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Die kaiserliche Politik in Schwaben 1464-1488 Ein Beitrag zur Persönlichkeit und politischen Bedeutung Kaiser Friedrichs III. Von Angela KulenkampfF 1. Einleitung Fünf Jahre, nachdem Paul-Joachim Heinig in dem Sammelband „Kaiser Fried- rich III. in seiner Zeit" den Stand der Forschung darlegte, unternehme ich es, die Politik dieses Kaisers in dem alten staufischen, dann habsburgischen Kernland Schwaben dar- zustellen'. Dieser Aufsatz soll damit zugleich eine Lücke schließen, die Heinigs Band ge- lassen hat: Es ist nicht deudich geworden, daß Ausgangspunkt und Ziel der kaiserlichen Schwabenpolitik gewesen ist, mit eiserner Konsequenz eine habsburgische Revindikati- onspolitik in Schwaben einzuleiten, die auf die Regierungszeit Rudolfs I. und Al- brechcs I. zurückgeht, und die an die Politik Rudolfs IV. anknüpft^. Ihr Fundament wa- ren die Freiheitsbriefe des Hauses Österreich, die nach der Kaiser-Proklamation am 6. Januar 1453 in Wiener Neustadt verkündet und durch die Zustimmung der Kurfür- sten in das Reichsrecht inkorporiert wurden'. Auch während seiner Regierungszeit, an- läßlich der Verpachtung des Reichskammergerichts 1473, ließ der Kaiser sich diese Briefe abermals durch die Kurfürsten bestätigen^. Bringt schon diese mehrfache Bestäti- gung durch die wichtigsten Reichsfiirsten die Bedeutung des „Maius" zum Ausdruck, so wird dieser Herrscherwille noch unterstrichen durch die Devise AEIOU. Ihre politische Bedeutung ist erst kürzlich von der österreichischen Forschung unterstrichen worden'. Die Schwabenpolitik des Kaisers ist ihr beredtes Zeugnis. Die Umsetzung dieses Programms in Schwaben soll an zwei Kapiteln kaiserlicher Politik untersucht werden: 1. dem Erwerb der Landgrafschaft Nellenburg und 2. den Anfängen des Schwäbischen Bundes. ' Paul-Joachim Hein ig, Kaiser Friedrich III. (1440-1493) in seiner Zeit (1993). Vgl. Karl-Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter (1994) 172. Seit 1436 hielt Fried- rich am Prinzip seiner Alleinregierung fest, wie Krieger auf derselben Seite feststellt. ' Ernst S c h w i n d - Alphons Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Verfessungsgeschichte der deutsch-österreichischen Erblande im Mittelalter (1968) 368-372. Das „Maius" bedürfte einer neuen Übersetzung, um in seiner vollen Bedeutung wahrgenommen zu werden. " Joseph C h m e 1, Urkunden, Aktenstücke und Briefe (1849) 387, 388. 12. Mai 1473. ' Heinrich Koller, Zur Bedeutung des Vokalspiels AEIOU, in: Österreich in Geschichte und Li- teratur 39 (1995) 162-170 mit der älteren Literatur. MIÖG 106(1998) Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst Library Authenticated Download Date | 10/22/14 4:01 AM

Die kaiserliche Politik in Schwaben 1464–1488

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Page 1: Die kaiserliche Politik in Schwaben 1464–1488

Die kaiserliche Politik in Schwaben 1 4 6 4 - 1 4 8 8

Ein Beitrag zur Persönlichkeit und politischen Bedeutung Kaiser Friedrichs III.

Von Angela KulenkampfF

1. Einleitung

Fünf Jahre, nachdem Paul-Joachim Heinig in dem Sammelband „Kaiser Fried-rich III. in seiner Zeit" den Stand der Forschung darlegte, unternehme ich es, die Politik dieses Kaisers in dem alten staufischen, dann habsburgischen Kernland Schwaben dar-zustellen'. Dieser Aufsatz soll damit zugleich eine Lücke schließen, die Heinigs Band ge-lassen hat: Es ist nicht deudich geworden, daß Ausgangspunkt und Ziel der kaiserlichen Schwabenpolitik gewesen ist, mit eiserner Konsequenz eine habsburgische Revindikati-onspolitik in Schwaben einzuleiten, die auf die Regierungszeit Rudolfs I. und Al-brechcs I. zurückgeht, und die an die Politik Rudolfs IV. anknüpft^. Ihr Fundament wa-ren die Freiheitsbriefe des Hauses Österreich, die nach der Kaiser-Proklamation am 6. Januar 1453 in Wiener Neustadt verkündet und durch die Zustimmung der Kurfür-sten in das Reichsrecht inkorporiert wurden'. Auch während seiner Regierungszeit, an-läßlich der Verpachtung des Reichskammergerichts 1473, ließ der Kaiser sich diese Briefe abermals durch die Kurfürsten bestätigen^. Bringt schon diese mehrfache Bestäti-gung durch die wichtigsten Reichsfiirsten die Bedeutung des „Maius" zum Ausdruck, so wird dieser Herrscherwille noch unterstrichen durch die Devise AEIOU. Ihre politische Bedeutung ist erst kürzlich von der österreichischen Forschung unterstrichen worden'. Die Schwabenpolitik des Kaisers ist ihr beredtes Zeugnis.

Die Umsetzung dieses Programms in Schwaben soll an zwei Kapiteln kaiserlicher Politik untersucht werden: 1. dem Erwerb der Landgrafschaft Nellenburg und 2. den Anfängen des Schwäbischen Bundes.

' Paul-Joachim H e i n ig , Kaiser Friedrich III. (1440-1493) in seiner Zeit (1993). Vgl. Karl-Friedrich K r i e g e r , Die Habsburger im Mittelalter (1994) 172. Seit 1436 hielt Fried-

rich am Prinzip seiner Alleinregierung fest, wie Krieger auf derselben Seite feststellt. ' Ernst S c h w i n d - Alphons D o p s c h , Ausgewählte Urkunden zur Verfessungsgeschichte der

deutsch-österreichischen Erblande im Mittelalter (1968) 368-372 . Das „Maius" bedürfte einer neuen Übersetzung, um in seiner vollen Bedeutung wahrgenommen zu werden.

" Joseph C h m e 1, Urkunden, Aktenstücke und Briefe (1849) 387, 388. 12. Mai 1473. ' Heinrich K o l l e r , Zur Bedeutung des Vokalspiels AEIOU, in: Österreich in Geschichte und Li-

teratur 39 (1995) 162-170 mit der älteren Literatur.

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2. Zum Stand der Forschung

Zu 1. Erst kürzlich sind durch Wilhelm Baum der Erwerb der Landgrafschaft Nel-lenburg sowie die Einlösung der Landvogtei Schwaben als Höhepunkte der Erwerbspo-litik Sigmund des Münzreichen dargestellt worden'. Ich betrachte das Thema aus einem anderen Blickwinkel. Im ersten Kapitel werde ich eine kritische Darstellung des Erwerbs der Landgrafschaft geben und das Schuldennetz in den Mittelpunkt stellen, in das sich Sigmund verstrickt fand und das ihn schließlich zum Gläubiger der Bayernherzöge wer-den ließ. Hier fehlen die Vorarbeiten. Die Spätmittelalterforschung, obwohl ihrer Ten-denz nach sozialgeschichtlich orientien, hat die habsburgische Erwerbs- und Finanzie-rungspolitik mit ihren Folgen für den schwäbischen Adel ausgeklammert". Es wird über-sehen, daß ein großer Teil der Einkünfte der Vorlande an den Adel verpfändet war, der in den Kriegen gegen die Eidgenossen seine Söldner hatte vorfinanzieren müssen. Die Verpfändungen, die er anstelle von Sold erhielt, lauteten im allgemeinen auf die Ein-künfte eines Amtes. Aber zum einen war es zweifelhaft, ob das Amt in der Lage war, Ein-künfte zu erbringen, zum andern bestand kein Anspruch auf Bezahlung, sondern der Pfandgeber hatte die Möglichkeit, das Amt weiter zu verpfänden. In den meisten Fällen kam es zu geringen Abschlagszahlungen und für den Rest auf Verzichterklärungen. Die Situation des Adels beim Regierungsantritt Herzog Sigmunds in den Vorderen Landen war gekennzeichnet durch Abhängigkeit und Verarmung. Die Erarbeitung dieser grund-legenden Tatsachen hätten m. E. der umfassenden Untersuchung Heinigs über Hof, Re-gierung und Politik Friedrichs III. vorangehen müssen, um zu fiindierten Ergebnissen kommen zu können'.

Zu 2. Es ist nicht recht verständlich, daß das bedeutendste Kapitel der schwäbi-schen Politik des Kaisers: die Gründung des Schwäbischen Bundes, aus aktuellem Anlaß nicht neu erarbeitet worden ist. Die Untersuchung von Horst Carl' stützt sich nur auf ältere Literatur und benutzt nicht den wichtigen, 1989 endlich erschienenen ersten Band der Reichstagsakten der Mittleren Reihe'". Die Vorrede Angermeiers macht deut-lich, daß es die Ungarnfrage war, die zur Gründung des Schwäbischen Bundes führte und daß deshalb auch die Frage der Reichshilfe von großer Bedeutung war. Daneben

' Wilhelm B a u m , Die Habsburger in den Vorlanden 1386-1486 (1993) 740. Baum läßt seine Untersuchung mit der Einlösung der Landvogtei am 26. Juni 1487 schließen, weil er die Meinung ver-tritt, daß die habsburgische Hausmachtpolitik durch Erzherzog Sigmund vertreten worden und durch die Reichspolitik des Kaisers sich nicht habe entfalten können. Er erkennt nicht, daß Friedrich III. vom ersten Moment an Hausmachtpolitik betrieben hat, aber als römischer Kaiser sie zugleich „reichisch" datsteilen konnte.

