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ARCHIV DER PHARMACIE, - -,- 22. hid, 13. Heft. A. Originalmittheilungen. Die Industrie der atherischen Oele in Grasse. Reiseerimierungcn aus der Provcnce. Von F. A. Fliickigor. Es ist ohne Zweifol cin erhebender Gedanke, einein grossen, inichtigen Ciilturrolke voll und ganz anzugehbren , sich - um mit der Vijlkerpsychologic ZII reden - mit der Volksseelc eins zii wis- sen iind sich dieses Rewusstseins in dcrjenigen Ungetrfibtheit zii erfreuen ! welclic in den grossen Mittelpunkten eines geschlossenen Volkslcbens ZIW Geltung kommt und die nationale Besonderheit ziim hijchsten Aiisdrucke bringt. Die Gcscliichte beruht ja wohl aiif der Anspriigung der Nationalitiiten und nian kann nicht dariiber klagen, dass dieser grosse Process im Erliischea begriffen sei, wenn auch das Eisenbahnzeitalter inanchem Gegensatze niehr iind mehr die SchLrfe zii nehmen beginnt. Diejenigen Gegenden, wclche im Gegenthcil durch ihre geogra- phische Lage als [Jcbergangsstufen von einer Cultiirform zur andern bczeichnet sind, diirfen aber in manchcr Binsiclit ein erhijhtes Inter- esse in Anspinch nehmen. Eine rcicherc Ausgestaltung des Lebens hrchdringt dort auch diejenigcn Volksschichten, deren Gesichtskreis sonst enger begrenzt bleiben wiirde. Wenn ein solches Grenzlantl mit landschaftliclier Schijnheit gesegnct ist , so ruht auch das lcib- liche Auge des vorurtheilslosen Bcschauers mit besonderem Wohl- gefallen aiif einem dcraitigen Hintegrunde eincr hedcutsamen Vcr- gangcnheit und fortschreitenden Gegenwart. Dieses doppelten Zaubers wird man innc in dem Landstriche. desscn Mitte dcr mbhtige Var in seinem untern Liufe durchstriimt: im Nordcn ron den Schneehiiuptern seines Quellgcbietes cingerahmt, siidwcts sich in das ligurische Neer verlierend, vcrbindct iind trennt das ligurisch -prorcnqalische Grcnzland heute no& wie im Alterthum die zwei grossen VollissGmme. Seit 1860 hat zwar der Var diesc Bedeutung eingehiisst, dmh niir durch die Tiicka dcr Diplomatie, Arch. d. I'hm. XU. llda. 13. Hioft 31

Die Industrie der ätherischen Oele in Grasse

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ARCHIV DER PHARMACIE, - -,-

22. h i d , 13. Heft.

A. Originalmittheilungen.

Die Industrie der atherischen Oele in Grasse. Reiseerimierungcn aus der Provcnce.

Von F. A. F l i i c k i g o r .

Es ist ohne Zweifol cin erhebender Gedanke, einein grossen, inichtigen Ciilturrolke voll und ganz anzugehbren , sich - um mit der Vijlkerpsychologic ZII reden - mit der Volksseelc eins zii wis- sen iind sich dieses Rewusstseins in dcrjenigen Ungetrfibtheit zii

erfreuen ! welclic in den grossen Mittelpunkten eines geschlossenen Volkslcbens ZIW Geltung kommt und die nationale Besonderheit ziim hijchsten Aiisdrucke bringt. Die Gcscliichte beruht ja wohl aiif der Anspriigung der Nationalitiiten und nian kann nicht dariiber klagen, dass dieser grosse Process im Erliischea begriffen sei, wenn auch das Eisenbahnzeitalter inanchem Gegensatze niehr iind mehr die SchLrfe zii nehmen beginnt.

Diejenigen Gegenden, wclche im Gegenthcil durch ihre geogra- phische Lage als [Jcbergangsstufen von einer Cultiirform zur andern bczeichnet sind, diirfen aber in manchcr Binsiclit ein erhijhtes Inter- esse in Anspinch nehmen. Eine rcicherc Ausgestaltung des Lebens hrchdringt dort auch diejenigcn Volksschichten, deren Gesichtskreis sonst enger begrenzt bleiben wiirde. Wenn ein solches Grenzlantl mit landschaftliclier Schijnheit gesegnct ist , so ruht auch das lcib- liche Auge des vorurtheilslosen Bcschauers mit besonderem Wohl- gefallen aiif einem dcraitigen Hintegrunde eincr hedcutsamen Vcr- gangcnheit und fortschreitenden Gegenwart.

Dieses doppelten Zaubers wird man innc in dem Landstriche. desscn Mitte dcr mbhtige Var in seinem untern Liufe durchstriimt: im Nordcn ron den Schneehiiuptern seines Quellgcbietes cingerahmt, siidwcts sich in das ligurische Neer verlierend, vcrbindct iind trennt das ligurisch -prorcnqalische Grcnzland heute no& wie im Alterthum die zwei grossen VollissGmme. Seit 1860 hat zwar der Var diesc Bedeutung eingehiisst, dmh niir durch die Tiicka dcr Diplomatie,

