7
8 PHARMAZEUTISCHE WISSENSCHAFT „Gute Manieren beim Produzieren“ von Arzneimitteln Die vom Gesetzgeber geforderte Sicherheit von Arzneimitteln umfasst verschiedene Aspekte. So kann zwischen Abgabe-, Infor- mations- und Produktsicherheit unterschieden werden. Faktoren zur Gewährleistung der Abgabesicherheit sind beispielsweise Verschrei- bungs- und Apothekenpflicht von Arzneimitteln. Informationssicher- heit wird unter anderem durch Gebrauchs- und Fachinformationen erhöht, und die Produktsicherheit soll garantiert werden durch vor- geschriebene Zulassungsverfahren einerseits und eine adäquate Qualitätssicherung bei der Fertigung und anschließenden Prüfung sowie Freigabe der Arzneimittel andererseits. Die Qualitätssicherung beinhaltet dabei die Gesamtheit aller zu treffenden Maßnahmen, damit Arzneimittel die für den beabsichtigten Gebrauch erforderli- che Qualität aufweisen [1]. Derartige Grundsätze der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel (Good Manufacturing Practice - GMP) existieren von verschiedenen Organisationen, die in Fragen der Qualitätssicherung im Arzneimit- telbereich involviert sind. So gibt es seit 1967 den GMP-Leitfaden der Weltgesundheitsorganisation (WHO) [2], seit 1972 jenen der Pharmaceutical Inspection Convention (PIC) [3] und seit 1989 den EG-GMP-Leitfaden der EU-Kommission [4] mit seinen Annexen zu speziellen Themen. Die Unterschiede zwischen den drei GMP-Regel- werken sind heute relativ gering. Man kann feststellen, dass die Inhalte und Anforderungen des EG-GMP-Leitfadens sowohl im PIC- Dokument als auch im WHO-Leitfaden vollständig enthalten sind. Im PIC-Werk sind die Ausbildungsanforderungen geringfügig anders definiert als im EG-Leitfaden. Das WHO-Dokument ist etwas detail- lierter gefasst und beschreibt erweiterte Regelungen hinsichtlich Selbstinspektionen, Audits und pharmazeutischen Personals in Schlüsselstellungen [1]. Neben der offiziellen Bedeutung der Abkürzung GMP verwendet man manchmal die inoffizielle Auslegung als „Gute Manieren beim Pro- duzieren“, die den Sinn des Konzeptes recht gut charakterisiert, oder auch „Große Mengen Papier“ bzw. „Give me more paper“ als englischsprachige Entsprechung, um dadurch den immensen Doku- mentationsaufwand, den das GMP-Konzept mit sich bringt, zu beschreiben. Dr. Hagen Trommer, Hamburg Die Gute Herstellungspraxis bei der industriellen Fertigung von Arzneimitteln Grundbaustein für die Sicherung der pharmazeutischen Produktqualität Qualitätssichernde Maßnahmen erstrecken sich heutzutage über den gesamten Lebenszyklus von Arzneimitteln und die jeweiligen dabei ablaufenden Prozesse. Diverse Arzneimittelzwischenfälle, die teilweise auf mangelnder Beachtung qualitätssichernder Aspekte bei der Arzneimittelproduktion beruhten, führen seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zur Implementierung und ständigen Weiterentwicklung derartiger festgeschriebener Qualitätsgrundsätze, die bei der Herstellung von Arzneimitteln zu beachten sind. Die Grundphilosophie dieser Regelungen ist der Leitsatz, dass Qualität nicht durch Kontrollen gesichert werden kann, sondern vom ersten Herstellungsschritt des Arzneimittels an aktiv erzeugt werden muss. Prüfungen sind ebenfalls nötig, dienen aber dabei lediglich der Bestätigung, dass tatsächlich einwandfrei produziert wurde. Insbesondere werden durch diese Richtlinien die Anforderungen an Personal, Gebäude, Hygiene, Ausrüstung, Materialien, Herstellungsprozesse, Verpackung und Etikettierung definiert und entsprechende Kontrollsysteme festgelegt. Der folgende Beitrag erläutert wichtige Qualitätssicherungselemente bei der industriellen Herstellung von Arzneimitteln vor allem in den Lebenszyklen Entwicklung und Produktion von Therapeutika. Dabei wird besonders auf modernes Qualitätsmanagement, pharmazeutische Dokumentation, Validierung und Risikoanalyse eingegangen. Darüber hinaus werden PAT (Process Analytical Technology) und QbD (Quality by Design) als neuere Instrumentarien zur Fertigung sicherer Arzneimittel durch technisch beherrschte und dadurch repro- duzierbare Prozesse vorgestellt. Abbildung 1: Die Veränderung der Verfahren zur Sicherstellung der Qualität pharmazeutischer Produkte im Lauf der Zeit, verur- sacht durch den Wandel im Qualitätsverständnis.

Die Gute Herstellungspraxis bei der industriellen ... · 10 Validierung – wichtiges Konzept bei der Arzneimittelproduktion Im EG-GMP-Leitfaden wird Validierung definiert als die

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die Gute Herstellungspraxis bei der industriellen ... · 10 Validierung – wichtiges Konzept bei der Arzneimittelproduktion Im EG-GMP-Leitfaden wird Validierung definiert als die

8

PHARMAZEUTISCHE WISSENSCHAFT

„Gute Manieren beim Produzieren“ von ArzneimittelnDie vom Gesetzgeber geforderte Sicherheit von Arzneimittelnumfasst verschiedene Aspekte. So kann zwischen Abgabe-, Infor-mations- und Produktsicherheit unterschieden werden. Faktoren zurGewährleistung der Abgabesicherheit sind beispielsweise Verschrei-bungs- und Apothekenpflicht von Arzneimitteln. Informationssicher-heit wird unter anderem durch Gebrauchs- und Fachinformationenerhöht, und die Produktsicherheit soll garantiert werden durch vor-geschriebene Zulassungsverfahren einerseits und eine adäquateQualitätssicherung bei der Fertigung und anschließenden Prüfungsowie Freigabe der Arzneimittel andererseits. Die Qualitätssicherungbeinhaltet dabei die Gesamtheit aller zu treffenden Maßnahmen,damit Arzneimittel die für den beabsichtigten Gebrauch erforderli-che Qualität aufweisen [1].

Derartige Grundsätze der Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel(Good Manufacturing Practice - GMP) existieren von verschiedenenOrganisationen, die in Fragen der Qualitätssicherung im Arzneimit-telbereich involviert sind. So gibt es seit 1967 den GMP-Leitfadender Weltgesundheitsorganisation (WHO) [2], seit 1972 jenen derPharmaceutical Inspection Convention (PIC) [3] und seit 1989 denEG-GMP-Leitfaden der EU-Kommission [4] mit seinen Annexen zuspeziellen Themen. Die Unterschiede zwischen den drei GMP-Regel-werken sind heute relativ gering. Man kann feststellen, dass dieInhalte und Anforderungen des EG-GMP-Leitfadens sowohl im PIC-Dokument als auch im WHO-Leitfaden vollständig enthalten sind. ImPIC-Werk sind die Ausbildungsanforderungen geringfügig andersdefiniert als im EG-Leitfaden. Das WHO-Dokument ist etwas detail-lierter gefasst und beschreibt erweiterte Regelungen hinsichtlichSelbstinspektionen, Audits und pharmazeutischen Personals inSchlüsselstellungen [1].