' Ich habe mich in meinem Aufsatz „Die Grafen von Nelienburg in den Diensten Habsburgs", in: Hegau 27/28 (1970/71) mit diesem Thema auseinandergesetzt, aber habe mich mit meinen Ergebnissen nicht durchgesetzt. Vgl. Markus B i 11 m a n n, Kredirwirtschaft und Finanzierungsmethoden in: Studien zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Adels im westlichen Bodenseeraum 1300-1500 (Diss. Kon-stanz 1989), in: Vierteljahrschrift für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 99 (1991). Über die verfassungs-geschichdiche Stellung des rheinischen Adels vgl. meinen Aufsatz: „Die Grafen und Herren von Neuen-ahr 1276-1521", in: Z H F 24 (1997) 2.

' Paul-Joachim H e i n i g, Friedrich III., Hof, Regierung, Politik (Habil. Gießen 1993). ' Horst C a r l , Der Schwäbische Bund und das Reich - Konkurrenz und Symbiose, in: Alternati-

ven zur Reichsverfassung in der frühen Neuzeit? (1995) 43 -63 . Reichstagsakten Minlere Reihe (RTA) 1,1 und 2 (1989) herausg. von Heinz A n g e r m e i e r .

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aber enthält der zweite Teil wichtige Quellen zur Politik Erzherzogs Sigmund von Tirol, die seine Lage im neuen Licht erscheinen lassen.

Dieser Band in Verbindung mit den älteren Quellenpublikationen und Beständen der Archive in Karlsruhe und Innsbruck ermöglicht einen Einblick in einen noch weit-gehend unbekannten Abschnitt kaiserlicher Politik. In beiden Fällen steht Friedrich III. im Mittelpunkt. Die Raffinesse seiner Politik wird durch die An und Weise deutlich, wie der Kaiser Sigmund nach außen hin agieren läßt und selbst im Hintergrund die Fä-den in der Hand hat. Es ist ein fein gesponnenes Nen, das mit dem Erscheinen Maxi-milians zunächst zerstört wurde, aber durch den schwäbischen Kreis 1517 wieder neu geknüpft werden konnte".

3. Die Erwerbspolitik Herzog Sigmund des Münzreichen - kritsch betrachtet

Die Inhaber der Landgrafschaft im Hegau und Madach, die Grafen von Nellenburg und deren Nachfolger, die Herren von Tengen, waren seit langem hoch verschuldet. Längst waren sie keine Eigentümer der Landgralschaft mehr, sondern amtienen in ei-nem Gerichtsbezirk, den sie schon Anfang des 14. Jahrhunderts Habsburg hanen über-lassen müssen'^. In den weiträumigen, wenngleich stets umstrinenen Grenzen des Land-gerichts erstreckte sich um die drei Minelpunkte Radolf^ll, Stockach und Aach ein Be-zirk, der im Westen von den Burgen des Hegauer Adels und im Osten von der Graf-schaft Werdenberg-Heiligenberg begrenzt war. Darin verstreut lagen eine Reihe von kleineren Herrschaften, deren Inhaber ihren Einwohnern Schutz und Schirm gewähnen und die niedere Gerichtsbarkeit ausübten. Ihren Namen sowie diejenigen edelfreier Ge-schlechter wie der Montfon, Werdenberg und Lupfen finden sich regelmäßig in den Einungen mit St. jörgenschild im Hegau und Donauschwaben".

Erzherzog Albrecht VI. starb am 2. Dezember 1463. Herzog Sigmund war um diese Zeit vom Papst gebannt und konnte die Herrschaft nicht antreten. Im Dezember 1463 gab Albrecht von Brandenburg dem Kaiser den Rat, das Land Schwaben zu beset-zen, das zweimal so mächtig sei wie Bayern. Württemberg, Baden und die schwäbischen Städte würden ihm ohnehin anhängen'^. Das gleiche galt vom Adel. Der Kaiser folgte diesem Rat jedoch nicht. Nachdem der Bischof von Brixen gestorben war, kam es zur Aufhebung des Bannes und zu dem Entwurf einer Einigung zwischen dem Kaiser und seinem Neffen Sigmund". Darin trat Sigmund dem Kaiser sein Drittel an den österrei-chischen Landen ab, überließ ihm damit aber auch eine Schuld von 300.000 fl. und die Forderungen der Diener und Söldner. Bei den Zusagen des Kaisers hieß es u. a., er wolle

" Angela K u l e n k a m p f f , Die Grafen von Montfort-Rothenfels und Montfort-Tennang und ihr Kampf um ihre verbrieften Rechte 1453-1521, in: Montfort. Vierteljahresschrift fiir die Geschichte und Gegenwart Vorarlbergs 49 (1997) 99-113.

" Wilhelm B a u m , Die Habsburger und die Grafschaft Nellenburg, in: Schriften des Vereins fiir Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 110 (1992) 73-94.

Herbert O b e n a u s , Recht und Verfassimg der Einungen mit St. Jörgenschild in Schwaben (1961) gibt Anhang I, 228 eine Liste der überlieferten Bundbriefe, leider ohne Nennung der Mitglieder. Diese finden sich in dem Werk von Johann Philipp D a t t , Volumen rerum Germanicarum novum sive de pace imperii publica (Ulm 1697).

Hans Georg H o f a c k e r , Die schwäbische Herzogswürde, in: Zeitschrift für württembergische Undesgeschichte 47 (1988) 75-76.

Joseph C h m e l , Regesten Friedrichs III. Nr. 4072 23. Mai 1464.

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dem NeflFen Abschriften der Privilegien und Urkunden ausstellen, die sich in seinem Be-sitz befänden mit Bezug auf das Land Schwaben, das dem Hause Österreich zugehöre"^. Der Ausgleich trat am 2. September 1464 in Kraft. Der Kaiser versprach im Gegenzug, seinen Vetter mit seinen Land und Leuten in seinen kaiserlichen Schutz und Schirm zu nehmen. Die Weichen für die Zukunft waren damit gestellt.

Nach Beendigung der Klingenberger Fehde im Herbst 1464 kam es im Frühjahr 1465 zu einem später erstellten Kaufvertrag, dessen Ursache ungeklärt ist. Denn in der Belehnungsurkunde vom 24. September 1465'^ werden die wesentlichen Punkte ausge-sprochen: Herzog Sigmund kauft die Grafschaft Nellenburg und Landgrafschaft zu Hegau und Madach als Reichslehen. Zugleich wird sie ihm mit allen Regalien vom Kaiser verliehen zur Vermehrung „seiner und des Hauses Österreich Fürstentum". Mit dieser Belehnung bewirkte der Kaiser dreierlei: Erstens mußte Sigmund als Käufer die gesam-ten auf der Landgrafschaft liegenden Schulden übernehmen; zweitens war vorauszuse-hen, daß er als Inhaber eines Reichslehens auch zu den Reichssteuern herangezogen wer-den würde; drittens wurde die Landgrafschaft in den Territorialbesitz der Habsburger in Schwaben eingegliedert. Daß Schwaben zum Hause Österreich gehörte, mithin Teil der österreichischen Erblande war, ging ja bereits aus dem Entwurf zum Übergabevertrag hervor. Um die gleiche Zeit unterlief der Kaiser eine Zusage dieses Venrages: während er einerseits Sigmund versprochen hatte, ihm in seinem Streit gegen Eberhard von Wald-burg zu unterstürzen, erhob er die Herrschaft Sonnenberg, die Eberhard von Waldburg 1455 von den Grafen von Werdenberg-Sargans gekauft hatte, zu einer Grafschaft. Eber-hard wurde der Blutbann und das Privilegium de non appellando zugesichert, war also in vollem Besitz des „dominiums"'®. Damit war die Fortsetzung der Fehde zwischen Sig-mund und den Grafen von Sonnenberg vorprogrammiert. Sie führte 1473 zur Zerstö-rung der Burg Sonnenberg und zur Vertreibung des Grafen und seines Sohnes Andreas. War Sigmund beim Erwerb der Landgrafschaft der Sündenbock, der für die auf ihr lastenden Schulden einzustehen hane, so war er bei der Besetzung des Konstanzer Bischofsitzes auf der Verliererseite. Die Annaten- und Servitiengelder, die er für seinen Kandidaten Ludwig von Freiberg bezahlt hatte, kamen dem kaiserlichen Kandidaten Otto von Sonnenberg zugute". Mit der Einfädelung des Erwerbs der beiden Grafschaf-ten auf Kosten Sigmunds hatte der Kaiser bereits im ersten Jahr seiner Alleinherrschaft sein Seniorat zum Ausdruck gebracht.

Die Folgen des Übergangs der Landgrafschaft Nellenburg an Habsburg sollen im folgenden eingehend betrachtet werden, da sie nicht nur die dramatische Lage des schwäbischen Adels offen darlegen, sondern erkennen lassen, daß auch Sigmund in den Strudel der Schuldenpolitik hineingezogen wurde.

Im Jahr 1468 kämpften Tengen und andere Glieder des schwäbischen Adels auf Sei-ten Sigmunds von Österreich im Waldshuter Krieg. Das führte zu einer weiteren Ver-schuldung des schwäbischen Adels. Als Tengen bei den Bürgen des Herzogs seine Geld-forderungen anmahnen wollte, bat ihn dieser im Hinblick auf die Kriegskosten, die der Adel zu tragen hatte, davon abzusehen^".

" Joseph C h m e l , in: Fontes Rerum Austriacarum 2,2 S. 194-196, 2. September 1464. " Generallandesarchiv Karlsruhe (GLK) D 885 24. September 1465. " Josef V o c h e z e r , Geschichte des Fürstl. Hauses Waldburg in Schwaben I (Kempten 1888). " Helvetia Sacra 2,1 (Basel 1993) 361 ff.

Tiroler Landesarchiv (TLA) Ältere Kopialbücher (ÄKB) EF/1 fol. 15, 27. Juni 1468.