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welche ja hier im Laufe der Jahrhunderte wiederholt in gleicher Weise gewaltsam eingegriffen hat. Von Osten her kommend fiihlt man sich nach Ueberschreitung des Var, nicht schon an der hen- tigcn Grenze bei Mentone, in gallischem Lande und doch, wie v61- lig italienisch sclimiegen sich noch die alten Hauser und Burgen von Vcnce und Cagnes an die schan geformten Pelsriickcn. Bei Cnnnes offenbart sich alsdann die wesentliche Verschiedenlieit der Lnndschaft. Statt der kiihn aufstrebenden , zerrissenen und baiim- armen Berghaiige der Riviera, bci Nentone und Monaco, bleiben dic Pelsen hier mit sanftcren Gmrissen meist in erheblicher Entfcrnung von der Kiiste zuriick und zeigen sich von sehr zahlreichen, griissern und kleinern Wasserlaufen durchbrochen. Damit hangt die frischcrc Vegetation der manigfaltigen , rcizenden Umgebung von Cannes zii-

sammen , welchc machtig dazu beigetragen hat, aus dieser durch einc mittlere Wintertcmperatur von ungefihr 9 O C. bevorzugten Stadt seit 50 Jahren allmHhlich dic beliebteste Gcsundheitsstation der begiiter- ten Welt zu machcn. Dass dem wesentlich veriinderten Landschafts- bilde geologischc Verhaltnisse zu Grunde liegen , bedarf kaiim der Andcutung ; dcr zum grossen Theil granitische, auch triasische, leicht verwitternde Boden ron Canncs , verbunden mit gutcr Bewlsserung, erleichtert die bewundernswerthe Entfaltung der Gartenkunst weit mehr als das hartc , trockene Kalkgestein , welches ostwarts vorwie- gend die Riviera bei Xonaco, Xentone bis Genua und Spezia ein- rahmt.

Eine Eiseitbahnfahrt von 40 Minuten versetzt uns an dcn Fuss cler Bergo von Rocavignon; an dem weit gedehnten Abhangc leuch- tct die Stadt G r a s s e behaglich aus dem Dunkel der Olivenhaine hervor, genau denselbcn Anblick darbietend wie so viele echt ita- licnische Stiidte. Als Gtrasse einmal frei seine Geschicke be- stimmtc, zur Bliithezeit von Pisa und Genua, im XII. Jahrhundert, folgte die provenqalische Binnenstadt verwandtschaftlichen Gefiihlen und gowerblichen Interessen, indem sie sich erst mit der einen, spHter mit der andern jener Seemachte verbiindete. VollUnend klingt ja auch heute noch die siidliche Farbung der franzijsischen Woldlaute der Provenqalen, nicht allzu verschieden von den italie- nischen, obwohl jene politischen Beziehungen sehr rasch voriiber- gingen.

Die Bahn durchlauft von Cannes 20 Kilometer und endigt an dem i i l h i g c , nn \oclchcm sich , diirclischnittlicli 325 Meter ilber

F. A. Fliickigw, Industrie d. dtherischeii Oele in Grasso. 475

Meer, die Stadt Grasse mit ihren 13000 Insassen ausbreitet. In Betrcff der alten Stadt darf zwar von Ausdehnung kaum gcsproclien werden; ihre Gassen sind meistens sehr eng, sehr steil, wenig an- sprechend und selbst die Cathedrale vollkommen reizlos. Ungefiihr denselben Anblick m<ag wohl Grasse den Saracenen dargeboten haben, wclclie im X. Jahrliundert die Stadt verwiisteten oder im Jahre 1226 clcm Grafen von Provence, welchem sich die kleine Republik linter- warf. Aber an lieblichen Ausblicken auf das Meer, arif die frucht- bare Ebene, auf das htibsche Esterel - Gtebirge , dessen kecke Umrisse sich zwar in Cannes noch schoner ausnehmen, fehlt es nicht. Gross- xrtig sind die Aussichten von den Hohen uber Gimse, wo sich nod- warts die im Frfihjahr noch heschneiten Gipfel der ,,Basses Alpes" und ,, Alpes maritimes " zeigen. Die Anlagcn des ,, Cours ausser- halb der alten Stadt hahen unter dem Einflusse der gleichen mitt- lern Jahrestemperatur von 15 O bis 1 6 dieselben sfidlichen E'onnen aufzuweisen , wie die Garten roil Cannes und Nizza, allerdings in weit bescheidenerem Umfange. Denn Grasse, wenn auch sehr hiibsch gelegen , ist doch keineswegs von dem unvergleichlichen landschaft- lichen Zauber iimgehen, wie die Kiistensadte.

Der Weltruf von Grasse beruht auf den atherkchen Oelen dort wildwachsender und cultivirter Pflanzen. Von ersteren sind zu nen- nen 1) L a v a n d u l a Sp ica (mix (L. latifolia VILLARS), Aspic der Franzosen, welche sich sehr riel in der nahern und weitern Um- gebung von Grasse, schon iinmittelbar um die Stadt, findet. 2) Ja - r a n d u l a Vera DC. (L. officinalis CHAIX, L. angustifolia MUNCH) wikhst nicht sowohl mit der vorigen zusammen, als vielmehr bis hoch in die Bergregion; iiherhaupt ist 1,. Vera eine im Mittelmeer- gebiete vie1 weiter verbreitete Pflanze , welche sich auch leicht durch ganz Eiwopa cultiviren kist . Schon diese beiden Lavendel- arten besitzen derb holzige , ohne Zweifel recht lange ausdauerndc Stlimme; noch Elftiger sind diejenigen des Thymians. 3) T h y - mus v u l g a r i s L., ein wahrer Schmuck der Xittelmeerregion, wo er, in der Gegend von Grasse zwar weniger hoch in die Berge vor- dringcnd, in den lichten Gehalzen der letztern sowohl als an den schattenlosen Kiisten massenhaft zu finden ist. 4) Rosmar inus o f f i c ina l i s L., desscn bis 2 Meter hohe und oft mehrere Centimeter dicke, aufrechte, doch immer verbogene Stiimmo wohl die meisten andern Labiaten uberragen , jedenfalls von keiner europ%ischen Art dieser Familie erreicht wcrden. nei Mentone und Nizza ist es

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schwer zu sagen, ob Thymus vulgaris oder Rosmarinus haufiger wilchst, hei Grasse tritt der letztere offenbar zuriick, obwohl er ja hei weitem mehr in die Augen fillt als der niederliegende Thymus. IGcr und da wahlt sich C u s c u t a (Epithymum?) die Eosrnarinstiimm- clien ziim Wohnsitze.

