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8/18/2019 Die Körper Seele Einheit
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Die Körper-Seele-Einheit
Ich bin ein Körper, und nicht : ‚ich habe einen Körper‘.
‚Psychophysischer Parallelismus‘ 1 – Körper und Seele sind aber ein Einheit, nicht zwei ‚parallel‘
wirkende Substanzen (wie von Descartes2 angenommen; nämlich eine ‚res extensa‘ und eine ‚res
cogitans‘). Wenn das kognitive Geschehen Teil des somatischen Geschehens ist (und umgekehrt),
dann entspricht jedem Gedanken und jedem Gefühl ein bestimmter Körperzustand (und
umgekehrt).
Dann ist die Vorstellung ‚Ich habe einen Körper‘ eine paradoxe Selbstaussage / paradoxe
Selbstwahrnehmung:
Denn welches körperlich und sozial unabhängige ICH könnte das von sich sagen? Wäre es möglich,
dann gäbe es ein ‚körperloses‘ Ich, also eine ‚körperlose Seele‘ (eine ‚res cogitans‘), welche dann von
sich sagen könnte / müsste: ‚Zufällig hängt an mir dieser spezielle Körper‘ bzw. ‚Zufällig hänge ich an
diesem speziellen Körper‘.
Die klassische ‚Psychosomatik‘ ging pragmatisch oft von einem Leib-Seele-Dualismus aus, obwohl
dieser Dualismus heute nur mehr ‚methodischer‘ Natur ist:
„Psychosomatik bedeutet, dass Körper und Seele zwei untrennbar miteinander verbundene Aspekte
des Menschen sind, die nur aus methodischen Gründen oder zum besseren Verständnis unterschieden
werden. Dies bedingt keine »lineare« Kausalität in dem Sinne, dass psychische Störungen körperliche
1 „Die beiden zentralen Annahmen dieser zuerst von Gottfried Wilhelm Leibniz und später von Arnold Geulincx
und Nicolas Malebranche entwickelten Position lauten wie folgt:
Es gibt einen immateriellen Geist als eigenständige Substanz neben der materiellen; d. h. derDualismus ist wahr.
Der immaterielle Geist und die materielle Welt haben keinerlei kausalen Einfluss aufeinander.
Mit der zweiten These versucht der Psychophysische Parallelismus, auf Probleme der Theorie von René
Descartes zu reagieren. Diesem zufolge gibt es zwei fundamentale Typen von Substanzen: geistige und
materielle (ausgedehnte Körper); beide wirken aufeinander ein. Gegen einen solchen sogenannteninteraktionistischen Dualismus wurden allerdings mehrere Einwände vorgebracht.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Psychophysischer_Parallelismus 2 „Der Rationalismus geht von einer vorgegebenen Vernunftordnung aus. Es gebe eine Ordnung in der Welt, die
es zu entdecken gilt. Die Ratio, das vernunftgeleitete Denken, führe zu Wissen. Eine gutes Leben ist ein solches,welches im Einklang mit der vorgegebenen Ordnung steht und auf Vernunft gründet. PETRUS RAMUS (1515-1572) bestimmte Richtlinien für ein wissenschaftliches Vorgehen. Seine Methode war die Vernunftkritik. RENE
DESCARTES (1596-1650) zog alle Sinneseindrücke in Zweifel und meinte, nur das Denken verschaffe Gewissheit.