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Sigmund, 1469 noch weniger in der Lage, seine Gläubiger zu bezahlen, setzte Johann von Tengen am 25 . Juli 1469 als Vogt der Grafschaft Nellenburg ein^'. Auf diese Weise sollte Tengen in Form der Ämterpacht zu seinen Forderungen kommen^^. Abge-sehen von Hauptgut und Zinsen, die fällig waren, hatte Tengen auch noch Sold-forderungen aus dem Waldshuter Krieg. Er mußte, um die Landgrafschaft überhaupt antreten zu können, dem Herzog 4 . 0 0 0 fl. leihen, die mit jährlich 5 % = 2 0 0 fl. verzinst werden sollten. Die Zinsen sollte ihm der Vogt Zägky auszahlen, der auch weiterhin der Ver- waltet der Landgrafschaft blieb. Tengen hatte die Einwohner zu schützen und zu schirmen und im Kriegsfall durch Öffnung der Burg zu verteidigen. Von den Schulden der Landgrafschaft, die Sigmund als Käufer hätte übernehmen müssen oder von dem ausstehenden Sold für Dienste im Waldshuter Krieg (1468) war mit keinem Wort die Rede^^. Als Tengen sich weigene, dem Venrag zuzustimmen, kam es zu einem Schieds-spruch durch Jos Niclas von Zollern, der Aufschluß über die Situation von Sigmunds Gläubigern gibt. Für den fälligen Zins sollte ihm der Amtmann Zägky von Stockach in-nerhalb von drei Wochen 100 fl. geben, der Rest seiner Forderung sollte gestundet und die Bezahlung in das Ermessen des Herzogs gestellt werden. Der Wahrheit entsprechend lautete der Schiedsspruch: „Gib ihm sein gnad etwas daliir, das hat sein gnad macht. Gib ihm sein gnad nichts, das hat sein gnad auch macht."^^ Eine Klage an das Hofgericht Rottweil wäre nutzlos gewesen, denn ein Jahr später rügte der Kaiser den Hofrichter Johann von Sulz, weil er ein Urteil des Landgerichts Stockach aufgehoben hane. O b er nicht wisse, heißt es in dem Mandat, daß beide, Hofgericht wie Landgericht, von ihm, dem Kaiser, ihren Ursprung hätten. Daher könne auch nicht das Uneil des einen das des anderen aufheben^'.

1472 wurde es offenkundig, daß die Gläubiger Johann von Tengen keine Ruhe mehr ließen, und daß in der Nelienburger Angelegenheit eine Lösung, wenn auch nur ein Aufschub, gefunden werden mußte. Nachfolger als Vogt von Nellenburg wurde Hans Jacob von Bodman d. Ä., Ritterhauptmann der Einung mit St. Jörgenschild. Er stellte eine Gesamtverschreibung aus, durch welche er sich, seine Erben, Amtmann, Rat und Gemeinde Stockach mit umliegenden Ortschaften, beweglichem und u n b e w ^ i -chem Gut als Bürgen mit der Verpflichtung zum Einlager in Konstanz stellte für den Fall, daß sie ihren Verpflichtungen nicht nachkämen^. Dieser Vorgang war nicht unge-wöhnlich. Nach damaliger Gepflogenheit mußten die Vasallen für die Schulden ihres Lehnsherrn haften^^. Aus dieser Verschreibung wird deutlich, daß es beim Verkauf der

' ' GLK(Anm. 17) 8/48 25. Juli 1469. L. Weyhe , Art. Pfandschaftspolitik, in: Lexikon des Mittelalters 6 (1993) Sp. 2020f. mit wei-

teren Literaturangaben. GLK (Anm. 17) 8/48 25. Juli 1469. Der Bestallungsbrief ist zugleich eine Schulduikunde. Der

hochverschuldete Verkäufer Johann von Tengen war gezwungen, die erste Rate zur Befriedigung der Gläubiger aufzubringen. Die Rate in Höhe von 4.000 fl. sollte mit 5 % jährlich verzinst werden.

GLK (Anm. 17) 8/60 10. Dezember 1469. GLK (Anm. 17) D 908, 20. August 1470. GLK (Anm. 17) 8/63, 20. Juli 1472.

" Heinrich M i t t e i s , Lehnrecht und Staatsgewalt (1958) 616, 617 spricht in diesem Zusammen-hang von der Haftungspflicht des Vasallen gegenüber seinem Herrn. Baum (Anm. 13) 489 vertritt die An-sicht, daß Herzog Sigmund den Kau^reis für die Landgra^chaft bezahlt habe und nennt als Beweis die Belehnungsurkunde. Er übersieht, daß auch der Kaufpreis ein fiktiver war, und daß neue Schuldver-schreibungen zu den älteren traten. Der Erwerb der Landgrafschaft Nellenburg war kein „außenpoliti-

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Landgrafschafc Nellenburg nicht um die Bezahlung eines Kaufpreises gegangen war, sondern um die Ablösung der dringendsten Schulden, die sich im Laufe der Jahre ange-häuft hatten und deren der Graf nicht mehr Herr wurde.

Auf Bodman, über den an anderer Stelle noch ausführlicher zu berichten sein wird, folgte Graf Rudolf von Sulz. Die Auseinandersetzungen mit den Grafen von Sulz zogen sich über die nächsten neun Jahre hin^'. Unbekannt ist bisher, daß es 1479 sogar zu einer Gefangenschaft der Grafen Alwig und Rudolf kam, weil sie ihre Pflichten als Vögte von Nellenburg nicht gewissenhaft wahrgenommen hatten und mit Württemberg paktiert hätten^'.

Um diese Zeit begannen Sigmunds Schulden ihm über den Kopf zu wachsen. Die ersten Verschreibungen (Verpfändungen) an die Herzöge von Bayern setzten ein'". Es war also nicht die Verschwendungssucht, die Sigmund zu diesem Schritt trieb, sondern die Schuldenlast, die er bei seinem Regierungsantritt übernahm, und die durch den Kauf der beiden Grafschaften mit Wissen und Wil len des Kaisers noch gesteigert wurde.

Trotz der Verschuldung des schwäbischen Adels kam es nicht zu der gewünschten Unterwerfung. Zwar waren für die Innsbrucker Regierung die Adelsgeschlechter der Landgrafschaft „landleut", d. h. österreichische Untertanen' ' . Daß es aber Sigmund nicht gelang, seine Herrschaft in der Landgral^chaft durchzusetzen, läßt sich mit seinen ewigen Klagen über Nichtbeachtung des „jus evocandi" und „appellandi" und die Zu-stände in der Landvogtei Schwaben beweisen'^.

Es ist üblich, die Auslösung der Landvogtei Schwaben 1486 als einen Erfolg Herzog Sigmunds anzusehen. Aber bei genauerer Betrachtung zeigt es sich, daß der Kaiser die Fäden in der Hand hatte. Als der Kaiser 1473 die Landvogtei dem Herzog Albrecht von Bayern überlassen wollte, beeilte sich Herzog Sigmund, die Pfandsumme zu zahlen, um die Landvogtei drei Tage später seinerseits an den Truchseß Waldburg zu verpfänden". Sigmund meinte, auf diese Weise einen geschickten diplomatischen Schachzug getan zu haben, weil er die Reichslandvogtei in ein österreichisches Lehen verwandelt habe. Aber Johann von Waldburg siegelte auch weiterhin als Reichslandvogt, auch wenn er bei der Übergabe als „Landvogt des Durchleuchtigsten Fürsten und Herren Herzog Sigmund, Herzog zu Österreich" unterschrieben hatte. Mit der Landgrafschaft Nellenburg hatte der Kaiser ihn belehnt, bei der Landvogtei Schwaben unterblieb die Belehnung, auch wenn Sigmund sich immer und immer wieder um dieselbe bemühte, glaubte er doch, auf diese Weise die katastrophalen Zustände, die in ihr herrschten, beenden zu können. Längst übten die ,Anrainer" an ihren Landgerichten auch die hohe Gerichtsbarkeit aus: Die Truchsesse, die Grafen von Werdenberg, die Abteien Schussenried, Weingarten, die

scher Erfolg" Sigmunds, sondern gehört in die Revindikationspolitik, die der Kaiser sich zum Programm gemacht hatte.

J o s e f C h m e l , in: Monumenta Habsburgica, I . l , 173, 187, 197. TLA (Anm. 20) Rep. 2 pag. 110.

^ Wilhelm B a u m , Herzog Sigmund der Münzreiche (1987) 443—450 gibt eine Auflistung der Ver-schreibungen an die Herzöge von Bayern beginnend mit März 1478.

" GLK (Anm. 17) 8/52 1472 o. D. „Landleutzedl der Landgrafschaft Nellenburg". " TLA (Anm. 20) ÄKB G/6, fol. 161, 21. Oktober 1484, Memorial an den Römischen Kaiser. Erz-

herzog Sigmund beruft sich gegenüber dem Kaiser auf die Freiheiten des Hauses Österreich. Er erbittet vom Kaiser ein Mandat, daß Appellationen in Zukunft nur an seine Gerichte ergehen dürfen. GLK, D 947, 24. Oktober 1484. Der Kaiser antwortet umgehend und wertet abermals das Landgericht Stockach auf, wie er es bereits gegenüber den Grafen von Sulz getan hatte.

" TLA (Anm. 20) Rep. II, pag. 845, 1473.

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Städte Ravensburg, Leutkirch, Biberach und Ulm'^. Die Landvogtei war zu einem Jagd-gebiet des benachbarten Adels geworden. Das Gericht der Landvogtei hatte jegliches Ansehen verloren und übte lediglich die niedere Gerichtsbarkeit aus.

In den Jahren nach 1478 war Sigmund durch die chaotischen Verhältnisse, die seine Verschuldung verursachten, und die ständigen Schwierigkeiten mit den ,Anrainern" der Landvogtei praktisch handlungsunfähig geworden. Der Kaiser begann 1478 seine Bündnispolitik mit den schwäbischen Städten^^. Den Bayern am mißliebigsten war der Vertrag mit Biberach, den Kramml nicht erwähnt, der aber ein wichtiger Faktor der ag-gressiven Politik der Bayern gegen Erzherzog Sigmund war und mit ausdrücklicher Ge-nehmigung des Kaisers abgeschlossen worden war.