Die Oele dieser vier Idk i t en hilden einen bedentenden Aus- fnhrposten der Industrie von Grasse. Als krHftige , ausdauernde Straucher bediirfen diesclben keiner Cultur , da die zur Destillation genominenen beblatterten und bliihenden Triebe sich immer wieder crsetzen , selbst wenn die Sammler in recht schonungsloser Weise verfahren. Die grossen Dcstillationsgeschiifte in Grasse schliessen mit dcn Gemeinden ihrer ganzen nlhern und entferntern Umgebung Vertriige ah, wodurch sie zur Ausbeutung grosser Landstrecken ormiichtigt werdcn. Der Betrieb selbst wird jedoch aiif Rcchnung der Hliiser in Grasse durch Landleute besorgt, welche ihre einfachen kiipfernen Blasen an Ort iind Stelle aufschlagen iind mir das Ilestil- lat nach der Stadt bringen. Vielc dicser wandernden Rlasen (,, Alam- bics voyageants ") sind allerdings Eigenthum der grossen Hhiser in Grasse. - Vermuthlich wird seit sehr langer Zeit in dieser Weise verfahren ; der in solchen Dingen gut unterrichtete Pariser Drogist PIERIW FOXET sagte z . B. 1694 in seiner ,,Histoire g6nBrale des Drogues" von Imandiila Spica: ,, elle est si commune dans le Langue- doc et en Provence. . . . qu'eUe ne coiite qu' 5 prendreL' und bezog aiis dicscn Landschaften die erwlhnten atherisclien Oele. Dass letztere auf die angedeiitete Art in billigster Wcisc zii gewinnen sind, liegt allerdings wohl auf der Hand, docli wiirde es sich sehr fragen , ob nicht durch geregelte Cultur und schonenden Betrieb ein grosser Fortschritt zii erzielen ware. Nach den Angaben, welche ich der Freimdlichkeit des IIerrn ROURE , Eigentliilmers einer der grijssten Manufactmen verdanke, diirften alljlhrlicli in Grasse folgende Xengen jener Oele algeliefert wcrden: von Ilavandula vera 80000 his 100 000 Kilog., von Thymus vulgaris 40 000 , von Lavandiila Spica 20000 bis 25000, von Rosmarin eben so viel; entsprechende imposante Vorrathe dieser Oele habe ich in den schijnen Kellwn des IIauses ROUI~E - BEILTRAX~ FIIA besichtigt. Was Grasse liefert, wird wohl nahezu den Bedarf der ganzen Welt decken, wenigstens 1st mir nur von Rosinarin bokannt , dass anch Dalmatien iingefkr 20000 Kg. seines lthcrischen Oelcs aiif den Markt zii bringen pflegt.'

1) Siehe meine Pliannacognosie 699.

F. A. Fluchiger, Iudustrie d. atherischon Ode in tirasse. 47 7

Man kann also den Provcnyalcn Reuht gcben, wenn sic cirifacii fort- fahren zu thun wie ihre Vater thaten, und sich damit zufricden ge- ben, dass ihnen die giitige Natur ohne ihr Zuthun jedes Jahr an dcn sonnigen Felshangen die Tausende von Kilogrammen dieser uncl anderer Wohlgeriiche kocht.

Das Thymian61 hat 1847 und 1853 zuerst zur Erforschung des Thymols Veranlassung geboten, doch wird letzteres nicht mehr aus ThymianGI gewonnen, seitdem grGssere Nachfragc dafiir besteht. Der Gehalt des Oeles an Thymol scheint bedeutend zu schwanhn; es w k o wiinschenswerth, dauber naheres zu wissen.

Von den Oelen, welche im Gegensatze zu den eben crwiihnten, in den Laboratorien der Fabriken von Qrasse regelmzssig destillirt werdcn, sind diejenigen der Citrus - Arten zu nennen , ganz vorziig- lich das Neroliol . Die Bltithen des Bigaradebaumes, C i t r u s v u l - g a r i s RISSO, ,welche davon hijchstens 1 pro Mille geben, werden zwar nicht dcs Oeles wegen der Destillation unterworfen, sondern um die Tausende von Hectolitern ,, Eau de flews d'0ranger 'I, Aqua florum Aurantii s. A q u a Naphae, ' zu gewinnen, auf welche Grasse stolz ist ; das Neroliijl ist ein allerdings sehr kostbares Nebenprodiict. Nach meinem Gewlhrsmanne stellt man dort jahrlich ungefihr 2000 Kg. dieses priichtigen Oeles dar, fiihrt jedoch weit mehr davon aus. Wer den Preis zahlt, erhdt reines Nerolial, aber die Parfii- meurc und Drogisten pflegen denselben in verschiedenstem Betrage herabzumindern. TJm daher diese Kunden zu befriedigen , setzt der Producent ,,Essence de petit p a i n " zu, wclche jedoch nicht nieiir aus ,,Petit grain " , d. h. unreifen Fruchtchen des Bigaradebaumes destillirt wird, sondern aus dessen Blattern; keine andere Art oder Form dos Genus Citrus ist auch sogar in den Blattern mit so fei- nem Aroma ausgestattet , wie der bitterfriichtige Pomeranzenbaum, ,,le Bigaxadier." Auch die gewohnlich nicht zur Dcstillation hcr- beigezogenen Bluthen des siissfriichtigcn Orangenbaumes (,, Oranger 'I)

geben nur ein minderwerthiges Oel. Ncben den Producten deb Bigaradier verschwinden die siissen Orsngen, welchc in Grassc cul- tivirt werden; Bcrgamotten, so wic die edeln Limonen kommen dort nicht vor. Wer sich der sehr verdienstlichen Bearbeitung einer zeitgemasen Nonographic der Agrumi oder Orangengewiichse

1) Siohe Pharrnacographia 1%.