Neben der offiziellen Bedeutung der Abkürzung GMP verwendet manmanchmal die inoffizielle Auslegung als „Gute Manieren beim Pro-duzieren“, die den Sinn des Konzeptes recht gut charakterisiert,oder auch „Große Mengen Papier“ bzw. „Give me more paper“ alsenglischsprachige Entsprechung, um dadurch den immensen Doku-mentationsaufwand, den das GMP-Konzept mit sich bringt, zubeschreiben.

Dr. Hagen Trommer, Hamburg

Die Gute Herstellungspraxis bei der industriellenFertigung von ArzneimittelnGrundbaustein für die Sicherung der pharmazeutischen Produktqualität

Qualitätssichernde Maßnahmen erstrecken sich heutzutage über den gesamten Lebenszyklus von Arzneimitteln und die

jeweiligen dabei ablaufenden Prozesse. Diverse Arzneimittelzwischenfälle, die teilweise auf mangelnder Beachtung

qualitätssichernder Aspekte bei der Arzneimittelproduktion beruhten, führen seit den 60er Jahren des vergangenen

Jahrhunderts zur Implementierung und ständigen Weiterentwicklung derartiger festgeschriebener Qualitätsgrundsätze,

die bei der Herstellung von Arzneimitteln zu beachten sind. Die Grundphilosophie dieser Regelungen ist der Leitsatz,

dass Qualität nicht durch Kontrollen gesichert werden kann, sondern vom ersten Herstellungsschritt des Arzneimittels

an aktiv erzeugt werden muss. Prüfungen sind ebenfalls nötig, dienen aber dabei lediglich der Bestätigung,

dass tatsächlich einwandfrei produziert wurde. Insbesondere werden durch diese Richtlinien die Anforderungen an

Personal, Gebäude, Hygiene, Ausrüstung, Materialien, Herstellungsprozesse, Verpackung und Etikettierung definiert und

entsprechende Kontrollsysteme festgelegt. Der folgende Beitrag erläutert wichtige Qualitätssicherungselemente

bei der industriellen Herstellung von Arzneimitteln vor allem in den Lebenszyklen Entwicklung und Produktion von

Therapeutika. Dabei wird besonders auf modernes Qualitätsmanagement, pharmazeutische Dokumentation, Validierung

und Risikoanalyse eingegangen. Darüber hinaus werden PAT (Process Analytical Technology) und QbD (Quality by

Design) als neuere Instrumentarien zur Fertigung sicherer Arzneimittel durch technisch beherrschte und dadurch repro-

duzierbare Prozesse vorgestellt.

Abbildung 1: Die Veränderung der Verfahren zur Sicherstellungder Qualität pharmazeutischer Produkte im Lauf der Zeit, verur-sacht durch den Wandel im Qualitätsverständnis.

Page 2: Die Gute Herstellungspraxis bei der industriellen ... · 10 Validierung – wichtiges Konzept bei der Arzneimittelproduktion Im EG-GMP-Leitfaden wird Validierung definiert als die

9

Zertifizierte Fortbildung

Um die in der Einleitung erwähnten Aktivitäten der Qualitätssiche-rung während des gesamten Lebenszyklus eines Arzneimittels abzu-decken, verwendet man häufig die Abkürzung GxP. Das x wird dabeials Platzhalter eingesetzt, der suggerieren soll, dass im konkretenFall nicht nur die Einhaltung der GMP-Forderungen während Entwick-lung, Produktion, Lagerung bzw. Vertrieb angesprochen wird, son-dern beispielsweise auch die „Gute Praxis“ bei der Laborarbeit bzw.bei klinischen Prüfungen in die Darstellung einbezogen ist (GLP -Good Laboratory Practice, GCP - Good Clinical Practice).

Qualitätsmanagement – Qualitätskontrolle auf höherem NiveauDas von dem lateinischen Wort qualitas (Beschaffenheit) abgeleite-te Substantiv Qualität wird im heutigen Sprachgebrauch als Syn-onym für Eigenschaft, Güte bzw. Wert verwendet und unterlag imLaufe der Zeit - bedingt durch erhöhte Verbraucheranforderungen,steigenden Konkurrenzdruck, gesetzliche Regelungen und den all-gemein stattfindenden Wertewandel der Gesellschaft - einem Bedeu-tungswandel von einer ursprünglich wertfreien Vokabel hin zu einemwertenden Wort [1]. Die Qualitäts-Leitlinie DIN ISO 8402 definiertQualität als „die Gesamtheit von Merkmalen (und Merkmalswerten)einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausge-setzte Erfordernisse zu erfüllen“ [5].

Die Änderung dieser Erfordernisse im Laufe der Zeit sowie derbeschriebene Wandel im Qualitätsverständnis zeigten sich auch inden Maßnahmen der Gewährleistung der Qualität (Abbildung 1). Sowird nicht mehr nur am Ende eines Prozesses die Erfüllung von Spe-zifikationen abgeprüft, sondern die Qualitätskontrolle ist zu einemgeplanten, gesteuerten, systematischen Prozess, einem Qualitäts-management geworden. Es erfolgte eine Entwicklung von der Pro-dukt- und Technikorientierung hin zur Prozessorientierung auch beider Fertigung von Arzneimitteln. Formal lief diese Entwicklung wiein der Abbildung dargestellt und zeitlich definiert in vier Stufen ab[1]. Stufe 1 war jene der Qualitätssicherung durch Kontrolle. Dabeiwurde die Qualität der produzierten Arzneimittel durch eine von derProduktion unabhängige Abteilung nach vorher erarbeiteten Mono-graphien im Sinne einer 100%-Kontrolle geprüft.

Die Entwicklung effizienterer Herstellverfahren führte schließlich zueinem höheren Ausstoß an Fertigware und damit auch zu einemerhöhten Prüfaufwand, der eine 100%-Kontrolle nicht mehr prakti-kabel sein ließ. Als Stufe 2 kann somit die Qualitätssicherung durchdie auf Prüfplänen basierende statistische Kontrolle genannt wer-den, bei der nunmehr lediglich Stichproben untersucht werden.Die Erkenntnis des Menschen als wesentliche Einflussgröße der Qua-litätssicherung und die Erarbeitung von Präventivmaßnahmen imSinne des GMP-Konzeptes lassen sich als Stufe 3 der Entwicklungdefinieren. Dabei ist festzustellen, dass damit – wie auch dieBezeichnung Qualitätsmanagement verdeutlichen soll – eine höhe-re Dimension der Qualitätssicherung erreicht worden ist. Gekenn-zeichnet ist diese Stufe – neben dem ständigen Entwickeln und Ver-bessern von Regeln und Prozessen, um die gestellten Anforderun-gen zu erfüllen – dadurch, dass die Verwaltung durch ein Qualitäts-managementsystem erfolgt mit dem Ziel des sinnvollen Zusammen-wirkens von Mitarbeitern, Technik und Organisation [1].