1482 brach das Finanz- und Verwaltungssystem Sigmunds vollends zusammen. Ei-ner seiner Hauptgläubiger, Lutz von Landau, der ihm 1478 14.000 fl. in barem Gold auf vier Jahre gegen die übliche Verzinsung von fünf Prozent geliehen hane,^ fiel mit „fremdem Volk" in die Landvogtei ein und bedrängte die Veitsburg. Die Eidgenossen mit ihren Soldforderungen zogen in das Gebiet des Klosters Weingarten. Da Sigmund auch seine eigenen Diener nicht bezahlen konnte, begann ein Auszug aus den Vorderen Landen'^. Während der Kaiser vergeblich Hilfe zur Verteidigung seiner Grenzen for-dene, sandte Sigmund ihm Flehbriefe, weil die Situation in Schwaben ihm aus der Hand zu gleiten drohte''.

In den Jahren zwischen 1482 und 1485 versuchten die Grafen von Werdenberg durch die kaiserliche Belehnung mit der Grafschaft Werdenberg-Heiligenberg ihre alte Stellung in Schwaben erneut aufzurichten. Bei einem Schiedsgericht vor dem Bürger-meister und Bischof von Konstanz im Jahre 1483 bestätigten Zeugen, daß die Grafechaft Heiligenberg, und nicht die Landvogtei, in Schwaben die hohe und niedere Gerichts-barkeit ausgeübt hätte. Die Landvogtei Schwaben erwies sich durch die Aussage der Zeugen als reines Jagdgebiet ohne nennenswerte Regalien". Die Regierung Sigmunds in den Vorderen Landen war aus kaiserlicher Sicht ein Zwischenspiel, in welchem sein Neffe stellvertretend die Geschäfte führte, bevor die Vorderen Lande am 20. März 1490 endgültig an Maximilian, den Sohn des Kaisers, übergingen.

^ TLA (Anm. 20) Rep. IV, pag. 422, 1475. Eine kaiserliche Kommission auf Bischof Ortlieb von Chur wegen zahlloser Streitigkeiten in der Landvogtei Schwaben.

Peter Franz K r a m m l , Die Revindikationspolitik Kaiser Friedrichs III. am Beispiel der Stadt-steuer von Memmingen, in: Anm. 2, 139-173. Mir erscheinen die Schutz- und Schirmverträge, die Friedrich III. seit 1478 mit den schwäbischen Städten schloß, von mindestens so großem Interesse, denn aus ihnen geht klar hervor, daß sie als militärische Stützpunkte gedacht waren, (vgl. TLA, Handschrift 195).

" TLA ÄKB (Anm. 27) A/2. 1478. fol. 38, 39, 40. Schadlosbrief fiir Lutz von Landau, der Sig-mund einen Betrag von 4.000 fl. in Gold Hauptgeld geliehen hatte und dafür 200 fl. jährlichen Zins er-halten sollte. Sigmund verschreibt ihm dafür seine Renten, Nutzen und Gülten. Es bürgen: Hans Truch-seß, Landvogt; Hans Lantz, Diener; Bürgermeister, Rat und Gemeinde zu Ehingen; Amtmann, Räte, Gemeinde zu Stockach und zwei weitere Bürgen.

TLA ÄKB (Anm. 27) C/4, fol. 361 f . 15. März 1482. Sigmund an den Undvogt Johann von Waldburg.

" TLA ÄKB (Anm. 27) C/4, fol. 374, 8. Juni 1482. Memorial an Jörg Schatzer, den Gesandten des Erzherzogs in Wien. Der Kaiser soll von allem unterrichtet werden und verhüten, daß Kr i^ oder Auf-ruhr entstehe. Am 24. Juni folgte das nächste, überbrachi von Thomas Fuchs, Martin Neydecker und Hans Strauß. Vgl. TLA ÄKB, C/4, fol. 441 f.

" Stadtarchiv Konstanz, C III 1 30. September 1484.

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4. Die kaiserliche Politik in Schwaben und die Anfänge des Schwäbischen Bundes

Den deutlichen Umschwung in der kaiserlichen Politik Sigmund gegenüber brachte die äußere Lage: der Vormarsch der Ungarn in Niederösterreich. Ungehört waren bisher die Forderungen des Kaisers an die Reichsstände verhallt. Der Reichstag von Nürnberg 1481 brachte die Wende. Auf diesem Reichstag war es dem kaiserlichen Rat Haug von Werdenberg gelungen, die Reichsstände zu einer Hilfe zu Roß und zu Fuß zu veran-schlagen. Sigmund war wie andere Fürsten des Reichs veranschlagt worden'"'. Die für ihn grundsätzliche Frage in den nächsten Jahren lautete, ob der schwäbische Adel un-mittelbar vom Reich veranschlagt würde oder ob er den Adel seinerseits besteuern könne, weil der größte Teil von ihnen Inhaber österreichischer Pfandlehen sei. 1477 hatte Kaiser Friedrich III. durch Mandat verkündet, daß die Obrigkeit bei allen Pfand-schaften dem Hause Österreich vorbehalten sei'". In Nürnberg hingegen waren zu Sig-munds nicht geringer Empörung die großen schwäbischen Adelsgeschlechter, die alle, bis auf wenige, Inhaber von Pfandlehen waren, vom Reich „unmittelbar" veranschlagt worden. Hier manifestienen sich die Interessen des kaiserlichen Rates Haug von Wer-denberg, der die uralte bedeutende Position seines Geschlechts - war doch sein Urahn Reichslandvogt in Schwaben unter Rudolf von Habsburg gewesen - wieder neu erwek-ken wollte. Wer unmittelbar vom Kaiser besteuert war und Reichshilfe leistete, der könne sich darauf berufen, dem Kaiser „on minel" unterstellt zu sein; so jedenfalls sah es der Adel. Aus der Sicht des Kaisers jedoch war die Besteuerung des Adels eine finanzpo-litische und militärische Notwendigkeit und hatte mit der Anerkennung einer Reichs-unmittelbarkeit im althergebrachten Sinne nichts zu tun. Das Haus Österreich als Trä-ger des Kaisertums stand in einem verzweifelten Abwehrkampf an der südöstlichen Grenze des Reichs. Sigmund, der nicht einmal in der Lage war, die Verhältnisse in den beiden schwäbischen Gerichtsbezirken zu ordnen, war notwendigerweise eine Schach-brettfigur in diesem Kampf um Leben oder Tod der Habsburger Monarchie, und der Kaiser ließ es ihn spüren.

Inmitten der Wirrnisse des Jahres 1482, die einen Zusammenbruch der habsburgi-schen Verwaltung in Schwaben nicht ausschlössen, versuchte der schwäbische Adel auf der Basis der Einung von 1463 zu einem selbständigen Zusammenschluß zu kommen. Das Bündnis der Grafen, Herren und Ritterschaft der vier Teile Schwabens wurde gleichsam als Akt der Selbsthilfe am 26. Juni 1482 geschlossen, also inmitten der allge-meinen Unruhen, die sich im Bereich der Landvogtei und den angrenzenden Gebieten zeigten. Die Gesellschaft trug den Namen „Vereinigung der Gesellschaft in Swabn'"'^ Unter den Mitgliedern finden sich sowohl Angehörige des Adels der Landgrafschaft Nel-lenburg wie auch der rund um die Landvogtei Ansässigen. An der Spitze der Einung stand Graf Haug von Werdenberg. Hauptmann des Adels vmrde Haug von Montfort-

RTA (Anm. 10) 365, Anm. 1. Dem Frankfurter Anschlag vom März 1486 lag offensichtlich der Anschlag des Nürnberger Reichstags von 1481 zugrunde. Es folgt in der Anmerkung der Hinweis auf Graf Haug von Werdenberg und andere kaiserliche Anwälte, die fiir die Anschläge verantwortlich waren. Es fiUlt auf, daß die Grafen und Herren nur zu Roß und Fuß und nicht zu Geld veranlagt wurden. Das geschah erst nach Beendigung des RT.

Josef Chmel, in: Mon. Habsburgica 1,1, 213, 2. Dezember 1477. TLA (Anm. 13) Handschrift 195 fol. 282-301 . Der Bundesschluß und die darauf folgenden Ver-

handlungen ziehen sich über drei Monate hin. Da hinein gehört auch der Schirmvertrag mit Herzog Sig-mund.

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Rothenfels, der dies Amt abwechselnd mit Georg von Werdenberg-Heiligenberg aus-übte. Hauptmann der Ritter wurde Hans Jacob von Bodman d. A. Er trat unter aus-drücklicher Ausnehmung des Erzherzogs Sigmund bei.

Mit der Erwähnung dieses Namens ist es an der Zeit, einiges über die Person Hans Jacob von Bodman d. Ä. zu sagen, der in den folgenden Jahren zum eigentlichen Gegen-spieler Haug von Werdenbergs wurde.