478 P. A. Fliickigor, Indushio d. iithorischun 0010 in Grasse.

unterziehen wollte, diirfte sich dahcr licineswcgs auf die Provcnce und die genuesische Riviera bcschriinken.

Nicht minder gewaltigc Blechtonnen und gemauerte Cisternen der Manufactur des Herrn ROURE sind mit R o s e n w a s s e r gcfiillt oder waren im Angenblicke meines Besiiches vielmehr bcreit zur Aufnahmc des Productes dcr demngchst beginnenden Campagne, deren Htihenpunkt, wie auch bei den Nerolibliithen in den Monat Mai fallt, so dass es mir nicht rergijnnt war, die Tauscndc und Tausende ron Kilogrammcn von Rosen zu schcn, welche alsdann tagtiiglich in die Blascn wandern. Das bei dcr Destillation des Bo- senwassers in geringer Xcnge gesammcltc Roseniil ist an sich wohl gleich fein, wie das Oel der Rosen voin Balkan odcr aus Inclien, aber trotz nahezu gleicher geographischer Breite crzcugt die Rose in der I’rovence wcit mehr des werthloscn , festen Bestandthcilcs, wel- cher in dem allein riechenden fliissigen Antheile gcl6st ist. Auch lLier darf man fragen, ob nicht eine Vergnderung in dcr Zucht cler bei Grasse so massenhaft angebautcn Rcsen, vielleicht ohne Schwic- rigkeit , eine Verbesserung des Oclcs herbeizufiihrcn vcrmikhtc. Doch, das Rosenwasser findct seit Jahrhundertcn don besten Absatz, so dass Grasse es nicht nsthig hat, sich nach einem wcitern Fort- schritte umzuthun. Das bei dem jcteigcn Betriebe gewonnene Oel beliuft sich auf ungefihr 1 Kilog. ron je 12000 Kg. frischer Roscn- bliitter ; zur vollshdigen Bcfriedigung dcr Kundcn wird noch Oel vom Balkan herbeigezogen. Immerhin ware hier die Gclegcnhcit geboten , die nocli vollkommen unbekannte chcmische Bcschaffenheit desjenigen Oeles festzustellen , welches der Rose den Wohlgeruch verleiht.

Jn dcr I’arfiimerie erfreut sich , ,Beurre d ’ I r i s “ mit Recht grosser Beliebthcit. Tor manchen andern Wohlgeriichen zeichnet sich dieses Praparat bei licblicher 3filde durch grosse Haltbarkeit aus. Nit Htilfe des vollkommenstcn Dcstillationsvcrfahrcns lasst sich der Iriswurzel kaum 1 pro Mille dieses sogenannten Veilchenwurzel- camphers abgewinnen; das genannte Haus in Grasse 6tellt davon jiihrlich 4 bis 10 Kg. dar. Ebcn so vie1 dessclbcn wird viclleiclit in Leipzig und in London destillirt. Von Berrn R O ~ E mit einer gufcn Probe ,, Bcurre d’Iris “ beschenkt , hatte ich Gelegenheit, die-

1) Dio dariiber vorhandeno Literatur habo ich in der I’harniacognosic

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710 dor Hauptsache nach angefklirt.

F. A. Fl<ioliigcr, Iiidustrie d. iitherischcn Uclo iu Grassc. 479

selbe mit den Psiparaten a m den beiden andern Quellen zu ver- gleichen. Auch im Falle der Iris linndelt es sich urn ein seiner Xusammensetzung nach ganzlich unerforschtes Oel, welches in ver- schwindender Menge neben dem geruchlosen Hauptantheile (hier Jlyristinlure) vorhanden ist. ,, Beurre d'Iris " wird in Grasse mit 1500 bis 1800 Francs das Kilo berechnet ; merkwurdigerweise beziehen clie dortigen Fabrikanten das Rohmaterial aus Florenz und Verona, wlhrend es nicht dem entferntesten Zweifel unterliegen kann, dass Iris germanica und die andern Irisarten auf den Hugeln und Bergen der ,,Basse Provence" eben so gut gedeihen wie im toscanischen Gelande oder um Verona. Es liegt auch in diesem FaUe keine Nijthigung vor, die althergebrachte Gewohnheit aufzugeben ; sie geht indessen 80 weit, dass nicht einmal die in der Gegend schon reich- lich vorhandene Iris germanica verwerthet wird.

In den schben von mir besuchten Laboratorien in Grasse wer- den die gewaltigen Quantitaten der genannten Bliithen mit den voll- kommensten Destillationscinrichtungen bezwungen. Das oben erwahntc Haus steht in vortrefflichen Beziehungen zu den Eigenthiimeln des durch seine Zitherischen Oele und Parfiimerie -Producte htichst aus- gezeichneten Hauses scmrm~ 8: co. in Leipzig,B so dam die mbh- tigen Fortschritte der Leipziger Industrie auf diesem Gebiete auch in Grasse zur Verwerthung kamen. Dass man hier in der Technik nicht zuriickgeblieben ist, ergibt sich z. B. auch wohl aus der Vergleichung mit dem beziiglichen altern Berichte meines verewigten Freundes DANIEL HANBORP, welcher 1857 Grasse besucht hat.