Seine dualistische Unterscheidung zwischen materieller und geistiger Welt hatte über viele Jahrhunderte einennachhaltigen Einfluss auf die abendländische Philosophie. Alle Körper seien Automaten und unterlägenmechanischen Gesetzmäßigkeiten (festgelegt von Gott, dem „Brunnenmeister", der nunmehr die Welt sich
selbst überlassen hat). Davon unabhängig sei der Geist. (Descartes beschrieb ausführlich den Reflexvorgang
und kann in dieser Hinsicht als Vorläufer des behavioristischen Reiz-Reaktions-Paradigmas angesehenwerden).“ -Quelle:
http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PsychologieZeittafel.shtml
https://de.wikipedia.org/wiki/Psychophysischer_Parallelismushttps://de.wikipedia.org/wiki/Psychophysischer_Parallelismushttp://arbeitsblaetter.stangltaller.at/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PsychologieZeittafel.shtmlhttp://arbeitsblaetter.stangltaller.at/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PsychologieZeittafel.shtmlhttp://arbeitsblaetter.stangltaller.at/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PsychologieZeittafel.shtmlhttps://de.wikipedia.org/wiki/Psychophysischer_Parallelismus
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Krankheiten verursachen. Solches würde zu einem Dualismus führen, bei dem es Krankheiten mit
psychischer Genese und Krankheiten mit somatischer Genese gäbe. (…) Ein einheitliches Modell f ür
die Wechselwirkungen zwischen Körper, psychischen Prozessen und Umwelt existiert nicht. Meist
werden Teilaspekte beschrieben, die von unterschiedlichen Theorien aufgenommen werden.3
Was diese ‚biederen‘ und ‚braven‘ Schulmediziner übersehen, ist die Tatsache, dass das ICH des
Menschen, wenn man nicht vom Leib-Seele-Dualismus ausgeht, sondern von einem MONISMUS,
weder Psyche noch Soma sein kann. Denn sonst erhebt sich sofort die Frage: Ist ‚alles‘ Psyche? Oder
‚alles‘ Soma? Eine unsinnige Frage, weil eine überflüssige Frage: setzt sie in dieser Form doch bereits
voraus, wonach sie fragt.
Der weise Baruch Spinoza, ganz in der rationalistischen Tradition des Descartes stehend, hat daher
das Monismus-Problem folgendermaßen gelöst: Körperliches und Geistiges waren für ihn zwei Seiten
oder Erscheinungsweisen (»Attribute«) des metaphysischen Weltgrundes. Und so folgerte er, dass
jedem physischen Vorgange ein psychischer entspreche und umgekehrt (‚Ordo et connexio idearum
idem est ac ordo et connexio rerum‘ ).
► Das ICH des Menschen ist damit weder psychisch, noch körperlich, sondern liegt beiden Aspekten
des Lebens ‚zu Grunde‘. Das, was aber mit sich selbst IDENT ist, das kann sich selbst nicht
wahrnehmen (denn jede Wahrnehmung setzt ‚Differenz‘ voraus: ‚etwas‘ berührt ‚etwas‘):
„Man bedenke zunächst einmal, dass alle unsere fünf Sinne verschiedene Formen eines Grundsinnes
sind, der dem Berührungssinn ähnlich ist. Das Sehen entspricht´ einem äußerst feinen
Berührtwerden. Die Augen berühren oder fühlen Lichtwellen und machen es so möglich, dass wir
Dinge berühren, die zunächst außerhalb der Reichweite unserer Hände liegen. Entsprechend werden
die Ohren von Schallwellen in der Luft berührt und die Nase von winzigen Staub- undGaspartikelchen. Doch die komplexen Neuronenmuster und Neuronenketten, die alle diese Sinne
ausmachen, bestehen aus Einheiten, die nur zwei Zustände kennen: nämlich »an« und »aus«. Das
einzelne Neuron signalisiert dem Nervenzentrum, dem Gehirn, nur »ja« oder »nein« und nichts
weiter. Wie wir aber von Computern wissen, die nur auf der Grundlage von zwei Zahlen – 0 und 1 –
arbeiten, können aus diesen einfachen Elementen die kompliziertesten und erstaunlichsten Muster
geformt werden.
In diesem Sinne gleichen unser Nervensystem und unsere 0/1- Computer allen anderen Dingen, denn
die physische Welt ist im Grunde ein Vibrieren. Ob wir dieses Vibrieren nun mit den Begriffen
»Wellen«, »Partikeln« oder vielleicht »Wellenpartikeln« beschreiben, wir werden keine Welle ohne
einen Wellenkamm oder ohne ein Wellental finden, oder ein Partikel ohne einen Abstand oder ohne
Zwischenraum zwischen sich und anderen Partikeln. Mit anderen Worten: Es gibt nicht so etwas wie
eine halbe Welle oder ein Partikel für sich allein ohne Zwischenraum zu anderen Partikeln. Es gibt
kein »An« ohne´ein »Aus«, kein »Oben« ohne ein »Unten«.