Das Geschlecht derer von Bodman zählt zu den ältesten Mitgliedern der Einungen mit St. Jörgenschild. In der ersten Einung von 1392 soll ein Bodman das Reichsbanner gegen die Hussiten gefiihn haben. In allen Einungen des 15. Jahrhundens waren sie als Haupdeute der Ritterschaft vertreten. Hans Jacob von Bodman d. Ä. erscheint bereits beim ersten Versuch, die Landgrafschaft Nellenburg 1461 zu übergeben. Er war Schwager des Johann von Tengen, und seine Mutter, Margareta, die Schwester des Grafen, war mit einem Betrag von 5.000 fl. eben-falls in die Schulden der Landgrafschaft verwickelt. Während die anderen Hauptschuldner Jo-hann von Tengen, Rudolf von Sulz und Marquan von Baldegg leer ausgegangen waren, gelang es Bodman durch geschickte Verhandlungsfiihrung seine Forderung von 5.000 fl. sicherzustel-len und gleichzeitig eine steile Karriere im Dienste des Herzogs Sigmund zu machen. Bodman, im Unterschied zu den meisten edelficien Geschlechtern, muß es bald klar geworden sein, daß unter österreichischer Herrschaft die Zukunft des schwäbischen Adels nur in der Übernahme von Ämtern und nicht im Pochen auf althergebrachte Rechte bestehen konnte. Betrachten wir die Laufbahn Bodmans unter diesem Gesichtspunkt, dann zeigt sich eine stetige Verbesserung bei den ihm übertragenen Ämtern oder Vogteien. 1472 als Vogt der hochverschuldeten Land-grafechaft Nellenburg bezeugt, wurde ihm 1476 die Vogtei Feldkirch mit den Einkünften des Montafon und des Bregenzer Waldes verschrieben. 1482 hatte er im herzoglichen Dienst die höchste Stufenleiter erklommen, als er mit Zusdmmung des Kaisers an die Spitze der soeben geschlossenen Einung gestellt wurde. Fragt man sich, wie es zu seinen Erfolgen gekommen war, so lassen sich zwei Gründe nennen: Zum einen unterwarf er sich 1472 Herzog Sigmund, öfF-nete ihm sein Schloß Hohenbodman und verzichtete auf die Rückzahlimg älterer Schulden. 1477 begab er sich freiwillig in österreichische Lehndienste, was der Adel im allgemeinen, wie wir wissen, ängsdich vermied. Man könnte ihn, modern gesprochen, als Realpolitiker bezeich-nen, während andere Adelsgeschlechter, an der Spitze die Werdenbergs, Montforts und Lupfen, der alten Vorstellung der Reichsunmittelbarkeit in Form einer mit Regalien ausgestatteten Lan-desherrschaft nachhingen^^.

Bodman war zweifellos der wichtigste unter den Räten Erzherzog Sigmunds in schwäbischen Angelegenheiten. Dieser selbe Mann woirde am 18. Oktober 1482 zum kaiserlichen Rat ernannt und stand nun als solcher an der Spitze der 1482 erneuerten Ei-nung mit St. Jörgenschild^. Was hatte das zu bedeuten? Es bedeutete, daß der Kaiser eine eigenständige Politik des schwäbischen Adels nicht wünschte. Die Präambel der Ei-nung vom 24. Juni 1482, in welcher sich der Adel zimi Heiligen Römischen Reich tmd zur Bewahrung seiner altliergebrachten Rechte bekannt hane, war unvereinbar mit dem Regierungsprogramm, das der Kaiser am 6. Januar 1453 verkündet hatte, und das sei-nen Symbolgehalt in den Initialen AEIOU trug. Das bedeutet ferner, daß man in den nun folgenden Jahren die Worte „on mittel dem Reich unterworfen" auf ihren Sinnge-halt prüfen muß. Sind sie aus dem Mund des Adels gesprochen, dann sind sie Ausdruck des Glaubens an die Bewahrung althergebrachter, bei jedem Regierungsantritt gemäß

Schriften des Vereins fiir Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, 25 (1433-1474), 26 (1474-1519), Lindau (1897).

" Schriften des Vereins (Anm. 43) 26, Lindau (1897) Nr. 736 18. Oktober 1482.

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der Goldenen Bulle erneut zu bestätigender Privilegien. Aus dem Mund des Kaisers ge-sprochen bedeuten sie das kaiserliche Besteuerungsrecht und lassen fiir die Zukunft die Frage ofiFen, wie es mit der Besteuerung des Adels gehalten werden würde. Merkwürdi-gerweise ist das von der Forschung nicht erkannt worden, auch nicht die Schlüsselposi-tion, die Bodman in der Verklammerung der Sigmundschen Schwabenpolitik mit der des Kaisers einnahm.

Nicht nur dem Adel gegenüber behielt sich der Kaiser seine Obrigkeit vor. Auch die Schwabenpolitik gegenüber den Reichsstädten steht ganz im Zeichen der Wahrung kai-serlicher Rechte. Seit 1478 schloß Sigmund auf Befehl des Kaisers Schirmverträge mit den schwäbischen Städten ab. Auf den Schirmvertrag mit Lindau 1478 folgten die Ver-träge mit Überlingen (1479) und Pfullendorf Von besonderer Bedeutung sollte der Schirmvenrag vom 24. Februar 1482 mit Biberach werden. Daß es mit diesem Bündnis etwas Besonderes auf sich hatte, läßt ein Dienstvertrag vermuten, den Erzherzog Sig-mund am 22. Februar 1482, also zwei Tage vorher, mit Hans Jakob d. Ä. abschloß. Bod-man verpflichtete sich, Sigmund für weitere fünf Jahre als Rat gegen jedermann treu zu dienen unter der Bedingung, in Kriegszeiten nicht außer Landes geschickt zu werden. Bei der Gelegenheit versprach er „seiner gnad Geheimnisse, die an ihn gelangten bis zu seinem Tod zu verschweigen"^\

Die Schutzverträge, die zwischen 1478 und 1485 auf Wunsch des Kaisers mit zahl-reichen schwäbischen Städten geschlossen wurden, bedeuteten die Öffnung dieser Städte im Kriegsfall fiir österreichische Truppen. Der Venrag mit Biberach allerdings sollte zu einer dauernden Quelle des Ärgernisses mit Herzog Georg von Bayern werden. Seinem Wortlaut nach wurde Biberach dadurch zu einem militärischen Stützpunkt. Bei Unruhen sollte Sigmund 100 Mann zu Pferd in die Stadt legen können, und diese sollte im Umkreis von zehn Meilen Pferde und Mannschaft zu ihrer Verteidigung stellen. Es dauerte nicht lange, da kam am 10. April 1482 eine Klage Biberachs über Herzog Georg von Bayern, der diesen Stützpunkt nicht dulden wollte. Der Herzog hatte das Landge-richt Marstetten nach Weissenborn verlegt und bedrängte von da aus Ulm, Biberach und Memmingen. Verschwiegen wurde bisher, daß es die Gläubiger Sigmunds waren, die für Unruhen in dem Gebiet um Weissenborn sorgten. Denkbar wäre es daher, daß es die Schulden Sigmunds bei den bayerischen Herzögen waren, die zu den nun ständig wachsenden Spannungen führten. In einem Memorial vom 12. Januar 1482 klagte Sig-mund dem Kaiser, daJß Herzog Georg die Ausfuhr von Getreide nach Tirol untersagt habe und ihm die Unterlagen zu den älteren Abkommen mit Bayern fehlten. Er bat da-her um ein „vidimus" des Originals aus dem „ Wiener Gewölbe". Ohne Verständnis fiir die Schwierigkeiten, in denen der Kaiser in diesen Jahren steckte, verzweifelt über die ei-genen, deren Ursache in der Höhe seiner Verschuldung und seiner mangelnden Durch-setzungsmöglichkeit lagen, wiederholte er in den folgenden Jahren stets die gleichen Klagen: Beschwerde über die Höhe seines Reichsanschlags, Verstimmung über die Ertei-lung von Privilegien an den schwäbischen Adel, Forderungen nach der Belehnung mit der Landvogtei Schwaben.

Von Bedeutung für die Zukunft wurde die Herreneinung, die anläßlich der Hoch-zeit Erzherzog Sigmunds 1484 in Innsbruck geschlossen wurde^. Es war eine Abspal-tung der Grafen und Herren aus dem Bündnis von 1482. Diese Gruppe leitete ihre

' ' Schriften des Vereins (Anm. 43) Nr. 729 22. Februar 1482. Hofecker, (Anm. 14) Hetrogswürde 101.

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Hilfspflicht aus den Lehen und Privilegien ab, die sie von Kaiser und Reich hatten. Der Kaiser, so heißt es, habe ihr gestattet, sich zur Wahrung ihres alten Herkommens, ihrer Würden und Freiheiten zusammenzuschließen. Das war nicht die Sprache Sigmunds und seines Rates Bodman. An der Spitze dieser Herreneinung stand Graf Haug von Werdenberg. Der Schwäbische Bund von 1488 formierte sich, wie wir sehen werden, aus zwei Einungen, die beide ihren Ursprung in der Einung von 1482 hatten.

1482 wurde Bodman nicht nur kaiserlicher Rat und Ritterhauptmann des St. Jör-genschildes, sondern auch Hauptmann der im nördlichen Schwaben liegenden Graf-schaft Hohenberg'". Gemeinsam mit den herzoglichen Räten Caspar von Laubenberg und Ulrich von Frundsberg erhielt er 1485 den Befehl, alle an Habsburg verpfändeten Städte in einer erweiterten Einung zusammenzufassen^'. Der Angelpunkt der Einung war - nach Jahren mehrfacher Streitigkeiten - ein Bündnis zwischen Ulrich d. Ä. von Württemberg und Erzherzog Sigmund am 25. Juni 1485. Alle schwäbischen Städte, der gesamte Adel, ja sogar die Grafschaft Tirol sollten in diesem Bündnis zusammengefaßt werden. Man hoffte auch auf den Beitritt von Maximilian'". Der erneuerte St. Jörgen-schild von 1482 und die bereits 1479 begonnenen Bündnisse mit den schwäbischen Städten müssen in Zusammenhang mit dem Vordringen der Ungarn beuachtet werden, als großes Schutzbündnis angesichts eines möglichen Überfalls durch „fr^emde nacion" oder anderes „gewaltiges eindringen". Im Vergleich zu der Lage, in welcher sich der Kai-ser seit 1478 befand, waren die Schwierigkeiten mit den Bayernherzögen von unterge-ordneter Bedeutung. Seit 1484 befand sich der Kaiser auf der Flucht, seit 1485 weilte er in den schwäbischen Städten^.