Das als Stufe 4 charakterisierte umfassende Qualitätskonzeptumfasst eine firmenübergreifende Unternehmensphilosophie, diedie Mitarbeit aller Beteiligten erfordert und neben der Qualität sehrviele weitere Aspekte einschließt, z.B. Sicherheit, Umweltschutz,Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Derartige Ansätze werden häufig alsTotales Qualitätsmanagement bezeichnet (Total Quality Manage-ment - TQM), um die Steigerung zur vorhergehenden Stufe zu unter-streichen. Qualität wird dabei als Systemziel betrachtet und solldurch durchgängige, fortwährende und alle Bereiche eines Unter-nehmens erfassende, aufzeichnende, sichtende, organisierende undkontrollierende Tätigkeiten dauerhaft garantiert werden [1].

Gute Dokumentation ist allesIn der pharmazeutischen Industrie müssen alle Vorgänge nachvoll-ziehbar sein und stets lückenlos dokumentiert werden. Es gilt deroftmals zitierte, fast schon sprichwörtlich gewordene Satz zur Not-wendigkeit der Dokumentation unter GMP-Bedingungen: „Was nichtdokumentiert ist, wird als nicht getan angesehen!“

Grundsätzlich lassen sich bei der Dokumentation in Qualitätsmana-gementsystemen definitionsgemäß zwei Arten unterscheiden. Es exi-stieren Qualitätsdokumente und Qualitätsaufzeichnungen. Quali-tätsdokumente sind Vorgabedokumente, die gewissermaßen dieSoll-Werte des Qualitätsmangementsystems darstellen. Im Gegen-satz dazu sind Qualitätsaufzeichnungen Nachweisdokumente, diefolgerichtig die entsprechenden Ist-Werte des Systems abbilden [1,6].

Abbildung 2 illustriert die drei Hierarchieebenen der Qualitätsdoku-mente in Qualitätsmanagementsystemen anhand der sogenanntenDokumentationspyramide. Die Basis dieser Pyramide und gleichzei-tig das zentrale Dokument ist das Qualitätsmanagementhandbuch.Es legt das System hinsichtlich Qualitätspolitik und Organisationfest und kann daher als eines der wichtigsten Dokumente im Unter-nehmen betrachtet werden. Das Handbuch schließt das organisato-rische Firmen-Know-How ein und ist für alle Bereiche und Abteilun-gen eines Unternehmens gültig [6].

Den Mittelbau der Pyramide stellen die anweisenden Festlegungendar. Diese können als Ausführungsunterlagen des Management-systems betrachtet werden, die in Form von Verfahrensanweisungenbzw. SOPs (Standard Operation Procedures), aber auch Prozessbe-schreibungen und Schnittstellenvereinbarungen zur Verfügung ste-hen und das Ziel haben, dass jede Arbeitskraft aufgrund der schrift-lichen Darstellung, wie bestimmte Tätigkeiten auszuführen sind, dasgleiche gute Ergebnis erzielt. Die Gültigkeit dieser Dokumenteerstreckt sich auf die betroffenen Bereiche und Abteilungen bzw. dieverantwortlichen Personen.

Die Spitze der Pyramide bezieht schließlich noch spezifische Aus-führungsunterlagen ein, die detailliertere Festlegungen beinhalten.Dies können Stellenbeschreibungen bzw. Anforderungsprofile,Arbeitsanweisungen und Arbeitshilfen sein. Beispiele für Dokumen-te dieser Hierarchieebene sind spezielle Beschreibungen zur Her-stellung eines bestimmten Produktes, der Reinigung eines bestimm-

Abbildung 2: Die Hierarchieebenen der Qualitätsdokumente, dar-gestellt als Dokumentationspyramide sowie deren Schnittstelle zuden Qualitätsaufzeichnungen.

Page 3: Die Gute Herstellungspraxis bei der industriellen ... · 10 Validierung – wichtiges Konzept bei der Arzneimittelproduktion Im EG-GMP-Leitfaden wird Validierung definiert als die

10

Validierung – wichtiges Konzept bei der ArzneimittelproduktionIm EG-GMP-Leitfaden wird Validierung definiert als die Beweisfüh-rung in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Guten Herstel-lungspraxis, dass Verfahren, Prozesse, Ausrüstungsgegenstände,Materialien, Arbeitsgänge oder Systeme tatsächlich zu den erwarte-ten Ergebnissen führen.

Eine eingängigere und prägnantere Definition des Begriffs Validie-rung gab E.M. Fry von der amerikanischen Zulassungsbehörde Foodand Drug Administration (FDA) 1982 auf dem 1. Validierungsseminarder PIC. Für Fry bedeutet Validierung nichts anderes als die Erbrin-gung des Beweises, dass ein Verfahren funktioniert, er definiertedaher kurz und unmissverständlich: „To prove that a process worksis, in a nutshell, what we mean by the verb to validate“ [7].

In die pharmazeutische Welt hielt das Konzept der Validierung gegenEnde der 1970er Jahre Einzug [7]. Dort wurde es zunächst bei derSterilfertigung von Arzneimitteln zur Herstellung von Parenteraliaeingeführt und im Anschluss auch für alle übrigen Arzneiformengefordert [8]. Seit ca. 1980 wird Validierung ein Thema für verschie-dene pharmazeutische Organisationen. Es erscheinen Papiere, dieden Umfang der nötigen Validierungsaktivitäten definieren undsomit den Umgang mit dem Konzept und seine Einführung in diePharmafertigung erleichtern sollen. Die 1912 gegründete Internatio-nal Pharmaceutical Federation (FIP) [9] eröffnete diese Phase im Jahr1980 mit ihren „Richtlinien für die gute Validierungspraxis“ [10, 11].Die FDA veröffentlichte verschiedene Richtlinien zum neuen Konzeptin der Pharmaindustrie, darunter die bedeutende „Guideline ongeneral principles of process validation“ von 1987, die grundlegen-de FDA-Anforderungen an die Prozessvalidierung festschreibt [12]und die seit November 2008 in der überarbeiteten Draft-Version„Process validation: General Principles and Practices“ vorliegt, beider die neueren Entwicklungen im Qualitätsmanagement bei der Arz-neimittelfertigung berücksichtigt wurden [13].