Obwohl Töne, die schnell vibrieren, ohne Unterbrechung zu klingen scheinen, ist dies nicht der Fall.
Jeder Ton ist eigentlich Ton/Stille. Wenn beide aber sehr schnell aufeinander folgen, registriert das
Ohr den Unterschied nicht bewusst. Dieser wird nur etwa in den niedrigsten hörbaren Tönen einer
Orgel deutlich. Auch das Licht ist nicht nur Licht, sondern Licht/Dunkel. Es pulsiert in Wellen mit der
3 Axel Schweickhardt, Kurt Fritzsche, Michael Wirsching: Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
(Springer-Lehrbuch), Heidelberg 2005, S. 5 und 7.
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für sie grundlegenden Auf- und Ab-Bewegung. Unter manchen Bedingungen kann die
Geschwindigkeit der Lichtvibrationen mit der Geschwindigkeit der Bewegung anderer Objekte
synchronisiert werden, wobei dann der Eindruck entsteht, dass die Lezteren sich nicht bewegen. Das
ist der Grund dafür, weshalb man in Sägemühlen keine Bogenlampen verwendet, denn die
Vibrationsgeschwindigkeit des Lichts, das sie aussenden, synchronisiert sich leicht mit derGeschwindigkeit einer Kreissäge, so dass ihre Zähne stillzustehen scheinen.
Während Augen und Ohren eigentlich sowohl das »Auf« als auch das »Ab« dieser Vibrationen
registrieren und darauf reagieren, nimmt unser Geist, d.h. unsere bewusste Aufmerksamkeit, nur die
»Auf«-Bewegung wahr. Das Dunkle, die Stille oder die »Aus«-Phase, wird ignoriert. Dass das
Bewusstsein die Zwischenräume ignoriert, ist ein nahezu allgemeines Prinzip, es kann aber ohne
diese »Zwischen«-Phasen keinen Energiepuls wahrnehmen. Wenn Sie Ihre Hand auf das Knie eines
attraktiven Mädchens legen und sie dort lassen, wird sie unter Umständen nach einer bestimmten
Zeit Ihre Hand nicht mehr spüren. Aber wenn Sie ständig ihr Knie tätscheln, wird sie sehr wohl
merken, wo Ihre Hand ist und dass Sie sehr interessiert an ihr sind. Aber sie merkt und – wie Sie wohlhoffen – schätzt das »An« mehr als das »Aus«. Dennoch sind alle Dinge, von denen wir glauben, dass
sie existieren, immer Abfolgen von »An« und »Aus«. Ein »An« oder ein »Aus« allein gibt es nicht.
Viele Leute haben die Vorstellung, sie würden, wenn sie Musik hören, lediglich eine Abfolge von
Tönen hören, und zwar von einzelnen Tönen oder von mehreren Tönen gleichzeitig (Akkorden).
Wenn dies zuträfe, wie etwa in den außergewöhnlichen Fällen von Personen mit Klangtaubheit, dann
würden sie keine Musik hören und überhaupt keine Melodie, sondern lediglich eine Abfolge von
Geräuschen.
Eine Melodie hören heißt die Intervalle zwischen den Tönen hören, auch wenn man sich dessen nicht
bewusst ist, und auch wenn diese Intervalle nicht Phasen der Stille sind, sondern »Stufen« von
unterschiedlicher Länge zwischen den Punkten einer Tonleiter. Diese Stufen oder Intervalle sind
Tonzwischenräume, vergleichbar mit den Entfernungszwischenräumen zwischen Körpern und den
zeitlichen Zwischenräumen zwischen Ereignissen.