Ende 1485 b ^ b sich der Kaiser nach Frankfim, um auf dem dortigen Reichstag seinen Sohn zum römischen König wählen zu lassen und die Reichsstände erneut zu mi-litärischer Hilfe zu veranschlagen. Nocli vor B^ inn des Reichstages teilte der Kaiser dem Erzherzog in Würzbui^ mit, daß er die Grafen Jörg von Werdenberg und Jos Hi-ldas von Zollern zu den Prälaten der Landvogtei sende, um mit ihnen wegen der Zah-lung des auf dem Nürnberger Tag von 1481 festgelegten Anschlags zu verhandeln". Diese Mitteilung macht deutlich, daß der Kaiser die schwäbischen Prälaten zur Reichs-steuer veranschlagen wollte und dem ewigen Drängen Sigmunds, sie von ihm besteuern zu lassen, mitnichten nachgeben würde. Diese Frage wurde eindringlich in der Instruk-tion fiir die Gesandten auf dem Würzburger Tag gestellt, blieb aber erfolglos'^.

Offensichtlich hatte der Kaiser im Frühjahr i486 andere Sorgen. Die Königswahl seines Sohnes und die Ungarnhilfe standen im Vordergrund. Auf Sigmunds ständiges Drängen hin wurde ihm die Einlösung der Landvogtei gestattet, die im Kontext der all-gemeinen Ereignisse uninteressant war und Sigmund nur zum Nachteil gereichte. Er fürchtete im Frühjahr i486, daß der Kaiser und sein Sohn ihn der Regierung entsetzen

' ' Schriften des Vereins (Anm. 43) Nr. 738, 18. Oktober 1482. « TLAÄKB (Anm. 20) H/7, fol. 83, 85, 4. Mai 1485. " Hofiicker (Anm. 14) 103. ^ Vgl. Anm. 10 Vorrede. Die archivalischen Forschungen in Innsbruck bestätigen die These von

Angermeier, daß die Ungarngefehr im Vordergrund des kaiserlichen Handelns stand. Bocks Ausführun-gen aus dem Jahre 1972 sind dadurch überholt.

" RTA (Anm. 10) 1,2 Nr. 626 2. Dezember 1485. " RTA (Anm. 10) 1,2 Nr. 628 8. Dezember 1485. Vgl. TLA (Anm. 20) ÄKB H/7 fol. 117: „Item

das Bischöfe prälaten Grafen und Herrn in den vordem Landen uns in die Hilf zu geben und nicht in das Reich zu ziehen wie von alters her geschehen ist."

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und mit einer jährlichen Pension abfinden wollten. Ein Zusammengehen mit den Bay-ernherzögen stritt er ab. Wohl wolle Herzog Georg die Markgrafechaft Burgau in Besitz nehmen, aber er, Sigmund, würde sie niemandem verkaufen oder verpfänden, da sie „ein merklich stück des Titels der Fürsten von Österreich" trage. Aus Not habe er Verpfän-dungen an Herzog Albrecht von Bayern vorgenommen. Vom Kaiser begehne er Rat, wie er die Verpfändungen lösen könne. Schließlich erbat er eine Ermäßigung seines Reichs-anschlags und verwies auf die bereits geleisteten Beträge. In beiden Fällen lehnte der Kaiser die Hilfe

Im Laufe des Sommers 1486 steigerten sich die Streitigkeiten mit Georg von Bay-ern. An eine gütliche Einigung war nicht zu denken: „Wir und die Unsern werden je länger desto mehr belastet." Die Leute des Herzogs durchstreiften das Gebiet der Land-vogtei bis nach Leutkirch. Der Schirmvertrag mit Biberach führte zu bösen Belästigun-gen der dortigen Bürger. Biberach wünschte Erstreckung des kaiserlichen Schirms. Aber weder sah sich Sigmund in der Lage, den Schirmvertrag über Biberach zu verlängern noch den Reichsanschlag zu zahlen. Im Gegenteil: Er zog seine Söldner von Stein, Ybbs und Krems ab^. Im Mai i486 hatte der Kaiser Prälaten, Adel und Städte angewiesen, Erzherzog Sigmund von Tirol als neuem kaiserlichen Landvogt zu huldigen". Ange-sichts der tatsächlichen Verhältnisse in Schwaben war dieser Befehl gegenstandslos. Sigmund war als Vogt Glied im kaiserlichen Verwaltungsapparat in einem Bezirk, der jedem Zugriff von außen offen stand. Wie die Grenzen der Markgrafschaft Burgau, so waren auch diejenigen der Landvogtei Schwaben umstritten. Seit langem hatte der ansässige Adel einschließlich des Landvogts seine eigenen Gerichtsbezirke. Trotz seiner katastrophalen Finanzlage wurde Sigmund zur Reichshilfe mit 15.600 fl. höher als die Kurfürsten veranschlagt. Über den Protest der Tiroler Gesandten ging Haug von Wer-denberg hinweg. Trotz Sigmunds Einwand wurden auch die schwäbischen Prälaten zur Reichshilfe veranschlagt und schließlich, nach Abschluß des Reichstages, auch noch die Grafen und Herren^.

Eine weitere Niederlage erlitt Sigmund im Herbst i486, als der Kaiser für den Trienter Bischofsstuhl Sigmunds Kandidaten Ulrich von Frundsberg ablehnte und ent-gegen der ursprünglichen Entscheidung des Kapitels seinen Kandidaten Georg von Wolkenstein durchsetzte'^.

" RTA (Anm. 10) 1,2 Nr. 640 22. April 1486, Memorial an den Römischen König. ^ RTA (Anm. 10) 1,2 Nr. 645 15. Juni 1486. " RTA (Anm. 10) 1,2 Nr. 641 20. Mai 1486. ^ Eduard Maria Fürst L i c h n o w s k y , Geschichte des Hauses Habsburg 8 (1843) 14. Dezember

1486. Graf Georg von Werdenberg und Reichserbmarschall Mang von Pappenheim sollen It. kaiser-lichem Befehl mit der Gesellschaft St. Jörgenschild um eine Hilfe wider den König von Ungarn ver-handeln. In der Forderung wird darauf hingewiesen, daß die Mitglieder in Schwaben wohnten, mit Reichslehen versehen seien und in der Mehrzahl bisher dem Kaiser weder Dienstbarkeit noch Beistand erwiesen hätten. Daraus läßt sich entnehmen, daß die Dienste in Mannschaft und Pferden, die der Adel bisher gestellt hane, nicht ins Gewicht fielen. Es wurde Geld vom Adel verlangt. Vgl. Eberhard I s e n m a n n , Reichsfinanzen und Reichssteuern im 15. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Historische Forschung 7 (1980) 186 spricht von „vorgeschobener Adelsideologie", die die Geldsteuer grundsätzlich abgelehnt hätte. Die Geldsteuer anstelle des Dienstes mit der Waffe bedeutete für den Adel eine Er-niedrigung. Er war es gewohnt, mit der Waffe zu dienen. Steuern bezahlten die Bürger und die Bauern. Außerdem verfugte er in den meisten Fällen nicht über die notwendigen Mittel.

" RTA (Anm. 10) 1,2 Nr. 657, 658, 659 Instruktionen des Kaisers am 18. Oktober 1486.

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In dieser fiir Sigmund so hoffnungslosen Lage, und nachdem ihm jede Hilfe vom Kaiser abgeschlagen worden war, vollzog sich am 28. November i486 der „VerkauP der Markgrafschaft Burgau''.

Zehn Tage später erhob der Kaiser Einspruch. Sigmund antwortete umgehend, er würde die Verschreibung der Markgrafschaft sofon lösen, wenn der Kaiser ihm 52.000 fl. zahle. Geschähe das, so wolle er auch die Heiratssache ruhen lassen. Aber er habe mit Burgau nicht anders handeln können". Der Kaiser, nicht in der Lage, dieser Bitte nachzukommen, war weiterhin mit der Einforderung der Ungarnhilfe befaßt. Sig-mund, in den größten Geldschwierigkeiten, die vor allem durch Getreidekäufe für die Bevölkerung angesichts des Ausbleibens der Lieferungen aus Bayern bedingt waren, ver-schrieb Herzog Albrecht von Bayern am 28. Januar 1487 einen weiteren Betrag von 100.000 fl"'. Am 19. Mai 1487 wurden die Vorderen Lande auf sechs Jahre der Verwal-tung Herzog Albrechts übergeben, am 19. Juli 1487 erfolgte der „Verkauf^'.

Man wird mit dem Wort „Verkauf genauso vorsichtig sein müssen wie 1465 beim sogenannten Verkauf der Landgrafschaft Nellenburg. Der Geldmangel, so ist den Quel-len zu entnehmen, hatte Sigmund in die Arme der Bayern getrieben. Mit den Schulden bei der Übernahme der Landgrafechaft Nellenburg hane das Unglück begonnen. Ange-sichts Sigmunds Unfähigkeit, seine Schulden zu bezahlen, hanen die Bayern ihre Forde-rungen aufgrund der Verpfändungen eingefordert. Bedenkt man die Situation, in der sich Sigmund befand, kann die zeitweise Verpfändung der Vorderen Lande nur als Schritt in einer ausweglosen Lage betrachtet werden, die nicht durch eine „Politik der Nadelstiche" Herzog Georgs verursacht war, sondern durch drohende Hungersnot in den Vorderen Landen angesichts der Straßensperrung der Bayern, die sie auch nach der Gründung des Schwäbischen Bundes fortsetzten. Neben den ausstehenden Geldforde-rungen mögen auch noch andere Gründe für die bayerische Politik ausschlaggebend ge-wesen sein: so etwa die Ennäuschung darüber, daß ihnen 1473 imd 1486 die Landvog-tei nicht überlassen worden war, und daß nicht ihr Kandidat, sondern der kaiserliche das Bistum Augsburg erhalten hatte. Kraft seiner Position lag die Macht beim Kaiser, aber eben diese setzte er 1486 nicht für Sigmund ein, sondern notgedrungen für seine aus-wärtige Politik. So waren, wie wir dargestellt haben, die chaotischen Zustände in der Landvogtei und ihrem Umfeld der Anlaß fiir die bayerischen Herzöge, sich durch Ein-künfte, die ihnen auf sechs Jahre verpfändet waren, Sicherheit fiir die ihnen geschulde-ten Geldsummen zu verschaffen. Die bayerischen Herzöge taten also nur das, was ihnen vertraglich zustand'^.