Neben der grossartigen Destillation der Orangenbliithen und der Rosen werden wold gelegentlich bei Nachfrage auch noch einzelne andere aromatische Pflanzen verarbeitet, die jedoch nicht ins Gewiclit fallen. Was aber ferner vie1 Geld einbringt, ist die schwunghafte Pabrikation der , ,Pommades" und , ,Extrai ts" . Dieser umfang- reiche Geschlftszweig geht darauf aus , das iitheriscbe Oel solcher Bliithen nutzbar zu machen, welche nur sehr wenig davon enthalten. Diese sind 1) die bereits genannten B iga radeb lu then , deren Oel als Neroliijl schon erwahnt wurde, 2) ebenso die Rosen. h Gegen-

1) Siehe dariiber meine Pharrnacognosie 314. 2) Die liebenswiirdigo Aufnahme und Belehrung, welcho mir in Grasse

von Seiten des H e m ROURE zu Theil wurde, verdanke ich dcr Empfehlung meines verehrten Freundos, dos Borrn ii. FRITZSCHE van der Firrna SCIU.UL b co.

3) In Science Papers (1876) p. 150-1154,

480 F. A. Fluukiger. Industrie d. iitherischen Oelo in Crasso.

satze zu diesen beiden ist iitherisches Oel in den nachstehenden Bliithen nur so spiirlich vorhanden, dass eb: practisch gesprochen gar nicht durch Destillation zu gewinnen ist.

3) Cass i e ; so nennen die Franzosen die niedlichen gelben Blfithenkijpfchen der Acac ia F a r n e s i a n a WILLDENOW, eines Baum- chens, welches aus Westindien und Centralamerika zuerst in die Parnesischen Giirirten zu Rom gelangte. Der feine Geruch der Bluthen veranlasste ihre Einfuhrung in der Provence, welche wie es schcint, wenigstens zu industriellen Zwecken, nicht vor 1825 stattfand. Jetzt wird ,,CassieLL sehr sorgfSiltig und in grosser Menge angebaut in der ganzen Gegend zwischen Cannes und Grasse ; im Augenblickc meines Besuches, 8. April, war davon wenig zu sehen, weil das Baumchen niedrig gehalten wird und darnals bereits seine Bluthen nahezu vollstiindig abgegeben hatte. Die Pflanzungen sind haufig Eigenthum der Fabrikanten odcr anderer Gutsbesitzer und wcrden von Pachtern bearbeitet, welche zum Gutsherrn in dem hijchst ein- fachen , uralten Verhdtnisse dcr Halbpacht stehen. Dieses System erstreclit sich hier zu Lande auf die folgenden I'arfumericpflanzcn eben so gut wic auf die Oliven; dasselhe scheint doch wohl trotz der schwierigen Controlle seine grossen Vorziige zu haben. Es wurde mir (nicht von Seiten der Bauern !) riihmend hervorgehoben, dass die en te Voraussetzung eines solchen Pachtsystems, die zuver- l s s ige Ehrlichkeit der Revijlkerung , hier in dcr That vorhanden sci, die Gutsbesitzer daher trotz der ihnen auffallenden Steuern und Repaxaturen dsbei ihre Rechnung finden.

4) Jasmin . Die Pelder bei Gnsse sind allerdings mit Jasminum officinale L. bcpflanzt, welches vermuthlich im XVI. Jahrhundert aus Vorderasien oder Indien zunachst nach Italien gebracht wurde, aber zweckmassiger Weise pfropft man dartuf das mit ansehnlichercn und

Solchc Bluthen sind:

1) ,,hpporti.es en fiance veis l'annce 1825", OUIUOURT, llistoire des Drogues simplos In. (186'3) 396. - iucom - x k i ) i M ~ sowie DONASTBE beniuhtcn sich 1830 und 1831 (Journal de Pharniacio XVI, 571 und XVII, 419) uni dio chemische Erforschung der Bliithen der westindischon Acacia Farncsiana, doch ohne nennenswerthen Erfolg. In Ostindien samrnolt man das am Stamme dcrselben austretcndo Gummi; die Wurzelrinde sol1 sehr stark nach Knob- lauch riochen, enthdt also wohl eino Uylvorbinduug (vorgl. meine Pharma- ccutische Chomio, 1879, p. 65.)

Dass ubrigons Acacia Farnesiana auch in Ostindien einheimisch sei, wio z. 13. DYMOCY! Materia mcdica of Western lndia p. 230, anzuuehmon schoint, lialte ich fur uocrwiosen,

F. A. E’luLLigcr, ludustrie d. atherischen Oole in Grassc. 48 1

Iiriiftigcr duftenden Bluthcn ausgestattetc Jasminum grancliflorurn L., cine ebenfalls indische Art, die auch wohl schon vor der Zcit RILEEI)E’S,

in (lessen Hortus malabaricus, VI. tab. 52, sie abgebildet ist, nach Europa gekommen war. Jasminum grandiflorum, hier Jasmin d’Espagne genannt, bedarf aber selbst untar dem schiinen Himmel der Provence im Winter des Schutzes, den man ihm einfach durch Bedeckung der kleinen Straucher mit Erde gawahrt. Da es nur auf die Bliithen ankommt, so l i s t man namlich die Pflanze kaum iiber l/% Neter hoch wachsen und pflanzt sie dicht neben einander in regelmiissigea Reihen. Eben jetzt, Anfangs April, werden die Triebe zuriick- geschnittan, was einen erheblichen Aufwand von Arbeit erfordert. Die Bliithezeit f”allt in den August. Unter diesen Urntiinden d W wohl ein unternehmendcr Landwirth in Grasse Versuche anstallen mit dcm in Indicn von jehcr wcit hoher geschatzten Jasminum Sambac VAILL, desscn Wohlgeruch noch vie1 hiiftiger zu sein scheint als dcr der andaren Jasminum-Arten, wie vor 200 Jahren bereits m;hll”ims hervorhob. Eine Abbildung dcs Jasminum Sambac findct sich in Botanical Magazine. Band 43 (1816). No. 1785.