Abbildung 3 zeigt die Anwendung des sogenannten Lebenszyklus-Modells auf Prozesse. Es ist erkennbar, dass die Validierung einwichtiger, fester Baustein dieses Lebenszyklus ist, der nach der Ent-wicklung und Installation eines Fertigungsverfahrens steht und sei-ner Anwendung im Routinebetrieb vorausgeht. In der Anwendungs-phase wird durch In-Prozess-Kontrollen (IPK) und Trendanalysenstets abgeprüft, ob der validierte Zustand noch gegeben ist. Pro-zessanpassungen und Prozessänderungen zum Beispiel zur weite-ren Optimierung gehören ebenfalls zum Lebenszyklus eines Ferti-gungsprozesses, und die Still-Legung des Verfahrens beendet die-sen schließlich [7].

Validierung kann damit als prozessbezogener Ausdruck sowohl die-ses neuen Qualitätsverständnisses als auch des oft zitierten GMP-Kernsatzes „Qualität darf nicht in Produkte hineingeprüft werden,sondern muss produziert werden“ verstanden werden. Damit wurdeeine Trendwende in der Pharmafertigung eingeleitet. Es wurde derFertigungsprozess in den Mittelpunkt gestellt und hier Qualitätssi-cherung und -beeinflussung bereits während des Herstellverfahrensgefordert [7, 14, 15].

Validierung kann als übergeordneter Begriff betrachtet werden undfasst bei dieser Sichtweise alle Aktivitäten zusammen, die den Nach-weis der Eignung qualitätsrelevanter Objekte erbringen (Abbildung4). Dies können sowohl Prozesse (Prozessvalidierung), Methoden(Methodenvalidierung), Reinigungsverfahren (Reinigungsvalidie-rung), Geräte, Anlagen und Ausrüstungsgegenstände (Qualifizie-rung) oder Computer bzw. datenverarbeitende Systeme (Computer-validierung) sein [1, 7].

Auf die Grundsätze von Prozess- und Reinigungsvalidierung soll imFolgenden etwas genauer eingegangen werden.

PHARMAZEUTISCHE WISSENSCHAFT

ten Gerätes oder der Bedienung einer einzelnen Anlage, Prüfanwei-sungen, Checklisten oder sonstige Formulare oder Betriebsanleitun-gen zur Ausführung tätigkeitsspezifischer Aufgaben. Die Gültigkeitdieser Dokumente ist meist auf bestimmte Abteilungen des Unter-nehmens begrenzt.

Schließlich soll noch kurz das Problemfeld der Dokumentationslen-kung umrissen werden. Dies ist eine wesentliche Aufgabe der Qua-litätssicherung, und man versteht darunter sinngemäß und verein-facht, dass das richtige Dokument zur richtigen Zeit am richtigen Ortvon der richtigen Person gelesen und auch verstanden wird. DieGewährleistung dessen erfordert Prozesse, die die Erstellung,Genehmigung, Herausgabe, Verteilung, Änderung und Aufbewah-rung von Dokumenten exakt regeln und damit beispielsweise ver-hindern, dass ungültige Versionen vorhanden sind und verwendetwerden [1, 6].

Abbildung 2 illustriert weiterhin die Schnittstelle der Qualitätsdo-kumente zu den Qualitätsaufzeichnungen, die in der schematischenDarstellung durch den Blockpfeil gekennzeichnet ist. Zu den GMP-relevanten Qualitätsaufzeichnungen gehören eine Vielzahl betrieb-licher Dokumente, wie z.B. Chargendokumentationen, Prüfberichte,Gerätelogbücher, Abweichungsberichte, Schulungsdokumentatio-nen, Validierungsbefunde, Kalibrierprotokolle, Rohdaten u.v.a. Eshandelt sich dabei um Ergebnisdokumente, die nicht verändert wer-den dürfen und stets unterschrieben bzw. genehmigt werden soll-ten. Im Gegensatz dazu sind die Qualitätsdokumente sogenannte„Living Documents“, und es ist erforderlich, sie regelmäßig auf Aktu-alität und Eignung zu überprüfen und gegebenfalls zu aktualisierenund so dem neuesten Stand anzupassen [1, 6].

Abbildung 3: Das Lebenszyklus-Modell von Prozessen - modifiziert nach [7].

Abbildung 4: Die verschiedenen Arten der Validierung bei derArzneimittelherstellung.

Page 4: Die Gute Herstellungspraxis bei der industriellen ... · 10 Validierung – wichtiges Konzept bei der Arzneimittelproduktion Im EG-GMP-Leitfaden wird Validierung definiert als die

Prozessvalidierung – die Arzneimittelfertigung unter Kontrolle habenUnter Prozessvalidierung versteht man nach der Definition im Glos-sar des Annex 15 zum EG-GMP-Leitfaden den dokumentierten Nach-weis, dass ein Prozess, wenn er innerhalb vorher festgelegter Para-meter gefahren wird, effektiv und reproduzierbar ist und zu einemProdukt führt, das den ebenfalls vorher festgelegten Spezifikationenund Qualitätsmerkmalen entspricht [16].Prozessvalidierungen können prospektiv, begleitend (concurrent)oder auch retrospektiv durchgeführt werden [17].

Unter prospektiver Validierung versteht man jene Prozessvalidierungvor Markteinführung eines neuen Arzneimittels. Dabei wird es alszulässig angesehen, in einem definierten Prozess drei aufeinander-folgende Chargen unter vorher festgelegten Bedingungen und Para-metern zu erzeugen. Die Chargen sollten die gleiche Größe wie diegeplanten Chargen der Routineproduktion besitzen und selbstver-ständlich unter vollständiger Einhaltung der GMP-Anforderungenproduziert werden [18].

Die begleitende (concurrent) Validierung ist die Validierung einesProzesses zur Produktion eines Produktes, dass sich bereits imMarkt befindet. Die Entscheidung für diese Variante der Prozessva-lidierung muss gut begründet, diese Begründung selbstverständlichdokumentiert und schließlich von den Entscheidungsträgern geneh-migt werden [7].

Eine Sonderform der Prozessvalidierung stellt die retrospektive Artder Validierung dar. Sie darf nur bei etablierten und häufig genutz-ten Prozessen angewendet werden und stellt eine „Papiervalidie-rung“ dar, die sich auf eine bereits vorhandene Dokumentationbezieht. Hier reichen die drei bei der prospektiven Validierung alsgenügend erachteten Chargen nicht mehr aus. Es müssen 10 bis 30aufeinanderfolgende Chargen untersucht und in die Validierung ein-bezogen werden. Eine retrospektive Validierung verbietet sich, wennkurz vorher Änderungen in der Produktzusammensetzung oder imzur Produktion verwendeten Equipment erfolgt sind [7, 14, 15].