Parallel zu den Ereignissen, die am 19. Juni 1487 zur Abtretung der Vorderen Lande an Bayern gefiihrt hatten, nahm die Entwicklung auf Reichsebene ihren Fortgang. Es ging um die Zusammenfuhrung des unter Erzherzog Sigmund stehenden St. Jörgen-

" Lichnowsky (Anm. 56) 8, No. 893. " Lichnowsky (Anm. 56) 8, 21. Dezember 1486. " Lichnowsky (Anm. 56) 8, No. 923. " Lichnowsky (Anm. 56) 8, No. 981. " Ernst B o c k , Der Schwäbische Bund und seine Verfessungen 1488-1534 (Neudruck 1968) und

Hofacker (Anm. 14) haben m. E. die Situation Sigmunds nicht richtig erkannt, weil sie das Ausmaß sei-ner Verschuldung gegenüber den bayerischen Herzögen nicht durchschaut haben. Bock setzt in seiner „Vorrede zum Neudruck" der Ausgabe von 1927 falsche Akzente. Der Schwäbische Bund wurde nicht gegen die „Annexionsgelüste der Wittelsbacher" (S. IX) gegründet, sondern im Augenblick höchster Ge-fahr von Osten und im Westen (vgl. Hermann Wiesflecker, Maximilian L, 1991, 55).

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Schild mit dem Grafen von Württemberg (Eberhard d. Ä.), den schwäbischen Städten und dem Herrenbund unter Haug von Werdenberg. Das kaiserliche Gebot vom 26. Juni 1487 an die Stände, sich am 26. Juli 1487 in Esslingen einzufinden, um über die Durchführung des i 486 in Frankfurt beschlossenen Landfriedens zu beraten, er-scheint mir durchaus glaubhaft. Es ging um die Fortsetzung der 1478 in Schwaben be-gonnenen Bündnispolitik größeren Stils. Die dringend notwendigen Maßnahmen zur Veneidigung des Reichs gegen die äußeren Feinde mußten fortgesetzt werden, zumal sich auch im Westen die Situation für den soeben zum König gewählten Maximilian I. ungünstig gestaltete. Das Problem, das sich dem Kaiser stellte, bestand darin, die Her-reneinung von 1484 und den größeren Bund von 1485 miteinander zu vereinen, um dann mit Hilfe des Erzherzogs und des Grafen von Württemberg zu einer wirklich schlagkräftigen Reichsarmee zu kommen.

Als Antwort auf das kaiserliche Mandat vom 26. Juni 1487 legte Haug von Werden-berg am Tag von Esslingen, dem 26. Juli 1487, den „vergriff einer Eynung" vor. Der Text beginnt mit den Worten: „nachdem wir seiner kais. Maj. als unserm rechten Herrn on mittel unterworfen sind"". Nach Jahrzehnten der Gefährdung ihrer Reichsunmittel-barkeit durch die habsburgischen Erzherzöge Albrecht VI. und Sigmund meldete sich der kaisertreue Adel zum Wort. Im Mittelpunkt der Einung stand die Frage der Recht-sprechung unter dem Kaiser als Richter. In ihm sahen sie den Beschützer ihrer Reichs-unmittelbarkeit. Der Beitritt von Fürsten oder mächtigen Städten sollte nur durch Mehrheitsbeschluß geschehen.

Bedenkt man, daß sich seit 1485 unter den Augen des Kaisers zwischen dem Adel, den Städten, den Grafen von Württemberg und dem Erzherzog Sigmund ein Bündnis angebahnt hatte, dann entsprach der ftirstenfeindliche Einungsentwurf des Grafen Haug von Werdenberg nicht den politischen Zielen des Kaisers. Auch erfolgte kein Echo auf diesen Aufruf Wohl aber versicherte sich der Kaiser auf dem Nürnberger Reichstag der Treue von Vater und Sohn Bodman angesichts des Verrats des Erzherzogs*^. Der Kai-ser muß um den bevorstehenden Schritt des Vetters gewußt haben, ja möglicherweise sogar mit ihm gerechnet haben.

Zwei Einungen standen nunmehr nebeneinander, und die Entmachtung Sigmunds und die Verurteilung seiner Tat hätten zu einer Isolierung der unter ihm stehenden Ei-nung mit St. Jörgenschild führen können. Nachdem keine Vereinigung der beiden Adelsparteien erfolgte, erging am 4. Oktober 1487' ' ein kaiserliches Mandat, das den Zusammenschluß des Adels bei Androhung von Strafe auf zehn Jahre befahl. Aus dem Wortlaut des Befehls wird deutlich, warum der Zusammenschluß erforderlich war. Nach dem Verrat Sigmunds habe Schwaben „keinen aigenen fiirsten noch niemand der ain gemein aufsehen daraufFhat dann unss als römischer Kaiser." Es bedurfte dieser of-fiziellen Entmachtung Sigmunds, um ihn dem Kaiser gefügig zu machen. Die Worte des Kaisers machten ihn zum allein Verantwortlichen in der bayerischen Angelegenheit. Seine Loyalität gegenüber dem Hause Österreich war in Frage gestellt, dessen Ansehen in allen seinen Überlegungen stets an erster Stelle gestanden hatte. Die Vorbehalte der Städte gegen das Mandat fielen weg, nachdem Hans Jacob von Bodman und Burkard

" Karl K l ü p f e l , Urkunden zur Geschichte des Schwäbischen Bundes 1,1 (1846). " Schriften des Vereins (Anm. 43), Nr. I I I , 10. August 1487. " Chmel (Anm. 15.), Nr. 8262, 4. Oktober 1487.

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von Stadion verhandelt hatten und der Kaiser sich zu Konzessionen bereit erklän hatte''. Damit war der Weg für die Verhandlungen frei, die zwischen dem 23. Januar 1488 und dem 4. Februar 1488 in Eßlingen stattfanden.

Die Verhandlungen begannen mit zwei wichtigen Instruktionen, die am 23. Januar 1488 von Innsbruck aus erteilt wurden'^ In dem einen Fall wurde Jos Niklas von Zol-lern zu den Herzögen Georg und Albrecht von Bayern gesandt, in dem anderen Fall handelte es sich um eine Instruktion nach Esslingen, wo Hans Jacob von Bodman d. A. bereits seit dem 8. Januar 1488 mit Haug von Werdenberg verhandelte. Betrachten wir zunächst den Wortlaut der Instruktion an die bayerischen Herzöge. Sigmund schilderte die schwere „ungnad", in die er gefallen sei, weil er keine Vollmacht gehabt habe, den Verkauf der Vorderen Lande zu tätigen. Die Summe von 50.000 fl., die er bekommen hatte, habe er für Futter und Getreide wegen der Sperrung der Straßen bezahlen müssen. Es sei ihm vor allem unangenehm, bei seiner Landschaft und den Eidgenossen in Verruf zu geraten. Daher bat er die Herzöge, die Verschreibungen wieder herauszugeben und zusätzlich um die Rückgabe der Markgrafechaft Burgau. Wenn nicht sofort, dann möge man die Angelegenheit durch einen „güdichen Tag" entscheiden lassen.

Die zweite Instruktion erging an „prelaten, Ritterschaft und Andere, so in baiden Gesellschaften in Esslingen" versammelt waren. Die drei dorthin abgeordneten Räte Ul-rich von Frundsberg, Burkard und Walter von Stadion sollten sich zuvor mit Bodman beraten, wie bei der „Sammlung des Montags" zu arbeiten und zu handeln sei. Zuvor aber sollten die Gesandten Bodman wissen lassen, „wie wir im mit gnad geneigt sein al-les das zu tun, als wir im in Kraft unserer Verschreibung zu tun schuldig sein, des wir uns auch ungezweivelt mit im versehen wollen." Auf keinen Fall dürfe der „punt wider kais. gnade sein". Sigmund wurde zum stärksten Befürworter des kommenden Schwäbischen Bundes, wenn er seine Räte aufforderte, in Esslingen mit den Prälaten, der Ritterschaft und den Reichsstädten zu verhandeln, „damit die sich tapfer ohn lenger verziehen in den punt und verainigung begeben, angesehen was Fruchtbarkeit dem heiligen Reich teut-scher nacion und sonderlich dem Lande Schwaben hieraus erwachsen möge, denn damit mögen sie sich selbst bei ihren Rechten Herrlichkeiten und altem herkommen hantha-ben". Die Instruktion vom Innsbrucker Hof war ein einziger Lobgesang auf die friedens-tiftende Kraft des Bundes. Zugleich sollten die Räte wissen, daß auch er, Sigmund, sich laut kaiserlichem Mandat in den Bund begeben werde. Von Esslingen aus sollte Walter von Stadion zum Pfalzgrafen reiten und auch ihn für den Bund gewinnen und ebenso zu den Reichsstädten Überlingen, Lindau und Ravensburg, um dort für den Bund zu wer-ben. Die Eidgenossen, der ewige Sorgenfaktor, sollten über ihren Boten Hans Lanz er-fahren, daß ihnen ihre Provision noch vor dem 16. März 1488 (mitfästen) bezahlt vmrde. Die Korrektur der bayerischen Angelegenheit war ein Sonderproblem, das der Kaiser selbst in die Hand nahm. Viel wichtiger war es im Augenblick, im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Reichsarmee die beiden Einungsbewegungen zusammenzu-bringen und den Widerstand der Herreneinung gegen Erzherzog Sigmund zu überwin-

" Karl K1 ü p f e 1, Urkunden zur Geschichte des schwäbischen Bundes I (1846) 12. Hofecker (wie Anm. 14) 111, hat übersehen, daß seit dem 8. Januar die Räte Hans Jacob von Bodman und Burkart von Stadion nach Eßlingen abgeordnet waren und sich um die Milderung des Poen Mandats vom 4. Oktober 1487 bemühten. Diese Bemühungen führten am 21. Januar 1488 zum Erfolg. Zwischen dem 23. Januar und 4. Februar erfolgte dann der eigentliche Durchbruch. Seit dem 7. Januar 1488 war der Kaiser in Innsbruck. Diese Wochen waren die entscheidenden für die Gründung des schwäbischen Bimdes.