5) J o n (1 u i l le , Narcissus Jonquilla L., wahrscheinlich orientali- schen Ursprunges, trQt 2 bis 5 Busserst wohlricchende , gelbe Bliithen mit kurzem trichterfiirmigem Perigon und viermal langerer Ncben- krone. Die Benennung der Species (italienisch nicht gerade sehr wohllautend : Giunchiglia !) bezieht sich auf ihre beinahe cylindrischen, oberseits rinnigcn Blatter, welche an diejenigen der Juncus-Arten orinnern. In Grassa war die Bliithe der Jonquilla bereits voriibcr.

6) Rhshda, die auch in Mitteleuropa iiberall ah Gartenpflanze oder Topfgewkhs beliebte Reseda odorata L., welche mgeblich aus Aegypten stammen soll.

7) Tubitreuse, Polianthes tuberosa L., eine in Mexico ein- heimische Amaryllidacec aus der Abthcilung der Agaveen, dercn schiine weisse Uliithen Vcranlassung zur Benennung des Genus gcboten haben ( ~ L o ~ L ~ s , weiss odcr grau); scino einzige Art besitzt ein kurzes, knollig vcrdicktes Rhizom. Pohanthes ist in Europa schon seit dcm vorigen Jahrhundert wegcn der stattlichen , herr- lich duftcnden Bliithendoldcn eine beliebte Zierpflanze , welche wohl nirgcnds in solchcr Xenge angebaut wird, wie hei Grasse. Diesclbc hattc schon. zwischcn 1571 und 1577, die Aufmerksamkeit des spani-

1) Zwoifelhafte .4bbildung schon boi N A T T I I I O L U ~ , 1565.

46:' F. A. Fliickiger, Industric d. atherischeii Ogle in Grasso.

schen Arztes FRANCISCO HERNANDFZ auf sich gezogen, welcher im Auf- trage Kljnig I ~ L W ' S die naturwissenschaftliche Erforschung Mexicos unternalim. In seiner ,,Nova plantarum, animalium et mineralium mexicanoruni Historia'' (Ausgabe von RECL~II, Romac 1651, Folio 277) gibt der flcissige Arzt eine bescheidene , doch unverkennbare Abbil- dung und eine zutreffende Beschreibung der schljnon Pflanze unter dcm Namen Omizochi t l , seu Nos osseus. Er gedenkt auch ihrer Verwendung zu wohlriechcnden Kranzen. HierUber schwcigt die durftige Notiz, welche C L U S ~ S 1601 dem ,, Hyacin thus indicus t u b e r o s a r a d i c e " in der ,: Rariorum Plantarum Historia ", Folio 176, gewidmet hat. Seine Abbildung erreicht nicht die verhgtniss- mIssige Treue der oben angefiihrten, lasst aber doch z. B. auch die auffallenden Deckblatter richtig hcrvortreteii ; seit CLUSIUS blieb an der Pflanze der Name Tuberose haften.

8) Violette. Viola odorata wird nicht im offenen Felde gczogen, wie der Jasmin und die iibrigen schon genannten Parfiimeriepflanzen, sondern in den lichten Olivenhainen, wclche sich hier in ganz besonderer Schiinheit iiber Berg und Thal erstrecken. Die Kiiste hat weit gr6ssere und ausdrucksvollero Oelbaume anfzuweisen, aber die- jenigen der Umgebung von Grasse sind durch frischere, mehr griin- liche Belaubung angenehm auffallend. Dam konimt noch, dass der von denselben beschattcte Grund hicr reichlich mit Gras bewachsen ist, daher der ganze Farbenton der Landschaft einigermassen z. B. an die Lieblichkeit der Hiigel bei Florenz erinnert. Hier und da, sowohl in der niichsten Nahe von Grasse, wie auch an den h6heron Berghangen eingestreute Veilchenpflanzungen nehmen sich in solcher Umgebung bei naherer Besichtigung reizend' am ; mitunter gesellt tsich auch Sarothamnus bei. In der Fabrik trafen eben noch grosse Sacke der letzten Veilchen der Campagne ein, welche von den Sammlern, Commissionnaires, zum Theil stundenweit frisch oingeliefert wurden. Es ist die gew6hnliche Viola odorata von kcineswegs dunklerem oder lebhafterem Blau oder kriiftigerem Geruche; doch wurde mir in der Fabrik rersichert, dass ,,les dernibres de la saison" entschieden schwacher riechen, und ich h6rte auch, dass die Commissionnaires von ferneren Zufuhren abgemahnt wurden.

A d diese eben genannten acht Bluthen boschriinkt sich der betreffende Theil der Industrie in h s s e und die Nachfrage der Abnehmer ; diesem eigenthiimlichen Gcbiete der Kosmetik scheint clic Lame der sonst stets nach Abwechslung lusternen Mode machtlos

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gegcniiber zu stehen. Die grossen Schwankumgen des Geschmackcs, welclie allj8hrlich alle Zwcige des Beklcidungs - und VerschGnerungs- geschiiftes im kuhnsten Sinne des Wortes in fieberhafte Aufregung versctzen, greifen durchaus nicht ein in den hcrgebrachten, hubsch geregelten Betrieb der Fabriken von Grasse. Nur einigermassen durch den Entwickelungsgang der Blumenwelt beeinflusst, bereiten sie Jahr aus Jabr ein die von ihren Kunden unabanderlich begchrten ,,Pommades' und , ,Extraits". Merkwiirdig genug f a t es keinem l'arfiimcur der grossen Mittelpunkte der Mode und des LUXUS ein, sein Augenmerk auf noch andere derartige Priiparate zu richten. Uiese Thatsache erklart sich wohl durch dic Erwiigung, dass die Einfiihrung von Neuerungen auf diesem Gebiete wenigstens einige Bekanntschaft mit der Pflanzenwelt voraiissetzt, welche zwar jeder Garher aufzuweisen hat, kaum aber jene Abnehmer der Pommades und Extraits von Grasse. Ferner wird die Modewelt von andcren Seiten, in hervomgender Weise namentlich durch die Leipziger Fabriken, mit neuen Wohlgcriichen verschiedcnster Art versehen, welche nicht der Form von Fommades und Extraits bedurfen.