Dennoch hat die bewusste Aufmerksamkeit im Allgemeinen die Gewohnheit, Zwischenräume zu
ignorieren. Die meisten Leute glauben beispielsweise, dass der Raum »Nichts« sei, bis er sich zufällig
mit Luft füllt. Sie sind deshalb verwundert, wenn Künstler oder Architekten von Arten und
Eigenschaften des Raums sprechen, und noch mehr, wenn Astronomen und Physiker die Begriffe
»gekrümmter Raum«, »expandierender Raum«, »endlicher Raum« oder »Einfluss des Raums auf
Licht oder Sterne« verwenden. Auf Grund dieses gewohnheitsmäßigen Ignorierens von »Zwischen-
Räumen« erkennen wir nicht, dass das ganze Universum (d.h. das Sein) ein Vibrieren zwischen
Körper/Raum ist, wie der Ton ein Vibrieren zwischen Ton/Stille. Körper und Raum sind untrennbar
miteinander verbunden wie das Innen mit dem Außen. Der Raum ist die Beziehung zwischen den
Körpern, und ohne diesen Raum kann es weder Energie noch Bewegung geben.
Wenn es einen Körper gäbe, etwa einen einzelnen Ball, ohne einen ihn umgebenden Raum, dann
könnte man ihn gar nicht als Ball oder einen Körper mit irgendeiner Form begreifen oder fühlen.
Wenn es nichts außerhalb von ihm gäbe, hätte er kein Außen. So in der Art könnte man sich Gott
vorstellen, aber bestimmt nicht als einen Körper! Auch gilt: Wenn es nur Raum gäbe mit nichts, was
sich in diesem Raum befindet, dann wäre es gar kein Raum, denn es gibt nur Raum zwischen den
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Dingen bzw. innerhalb oder außerhalb der Dinge. Aus diesem Grund ist der Raum die Beziehung
zwischen den Körpern.
Können wir uns einen einsamen Ball, den einzigen Ball im Universum, in der Mitte eines leeren
Raums vorstellen? Vielleicht. Aber dieser Ball hätte keine Energie, keine Bewegung. In Beziehung zu
was sollte er sich denn bewegen? Man kann nur sagen, dass Dinge sich bewegen, wenn man sie mit
anderen Dingen vergleicht, die relativ still stehen, denn Bewegung ist Bewegung/Stillstand. Stellen
wir uns also zwei Bälle vor und beobachten, dass sie näher aufeinander zukommen oder sich
voneinander entfernen. Sicherlich sehen wir jetzt Bewegung vor uns, aber welcher Ball bewegt sich?
Ball eins, Ball zwei oder beide? Wir können es nicht entscheiden. Alle Antworten sind zugleich richtig
und falsch. Bringen wir nun einen dritten Ball ins Spiel.
Ball eins und Ball zwei bleiben in der gleichen Entfernung voneinander, aber Ball drei bewegt sich auf
sie zu oder von ihnen weg. Oder? Man könnte auch sagen, Ball eins und Ball zwei bewegen sich
gleichzeitig auf Ball drei zu oder von ihm weg, oder Ball eins und Ball zwei bewegen sich auf Ball drei
zu, während Ball drei seinerseits sich auf Ball eins und auf Ball zwei zu bewegt, so dass alle Bälle in
Bewegung sind. Wie können wir uns nun entscheiden?
Eine Antwort wäre, dass Ball eins und Ball zwei, da sie zusammenbleiben, eine Gruppe sind und auch
ein Mehrheit bilden. Ihre Stimme entscheidet also darüber, welcher Ball sich bewegt und welcher
nicht. Aber wenn sich Ball drei hinzugesellt, dann kann er die beiden anderen Bälle ganz schön
hereinlegen, denn wenn nämlich alle drei Bälle den gleichen Abstand voneinander bewahren, kann
sich die Gruppe als Ganzes nicht bewegen. Kein einzelner Ball kann zu den anderen beiden bzw.,
keine zwei Bälle können zu dem noch verbleibenden Ball sagen: »Warum folgst du mir (uns)
ständig?« Denn die Gruppe als Ganzes hat keinen Bezugspunkt,´auf Grund dessen man weiß, ob sie
sich bewegt oder nicht.
