser Zeit war der deutsche Einfluss in Russland sehr bemerkbar. Am Zarenhof, in Ministerien,

Gouvernements und anderen Ämtern war der Anteil der deutschen Beamten sehr hoch. Allein unter

Gouverneuren und Vizegouverneuren waren damals 10 deutschstämmige Personen.

1861 begann in Russland die Bauernreform. Das Edikt über die Aufhebung der Leibeigenschaft

wurde am 19.02.1861 verkündet. Am 10.02.1864 wurden nach dem Vorbild preußischer

Selbstverwaltungsorgane die Landschaftseinrichtungen (Zemstvo) eingeleitet; die so genannte

Dezentralisierung. Die deutschen Kolonisten wurden dem russischen Bauernstand angeglichen und

verloren den Status „Kolonist“. Das Gesetz vom 01.01.1874 über die allgemeine Wehrpflicht

umfasste auch die Kolonisten. Nachdem Alexander II. zahlreiche Privilegien der Kolonisten

abschaffte, verließen viele von diesen Russland und wanderten in die USA und nach Südamerika aus.

Als 1871 das Deutsche Kaiserreich gegründet wurde, verschlechterte sich die Beziehung zwischen

Russland und Deutschland. Die allrussische Bewegung (Panslawismus) fordert von der Regierung

Maßnahmen, um den Einfluss der Deutschen in Russland zu stoppen. Es wurde eine breite

Kampagne gegen deutsche Grundbesitzer eingeleitet und ihnen weiterer Kauf russischen Bodens

verboten.

Alle Deutschen mussten von Russlands Westgrenze wegziehen. Russische „Nihilisten“ und

Intellektuellen forderten mehr Demokratie und bildeten teilweise terroristische Gruppen, von denen

eine ein Attentat auf Alexander II. organisierte. Am 13.03.1881 wurde Alexander II. in Sankt

Petersburg ermordet.

Seine Eltern waren Zar Nikolaj I. (1796-1855) und Friederike Luise Charlotte Wilhelmine von Preußen

(1798-1860).

Romanow, Alexander Alexandrowitsch – Alexander III. (1845-1894) 22, 23

Bildnis von Maler Andreas Schilder (1861-1919)

22

https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_III._(Russland) 23

Ingeborg Fleischhauer. Die Deutschen im Zarenreich. Area Verlag. 1986, S. 241-357

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Großfürst Alexander Romanow (Alexander III.) wurde am 10.03. 1845 in Sankt Petersburg geboren.

Er erhielt eine militärische Ausbildung und nahm Musik – sowie Kunstunterricht. Nach dem Tod

seines älteren Bruders Nikolaj 1865 wurde Alexander als neuer Thronfolger erzogen. Sein

Haupterzieher war Professor Konstantin Pobedonoszew (1827-1907).

Am 09.11.1866 wurde Alexander mit Marie Sophie Frederike Dagmar (1847-1928), Prinzessin von

Dänemark, vermählt. Sie erhielt den orthodoxen Namen Maria Fjodorowna.

Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, darunter vier Söhne: Nikolaj (1868-1918), der zukünftige Zar

Nikolaj II, Alexander (1869-1870), Georgi (1871-1899), Xenija (1865-1960), Michail (1878-1918) und

Olga (1882-1960). Nur zwei seiner Kinder, Nikolaj und Olga, waren mit Deutschen verheiratet: Nikolaj

mit Alix Viktoria Helene Luise Beatrix von Hessen und bei Rhein (1872-1918) und Olga mit Peter

Friedrich Georg von Schleswig-Holstein-Gottorf, Prinz von Oldenburg (1868-1924).

Als Offizier hatte Großfürst Alexander am Russisch-Osmanischen Krieg 1877-1878 teilgenommen.

1881 wurde Kaiser Alexander II. ermordet und sein Sohn Alexander wurde am 27.05.1883 zum Zar

Russlands gekrönt.

Die Beziehungen zwischen Deutschen und Russen in Russland verschlechterten sich in der

Regierungszeit Alexanders III. Er startete eine radikale Politik der Russifizierung der deutschen

Kolonisten, stoppte den Siedlungsbau und schöpfte ihr Grundeigentum ab. Die deutschstämmige

Bevölkerung war im Königreich Polen um 71,5 Prozent und in den westlichen Grenzgebieten

Russlands um 50 Prozent angewachsen. Allein in Wolhynien wurden 1889 30.000 reichsdeutsche

Siedler gezählt und ihre Zahl stieg bis zu 200.000. Die deutschen Bauern besaßen in Wolhynien bis

zu 700.000 Desjatinen Land. Gegen den deutschen Landbesitz in den Westgebieten und in

Südrussland richtete sich scharfe Kritik vonseiten der Regierung, der russischen Medien, von

Nationalisten und der orthodoxen Kirche. Am 14.03.1887 wurde der Ukas über die Begrenzung des

Grundbesitzes für Ausländer veröffentlicht. Die russische Presse rief zum nationalen Widerstand

gegen die deutsche „wirtschaftliche Okkupation“ Russlands auf.

Auf solche Weise entstand in der Regierungszeit Alexanders III. eine starke Gegenströmung gegen

den Einfluss von Deutschen in Russland.

Alexander III. starb am 01.11.1894an Nephritis im Liwadija-Palast auf der Krim.

Seine Eltern waren Zar Alexander II. (1818-1881) und Maximiliane Wilhelmine Auguste Sophie Marie

von Hessen-Darmstadt (1824-1880).