Reinigungsvalidierung – Nachweis der Effektivität der ReinigungsverfahrenSinn eines in der pharmazeutischen Fertigung zum Einsatz kom-menden Reinigungsverfahrens ist es, Anlagen nach der Fertigung zureinigen und dadurch zu gewährleisten, dass nicht mehr als einevorher festgelegte akzeptable Menge an Verunreinigung im Folge-

produkt erscheint. Dabei soll sowohl die Kontamination mit Vorpro-dukt vermieden werden als auch jene mit Tensiden und Keimen. Umdiesem Anspruch zu genügen und ihn in reproduzierbarer Weiseerfüllen zu können, ist auch bei Reinigungsverfahren eine Validie-rung nötig [19]. In Analogie zur Prozessvalidierung erfolgen auch hierdie Validierungsaktivitäten an drei Chargen nach vorausgegangenerRisikobewertung. In praxi wird eine Reinigungsvalidierung stets soablaufen, dass eine Aufteilung in verschiedene Produktgruppenerfolgt, bei denen jeweils Leitsubstanzen festgelegt werden, welcheschließlich die analytischen Zielsubstanzen darstellen. Dies solltendiejenigen Wirkstoffe mit der vergleichsweise höchsten Toxizitätbzw. der geringsten Affinität zum Reinigungsmedium sein. Verschie-dene Möglichkeiten gibt es bei der Art der Probenahme bzw. bei derFestlegung der Akzeptanzkriterien [6, 20, 21]. Die Probenahme kannals direkte Musternahme von Oberflächen erfolgen. Der Schwach-punkt dieses sogenannten Wisch- oder Swab-Tests dürfte jedoch dierichtige Auswahl des Probenahmeareals sein. Des Weiteren kanneine indirekte Musternahme von Oberflächen erfolgen. Nachteiledieses als Spül- oder Rinse-Test bezeichneten Probenahmeverfah-rens der Reinigungsvalidierung sind tote, nicht durchspülbare Win-kel des Systems oder hartnäckige Verkrustungen, die durch Spülennicht gelöst werden und somit nicht erfassbar sind.

Bei den Akzeptanzkriterien der Reinigungsvalidierung lassen sichwiederum drei Möglichkeiten unterscheiden, wobei das jeweilsstrengste Kriterium für das Reinigungsverfahren zugrunde gelegtwerden sollte [22].

Das sogenannte 10-ppm-Kriterium besagt, dass kein Produkt mehrals 10 ppm des Wirkstoffes des Vorproduktes enthalten darf. Dermaximal zulässige Rückstand (MZR) ist bei diesem Akzeptanzkrite-rium berechenbar durch:

MZR [mg] = 10 ppm * MF * F/O

Dabei bedeuten MF die Chargengröße des Folgeproduktes, F diebeprobte Fläche und O die gesamte produktberührende Fläche derProduktionsanlage.

Das sogenannte Dosis-Kriterium fordert, dass in einer Tagesdosiseines Arzneimittels maximal 0,1 % der therapeutischen Dosis desWirkstoffes des Vorproduktes enthalten sein dürfen. Der maximalzulässige Rückstand (MZR) entsprechend des Dosis-Kriteriumsberechnet sich dabei durch die Gleichung:

MZR [mg] = 1/1000 * DVMF/MDF * F/O

DV bezeichnet hierbei die kleinste Dosis des Wirkstoffs im Vorpro-dukt und MDF die maximale Tagesdosis an Darreichungsform des Folgeproduktes.

Schließlich gibt es noch das Kriterium der visuellen Sauberkeit(Visual clean), welches erfüllt ist, wenn keine sichtbaren Rückstän-de nach der Reinigung vorhanden sind. Das menschliche Auge istbefähigt, ca. 4 μg/cm2 eines weißen Pulvers auf metallischem Unter-grund zu erkennen [23]. Wie bereits beschrieben, sollte der jeweilsniedrigste Wert des MZR als Akzeptanzkriterium einer erfolgreichenReinigungsvalidierung zugrunde gelegt werden.

Die Risikoanalyse als Herzstück einer jeden ValidierungSystematische Risikoanalysen sollten die Fundamente einer jedenValidierung sein - gemäß dem Schlusssatz der Einleitung des Annex15: „Weiterhin sollte eine Risikobewertung vorgenommen werden,um Validierungsumfang und -tiefe bestimmen zu können.“ [16]. Zielder Risikoanalyse ist die Bestimmung und Charakterisierung der kri-tischen Parameter für die Funktionalität der Ausrüstung oder desProzesses, wobei unter kritischen Parametern solche verstandenwerden, deren geringfügige Änderungen signifikanten Einfluss aufdie Prozess-Sicherheit oder die Qualität des zu fertigenden Produk-tes haben [24]. 11

Zertifizierte Fortbildung

Abbildung 5: Die Fischgräten-Methode (Fishbone analysis) nachIshikawa mit den im Team zu bewertenden potentiellen Einfluss-faktoren auf die Produktqualität als Beispiel einer Variante zurRisikoanalyse - modifiziert nach [20].

Page 5: Die Gute Herstellungspraxis bei der industriellen ... · 10 Validierung – wichtiges Konzept bei der Arzneimittelproduktion Im EG-GMP-Leitfaden wird Validierung definiert als die

PHARMAZEUTISCHE WISSENSCHAFT

12

einem umfassenden Prozessverständnis und dem Risikomanage-ment zugeschrieben [25].

Process Analytical Technology (PAT) wird dabei als ein System fürdas Entwerfen, Analysieren und Kontrollieren der Routine-Herstel-lung vorgestellt, das sich durch ein rechtzeitiges Messen der Qua-lität und der Beurteilung von Produkteigenschaften anhand vongezielten In-Prozess-Kontrollen auszeichnet [26]. Damit soll eine Effi-zienzsteigerung durch detailliertes Prozessverständnis bereits ineiner frühen Entwicklungsphase unter Verwendung neuester Tech-nologien erreicht werden. Durch interne IPK mittels derartiger Tech-niken (z.B. mit sogenannten Online-NIR-spektroskopischen Gehalts-bestimmungen an Tablettenmaschinen resp. Blisterverpackungsma-schinen) wird sogar der Ersatz von Endkontrollen und eine damitverbundene sogenannte Echtzeit-Freigabe (Real time release) ohnedas herkömmliche Freigabe-Prozedere diskutiert [27]. Weiterhin sol-len durch verkürzte Prozesszeiten, geringeren Laboraufwand undviele weitere Vorteile von PAT natürlich diverse Kosten auf ver-schiedenen Ebenen eingespart werden.