Man beachte, dass zwei Bälle allein sich nur in einer geraden Linie bewegen können und drei Bälle
innerhalb einer Fläche, nicht aber in drei Dimensionen. In dem Augenblick, wo wir einen vierten Ball
hinzutun, erhalten wir die dritte Dimension der Tiefe, und jetzt hat es den Anschein, als ob unser
vierter Ball getrennt von den anderen stehen, einen objektiven Standpunkt bezüglich ihres
Verhaltens einnehmen und als der Bezugspunkt dienen kann. Haben wir aber den vierten Ball
hinzugefügt, können wir fragen, welcher Ball denn dieser Bezugspunkt ist? Jeder Ball kann im
Hinblick auf die anderen drei in der dritten Dimension sein. Man könnte das Ganze als »Einführung in
das Relativitätsprinzip« bezeichnen, denn dieses Prinzip ändert sich nicht, egal, wie viele Bälle noch
hinzukommen, und gilt deshalb für alle Himmelskörper in diesem Universum wie auch für alle
Beobachter ihrer Bewegung, unabhängig von ihrem Standort.“4
► Damit sind alle sinnlichen Wahrnehmungen relativ, relativ zum nicht-wahrnehmbaren Urgrund,
der mit sich ident ist.
Dieser raumzeitlose ‚Urgrund‘ hat eine Berührungsstelle mit der 4-dimensionalen Raumzeit : und
dieser ist das, was man ‚Gewahrsein‘ oder ‚Achtsamkeit‘ nennt (‚offener Geist‘). Kaum jemand
anderer als die Mathematikerin Simone Weil hat eine treffendere Metapher dessen geliefert, was
man unter Achtsamkeit versteht. Ihre Metapher erklärt sie so:
4 Alan Watts, Die Illusion des Ich. Goldman, 2005, S. 39ff
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“Von mir”, sagt Simone Weil, “wird nichts gefordert als Aufmerksamkeit, eine so völlige
Aufmerksamkeit, dass das ‘ich’ verschwindet.’ Die dazu erforderliche Passivität besteht im
Einklammern des eigenen Wissens, der eigenen Wünsche, Erwartungen und Pläne. Diese Art von
‘Warten’ ist damit aber kein rein passives ‘Abwarten’, sondern ein offenes ‘ausspannen’ des Geistes.
Vorschnelle Einordnungen und Abschließungen werden aktiv zurück gewiesen. Diese Öffnung desGeistes für das jeweils aktuell Neue ist damit eine Übung, vielleicht die schwerste überhaupt.“ 5
Und hier jetzt die Metapher:
„Volle Aufmerksamkeit besteht darin, das Denken auszusetzen, den Geist verfügbar, leer und für den
Gegenstand offen zu halten, die verschiedenen bereits erworbenen Kenntnisse, die man zu benutzen
genötigt ist, in sich dem Geist zwar nahe und erreichbar, doch auf einer tieferen Stufe zu erhalten,
ohne dass sie ihn berührten. Der Geist soll hinsichtlich aller besonderen und schon ausgeformten
Gedanken einem Menschen auf einem Berge gleichen, der vor sich hinblickt und gleichzeitig unter
sich, doch ohne hinzublicken, viele Wälder und Ebenen bemerkt. Und vor allem soll der Geist leer sein,
wartend, nichts suchend, aber bereit, den Gegenstand, der in ihn eingehen wird, in seiner nackten
Wahrheit aufzunehmen.“
***
Das also bedeutet ‚Einheit von Körper und Seele‘.
Kein Wunder, dass diese ‚mystisch‘ anmutende EINHEIT unserer werten ‚selektiven Aufmerksamkeit‘
ständig entgeht:
Sir Charles Sherrington dazu (in den Gifford-Lectures): "Nach allem, was sich wahrnehmungsmäßig
darüber ausmachen lässt, geht demnach das Bewusstsein (mind) in dieser unserer räumlichen Welt