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Romanow, Nikolaj Alexandrowitsch – Nikolaj II. (1868-1918) 24, 25

Fotoporträt

Großfürst Nikolaj Alexandrowitsch Romanow (Nikolaj II.) wurde am 18.05. 1868 in Zarskoje Selo

geboren. Er wurde von Geburt an als Thronfolger erzogen. Mit 16 Jahren begann Nikolaus das

Studium der Rechtswissenschaften in St. Petersburg und erhielt eine militärische Ausbildung. Unter

seinen Erziehern waren zwei Deutsche, Nikolai Karl Paul von Bunge (1823-1895) und Heinrich Anton

Leer (1829-1904).

Am 8. April 1894 verlobte er sich in Coburg mit der deutschen Prinzessin Elisabeth Alexandra Luise

Alice von Hessen-Darmstadt und bei Rhein (1872-1918). Das Paar bekam fünf Kinder, darunter vier

Töchter: Olga (1895-1918), Tatjana (1897-1918), Maria (1899-1918), Anastasia (1901-1918) und

Alexej (1904-1918). Alle Kinder wurden 1918 von Bolschewiken ermordet.

Als Zar Alexander III. 1894 starb, wurde Nikolaus II. dessen Nachfolger. Von Anfang an führte er die

Politik seines Vaters weitgehend fort. Die Hauptministerien wurden noch immer von

Deutschstämmigen geführt: Innenminister war Wjatscheslaw von Plehwe (1850-191), Außenminister

war Wladimir Graf Lambsdorff (1845-190) und Finanzminister Sergej Graf Witte (1849-1915). Sie

waren zu politischen Reformen nicht bereit. Unruhen und Demonstrationen ließ der Zar mit Gewalt

beenden, die Opposition wurde durch die Geheimpolizei bespitzelt. Am 19.01. 1905 bewegte sich in

Sankt Petersburg eine Prozession von Arbeitern zum Winterpalast, die mit Geschützfeuer empfangen

wurden. Die Nachricht vom „Blutsonntag an der Newa“ verbreitete sich und provozierte einen

Aufstand.

Träger und Vorkämpfer des revolutionären Gedankens waren auch einige Russlanddeutsche: Peter

Schmidt (1867-1906), der den Aufstand auf dem Panzerkreuzers „Otschakow“ leitete; Tierarzt

Nikolaus Baumann (1873-1905) und Student Nikolaus Schmidt (1883-1907), die als Revolutionäre

erschossen worden.

Im Juni 1905 trug eine Deputation unter der Leitung von Peter Graf Heyden (1840-1907) dem Zaren

ihre Anliegen vor. Der Kaiser versicherte ihnen, eine Volksvertretung einzuberufen. 1905 wurde ein

24 https://www.zdf.de/geschichte/zarendynastieromanows-106.html 25

Ingeborg Fleischhauer. Die Deutschen im Zarenreich. Area Verlag. 1986, S. 358-439

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neuen Parlaments (Duma) gebildet. Unter den Mitgliedern der Duma waren auch deutsche

Kolonisten : Heinrich Schellhorn (1860-?) aus der Kolonie Seelmann und Jakob Dietz (1864-1917) aus

der Kolonie Kratzke.

Die Unruhen und Streiks in Russland nahmen jedoch trotzdem zu. Im Sommer 1914 verschlechterte

sich die ohnehin angespannte politische Stimmung in Europa: Beim Attentat von Sarajevo wurden

der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand (1863-1914)und seine Frau Sophie Chotek (1868-

1914) erschossen. Zar Nikolaj II. unterstützte Serbien, das von Österreich beschuldigt wurde. In

Europa begann der Erste Weltkrieg.

Nach dem Ausbruch des Krieges begann in Russland eine antideutsche Hysterie: Die Tätigkeit der

deutschen Gesellschaften und die deutsche Sprache in der Öffentlichkeit wurden verboten, die

deutsche Kolonien umbenannt, der Schulunterricht auf die russische Sprache umgestellt.

In Moskau ereignete sich in der Zeit vom 27. bis 29. Mai 1915 ein antideutsches Pogrom. In seinem

Verlauf wurden in der Stadt 732 einzelne Räumlichkeiten - Geschäfte, Lagerräume, Kontore,

Privatwohnungen - verwüstet.

Die deutschen Kolonisten waren an der Westfront von August 1914 bis August 1915 beteiligt, danach

wurden sie an die Türkische Front geschickt.

Anfang 1917 verschlechterte sich die Lage in Russland: Es kam Demonstrationen und Streiks; das Volk

litt Hunger. In Petrograd (St. Petersburg) brach die „Februarrevolution“ aus und Nikolaj II.

verkündigte seine Abdankung. Der gestürzte Zar und seine Familie wurden August 1917 nach Sibirien

verbannt. Die letzten Wochen ihres Lebens verbrachten die Romanows in Jekaterinburg. Hier wurde

die Familie in der Ipatjew-Villa festgehalten und am 17.07.1918 erschossen.

Die Eltern von Nikolaj II. waren Zar Alexander III. (1845-1894) und Marie Sophie Frederike Dagmar,

Prinzessin von Dänemark (1847-1928).

Der letzte Thronfolger Alexej Romanow war bei seinem Tod 14 Jahre alt.

Foto von 1909 26

26 Pamjatnaja knishka Samarskoi gubernii na 1909 god.