Ebenfalls bereits in der Produktentwicklung setzt das Quality byDesign (QbD)-Konzept der FDA-Initiative an, das seinen Nieder-schlag in der Quality Systems Approach-Leitline gefunden hat [28].Schon frühzeitig bei der Entwicklung von neuen Arzneimitteln wirdkonsequent das umfassende Verständnis der damit verbundenenHerstell- und Kontrollprozesse gefordert und somit sowohl der qua-litative Rahmen für die spätere Routinefertigung und Optimierungals auch die Prozessparameter bereits in dieser Phase eng abge-steckt. Diese sich aus strukturierter Produkt- und Prozessentwick-lung und hohem Prozessverständnis und den festgelegten Prozess-kontrollmöglichkeiten ergebenden Prozessparameterfreiheitsgradewerden als Design Space bezeichnet. Darunter wird ein multidimen-sionaler Raum verstanden, der sich aus der Kombination und Inter-aktion verschiedener Einflussfaktoren und Prozessparameter ergibtund innerhalb dessen die Produktqualität nachgewiesenermaßenals gesichert gilt. Abbildung 6 illustriert diesen komplexenZusammenhang vereinfacht und zeigt einen aus zwei Prozessvaria-blen x und y gebildeten derartigen Design Space schematisch undfolgerichtig zweidimensional.

Die Darstellung macht weiterhin deutlich, dass es sich beim DesignSpace um eine Teilmenge des Knowledge Space, den Einstellungender Variablen, über die im Laufe der Produktentwicklung Kenntniserlangt wurde, handeln muss. Außerdem kann festgestellt werden,dass es sich beim Control Space bzw. Arbeitsbereich des Prozesseswiederum um einen Ausschnitt des möglichen Design Space handelt.Dadurch wird unter anderem auch der Begriff der Änderungen (Vari-ations, Changes) im pharmazeutischen Sinne neu definiert. Bewe-gungen innerhalb des multidimensionalen Design Space-Raumes(also Wechsel des Control Space innerhalb des Design Space) wer-den nämlich nicht mehr als Änderungen angesehen. In diesen Fäl-len wären somit keine regulatorischen Genehmigungen oder garneuerliche klinische Studien nötig. Dem Arzneimittelhersteller wer-den damit mehr Freiheitsgrade zur Prozessoptimierung auf Basiseines robusten Qualitätssystems und der im Vorfeld von ihm selbstgesteckten Grenzen eingeräumt [29].

Zusammenfassung und Ausblick Die Elemente der Guten Herstellungspraxis (GMP) bei der indu-striellen Fertigung von Arzneimitteln sind essentielle Bestandteilezur Gewährleistung der Produktsicherheit in pharmazeutischenUnternehmen. Sie erstrecken sich dabei in unterschiedlicher Aus-prägung über den gesamten Lebenszyklus eines Arzneimittels unddie jeweils ablaufenden Prozesse. Wie der Qualitätsbegriff selbstunterlagen auch die Maßnahmen der Qualitätssicherung im Laufeder Zeit Veränderungen. So sind heute moderne Qualitätsmanage-mentsysteme bzw. die noch umfassender konzipierten TQM-Syste-me auch in der pharmazeutischen Praxis anzutreffen.

Bei der Validierung im pharmazeutischen Bereich haben sich fünfMethoden der Risikoanalyse durchgesetzt - die Fehlermöglichkeits-und Einflussanalyse (FMEA - Failure Mode and Effect Analysis), dieFehlerbaumanalyse (FTA - Fault Tree Analysis), die Ishikawa-Metho-de, die HACCP-Methode (Hazard Analysis and Critical Control Points)und die sogenannte unabhängige Risikobetrachtung [7, 17, 20, 21].Die Ishikawa-Variante (auch Fischbone Analysis) soll exemplarischetwas näher betrachtet werden. Diese Art der Risikoanalyse basiertauf der graphischen Darstellung [20]. Dabei werden im Team allepotentiellen Einflussgrößen auf ein Problem als Haupt- und Neben-ursachen fischgrätenartig dargestellt, hinsichtlich ihres Einflussesauf Prozess-Sicherheit und Qualität bewertet, entsprechendeLösungsmöglichkeiten erarbeitet und diese schließlich realisiert(Abbildung 5). Das Anfang der 1950er Jahre vom japanischen Che-miker Kaoru Ishikawa entwickelte Ursache-Wirkungs-Diagramm istsomit ein einfaches, aber durchaus zielführendes Hilfsmittel zursystematischen Ermittlung von Problemursachen.

Neben der Ishikawa-Methode und drei weiteren Risikoanalyse-Tech-niken ist die Risikoanalyse ebenfalls im Sinne einer unabhängigenRisikobetrachtung (Entscheidung Risiko - ja oder nein) möglich undfür Standardprozesse auch behördlich akzeptiert, da davon auszu-gehen ist, dass die in die Risikobetrachtung involvierten Fachleutevor Ort den Prozess genau kennen und somit Risiken entsprechendabschätzen und bewerten können.

Schließlich existieren noch einige weitere Verfahren der Risikobe-wertung, die jedoch im pharmazeutischen Bereich lediglich eineuntergeordnete Rolle spielen.

Neuere Konzepte der Qualitätssicherung – von PAT bis Quality by DesignIm August 2002 startete die FDA eine neue strategische GMP-Initia-tive: „Pharmaceutical cGMPs for the 21st century - a risk basedapproach“ [25]. Unter cGMP (current GMP) versteht man die GMP-Regeln der FDA, die jährlich aktualisiert werden. Die Ziele dieserstrategischen Aktion waren unter anderem die weitere Verbesserungder Zulassungs- und Überwachungsprozesse bei Arzneimitteln, eineMinimierung der Gesundheitsrisiken für die US-Bevölkerung sowiedie Ermutigung der Pharmaindustrie zur kontinuierlichen Verbesse-rung bestehender und zur Anwendung neuer Herstellungstechnolo-gien sowie zum Beschleunigen von Arzneimittelinnovationen, kurzdie Modernisierung und Intensivierung der Aussagekraft der bis datovorhandenen pharmazeutischen Regelwerke. Große Bedeutung wird

Abbildung 6: Schematische zweidimensionale Darstellung desDesign Space anhand zweier Prozessvariablen x und y sowie Illu-stration der angrenzenden Gebiete Control Space und KnowledgeSpace.