' ' TLA ÄKB (wie Anm. 28) K/9, fol. 34, 36 f.

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den, mit welchem die Anrainer der Landvogtei, an der Spitze die Grafen von Montfort und Werdenberg, in ständiger Fehde lagen. Deshalb mußte auch gleichzeitig mit Erz-herzog Sigmund Graf Eberhard d. A. von Württemberg in den Bund eintreten, da die Grafen und Herren in ihm ihren Schirmherrn sahen, zumal viele von ihnen in vnirttem-bergischen Diensten gestanden hatten oder standen. Am 4. Februar 1488 kam es durch das Verhandlungsgeschick der beiden Räte Hans Jacob von Bodman d. Ä. und Haug von Werdenberg zum Zusammenschluß der beiden Einungen mit den Städten. Am glei-chen Tag trat Erzherzog Sigmund dem Bündnis bei und am folgenden der Graf von Wümemberg. Die Verschreibungen an den Herzog Albrecht von Bayern auf Schwaz und die donigen Silberbergwerke wurden widerrufen. Die mißliche bayerische Angele-genheit befand sich auf dem Weg der Beilegung, obwohl es noch sechs Jahre dauern sollte, bis Herzog Albrecht einlenkte. Aber schließlich war ihm venraglich das Recht zu-gesprochen worden, die Vorlande auf sechs Jahre unter seiner Verwaltung zu haben. Die noch verbleibenden Schulden Sigmunds an Bayern mußten die Tiroler Stände bezahlen.

Am 14. Februar 1488 konstituierte sich der schwäbische Adel unter der Bezeich-nung „erneuerter alter verein der Prälaten, Grafen, Herren, Ritter und Knechte der vier Teile Schwabens de anno 1488". Die Bezeichnung tf/ffr Verein könnte sich sowohl auf den Verein von 1463 als auch auf den von 1482 beziehen. Zum Schvioir auf die Einung kam es in Esslingen am 24. März 1488. Am 13. April 1488 vmrden in Reudingen die Kontingente der vier Parteien festgelegt: Jeder Teil (Graf Eberhard d. A. von Württem-berg, Erzherzog Sigmund mit dem St. Jörgenschild, die Herreneinung unter Haug von Werdenberg sowie die Städte) sollte je 3.000 Mann zu Fuß und 300 zu Roß stellen, so daß das einfache Bundesheer, bevor die Aufnahme neuer Mitglieder erfolgte, mit 12.000 Fußknechten und 1.200 Rittern einen statdichen Umfang hatte. Oberste Hauptmann wurden Graf Haug von Werdenberg und Wilhelm Besserer, der Bürgermeister von Ulm. Die später hinzugetretenen Fürsten hatten einen eigenen Hauptmann. Die weitere Ge-schichte des Schwäbischen Bundes soll hier nicht erörtert werden. Ich möchte stattdes-sen ein Resüme der beiden Kapitel meines Aufsatzes geben.

5. Zusammenfassung

Meine Absicht war es, die Bedeutung des Privilegium maius für die Schwabenpolitik Kaiser Friedrich III. herauszuarbeiten. Es zeigte sich, daß die darin enthaltenen Privile-gien den Kaiser sowohl als römischen Kaiser als auch als Erzherzog von Österreich mit unbeschränkter Vollmacht ausstatteten und Auslegungsnorm fiir die Goldene Bulle wurden. An oberster Stelle bei Reichsangelegenheiten stand das Interesse des Hauses Österreich.

Die Folgen der habsburgischen Erwerbspolitik zeigten sich an der sozialen Lage des Adels. Seit Generationen in österreichischen Diensten wurde er, wie hier am Beispiel der Grafen von Tengen, Sonnenberg und Sulz gezeigt wurde, in das habsburgische Verwal-tungssystem integrien. Die meisten der sogenannten reichsunmittelbaren Regalien wa-ren Pfandschaften, die als Pfandlehen an den Adeligen übertragen wurden. Als Träger ei-nes solchen wurde der Adelige, einerlei ob Graf, Herr oder Ritter österreichischer Unter-tan. Die österreichische Pfandschaftspolitik führte also keinesfalls zum Verlust von österreichischen Herrschaftsrechten, sondern zur Unterwerfting des Pfandnehmers. Derjenige Adelige, der sich an seine vermeindichen Reichsunmittelbarkeit klammerte, war auf der Verliererseite, wie ich am Beispiel der Grafen von Montfort nachweisen

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konnte''. In österreichischen Diensten konnte nur derjenige aufsteigen, der sich Ver-dienste um das Haus Österreich erwarb. Als einen solchen lernten wir den kaiserlichen Rat Hans Jacob von Bodman d. Ä. kennen.

Es ist Friedrich III. immer wieder vorgeworfen worden, Reichspolitik zu Lasten der Hausmachtpolitik betrieben zu haben. Es wurde dabei übersehen, daß unter der Regie-rung des Kaisers Reichs- und Hausmachtpolitik nicht voneinander zu trennen sind. Das Haus Österreich, verkörpen durch den Kaiser, wurde Träger der Reichspolitik.

Als der eigentliche Verlierer bei der schwäbischen Politik Kaiser Friedrichs III. er-wies sich Erzherzog Sigmund. Es zeigte sich, daß auch er nur ein Glied innerhalb des kaiserlichen Verwaltungssystems war und mit den Schulden seiner Vorgänger belastet wurde, die schließlich die Tiroler Stände tragen mußten.

Bei einer Analyse der Quellen zur Vorgeschichte des Schwäbischen Bundes wurde deudich, daß die Gründung dieser Einung inminen der größten außenpolitischen Schwierigkeiten ein Meisterstück kaiserlicher Politik war. Haag von Werdenberg und diejenigen, die meinten, eine längst vergangene Reichsunmittelbarkeit erneuern zu kön-nen, mußten sich dieser Politik fügen.

Es ergibt sich aus meiner Darstellung, daß ich nicht, wie Peter Moraw, einer Zwei-teilung der Reichsverfassung in „Reichstags-Deutschland" und „Erbländer des Kaisers" beipflichten kann". Ich bin vielmehr der Meinung, daß, ausgehend vom „malus" als Teil der Reichsverfassung, untersucht werden müßte, auf welche Weise die Sonderrechte des Hauses Österreich den österreichischen Kaisern die Möglichkeit gaben, die Reichsver-fassung im Sinne der Wahrnehmung der Vormachtstellung Österreichs zu beeinflussen. Lhotsky hat in seinem Aufsatz „Was heißt Haus Österreich?" die AuflFassung vertreten, daß mit diesem Begriff die Gesamtheit der von österreichischen Herzögen gewonnenen und regierten Länder bezeichnet werde^". Unter Friedrich III. wird deuthch, daß damit die Dynastie zu verstehen ist.

Welche Konsequenzen hatte dieser Anspruch für die habsburgische Politik in Schwaben? Bekanndich ist erst jüngst durch Quarthai die Auf&sstmg vertreten worden, daß der Zusammenbruch von 1415 zur Erstarkung eigenständiger territorialer Mächte und des niederen Adels geführt habe^'. Dieser Meinung muß energisch widersprochen werden. Unter Maximilian 1. vollendete sich die Unterwerfung des schwäbischen Adels. Zugleich aber wurden in § 4 der Wahlkapitulation von 1519 die Inhaber von Pfänd-schaften als Glieder des Reichs anerkannt. Dieser Passus hatte einen steuerpolitischen Hintergrund. Der Adel, der sich gegen die Landstandschaft gewehrt hatte, konnte nun-mehr über die Reichsmatrikel zur Steuer herangezogen werden. Er war österreichischer Untertan und reichsunmittelbar zugleich. Habsburg hatte es deshalb nicht nötig, das Direktorium des Schwäbischen Kreises zu besetzen. Es hatte seine Stellvenreter in den

" Vgl. Anm. 11. " Peter M o r a w , Neue Ergebnisse der Deutschen Verfessungsgeschichte des späten Mittelalters, in:

Über König und Reich (1995) 69. ™ Alphons L h o t s k y , Was heißt Haus Österreich?, in: ders . , Aufsätze und Vorträge I (1970) 3 4 4 -

365. " Franz Q u a r t h a i , Österreichs Verankerung im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation,

Historische Bedeutung der österreichischen Vorlande, in: Archiv fiir österreichische Geschichte 136 (1995) 109fF.

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vornehmsten Vasallen des Schwäbischen Kreises: Dem Herzog von Württemberg und dem Bischof von Konstanz'^.

Mit diesem Ausblick auf die Rolle Österreichs im Schwäbischen Kreis möchte ich meine Untersuchung schließen. Die Pfandschaftspolitik erwies sich, so hoffe ich deut-lich gemacht zu haben, als das Instrument, durch welches die Reichsunmittelbarkeit im Interesse des Hauses Österreich interpretiert werden konnte. Sollte die landesgeschicht-liche Forschung meinen Ausfuhrungen folgen, so könnte dies zu einer Neubewertung der habsburgischen Politik im deutschen Südwesten fuhren.

" Volker P r e s s , Die Herzöge von Württemberg, der Kaiser und das Reich, in: Neunhundert Jahre Haus Wümemberg (1984) 412-433 . Der Auftatz von Press verdeutlicht, wie eng die Verbindung zwi-schen dem Wiener Hof und den Herzögen von Württemberg gewesen ist.

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