5 Simone Weil, Schwerkraft und Gnade. [La pesanteur et la grâce]. Übers. Friedhelm Kemp. München 1952, S.
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einher gespenstischer als ein Gespenst. Unsichtbar, ungreifbar ist es ein Ding ohne jeglichen Umriss;
es ist überhaupt kein 'Ding'. Es bleibt unbestätigt durch die Sinne, und bleibt das auf immer."6
Und Rainer Maria Rilke hat das alles in folgenden Worten anschaulich und treffend
zusammengefasst:
„Wir müssen unser Dasein so weit, als es irgend geht, annehmen; alles, auch das Unerhörte, muss
darin möglich sein. Das ist im Grunde der einzige Mut, den man von uns verlangt: mutig zu sein zu
dem Seltsamsten, Wunderlichsten und Unaufklärbarsten, das uns begegnen kann. Dass die Menschen
in diesem Sinne feige waren, hat dem Leben unendlichen Schaden getan; die Erlebnisse, die man
„Erscheinungen“ nennt, die ganze so genannte „Geisterwelt“, der Tod, all e diese uns so
anverwandten Dinge, sind durch die tägliche Abwehr aus dem Leben so sehr hinausgedrängt worden,
dass die Sinne, mit denen wir sie fassen könnten, verkümmert sind. Von Gott gar nicht zu reden. Aber
die Angst vor dem Unaufklärbaren hat nicht allein das Dasein des Einzelnen ärmer gemacht, auch die
Beziehungen von Mensch zu Mensch sind durch sie beschränkt, gleichsam aus dem Flussbett
unendlicher Möglichkeiten herausgehoben worden auf eine brache Uferstelle, der nichts geschieht.
Denn es ist nicht die Trägheit allein, welche macht, dass die menschlichen Verhältnisse sich so
unsäglich eintönig und unerneut von Fall zu Fall wiederholen, es ist die Scheu vor irgendeinem neuen,
nicht absehbaren Erlebnis, dem man sich nicht gewachsen glaubt. Aber nur wer auf alles gefasst ist,
wer nichts, auch das Rätselhafteste nicht, ausschließt, wird die Beziehung zu einem anderen als etwas
Lebendiges leben und wird selbst sein eigenes Dasein ausschöpfen.
Denn wie wir dieses Dasein des Einzelnen als einen größeren oder kleineren Raum denken, so zeigt
sich, dass die meisten nur eine Ecke ihres Raumes kennen lernen, einen Fensterplatz, einen Streifen,
auf dem sie auf und nieder gehen. So haben sie eine gewisse Sicherheit. Und doch ist jene gefahrvolle
Unsicherheit so viel menschlicher, welche die Gefangenen in den Geschichten Poes drängt, die Formen
ihrer fürchterlichen Kerker abzutasten und den unsäglichen Schrecken ihres Aufenthaltes nicht fremd
zu sein. Wir aber sind nicht Gefangene. Nicht Fallen und Schlingen sind um uns aufgestellt, und es gibt
nichts, was uns ängstigen oder quälen sollte. Wir sind ins Leben gesetzt, als in das Element, dem wir
am meisten entsprechen, und wir sind überdies durch jahrtausendelange Anpassung diesem Leben so
ähnlich geworden, dass wir, wenn wir stille halten, durch ein glückliches Mimikry von allem, was uns
umgibt, kaum zu unterscheiden sind. Wir haben keinen Grund, gegen unsere Welt Misstrauen zu
haben, denn sie ist nicht gegen uns. Hat sie Schrecken, so sind es unsere Schrecken, hat sie Abgründe,
so gehören diese Abgründe uns, sind Gefahren da, so müssen wir versuchen, sie zu lieben. Und wenn
wir nur unser Leben nach jenem Grundsatze einrichten, der uns rät, dass wir uns immer an dasSchwere halten müssen, so wird das, welches uns jetzt noch als Das Fremdeste erscheint, unser
Vertrautestes und Treuestes werden. Wie sollten wir jener alten Mythen vergessen können, die am
Anfange aller Völker stehen, der Mythen von den Drachen, die sich im äußersten Augenblick in
Prinzessinnen verwandeln; vielleicht sind alle Drachen unseres Lebens Prinzessinnen, die nur darauf
warten, uns einmal schön und mutig zu sehen. Vielleicht ist alles Schreckliche im tiefsten Grunde das
Hilfl ose, das von uns Hilfe will.“ 7
6 In: Man on HIs Nature - The Gifford Lectures, Edinburg, 1937-38. Sir Charles Sherrington, Cambridge
University Press, 19407 Rainer Maria Rilke, Aus: Brief an Franz Xaver Kappus, Flädie, am 12. August 1904