Page 6: Die Gute Herstellungspraxis bei der industriellen ... · 10 Validierung – wichtiges Konzept bei der Arzneimittelproduktion Im EG-GMP-Leitfaden wird Validierung definiert als die

[17] Concept Heidelberg: GMP-/FDA-gerechte Validierung. Aulendorf,Editio Cantor Verlag, 2002[18] Berry IR, Nash RA (Eds): Pharmaceutical process validation. NewYork, Marcel Dekker, 2003[19] Dammann UP: Reinigungsvalidierung, in: Concept Heidelberg:GMP-/FDA-gerechte Validierung. Aulendorf, Editio Cantor Verlag,2002, pp 201-209[20] Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimittelnund Medizinprodukten: Deutscher Inspektionsleitfaden - Aidememoire, Inspektion von Qualifizierung und Validierung in pharma-zeutischer Herstellung und Qualitätskontrolle (07121103). Bonn,2001[21] Bläsing JP (Hrsg), Reuter K: Workbook - Validierung von Pro-zessen und Produkten. Ausgewählte Methoden und Verfahren. Ulm,TQU Verlag, 2005[22] McCormick PY, Cullen LF: Cleaning Validation, in: Berry IR, NashRA (Eds): Pharmaceutical process validation, New York, Marcel Dek-ker, 2003, pp 319-349 [23] Buscalferri F, Lorenzen S, Schmidt M, Schwarm HM, Anhalt E,Herzog R, Ziegler R Bestimmung der Sichtbarkeitsgrenzen von phar-mazeutischen Feststoffen auf Edelstahloberflächen. Pharm Ind2000;6:411-414[24] Altenschmidt W: Risikoanalyse - die Grundlage einer erfolgrei-chen Validierung. Pharm Ind 2002;5:488-498[25] Kirrstetter R: FDA im Aufbruch: GMP - Initiative zur Arzneimit-telsicherheit für das 21. Jahrhundert - Abschlussbericht und Konse-quenzen, in: Concept Heidelberg: FDA - An-forderungen an die cGMP- Compliance. Aulendorf, Editio Cantor Verlag, 2005, pp 11-20[26] FDA - Food and Drug Administration: Guidance for Industry. PAT- A Framework for Innovative Pharmaceutical Development, Manu-facturing, and Quality Assurance. http://www.fda.gov/downloads/Drugs/GuidanceComplianceRegulatoryInformation/Guidances/UCM070305.pdf, Rockville, Maryland, 2004[27] Prinz H Process Analytical Technology (PAT) als Bestandteil desQualitätsmanagement-systems. Pharm Ind 2007;2:23-28[28] FDA - Food and Drug Administration: Guidance for Industry. Qua-lity Systems Approach to Pharmaceutical cGMP Regulations.http://www.fda.gov/downloads/Drugs/GuidanceComplianceRegulato-ryInformation/Guidances/UCM070337.pdf, Rockville, Maryland, 2006[29] Bush L FDA lowers barriers to process improvement. PharmTechnol 2005;10:54-64

Ein Schlüsselelement der Qualitätssicherung ist neben der adäqua-ten Dokumentation sowie weiteren wichtigen qualitätssicherndenMaßnahmen vor allem das Konzept der Validierung. Es dient demNachweis der Eignung eines Designs resp. eines Verfahrens. Manunterscheidet dabei zwischen Methodenvalidierung, Qualifizierung,Prozessvalidierung, Reinigungsvalidierung und Computervalidie-rung.

Die Basis einer jeden Validierung ist eine nachvollziehbare Risikoa-nalyse, die nach verschiedenen wissenschaftlich fundierten Metho-den durchgeführt werden kann.

Neue risikoorientierte Ansätze und Konzepte der Qualitätssicherungund Prozesskontrolle sowie Strategien zu ihrer Implementierung sol-len das Prozessverständnis noch weiter vertiefen und gleichzeitigdie Effektivität und Innovation bei der Entwicklung, Herstellung undPrüfung von Arzneimitteln fördern. Beispiele dafür sind Process Ana-lytical Technology (PAT) und Quality by Design (QbD).

Literatur[1] Schneppe H, Müller RH: Qualitätsmanagement und Validierung inder pharmazeutischen Praxis. Aulendorf, Editio Cantor Verlag, 2003[2] WHO - World Health Organization: Good Manufacturing Practicesfor Pharmaceutical Products of the World Health Organization, in:Oeser WH, Sander A (Hrsg): Pharma-Betriebsverordnung. Stuttgart,Wiss. Verl.-Ges., 1993, C.3.7.[3] PIC - Pharmaceutical Inspection Convention: PIC Document 5/89.Leitfaden zur Guten Herstellungspraxis für Pharmazeutische Pro-dukte, in: Feiden K (Hrsg): Arzneimittelprüf-richtlinien, Stuttgart,Wiss. Verl.-Ges., 1991, 5.20.[4] Kommission der Europäischen Gemeinschaften - Generaldirektionfür Binnenmarkt und gewerbliche Wirtschaft (III/2244/97, Rev. 3-Januar 1989) EG-Leitfaden einer Guten Herstellungspraxis für Arz-neimittel. Pharm Ind 1990;7:853-869[5] DIN - Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg): DIN EN ISONorm 8402. Berlin, Beuth Verlag GmbH, 1995[6] Maas & Peither GMP Verlag: GMP Berater - Nachschlagewerk fürPharmaindustrie und Lieferanten. Schopfheim, GMP Verlag, 2005[7] Hiob M Qualifizierung und Validierung nach Annex 15 des EG-GMP-Leitfadens. Teil 1: Allgemeine Anmerkungen aus Inspektoren-sicht. Pharm Ind 2001;6:563-570[8] Akers MJ, Anderson NR: Sterilization validation of sterile pro-ducts: Fundamentals, in: Berry IR, Nash RA (Eds): Pharmaceuticalprocess validation. New York, Marcel Dekker, 2003, pp 25-87[9] http://www.fip.org[10] FIP - International Pharmaceutical Federation: Richtlinien für diegute Validierungspraxis. Pharm Ind 1980;10:982-984[11] Sucker H (Hrsg): Praxis der Validierung unter besonderer Berük-ksichtigung der FIP-Richtlinien für die gute Validierungspraxis. Stutt-gart, Wiss. Verl.-Ges., 1983[12] FDA - Food and Drug Administration, CDER/CBER/CVM: Guideli-ne on general principles of process validation. Rockville, Maryland,1987[13] FDA - Food and Drug Administration, CDER/CBER/CVM: Guidan-ce for Industry. Process Validation: General Principles and Practices(Draft Guidance). Rockville, Maryland, 2008[14] Pommeranz S, Hiob M Qualifizierung und Validierung nachAnnex 15 des EG-GMP-Leitfadens. Teil 2/I: Aktuelle Anforderungenaus dem EG-GMP-Leitfaden und Annex 15 unter Berücksichtigungvon PIC/S-1/99-2 und FDA-Regelungen. Pharm Ind 2001;7:683-690[15] Pommeranz S, Hiob M Qualifizierung und Validierung nachAnnex 15 des EG-GMP-Leitfadens. Teil 2/II: Aktuelle Anforderungenaus dem EG-GMP-Leitfaden und Annex 15 unter Berücksichtigungvon PIC/S-1/99-2 und FDA-Regelungen. Pharm Ind 2001;8:822-827[16] Working party on control of medicines and inspections: EUGuide to GMP - Annex 15 Validation and qualification, Final version.Brüssel, 2001

Der AutorDr. Hagen Trommerstudierte in Halle/Saale Pharmazie. Nach Appro-bation und Diplom wurde er dort 2002 zum Dr.rer. nat. promoviert. Von 1998 bis 2002 war er

wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für PharmazeutischeTechnologie und Biopharmazie der Martin-Luther-Universität mitForschungsschwerpunkt „Biomolekülschädigungen der Human-haut durch UV-induzierten oxidativen Stress“, zu dem zahlreicheVeröffentlichungen vorliegen. Von 2002 bis 2006 war Dr. Trommerbei Bayer Healthcare tätig. Seit 2007 ist er als Leiter Galenik undHerstellungsleiter für die Fertigung klinischer Prüfmuster in derEntwicklungsabteilung von Almirall Hermal beschäftigt. Der aus-gebildete Fachapotheker für Pharmazeutische Technologie, Phar-mazeutische Analytik sowie Arzneimittelinformation engagiert sichals Referent in der Fachapotheker-Weiterbildung und als Gastdo-zent in der universitären Pharmazeuten-Ausbildung.