Die ,, Pommades" werden nach zwei Methoden dargestellt, durch ,,Infusion" und durch ,,Enfleurage". Die erstere ver- mittelt durch innige Berkhrung und Erwiirmung den Uebergang der Riechstofle an Fette. Die Vorliebe des Menschengeschlechtes fiir Salben physiologisch zu bepiinden, mag wohl nicht ganz leicht sein, die Thatsache selbst geht aber vermuthlich in das hi3chste Alterthum zuriick, da wie es scheint, dieses Bediirfnis sich gerade in den warmen Himmelsstrichen am lebhaftesten geltend macht , in welchen der friihzeitig entwickelte verfeinerte Lebensgenuss auch an den Wohlgeriichen einer iiborreichen Flora Gefallen fand. Wenn schon nmms die Erfindung der Salben den Persern zuschrieb, so diirfen wir darin wchl einen Hinweis auf den noch fernern indischen Osten erblickcn. PLI~VIVS, DIOSCORIDES und andere Schriftsteller des Alter- thums berichten in grosser Ausffihrlichkeit Bber die Salben ; die betreffenden Stellen hat neulich S I G I S ~ in der Schrift: ,,Die Bromata in h e r Bedeutung fiir Religion, Sitten, Gebrauche, Handel imd Geographie des rUterthumsU, Leipzig 1884, Seite 57 bis 87, flcissig zusammengestellt. - Die Pharmacie ihrerseits suchte bis in

1) Nat. Historia Xm. 1 : .,Unguentum Porsarum gcnti so dcbct ". 2) Materia modica, cd. K ~ I L Y I. 52, 53 und folgende Capitol.

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die Gegenwart nicht die lieblichen DUfte der Blumenwelt , sowohl als vielmehr die Heilkrifte einzelncr Pflanzen auf Pctte zu iibertragcn.

Die Fabrikation der ,, Pommades " in Grasso ist also kcineswegs eine Erfindung der Neuzeit, gibt doch schon DIOSCOI~IDES sogar eine recht umstiindliche Anleitung zur Reinigung des dazu erforderlichen Talges. Dicse Grundlage cler Pomaden in vorziiglichster Beschaffen- heit herzustellen, ist denn auch das erste Bestreben der Fabrikanten in Grasse. An 01% und Stellc wird das beste Schweineschmalz und Ochsentalg ausgcwahlt, eirien gutcn Theil steuern auch dio benach- barten volkrcichcn Stldte der Kuste, so wie die Lombardei bei. Das Ausschmelzen des Fcttes , seine mechanische Reinigung, das Waschen derselben , werden mit musterhafter Sorgfalt und Reinlichkeit be- trieben. Eine franzijsische Erfindung ist, wcnn ich nicht irre, die Digestion des Fettes mit Benzoc; hior, wo sie seit geraumer Zeit und in griisstem Umfange angewendet wird , hatte man unstreitig die bosto Gelegenheit, sich ihrer Wirksamkeit zu versichern. Dass die Haltbarkeit des Fettcs dadurch wesentlich erhijht wird, unterliegt wohl keinem Zweifel. Schmalz und Talg werden theils fiir sich, theils imVerhLltnisso von 4 zu 1 gemischt und sehr grosse Xengcn derselben in schijnen, trockenen und luftigon Kellorn in verzinnten Tonnen aufbewahrt, soweit die Fabrik dieses Naterial nicht sofort verarbeitet. Die ,, Infusion erfolgt in grossen, doppelwandigen ver- zinnten Kesseln, in welchen das Fett durch Dampf erw5rmt wird und die betreffenden Blumen empfangt. Im Mai wandern viele Tage lang tag-tiiglich bis iiber 10 000 Kilogramm Rosen und Bigaradebliithen in jene in Reih und Glied aufgestellten Kessel dcr Fabrik ROURE-

mmum FILS, ausser welcher es in Grasse noch andere gibt, so dass die Gesamtheit des Tagesbedarfos an solchon Bliithen in Grasse aledann noch sehr vie1 hiiher steigt. Das fleivsige Umriihren der Bliithen in dem Fettbade wird durch eine Schar Arbeiterinnen, das Auspressen durch Manner vermittelst hydraulischer Pressen besorgt. Nach der Kllrung des Fettes durch Absitzenlassen und Coliren werden die fertigen ,,Pommades" theils sofort in Blechdosen abgeWOgen oder wandern in die groseartigen unterirdischen Vorrathsr%ume, in welchen sie sich mindestens bis zur niichten Campagne sehr gut halten.