Korrespondenz:Dr. Hagen Trommer,Doktorberg 36, 21029 HamburgE-mail: [email protected]

Zertifizierte Fortbildung

13

Page 7: Die Gute Herstellungspraxis bei der industriellen ... · 10 Validierung – wichtiges Konzept bei der Arzneimittelproduktion Im EG-GMP-Leitfaden wird Validierung definiert als die

1) Wie heißen die Qualitätsgrundsätze, die für die Fertigung von Arz-neimitteln gelten?A)� EPP-Gesetze (Excellent Pharmaceutical Production)B)� GMP-Regeln (Good Manufacturing Practice)C)� HQR-Leitlinien (Highest Quality Requirements)D)� ODSW-Empfehlungen (Overall Drug Safety Warranty)

2) Wie bezeichnet man das Niveau der Qualitätssicherung, das diehistorische Entwicklung der Qualitätskontrolle zu einem gesteuertenProzess kennzeichnet und dessen Verwaltung mit einem eigens dafürkreierten System erfolgt?A)� QualitätsmanagementB)� QualitätsgewährleistungC)� QualitätsvorschriftD)� Qualitätsanweisung

3) Welches sind die Hierarchieebenen der Qualitätsdokumente in Qualitätsmanagement-Dokumentationssystemen?A)� Handzettel, Aushänge, persönliche NotizenB)� Herstellungsprotokolle, Anruflisten, WareneingangsbuchC)� Qualitätsmanagementhandbuch, Verfahrensanweisungen,

spezifische VorschriftenD)� Rechnungen, Monatsbilanzen, Verfallsdatenerfassung

4) Was ist das Rückgrat einer jeden korrekt durchgeführten Validie-rung?A)� Ein erteilter ValidierungsbefehlB)� Eine systematische RisikoanalyseC)� Eine genehmigte ValidierungsanweisungD)� Ein dokumentierter Produktrückruf

5) Was ist der Sinn und Zweck der Validierung von Herstellprozessen?A)� Die Erfüllung von überzogenen BehördenforderungenB)� Die Möglichkeit zur Erstellung der entsprechenden

DokumentationC)� Der Nachweis der Abreinigbarkeit der Wirkstoffe von der

ProduktionsanlageD)� Der Beweis, dass die Fertigungsverfahren funktionieren und

durch den Hersteller kontrolliert werden

Fortbildungs-Fragebogen 11/2009 Faxnummer: 02 08 / 6 20 57 41Hier finden Sie die Fortbildungsfragen zum Hauptartikel. Bei Beantwortung und Faxantwort erhalten Sie einen Fortbildungspunkt auf demPostweg. Sie erhalten den Fortbildungspunkt für die Kategorie „Bearbeiten von Lektionen“ (rezertifiziert durch dieBundesapothekerkammer, Veranstaltungs-Nr.: BAK 2009/081). Es ist pro Aufgabe nur eine Antwort richtig. Die Lösungen werden Ihnenzusammen mit dem Fortbildungspunkt mitgeteilt. Bitte tragen Sie unbedingt Ihre Postanschrift und Ihre Telefon-Nummer (fürevtl. Rückfragen) in das Faxformblatt ein! Faxnummer: 02 08 / 6 20 57 41

Ja, ich möchte das Apotheken-Magazin regelmäßig erhalten!

Bitte ankreuzen

Lösen Sie – exklusiv für Abonnenten – den ABO-Fragebogen in dieserAusgabe und Sie erhalten einen zusätzlichen Fortbildungspunkt!

Ich abonniere das Apotheken-Magazin zum Jahresvorzugspreis von 25,– EUR (10 Ausgabeninkl. MwSt. und Versand, Inland). Das Abonnement gilt für ein Jahr und kann danach jeder-zeit gekündigt werden. Wichtig: Dieses Angebot gilt nur in der BundesrepublikDeutschland. Gebr. Storck GmbH & Co. Verlags-oHG · Duisburger Straße 375 (C-Gebäude)46049 Oberhausen · Telefon 02 08-8 48 02 24 · Fax 02 08-8 48 02 42 Apothekenstempel

BITTE UNBEDINGT IHRE POSTANSCHRIFTHIER EINTRAGEN!Berufsbezeichnung: � Apotheker/in � PTA

6) Wie bezeichnet man Validierungen von Ausrüstungsgegenständen,Anlagen und Geräten?A)� Als MaschinenabnahmenB)� Als QuantifizierungenC)� Als QualifizierungenD)� Als Reinigungsvalidierungen

7) Welche Möglichkeiten der Probenahme bei der Reinigungsvalidie-rung gibt es?A)� Wischverfahren (Swabbing) und Spülverfahren (Rinsing)B)� Nassverfahren (Wetting) und Trockenverfahren (Drying)C)� Heißverfahren (Heating) und Kaltverfahren (Freezing)D)� Umluftverfahren (Air circulation technique) und Abluftverfahren

(Air exhaustion technique)

8) Welche Akzeptanzkriterien können bei Reinigungsvalidierungenzugrunde gelegt werden?A)� 20-Promille-Kriterium, Kriterium der totalen Anlagensicherheit,

0815-KriteriumB)� Kriterium der minimalen Toxizität und Kriterium der absoluten

ReinheitC)� Kriterium der vernachlässigbaren Verunreinigung und

50/50-KriteriumD)� 10-ppm-Kriterium, Dosis-Kriterium, Kriterium der visuellen

Sauberkeit

9) Wie heißt eines der neueren Konzepte der Qualitätssicherung, dassich unter anderem durch gezielte und kontinuierliche In-Prozess-Kon-trollen (IPK) auszeichnet?A)� EIPC - Excessive In-Process ControllingB)� OQS - Overdone Quality SafeguardingC)� PAT - Process Analytical TechnologyD)� RPPM - Redundant Product Properties Measurements

10) Wie heißt der durch Variation von Prozessparametern und Prozess-einflussgrößen gebildete Raum, innerhalb dessen Grenzen die Pro-duktqualität nachgewiesenermaßen gesichert ist und wo die Verstel-lungen von Einflussgrößen demzufolge nicht als Prozessänderungenangesehen werden?A)� Inner SpaceB)� Outer SpaceC)� My SpaceD)� Design Space