Trotz der musterhaften Sorgfalt, welche auf dime ,,Tnfusion ii chaud" verwendet wird, bleiben die Fette eben doch Fetto und unter- liegen allmiihlich ganz unvermeidlich der Zenetzung, dem Ranzig- werden. Der Gedanke lie@ nahe, auch hier daa Fett zu ersetzen

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durch das unveranderliche Paraffin, welches in der Pharinacie den Kampf mit dem Fette erfolgreich aufgenoinmen hat. Nan solltc denken, dass ,, Unguentuin Paraffini " der Pharmacopoea Germanim, Petrolatum der Amerikaner, ausgezeichnet geeignet sein miisste , sicli cler zartesten Wohlgeriiche zu bembhtigen und sie getreulich zu bewahren, aber Herr ROURE versicherte mir, dass ciieses keineswegs der Fall ist. Wie dieses zugelit, erscheint unerlrlirlich, aber die Unbrauchbarkeit des Paraffins ist so entschieden, dass sich sogar ein Zusatz desselben zum Fette bei der Herstellung der ,,Pommades " naeh dem obigen Verfahren als verderblicli erwiesen hat. Es w2re interessant , dem Grunde dieser merkwiirdigen Erscheinung nachzu- forschen, welche sich mir bei einem Versuche in kleinstem Mas- stabe nicht gerade schlagend bestiitigte.

Kommt es darauf an, die allerzartesten Wohlgeriiche dem Fettc einzuverleiben , so wird die oben geschilderte ,,Infusion ii chand '( durch das Verfahren des E n f l e n r a g e ersetzt. Dazu dienen leichte halzerne, quadratisclie Rahmen, ,, Chhsis aux vitres ", yon uiigeYilir 46 Centimeter Seite, in welche eine Qlastafel eingeschoben werden kann. Alle Rahmen und Glastafeln sind von gleicher Griisse; auf einander gestapelt bilden sie demnach lauter kleine, ziemlich gut schliessende Kiistchen. Auf dem Glase breitet man eine abgewngene Menge Fett in dunner Schicht aus und bestreut sie dicht mit Rlumen ; je naeh Umstiinden kann man auch die eine Seite der Glastafeln nur mit Blumen beschicken und die Fettschicht auf die andere Glaswand eines jeden Kastens beschriinken, so dass die Reriihrung der Bluinen mit dem Fette vermieden wird. Auch kijnnen mit Oel getriinkte Zeuglappen znm ,, Enfleurage " verwendet werden , wenn man wohl- riechendes Oel haben will. Je nach der Natur der Bliithen, welchc dieser Verarbeitung iinterliegen , je nach der Qualitiit , welche fiir die Ware in Aussicht genommen ist, muss das Fett kiiraere oder langere Zeit in den aiifgethiirmten Glaskiisten verweilen und die Blurnen miissen mehr oder weniger oft, sogar schon im Laufe cines Tages wiederholt , erneuert werden. Manche Sorten Pommade ver- langen einige Wochen Enfleurage.

Ein Theil der durch dieses letztere Verfahren oder durch In- fiision gewonnenen Pomaden dient endlicli znr Darstellimg der wohl- riechendcn ,, E x t r a i t s". So heissen in der franziisisden Parfumerie die Ausziige, welche durch Behandliing jener PrHparate (und auch noch anderer RiechstotTe) mit starkem Wcingeist erhalten werden.

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Zu diesem Zwecke bringt man die genannten Pomaden in kupferne Trommeln, in wclchen vermittelst eines kriiftigen Riihrwerkes die innigste Mischung des Weingeistes mit dem Fette stundenlang durcli- gefiihrt wird. Der Alkohol lijst fast gar kein Fett auf, wohl aber den grijssten Theil der Riechstoffe. Dieses eigenthfimliche Verfahren liiuft , wie man sieht , daraiif hinaus, die durch nestillation nicht oder nicht in ganz befriedigender Wcisc darstellbnren wohlricehendon Bestandtheilo , seien es nun Btherische Ocle oder andere Verbindungen, die wir nicht kennen, in reinstcr und unverandertsr Form dern Alkohol zuzuftihren. Bus den betreffenden Pflanzen nimmt das Fett schon wenig anderes auf, h a t seinerwits wohl noch geringe Mengen von Stoffen zuruck, welcho an dem Wohlgeruche unbetheiligt sind iind iibcrl&st diesen sehr rein dcm Alkohol. Naclidem dieser ab- gehoben ist, gibt man das Fett in die Destillirblase, urn den Rest des Alkoliols daraus wiedenugewinnen rmd in glcichcr Wcise noch- mals zii verwenden. Das Fett hingegen kann nicht wieder in den Rreis der Pomadenfabrikation ziiriickgefiihrt wcrden. Es Ilsst sich denken, dass dasselbe durch das stundenlange Kneten mit Alkohol und h f t den Beginn einer Zersetzung erleidct, obwohl die Trommcln, in welcher die ,, Extraits " bereitet werden, gut geschlossen sind. Ohne Zweifel wiirde sich jedoch dicses Fett wieder zri gute machen lassen ; jetzt wandert es aus der Parfumeriefabrik zum Seifensieder.

Aus Pflanzen, mo nicht gefbbte Stoffe hindernd in den Wcg treten, lassen sich lhnliche Extraits durch einfache Digestion mit Weingeist erhalten und schliesslich finden diese Pdparate auch, zum Theil nach verschiedensten Recepten gemischt, ihren Weg in die Welt der Toilette.

Gewiss macht die ganze Fabrikationsweise , deren Schilderung hier in fliichtigen Ziigen versmht ist , der Anstelligkeit ihrer Erfinder alle Ehre. Allerdiigs scheinen dicsc selbst in Grasse nicht mehr in der Erinnerung fortzuleben, wenigstens gelang os mir nicht, dort etwas iiber die Zeit der Anf&ngc der Parfiimerie - Industrie iiberhaupt zu vernehmen, welche den Ruhm und Wohlstand der Stadt au8- macht und ihrcn PrZparaten einen Weltruf sichert. Nehmen wir an, dass sich schon die Troubadours an dem Dufte der Pommade :t la Violette erfreut haben und dass noch in fernster Zukunft der Ge- werbfleiss del; muntern Provcnplen in so hiibscher Weise ziir An- nehmlichkeit des verfcinertcn Daseins beizutrqen berufen sei.